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Das Pfennig=Magazin für Belehrung und Unterhaltung. Neue Folge, Erster Jahrgang, Nr. 25. Leipzig (Sachsen), 24. Juni 1843.

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[Beginn Spaltensatz] Armenien auftrat, das zur Zeit der Mithridatischen Kriege
in häufige Berührung mit den Römern kam, zur Zeit
des Kaisers Augustus von ihnen abhängig wurde und
zur Zeit Trajan's sogar eine Zeit lang ihre Provinz
war. Späterhin war es ein beständiger Zankapfel zwi-
schen dem oströmischen und neupersischen Reiche. Jm
J. 696 ward es von Arabern und 1050 von den seld-
schukischen Türken erobert. Jm J. 1195 kam es wie-
der unter eigene Könige, aber bald wanderte es wieder
aus einer Hand in die andere, denn 1367 ward es von
den Mamluken, 1395 von Tamerlan, im 15. Jahr-
hundert von den Turkmanen, 1501 von den Persern,
1517 von den Osmanen erobert, in deren Besitz der
westliche Theil bis auf den heutigen Tag geblieben ist.
Der östliche Theil gehörte den Persern, mußte aber in
der neuesten Zeit größtentheils an die Russen abgetreten
werden, sodaß Armenien gegenwärtig unter drei Herren
vertheilt ist.

Der höchste Punkt des armenischen Plateaus ist der
auf der vorstehenden Abbildung dargestellte weltberühmte
Ararat, der im Osten des Landes als Grenzwächter da-
steht und 16,200 Fuß über die Meeresfläche emporragt.
Seine beiden Gipfel, von denen der höchste auf russi-
schem Gebiete liegt, sind mit ewigem Schnee bedeckt, ob-
gleich die Schneelinie erst 12,000 Fuß hoch beginnt, und
immer mit Wolken umhüllt. Er bietet viele merkwür-
dige Naturerscheinungen dar und ist als Berg der Noachi-
schen Arche, von welcher man dort noch Reste zu sehen
glaubt, in die Geschichte und Sage des Landes tief ver-
flochten. Die Bewohner des Landes erweisen ihm daher
auch große Ehrfurcht, denn so oft sie seinen Gipfel er-
blicken, bekreuzen sie sich und werfen sich zur Erde. Die
Türken nennen ihn Agni=Dagh und die Armenier Ma-
cis. Am untersten Abhange desselben ist ein armseliges
Kloster. Sein Gipfel wurde am 9. October 1829 wahr-
scheinlich zum ersten Male bestiegen und zwar von dem
Professor Parrot aus Dorpat in Begleitung von acht
andern Personen. Die größten Schwierigkeiten fanden
sie da, wo die Schneeregion beginnt, indem sie vom er-
sten Schritt an, den sie auf dem gefrorenen Schnee tha-
ten, bis zur Spitze hinauf sehr mühsam Löcher in den
Schnee hauen mußten, um ihre Füße hineinsetzen zu
können. Die Aussicht auf dem Gipfel über den uner-
meßlichen, durch tiefe, finstere Schluchten unterbrochenen
Abhang hatte etwas Schauererregendes. Die Reisenden
wurden durch das schönste Wetter begünstigt und konn-
ten die durch den hellsten Mondenschein verklärte Nacht
auf dem Eisgefilde zubringen, ohne sehr von der Kälte
zu leiden. Zum Gedächtniß seines Unternehmens stellte
Parrot auf dem Gipfel des Berges ein 5 Fuß hohes
Kreuz auf.

Südlich vom Ararat, aber noch im Gebiete der ar-
menischen Gebirge, liegen die beiden bedeutenden, aber
wenig bekannten Alpenseen, Wan und Urumia oder
Urmia, der erstere mehr westlich, der letztere mehr östlich.
Zwei mächtige Hauptflüsse entströmen den nördlichen
höchsten Gegenden, in ihren Quellen einander sehr nahe,
in ihrem Laufe aber weit auseinander tretend, jedoch zu-
letzt sich wieder vereinigend und zusammen in den per-
sischen Meerbusen fließend. Der westlichere, Euphrat
genannt, entspringt aus zwei Bächen und nimmt links
den vom südlichen Randgebirge kommenden Chabur auf;
der östliche, Tigris genannt, entspringt ebenfalls aus
mehren Quellen, die sich in sehr geringer Entfernung
von denen des Euphrat befinden. Er umfließt nördlich
den Ararat, durchbricht das Südrandgebirge Armeniens
und empfängt vom Westrande Jrans mehre Zuflüsse,
z. B. den großen und kleinen Zah, die Diala u. a.

[Spaltenumbruch]

Der südwestliche Gebirgsrand Armeniens, welcher
sich vom Urmia nach Skanderun hinzieht, hieß bei den
Alten der Taurus und sein westlichster Theil Amanus;
an diesen schließt sich der unter dem Namen Libanon
und Antilibanon oder Hermon bekannte Gebirgszug,
der längs des mittelländischen Meers bis an die Gren-
zen von Arabien geht.

Das Klima Armeniens ist ein Übergang von der
einförmigen trockenen Temperatur der Plateauländer des
innern Asiens zu dem vielgestaltigen Wechsel des euro-
päischen Himmels. Wenn man von Tabris in Aser-
beidschan die erste Stufe des Pässelandes nach Rhoi
hinaufsteigt, so kommt man aus einer heißen Ebene, in
welcher die indischen Cerealien gedeihen, durch schöne
Baumgruppen, blumenreiche Gärten, dunkle Nadelwäl-
der auf den saftigen Weidegrund der Alpenwiesen, wo
die Pappeln, Weiden, Ulmen, Wallnüsse und Plata-
nen das feuchte Land verkünden. Aufwärts den Euphrat-
quellen zu, immer weiter steigend kommt man durch
immer rauhere Gegenden, wo nicht selten Hagelschauer
dem Wanderer entgegenschlagen, endlich auf eine Hoch-
ebene, die kahl und baumlos, aber mit üppigem Grase
bedeckt ist; hier und da wogen gleich grünen Meeren
die herrlichsten Getreidefelder. Hat man diese Hochebene
durchwandert und steigt in das Thal des Kur nach der
Ebene von Tiflis zu, so kommt man durch die lieb-
lichsten Laubwälder, die ein ganz europäisches Gepräge
haben und aus Eichen, Buchen, Linden, Ulmen, Ahorn
und Eschen bestehen; weiter unten sieht man Obstbäume
aller Art und noch tiefer Wein und edle Früchte; das
Klima des Hochplateaus ist das des nördlichen Deutsch-
lands, nur feuchter und stürmevoller. Der Winter ist
schneeig und dauert sechs Monate; die Nächte sind im-
mer kalt. Von dem häufigen Regenniederschlage rühren
die feuchten fetten Weiden, aber auch die gefährlichen
Stürme auf dem schwarzen Meere.



Der heilbringende Säbel.
( Fortsetzung aus Nr. 24. )

Martha stotterte, als der Oberst bereits die Stube ver-
lassen hatte, einige Worte des Dankes hervor und konnte
vor Ärger über sich selbst die Stelle nicht verlassen, auf
der sie stand. Handri las in ihrem Gesichte, daß sie seine
Handlungsweise nicht billigte und schlich sich schüchtern
hinter sein Rad, während die vier andern Kinder dem
Offizier nachliefen. Das Schwirren des Rades brachte
Martha wieder zu sich.

Junge, sagte sie, sich zu ihm wendend, wer hat dich
diese kühne Sprache gelehrt? Du sprichst ja wie ein Al-
ter. Weißt du nicht, daß sich das nicht schickt? Ein
Kind muß nie sprechen, was alte Leute sprechen.

Seid nur nicht böse, liebe Martha, der Offizier hat
mirs ja nicht übel genommen.

Dazu ist er zu gut, aber gespottet hat er über dich.

Gespottet? Da irrt Jhr Euch. Der Spott sieht
ganz anders aus. O den kenne ich. Da müßte ich
Kunzen nicht gesehen haben, wenn er dem armen alten
Hans gegenüber sitzt und Bemerkungen über seine Reden
macht. Das sieht abscheulich aus. Er dünkt sich freilich
einen Fürsten in Vergleich mit Hans; aber ich sage
Euch, wenn er so sein großes Maul in die Quere zieht
und sein flaches Gesicht noch flacher macht, kommt er
mir vor wie der leibhaftige Satan und mein guter al-
ter Hans wie ein Engel Gottes. Kunzens struppiges
rothes Haar starrt empor wie die Stacheln von einem
[Ende Spaltensatz]

[Beginn Spaltensatz] Armenien auftrat, das zur Zeit der Mithridatischen Kriege
in häufige Berührung mit den Römern kam, zur Zeit
des Kaisers Augustus von ihnen abhängig wurde und
zur Zeit Trajan's sogar eine Zeit lang ihre Provinz
war. Späterhin war es ein beständiger Zankapfel zwi-
schen dem oströmischen und neupersischen Reiche. Jm
J. 696 ward es von Arabern und 1050 von den seld-
schukischen Türken erobert. Jm J. 1195 kam es wie-
der unter eigene Könige, aber bald wanderte es wieder
aus einer Hand in die andere, denn 1367 ward es von
den Mamluken, 1395 von Tamerlan, im 15. Jahr-
hundert von den Turkmanen, 1501 von den Persern,
1517 von den Osmanen erobert, in deren Besitz der
westliche Theil bis auf den heutigen Tag geblieben ist.
Der östliche Theil gehörte den Persern, mußte aber in
der neuesten Zeit größtentheils an die Russen abgetreten
werden, sodaß Armenien gegenwärtig unter drei Herren
vertheilt ist.

Der höchste Punkt des armenischen Plateaus ist der
auf der vorstehenden Abbildung dargestellte weltberühmte
Ararat, der im Osten des Landes als Grenzwächter da-
steht und 16,200 Fuß über die Meeresfläche emporragt.
Seine beiden Gipfel, von denen der höchste auf russi-
schem Gebiete liegt, sind mit ewigem Schnee bedeckt, ob-
gleich die Schneelinie erst 12,000 Fuß hoch beginnt, und
immer mit Wolken umhüllt. Er bietet viele merkwür-
dige Naturerscheinungen dar und ist als Berg der Noachi-
schen Arche, von welcher man dort noch Reste zu sehen
glaubt, in die Geschichte und Sage des Landes tief ver-
flochten. Die Bewohner des Landes erweisen ihm daher
auch große Ehrfurcht, denn so oft sie seinen Gipfel er-
blicken, bekreuzen sie sich und werfen sich zur Erde. Die
Türken nennen ihn Agni=Dagh und die Armenier Ma-
cis. Am untersten Abhange desselben ist ein armseliges
Kloster. Sein Gipfel wurde am 9. October 1829 wahr-
scheinlich zum ersten Male bestiegen und zwar von dem
Professor Parrot aus Dorpat in Begleitung von acht
andern Personen. Die größten Schwierigkeiten fanden
sie da, wo die Schneeregion beginnt, indem sie vom er-
sten Schritt an, den sie auf dem gefrorenen Schnee tha-
ten, bis zur Spitze hinauf sehr mühsam Löcher in den
Schnee hauen mußten, um ihre Füße hineinsetzen zu
können. Die Aussicht auf dem Gipfel über den uner-
meßlichen, durch tiefe, finstere Schluchten unterbrochenen
Abhang hatte etwas Schauererregendes. Die Reisenden
wurden durch das schönste Wetter begünstigt und konn-
ten die durch den hellsten Mondenschein verklärte Nacht
auf dem Eisgefilde zubringen, ohne sehr von der Kälte
zu leiden. Zum Gedächtniß seines Unternehmens stellte
Parrot auf dem Gipfel des Berges ein 5 Fuß hohes
Kreuz auf.

Südlich vom Ararat, aber noch im Gebiete der ar-
menischen Gebirge, liegen die beiden bedeutenden, aber
wenig bekannten Alpenseen, Wan und Urumia oder
Urmia, der erstere mehr westlich, der letztere mehr östlich.
Zwei mächtige Hauptflüsse entströmen den nördlichen
höchsten Gegenden, in ihren Quellen einander sehr nahe,
in ihrem Laufe aber weit auseinander tretend, jedoch zu-
letzt sich wieder vereinigend und zusammen in den per-
sischen Meerbusen fließend. Der westlichere, Euphrat
genannt, entspringt aus zwei Bächen und nimmt links
den vom südlichen Randgebirge kommenden Chabur auf;
der östliche, Tigris genannt, entspringt ebenfalls aus
mehren Quellen, die sich in sehr geringer Entfernung
von denen des Euphrat befinden. Er umfließt nördlich
den Ararat, durchbricht das Südrandgebirge Armeniens
und empfängt vom Westrande Jrans mehre Zuflüsse,
z. B. den großen und kleinen Zah, die Diala u. a.

[Spaltenumbruch]

Der südwestliche Gebirgsrand Armeniens, welcher
sich vom Urmia nach Skanderun hinzieht, hieß bei den
Alten der Taurus und sein westlichster Theil Amanus;
an diesen schließt sich der unter dem Namen Libanon
und Antilibanon oder Hermon bekannte Gebirgszug,
der längs des mittelländischen Meers bis an die Gren-
zen von Arabien geht.

Das Klima Armeniens ist ein Übergang von der
einförmigen trockenen Temperatur der Plateauländer des
innern Asiens zu dem vielgestaltigen Wechsel des euro-
päischen Himmels. Wenn man von Tabris in Aser-
beidschan die erste Stufe des Pässelandes nach Rhoi
hinaufsteigt, so kommt man aus einer heißen Ebene, in
welcher die indischen Cerealien gedeihen, durch schöne
Baumgruppen, blumenreiche Gärten, dunkle Nadelwäl-
der auf den saftigen Weidegrund der Alpenwiesen, wo
die Pappeln, Weiden, Ulmen, Wallnüsse und Plata-
nen das feuchte Land verkünden. Aufwärts den Euphrat-
quellen zu, immer weiter steigend kommt man durch
immer rauhere Gegenden, wo nicht selten Hagelschauer
dem Wanderer entgegenschlagen, endlich auf eine Hoch-
ebene, die kahl und baumlos, aber mit üppigem Grase
bedeckt ist; hier und da wogen gleich grünen Meeren
die herrlichsten Getreidefelder. Hat man diese Hochebene
durchwandert und steigt in das Thal des Kur nach der
Ebene von Tiflis zu, so kommt man durch die lieb-
lichsten Laubwälder, die ein ganz europäisches Gepräge
haben und aus Eichen, Buchen, Linden, Ulmen, Ahorn
und Eschen bestehen; weiter unten sieht man Obstbäume
aller Art und noch tiefer Wein und edle Früchte; das
Klima des Hochplateaus ist das des nördlichen Deutsch-
lands, nur feuchter und stürmevoller. Der Winter ist
schneeig und dauert sechs Monate; die Nächte sind im-
mer kalt. Von dem häufigen Regenniederschlage rühren
die feuchten fetten Weiden, aber auch die gefährlichen
Stürme auf dem schwarzen Meere.



Der heilbringende Säbel.
( Fortsetzung aus Nr. 24. )

Martha stotterte, als der Oberst bereits die Stube ver-
lassen hatte, einige Worte des Dankes hervor und konnte
vor Ärger über sich selbst die Stelle nicht verlassen, auf
der sie stand. Handri las in ihrem Gesichte, daß sie seine
Handlungsweise nicht billigte und schlich sich schüchtern
hinter sein Rad, während die vier andern Kinder dem
Offizier nachliefen. Das Schwirren des Rades brachte
Martha wieder zu sich.

Junge, sagte sie, sich zu ihm wendend, wer hat dich
diese kühne Sprache gelehrt? Du sprichst ja wie ein Al-
ter. Weißt du nicht, daß sich das nicht schickt? Ein
Kind muß nie sprechen, was alte Leute sprechen.

Seid nur nicht böse, liebe Martha, der Offizier hat
mirs ja nicht übel genommen.

Dazu ist er zu gut, aber gespottet hat er über dich.

Gespottet? Da irrt Jhr Euch. Der Spott sieht
ganz anders aus. O den kenne ich. Da müßte ich
Kunzen nicht gesehen haben, wenn er dem armen alten
Hans gegenüber sitzt und Bemerkungen über seine Reden
macht. Das sieht abscheulich aus. Er dünkt sich freilich
einen Fürsten in Vergleich mit Hans; aber ich sage
Euch, wenn er so sein großes Maul in die Quere zieht
und sein flaches Gesicht noch flacher macht, kommt er
mir vor wie der leibhaftige Satan und mein guter al-
ter Hans wie ein Engel Gottes. Kunzens struppiges
rothes Haar starrt empor wie die Stacheln von einem
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Südlich vom Ararat, aber noch im Gebiete der ar- menischen Gebirge, liegen die beiden bedeutenden, aber wenig bekannten Alpenseen, Wan und Urumia oder Urmia, der erstere mehr westlich, der letztere mehr östlich. Zwei mächtige Hauptflüsse entströmen den nördlichen höchsten Gegenden, in ihren Quellen einander sehr nahe, in ihrem Laufe aber weit auseinander tretend, jedoch zu- letzt sich wieder vereinigend und zusammen in den per- sischen Meerbusen fließend. Der westlichere, Euphrat genannt, entspringt aus zwei Bächen und nimmt links den vom südlichen Randgebirge kommenden Chabur auf; der östliche, Tigris genannt, entspringt ebenfalls aus mehren Quellen, die sich in sehr geringer Entfernung von denen des Euphrat befinden. Er umfließt nördlich den Ararat, durchbricht das Südrandgebirge Armeniens und empfängt vom Westrande Jrans mehre Zuflüsse, z. B. den großen und kleinen Zah, die Diala u. a. Der südwestliche Gebirgsrand Armeniens, welcher sich vom Urmia nach Skanderun hinzieht, hieß bei den Alten der Taurus und sein westlichster Theil Amanus; an diesen schließt sich der unter dem Namen Libanon und Antilibanon oder Hermon bekannte Gebirgszug, der längs des mittelländischen Meers bis an die Gren- zen von Arabien geht. Das Klima Armeniens ist ein Übergang von der einförmigen trockenen Temperatur der Plateauländer des innern Asiens zu dem vielgestaltigen Wechsel des euro- päischen Himmels. Wenn man von Tabris in Aser- beidschan die erste Stufe des Pässelandes nach Rhoi hinaufsteigt, so kommt man aus einer heißen Ebene, in welcher die indischen Cerealien gedeihen, durch schöne Baumgruppen, blumenreiche Gärten, dunkle Nadelwäl- der auf den saftigen Weidegrund der Alpenwiesen, wo die Pappeln, Weiden, Ulmen, Wallnüsse und Plata- nen das feuchte Land verkünden. Aufwärts den Euphrat- quellen zu, immer weiter steigend kommt man durch immer rauhere Gegenden, wo nicht selten Hagelschauer dem Wanderer entgegenschlagen, endlich auf eine Hoch- ebene, die kahl und baumlos, aber mit üppigem Grase bedeckt ist; hier und da wogen gleich grünen Meeren die herrlichsten Getreidefelder. Hat man diese Hochebene durchwandert und steigt in das Thal des Kur nach der Ebene von Tiflis zu, so kommt man durch die lieb- lichsten Laubwälder, die ein ganz europäisches Gepräge haben und aus Eichen, Buchen, Linden, Ulmen, Ahorn und Eschen bestehen; weiter unten sieht man Obstbäume aller Art und noch tiefer Wein und edle Früchte; das Klima des Hochplateaus ist das des nördlichen Deutsch- lands, nur feuchter und stürmevoller. Der Winter ist schneeig und dauert sechs Monate; die Nächte sind im- mer kalt. Von dem häufigen Regenniederschlage rühren die feuchten fetten Weiden, aber auch die gefährlichen Stürme auf dem schwarzen Meere. Der heilbringende Säbel. ( Fortsetzung aus Nr. 24. ) Martha stotterte, als der Oberst bereits die Stube ver- lassen hatte, einige Worte des Dankes hervor und konnte vor Ärger über sich selbst die Stelle nicht verlassen, auf der sie stand. Handri las in ihrem Gesichte, daß sie seine Handlungsweise nicht billigte und schlich sich schüchtern hinter sein Rad, während die vier andern Kinder dem Offizier nachliefen. Das Schwirren des Rades brachte Martha wieder zu sich. Junge, sagte sie, sich zu ihm wendend, wer hat dich diese kühne Sprache gelehrt? Du sprichst ja wie ein Al- ter. Weißt du nicht, daß sich das nicht schickt? Ein Kind muß nie sprechen, was alte Leute sprechen. Seid nur nicht böse, liebe Martha, der Offizier hat mirs ja nicht übel genommen. Dazu ist er zu gut, aber gespottet hat er über dich. Gespottet? Da irrt Jhr Euch. Der Spott sieht ganz anders aus. O den kenne ich. Da müßte ich Kunzen nicht gesehen haben, wenn er dem armen alten Hans gegenüber sitzt und Bemerkungen über seine Reden macht. Das sieht abscheulich aus. Er dünkt sich freilich einen Fürsten in Vergleich mit Hans; aber ich sage Euch, wenn er so sein großes Maul in die Quere zieht und sein flaches Gesicht noch flacher macht, kommt er mir vor wie der leibhaftige Satan und mein guter al- ter Hans wie ein Engel Gottes. Kunzens struppiges rothes Haar starrt empor wie die Stacheln von einem

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Zitationshilfe: Das Pfennig=Magazin für Belehrung und Unterhaltung. Neue Folge, Erster Jahrgang, Nr. 25. Leipzig (Sachsen), 24. Juni 1843, S. 197. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_pfennig025_1843/5>, abgerufen am 24.08.2024.