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Das Pfennig-Magazin für Belehrung und Unterhaltung. Dritte Folge, Zweiter Jahrgang, Nr. 84. Leipzig (Sachsen), 3. August 1854.

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Mannichfaltiges. [Beginn Spaltensatz]

Ursprung des studentikosen Namens: Philister.
Als auf der Universität Prag die hussitische Schwärmerei
aufkam und die Neugläubigen sich ausschließlich als "Volk
Gottes" zu denken liebten, gaben sie den ihnen gegenüber-
stehenden Gegnern und Neutralen die Namen: Philister,
Ammoniter, Moabiter u. s. w. Der erstere Name ward der
gewöhnlichste. Doch hat man auch noch eine andere Ablei-
tung. Die Universitätsstadt Paris hatte ehedem ein zur Ver-
pflegung von Pilgrimen bestimmtes Hospital und die Hospi-
taliten, welche fleißig von den Studenten besucht und belacht
wurden, erhielten wegen ihres oft abenteuerlichen und mal-
propren Aussehens den Spottnamen Belistres =- schmuzige
Tölpel, Vogelscheuchen u. s. w. Die geduldigen Belistres wur-
den die Stammväter des weitverbreiteten Philistervolks.



Schildkrötengerippe zu Hunderten, ja Tausenden fin-
det der Wanderer auf der südwestlichen Seite der Jnsel Java.
Hier werden nämlich die Schildkröten auf ihren nächtlichen
Wanderungen vom Saume des Meers bis zu den Dünen die
Beute der wilden Hunde auf Java, welche die Eingeborenen
Andijng adjag nennen. Diese kommen in Trupps von 40
--50 Stück, packen die Schildkröte an allen zugänglichen
Stellen ihres umpanzerten Körpers an, zerren an den Fü-
ßen, am Kopfe, an den Beinen und wissen durch ihre ver-
einigte Kraft das Thier, ungeachtet seiner Größe, umzu-
wälzen, bis es auf den Rücken zu liegen kommt. Dann fan-
gen sie an allen Enden an zu nagen, reißen die Bauchschil-
der auf und halten an den Eingeweiden, dem Fleische und
den Eiern ihr blutiges Mahl. Viele Schildkröten entfliehen
ihrer Wuth und erreichen, oft die zerrenden Hunde hinter
sich herschleppend, glücklich das Meer. Aber nicht immer ver-
zehren die Hunde ihre Beute in Ruhe. Jn manchen Näch-
ten geschieht es, daß der Herr der Wildniß, der Königs-
tiger, aus dem Walde hervorbricht, einen Augenblick still-
hält, stutzt, mit funkelnden Augen den Strand überspäht,
dann leise hervorschleicht und endlich mit einem Satze, be-
gleitet von einem dumpfschnaufenden Geknurr, unter die
Hunde springt.



Das Städtlein Elz im Nassauischen ist die Heimat
sehr vieler Seitänzer und Harfenmädchen, die von da in
alle Welt ausziehen, ihre halsbrechenden Künste zu zeigen.
Der Patriarch dieser Seiltänzer war lange Jahre ein ge-
wisser Müller, um den sich einmal im Jahre, zur Zeit der
Kirchweihe, das ganze lustige springende und singende Völk-
chen zu sammeln pflegte. Es beginnt dann im Orte ein gar
lustiges Leben; es wechseln fröhliche Gelage, Tanz und Sai-
tenspiel, aber keiner der Eingeborenen spielt auf, das finden
sie unter ihrer Würde. Jn diesen Glanztagen wollen sie nur
[Spaltenumbruch] bedient sein und freigebig werfen sie den fremden Spielleu-
ten ihre blanken Thaler zu.



Die Schönheit der rauhen Erdzone. "Es läßt sich
nichts Malerischeres denken" -- schreibt Capitän Berthold
Seemann -- "als die vom Vollmond beleuchtete Awatscha-
Bai. Klippen ragen in kühnen Umrissen empor, kegelför-
mige Vulkane thürmen sich zum Himmel auf und werfen
lange Schatten über die Thäler; die mächtige Wasserdecke
breitet sich aus wie ein Binnensee. Es ist ein erhabener
Anblick. Aber wie mächtig ergreifend er ist, so verschwin-
det er doch vor dem Schauspiel, das sich entfaltet, wenn die
Sonne hinter den Schneegipfeln der Berge emporsteigt. Das
ganze höhere Land scheint ein Feuerballen zu sein und der
Zuschauer wähnt sich von einem Zauber befangen, bis der
gänzliche Eintritt des Tageslichts die Täuschung zerstört und
ihn auf einmal wieder in das nüchterne Leben zurückwirft."



Die Kalongs ( Pteropis edulis L. ) , die sogenannten
fliegenden Hunde, sieht man in den Wäldern Javas zu Tau-
senden. Jn ungeheuern Scharen hängen sie, den Kopf zu
unterst, an den Bäumen; in der glühend heißen Sonne ha-
ben sie da ihren unveränderlichen Verbleib. Nur zuweilen,
wenn einer von dem andern verdrängt wird, sieht man sie
einen Augenblick herumflattern; sonst hängen sie, wie festge-
hakt, unbeweglich still, bis der einbrechende Abend sie zu
ihren nächtlichen Zügen ruft. Dann fliegen sie als riesen-
mäßige Fledermäuse durch die Luft. Wie sonderbar sieht ein
Feigen=, Dadap= oder Kapokbaum aus! Abgestorben, von
allem Laube entblößt, scheinen doch Hunderte ungeheurer
schwarzer Früchte herabzuhängen. Aber diese Früchte regen
sich hier und da, krümmen sich und lassen ein leises Gepiep
hören. Das sind denn die Kalongs, die sich aber schon aus
weiter Ferne durch einen penetranten ammoniakalischen Ge-
ruch zu erkennen geben.



Napoleon III. ist ein firmer Schwimmer und im Rei-
ten hat er es zu wahrer Meisterschaft gebracht. Als er sich,
15 Jahre alt, bei seiner Tante, der Großherzogin Stepha-
nie in Manheim zum Besuch befand, machte er sich eines
Tages bei einer Spazierfahrt den Spaß, eben als er auf der
Mitte der Neckarbrücke fuhr, plötzlich den Wagenschlag zu
öffnen und Angesichts der ihn begleitenden Prinzessinnen, wie
er war, in den Neckar zu springen. Noch hatten sich die
entsetzten Fürstentöchter von dem fürchterlichen Schrecken nicht
erholt, da war der muthwillige Wagehals schon wieder da.
Er war im Nu an das Ufer geschwommen und erwartete,
von Wasser triefend, seine Bäschen.

[Ende Spaltensatz]

Ankündigungen.
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[Abbildung]
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Diese rühmlichst bekannten Pates Pectorales,
ein bewährtes Linderungsmittel bei Brustleiden aller
Art, Husten, Schnupfen, Katarrh , werden verkauft
in Leipzig bei

    L. Tilebein,
    Conditor in der Centralhalle.

[Ende Spaltensatz]

Verantwortlicher Redacteur: M. J. E. Volbeding. -- Druck und Verlag von F. A. Brockhaus in Leipzig.


Mannichfaltiges. [Beginn Spaltensatz]

Ursprung des studentikosen Namens: Philister.
Als auf der Universität Prag die hussitische Schwärmerei
aufkam und die Neugläubigen sich ausschließlich als „Volk
Gottes“ zu denken liebten, gaben sie den ihnen gegenüber-
stehenden Gegnern und Neutralen die Namen: Philister,
Ammoniter, Moabiter u. s. w. Der erstere Name ward der
gewöhnlichste. Doch hat man auch noch eine andere Ablei-
tung. Die Universitätsstadt Paris hatte ehedem ein zur Ver-
pflegung von Pilgrimen bestimmtes Hospital und die Hospi-
taliten, welche fleißig von den Studenten besucht und belacht
wurden, erhielten wegen ihres oft abenteuerlichen und mal-
propren Aussehens den Spottnamen Belistres =- schmuzige
Tölpel, Vogelscheuchen u. s. w. Die geduldigen Belistres wur-
den die Stammväter des weitverbreiteten Philistervolks.



Schildkrötengerippe zu Hunderten, ja Tausenden fin-
det der Wanderer auf der südwestlichen Seite der Jnsel Java.
Hier werden nämlich die Schildkröten auf ihren nächtlichen
Wanderungen vom Saume des Meers bis zu den Dünen die
Beute der wilden Hunde auf Java, welche die Eingeborenen
Andijng adjag nennen. Diese kommen in Trupps von 40
—50 Stück, packen die Schildkröte an allen zugänglichen
Stellen ihres umpanzerten Körpers an, zerren an den Fü-
ßen, am Kopfe, an den Beinen und wissen durch ihre ver-
einigte Kraft das Thier, ungeachtet seiner Größe, umzu-
wälzen, bis es auf den Rücken zu liegen kommt. Dann fan-
gen sie an allen Enden an zu nagen, reißen die Bauchschil-
der auf und halten an den Eingeweiden, dem Fleische und
den Eiern ihr blutiges Mahl. Viele Schildkröten entfliehen
ihrer Wuth und erreichen, oft die zerrenden Hunde hinter
sich herschleppend, glücklich das Meer. Aber nicht immer ver-
zehren die Hunde ihre Beute in Ruhe. Jn manchen Näch-
ten geschieht es, daß der Herr der Wildniß, der Königs-
tiger, aus dem Walde hervorbricht, einen Augenblick still-
hält, stutzt, mit funkelnden Augen den Strand überspäht,
dann leise hervorschleicht und endlich mit einem Satze, be-
gleitet von einem dumpfschnaufenden Geknurr, unter die
Hunde springt.



Das Städtlein Elz im Nassauischen ist die Heimat
sehr vieler Seitänzer und Harfenmädchen, die von da in
alle Welt ausziehen, ihre halsbrechenden Künste zu zeigen.
Der Patriarch dieser Seiltänzer war lange Jahre ein ge-
wisser Müller, um den sich einmal im Jahre, zur Zeit der
Kirchweihe, das ganze lustige springende und singende Völk-
chen zu sammeln pflegte. Es beginnt dann im Orte ein gar
lustiges Leben; es wechseln fröhliche Gelage, Tanz und Sai-
tenspiel, aber keiner der Eingeborenen spielt auf, das finden
sie unter ihrer Würde. Jn diesen Glanztagen wollen sie nur
[Spaltenumbruch] bedient sein und freigebig werfen sie den fremden Spielleu-
ten ihre blanken Thaler zu.



Die Schönheit der rauhen Erdzone. „Es läßt sich
nichts Malerischeres denken“ — schreibt Capitän Berthold
Seemann — „als die vom Vollmond beleuchtete Awatscha-
Bai. Klippen ragen in kühnen Umrissen empor, kegelför-
mige Vulkane thürmen sich zum Himmel auf und werfen
lange Schatten über die Thäler; die mächtige Wasserdecke
breitet sich aus wie ein Binnensee. Es ist ein erhabener
Anblick. Aber wie mächtig ergreifend er ist, so verschwin-
det er doch vor dem Schauspiel, das sich entfaltet, wenn die
Sonne hinter den Schneegipfeln der Berge emporsteigt. Das
ganze höhere Land scheint ein Feuerballen zu sein und der
Zuschauer wähnt sich von einem Zauber befangen, bis der
gänzliche Eintritt des Tageslichts die Täuschung zerstört und
ihn auf einmal wieder in das nüchterne Leben zurückwirft.“



Die Kalongs ( Pteropis edulis L. ) , die sogenannten
fliegenden Hunde, sieht man in den Wäldern Javas zu Tau-
senden. Jn ungeheuern Scharen hängen sie, den Kopf zu
unterst, an den Bäumen; in der glühend heißen Sonne ha-
ben sie da ihren unveränderlichen Verbleib. Nur zuweilen,
wenn einer von dem andern verdrängt wird, sieht man sie
einen Augenblick herumflattern; sonst hängen sie, wie festge-
hakt, unbeweglich still, bis der einbrechende Abend sie zu
ihren nächtlichen Zügen ruft. Dann fliegen sie als riesen-
mäßige Fledermäuse durch die Luft. Wie sonderbar sieht ein
Feigen=, Dadap= oder Kapokbaum aus! Abgestorben, von
allem Laube entblößt, scheinen doch Hunderte ungeheurer
schwarzer Früchte herabzuhängen. Aber diese Früchte regen
sich hier und da, krümmen sich und lassen ein leises Gepiep
hören. Das sind denn die Kalongs, die sich aber schon aus
weiter Ferne durch einen penetranten ammoniakalischen Ge-
ruch zu erkennen geben.



Napoleon III. ist ein firmer Schwimmer und im Rei-
ten hat er es zu wahrer Meisterschaft gebracht. Als er sich,
15 Jahre alt, bei seiner Tante, der Großherzogin Stepha-
nie in Manheim zum Besuch befand, machte er sich eines
Tages bei einer Spazierfahrt den Spaß, eben als er auf der
Mitte der Neckarbrücke fuhr, plötzlich den Wagenschlag zu
öffnen und Angesichts der ihn begleitenden Prinzessinnen, wie
er war, in den Neckar zu springen. Noch hatten sich die
entsetzten Fürstentöchter von dem fürchterlichen Schrecken nicht
erholt, da war der muthwillige Wagehals schon wieder da.
Er war im Nu an das Ufer geschwommen und erwartete,
von Wasser triefend, seine Bäschen.

[Ende Spaltensatz]

Ankündigungen.
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Diese rühmlichst bekannten Pates Pectorales,
ein bewährtes Linderungsmittel bei Brustleiden aller
Art, Husten, Schnupfen, Katarrh , werden verkauft
in Leipzig bei

    L. Tilebein,
    Conditor in der Centralhalle.

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Verantwortlicher Redacteur: M. J. E. Volbeding. — Druck und Verlag von F. A. Brockhaus in Leipzig.

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[256/0008] 256 Mannichfaltiges. Ursprung des studentikosen Namens: Philister. Als auf der Universität Prag die hussitische Schwärmerei aufkam und die Neugläubigen sich ausschließlich als „Volk Gottes“ zu denken liebten, gaben sie den ihnen gegenüber- stehenden Gegnern und Neutralen die Namen: Philister, Ammoniter, Moabiter u. s. w. Der erstere Name ward der gewöhnlichste. Doch hat man auch noch eine andere Ablei- tung. Die Universitätsstadt Paris hatte ehedem ein zur Ver- pflegung von Pilgrimen bestimmtes Hospital und die Hospi- taliten, welche fleißig von den Studenten besucht und belacht wurden, erhielten wegen ihres oft abenteuerlichen und mal- propren Aussehens den Spottnamen Belistres =- schmuzige Tölpel, Vogelscheuchen u. s. w. Die geduldigen Belistres wur- den die Stammväter des weitverbreiteten Philistervolks. Schildkrötengerippe zu Hunderten, ja Tausenden fin- det der Wanderer auf der südwestlichen Seite der Jnsel Java. Hier werden nämlich die Schildkröten auf ihren nächtlichen Wanderungen vom Saume des Meers bis zu den Dünen die Beute der wilden Hunde auf Java, welche die Eingeborenen Andijng adjag nennen. Diese kommen in Trupps von 40 —50 Stück, packen die Schildkröte an allen zugänglichen Stellen ihres umpanzerten Körpers an, zerren an den Fü- ßen, am Kopfe, an den Beinen und wissen durch ihre ver- einigte Kraft das Thier, ungeachtet seiner Größe, umzu- wälzen, bis es auf den Rücken zu liegen kommt. Dann fan- gen sie an allen Enden an zu nagen, reißen die Bauchschil- der auf und halten an den Eingeweiden, dem Fleische und den Eiern ihr blutiges Mahl. Viele Schildkröten entfliehen ihrer Wuth und erreichen, oft die zerrenden Hunde hinter sich herschleppend, glücklich das Meer. Aber nicht immer ver- zehren die Hunde ihre Beute in Ruhe. 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Die Schönheit der rauhen Erdzone. „Es läßt sich nichts Malerischeres denken“ — schreibt Capitän Berthold Seemann — „als die vom Vollmond beleuchtete Awatscha- Bai. Klippen ragen in kühnen Umrissen empor, kegelför- mige Vulkane thürmen sich zum Himmel auf und werfen lange Schatten über die Thäler; die mächtige Wasserdecke breitet sich aus wie ein Binnensee. Es ist ein erhabener Anblick. Aber wie mächtig ergreifend er ist, so verschwin- det er doch vor dem Schauspiel, das sich entfaltet, wenn die Sonne hinter den Schneegipfeln der Berge emporsteigt. Das ganze höhere Land scheint ein Feuerballen zu sein und der Zuschauer wähnt sich von einem Zauber befangen, bis der gänzliche Eintritt des Tageslichts die Täuschung zerstört und ihn auf einmal wieder in das nüchterne Leben zurückwirft.“ Die Kalongs ( Pteropis edulis L. ) , die sogenannten fliegenden Hunde, sieht man in den Wäldern Javas zu Tau- senden. 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Als er sich, 15 Jahre alt, bei seiner Tante, der Großherzogin Stepha- nie in Manheim zum Besuch befand, machte er sich eines Tages bei einer Spazierfahrt den Spaß, eben als er auf der Mitte der Neckarbrücke fuhr, plötzlich den Wagenschlag zu öffnen und Angesichts der ihn begleitenden Prinzessinnen, wie er war, in den Neckar zu springen. Noch hatten sich die entsetzten Fürstentöchter von dem fürchterlichen Schrecken nicht erholt, da war der muthwillige Wagehals schon wieder da. Er war im Nu an das Ufer geschwommen und erwartete, von Wasser triefend, seine Bäschen. Ankündigungen. [Abbildung] Diese rühmlichst bekannten Pates Pectorales, ein bewährtes Linderungsmittel bei Brustleiden aller Art, Husten, Schnupfen, Katarrh , werden verkauft in Leipzig bei L. Tilebein, Conditor in der Centralhalle. Verantwortlicher Redacteur: M. J. E. Volbeding. — Druck und Verlag von F. A. Brockhaus in Leipzig.

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Zitationshilfe: Das Pfennig-Magazin für Belehrung und Unterhaltung. Dritte Folge, Zweiter Jahrgang, Nr. 84. Leipzig (Sachsen), 3. August 1854, S. 256. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_pfennig084_1854/8>, abgerufen am 01.06.2024.