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Das Pfennig=Magazin für Belehrung und Unterhaltung. Neue Folge, Erster Jahrgang, Nr. 12. Leipzig (Sachsen), 25. März 1843.

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Das Pfennig=Magazin
für
Belehrung und Unterhaltung.


Nr. 12. ] Neue Folge. Erster Jahrgang. [ 25. März 1843.


Karl August Böttiger.
[Abbildung]
[Beginn Spaltensatz]

Dieser in der Ferne und Nähe vielfach bewunderte, von
Einzelnen verkannte und angefeindete, von Vielen ver-
ehrte und geliebte Mann, welcher 50 Jahre lang in
den vordersten Reihen einer reichen und ehrenvollen Um-
gebung lebte und wirkte, wurde am 8. Juni 1760 in
dem kleinen voigtländischen Städtchen Reichenbach gebo-
ren. Sein Vater war Conrector an der Stadtschule
und hatte sich am 12. Juli 1759 mit der Stieftochter
eines Doctor Wendler verheirathet. Dieser wackere Mann
prophezeite seiner Stieftochter im Scherz aus dem Um-
stande, daß sie ihr erstes Kind in einer Schulwohnung
bekommen, es werde gewiß einmal ein tüchtiger Schul-
mann werden. Diese Prophezeiung traf dergestalt ein,
daß noch 70 Jahre darauf das Kind den Juvenal und
Homer erklärte.

Der Vater Böttiger's wurde bald darauf Diakonus
im Städtchen Elsterberg. Hier unterrichtete er anfangs
[Spaltenumbruch] seinen Sohn selbst zugleich mit dem nur um3 1 / 2 Jahre
ältern Sohne des Oberpfarrers Döring, dem später
ebenfalls so berühmt gewordenen Philologen, der dem
gothaer Gymnasium eine so große Berühmtheit verschafft
hat. So talentreich beide Studiengenossen waren, so
hatten sie doch ganz verschiedene Neigungen; während
Döring jeden freien Augenblick benutzte, auf die Bäume
zu klettern und den Vögeln nachzustellen, kroch Böttiger
auf den Häuserböden des Städtchens herum, um Bü-
cher aufzusuchen oder las, die Ziege hütend, deren Mol-
ken der Vater als Kur brauchen mußte, Ziegler's " Asia-
tische Banise", Schnabel's "Jnsel Felsenburg" u. s. w.

Als der Diakonus seine beiden Schüler nicht selbst
weiter unterrichten konnte, übergab er sie dem Cantor
Bamler, einem tüchtigen Schüler Ernesti's, der ein sehr
gründlicher und zugleich außerordentlich strenger Lehrer
war. Die hallische griechische Grammatik mußte auf
[Ende Spaltensatz]

Das Pfennig=Magazin
für
Belehrung und Unterhaltung.


Nr. 12. ] Neue Folge. Erster Jahrgang. [ 25. März 1843.


Karl August Böttiger.
[Abbildung]
[Beginn Spaltensatz]

Dieser in der Ferne und Nähe vielfach bewunderte, von
Einzelnen verkannte und angefeindete, von Vielen ver-
ehrte und geliebte Mann, welcher 50 Jahre lang in
den vordersten Reihen einer reichen und ehrenvollen Um-
gebung lebte und wirkte, wurde am 8. Juni 1760 in
dem kleinen voigtländischen Städtchen Reichenbach gebo-
ren. Sein Vater war Conrector an der Stadtschule
und hatte sich am 12. Juli 1759 mit der Stieftochter
eines Doctor Wendler verheirathet. Dieser wackere Mann
prophezeite seiner Stieftochter im Scherz aus dem Um-
stande, daß sie ihr erstes Kind in einer Schulwohnung
bekommen, es werde gewiß einmal ein tüchtiger Schul-
mann werden. Diese Prophezeiung traf dergestalt ein,
daß noch 70 Jahre darauf das Kind den Juvenal und
Homer erklärte.

Der Vater Böttiger's wurde bald darauf Diakonus
im Städtchen Elsterberg. Hier unterrichtete er anfangs
[Spaltenumbruch] seinen Sohn selbst zugleich mit dem nur um3 1 / 2 Jahre
ältern Sohne des Oberpfarrers Döring, dem später
ebenfalls so berühmt gewordenen Philologen, der dem
gothaer Gymnasium eine so große Berühmtheit verschafft
hat. So talentreich beide Studiengenossen waren, so
hatten sie doch ganz verschiedene Neigungen; während
Döring jeden freien Augenblick benutzte, auf die Bäume
zu klettern und den Vögeln nachzustellen, kroch Böttiger
auf den Häuserböden des Städtchens herum, um Bü-
cher aufzusuchen oder las, die Ziege hütend, deren Mol-
ken der Vater als Kur brauchen mußte, Ziegler's „ Asia-
tische Banise“, Schnabel's „Jnsel Felsenburg“ u. s. w.

Als der Diakonus seine beiden Schüler nicht selbst
weiter unterrichten konnte, übergab er sie dem Cantor
Bamler, einem tüchtigen Schüler Ernesti's, der ein sehr
gründlicher und zugleich außerordentlich strenger Lehrer
war. Die hallische griechische Grammatik mußte auf
[Ende Spaltensatz]

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[[89]/0001] Das Pfennig=Magazin für Belehrung und Unterhaltung. Nr. 12. ] Neue Folge. Erster Jahrgang. [ 25. März 1843. Karl August Böttiger. [Abbildung] Dieser in der Ferne und Nähe vielfach bewunderte, von Einzelnen verkannte und angefeindete, von Vielen ver- ehrte und geliebte Mann, welcher 50 Jahre lang in den vordersten Reihen einer reichen und ehrenvollen Um- gebung lebte und wirkte, wurde am 8. Juni 1760 in dem kleinen voigtländischen Städtchen Reichenbach gebo- ren. Sein Vater war Conrector an der Stadtschule und hatte sich am 12. Juli 1759 mit der Stieftochter eines Doctor Wendler verheirathet. Dieser wackere Mann prophezeite seiner Stieftochter im Scherz aus dem Um- stande, daß sie ihr erstes Kind in einer Schulwohnung bekommen, es werde gewiß einmal ein tüchtiger Schul- mann werden. Diese Prophezeiung traf dergestalt ein, daß noch 70 Jahre darauf das Kind den Juvenal und Homer erklärte. Der Vater Böttiger's wurde bald darauf Diakonus im Städtchen Elsterberg. Hier unterrichtete er anfangs seinen Sohn selbst zugleich mit dem nur um3 1 / 2 Jahre ältern Sohne des Oberpfarrers Döring, dem später ebenfalls so berühmt gewordenen Philologen, der dem gothaer Gymnasium eine so große Berühmtheit verschafft hat. So talentreich beide Studiengenossen waren, so hatten sie doch ganz verschiedene Neigungen; während Döring jeden freien Augenblick benutzte, auf die Bäume zu klettern und den Vögeln nachzustellen, kroch Böttiger auf den Häuserböden des Städtchens herum, um Bü- cher aufzusuchen oder las, die Ziege hütend, deren Mol- ken der Vater als Kur brauchen mußte, Ziegler's „ Asia- tische Banise“, Schnabel's „Jnsel Felsenburg“ u. s. w. Als der Diakonus seine beiden Schüler nicht selbst weiter unterrichten konnte, übergab er sie dem Cantor Bamler, einem tüchtigen Schüler Ernesti's, der ein sehr gründlicher und zugleich außerordentlich strenger Lehrer war. Die hallische griechische Grammatik mußte auf

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Zitationshilfe: Das Pfennig=Magazin für Belehrung und Unterhaltung. Neue Folge, Erster Jahrgang, Nr. 12. Leipzig (Sachsen), 25. März 1843, S. [89]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_pfennig012_1843/1>, abgerufen am 17.05.2024.