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Das Pfennig=Magazin für Belehrung und Unterhaltung. Dritte Folge, Dritter Jahrgang, Nr. 117. Leipzig (Sachsen), 29. März 1855.

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[Beginn Spaltensatz]
Paris und Kaiser Napeleon III.

Paris wollte am 15. August 1853 mit dem Wiegen-
feste seines ersten Kaisers zum ersten male den Na-
menstag seines zweiten Kaisers feiern, dieser Tags
vorher über die Armee und die Nationalgarde von
Paris Heerschau halten. Von den Tuilerien entlang
der Elyseischen Felder über den Triumphbogen de l'Etoile
hinaus ständen die Truppen; der Concordienplatz war
einem Theil der Nationalgarde angewiesen. Gegen
1 Uhr erschien die Kaiserin von Saint=Cloud kommend
in offenem, sechsspännigem Wagen mit zwei Damen
und kleinem Gefolge. " Vive l'Imperatrice!" lief es
die Reihen der Truppen hinab; doch erschallte der Ruf
weder herzlich noch hoch und verstummte, als der Wa-
gen die Nationalgarde erreichte. Die Kaiserin in wei-
ßem, einfachem Gewande, ein liebliches Lächeln auf
den holden Zügen, umfuhr den Concordienplatz. Die
Trommeln wirbelten, die Hörner klangen, die Mu-
sik [unleserliches Material - 2 Zeichen fehlen]en spielten, die Fahnen grüßten; keine Ehren-
bezeignng fehlte, nur der Zuruf; die Legionen blieben
stumm.

Nicht lange so zeigte sich der Kaiser hoch zu Roß,
auf einem prächtigen Braunen, in Generallieutenants-
uniform, das breite Band der Ehrenlegion über der
Schulter, in Federhut und Reiterstulpen. " Vive l' Em-
pereur
!" rollte es laut und lauter von jenseit des
Triumphbogens durch die Elyseischen Felder zum Con-
cordienplatze heran, und während der Kaiser mit gezo-
genem Hute, im Schritt, er allein, seinem Gefolge
weit voraus, den Kreis zwei mal umritt, ließen die
männlichen Stimmen der Nationalgarde ein kräftig
wiederholtes " Vive!" erschallen.

Nachdem der Kaiser sich im Tuileriengarten am
Pavillon de l'Horloge aufgestellt und hinter ihm auf
dem Schloßaltan die Kaiserin Platz genommen, rück-
ten die Truppen vorüber, an ihrer Spitze die Natio-
nalgarde. Jetzt zwar rief diese der Kaiserin ein hör-
bares Hoch; aber voller und freudiger klang ihr " Vive
l'Empereur
!"

Seit Monaten war für die Feier des 15. August
Alles vorbereitet worden, was menschlicher Scharfsinn
zu erdenken, französischer Geschmack auszuklügeln ver-
mochte. Das letzte Gelingen lag in der Wetterfügung
des Himmels. Fromme Wünsche, daß er dem Feste
günstig sein, und böse Wünsche, daß er Sturm und
Regen senden möge, die öffentliche Begehung zu ver-
eiteln, waren, wenn auch letztere in kleinerer Zahl, ge-
wiß gehegt worden. Das Fest galt ja dem Kaiser;
es war ihm zu Ehren das erste Volksfest seit seiner
Thronbesteigung, und ob der Himmel dazu lächle oder
nicht, das konnte dem Volke -- vielleicht nicht dem
Volke allein -- ein Zeichen sein, ob der Himmel dem
Kaiser lächle, denn so sehr hat die Aufklärung des
19. Jahrhunderts noch nirgends den Aberglauben ge-
lichtet, daß er aufgehört hätte, bei solcher Veranlassung
das Wetter zum Kündiger der "Gesinnung dort oben"
zu machen. Die frommen Wünsche fanden Erhörung.
Regen bis 8 Uhr Morgens, den wilden Staub zu bän-
d [unleserliches Material - 3 Zeichen fehlen]gen. Dann bei milder Luft leichtes Gewölk zum
Schutze gegen die heiße Sonne. Der Abend still und
wolkenlos. Auch blieb des Himmels Gunst nicht un-
bemerkt, nicht unbesprochen. Der Himmel will dem
Kaiser wohl, hieß es hier, hieß es dort. Und
gibt es keinen Zufall, so dürfen Diejenigen nicht
gescholten werden, die solches sagten, wahrscheinlich
glaubten.

Das Fest war eins der reichsten, glänzendsten und
[Spaltenumbruch] glücklichsten, die Paris gesehen -- reich in seinem
Wechsel, alle Theater frei, Wettfahrten von Segel-
und Ruderbooten, auf dem Marsfelde Reiter= und
Tanzkünste im großartigsten Stil -- glänzend und
feenhaft, bei einbrechendem Abend mit 100,000 Lam-
pen behangene, decorirte Gerüste von den Tuilerien
aus um den Concordienplatz längs der Elyseischen Fel-
der bis zum Triumphbogen, 354 Arcaden und 26
Säulenhallen voll farbiger Gläser, zwischen ihnen auf
der einen, und bunt mit Arabesken gezierten mauri-
rischen Wänden auf der andern Seite Kronleuchter von
Silberdraht mit rothen und grünen, blauen und gel-
ben Laternen, aus stattlich geschmückten Orchestern
rauschende Musiken, über der Fontaine des Rond
Point ein mit Blitzen unter den ausgebreiteten Fittichen
auf sternbesäeter Weltkugel ruhender Adler, in der
Wölbung des Triumphbogens der brillantenfunkelnde
Stern der Ehrenlegion, zum Schluß drei prächtige
Feuerwerke, wo ein gekrönter Adler den Namenszug
des Kaisers in die Lüfte trug, Funken um Funken
fallen ließ, und zum Stern verwandelt über Paris
schwebte, bis des Himmels Sterne ihn aufnahmen --
und eins der glücklichsten Feste, denn kein Unfall trübte
die allgemeine Heiterkeit und ein Einschreiten der be-
waffneten oder polizeilichen Gewalt machte sich nir-
gends nothwendig. Die von der Vorsicht getroffenen
Maßregeln hatten Vertrauen erweckt; das Volk hand-
habte die Ordnung. Da aller Raum den Fußgän-
gern gehörte, schwieg jede Besorgniß vor Wagen und
Reitern, und weil Alle sich frei fühlten und froh sein
wollten, half einer dem Andern und Alle waren
vergnügt.

Gezwungen, dies anzuerkennen, suchte an den fol-
genden Tagen böser Wille in der sparsamen Beleuch-
tung der Privathäuser, zu welcher die Bewohner " ein-
geladen " worden waren, einen Maßstab der Theil-
nahme an der Bedeutung des Festes, gleich als ob
danach die Freunde und Gegner des Kaisers sich ab-
zählen ließen, oder vor den Farbenmeeren, welche die
Bevölkerung angestaunt, einzelne Lampen und Lichter
nicht hätten erbleichen müssen. Wer wirklich sehen
wollte, wie die Theilnahme an der Bedeutung des
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mittagsstunde auf dem Marsfelde sein, als inmitten
Dessen, was man "das Volk" zu nennen pflegt, in-
mitten von Zwanzigtausenden aus den niedern Schich-
ten der Kaiser und die Kaiserin in offenem Wagen
erschienen, wenige reitende Municipalgarde voran. Nie
konnte, was so häufig behauptet worden war, daß der
Kaiser sich nicht ins Volk wage, eine schlagendere Wi-
derlegung erfahren.

Sobald der kaiserliche Wagen sich in der Ferne
zeigte, zog der rasch verbreitete Ruf: "Der Kaiser!" Aller
Blicke von der 75jährigen Frau ab, welche eben noch
Aller Augen angezogen, wie sie ein 115 Fuß hoch
gespanntes Seil hinanstieg, jetzt kniete und die Hände
faltete, jetzt sich erhob und den schwindelnden Pfad
verfolgte. *)

Eine schwellende, wogende Menge umringte den
Wagen; Hüte und Mützen flogen empor; aus kräfti-
gen Kehlen erschallte der volltönende Ruf: Es lebe der
Kaiser! Daran war nichts Bestelltes, nichts Bezahl-
tes. Eine Freude, wie sie sich nicht bestellen, nicht
bezahlen läßt, leuchtete von den braunen Gesichtern
der Männer in blauen Blousen. Und so nahe war
[Ende Spaltensatz]

*) Madame Saqui mit dem von Napoleon I. ihr er-
theilten Titel: Premiere acrobate de France.
[Beginn Spaltensatz]
Paris und Kaiser Napeleon III.

Paris wollte am 15. August 1853 mit dem Wiegen-
feste seines ersten Kaisers zum ersten male den Na-
menstag seines zweiten Kaisers feiern, dieser Tags
vorher über die Armee und die Nationalgarde von
Paris Heerschau halten. Von den Tuilerien entlang
der Elyseischen Felder über den Triumphbogen de l'Etoile
hinaus ständen die Truppen; der Concordienplatz war
einem Theil der Nationalgarde angewiesen. Gegen
1 Uhr erschien die Kaiserin von Saint=Cloud kommend
in offenem, sechsspännigem Wagen mit zwei Damen
und kleinem Gefolge. „ Vive l'Impératrice!“ lief es
die Reihen der Truppen hinab; doch erschallte der Ruf
weder herzlich noch hoch und verstummte, als der Wa-
gen die Nationalgarde erreichte. Die Kaiserin in wei-
ßem, einfachem Gewande, ein liebliches Lächeln auf
den holden Zügen, umfuhr den Concordienplatz. Die
Trommeln wirbelten, die Hörner klangen, die Mu-
sik [unleserliches Material – 2 Zeichen fehlen]en spielten, die Fahnen grüßten; keine Ehren-
bezeignng fehlte, nur der Zuruf; die Legionen blieben
stumm.

Nicht lange so zeigte sich der Kaiser hoch zu Roß,
auf einem prächtigen Braunen, in Generallieutenants-
uniform, das breite Band der Ehrenlegion über der
Schulter, in Federhut und Reiterstulpen. „ Vive l' Em-
pereur
!“ rollte es laut und lauter von jenseit des
Triumphbogens durch die Elyseischen Felder zum Con-
cordienplatze heran, und während der Kaiser mit gezo-
genem Hute, im Schritt, er allein, seinem Gefolge
weit voraus, den Kreis zwei mal umritt, ließen die
männlichen Stimmen der Nationalgarde ein kräftig
wiederholtes „ Vive!“ erschallen.

Nachdem der Kaiser sich im Tuileriengarten am
Pavillon de l'Horloge aufgestellt und hinter ihm auf
dem Schloßaltan die Kaiserin Platz genommen, rück-
ten die Truppen vorüber, an ihrer Spitze die Natio-
nalgarde. Jetzt zwar rief diese der Kaiserin ein hör-
bares Hoch; aber voller und freudiger klang ihr „ Vive
l'Empereur
!“

Seit Monaten war für die Feier des 15. August
Alles vorbereitet worden, was menschlicher Scharfsinn
zu erdenken, französischer Geschmack auszuklügeln ver-
mochte. Das letzte Gelingen lag in der Wetterfügung
des Himmels. Fromme Wünsche, daß er dem Feste
günstig sein, und böse Wünsche, daß er Sturm und
Regen senden möge, die öffentliche Begehung zu ver-
eiteln, waren, wenn auch letztere in kleinerer Zahl, ge-
wiß gehegt worden. Das Fest galt ja dem Kaiser;
es war ihm zu Ehren das erste Volksfest seit seiner
Thronbesteigung, und ob der Himmel dazu lächle oder
nicht, das konnte dem Volke — vielleicht nicht dem
Volke allein — ein Zeichen sein, ob der Himmel dem
Kaiser lächle, denn so sehr hat die Aufklärung des
19. Jahrhunderts noch nirgends den Aberglauben ge-
lichtet, daß er aufgehört hätte, bei solcher Veranlassung
das Wetter zum Kündiger der „Gesinnung dort oben“
zu machen. Die frommen Wünsche fanden Erhörung.
Regen bis 8 Uhr Morgens, den wilden Staub zu bän-
d [unleserliches Material – 3 Zeichen fehlen]gen. Dann bei milder Luft leichtes Gewölk zum
Schutze gegen die heiße Sonne. Der Abend still und
wolkenlos. Auch blieb des Himmels Gunst nicht un-
bemerkt, nicht unbesprochen. Der Himmel will dem
Kaiser wohl, hieß es hier, hieß es dort. Und
gibt es keinen Zufall, so dürfen Diejenigen nicht
gescholten werden, die solches sagten, wahrscheinlich
glaubten.

Das Fest war eins der reichsten, glänzendsten und
[Spaltenumbruch] glücklichsten, die Paris gesehen — reich in seinem
Wechsel, alle Theater frei, Wettfahrten von Segel-
und Ruderbooten, auf dem Marsfelde Reiter= und
Tanzkünste im großartigsten Stil — glänzend und
feenhaft, bei einbrechendem Abend mit 100,000 Lam-
pen behangene, decorirte Gerüste von den Tuilerien
aus um den Concordienplatz längs der Elyseischen Fel-
der bis zum Triumphbogen, 354 Arcaden und 26
Säulenhallen voll farbiger Gläser, zwischen ihnen auf
der einen, und bunt mit Arabesken gezierten mauri-
rischen Wänden auf der andern Seite Kronleuchter von
Silberdraht mit rothen und grünen, blauen und gel-
ben Laternen, aus stattlich geschmückten Orchestern
rauschende Musiken, über der Fontaine des Rond
Point ein mit Blitzen unter den ausgebreiteten Fittichen
auf sternbesäeter Weltkugel ruhender Adler, in der
Wölbung des Triumphbogens der brillantenfunkelnde
Stern der Ehrenlegion, zum Schluß drei prächtige
Feuerwerke, wo ein gekrönter Adler den Namenszug
des Kaisers in die Lüfte trug, Funken um Funken
fallen ließ, und zum Stern verwandelt über Paris
schwebte, bis des Himmels Sterne ihn aufnahmen —
und eins der glücklichsten Feste, denn kein Unfall trübte
die allgemeine Heiterkeit und ein Einschreiten der be-
waffneten oder polizeilichen Gewalt machte sich nir-
gends nothwendig. Die von der Vorsicht getroffenen
Maßregeln hatten Vertrauen erweckt; das Volk hand-
habte die Ordnung. Da aller Raum den Fußgän-
gern gehörte, schwieg jede Besorgniß vor Wagen und
Reitern, und weil Alle sich frei fühlten und froh sein
wollten, half einer dem Andern und Alle waren
vergnügt.

Gezwungen, dies anzuerkennen, suchte an den fol-
genden Tagen böser Wille in der sparsamen Beleuch-
tung der Privathäuser, zu welcher die Bewohner „ ein-
geladen “ worden waren, einen Maßstab der Theil-
nahme an der Bedeutung des Festes, gleich als ob
danach die Freunde und Gegner des Kaisers sich ab-
zählen ließen, oder vor den Farbenmeeren, welche die
Bevölkerung angestaunt, einzelne Lampen und Lichter
nicht hätten erbleichen müssen. Wer wirklich sehen
wollte, wie die Theilnahme an der Bedeutung des
Festes sich gestaltete, der mußte in der fünften Nach-
mittagsstunde auf dem Marsfelde sein, als inmitten
Dessen, was man „das Volk“ zu nennen pflegt, in-
mitten von Zwanzigtausenden aus den niedern Schich-
ten der Kaiser und die Kaiserin in offenem Wagen
erschienen, wenige reitende Municipalgarde voran. Nie
konnte, was so häufig behauptet worden war, daß der
Kaiser sich nicht ins Volk wage, eine schlagendere Wi-
derlegung erfahren.

Sobald der kaiserliche Wagen sich in der Ferne
zeigte, zog der rasch verbreitete Ruf: „Der Kaiser!“ Aller
Blicke von der 75jährigen Frau ab, welche eben noch
Aller Augen angezogen, wie sie ein 115 Fuß hoch
gespanntes Seil hinanstieg, jetzt kniete und die Hände
faltete, jetzt sich erhob und den schwindelnden Pfad
verfolgte. *)

Eine schwellende, wogende Menge umringte den
Wagen; Hüte und Mützen flogen empor; aus kräfti-
gen Kehlen erschallte der volltönende Ruf: Es lebe der
Kaiser! Daran war nichts Bestelltes, nichts Bezahl-
tes. Eine Freude, wie sie sich nicht bestellen, nicht
bezahlen läßt, leuchtete von den braunen Gesichtern
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Jetzt zwar rief diese der Kaiserin ein hör- bares Hoch; aber voller und freudiger klang ihr „ Vive l'Empereur!“ Seit Monaten war für die Feier des 15. August Alles vorbereitet worden, was menschlicher Scharfsinn zu erdenken, französischer Geschmack auszuklügeln ver- mochte. Das letzte Gelingen lag in der Wetterfügung des Himmels. Fromme Wünsche, daß er dem Feste günstig sein, und böse Wünsche, daß er Sturm und Regen senden möge, die öffentliche Begehung zu ver- eiteln, waren, wenn auch letztere in kleinerer Zahl, ge- wiß gehegt worden. Das Fest galt ja dem Kaiser; es war ihm zu Ehren das erste Volksfest seit seiner Thronbesteigung, und ob der Himmel dazu lächle oder nicht, das konnte dem Volke — vielleicht nicht dem Volke allein — ein Zeichen sein, ob der Himmel dem Kaiser lächle, denn so sehr hat die Aufklärung des 19. Jahrhunderts noch nirgends den Aberglauben ge- lichtet, daß er aufgehört hätte, bei solcher Veranlassung das Wetter zum Kündiger der „Gesinnung dort oben“ zu machen. 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Das Fest war eins der reichsten, glänzendsten und glücklichsten, die Paris gesehen — reich in seinem Wechsel, alle Theater frei, Wettfahrten von Segel- und Ruderbooten, auf dem Marsfelde Reiter= und Tanzkünste im großartigsten Stil — glänzend und feenhaft, bei einbrechendem Abend mit 100,000 Lam- pen behangene, decorirte Gerüste von den Tuilerien aus um den Concordienplatz längs der Elyseischen Fel- der bis zum Triumphbogen, 354 Arcaden und 26 Säulenhallen voll farbiger Gläser, zwischen ihnen auf der einen, und bunt mit Arabesken gezierten mauri- rischen Wänden auf der andern Seite Kronleuchter von Silberdraht mit rothen und grünen, blauen und gel- ben Laternen, aus stattlich geschmückten Orchestern rauschende Musiken, über der Fontaine des Rond Point ein mit Blitzen unter den ausgebreiteten Fittichen auf sternbesäeter Weltkugel ruhender Adler, in der Wölbung des Triumphbogens der brillantenfunkelnde Stern der Ehrenlegion, zum Schluß drei prächtige Feuerwerke, wo ein gekrönter Adler den Namenszug des Kaisers in die Lüfte trug, Funken um Funken fallen ließ, und zum Stern verwandelt über Paris schwebte, bis des Himmels Sterne ihn aufnahmen — und eins der glücklichsten Feste, denn kein Unfall trübte die allgemeine Heiterkeit und ein Einschreiten der be- waffneten oder polizeilichen Gewalt machte sich nir- gends nothwendig. Die von der Vorsicht getroffenen Maßregeln hatten Vertrauen erweckt; das Volk hand- habte die Ordnung. Da aller Raum den Fußgän- gern gehörte, schwieg jede Besorgniß vor Wagen und Reitern, und weil Alle sich frei fühlten und froh sein wollten, half einer dem Andern und Alle waren vergnügt. Gezwungen, dies anzuerkennen, suchte an den fol- genden Tagen böser Wille in der sparsamen Beleuch- tung der Privathäuser, zu welcher die Bewohner „ ein- geladen “ worden waren, einen Maßstab der Theil- nahme an der Bedeutung des Festes, gleich als ob danach die Freunde und Gegner des Kaisers sich ab- zählen ließen, oder vor den Farbenmeeren, welche die Bevölkerung angestaunt, einzelne Lampen und Lichter nicht hätten erbleichen müssen. Wer wirklich sehen wollte, wie die Theilnahme an der Bedeutung des Festes sich gestaltete, der mußte in der fünften Nach- mittagsstunde auf dem Marsfelde sein, als inmitten Dessen, was man „das Volk“ zu nennen pflegt, in- mitten von Zwanzigtausenden aus den niedern Schich- ten der Kaiser und die Kaiserin in offenem Wagen erschienen, wenige reitende Municipalgarde voran. Nie konnte, was so häufig behauptet worden war, daß der Kaiser sich nicht ins Volk wage, eine schlagendere Wi- derlegung erfahren. Sobald der kaiserliche Wagen sich in der Ferne zeigte, zog der rasch verbreitete Ruf: „Der Kaiser!“ Aller Blicke von der 75jährigen Frau ab, welche eben noch Aller Augen angezogen, wie sie ein 115 Fuß hoch gespanntes Seil hinanstieg, jetzt kniete und die Hände faltete, jetzt sich erhob und den schwindelnden Pfad verfolgte. *) Eine schwellende, wogende Menge umringte den Wagen; Hüte und Mützen flogen empor; aus kräfti- gen Kehlen erschallte der volltönende Ruf: Es lebe der Kaiser! Daran war nichts Bestelltes, nichts Bezahl- tes. Eine Freude, wie sie sich nicht bestellen, nicht bezahlen läßt, leuchtete von den braunen Gesichtern der Männer in blauen Blousen. Und so nahe war *) Madame Saqui mit dem von Napoleon I. ihr er- theilten Titel: Première acrobate de France.

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Zitationshilfe: Das Pfennig=Magazin für Belehrung und Unterhaltung. Dritte Folge, Dritter Jahrgang, Nr. 117. Leipzig (Sachsen), 29. März 1855, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_pfennig117_1855/2>, abgerufen am 03.12.2024.