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Das Pfennig=Magazin für Belehrung und Unterhaltung. Dritte Folge, Dritter Jahrgang, Nr. 119. Leipzig (Sachsen), 12. April 1855.

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Die Sophienkirche in Konstantinopel.


Die Hindus.
( Beschluß. )
[Beginn Spaltensatz]

Besonders Elefantina, Salsette und Ellora sind reich
an solchen Weltwundern. Dort liegen die Tempel im
Grau des Alterthums und die tausendjährigen Grot-
ten, welche die Jetztlebenden mit heiligem Schauder
betreten; dort erheben sich in den Granitbergen die rie-
sigen Wölbungen mit ihren kolossalen Säulen und
Statuen von 20 -- 50 Fuß Höhe, vom Meisel aus
den Felsen herausgetrieben und Götter, Menschen,
Thiere und Pflanzen darstellend; dort führen Treppen
durch die dunkeln Felsen abwärts in großen geheimniß-
vollen Gängen hin, in welchen die heiligen Thiere, als
der Elefant, die Schildkröte, der Affe, der Eber, die
Brillenschlange u. s. w. den erstaunten Wanderer als
Steinbilder anstarren; dort öffnen sich am Ausgange
der Felsengänge die unterirdischen Tempel, aus ver-
schiedenen Abtheilungen bestehend, und führen weiter
in die benachbarten Zimmer, Grotten und andere Ge-
mächer; dort liegen Säle unter= und übereinander und
alle diese ungeheuren Werke wurden mittels des Mei-
sels aus dem harten Gestein herausgearbeitet.

Was sind die Werke der alten Aegypter gegen
solche kolossale Schöpfungen! Und so sehr man sich
auch abmüht, die Zeit anzugeben, in welcher diese Wun-
der entstanden, so sehr man auch nach dem Volke
forscht, welches einst an solchen Werken, zu deren
Herstellung Jahrhunderte gehörten, baute, so ist doch
Niemand im Stande, etwas Näheres darüber anzu-
geben; selbst bei den Braminen herrscht darüber gänz-
liches Dunkel, denn sie haben höchstens einige Sagen,
durch welche sie sich zu einzelnen unsichern Schlüssen
berechtigt glauben. Soviel ist gewiß, daß die meisten
staunenerregenden Bauwunder schon Jahrtausenden ge-
[Spaltenumbruch] trotzt haben und auf eine Zeit des Alterthums zurück-
weisen, welche unserer geschichtlichen Rechnung nur zu
fern liegt. Wie viele Jahrhunderte mochten vergan-
gen sein, ehe die Vorältern der Hindus ihren Sinn
für Kunst und Größe so ausgebildet hatten, daß sie
solche Zeugen ihres frühen Daseins hinterlassen konn-
ten. Der hohe Geist, der hohe Sinn des Volks ist
längst dahin. Jetzt sehen wir leider die Hindus ent-
nervt und geistig geschwächt nach den Schöpfungen
ihrer starken, sinnigen Vorfahren hinschleichen, um an
den Processionen nach den Tempeln theilzunehmen;
jetzt sehen wir tolle Schwärmer unter ihnen sich frei-
willig unter die Räder des Götterwagens stürzen, um
desto sicherer zu Brahma in den Himmel zu kommen;
jetzt gefallen sie sich als Spielwerk in Priesterhänden
in allerlei Selbstpeinigungen und wohnen in Höhlen,
um vom Volke ernährt zu werden, jetzt zerfleischen
und verunstalten sie sich den Körper, lassen sich Ha-
ken in das Fleisch des Rückens bohren und an Seilen
emporziehen, jetzt stehen sie jahrelang auf einem und
demselben Platze in der unbequemsten Haltung, ohne
sich nur um einen Schritt weiter zu bewegen, jetzt
sind sie ein trauriges Bild traurigster Versunkenheit.
Die alte Kraft, die Geistesfrische ist also größtentheils
dahin und an den Ruinen einer alten Zeit trauert ein
herabgekommenes, unterdrücktes Geschlecht; es gleicht
dem Riesenbaume, der einst grünte und blühte, von
dem aber nur der Stumpf noch steht; es hat das
Edle und Große seiner Vorzeit verloren und meist nur
das Entartete behalten.

Obgleich die Religion der Hindus mit keinem
Worte das Kindesopfer vorschreibt, so bildete sich doch
[Ende Spaltensatz]


Die Sophienkirche in Konstantinopel.


Die Hindus.
( Beschluß. )
[Beginn Spaltensatz]

Besonders Elefantina, Salsette und Ellora sind reich
an solchen Weltwundern. Dort liegen die Tempel im
Grau des Alterthums und die tausendjährigen Grot-
ten, welche die Jetztlebenden mit heiligem Schauder
betreten; dort erheben sich in den Granitbergen die rie-
sigen Wölbungen mit ihren kolossalen Säulen und
Statuen von 20 — 50 Fuß Höhe, vom Meisel aus
den Felsen herausgetrieben und Götter, Menschen,
Thiere und Pflanzen darstellend; dort führen Treppen
durch die dunkeln Felsen abwärts in großen geheimniß-
vollen Gängen hin, in welchen die heiligen Thiere, als
der Elefant, die Schildkröte, der Affe, der Eber, die
Brillenschlange u. s. w. den erstaunten Wanderer als
Steinbilder anstarren; dort öffnen sich am Ausgange
der Felsengänge die unterirdischen Tempel, aus ver-
schiedenen Abtheilungen bestehend, und führen weiter
in die benachbarten Zimmer, Grotten und andere Ge-
mächer; dort liegen Säle unter= und übereinander und
alle diese ungeheuren Werke wurden mittels des Mei-
sels aus dem harten Gestein herausgearbeitet.

Was sind die Werke der alten Aegypter gegen
solche kolossale Schöpfungen! Und so sehr man sich
auch abmüht, die Zeit anzugeben, in welcher diese Wun-
der entstanden, so sehr man auch nach dem Volke
forscht, welches einst an solchen Werken, zu deren
Herstellung Jahrhunderte gehörten, baute, so ist doch
Niemand im Stande, etwas Näheres darüber anzu-
geben; selbst bei den Braminen herrscht darüber gänz-
liches Dunkel, denn sie haben höchstens einige Sagen,
durch welche sie sich zu einzelnen unsichern Schlüssen
berechtigt glauben. Soviel ist gewiß, daß die meisten
staunenerregenden Bauwunder schon Jahrtausenden ge-
[Spaltenumbruch] trotzt haben und auf eine Zeit des Alterthums zurück-
weisen, welche unserer geschichtlichen Rechnung nur zu
fern liegt. Wie viele Jahrhunderte mochten vergan-
gen sein, ehe die Vorältern der Hindus ihren Sinn
für Kunst und Größe so ausgebildet hatten, daß sie
solche Zeugen ihres frühen Daseins hinterlassen konn-
ten. Der hohe Geist, der hohe Sinn des Volks ist
längst dahin. Jetzt sehen wir leider die Hindus ent-
nervt und geistig geschwächt nach den Schöpfungen
ihrer starken, sinnigen Vorfahren hinschleichen, um an
den Processionen nach den Tempeln theilzunehmen;
jetzt sehen wir tolle Schwärmer unter ihnen sich frei-
willig unter die Räder des Götterwagens stürzen, um
desto sicherer zu Brahma in den Himmel zu kommen;
jetzt gefallen sie sich als Spielwerk in Priesterhänden
in allerlei Selbstpeinigungen und wohnen in Höhlen,
um vom Volke ernährt zu werden, jetzt zerfleischen
und verunstalten sie sich den Körper, lassen sich Ha-
ken in das Fleisch des Rückens bohren und an Seilen
emporziehen, jetzt stehen sie jahrelang auf einem und
demselben Platze in der unbequemsten Haltung, ohne
sich nur um einen Schritt weiter zu bewegen, jetzt
sind sie ein trauriges Bild traurigster Versunkenheit.
Die alte Kraft, die Geistesfrische ist also größtentheils
dahin und an den Ruinen einer alten Zeit trauert ein
herabgekommenes, unterdrücktes Geschlecht; es gleicht
dem Riesenbaume, der einst grünte und blühte, von
dem aber nur der Stumpf noch steht; es hat das
Edle und Große seiner Vorzeit verloren und meist nur
das Entartete behalten.

Obgleich die Religion der Hindus mit keinem
Worte das Kindesopfer vorschreibt, so bildete sich doch
[Ende Spaltensatz]

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[117/0005] 117 Die Sophienkirche in Konstantinopel. Die Hindus. ( Beschluß. ) Besonders Elefantina, Salsette und Ellora sind reich an solchen Weltwundern. Dort liegen die Tempel im Grau des Alterthums und die tausendjährigen Grot- ten, welche die Jetztlebenden mit heiligem Schauder betreten; dort erheben sich in den Granitbergen die rie- sigen Wölbungen mit ihren kolossalen Säulen und Statuen von 20 — 50 Fuß Höhe, vom Meisel aus den Felsen herausgetrieben und Götter, Menschen, Thiere und Pflanzen darstellend; dort führen Treppen durch die dunkeln Felsen abwärts in großen geheimniß- vollen Gängen hin, in welchen die heiligen Thiere, als der Elefant, die Schildkröte, der Affe, der Eber, die Brillenschlange u. s. w. den erstaunten Wanderer als Steinbilder anstarren; dort öffnen sich am Ausgange der Felsengänge die unterirdischen Tempel, aus ver- schiedenen Abtheilungen bestehend, und führen weiter in die benachbarten Zimmer, Grotten und andere Ge- mächer; dort liegen Säle unter= und übereinander und alle diese ungeheuren Werke wurden mittels des Mei- sels aus dem harten Gestein herausgearbeitet. Was sind die Werke der alten Aegypter gegen solche kolossale Schöpfungen! Und so sehr man sich auch abmüht, die Zeit anzugeben, in welcher diese Wun- der entstanden, so sehr man auch nach dem Volke forscht, welches einst an solchen Werken, zu deren Herstellung Jahrhunderte gehörten, baute, so ist doch Niemand im Stande, etwas Näheres darüber anzu- geben; selbst bei den Braminen herrscht darüber gänz- liches Dunkel, denn sie haben höchstens einige Sagen, durch welche sie sich zu einzelnen unsichern Schlüssen berechtigt glauben. Soviel ist gewiß, daß die meisten staunenerregenden Bauwunder schon Jahrtausenden ge- trotzt haben und auf eine Zeit des Alterthums zurück- weisen, welche unserer geschichtlichen Rechnung nur zu fern liegt. Wie viele Jahrhunderte mochten vergan- gen sein, ehe die Vorältern der Hindus ihren Sinn für Kunst und Größe so ausgebildet hatten, daß sie solche Zeugen ihres frühen Daseins hinterlassen konn- ten. Der hohe Geist, der hohe Sinn des Volks ist längst dahin. Jetzt sehen wir leider die Hindus ent- nervt und geistig geschwächt nach den Schöpfungen ihrer starken, sinnigen Vorfahren hinschleichen, um an den Processionen nach den Tempeln theilzunehmen; jetzt sehen wir tolle Schwärmer unter ihnen sich frei- willig unter die Räder des Götterwagens stürzen, um desto sicherer zu Brahma in den Himmel zu kommen; jetzt gefallen sie sich als Spielwerk in Priesterhänden in allerlei Selbstpeinigungen und wohnen in Höhlen, um vom Volke ernährt zu werden, jetzt zerfleischen und verunstalten sie sich den Körper, lassen sich Ha- ken in das Fleisch des Rückens bohren und an Seilen emporziehen, jetzt stehen sie jahrelang auf einem und demselben Platze in der unbequemsten Haltung, ohne sich nur um einen Schritt weiter zu bewegen, jetzt sind sie ein trauriges Bild traurigster Versunkenheit. Die alte Kraft, die Geistesfrische ist also größtentheils dahin und an den Ruinen einer alten Zeit trauert ein herabgekommenes, unterdrücktes Geschlecht; es gleicht dem Riesenbaume, der einst grünte und blühte, von dem aber nur der Stumpf noch steht; es hat das Edle und Große seiner Vorzeit verloren und meist nur das Entartete behalten. Obgleich die Religion der Hindus mit keinem Worte das Kindesopfer vorschreibt, so bildete sich doch

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Zitationshilfe: Das Pfennig=Magazin für Belehrung und Unterhaltung. Dritte Folge, Dritter Jahrgang, Nr. 119. Leipzig (Sachsen), 12. April 1855, S. 117. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_pfennig119_1855/5>, abgerufen am 25.11.2024.