Das Pfennig=Magazin für Belehrung und Unterhaltung. Dritte Folge, Dritter Jahrgang, Nr. 115. Leipzig (Sachsen), 15. März 1855.[Beginn Spaltensatz]
dauerte diese babylonische Verbannung, da erst ward Eine Volksrede. Jn Gent herrschte freudige Aufregung. Alt und Es war im März des Jahres 1814. Die Trup- Als indeß der Rittmeister nach seinen Befehlen ge- Jnzwischen war, während der Befreier im Rath- Parlez! ertönte plötzlich eine Stimme, und Parlez! Ja, Parlez, Parlez! brummte der Rittmeister. Das Parlez! Parlez! schallte es noch lauter, noch unge- Mes amis! -- Dieu et les Allies -- diese Worte Tiflis. Tiflis, die Hauptstadt Georgiens oder Grusiens und [Beginn Spaltensatz]
dauerte diese babylonische Verbannung, da erst ward Eine Volksrede. Jn Gent herrschte freudige Aufregung. Alt und Es war im März des Jahres 1814. Die Trup- Als indeß der Rittmeister nach seinen Befehlen ge- Jnzwischen war, während der Befreier im Rath- Parlez! ertönte plötzlich eine Stimme, und Parlez! Ja, Parlez, Parlez! brummte der Rittmeister. Das Parlez! Parlez! schallte es noch lauter, noch unge- Mes amis! — Dieu et les Alliés — diese Worte Tiflis. Tiflis, die Hauptstadt Georgiens oder Grusiens und <TEI> <text> <body> <div type="jArticle" n="1"> <p><pb facs="#f0003" n="83"/><fw type="pageNum" place="top">83</fw><cb type="start"/> dauerte diese babylonische Verbannung, da erst ward<lb/> es den Vertriebenen erlaubt, in die alte Stadt heim-<lb/> zuwandern. 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Besonders war dies bei dem Rathhause<lb/> der Fall, vor dessen Thore sich eine improvisirte<lb/> Triumphpforte erhob, während der Platz davor mit<lb/> Blumen bestreut wurde, welche die Jahreszeit nur in<lb/> geringer Menge hergab, und man den Balcon mit<lb/> bunten Teppichen behing und mit Fahnen schmückte.</p><lb/> <p>Es war im März des Jahres 1814. Die Trup-<lb/> pen Napoleon's hatten sich überall zurückgezogen und<lb/> die Bewohner der altberühmten Handelsstadt sahen mit<lb/> Jubel der verkündeten Ankunft der ersten alliirten<lb/> Truppen entgegen, welche die Niederlande von dem<lb/> verhaßten französischen Joche befreien sollte. Endlich<lb/> erschienen die Krieger. Es war eine Schwadron Husa-<lb/> ren von der russisch=deutschen Legion. An ihrer Spitze<lb/> ritt ein junger Rittmeister, der mit freundlicher Miene<lb/> grüßend seinen Säbel links und rechts neigte. Von<lb/> der Horst war sein Name — ein Name, der von<lb/> Schleswig=Holstein aus ganz Deutschland durchtönt<lb/> hat. An seiner Seite ritten der Bürgermeister und<lb/> einige Rathsherren, die ihn eine Strecke weit vor der<lb/> Stadt eingeholt hatten. Unter Begleitung einer stets<lb/> wachsenden Volksmenge ging der Zug nach dem Rath-<lb/> hause, wo dem willkommenen Befreier in vollzähliger<lb/> Rathsversammlung der Ehrentrunk kredenzt wurde.<lb/> Zugleich gab der Bürgermeister dem Rittmeister von<lb/> der Horst die Versicherung, daß die Stadt bemüht sein<lb/> würde, alle seine Wünsche zu erfüllen und daß er für<lb/> sich selbst sowie für seine Leute der gastlichsten Bewir-<lb/> thung gewiß sein dürfte.</p><lb/> <p>Als indeß der Rittmeister nach seinen Befehlen ge-<lb/> fragt wurde, bediente er sich eines seiner Lieutenants<lb/> als Dolmetscher; denn er verstand wol so ziemlich, was<lb/> man ihm sagte, allein seine Sprachkenntniß erstreckte<lb/> sich kaum über ein Dutzend Wörter, die er mehr auf-<lb/> geschnappt als wirklich erlernt hatte.</p><lb/> <p>Jnzwischen war, während der Befreier im Rath-<lb/> haussaale festlich begrüßt wurde, auf dem Platze vor<lb/> dem Rathhause die Volksmenge immer zahlreicher ge-<lb/> worden und bald sprach dieselbe unter lautem und all-<lb/> gemeinem Geschrei das Verlangen aus, den Helden<lb/> ebenfalls zu sehen. 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dauerte diese babylonische Verbannung, da erst ward
es den Vertriebenen erlaubt, in die alte Stadt heim-
zuwandern. Wenige derselben lebten noch, aber die
in Niendorf ( so hieß der Verbannungsort ) Geborenen
hatten von den Vätern die Liebe zur alten Wohnstätte
geerbt, sie gründeten das neue Haldensleben, das von
1183 an sammt der Umgegend dem Erzbischof ge-
hörte. Der Wiederaufbau der Stadt wurde 1223 be-
gonnen; mit dem Schutt füllte man die Tiefen und
baute gerade Straßen. Das 600jährige Jubelfest
wurde am 22. Juni 1823 feierlich begangen.
Eine Volksrede.
Jn Gent herrschte freudige Aufregung. Alt und
Jung, Vornehm und Gering eilte mit erwartungs-
vollen Mienen dem einen Thore zu und an mehren
Orten sah man eilige Anstalten zu einem festlichen
Empfange. Besonders war dies bei dem Rathhause
der Fall, vor dessen Thore sich eine improvisirte
Triumphpforte erhob, während der Platz davor mit
Blumen bestreut wurde, welche die Jahreszeit nur in
geringer Menge hergab, und man den Balcon mit
bunten Teppichen behing und mit Fahnen schmückte.
Es war im März des Jahres 1814. Die Trup-
pen Napoleon's hatten sich überall zurückgezogen und
die Bewohner der altberühmten Handelsstadt sahen mit
Jubel der verkündeten Ankunft der ersten alliirten
Truppen entgegen, welche die Niederlande von dem
verhaßten französischen Joche befreien sollte. Endlich
erschienen die Krieger. Es war eine Schwadron Husa-
ren von der russisch=deutschen Legion. An ihrer Spitze
ritt ein junger Rittmeister, der mit freundlicher Miene
grüßend seinen Säbel links und rechts neigte. Von
der Horst war sein Name — ein Name, der von
Schleswig=Holstein aus ganz Deutschland durchtönt
hat. An seiner Seite ritten der Bürgermeister und
einige Rathsherren, die ihn eine Strecke weit vor der
Stadt eingeholt hatten. Unter Begleitung einer stets
wachsenden Volksmenge ging der Zug nach dem Rath-
hause, wo dem willkommenen Befreier in vollzähliger
Rathsversammlung der Ehrentrunk kredenzt wurde.
Zugleich gab der Bürgermeister dem Rittmeister von
der Horst die Versicherung, daß die Stadt bemüht sein
würde, alle seine Wünsche zu erfüllen und daß er für
sich selbst sowie für seine Leute der gastlichsten Bewir-
thung gewiß sein dürfte.
Als indeß der Rittmeister nach seinen Befehlen ge-
fragt wurde, bediente er sich eines seiner Lieutenants
als Dolmetscher; denn er verstand wol so ziemlich, was
man ihm sagte, allein seine Sprachkenntniß erstreckte
sich kaum über ein Dutzend Wörter, die er mehr auf-
geschnappt als wirklich erlernt hatte.
Jnzwischen war, während der Befreier im Rath-
haussaale festlich begrüßt wurde, auf dem Platze vor
dem Rathhause die Volksmenge immer zahlreicher ge-
worden und bald sprach dieselbe unter lautem und all-
gemeinem Geschrei das Verlangen aus, den Helden
ebenfalls zu sehen. Man beeilte sich, den Rittmeister
von diesem Verlangen zu benachrichtigen und bat ihn,
sich auf dem Balcon zu zeigen. Augenblicklich bereit
dazu, trat er hinaus und grüßte mit der Hand hinab
gegen die Menge, die jubelnd und unter lauten Vi-
vats Hüte und Tücher schwang.
Parlez! ertönte plötzlich eine Stimme, und Parlez!
Parlez! wiederholten sogleich tausend Kehlen.
Ja, Parlez, Parlez! brummte der Rittmeister. Das
ist leicht gesagt! Soll ich etwa dem dummen Volke
zeigen, daß ich das einfältige Französisch nicht kann?
Da wäre der ganze Nimbus verschwunden, der jetzt
den Retter, den Befreier umgibt! Verdammte Ge-
schichte!
Parlez! Parlez! schallte es noch lauter, noch unge-
stümer von unten herauf und von einem komischen
Gedanken ergriffen, sagte der Rittmeister, immer reich
an guten Einfällen, zu sich selbst: „Unverschämtheit,
steh' mir bei!“ Dann trat er vor, und sehr zufrie-
den mit der Aufregung und dem Gesumme, die auch
jetzt noch auf dem Platze herrschten, begann er:
Mes amis! — Dieu et les Alliés — diese Worte
sprach er laut und deutlich, dann aber ließ seine Sprach-
kenntniß ihn im Stich und es folgte nun ein verwor-
renes, undeutliches Gemisch von selbstgebildeten, keiner
existirenden Sprache angehörigen Wörtern. Dazwi-
schen wurden französische Brocken mit lauter, erhobe-
ner Stimme eingestreut: Le tyran — les Alliés — le droit
— la victoire u. s. w. und diesen Worten besonders
folgte jedes mal ein lautes Bravo, während enthusia-
stische Zeichen des Beifalls auch den übrigen Theilen
der Rede nicht fehlten. Endlich schloß der Redner,
verneigte sich unter freundlichem Grüßen gegen die
Menge und trat zurück in den Rathhaussaal, beglei-
tet von den Beifallsäußerungen und dem Jubel des
Volks. Die Rede aber erschien am andern Tage ge-
druckt in dem „ Courrier de Gant “ und allgemein be-
wunderte man die Beredtsamkeit des fremden Offiziers,
indem man jedoch hier und da Bedauern ausdrückte,
daß er etwas undeutlich gesprochen habe, sodaß der
ganze Zusammenhang der schönen Rede doch eigentlich
erst durch den Druck vollkommen deutlich geworden
wäre.
Tiflis.
Tiflis, die Hauptstadt Georgiens oder Grusiens und
die wichtigste Stadt Transkaukasiens, liegt in einer
anmuthigen, durch Weinpflanzungen, Park= und Gar-
tenanlagen verschönerten Hügelgegend am linken Ufer
des Kur, 1100 Fuß über dem Meere, hat Mauern,
Thürme, Bastionen und Wälle und besteht — wie
Prag, mit dem man es in seiner allgemeinen Erschei-
nung verglichen hat — aus einer Alt= und einer Neu-
stadt, wozu noch eine Bäder= und eine Bergstadt so-
wie verschiedene Vorstädte kommen, die indeß zum
Theil von bloßen Erdhütten gebildet werden. Die übri-
gen Stadttheile sind freundlich und hin und wieder
selbst prächtig. Namentlich in den neuenstandenen
Gegenden hat Tiflis breite, gerade Straßen, große
Plätze, hübsche Häuser und verschiedene in großartigem
Stile ausgeführte öffentliche Gebäude. Hinsichtlich des
Treibens in seinen Gassen läßt sich Tiflis nur mit
Kairo vergleichen. Hier mischen sich Europa und Asien
miteinander und ein höchst interessantes Gewühl ver-
schiedener Nationalitäten begegnet dem Auge des Beob-
achters. Der Name der Stadt ist aus der georgischen
Bezeichnung Tphilis Kalaki, d. h. Warmstadt, abge-
leitet, wie man den Ort nach den hier entspringenden
Schwefelquellen nannte, die in den letzten Jahren viele
Badegäste hier versammelten. Ein anderer Grund zur
Hebung der Stadt, die gegenwärtig 47,300 Einwoh-
ner zählt, war der, daß sie 1846 zur Hauptstadt des
Gouvernements Georgien, eines Landstrichs von 1530
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Peter Fankhauser:
Transformation von TUSTEP nach TEI P5.
Transformation von TEI P5 in das DTA TEI P5 Format.
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