Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Das Pfennig=Magazin für Belehrung und Unterhaltung. Neue Folge, Erster Jahrgang, Nr. 26. Leipzig (Sachsen), 1. Juli 1843.

Bild:
<< vorherige Seite

[Beginn Spaltensatz] halten diese erbsförmigen Blasen für Geschwüre und nen-
nen sie Franzosen oder Pocken. Ebenso sind die Finnen
der Schweine keine Geschwüre, sondern Wasserzellen für
eine kleine Art Blasenbandwürmer, welche, wenn das
Fleisch der geschlachteten Schweine erkaltet ist, in weiße,
harte, undurchsichtige Klümpchen zusammenschrumpfen.

Der vielköpfige Blasenbandwurm findet sich im Hirn-
marke der Schafe, oft in Massen von 3--500 zusam-
men. Es sind weiße, runzlige Würmchen, welche frei
in der Hirnhöhle liegen und die Drehkrankheit der Schafe
verursachen.



Länder= und Völkerkunde.

Die Slawen zerfallen der Sprache nach in zwei Haupt-
stämme: den südöstlichen ( Russen, Bulgaren, Serben ) ,
und den westlichen ( Czechen, Polen und Luschitschanen ) ,
der Zahl nach im Ganzen 78,691,000 Jndividuen, von
denen auf die Russen 51,184,000, Bulgaren 3,587,000,
Serben 7,246,000, Polen 9,365,000, Czechen 7,167,000,
Luschitschanen 142,000 kommen. Hiervon leben in der
russischen Monarchie 53,502,000 ( 4,912,000 Polen
mit inbegriffen ) , in Östreich 16,791,000, in Preußen
2,108,000, in der Türkei 6,100,000, in Sachsen
60,000, in Krakau 130,000. Der russisch=griechi-
schen Kirche gehören 54,011,000, der griechisch=unirten
2,990,000, der römisch=katholischen 19,359,000, der
protestantischen 1,531,000, dem Jslam 800,000 an.



Mistress Fry.

Diese berühmte Quäkerin, welche sich gegenwärtig in
Paris aufhält, um auch hier ihrer erhabenen Lebensauf-
gabe: die moralische Besserung der weiblichen Gefange-
nen, genug zu thun, wurde 1780 geboren. Sie beglei-
tete eines Tages ihren Vater in ein Gefängniß, und der
Eindruck, den dieser Besuch in ihr hinterließ, war der
Schöpfer ihres würdigen Entschlusses. Sie gründete zuerst
im Hause ihres Vaters eine Schule für 80 arme Kin-
der. Wenige Jahre nach ihrer Verheirathung mit Herrn
Fry, die im Jahre 1800 stattfand, besuchte sie zum er-
sten Male das Gefängniß Newgate zu London, in dessen
dumpfen Gewölben sie eine Menge Frauen fand, die
ohne Unterschied des Verbrechens zusammengesperrt wa-
ren. Weder die Roheit noch die Frechheit dieser Ver-
wilderten schreckte sie zurück; sie redete milde zu ihnen,
fragte sie sorglich nach ihren Bedürfnissen und schlug ih-
nen endlich vor, ein Capitel aus der Bibel vorzulesen,
wozu sie das 15. Capitel des Evangeliums Lucas wählte.
Der Eindruck auf diese unglücklichen Geschöpfe war groß
und sie betrachteten die Fremde mit Zutrauen und als
eine Freundin. Dieser Besuch erneuerte sich mehrmals,
der gute Same trug reiche Frucht und Mistreß Fry
bildete endlich einen Verein von Frauen, welche sich ver-
bindlich machten, abwechselnd das Gefängniß zu besu-
chen. Die erste Sorge des Vereins war nun, eine
Schule für die Kinder zu errichten. Sie ließ die Ge-
fangenen unter sich selbst Diejenige wählen, welche sie
am geeignetsten zur Vorsteherin der Schule hielten, die
Regierung gab ein passendes Local dazu her und die
Schule war gegründet. So war ein großer Schritt ge-
than, aber das war noch nicht genug: man mußte Mit-
tel finden, die Gefangenen ihrer Trägheit zu entreißen.
Der Verein versammelte sich demgemäß im Gefängnisse,
[Spaltenumbruch] eine der Frauen sprach mit den Gefangenen von dem
Segen der Mäßigkeit und der Arbeitsamkeit, sie schilderte
ihnen die Freuden eines Lebens, das sich der Religion
und der Tugend weiht, und las zuletzt ein Reglement
vor, das von den Gefangenen nach vorhergegangener
Abstimmung angenommen wurde. Dieses Reglement
enthielt Bestimmungen über die Wahl einer obersten
Vorsteherin, über die Theilung in mehre Classen, über
die Wahl von Rathgeberinnen, für je zwölf Gefangene
eine, über die Ordnung der Arbeiten und das Lesen in
der heiligen Schrift. Spiel und Trunk, Lügen, das
Lesen schlechter Bücher und Fluchen waren verboten.

Das begonnene Werk wurde mit unendlicher Geduld
und Ausdauer verfolgt und bald traten an die Stelle
der Unordnung, der Verwünschungen und der Trägheit
Ruhe, Zucht und Fleiß. Um das gute Werk zu ver-
vollständigen, erhielt Mistreß Fry von der Regierung die
Mittel, Zufluchtshäuser zu gründen, worein die Gefan-
genen gebracht wurden, deren aufrichtige Reue ihre Bes-
serung versprach und die dem bösen Beispiele des Ge-
fängnisses entzogen werden mußten. Erstaunt über den
Erfolg unter diesen Frauen, übernahm die Stadt London
die Ausgaben des Vereins und gab Mistreß Fry Voll-
macht, die Gefangenschaft zu verkürzen oder zu verlängern

Aber auch auf die Schiffe der Deportirten erstreckte
sich die Sorgfalt des Vereins. Eine Kajüte des Schiffs
ist zu einer Schule bestimmt, eine der Deportirten wird
zur Lehrerin gewählt und der Verein gibt ihr einen Ge-
halt. Für Arbeit ist während der ganzen Fahrt gesorgt
und bei der Landung werden Diejenigen, welche sich gut
betragen haben, mit neuen Kleidern beschenkt. Dieses
Verfahren hat schon die schönsten Erfolge gehabt.

Mistreß Fry ist einer der schönsten Charaktere unse-
rer Zeit. Voll Vertrauen auf Gott, sieht man sie, jung,
schön, reich, die Freuden der Welt verachten und sich
mit dem Auswurfe ihres Geschlechts in die Gefängnisse
einschließen, um diese entarteten Seelen der Tugend wie-
der zu gewinnen. Selbst das Alter hat ihren Eifer nicht
vermindert. Trotzdem daß ihre zahlreiche Familie ihrer
Fürsorge bedarf, sieht man sie jeden Freitag nach den
Gefängnissen von Newgate wandeln, wohin sie Worte
des Friedens und des Trostes bringt.



Aus der Chronik des Monats Mai.

Zu Anfange des Monats hätte die freie Stadt Frank-
furt a. M. leicht das Schicksal haben können, welches
voriges Jahr um dieselbe Zeit ihre freie Schwester Ham-
burg getroffen. Am 1. Mai Nachmittags war nämlich
in der verschlossenen Werkstätte eines Zimmermeisters,
dicht vor dem Obermainthore, ein Feuer ausgebrochen,
das gegen Abend erst bemerkt wurde, als es bereits die
Werkstätte verzehrt und die großen Holzvorräthe sowie
ein auf dem Zimmerhofe befindliches Dielenlager ergrif-
fen hatte. Das Feuer wuchs zu einer furchtbaren Höhe,
an Löschen war nicht zu denken und erst gegen Morgen
des 2. konnte man ihm die weitere Nahrung entreißen.
Glücklicherweise trieb der Wind die Flamme nach dem
Maine zu.

Am 1. hielt in Exeter=Hall die kirchliche Missions-
gesellschaft ihre Jahresversammlung. Jhre vorjährige
Einnahme betrug 115,000 Pf. St., etwa 700,000 Thlr.

Am 2. wurde zu Paris ein neuer Komet entdeckt
und in der Nacht vom 25. auf den 26. auch in Wien
aufgefunden.

An demselben Tage Abends wurden bei den Befe-
[Ende Spaltensatz]

[Beginn Spaltensatz] halten diese erbsförmigen Blasen für Geschwüre und nen-
nen sie Franzosen oder Pocken. Ebenso sind die Finnen
der Schweine keine Geschwüre, sondern Wasserzellen für
eine kleine Art Blasenbandwürmer, welche, wenn das
Fleisch der geschlachteten Schweine erkaltet ist, in weiße,
harte, undurchsichtige Klümpchen zusammenschrumpfen.

Der vielköpfige Blasenbandwurm findet sich im Hirn-
marke der Schafe, oft in Massen von 3—500 zusam-
men. Es sind weiße, runzlige Würmchen, welche frei
in der Hirnhöhle liegen und die Drehkrankheit der Schafe
verursachen.



Länder= und Völkerkunde.

Die Slawen zerfallen der Sprache nach in zwei Haupt-
stämme: den südöstlichen ( Russen, Bulgaren, Serben ) ,
und den westlichen ( Czechen, Polen und Luschitschanen ) ,
der Zahl nach im Ganzen 78,691,000 Jndividuen, von
denen auf die Russen 51,184,000, Bulgaren 3,587,000,
Serben 7,246,000, Polen 9,365,000, Czechen 7,167,000,
Luschitschanen 142,000 kommen. Hiervon leben in der
russischen Monarchie 53,502,000 ( 4,912,000 Polen
mit inbegriffen ) , in Östreich 16,791,000, in Preußen
2,108,000, in der Türkei 6,100,000, in Sachsen
60,000, in Krakau 130,000. Der russisch=griechi-
schen Kirche gehören 54,011,000, der griechisch=unirten
2,990,000, der römisch=katholischen 19,359,000, der
protestantischen 1,531,000, dem Jslam 800,000 an.



Mistress Fry.

Diese berühmte Quäkerin, welche sich gegenwärtig in
Paris aufhält, um auch hier ihrer erhabenen Lebensauf-
gabe: die moralische Besserung der weiblichen Gefange-
nen, genug zu thun, wurde 1780 geboren. Sie beglei-
tete eines Tages ihren Vater in ein Gefängniß, und der
Eindruck, den dieser Besuch in ihr hinterließ, war der
Schöpfer ihres würdigen Entschlusses. Sie gründete zuerst
im Hause ihres Vaters eine Schule für 80 arme Kin-
der. Wenige Jahre nach ihrer Verheirathung mit Herrn
Fry, die im Jahre 1800 stattfand, besuchte sie zum er-
sten Male das Gefängniß Newgate zu London, in dessen
dumpfen Gewölben sie eine Menge Frauen fand, die
ohne Unterschied des Verbrechens zusammengesperrt wa-
ren. Weder die Roheit noch die Frechheit dieser Ver-
wilderten schreckte sie zurück; sie redete milde zu ihnen,
fragte sie sorglich nach ihren Bedürfnissen und schlug ih-
nen endlich vor, ein Capitel aus der Bibel vorzulesen,
wozu sie das 15. Capitel des Evangeliums Lucas wählte.
Der Eindruck auf diese unglücklichen Geschöpfe war groß
und sie betrachteten die Fremde mit Zutrauen und als
eine Freundin. Dieser Besuch erneuerte sich mehrmals,
der gute Same trug reiche Frucht und Mistreß Fry
bildete endlich einen Verein von Frauen, welche sich ver-
bindlich machten, abwechselnd das Gefängniß zu besu-
chen. Die erste Sorge des Vereins war nun, eine
Schule für die Kinder zu errichten. Sie ließ die Ge-
fangenen unter sich selbst Diejenige wählen, welche sie
am geeignetsten zur Vorsteherin der Schule hielten, die
Regierung gab ein passendes Local dazu her und die
Schule war gegründet. So war ein großer Schritt ge-
than, aber das war noch nicht genug: man mußte Mit-
tel finden, die Gefangenen ihrer Trägheit zu entreißen.
Der Verein versammelte sich demgemäß im Gefängnisse,
[Spaltenumbruch] eine der Frauen sprach mit den Gefangenen von dem
Segen der Mäßigkeit und der Arbeitsamkeit, sie schilderte
ihnen die Freuden eines Lebens, das sich der Religion
und der Tugend weiht, und las zuletzt ein Reglement
vor, das von den Gefangenen nach vorhergegangener
Abstimmung angenommen wurde. Dieses Reglement
enthielt Bestimmungen über die Wahl einer obersten
Vorsteherin, über die Theilung in mehre Classen, über
die Wahl von Rathgeberinnen, für je zwölf Gefangene
eine, über die Ordnung der Arbeiten und das Lesen in
der heiligen Schrift. Spiel und Trunk, Lügen, das
Lesen schlechter Bücher und Fluchen waren verboten.

Das begonnene Werk wurde mit unendlicher Geduld
und Ausdauer verfolgt und bald traten an die Stelle
der Unordnung, der Verwünschungen und der Trägheit
Ruhe, Zucht und Fleiß. Um das gute Werk zu ver-
vollständigen, erhielt Mistreß Fry von der Regierung die
Mittel, Zufluchtshäuser zu gründen, worein die Gefan-
genen gebracht wurden, deren aufrichtige Reue ihre Bes-
serung versprach und die dem bösen Beispiele des Ge-
fängnisses entzogen werden mußten. Erstaunt über den
Erfolg unter diesen Frauen, übernahm die Stadt London
die Ausgaben des Vereins und gab Mistreß Fry Voll-
macht, die Gefangenschaft zu verkürzen oder zu verlängern

Aber auch auf die Schiffe der Deportirten erstreckte
sich die Sorgfalt des Vereins. Eine Kajüte des Schiffs
ist zu einer Schule bestimmt, eine der Deportirten wird
zur Lehrerin gewählt und der Verein gibt ihr einen Ge-
halt. Für Arbeit ist während der ganzen Fahrt gesorgt
und bei der Landung werden Diejenigen, welche sich gut
betragen haben, mit neuen Kleidern beschenkt. Dieses
Verfahren hat schon die schönsten Erfolge gehabt.

Mistreß Fry ist einer der schönsten Charaktere unse-
rer Zeit. Voll Vertrauen auf Gott, sieht man sie, jung,
schön, reich, die Freuden der Welt verachten und sich
mit dem Auswurfe ihres Geschlechts in die Gefängnisse
einschließen, um diese entarteten Seelen der Tugend wie-
der zu gewinnen. Selbst das Alter hat ihren Eifer nicht
vermindert. Trotzdem daß ihre zahlreiche Familie ihrer
Fürsorge bedarf, sieht man sie jeden Freitag nach den
Gefängnissen von Newgate wandeln, wohin sie Worte
des Friedens und des Trostes bringt.



Aus der Chronik des Monats Mai.

Zu Anfange des Monats hätte die freie Stadt Frank-
furt a. M. leicht das Schicksal haben können, welches
voriges Jahr um dieselbe Zeit ihre freie Schwester Ham-
burg getroffen. Am 1. Mai Nachmittags war nämlich
in der verschlossenen Werkstätte eines Zimmermeisters,
dicht vor dem Obermainthore, ein Feuer ausgebrochen,
das gegen Abend erst bemerkt wurde, als es bereits die
Werkstätte verzehrt und die großen Holzvorräthe sowie
ein auf dem Zimmerhofe befindliches Dielenlager ergrif-
fen hatte. Das Feuer wuchs zu einer furchtbaren Höhe,
an Löschen war nicht zu denken und erst gegen Morgen
des 2. konnte man ihm die weitere Nahrung entreißen.
Glücklicherweise trieb der Wind die Flamme nach dem
Maine zu.

Am 1. hielt in Exeter=Hall die kirchliche Missions-
gesellschaft ihre Jahresversammlung. Jhre vorjährige
Einnahme betrug 115,000 Pf. St., etwa 700,000 Thlr.

Am 2. wurde zu Paris ein neuer Komet entdeckt
und in der Nacht vom 25. auf den 26. auch in Wien
aufgefunden.

An demselben Tage Abends wurden bei den Befe-
[Ende Spaltensatz]

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="jArticle" n="1">
        <p><pb facs="#f0005" n="205"/><fw type="pageNum" place="top">205</fw><cb type="start"/>
halten diese erbsförmigen Blasen für Geschwüre und nen-<lb/>
nen sie Franzosen oder Pocken. Ebenso sind die Finnen<lb/>
der Schweine keine Geschwüre, sondern Wasserzellen für<lb/>
eine kleine Art Blasenbandwürmer, welche, wenn das<lb/>
Fleisch der geschlachteten Schweine erkaltet ist, in weiße,<lb/>
harte, undurchsichtige Klümpchen zusammenschrumpfen.</p><lb/>
        <p>Der vielköpfige Blasenbandwurm findet sich im Hirn-<lb/>
marke der Schafe, oft in Massen von 3&#x2014;500 zusam-<lb/>
men. Es sind weiße, runzlige Würmchen, welche frei<lb/>
in der Hirnhöhle liegen und die Drehkrankheit der Schafe<lb/>
verursachen.</p>
      </div><lb/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
      <div type="jArticle" n="1">
        <head> <hi rendition="#fr">Länder= und Völkerkunde.</hi> </head><lb/>
        <p><hi rendition="#in">D</hi>ie Slawen zerfallen der Sprache nach in zwei Haupt-<lb/>
stämme: den südöstlichen ( Russen, Bulgaren, Serben ) ,<lb/>
und den westlichen ( Czechen, Polen und Luschitschanen ) ,<lb/>
der Zahl nach im Ganzen 78,691,000 Jndividuen, von<lb/>
denen auf die Russen 51,184,000, Bulgaren 3,587,000,<lb/>
Serben 7,246,000, Polen 9,365,000, Czechen 7,167,000,<lb/>
Luschitschanen 142,000 kommen. Hiervon leben in der<lb/>
russischen Monarchie 53,502,000 ( 4,912,000 Polen<lb/>
mit inbegriffen ) , in Östreich 16,791,000, in Preußen<lb/>
2,108,000, in der Türkei 6,100,000, in Sachsen<lb/>
60,000, in Krakau 130,000. Der russisch=griechi-<lb/>
schen Kirche gehören 54,011,000, der griechisch=unirten<lb/>
2,990,000, der römisch=katholischen 19,359,000, der<lb/>
protestantischen 1,531,000, dem Jslam 800,000 an.</p>
      </div><lb/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
      <div type="jArticle" n="1">
        <head> <hi rendition="#fr">Mistress Fry.</hi> </head><lb/>
        <p><hi rendition="#in">D</hi>iese berühmte Quäkerin, welche sich gegenwärtig in<lb/>
Paris aufhält, um auch hier ihrer erhabenen Lebensauf-<lb/>
gabe: die moralische Besserung der weiblichen Gefange-<lb/>
nen, genug zu thun, wurde 1780 geboren. Sie beglei-<lb/>
tete eines Tages ihren Vater in ein Gefängniß, und der<lb/>
Eindruck, den dieser Besuch in ihr hinterließ, war der<lb/>
Schöpfer ihres würdigen Entschlusses. Sie gründete zuerst<lb/>
im Hause ihres Vaters eine Schule für 80 arme Kin-<lb/>
der. Wenige Jahre nach ihrer Verheirathung mit Herrn<lb/>
Fry, die im Jahre 1800 stattfand, besuchte sie zum er-<lb/>
sten Male das Gefängniß Newgate zu London, in dessen<lb/>
dumpfen Gewölben sie eine Menge Frauen fand, die<lb/>
ohne Unterschied des Verbrechens zusammengesperrt wa-<lb/>
ren. Weder die Roheit noch die Frechheit dieser Ver-<lb/>
wilderten schreckte sie zurück; sie redete milde zu ihnen,<lb/>
fragte sie sorglich nach ihren Bedürfnissen und schlug ih-<lb/>
nen endlich vor, ein Capitel aus der Bibel vorzulesen,<lb/>
wozu sie das 15. Capitel des Evangeliums Lucas wählte.<lb/>
Der Eindruck auf diese unglücklichen Geschöpfe war groß<lb/>
und sie betrachteten die Fremde mit Zutrauen und als<lb/>
eine Freundin. Dieser Besuch erneuerte sich mehrmals,<lb/>
der gute Same trug reiche Frucht und Mistreß Fry<lb/>
bildete endlich einen Verein von Frauen, welche sich ver-<lb/>
bindlich machten, abwechselnd das Gefängniß zu besu-<lb/>
chen. Die erste Sorge des Vereins war nun, eine<lb/>
Schule für die Kinder zu errichten. Sie ließ die Ge-<lb/>
fangenen unter sich selbst Diejenige wählen, welche sie<lb/>
am geeignetsten zur Vorsteherin der Schule hielten, die<lb/>
Regierung gab ein passendes Local dazu her und die<lb/>
Schule war gegründet. So war ein großer Schritt ge-<lb/>
than, aber das war noch nicht genug: man mußte Mit-<lb/>
tel finden, die Gefangenen ihrer Trägheit zu entreißen.<lb/>
Der Verein versammelte sich demgemäß im Gefängnisse,<lb/><cb n="2"/>
eine der Frauen sprach mit den Gefangenen von dem<lb/>
Segen der Mäßigkeit und der Arbeitsamkeit, sie schilderte<lb/>
ihnen die Freuden eines Lebens, das sich der Religion<lb/>
und der Tugend weiht, und las zuletzt ein Reglement<lb/>
vor, das von den Gefangenen nach vorhergegangener<lb/>
Abstimmung angenommen wurde. Dieses Reglement<lb/>
enthielt Bestimmungen über die Wahl einer obersten<lb/>
Vorsteherin, über die Theilung in mehre Classen, über<lb/>
die Wahl von Rathgeberinnen, für je zwölf Gefangene<lb/>
eine, über die Ordnung der Arbeiten und das Lesen in<lb/>
der heiligen Schrift. Spiel und Trunk, Lügen, das<lb/>
Lesen schlechter Bücher und Fluchen waren verboten.</p><lb/>
        <p>Das begonnene Werk wurde mit unendlicher Geduld<lb/>
und Ausdauer verfolgt und bald traten an die Stelle<lb/>
der Unordnung, der Verwünschungen und der Trägheit<lb/>
Ruhe, Zucht und Fleiß. Um das gute Werk zu ver-<lb/>
vollständigen, erhielt Mistreß Fry von der Regierung die<lb/>
Mittel, Zufluchtshäuser zu gründen, worein die Gefan-<lb/>
genen gebracht wurden, deren aufrichtige Reue ihre Bes-<lb/>
serung versprach und die dem bösen Beispiele des Ge-<lb/>
fängnisses entzogen werden mußten. Erstaunt über den<lb/>
Erfolg unter diesen Frauen, übernahm die Stadt London<lb/>
die Ausgaben des Vereins und gab Mistreß Fry Voll-<lb/>
macht, die Gefangenschaft zu verkürzen oder zu verlängern</p><lb/>
        <p>Aber auch auf die Schiffe der Deportirten erstreckte<lb/>
sich die Sorgfalt des Vereins. Eine Kajüte des Schiffs<lb/>
ist zu einer Schule bestimmt, eine der Deportirten wird<lb/>
zur Lehrerin gewählt und der Verein gibt ihr einen Ge-<lb/>
halt. Für Arbeit ist während der ganzen Fahrt gesorgt<lb/>
und bei der Landung werden Diejenigen, welche sich gut<lb/>
betragen haben, mit neuen Kleidern beschenkt. Dieses<lb/>
Verfahren hat schon die schönsten Erfolge gehabt.</p><lb/>
        <p>Mistreß Fry ist einer der schönsten Charaktere unse-<lb/>
rer Zeit. Voll Vertrauen auf Gott, sieht man sie, jung,<lb/>
schön, reich, die Freuden der Welt verachten und sich<lb/>
mit dem Auswurfe ihres Geschlechts in die Gefängnisse<lb/>
einschließen, um diese entarteten Seelen der Tugend wie-<lb/>
der zu gewinnen. Selbst das Alter hat ihren Eifer nicht<lb/>
vermindert. Trotzdem daß ihre zahlreiche Familie ihrer<lb/>
Fürsorge bedarf, sieht man sie jeden Freitag nach den<lb/>
Gefängnissen von Newgate wandeln, wohin sie Worte<lb/>
des Friedens und des Trostes bringt.</p>
      </div><lb/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
      <div type="jArticle" n="1">
        <head> <hi rendition="#fr">Aus der Chronik des Monats Mai.</hi> </head><lb/>
        <p><hi rendition="#in">Z</hi>u Anfange des Monats hätte die freie Stadt Frank-<lb/>
furt a. M. leicht das Schicksal haben können, welches<lb/>
voriges Jahr um dieselbe Zeit ihre freie Schwester Ham-<lb/>
burg getroffen. Am 1. Mai Nachmittags war nämlich<lb/>
in der verschlossenen Werkstätte eines Zimmermeisters,<lb/>
dicht vor dem Obermainthore, ein Feuer ausgebrochen,<lb/>
das gegen Abend erst bemerkt wurde, als es bereits die<lb/>
Werkstätte verzehrt und die großen Holzvorräthe sowie<lb/>
ein auf dem Zimmerhofe befindliches Dielenlager ergrif-<lb/>
fen hatte. Das Feuer wuchs zu einer furchtbaren Höhe,<lb/>
an Löschen war nicht zu denken und erst gegen Morgen<lb/>
des 2. konnte man ihm die weitere Nahrung entreißen.<lb/>
Glücklicherweise trieb der Wind die Flamme nach dem<lb/>
Maine zu.</p><lb/>
        <p>Am 1. hielt in Exeter=Hall die kirchliche Missions-<lb/>
gesellschaft ihre Jahresversammlung. Jhre vorjährige<lb/>
Einnahme betrug 115,000 Pf. St., etwa 700,000 Thlr.</p><lb/>
        <p>Am 2. wurde zu Paris ein neuer Komet entdeckt<lb/>
und in der Nacht vom 25. auf den 26. auch in Wien<lb/>
aufgefunden.</p><lb/>
        <p>An demselben Tage Abends wurden bei den Befe-<lb/><cb type="end"/>
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[205/0005] 205 halten diese erbsförmigen Blasen für Geschwüre und nen- nen sie Franzosen oder Pocken. Ebenso sind die Finnen der Schweine keine Geschwüre, sondern Wasserzellen für eine kleine Art Blasenbandwürmer, welche, wenn das Fleisch der geschlachteten Schweine erkaltet ist, in weiße, harte, undurchsichtige Klümpchen zusammenschrumpfen. Der vielköpfige Blasenbandwurm findet sich im Hirn- marke der Schafe, oft in Massen von 3—500 zusam- men. Es sind weiße, runzlige Würmchen, welche frei in der Hirnhöhle liegen und die Drehkrankheit der Schafe verursachen. Länder= und Völkerkunde. Die Slawen zerfallen der Sprache nach in zwei Haupt- stämme: den südöstlichen ( Russen, Bulgaren, Serben ) , und den westlichen ( Czechen, Polen und Luschitschanen ) , der Zahl nach im Ganzen 78,691,000 Jndividuen, von denen auf die Russen 51,184,000, Bulgaren 3,587,000, Serben 7,246,000, Polen 9,365,000, Czechen 7,167,000, Luschitschanen 142,000 kommen. Hiervon leben in der russischen Monarchie 53,502,000 ( 4,912,000 Polen mit inbegriffen ) , in Östreich 16,791,000, in Preußen 2,108,000, in der Türkei 6,100,000, in Sachsen 60,000, in Krakau 130,000. Der russisch=griechi- schen Kirche gehören 54,011,000, der griechisch=unirten 2,990,000, der römisch=katholischen 19,359,000, der protestantischen 1,531,000, dem Jslam 800,000 an. Mistress Fry. Diese berühmte Quäkerin, welche sich gegenwärtig in Paris aufhält, um auch hier ihrer erhabenen Lebensauf- gabe: die moralische Besserung der weiblichen Gefange- nen, genug zu thun, wurde 1780 geboren. Sie beglei- tete eines Tages ihren Vater in ein Gefängniß, und der Eindruck, den dieser Besuch in ihr hinterließ, war der Schöpfer ihres würdigen Entschlusses. Sie gründete zuerst im Hause ihres Vaters eine Schule für 80 arme Kin- der. Wenige Jahre nach ihrer Verheirathung mit Herrn Fry, die im Jahre 1800 stattfand, besuchte sie zum er- sten Male das Gefängniß Newgate zu London, in dessen dumpfen Gewölben sie eine Menge Frauen fand, die ohne Unterschied des Verbrechens zusammengesperrt wa- ren. Weder die Roheit noch die Frechheit dieser Ver- wilderten schreckte sie zurück; sie redete milde zu ihnen, fragte sie sorglich nach ihren Bedürfnissen und schlug ih- nen endlich vor, ein Capitel aus der Bibel vorzulesen, wozu sie das 15. Capitel des Evangeliums Lucas wählte. Der Eindruck auf diese unglücklichen Geschöpfe war groß und sie betrachteten die Fremde mit Zutrauen und als eine Freundin. Dieser Besuch erneuerte sich mehrmals, der gute Same trug reiche Frucht und Mistreß Fry bildete endlich einen Verein von Frauen, welche sich ver- bindlich machten, abwechselnd das Gefängniß zu besu- chen. Die erste Sorge des Vereins war nun, eine Schule für die Kinder zu errichten. Sie ließ die Ge- fangenen unter sich selbst Diejenige wählen, welche sie am geeignetsten zur Vorsteherin der Schule hielten, die Regierung gab ein passendes Local dazu her und die Schule war gegründet. So war ein großer Schritt ge- than, aber das war noch nicht genug: man mußte Mit- tel finden, die Gefangenen ihrer Trägheit zu entreißen. Der Verein versammelte sich demgemäß im Gefängnisse, eine der Frauen sprach mit den Gefangenen von dem Segen der Mäßigkeit und der Arbeitsamkeit, sie schilderte ihnen die Freuden eines Lebens, das sich der Religion und der Tugend weiht, und las zuletzt ein Reglement vor, das von den Gefangenen nach vorhergegangener Abstimmung angenommen wurde. Dieses Reglement enthielt Bestimmungen über die Wahl einer obersten Vorsteherin, über die Theilung in mehre Classen, über die Wahl von Rathgeberinnen, für je zwölf Gefangene eine, über die Ordnung der Arbeiten und das Lesen in der heiligen Schrift. Spiel und Trunk, Lügen, das Lesen schlechter Bücher und Fluchen waren verboten. Das begonnene Werk wurde mit unendlicher Geduld und Ausdauer verfolgt und bald traten an die Stelle der Unordnung, der Verwünschungen und der Trägheit Ruhe, Zucht und Fleiß. Um das gute Werk zu ver- vollständigen, erhielt Mistreß Fry von der Regierung die Mittel, Zufluchtshäuser zu gründen, worein die Gefan- genen gebracht wurden, deren aufrichtige Reue ihre Bes- serung versprach und die dem bösen Beispiele des Ge- fängnisses entzogen werden mußten. Erstaunt über den Erfolg unter diesen Frauen, übernahm die Stadt London die Ausgaben des Vereins und gab Mistreß Fry Voll- macht, die Gefangenschaft zu verkürzen oder zu verlängern Aber auch auf die Schiffe der Deportirten erstreckte sich die Sorgfalt des Vereins. Eine Kajüte des Schiffs ist zu einer Schule bestimmt, eine der Deportirten wird zur Lehrerin gewählt und der Verein gibt ihr einen Ge- halt. Für Arbeit ist während der ganzen Fahrt gesorgt und bei der Landung werden Diejenigen, welche sich gut betragen haben, mit neuen Kleidern beschenkt. Dieses Verfahren hat schon die schönsten Erfolge gehabt. Mistreß Fry ist einer der schönsten Charaktere unse- rer Zeit. Voll Vertrauen auf Gott, sieht man sie, jung, schön, reich, die Freuden der Welt verachten und sich mit dem Auswurfe ihres Geschlechts in die Gefängnisse einschließen, um diese entarteten Seelen der Tugend wie- der zu gewinnen. Selbst das Alter hat ihren Eifer nicht vermindert. Trotzdem daß ihre zahlreiche Familie ihrer Fürsorge bedarf, sieht man sie jeden Freitag nach den Gefängnissen von Newgate wandeln, wohin sie Worte des Friedens und des Trostes bringt. Aus der Chronik des Monats Mai. Zu Anfange des Monats hätte die freie Stadt Frank- furt a. M. leicht das Schicksal haben können, welches voriges Jahr um dieselbe Zeit ihre freie Schwester Ham- burg getroffen. Am 1. Mai Nachmittags war nämlich in der verschlossenen Werkstätte eines Zimmermeisters, dicht vor dem Obermainthore, ein Feuer ausgebrochen, das gegen Abend erst bemerkt wurde, als es bereits die Werkstätte verzehrt und die großen Holzvorräthe sowie ein auf dem Zimmerhofe befindliches Dielenlager ergrif- fen hatte. Das Feuer wuchs zu einer furchtbaren Höhe, an Löschen war nicht zu denken und erst gegen Morgen des 2. konnte man ihm die weitere Nahrung entreißen. Glücklicherweise trieb der Wind die Flamme nach dem Maine zu. Am 1. hielt in Exeter=Hall die kirchliche Missions- gesellschaft ihre Jahresversammlung. Jhre vorjährige Einnahme betrug 115,000 Pf. St., etwa 700,000 Thlr. Am 2. wurde zu Paris ein neuer Komet entdeckt und in der Nacht vom 25. auf den 26. auch in Wien aufgefunden. An demselben Tage Abends wurden bei den Befe-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Institut für Deutsche Sprache, Mannheim: Bereitstellung der Bilddigitalisate und TEI Transkription
Peter Fankhauser: Transformation von TUSTEP nach TEI P5. Transformation von TEI P5 in das DTA TEI P5 Format.

Weitere Informationen:

Siehe Dokumentation




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_pfennig026_1843
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_pfennig026_1843/5
Zitationshilfe: Das Pfennig=Magazin für Belehrung und Unterhaltung. Neue Folge, Erster Jahrgang, Nr. 26. Leipzig (Sachsen), 1. Juli 1843, S. 205. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_pfennig026_1843/5>, abgerufen am 16.07.2024.