Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Das wohlfeilste Panorama des Universums. Nr. 14. Prag, 1836.

Bild:
<< vorherige Seite

Panorama des Universums.
[Beginn Spaltensatz] Folge jenes Lasters, sind ebenfalls Gegenstände, die
Unordnungen in einer Stadt erzeugen müssen, deren
Bevölkerung so zahlreich ist. Sechs tausend verdäch-
tige Wirthshäuser nehmen die niedere Klasse auf,
welche dem Trunke nnd andern Lastern ergeben ist,
und an diesen Orten selbst werden Diebstähle mit
solcher Kühnheit ausgeführet, daß, nach der Aussage
der Schenkwirthe vor der Kammer der Gemeinen,
sie jedes Jahr etnen Verlust von 100,000 Pfund
Sterling bloß an Zinngeschirren erleiden. Das
Parlament, dessen Aufmerksamkeit durch so viele
Thatsachen erreget wurde, die gegen die Polizei der
Hauptstadt zeugen, hat eine Untersuchung der Mittel
zur Abhilfe angeordnet, und der Bericht, der dem-
selben erstattet wurde, ist merkwürdig wegen seines
Schlußes, der deutlich beweiset, bis auf welchen
Punkt der Name Freiheit bei dem englischen Volke
gehet. Man gestehet in diesem Berichte zu, daß die
Polizei von London große Mängel habe, und daß
es möglich wäre, deren System bedeutend zu ver-
bessern; doch gibt man zugleich zu bedenken, wie
man seine Zuflucht zu Mitteln nehmen müßte, welche
ein freies Volk nicht annehmen kann, man glaube
daher, daß Gesetze, auf die Vernunft gegründet,
sittliche und erleuchtete Obrigkeiten und wohlgewählte
Unterbeamte hinreichen würden, um die Ordnung in
einer frei verwalteten Stadt aufrecht zu erhalten.

    D.



Die Zauberer der Schamanen und
Kamtschadalen.

Die zahlreichste Sekte unter den Bewohnern Sibi-
riens sind die Schamanen. Sie glauben an ein
höchstes Wesen, haben aber von diesem sehr verwirrte
Begriffe; sie verehren auch geistige Wesen, oder
untere Gottheiten, deren Vermittelung und Beistand
in ihren Augen von größter Wirksamkeit ist.

Jhre Religionsdiener sind elende Gaukler, deren
Gelehrsamkeit sich auf eine vorgebliche Fähigkeit,
künftige Dinge zu weissagen, beschränket.

Sie citiren Geister mittelst Trommeln, Schellen
und andern lärmenden Jnstrumenten.

Auch Zauberer treiben ihr schreckliches Hand-
werk. Der Mann ist fast römisch gekleidet, mit
einer Sturmhaube, mit Halbstiefeln und mit einem
Mantel, fast wie man sie an antiken Statuen sieht.
An einem seiner Schenkel hängt eine Klingel, an
der linken Seite ein Bund Schlüssel, mit dem Kno-
chen eines Todten schlägt er an eine Trommel, die
zuweilen ausgekerbt und drei Schuh lang ist Das
Weib oder die Gefährtin des Zauberers bedient sich
des Kiefers irgend eines Thieres, um dieses angeb-
lich höllische Jnstrument zu schlagen. Jhr Kopfputz
ist mit Hirschgeweihen oder Rennthierhörnern ver-
ziert. Rückwärts am Kopfe hat sie ein Glöckchen,
das sie unter schrecklichen Verzuckungen beständig in
Bewegung setzt.

Man schreibt der magischen Trommel die größte
Kraft zu, Geister zu bannen. Mehrere Schamanen
gebrauchen statt der Trommel zwei Wünschelruthen,
die drei Schuh lang sind und woran Götzenbilder
befestiget werden.

Die kamtschadalischen Zauberer sind in ihrer
Kunst eben so geschickt als jene der Schamanen.
Sie haben eine groteske Tracht, die aus Pelzwerk
[Spaltenumbruch] besteht, eine Mütze, die man für den Flügelhut
Merkurs ansehen könnte, und ein unförmiges Gö-
tzenbild, das mit Glocken und Schellen umgeben ist.
Die Zahl der Götzendiener mindert sich zwar täglich,
allein die Leute, die sich zum Christenthume bekehren,
legen doch ihren Aberglauben nicht ganz ab. Zu-
weilen haben die Zauberer Rennthierhörner als
Kopfschmuck, und Glöckchen als Ohrgehänge, und
mit dem Schenkelbein oder mit der Kinnbacke eines
vierfüßigen Thieres schlagen sie ihre Zaubertrommel.
Eine ähnliche Kleidung ist auch bei den Jakuten,
einer andern sibirischen Nation, üblich. Diese letztern
haben weite mit Frangen und Schnüren gezierte
Röcke und antike Halbstiefeln.



Letzte Worte und Gedanken ausgezeichneter
Menschen.

Mylord Chesterfield wurde einige Tage vor
seinem Tode von einer schönen Dame besucht. Als
sie ihn in einem gefährlichen Zustande antraf, rief
sie erschreckt aus: "Ach, ich bin so kalt wie der
Tod!" -- "Wenn das ist, schöne Frau," entgegnete
lächelnd der Kranke, "so werde ich ihn nicht scheuen!"



Der Pater Bouhors, der sich immer mit
grammatischen Kleinigkeiten beschäftigte, sagte auf
seinem Sterbebette: "Es nahet sich das Ende meines
Lebens, und ich nahe mich dem Ende meines Lebens.
Beides kann man sagen."



Als der Ritter Bayard durch des tapfern
Connetable von Bourbon Truppen eine tödtliche
Wunde erhielt, ließ er sich mit dem Gesicht dem
Feinde zugekehrt, unter einen Baum setzen, hielt sei-
nen Degen, statt eines Kreuzes in die Höh' und er-
wartete in dieser würdigen Stellung seinen Tod.
Der seinem Könige untreue Bourbon traf ihn in
diesem Zustande an, und bezeugte ihm seine Betrüb-
niß. "Haben Sie nicht Mitleid mit mit," rief der
sterbende Held, "ich sterbe, wie es einem Manne
von Ehre geziemt, in der Erfüllung meiner Pflichten,
aber der ist ein Gegenstand des Mitleids, der gegen
seinen König, sein Vaterland und seinen Eid ficht!"



Der französische General Marceau, kaum 27
Jahre alt, zeichnete sich unter Jourdan aus, und
wurde von einem Tyroler = Jäger in Deutschland
tödtlich verwundet. Man brachte ihn nach Altkirch,
wo er nach 5 Tagen starb. An seinem Lager ver-
gaßen Oesterreicher und Franzosen, daß sie seine
Feinde waren. Der kaiserliche General Kray ver-
goß Thränen über ihn. "Brüder," sagte der ster-
bende Held, "warum weint Jhr? Jch sterbe für das
Vaterland. General! Jch empfehle Jhnen die Mei-
nigen!" Jourdan erfüllte das Vermächtniß.



Susanna von Suza sagte auf ihrem Sterbe-
bette: "Großer Gott! ich bringe dir vier Dinge, die
du nicht hast: das Vergängliche, Gebrechliche, Fehler
und Reue."



[Ende Spaltensatz]

Panorama des Universums.
[Beginn Spaltensatz] Folge jenes Lasters, sind ebenfalls Gegenstände, die
Unordnungen in einer Stadt erzeugen müssen, deren
Bevölkerung so zahlreich ist. Sechs tausend verdäch-
tige Wirthshäuser nehmen die niedere Klasse auf,
welche dem Trunke nnd andern Lastern ergeben ist,
und an diesen Orten selbst werden Diebstähle mit
solcher Kühnheit ausgeführet, daß, nach der Aussage
der Schenkwirthe vor der Kammer der Gemeinen,
sie jedes Jahr etnen Verlust von 100,000 Pfund
Sterling bloß an Zinngeschirren erleiden. Das
Parlament, dessen Aufmerksamkeit durch so viele
Thatsachen erreget wurde, die gegen die Polizei der
Hauptstadt zeugen, hat eine Untersuchung der Mittel
zur Abhilfe angeordnet, und der Bericht, der dem-
selben erstattet wurde, ist merkwürdig wegen seines
Schlußes, der deutlich beweiset, bis auf welchen
Punkt der Name Freiheit bei dem englischen Volke
gehet. Man gestehet in diesem Berichte zu, daß die
Polizei von London große Mängel habe, und daß
es möglich wäre, deren System bedeutend zu ver-
bessern; doch gibt man zugleich zu bedenken, wie
man seine Zuflucht zu Mitteln nehmen müßte, welche
ein freies Volk nicht annehmen kann, man glaube
daher, daß Gesetze, auf die Vernunft gegründet,
sittliche und erleuchtete Obrigkeiten und wohlgewählte
Unterbeamte hinreichen würden, um die Ordnung in
einer frei verwalteten Stadt aufrecht zu erhalten.

    D.



Die Zauberer der Schamanen und
Kamtschadalen.

Die zahlreichste Sekte unter den Bewohnern Sibi-
riens sind die Schamanen. Sie glauben an ein
höchstes Wesen, haben aber von diesem sehr verwirrte
Begriffe; sie verehren auch geistige Wesen, oder
untere Gottheiten, deren Vermittelung und Beistand
in ihren Augen von größter Wirksamkeit ist.

Jhre Religionsdiener sind elende Gaukler, deren
Gelehrsamkeit sich auf eine vorgebliche Fähigkeit,
künftige Dinge zu weissagen, beschränket.

Sie citiren Geister mittelst Trommeln, Schellen
und andern lärmenden Jnstrumenten.

Auch Zauberer treiben ihr schreckliches Hand-
werk. Der Mann ist fast römisch gekleidet, mit
einer Sturmhaube, mit Halbstiefeln und mit einem
Mantel, fast wie man sie an antiken Statuen sieht.
An einem seiner Schenkel hängt eine Klingel, an
der linken Seite ein Bund Schlüssel, mit dem Kno-
chen eines Todten schlägt er an eine Trommel, die
zuweilen ausgekerbt und drei Schuh lang ist Das
Weib oder die Gefährtin des Zauberers bedient sich
des Kiefers irgend eines Thieres, um dieses angeb-
lich höllische Jnstrument zu schlagen. Jhr Kopfputz
ist mit Hirschgeweihen oder Rennthierhörnern ver-
ziert. Rückwärts am Kopfe hat sie ein Glöckchen,
das sie unter schrecklichen Verzuckungen beständig in
Bewegung setzt.

Man schreibt der magischen Trommel die größte
Kraft zu, Geister zu bannen. Mehrere Schamanen
gebrauchen statt der Trommel zwei Wünschelruthen,
die drei Schuh lang sind und woran Götzenbilder
befestiget werden.

Die kamtschadalischen Zauberer sind in ihrer
Kunst eben so geschickt als jene der Schamanen.
Sie haben eine groteske Tracht, die aus Pelzwerk
[Spaltenumbruch] besteht, eine Mütze, die man für den Flügelhut
Merkurs ansehen könnte, und ein unförmiges Gö-
tzenbild, das mit Glocken und Schellen umgeben ist.
Die Zahl der Götzendiener mindert sich zwar täglich,
allein die Leute, die sich zum Christenthume bekehren,
legen doch ihren Aberglauben nicht ganz ab. Zu-
weilen haben die Zauberer Rennthierhörner als
Kopfschmuck, und Glöckchen als Ohrgehänge, und
mit dem Schenkelbein oder mit der Kinnbacke eines
vierfüßigen Thieres schlagen sie ihre Zaubertrommel.
Eine ähnliche Kleidung ist auch bei den Jakuten,
einer andern sibirischen Nation, üblich. Diese letztern
haben weite mit Frangen und Schnüren gezierte
Röcke und antike Halbstiefeln.



Letzte Worte und Gedanken ausgezeichneter
Menschen.

Mylord Chesterfield wurde einige Tage vor
seinem Tode von einer schönen Dame besucht. Als
sie ihn in einem gefährlichen Zustande antraf, rief
sie erschreckt aus: „Ach, ich bin so kalt wie der
Tod!“ — „Wenn das ist, schöne Frau,“ entgegnete
lächelnd der Kranke, „so werde ich ihn nicht scheuen!“



Der Pater Bouhors, der sich immer mit
grammatischen Kleinigkeiten beschäftigte, sagte auf
seinem Sterbebette: „Es nahet sich das Ende meines
Lebens, und ich nahe mich dem Ende meines Lebens.
Beides kann man sagen.“



Als der Ritter Bayard durch des tapfern
Connetable von Bourbon Truppen eine tödtliche
Wunde erhielt, ließ er sich mit dem Gesicht dem
Feinde zugekehrt, unter einen Baum setzen, hielt sei-
nen Degen, statt eines Kreuzes in die Höh' und er-
wartete in dieser würdigen Stellung seinen Tod.
Der seinem Könige untreue Bourbon traf ihn in
diesem Zustande an, und bezeugte ihm seine Betrüb-
niß. „Haben Sie nicht Mitleid mit mit,“ rief der
sterbende Held, „ich sterbe, wie es einem Manne
von Ehre geziemt, in der Erfüllung meiner Pflichten,
aber der ist ein Gegenstand des Mitleids, der gegen
seinen König, sein Vaterland und seinen Eid ficht!“



Der französische General Marceau, kaum 27
Jahre alt, zeichnete sich unter Jourdan aus, und
wurde von einem Tyroler = Jäger in Deutschland
tödtlich verwundet. Man brachte ihn nach Altkirch,
wo er nach 5 Tagen starb. An seinem Lager ver-
gaßen Oesterreicher und Franzosen, daß sie seine
Feinde waren. Der kaiserliche General Kray ver-
goß Thränen über ihn. „Brüder,“ sagte der ster-
bende Held, „warum weint Jhr? Jch sterbe für das
Vaterland. General! Jch empfehle Jhnen die Mei-
nigen!“ Jourdan erfüllte das Vermächtniß.



Susanna von Suza sagte auf ihrem Sterbe-
bette: „Großer Gott! ich bringe dir vier Dinge, die
du nicht hast: das Vergängliche, Gebrechliche, Fehler
und Reue.“



[Ende Spaltensatz]
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="jArticle" n="1">
        <p><pb facs="#f0003" n="107"/><fw type="header" place="top"><hi rendition="#g">Panorama des Universums.</hi></fw><cb type="start"/>
Folge jenes Lasters, sind ebenfalls Gegenstände, die<lb/>
Unordnungen in einer Stadt erzeugen müssen, deren<lb/>
Bevölkerung so zahlreich ist. Sechs tausend verdäch-<lb/>
tige Wirthshäuser nehmen die niedere Klasse auf,<lb/>
welche dem Trunke nnd andern Lastern ergeben ist,<lb/>
und an diesen Orten selbst werden Diebstähle mit<lb/>
solcher Kühnheit ausgeführet, daß, nach der Aussage<lb/>
der Schenkwirthe vor der Kammer der Gemeinen,<lb/>
sie jedes Jahr etnen Verlust von 100,000 Pfund<lb/>
Sterling bloß an Zinngeschirren erleiden. Das<lb/>
Parlament, dessen Aufmerksamkeit durch so viele<lb/>
Thatsachen erreget wurde, die gegen die Polizei der<lb/>
Hauptstadt zeugen, hat eine Untersuchung der Mittel<lb/>
zur Abhilfe angeordnet, und der Bericht, der dem-<lb/>
selben erstattet wurde, ist merkwürdig wegen seines<lb/>
Schlußes, der deutlich beweiset, bis auf welchen<lb/>
Punkt der Name Freiheit bei dem englischen Volke<lb/>
gehet. Man gestehet in diesem Berichte zu, daß die<lb/>
Polizei von <hi rendition="#g">London</hi> große Mängel habe, und daß<lb/>
es möglich wäre, deren System bedeutend zu ver-<lb/>
bessern; doch gibt man zugleich zu bedenken, wie<lb/>
man seine Zuflucht zu Mitteln nehmen müßte, welche<lb/>
ein freies Volk nicht annehmen kann, man glaube<lb/>
daher, daß Gesetze, auf die Vernunft gegründet,<lb/>
sittliche und erleuchtete Obrigkeiten und wohlgewählte<lb/>
Unterbeamte hinreichen würden, um die Ordnung in<lb/>
einer frei verwalteten Stadt aufrecht zu erhalten.</p><lb/>
        <p><space dim="horizontal"/>  D.</p>
      </div><lb/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
      <div type="jArticle" n="1">
        <head> <hi rendition="#fr">Die Zauberer der Schamanen und</hi><lb/> <hi rendition="#g">Kamtschadalen.</hi> </head><lb/>
        <p>Die zahlreichste Sekte unter den Bewohnern Sibi-<lb/>
riens sind die Schamanen. Sie glauben an ein<lb/>
höchstes Wesen, haben aber von diesem sehr verwirrte<lb/>
Begriffe; sie verehren auch geistige Wesen, oder<lb/>
untere Gottheiten, deren Vermittelung und Beistand<lb/>
in ihren Augen von größter Wirksamkeit ist.</p><lb/>
        <p>Jhre Religionsdiener sind elende Gaukler, deren<lb/>
Gelehrsamkeit sich auf eine vorgebliche Fähigkeit,<lb/>
künftige Dinge zu weissagen, beschränket.</p><lb/>
        <p>Sie citiren Geister mittelst Trommeln, Schellen<lb/>
und andern lärmenden Jnstrumenten.</p><lb/>
        <p>Auch Zauberer treiben ihr schreckliches Hand-<lb/>
werk. Der Mann ist fast römisch gekleidet, mit<lb/>
einer Sturmhaube, mit Halbstiefeln und mit einem<lb/>
Mantel, fast wie man sie an antiken Statuen sieht.<lb/>
An einem seiner Schenkel hängt eine Klingel, an<lb/>
der linken Seite ein Bund Schlüssel, mit dem Kno-<lb/>
chen eines Todten schlägt er an eine Trommel, die<lb/>
zuweilen ausgekerbt und drei Schuh lang ist Das<lb/>
Weib oder die Gefährtin des Zauberers bedient sich<lb/>
des Kiefers irgend eines Thieres, um dieses angeb-<lb/>
lich höllische Jnstrument zu schlagen. Jhr Kopfputz<lb/>
ist mit Hirschgeweihen oder Rennthierhörnern ver-<lb/>
ziert. Rückwärts am Kopfe hat sie ein Glöckchen,<lb/>
das sie unter schrecklichen Verzuckungen beständig in<lb/>
Bewegung setzt.</p><lb/>
        <p>Man schreibt der magischen Trommel die größte<lb/>
Kraft zu, Geister zu bannen. Mehrere Schamanen<lb/>
gebrauchen statt der Trommel zwei Wünschelruthen,<lb/>
die drei Schuh lang sind und woran Götzenbilder<lb/>
befestiget werden.</p><lb/>
        <p>Die kamtschadalischen Zauberer sind in ihrer<lb/>
Kunst eben so geschickt als jene der Schamanen.<lb/>
Sie haben eine groteske Tracht, die aus Pelzwerk<lb/><cb n="2"/>
besteht, eine Mütze, die man für den Flügelhut<lb/><hi rendition="#g">Merkurs</hi> ansehen könnte, und ein unförmiges Gö-<lb/>
tzenbild, das mit Glocken und Schellen umgeben ist.<lb/>
Die Zahl der Götzendiener mindert sich zwar täglich,<lb/>
allein die Leute, die sich zum Christenthume bekehren,<lb/>
legen doch ihren Aberglauben nicht ganz ab. Zu-<lb/>
weilen haben die Zauberer Rennthierhörner als<lb/>
Kopfschmuck, und Glöckchen als Ohrgehänge, und<lb/>
mit dem Schenkelbein oder mit der Kinnbacke eines<lb/>
vierfüßigen Thieres schlagen sie ihre Zaubertrommel.<lb/>
Eine ähnliche Kleidung ist auch bei den Jakuten,<lb/>
einer andern sibirischen Nation, üblich. Diese letztern<lb/>
haben weite mit Frangen und Schnüren gezierte<lb/>
Röcke und antike Halbstiefeln.</p>
      </div><lb/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
      <div type="jArticle" n="1">
        <head> <hi rendition="#fr">Letzte Worte und Gedanken ausgezeichneter</hi><lb/> <hi rendition="#g">Menschen.</hi> </head><lb/>
        <div n="2">
          <p>Mylord <hi rendition="#g">Chesterfield</hi> wurde einige Tage vor<lb/>
seinem Tode von einer schönen Dame besucht. Als<lb/>
sie ihn in einem gefährlichen Zustande antraf, rief<lb/>
sie erschreckt aus: &#x201E;Ach, ich bin so kalt wie der<lb/>
Tod!&#x201C; &#x2014; &#x201E;Wenn das ist, schöne Frau,&#x201C; entgegnete<lb/>
lächelnd der Kranke, &#x201E;so werde ich ihn nicht scheuen!&#x201C;</p>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <div n="2">
          <p>Der Pater <hi rendition="#g">Bouhors,</hi> der sich immer mit<lb/>
grammatischen Kleinigkeiten beschäftigte, sagte auf<lb/>
seinem Sterbebette: &#x201E;Es nahet sich das Ende meines<lb/>
Lebens, und ich nahe mich dem Ende meines Lebens.<lb/>
Beides kann man sagen.&#x201C;</p>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <div n="2">
          <p>Als der Ritter <hi rendition="#g">Bayard</hi> durch des tapfern<lb/>
Connetable von <hi rendition="#g">Bourbon</hi> Truppen eine tödtliche<lb/>
Wunde erhielt, ließ er sich mit dem Gesicht dem<lb/>
Feinde zugekehrt, unter einen Baum setzen, hielt sei-<lb/>
nen Degen, statt eines Kreuzes in die Höh' und er-<lb/>
wartete in dieser würdigen Stellung seinen Tod.<lb/>
Der seinem Könige untreue <hi rendition="#g">Bourbon</hi> traf ihn in<lb/>
diesem Zustande an, und bezeugte ihm seine Betrüb-<lb/>
niß. &#x201E;Haben Sie nicht Mitleid mit mit,&#x201C; rief der<lb/>
sterbende Held, &#x201E;ich sterbe, wie es einem Manne<lb/>
von Ehre geziemt, in der Erfüllung meiner Pflichten,<lb/>
aber der ist ein Gegenstand des Mitleids, der gegen<lb/>
seinen König, sein Vaterland und seinen Eid ficht!&#x201C;</p>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <div type="jArticle" n="2">
          <p>Der französische General <hi rendition="#g">Marceau,</hi> kaum 27<lb/>
Jahre alt, zeichnete sich unter <hi rendition="#g">Jourdan</hi> aus, und<lb/>
wurde von einem Tyroler = Jäger in Deutschland<lb/>
tödtlich verwundet. Man brachte ihn nach <hi rendition="#g">Altkirch,</hi><lb/>
wo er nach 5 Tagen starb. An seinem Lager ver-<lb/>
gaßen Oesterreicher und Franzosen, daß sie seine<lb/>
Feinde waren. Der kaiserliche General <hi rendition="#g">Kray</hi> ver-<lb/>
goß Thränen über ihn. &#x201E;Brüder,&#x201C; sagte der ster-<lb/>
bende Held, &#x201E;warum weint Jhr? Jch sterbe für das<lb/>
Vaterland. General! Jch empfehle Jhnen die Mei-<lb/>
nigen!&#x201C; <hi rendition="#g">Jourdan</hi> erfüllte das Vermächtniß.</p>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <div n="2">
          <p><hi rendition="#g">Susanna von Suza</hi> sagte auf ihrem Sterbe-<lb/>
bette: &#x201E;Großer Gott! ich bringe dir vier Dinge, die<lb/>
du nicht hast: das Vergängliche, Gebrechliche, Fehler<lb/>
und Reue.&#x201C;</p>
        </div>
      </div><lb/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
      <cb type="end"/>
    </body>
  </text>
</TEI>
[107/0003] Panorama des Universums. Folge jenes Lasters, sind ebenfalls Gegenstände, die Unordnungen in einer Stadt erzeugen müssen, deren Bevölkerung so zahlreich ist. Sechs tausend verdäch- tige Wirthshäuser nehmen die niedere Klasse auf, welche dem Trunke nnd andern Lastern ergeben ist, und an diesen Orten selbst werden Diebstähle mit solcher Kühnheit ausgeführet, daß, nach der Aussage der Schenkwirthe vor der Kammer der Gemeinen, sie jedes Jahr etnen Verlust von 100,000 Pfund Sterling bloß an Zinngeschirren erleiden. Das Parlament, dessen Aufmerksamkeit durch so viele Thatsachen erreget wurde, die gegen die Polizei der Hauptstadt zeugen, hat eine Untersuchung der Mittel zur Abhilfe angeordnet, und der Bericht, der dem- selben erstattet wurde, ist merkwürdig wegen seines Schlußes, der deutlich beweiset, bis auf welchen Punkt der Name Freiheit bei dem englischen Volke gehet. Man gestehet in diesem Berichte zu, daß die Polizei von London große Mängel habe, und daß es möglich wäre, deren System bedeutend zu ver- bessern; doch gibt man zugleich zu bedenken, wie man seine Zuflucht zu Mitteln nehmen müßte, welche ein freies Volk nicht annehmen kann, man glaube daher, daß Gesetze, auf die Vernunft gegründet, sittliche und erleuchtete Obrigkeiten und wohlgewählte Unterbeamte hinreichen würden, um die Ordnung in einer frei verwalteten Stadt aufrecht zu erhalten. D. Die Zauberer der Schamanen und Kamtschadalen. Die zahlreichste Sekte unter den Bewohnern Sibi- riens sind die Schamanen. Sie glauben an ein höchstes Wesen, haben aber von diesem sehr verwirrte Begriffe; sie verehren auch geistige Wesen, oder untere Gottheiten, deren Vermittelung und Beistand in ihren Augen von größter Wirksamkeit ist. Jhre Religionsdiener sind elende Gaukler, deren Gelehrsamkeit sich auf eine vorgebliche Fähigkeit, künftige Dinge zu weissagen, beschränket. Sie citiren Geister mittelst Trommeln, Schellen und andern lärmenden Jnstrumenten. Auch Zauberer treiben ihr schreckliches Hand- werk. Der Mann ist fast römisch gekleidet, mit einer Sturmhaube, mit Halbstiefeln und mit einem Mantel, fast wie man sie an antiken Statuen sieht. An einem seiner Schenkel hängt eine Klingel, an der linken Seite ein Bund Schlüssel, mit dem Kno- chen eines Todten schlägt er an eine Trommel, die zuweilen ausgekerbt und drei Schuh lang ist Das Weib oder die Gefährtin des Zauberers bedient sich des Kiefers irgend eines Thieres, um dieses angeb- lich höllische Jnstrument zu schlagen. Jhr Kopfputz ist mit Hirschgeweihen oder Rennthierhörnern ver- ziert. Rückwärts am Kopfe hat sie ein Glöckchen, das sie unter schrecklichen Verzuckungen beständig in Bewegung setzt. Man schreibt der magischen Trommel die größte Kraft zu, Geister zu bannen. Mehrere Schamanen gebrauchen statt der Trommel zwei Wünschelruthen, die drei Schuh lang sind und woran Götzenbilder befestiget werden. Die kamtschadalischen Zauberer sind in ihrer Kunst eben so geschickt als jene der Schamanen. Sie haben eine groteske Tracht, die aus Pelzwerk besteht, eine Mütze, die man für den Flügelhut Merkurs ansehen könnte, und ein unförmiges Gö- tzenbild, das mit Glocken und Schellen umgeben ist. Die Zahl der Götzendiener mindert sich zwar täglich, allein die Leute, die sich zum Christenthume bekehren, legen doch ihren Aberglauben nicht ganz ab. Zu- weilen haben die Zauberer Rennthierhörner als Kopfschmuck, und Glöckchen als Ohrgehänge, und mit dem Schenkelbein oder mit der Kinnbacke eines vierfüßigen Thieres schlagen sie ihre Zaubertrommel. Eine ähnliche Kleidung ist auch bei den Jakuten, einer andern sibirischen Nation, üblich. Diese letztern haben weite mit Frangen und Schnüren gezierte Röcke und antike Halbstiefeln. Letzte Worte und Gedanken ausgezeichneter Menschen. Mylord Chesterfield wurde einige Tage vor seinem Tode von einer schönen Dame besucht. Als sie ihn in einem gefährlichen Zustande antraf, rief sie erschreckt aus: „Ach, ich bin so kalt wie der Tod!“ — „Wenn das ist, schöne Frau,“ entgegnete lächelnd der Kranke, „so werde ich ihn nicht scheuen!“ Der Pater Bouhors, der sich immer mit grammatischen Kleinigkeiten beschäftigte, sagte auf seinem Sterbebette: „Es nahet sich das Ende meines Lebens, und ich nahe mich dem Ende meines Lebens. Beides kann man sagen.“ Als der Ritter Bayard durch des tapfern Connetable von Bourbon Truppen eine tödtliche Wunde erhielt, ließ er sich mit dem Gesicht dem Feinde zugekehrt, unter einen Baum setzen, hielt sei- nen Degen, statt eines Kreuzes in die Höh' und er- wartete in dieser würdigen Stellung seinen Tod. Der seinem Könige untreue Bourbon traf ihn in diesem Zustande an, und bezeugte ihm seine Betrüb- niß. „Haben Sie nicht Mitleid mit mit,“ rief der sterbende Held, „ich sterbe, wie es einem Manne von Ehre geziemt, in der Erfüllung meiner Pflichten, aber der ist ein Gegenstand des Mitleids, der gegen seinen König, sein Vaterland und seinen Eid ficht!“ Der französische General Marceau, kaum 27 Jahre alt, zeichnete sich unter Jourdan aus, und wurde von einem Tyroler = Jäger in Deutschland tödtlich verwundet. Man brachte ihn nach Altkirch, wo er nach 5 Tagen starb. An seinem Lager ver- gaßen Oesterreicher und Franzosen, daß sie seine Feinde waren. Der kaiserliche General Kray ver- goß Thränen über ihn. „Brüder,“ sagte der ster- bende Held, „warum weint Jhr? Jch sterbe für das Vaterland. General! Jch empfehle Jhnen die Mei- nigen!“ Jourdan erfüllte das Vermächtniß. Susanna von Suza sagte auf ihrem Sterbe- bette: „Großer Gott! ich bringe dir vier Dinge, die du nicht hast: das Vergängliche, Gebrechliche, Fehler und Reue.“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Peter Fankhauser: Automatische Transformation von TUSTEP nach TEI P5 (DTA-Basisformat).
Deutsches Textarchiv: Metadatenerfassung
Institut für Deutsche Sprache, Mannheim: Bereitstellung der Bilddigitalisate und Volltext-Transkription
Susanne Haaf, Rahel Hartz, Nicole Postelt: Nachkorrektur und Vervollständigung der TEI/DTABf-Annotation
Rahel Hartz: Artikelstrukturierung

Weitere Informationen:

Dieser Text wurde aus dem TUSTEP-Format nach TEI-P5 konvertiert und anschließend in das DTA-Basisformat überführt.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_panorama14_1836
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_panorama14_1836/3
Zitationshilfe: Das wohlfeilste Panorama des Universums. Nr. 14. Prag, 1836, S. 107. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_panorama14_1836/3>, abgerufen am 24.08.2024.