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Das Pfennig=Magazin für Belehrung und Unterhaltung. Dritte Folge, Zweiter Jahrgang, Nr. 87. Leipzig (Sachsen), 24. August 1854.

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Der Pfarrer Bonaparte. [Beginn Spaltensatz]

Acht Meilen von Florenz, in Certaldo, lebte 1807
ein armer Dorfpfarrer, Namens Bonaparte. Niemand
ahnte, daß er mit dem Kaiser Napoleon Bonaparte
verwandt sei. Er hatte Corsica vergessen und beschäf-
tigte sich nur mit seinen Beichtkindern. Besonders
gern hatte er eine weiße Henne, einen jungen Bur-
schen und ein kleines Mädchen, welche beiden letztern
er einmal zu verheirathen gedachte. So lebte er fried-
lich und unbekümmert, bis eines Tages sich plötzlich
ein Geräusch von Pferdegetrappel vor seiner Wohnung
vernehmen ließ und der Pfarrhof sich mit Reitern
füllte. Ein General des Kaisers in goldgestickter Uni-
form erschien ehrerbietig vor dem Pfarrer und fragte:
"Sie heißen Bonaparte und sind der Oheim Napo-
leon 's, des Kaisers der Franzosen und Königs von
Jtalien?"

Ja, antwortete der Pfarrer, der unbestimmt von
der Erhebung seines Neffen gehört hatte.

Die Mutter Sr. Majestät --

Aha, Lätitia?

-- Hat von Jhnen mit Sr. Majestät gesprochen.

Mit dem kleinen Napoleon?

Mit dem Kaiser, und dieser findet es unpassend,
daß ein so naher Verwandter hier als armer Dorf-
prediger lebt. Er sendet mich, Sie zu fragen, welchen
Bischofsstuhl Sie einzunehmen wünschen?

Der Pfarrer hatte nie einen vornehmern Mann
als einen Bischof gesehen. Er konnte sich zu nichts
entschließen und fragte nach einiger Zeit: "Jst denn
das Alles wahr? Meine Nichte Lätitia Kaiserin? Und
ich habe ihre erste Beichte gehört! Jch muß mich be-
[Spaltenumbruch] sinnen, ehe ich mich zu einem solchen Glückswechsel
entscheide."

Jm Hofe ging es unterdeß sehr lebhaft zu. Die
Soldaten machen dort dem Lieblinge des Pfarrers, der
jungen Mattea, die Cour; diese konnte auf einmal den
ihr bestimmten Liebhaber nicht mehr leiden und sah
einen schönen Dragoner lieber. Tommaso, der ihr zu-
gedachte Bräutigam, erzürnte sich darüber, wurde aber
ausgelacht und so lange geneckt, bis er sich entschloß,
selbst Soldat zu werden. Der Pfarrer sah dies Alles
mit betrübten Blicken und sagte zum General: "Jch
danke meinem Neffen, bleibe aber Pfarrer in meinem
lieben Dorfe wie bisher. Küssen Sie in meinem Na-
men meinen Neffen und Lätitia; Gott erhalte sie Alle.
Es sind brave Kinder, die in ihrem Glücke auch an
den alten Onkel denken. Aber ich mag, wie gesagt,
weder Bischof noch Cardinal werden."

Wenn der Kaiser Etwas befahl, so mußte es ge-
schehen. Der General hatte Befehl, den Pfarrer mit
nach Paris zu bringen, und bot daher Alles auf, ihn
von seinem Entschlusse abzubringen. Aber umsonst.

Als der Kaiser erfuhr, wie wenig Ehrgeiz ein Bona-
parte habe, zuckte er mit den Achseln.

Mattea heirathete ihren schönen Dragoner und
wurde bald die Frau eines Obersten.

Tommaso wurde Soldat und 1814 war er Capi-
tän in der kaiserlichen Garde.

Der arme Pfarrer aber wohnte noch am Ende
des Kaiserreichs in seinem kleinen Dorfe. Er war viel-
leicht der Glücklichste in seiner Familie.

[Ende Spaltensatz]

Schlacht bei Zama.
[Abbildung]
[Beginn Spaltensatz]

Bei Zama in Afrika fiel zwischen Hannibal und Sci-
pio die berühmte Entscheidungsschlacht vor, welche,
nachdem die gegen Hannibal wieder sieghaft geworde-
[Spaltenumbruch] nen Römer den Krieg in das feindliche Land, nach
Afrika, hinübergespielt hatten, dem zweiten punischen
Kriege ein Ende machte.

[Ende Spaltensatz]


Der Pfarrer Bonaparte. [Beginn Spaltensatz]

Acht Meilen von Florenz, in Certaldo, lebte 1807
ein armer Dorfpfarrer, Namens Bonaparte. Niemand
ahnte, daß er mit dem Kaiser Napoleon Bonaparte
verwandt sei. Er hatte Corsica vergessen und beschäf-
tigte sich nur mit seinen Beichtkindern. Besonders
gern hatte er eine weiße Henne, einen jungen Bur-
schen und ein kleines Mädchen, welche beiden letztern
er einmal zu verheirathen gedachte. So lebte er fried-
lich und unbekümmert, bis eines Tages sich plötzlich
ein Geräusch von Pferdegetrappel vor seiner Wohnung
vernehmen ließ und der Pfarrhof sich mit Reitern
füllte. Ein General des Kaisers in goldgestickter Uni-
form erschien ehrerbietig vor dem Pfarrer und fragte:
„Sie heißen Bonaparte und sind der Oheim Napo-
leon 's, des Kaisers der Franzosen und Königs von
Jtalien?“

Ja, antwortete der Pfarrer, der unbestimmt von
der Erhebung seines Neffen gehört hatte.

Die Mutter Sr. Majestät —

Aha, Lätitia?

— Hat von Jhnen mit Sr. Majestät gesprochen.

Mit dem kleinen Napoleon?

Mit dem Kaiser, und dieser findet es unpassend,
daß ein so naher Verwandter hier als armer Dorf-
prediger lebt. Er sendet mich, Sie zu fragen, welchen
Bischofsstuhl Sie einzunehmen wünschen?

Der Pfarrer hatte nie einen vornehmern Mann
als einen Bischof gesehen. Er konnte sich zu nichts
entschließen und fragte nach einiger Zeit: „Jst denn
das Alles wahr? Meine Nichte Lätitia Kaiserin? Und
ich habe ihre erste Beichte gehört! Jch muß mich be-
[Spaltenumbruch] sinnen, ehe ich mich zu einem solchen Glückswechsel
entscheide.“

Jm Hofe ging es unterdeß sehr lebhaft zu. Die
Soldaten machen dort dem Lieblinge des Pfarrers, der
jungen Mattea, die Cour; diese konnte auf einmal den
ihr bestimmten Liebhaber nicht mehr leiden und sah
einen schönen Dragoner lieber. Tommaso, der ihr zu-
gedachte Bräutigam, erzürnte sich darüber, wurde aber
ausgelacht und so lange geneckt, bis er sich entschloß,
selbst Soldat zu werden. Der Pfarrer sah dies Alles
mit betrübten Blicken und sagte zum General: „Jch
danke meinem Neffen, bleibe aber Pfarrer in meinem
lieben Dorfe wie bisher. Küssen Sie in meinem Na-
men meinen Neffen und Lätitia; Gott erhalte sie Alle.
Es sind brave Kinder, die in ihrem Glücke auch an
den alten Onkel denken. Aber ich mag, wie gesagt,
weder Bischof noch Cardinal werden.“

Wenn der Kaiser Etwas befahl, so mußte es ge-
schehen. Der General hatte Befehl, den Pfarrer mit
nach Paris zu bringen, und bot daher Alles auf, ihn
von seinem Entschlusse abzubringen. Aber umsonst.

Als der Kaiser erfuhr, wie wenig Ehrgeiz ein Bona-
parte habe, zuckte er mit den Achseln.

Mattea heirathete ihren schönen Dragoner und
wurde bald die Frau eines Obersten.

Tommaso wurde Soldat und 1814 war er Capi-
tän in der kaiserlichen Garde.

Der arme Pfarrer aber wohnte noch am Ende
des Kaiserreichs in seinem kleinen Dorfe. Er war viel-
leicht der Glücklichste in seiner Familie.

[Ende Spaltensatz]

Schlacht bei Zama.
[Abbildung]
[Beginn Spaltensatz]

Bei Zama in Afrika fiel zwischen Hannibal und Sci-
pio die berühmte Entscheidungsschlacht vor, welche,
nachdem die gegen Hannibal wieder sieghaft geworde-
[Spaltenumbruch] nen Römer den Krieg in das feindliche Land, nach
Afrika, hinübergespielt hatten, dem zweiten punischen
Kriege ein Ende machte.

[Ende Spaltensatz]

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[279/0007] 279 Der Pfarrer Bonaparte. Acht Meilen von Florenz, in Certaldo, lebte 1807 ein armer Dorfpfarrer, Namens Bonaparte. Niemand ahnte, daß er mit dem Kaiser Napoleon Bonaparte verwandt sei. Er hatte Corsica vergessen und beschäf- tigte sich nur mit seinen Beichtkindern. Besonders gern hatte er eine weiße Henne, einen jungen Bur- schen und ein kleines Mädchen, welche beiden letztern er einmal zu verheirathen gedachte. So lebte er fried- lich und unbekümmert, bis eines Tages sich plötzlich ein Geräusch von Pferdegetrappel vor seiner Wohnung vernehmen ließ und der Pfarrhof sich mit Reitern füllte. Ein General des Kaisers in goldgestickter Uni- form erschien ehrerbietig vor dem Pfarrer und fragte: „Sie heißen Bonaparte und sind der Oheim Napo- leon 's, des Kaisers der Franzosen und Königs von Jtalien?“ Ja, antwortete der Pfarrer, der unbestimmt von der Erhebung seines Neffen gehört hatte. Die Mutter Sr. Majestät — Aha, Lätitia? — Hat von Jhnen mit Sr. Majestät gesprochen. Mit dem kleinen Napoleon? Mit dem Kaiser, und dieser findet es unpassend, daß ein so naher Verwandter hier als armer Dorf- prediger lebt. Er sendet mich, Sie zu fragen, welchen Bischofsstuhl Sie einzunehmen wünschen? Der Pfarrer hatte nie einen vornehmern Mann als einen Bischof gesehen. Er konnte sich zu nichts entschließen und fragte nach einiger Zeit: „Jst denn das Alles wahr? Meine Nichte Lätitia Kaiserin? Und ich habe ihre erste Beichte gehört! Jch muß mich be- sinnen, ehe ich mich zu einem solchen Glückswechsel entscheide.“ Jm Hofe ging es unterdeß sehr lebhaft zu. Die Soldaten machen dort dem Lieblinge des Pfarrers, der jungen Mattea, die Cour; diese konnte auf einmal den ihr bestimmten Liebhaber nicht mehr leiden und sah einen schönen Dragoner lieber. Tommaso, der ihr zu- gedachte Bräutigam, erzürnte sich darüber, wurde aber ausgelacht und so lange geneckt, bis er sich entschloß, selbst Soldat zu werden. Der Pfarrer sah dies Alles mit betrübten Blicken und sagte zum General: „Jch danke meinem Neffen, bleibe aber Pfarrer in meinem lieben Dorfe wie bisher. Küssen Sie in meinem Na- men meinen Neffen und Lätitia; Gott erhalte sie Alle. Es sind brave Kinder, die in ihrem Glücke auch an den alten Onkel denken. Aber ich mag, wie gesagt, weder Bischof noch Cardinal werden.“ Wenn der Kaiser Etwas befahl, so mußte es ge- schehen. Der General hatte Befehl, den Pfarrer mit nach Paris zu bringen, und bot daher Alles auf, ihn von seinem Entschlusse abzubringen. Aber umsonst. Als der Kaiser erfuhr, wie wenig Ehrgeiz ein Bona- parte habe, zuckte er mit den Achseln. Mattea heirathete ihren schönen Dragoner und wurde bald die Frau eines Obersten. Tommaso wurde Soldat und 1814 war er Capi- tän in der kaiserlichen Garde. Der arme Pfarrer aber wohnte noch am Ende des Kaiserreichs in seinem kleinen Dorfe. Er war viel- leicht der Glücklichste in seiner Familie. Schlacht bei Zama. [Abbildung] Bei Zama in Afrika fiel zwischen Hannibal und Sci- pio die berühmte Entscheidungsschlacht vor, welche, nachdem die gegen Hannibal wieder sieghaft geworde- nen Römer den Krieg in das feindliche Land, nach Afrika, hinübergespielt hatten, dem zweiten punischen Kriege ein Ende machte.

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Zitationshilfe: Das Pfennig=Magazin für Belehrung und Unterhaltung. Dritte Folge, Zweiter Jahrgang, Nr. 87. Leipzig (Sachsen), 24. August 1854, S. 279. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_pfennig087_1854/7>, abgerufen am 27.11.2024.