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Das Pfennig=Magazin für Belehrung und Unterhaltung. Dritte Folge, Zweiter Jahrgang, Nr. 87. Leipzig (Sachsen), 24. August 1854.

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[Abbildung] Das Rennthier.

Vergleiche Pfennig=Magazin, Jahrgang 1833, Nr. 32.



Die Seide.
( Fortsetzung. [Beginn Spaltensatz]

Eine Menge wunderlicher Moden, zu denen die steife
Leinwand Veranlassung gab, wären bei dem allgemei-
nen Gebrauche der Seide nie erfunden worden. Die
flatternden Seidenbänder, die rauschenden und wallen-
den Seidenkleider, die leicht den Hals umknüpfenden
Seidentücher haben wesentlich dazu beigetragen, unsere
Trachten natürlicher und gefälliger zu machen. Auch
ist die Seide ein Beförderer der Reinlichkeit, nimmt
den Schmuz nicht so leicht an und ist besonders in
den wärmern Ländern für die Gesundheit des Körpers
von großem Nutzen. Um so mehr aber sollte jedes
Land, das sich zur Seidencultur eignet, dieselbe auch
betreiben, zumal da sie zugleich Gelegenheit gibt, Per-
sonen zu beschäftigen, die schwere Arbeiten nicht ver-
richten können.

Die erste und wesentliche Bedingung, die dem
Seidenbau vorangehen muß, ist die Anpflanzung des
Maulbeerbaums, dessen Blätter zur Nahrung der Seide
spinnenden Raupe durchaus nothwendig sind. Sein
ursprüngliches Vaterland ist zwar in den wärmern
Himmelsstrichen Asiens, namentlich in China, zu su-
chen, aber er kommt auch in Deutschland fort und
man kann ihn bei Potsdam, Koblenz, Regensburg
u. s. w. in großer Menge grünen und blühen sehen.
Sein knorriger Stamm, seine aschgraue Rinde, seine
langen, schlanken Äste treten ganz anspruchslos auf.
Auch das Blatt hat weiter nichts auffallend Fremd-
ländisches, außer daß die Form desselben nicht selten
an einer und derselben Pflanze verschieden ist. Bei
kräftigem Wuchse erreicht es eine Länge von fünf bis
sechs Zoll und eine Breite von vier bis fünf Zoll.
Am besten gedeiht der Baum im leichten, trockenen
Boden an einem nach Mittag gelegenen Bergabhange.
[Spaltenumbruch] Jn einem allzuschweren oder nassen Boden wächst er
dürftig, der Stamm wird leicht mit Moos überzogen
und das Laub bleibt klein und saftlos. Jn sehr fet-
tem oder gedüngtem Lande ist zwar sein Wachsthum
überaus üppig, allein dem Laube fehlt dann der gummi-
haltige Stoff und der milchartige Saft. Beides ist
zur gesunden Nahrung der Raupe und zur Bildung
ihres festen Gespinnstes durchaus erfoderlich. Ein
wässeriger Saft macht die Raupe krank und ihr Ge-
spinnst locker und leicht. Die Blüte des Baums tritt
in Ähren auf, hat einen viertheiligen Kelch und vier
Staubfäden. Die Samenkörner sind von Fleisch um-
geben, welches verwachsen ist wie bei der Brombeere,
mit der die Frucht große Ähnlichkeit hat. Man un-
terscheidet zwei Hauptarten von Maulbeerbäumen,
schwarze und weiße. Letztere sind für den Seidenbau
vorzuziehen. Die Natur, welche jeder Pflanze ihren
eigenthümlichen Zweck zutheilte, hat den Maulbeer-
baum vorzugsweise für die Seidenraupe bestimmt. Für
alle andern Jnsektenarten hat sie das Blatt des Baums
ungenießbar gemacht. Selbst der gefräßige Maikäfer
läßt es unberührt. Keine andere Baumart würde fer-
ner, wenn man ihr das Laub in solcher Masse entzie-
hen wollte, als es die Fütterung der Seidenraupen
erfodert, so schnell eine gleiche Blätterfülle ohne alle
Störung des Wachsthums wieder erzeugen, als dies
der Maulbeerbaum thut. Er bringt sogar, wenn ihm
ein Spätfrost im Frühjahr seine ersten Triebe und der
Seidenzüchter das zweite wieder erzeugte Laub geraubt
hat, bald wiederum ein drittes, üppiges Blatt hervor,
ohne eine Spur des verminderten Wuchses bemerken
zu lassen.

Die Seidenraupe entsteht aus kleinen, aschgrauen
[Ende Spaltensatz]



[Abbildung] Das Rennthier.

Vergleiche Pfennig=Magazin, Jahrgang 1833, Nr. 32.



Die Seide.
( Fortsetzung. [Beginn Spaltensatz]

Eine Menge wunderlicher Moden, zu denen die steife
Leinwand Veranlassung gab, wären bei dem allgemei-
nen Gebrauche der Seide nie erfunden worden. Die
flatternden Seidenbänder, die rauschenden und wallen-
den Seidenkleider, die leicht den Hals umknüpfenden
Seidentücher haben wesentlich dazu beigetragen, unsere
Trachten natürlicher und gefälliger zu machen. Auch
ist die Seide ein Beförderer der Reinlichkeit, nimmt
den Schmuz nicht so leicht an und ist besonders in
den wärmern Ländern für die Gesundheit des Körpers
von großem Nutzen. Um so mehr aber sollte jedes
Land, das sich zur Seidencultur eignet, dieselbe auch
betreiben, zumal da sie zugleich Gelegenheit gibt, Per-
sonen zu beschäftigen, die schwere Arbeiten nicht ver-
richten können.

Die erste und wesentliche Bedingung, die dem
Seidenbau vorangehen muß, ist die Anpflanzung des
Maulbeerbaums, dessen Blätter zur Nahrung der Seide
spinnenden Raupe durchaus nothwendig sind. Sein
ursprüngliches Vaterland ist zwar in den wärmern
Himmelsstrichen Asiens, namentlich in China, zu su-
chen, aber er kommt auch in Deutschland fort und
man kann ihn bei Potsdam, Koblenz, Regensburg
u. s. w. in großer Menge grünen und blühen sehen.
Sein knorriger Stamm, seine aschgraue Rinde, seine
langen, schlanken Äste treten ganz anspruchslos auf.
Auch das Blatt hat weiter nichts auffallend Fremd-
ländisches, außer daß die Form desselben nicht selten
an einer und derselben Pflanze verschieden ist. Bei
kräftigem Wuchse erreicht es eine Länge von fünf bis
sechs Zoll und eine Breite von vier bis fünf Zoll.
Am besten gedeiht der Baum im leichten, trockenen
Boden an einem nach Mittag gelegenen Bergabhange.
[Spaltenumbruch] Jn einem allzuschweren oder nassen Boden wächst er
dürftig, der Stamm wird leicht mit Moos überzogen
und das Laub bleibt klein und saftlos. Jn sehr fet-
tem oder gedüngtem Lande ist zwar sein Wachsthum
überaus üppig, allein dem Laube fehlt dann der gummi-
haltige Stoff und der milchartige Saft. Beides ist
zur gesunden Nahrung der Raupe und zur Bildung
ihres festen Gespinnstes durchaus erfoderlich. Ein
wässeriger Saft macht die Raupe krank und ihr Ge-
spinnst locker und leicht. Die Blüte des Baums tritt
in Ähren auf, hat einen viertheiligen Kelch und vier
Staubfäden. Die Samenkörner sind von Fleisch um-
geben, welches verwachsen ist wie bei der Brombeere,
mit der die Frucht große Ähnlichkeit hat. Man un-
terscheidet zwei Hauptarten von Maulbeerbäumen,
schwarze und weiße. Letztere sind für den Seidenbau
vorzuziehen. Die Natur, welche jeder Pflanze ihren
eigenthümlichen Zweck zutheilte, hat den Maulbeer-
baum vorzugsweise für die Seidenraupe bestimmt. Für
alle andern Jnsektenarten hat sie das Blatt des Baums
ungenießbar gemacht. Selbst der gefräßige Maikäfer
läßt es unberührt. Keine andere Baumart würde fer-
ner, wenn man ihr das Laub in solcher Masse entzie-
hen wollte, als es die Fütterung der Seidenraupen
erfodert, so schnell eine gleiche Blätterfülle ohne alle
Störung des Wachsthums wieder erzeugen, als dies
der Maulbeerbaum thut. Er bringt sogar, wenn ihm
ein Spätfrost im Frühjahr seine ersten Triebe und der
Seidenzüchter das zweite wieder erzeugte Laub geraubt
hat, bald wiederum ein drittes, üppiges Blatt hervor,
ohne eine Spur des verminderten Wuchses bemerken
zu lassen.

Die Seidenraupe entsteht aus kleinen, aschgrauen
[Ende Spaltensatz]

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[277/0005] 277 [Abbildung Das Rennthier. Vergleiche Pfennig=Magazin, Jahrgang 1833, Nr. 32.] Die Seide. ( Fortsetzung. Eine Menge wunderlicher Moden, zu denen die steife Leinwand Veranlassung gab, wären bei dem allgemei- nen Gebrauche der Seide nie erfunden worden. Die flatternden Seidenbänder, die rauschenden und wallen- den Seidenkleider, die leicht den Hals umknüpfenden Seidentücher haben wesentlich dazu beigetragen, unsere Trachten natürlicher und gefälliger zu machen. Auch ist die Seide ein Beförderer der Reinlichkeit, nimmt den Schmuz nicht so leicht an und ist besonders in den wärmern Ländern für die Gesundheit des Körpers von großem Nutzen. Um so mehr aber sollte jedes Land, das sich zur Seidencultur eignet, dieselbe auch betreiben, zumal da sie zugleich Gelegenheit gibt, Per- sonen zu beschäftigen, die schwere Arbeiten nicht ver- richten können. Die erste und wesentliche Bedingung, die dem Seidenbau vorangehen muß, ist die Anpflanzung des Maulbeerbaums, dessen Blätter zur Nahrung der Seide spinnenden Raupe durchaus nothwendig sind. Sein ursprüngliches Vaterland ist zwar in den wärmern Himmelsstrichen Asiens, namentlich in China, zu su- chen, aber er kommt auch in Deutschland fort und man kann ihn bei Potsdam, Koblenz, Regensburg u. s. w. in großer Menge grünen und blühen sehen. Sein knorriger Stamm, seine aschgraue Rinde, seine langen, schlanken Äste treten ganz anspruchslos auf. Auch das Blatt hat weiter nichts auffallend Fremd- ländisches, außer daß die Form desselben nicht selten an einer und derselben Pflanze verschieden ist. Bei kräftigem Wuchse erreicht es eine Länge von fünf bis sechs Zoll und eine Breite von vier bis fünf Zoll. Am besten gedeiht der Baum im leichten, trockenen Boden an einem nach Mittag gelegenen Bergabhange. Jn einem allzuschweren oder nassen Boden wächst er dürftig, der Stamm wird leicht mit Moos überzogen und das Laub bleibt klein und saftlos. Jn sehr fet- tem oder gedüngtem Lande ist zwar sein Wachsthum überaus üppig, allein dem Laube fehlt dann der gummi- haltige Stoff und der milchartige Saft. Beides ist zur gesunden Nahrung der Raupe und zur Bildung ihres festen Gespinnstes durchaus erfoderlich. Ein wässeriger Saft macht die Raupe krank und ihr Ge- spinnst locker und leicht. Die Blüte des Baums tritt in Ähren auf, hat einen viertheiligen Kelch und vier Staubfäden. Die Samenkörner sind von Fleisch um- geben, welches verwachsen ist wie bei der Brombeere, mit der die Frucht große Ähnlichkeit hat. Man un- terscheidet zwei Hauptarten von Maulbeerbäumen, schwarze und weiße. Letztere sind für den Seidenbau vorzuziehen. Die Natur, welche jeder Pflanze ihren eigenthümlichen Zweck zutheilte, hat den Maulbeer- baum vorzugsweise für die Seidenraupe bestimmt. Für alle andern Jnsektenarten hat sie das Blatt des Baums ungenießbar gemacht. Selbst der gefräßige Maikäfer läßt es unberührt. Keine andere Baumart würde fer- ner, wenn man ihr das Laub in solcher Masse entzie- hen wollte, als es die Fütterung der Seidenraupen erfodert, so schnell eine gleiche Blätterfülle ohne alle Störung des Wachsthums wieder erzeugen, als dies der Maulbeerbaum thut. Er bringt sogar, wenn ihm ein Spätfrost im Frühjahr seine ersten Triebe und der Seidenzüchter das zweite wieder erzeugte Laub geraubt hat, bald wiederum ein drittes, üppiges Blatt hervor, ohne eine Spur des verminderten Wuchses bemerken zu lassen. Die Seidenraupe entsteht aus kleinen, aschgrauen

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Zitationshilfe: Das Pfennig=Magazin für Belehrung und Unterhaltung. Dritte Folge, Zweiter Jahrgang, Nr. 87. Leipzig (Sachsen), 24. August 1854, S. 277. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_pfennig087_1854/5>, abgerufen am 24.11.2024.