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Das Pfennig=Magazin der Gesellschaft zur Verbreitung gemeinnütziger Kenntnisse. Nr. 161. Leipzig (Sachsen), 30. April 1836.

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Das Pfennig=Magazin.
[Beginn Spaltensatz] Wasserspiegel bilden. Diese Pagode ist ein Denkmal
altindischer Baukunst. Man weiß nicht, wann sie ge-
baut wurde, wem sie geweiht war und warum man den
Grund unter dem Wasser legte, wenn es nicht etwa
wegen der Heiligkeit des Flusses geschehen ist. Man
sieht stets Böte zwischen den gewölbten Hallen der Pa-
gode hindurchfahren, und es ist zu verwundern, daß
das Gebäude so lange der Gewalt des Stromes wider-
standen hat, der während der halbjährigen Passatwinde
sehr heftig ist.

Die Umgegend von Benares auf der Landseite ist
eben und hat wenig Reize; nur hier und da wird sie
durch Haine erheitert. Die Militairposten und Civil-
beamten der ostindischen Compagnie wohnen in eini-
ger Entfernung von der Stadt zu Secrole. Jenseit
dieser militairischen Linien werden die nächsten Umge-
bungen der Stadt freundlicher. Mehre schöne moham-
medanische Gräber verkündigen die Zunahme der An-
hänger eines fremden Glaubens, selbst in Brahma's
heiliger Stadt. Eine lange Vorstadt, deren zerstreute
und verfallene Häuser, durch sonderbare Bauart ausge-
zeichnet, zwischen Bäumen und blühenden Gebüschen
hervorblicken, führt zu den Stadtthoren, und ein ziem-
lich breiter Weg bringt uns zu einem großen Freiplatze.
Von hier an können europäische Fuhrwerke nicht mehr
gebraucht werden. Wir müssen zu Fuße gehen, oder
Elefanten besteigen, oder uns in Sänften setzen, die in
den engen, krummen und volkreichen Straßen der in-
nern Stadt oft nur mit Mühe durchkommen können.
Die Häuser sind meist hoch, keines unter zwei Stock-
werken, die meisten aber haben drei, mehre fünf oder
sechs. Die Straßen liegen beträchtlich tief unter der
Grundfläche der Häuser, die gewöhnlich an der Vorder-
seite bedeckte Hallen haben, hinter welchen kleine Läden
hervorblicken. Über diesen Hallen sind die Häuser reich
verziert mit Sonnendächern, vorragenden Rundfenstern
und sehr breiten überhängenden Dachtraufen, die auf
Unterlagen von Schnitzwerk ruhen. Man sieht viele
Tempel, die aber meist klein sind, in den Winkeln der
Straßen an hohe Häuser angelehnt. Sie sind jedoch
von ziemlich gefälliger Bauart, besonders die alten, und
viele derselben ganz bedeckt mit schönem Schnitzwerke
von Blumen, Thieren und Palmzweigen, das mit
den Arbeiten gothischer und griechischer Architektur
verglichen werden kann. Jm Allgemeinen herrscht in
Benares mehr Geschmack in den Verzierungen der
Gebäude, als man gewöhnlich in den Privatwohnun-
gen in Jndien findet. Der Hindu bemalt sein Haus
gern mit hochrother Farbe, und die hervorstehendsten
Theile sind gewöhnlich mit bunten Gemälden von Blu-
men, Menschen, Stieren, Elefanten, Göttern und
Göttinnen in all ihrer vielgestaltigen, vielköpfigen und
vielwaffigen Mannichfaltigkeit, bedeckt. Das Jnnere
der Stadt macht durch eine Vereinigung der Bauarten
aller Jahrhunderte einen auffallenden Eindruck. Hier
zeigen aufeinander gehäufte Steinmassen zuweilen so
nackte und hohe Vorderseiten, daß sie an ein Gefäng-
niß oder eine Festung erinnern, dort treten zwischen den
hohen Häusern gothische Thore, Thürme, Schwibbögen,
Balcone, Kuppeln, runde und zugespitzte Dome hervor.
Nachstehende Abbildung ( S. 144 ) zeigt uns einen Theil
des Jnnern der Stadt. Seit Aureng=Zyb, der von 1658
--1707 über Jndien herrschte und die Stadt eroberte,
hat die mohammedanische Baukunst ihre leichten und
zierlichen Formen unter den schwerfälligern und minder
geschmackvollen Werken der Hindu eingeführt. Von ei-
ner Moschee, auf den Trümmern eines Hindutempels
erbaut, steigen mehre Minarete empor, die ihre hohen
[Spaltenumbruch] Spitzen aus einer Masse schwerfälliger Bauwerke zu dem
Himmel erheben, wie unsere Abbildung Seite 141 zeigt.

Ungeachtet ihres hohen Alterthumes und bei allen auf
die Verzierung der Pagoden verwendeten Kosten hat Bena-
res doch keinen jener prächtigen Tempel, die in andern
Gegenden Jndiens einen so hohen Begriff von dem groß-
artigen Sinne ihrer Gründer geben. Hier sieht man keine
pyramidenförmigen Massen, mit erhabener Arbeit geziert,
keine großen kugelförmigen, einsam stehenden Hügel von
Mauerwerk, wie zu Bindrabund, keine riesige Stadt,
wie der Kutub Minar in Delhi, sondern das Ganze
ist aus Einzelheiten zusammengesetzt, die ohne Plan
und Absicht verbunden sind, aber zusammen ein archi-
tektonisches Ganzes von dem auffallendsten und ergrei-
fendsten Charakter bilden.

Die dem Gott Siwa geweihten Stiere, junge und
alte, zahm und zutraulich wie Hunde, gehen langsam
in den engen Straßen auf und nieder oder liegen in
der Mitte derselben, und lassen kaum durch sanfte Stöße
-- wer einen Schlag wagte, würde sich der Wuth des
fanatischen Volkes aussetzen -- sich aufstören, um einer
Sänfte Platz zu machen. Affen, dem Affengotte Guni-
maun geweiht, der Ceylon eroberte, sind ebenso zahlreich
in andern Theilen der Stadt, klettern auf alle Dächer und
auf die Vorragungen an den Tempeln, stecken ihre zu-
dringlichen Köpfe und Hände in jeden Obst= oder Zucker-
werkladen und reißen den Kindern das Essen aus der
Hand. Überall sieht man die Häuser der Fakirs mit
Götzenbildern verziert, aus welchen ein unablässiges Ge-
räusch mistönender Jnstrumente hervorschallt, während
andächtige Bettler von allen Hindusekten, welche die
scheußlichsten, durch Kunst, Schmuz oder Krankheit her-
vorgebrachten Misgestalten in den ekelhaftesten Stellun-
gen zeigen, beide Seiten der Straßen einfassen.

Benares zeigt bei Tagesanbruch ein weniger be-
wegtes Leben als die meisten großen Städte. Man
sieht fast Niemand als einige Straßenkehrer. Alle Häu-
ser sind verschlossen, die Läden fest verriegelt. Eine fri-
schere, kühlere Luft weht in den Straßen, als man bei
ihrer dichten Bevölkerung es erwarten sollte. Die Thiere
sind mit dem ersten Strahle der Sonne lebendig, Stiere
und Affen in Bewegung, Scharen von Tauben und
Papageien fliegen von den Gebäuden in allen Richtun-
gen herab. Nach Sonnenaufgang sieht man die Prie-
ster zu den Tempeln gehen, die Andächtigen holen das
heilige Wasser aus dem Ganges. An den Thüren der
Pagoden stehen Leute mit Körben voll Blumen zum
Verkaufe. Lange Schnüre von hochrothen, weißen
oder gelben Blumen werden besonders gesucht als Opfer-
gaben für die Götter. Der Fußboden der Tempel wird
mit Blumen bestreut.

Gegen zehn Uhr regt sich die lebendigste Thätig-
keit. Die kostbaren Waaren, wovon Benares einen
Überfluß hat, werden nach indischer Sitte sorgfältig den
Blicken der Vorübergehenden entzogen, aber in den Lä-
den der Schneider sieht man einige der theuersten Er-
zeugnisse der benachbarten Länder ausgelegt. Diese ge-
schickten Handwerker, die einen Riß mit unsichtbaren
Stichen zusammenheften, sitzen in Gruppen und sind
beschäftigt, prächtige Shawls zu flicken, welche, nachdem
sie durch ihre geübten Hände gegangen sind, an uner-
fahrene Käufer so theuer verkauft werden, als ob sie
eben erst von den Webstühlen in Tibet gekommen wä-
ren. Die Läden der Kupferschmiede fallen am meisten
in die Augen, reich ausgestattet mit Gefäßen und Ge-
räthen für Haus und Tempel. Jn jeder Straße sieht
man einen Wechsler hinter einem Geldhaufen und Beu-
[Ende Spaltensatz]

Das Pfennig=Magazin.
[Beginn Spaltensatz] Wasserspiegel bilden. Diese Pagode ist ein Denkmal
altindischer Baukunst. Man weiß nicht, wann sie ge-
baut wurde, wem sie geweiht war und warum man den
Grund unter dem Wasser legte, wenn es nicht etwa
wegen der Heiligkeit des Flusses geschehen ist. Man
sieht stets Böte zwischen den gewölbten Hallen der Pa-
gode hindurchfahren, und es ist zu verwundern, daß
das Gebäude so lange der Gewalt des Stromes wider-
standen hat, der während der halbjährigen Passatwinde
sehr heftig ist.

Die Umgegend von Benares auf der Landseite ist
eben und hat wenig Reize; nur hier und da wird sie
durch Haine erheitert. Die Militairposten und Civil-
beamten der ostindischen Compagnie wohnen in eini-
ger Entfernung von der Stadt zu Secrole. Jenseit
dieser militairischen Linien werden die nächsten Umge-
bungen der Stadt freundlicher. Mehre schöne moham-
medanische Gräber verkündigen die Zunahme der An-
hänger eines fremden Glaubens, selbst in Brahma's
heiliger Stadt. Eine lange Vorstadt, deren zerstreute
und verfallene Häuser, durch sonderbare Bauart ausge-
zeichnet, zwischen Bäumen und blühenden Gebüschen
hervorblicken, führt zu den Stadtthoren, und ein ziem-
lich breiter Weg bringt uns zu einem großen Freiplatze.
Von hier an können europäische Fuhrwerke nicht mehr
gebraucht werden. Wir müssen zu Fuße gehen, oder
Elefanten besteigen, oder uns in Sänften setzen, die in
den engen, krummen und volkreichen Straßen der in-
nern Stadt oft nur mit Mühe durchkommen können.
Die Häuser sind meist hoch, keines unter zwei Stock-
werken, die meisten aber haben drei, mehre fünf oder
sechs. Die Straßen liegen beträchtlich tief unter der
Grundfläche der Häuser, die gewöhnlich an der Vorder-
seite bedeckte Hallen haben, hinter welchen kleine Läden
hervorblicken. Über diesen Hallen sind die Häuser reich
verziert mit Sonnendächern, vorragenden Rundfenstern
und sehr breiten überhängenden Dachtraufen, die auf
Unterlagen von Schnitzwerk ruhen. Man sieht viele
Tempel, die aber meist klein sind, in den Winkeln der
Straßen an hohe Häuser angelehnt. Sie sind jedoch
von ziemlich gefälliger Bauart, besonders die alten, und
viele derselben ganz bedeckt mit schönem Schnitzwerke
von Blumen, Thieren und Palmzweigen, das mit
den Arbeiten gothischer und griechischer Architektur
verglichen werden kann. Jm Allgemeinen herrscht in
Benares mehr Geschmack in den Verzierungen der
Gebäude, als man gewöhnlich in den Privatwohnun-
gen in Jndien findet. Der Hindu bemalt sein Haus
gern mit hochrother Farbe, und die hervorstehendsten
Theile sind gewöhnlich mit bunten Gemälden von Blu-
men, Menschen, Stieren, Elefanten, Göttern und
Göttinnen in all ihrer vielgestaltigen, vielköpfigen und
vielwaffigen Mannichfaltigkeit, bedeckt. Das Jnnere
der Stadt macht durch eine Vereinigung der Bauarten
aller Jahrhunderte einen auffallenden Eindruck. Hier
zeigen aufeinander gehäufte Steinmassen zuweilen so
nackte und hohe Vorderseiten, daß sie an ein Gefäng-
niß oder eine Festung erinnern, dort treten zwischen den
hohen Häusern gothische Thore, Thürme, Schwibbögen,
Balcone, Kuppeln, runde und zugespitzte Dome hervor.
Nachstehende Abbildung ( S. 144 ) zeigt uns einen Theil
des Jnnern der Stadt. Seit Aureng=Zyb, der von 1658
—1707 über Jndien herrschte und die Stadt eroberte,
hat die mohammedanische Baukunst ihre leichten und
zierlichen Formen unter den schwerfälligern und minder
geschmackvollen Werken der Hindu eingeführt. Von ei-
ner Moschee, auf den Trümmern eines Hindutempels
erbaut, steigen mehre Minarete empor, die ihre hohen
[Spaltenumbruch] Spitzen aus einer Masse schwerfälliger Bauwerke zu dem
Himmel erheben, wie unsere Abbildung Seite 141 zeigt.

Ungeachtet ihres hohen Alterthumes und bei allen auf
die Verzierung der Pagoden verwendeten Kosten hat Bena-
res doch keinen jener prächtigen Tempel, die in andern
Gegenden Jndiens einen so hohen Begriff von dem groß-
artigen Sinne ihrer Gründer geben. Hier sieht man keine
pyramidenförmigen Massen, mit erhabener Arbeit geziert,
keine großen kugelförmigen, einsam stehenden Hügel von
Mauerwerk, wie zu Bindrabund, keine riesige Stadt,
wie der Kutub Minar in Delhi, sondern das Ganze
ist aus Einzelheiten zusammengesetzt, die ohne Plan
und Absicht verbunden sind, aber zusammen ein archi-
tektonisches Ganzes von dem auffallendsten und ergrei-
fendsten Charakter bilden.

Die dem Gott Siwa geweihten Stiere, junge und
alte, zahm und zutraulich wie Hunde, gehen langsam
in den engen Straßen auf und nieder oder liegen in
der Mitte derselben, und lassen kaum durch sanfte Stöße
— wer einen Schlag wagte, würde sich der Wuth des
fanatischen Volkes aussetzen — sich aufstören, um einer
Sänfte Platz zu machen. Affen, dem Affengotte Guni-
maun geweiht, der Ceylon eroberte, sind ebenso zahlreich
in andern Theilen der Stadt, klettern auf alle Dächer und
auf die Vorragungen an den Tempeln, stecken ihre zu-
dringlichen Köpfe und Hände in jeden Obst= oder Zucker-
werkladen und reißen den Kindern das Essen aus der
Hand. Überall sieht man die Häuser der Fakirs mit
Götzenbildern verziert, aus welchen ein unablässiges Ge-
räusch mistönender Jnstrumente hervorschallt, während
andächtige Bettler von allen Hindusekten, welche die
scheußlichsten, durch Kunst, Schmuz oder Krankheit her-
vorgebrachten Misgestalten in den ekelhaftesten Stellun-
gen zeigen, beide Seiten der Straßen einfassen.

Benares zeigt bei Tagesanbruch ein weniger be-
wegtes Leben als die meisten großen Städte. Man
sieht fast Niemand als einige Straßenkehrer. Alle Häu-
ser sind verschlossen, die Läden fest verriegelt. Eine fri-
schere, kühlere Luft weht in den Straßen, als man bei
ihrer dichten Bevölkerung es erwarten sollte. Die Thiere
sind mit dem ersten Strahle der Sonne lebendig, Stiere
und Affen in Bewegung, Scharen von Tauben und
Papageien fliegen von den Gebäuden in allen Richtun-
gen herab. Nach Sonnenaufgang sieht man die Prie-
ster zu den Tempeln gehen, die Andächtigen holen das
heilige Wasser aus dem Ganges. An den Thüren der
Pagoden stehen Leute mit Körben voll Blumen zum
Verkaufe. Lange Schnüre von hochrothen, weißen
oder gelben Blumen werden besonders gesucht als Opfer-
gaben für die Götter. Der Fußboden der Tempel wird
mit Blumen bestreut.

Gegen zehn Uhr regt sich die lebendigste Thätig-
keit. Die kostbaren Waaren, wovon Benares einen
Überfluß hat, werden nach indischer Sitte sorgfältig den
Blicken der Vorübergehenden entzogen, aber in den Lä-
den der Schneider sieht man einige der theuersten Er-
zeugnisse der benachbarten Länder ausgelegt. Diese ge-
schickten Handwerker, die einen Riß mit unsichtbaren
Stichen zusammenheften, sitzen in Gruppen und sind
beschäftigt, prächtige Shawls zu flicken, welche, nachdem
sie durch ihre geübten Hände gegangen sind, an uner-
fahrene Käufer so theuer verkauft werden, als ob sie
eben erst von den Webstühlen in Tibet gekommen wä-
ren. Die Läden der Kupferschmiede fallen am meisten
in die Augen, reich ausgestattet mit Gefäßen und Ge-
räthen für Haus und Tempel. Jn jeder Straße sieht
man einen Wechsler hinter einem Geldhaufen und Beu-
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Eine lange Vorstadt, deren zerstreute und verfallene Häuser, durch sonderbare Bauart ausge- zeichnet, zwischen Bäumen und blühenden Gebüschen hervorblicken, führt zu den Stadtthoren, und ein ziem- lich breiter Weg bringt uns zu einem großen Freiplatze. Von hier an können europäische Fuhrwerke nicht mehr gebraucht werden. Wir müssen zu Fuße gehen, oder Elefanten besteigen, oder uns in Sänften setzen, die in den engen, krummen und volkreichen Straßen der in- nern Stadt oft nur mit Mühe durchkommen können. Die Häuser sind meist hoch, keines unter zwei Stock- werken, die meisten aber haben drei, mehre fünf oder sechs. Die Straßen liegen beträchtlich tief unter der Grundfläche der Häuser, die gewöhnlich an der Vorder- seite bedeckte Hallen haben, hinter welchen kleine Läden hervorblicken. Über diesen Hallen sind die Häuser reich verziert mit Sonnendächern, vorragenden Rundfenstern und sehr breiten überhängenden Dachtraufen, die auf Unterlagen von Schnitzwerk ruhen. 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Ungeachtet ihres hohen Alterthumes und bei allen auf die Verzierung der Pagoden verwendeten Kosten hat Bena- res doch keinen jener prächtigen Tempel, die in andern Gegenden Jndiens einen so hohen Begriff von dem groß- artigen Sinne ihrer Gründer geben. Hier sieht man keine pyramidenförmigen Massen, mit erhabener Arbeit geziert, keine großen kugelförmigen, einsam stehenden Hügel von Mauerwerk, wie zu Bindrabund, keine riesige Stadt, wie der Kutub Minar in Delhi, sondern das Ganze ist aus Einzelheiten zusammengesetzt, die ohne Plan und Absicht verbunden sind, aber zusammen ein archi- tektonisches Ganzes von dem auffallendsten und ergrei- fendsten Charakter bilden. Die dem Gott Siwa geweihten Stiere, junge und alte, zahm und zutraulich wie Hunde, gehen langsam in den engen Straßen auf und nieder oder liegen in der Mitte derselben, und lassen kaum durch sanfte Stöße — wer einen Schlag wagte, würde sich der Wuth des fanatischen Volkes aussetzen — sich aufstören, um einer Sänfte Platz zu machen. Affen, dem Affengotte Guni- maun geweiht, der Ceylon eroberte, sind ebenso zahlreich in andern Theilen der Stadt, klettern auf alle Dächer und auf die Vorragungen an den Tempeln, stecken ihre zu- dringlichen Köpfe und Hände in jeden Obst= oder Zucker- werkladen und reißen den Kindern das Essen aus der Hand. Überall sieht man die Häuser der Fakirs mit Götzenbildern verziert, aus welchen ein unablässiges Ge- räusch mistönender Jnstrumente hervorschallt, während andächtige Bettler von allen Hindusekten, welche die scheußlichsten, durch Kunst, Schmuz oder Krankheit her- vorgebrachten Misgestalten in den ekelhaftesten Stellun- gen zeigen, beide Seiten der Straßen einfassen. Benares zeigt bei Tagesanbruch ein weniger be- wegtes Leben als die meisten großen Städte. Man sieht fast Niemand als einige Straßenkehrer. Alle Häu- ser sind verschlossen, die Läden fest verriegelt. Eine fri- schere, kühlere Luft weht in den Straßen, als man bei ihrer dichten Bevölkerung es erwarten sollte. Die Thiere sind mit dem ersten Strahle der Sonne lebendig, Stiere und Affen in Bewegung, Scharen von Tauben und Papageien fliegen von den Gebäuden in allen Richtun- gen herab. Nach Sonnenaufgang sieht man die Prie- ster zu den Tempeln gehen, die Andächtigen holen das heilige Wasser aus dem Ganges. An den Thüren der Pagoden stehen Leute mit Körben voll Blumen zum Verkaufe. Lange Schnüre von hochrothen, weißen oder gelben Blumen werden besonders gesucht als Opfer- gaben für die Götter. Der Fußboden der Tempel wird mit Blumen bestreut. Gegen zehn Uhr regt sich die lebendigste Thätig- keit. Die kostbaren Waaren, wovon Benares einen Überfluß hat, werden nach indischer Sitte sorgfältig den Blicken der Vorübergehenden entzogen, aber in den Lä- den der Schneider sieht man einige der theuersten Er- zeugnisse der benachbarten Länder ausgelegt. Diese ge- schickten Handwerker, die einen Riß mit unsichtbaren Stichen zusammenheften, sitzen in Gruppen und sind beschäftigt, prächtige Shawls zu flicken, welche, nachdem sie durch ihre geübten Hände gegangen sind, an uner- fahrene Käufer so theuer verkauft werden, als ob sie eben erst von den Webstühlen in Tibet gekommen wä- ren. Die Läden der Kupferschmiede fallen am meisten in die Augen, reich ausgestattet mit Gefäßen und Ge- räthen für Haus und Tempel. Jn jeder Straße sieht man einen Wechsler hinter einem Geldhaufen und Beu-

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Zitationshilfe: Das Pfennig=Magazin der Gesellschaft zur Verbreitung gemeinnütziger Kenntnisse. Nr. 161. Leipzig (Sachsen), 30. April 1836, S. 142. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_pfennig161_1836/6>, abgerufen am 03.12.2024.