Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Das wohlfeilste Panorama des Universums. Nr. 13. Prag, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

Panorama des Universums.
[Beginn Spaltensatz] mit Voltaire, welchen er ausnehmend schätzte.
Hier hatte Friedrich die 6 glücklichsten Jahre sei-
nes Lebens hingebracht, und mehrere Schriften, unter
andern seinen " Anti-Macchiavell " vollendet, als der
Tod seines Vaters ihn aus der glücklichen Ruhe riß,
die er zu Rheinsberg genoß.

FriedrichII. bestieg den Thron, und schien
plötzlich ganz umgewandelt. Er beschäftigte sich un-
ausgesetzt mit der Verwaltung seines Reiches, mit
den Finanzen und der Armee. Er fand den Schatz
Friedrich Wilhelms reich begabt, und säumte
nicht, seine Truppenzahl zu vergrößern. Es war
nun leicht vorauszusehen, daß er im Sinne hatte,
als Eroberer aufzutreten, so viel er auch gegen den
Ehrgeiz in seinem Briefwechsel mit den französischen
Gelehrten geeifert hatte. Er gab die Losung zum
Kriege durch die Wegnahme eines Theils von Schle-
sien, auf welchen Preußen seit langer Zeit ein Recht
zu haben behauptete. Am 10. April 1741 lieferte
er seine erste Schlacht bei Molwitz, und verdankte
dem Muthe seines Fußvolkes den Sieg, obschon er
zu einer Zeit, wo er der tapferste Soldat seines
Heeres geworden, und in die Reihe der ersten Feld-
herren aller Zeiten eingetreten war, offen gestand, er
habe in jener Schlacht Furcht empfunden.

Der Raum dieser Blätter erlaubt uns nicht,
eine Geschichte seiner Feldzüge, eine Entwicklung der
königlichen Thaten zu liefern, durch welche er Preu-
ßens Größe gegründet hat; wir müssen uns begnü-
gen zu erwähnen, daß er während seiner mehr als
46jährigen ruhmvollen Regierung immer im höchsten
Sinne des Wortes der Mann des Volkes war. Er
lebte ganz eigentlich in Mitten seines Volks; Jeder
seines Volkes rühmte sich seiner und trat ihn an,
denn er fand nirgend Schranken zwischen dem Vater
und den Söhnen des Vaterlandes.

Eine unheilbare Wassersucht beförderte den Tod
des großen Königs. Er starb zu Sans=Souci
am 17. August 1786 im 75. Lebens= und im 47. Re-
gierungsjahre, und hinterließ seinem Neffen, Fried-
rich Wilhelm
II. ein um 1325 Quadratmeilen
vermehrtes Reich, einen Schatz von mehr als
70,000,000, ein Heer von 200,000 Mann, einen
Credit bei allen europäischen Mächten, und einen
durch Bevölkerung, Gewerbfleiß, Wohlstand und wis-
senschaftliche Bildung kräftig emporgehobenen Staat.
Friedrichs thatenvolles Leben hatte seine Zeitge-
nossen mit so hoher Achtung erfüllt, daß sie den
Beinamen des Großen zu gering für ihn hielten;
sie nannten ihn den Einzigen.

Jeden Augenblick, welchen Friedrich die Sorge
für den Staat übrig ließ, weihte er der Kunst und
Philofophie. Ohne Prunk, ohne Leibgarden sah man
ihn in seinem Pallast von Sans=Souci zurück gezogen,
wo er für Jeden zugänglich und leutselig war, den
Neugierde oder Bewunderung in seine Nähe führte.
Des Abends versammelte er in seinem Gesellschafts-
kreise immer eine Zahl von Männern, die sich durch
Geist und Kenntnisse auszeichneten, und ließ der Un-
terhaltung ganz freien Lauf. Die Philosophen gingen
in ihren Ansichten oft etwas zu weit, und als eines
Abends in dem Salon Friedrichs II. einige
Grundsätze ausgesprochen wurden, die nicht im Ein-
klange mit der Ehrfurcht waren, die man dem Mo-
narchen schuldig ist, unterbrach er den Sprecher mit
den Worten: "Still mein Herr! da kommt der König."

Er stellte die Berliner Akademie der Wissen-
schaften wieder her, die unter Leibnitz's Einfluß
[Spaltenumbruch] gegründet worden war; aber diese Wiederherstellung
hob durch die sonderbare Anordnung, ihre Verhand-
lungen ganz auf die französische Sprache zu beschrän-
ken, zugleich ihre ganze Eigenthümlichkeit auf. Fried-
rich
hatte eine unüberwindliche Verachtung gegen
seine Muttersprache gefaßt, und sprach sie so wenig,
als dieß nur immer möglich war. Gewiß kann dieß
ein großes Unrecht genannt werden, denn ein Monarch
soll vor Allem in der Literatur wie in der Politik
vaterländisch gesinnt seyn, und Friedrichs auffal-
lende und ausschließende Vorliebe für die französische
Sprache und Literatur war ganz dazu geeignet, die
deutschen Gelehrten in Preußen in jedem wissenschaft-
lichen Streben zu entmuthigen. Doch muß hier auch
bemerkt werden, daß die deutschen Musen, als
Friedrich die französische Bildung annahm, eine
kümmerliche Gestalt hatten; Friedrichs Geist konnte
sich in dieser Armuth, in den abschreckenden Formen
der deutschen Wissenschaft nicht gefallen, und als ein
höherer Geist über diese kam, war der vielbeschäftigte
König in seinem Kreise schon zu einheimisch, als daß
er für jenen noch hätte empfänglich werden können.

Zahllose Schmähschriften wurden über ihn ge-
schrieben, ohne daß er eine derselben gerügt hätte.
Sein Geist war zu stark, um solche Angriffe zu
fürchten, und als er eines Tages aus einem Fenster
seines Pallastes eine Menge von Menschen vor einem
ähnlichen Anschlagzettel versammelt sah, befahl er,
denselben niedriger zu hängen, damit man ihn beque-
mer lesen könne.

Die Hinrichtung seines Freundes Katt hatte
einen so tiefen Eindruck in dem Gemüth des Königs
hinterlassen, daß er in seiner ganzen Regierung kein
Todesurtheil ergehen ließ. Er kannte die Glieder
des Kriegsgerichtes sehr wohl, die ihn auf Befehl
seines Vaters verurtheilt hatten, er wußte die Aeuße-
rungen eines jeden derselben, doch zeigte er ihnen
niemals die geringste Empfindlichkeit, und pflegte
manchmal, um seine ganze Achtung für die Freiheit
des Willens auszusprechen, zu sagen: "Es gibt Leute
in Berlin, die mich zum Tode verurtheilt haben,
aber sie essen in ihrem Hause ganz ruhig zu Mittag."

Friedrich war von mittlerem Wuchse, ging
etwas gebückt, und hing den Kopf auf die rechte
Seite; seine Züge waren ausdrucksvoll, und sein
Blick verrieth die ganze Kraft und Lebhaftigkeit sei-
nes Geistes. Seine Kleidung, immer einfach, war
manchmal sogar vernachläßigt, und seine Gewohnheit,
übermäßig stark Tobak zu schnupfen, verunreinigte
seine Uniform. Jn seinen letzten Lebensjahren pflegte
er ganz angekleidet zu schlafen, als wollte er stets
bereit seyn, das Roß zu besteigen, und bis zu seinem
letzten Augenblicke stand er der Verwaltung seines
Reiches vor, und leitete selbst alle Angelegenheiten.



Der Thee.

Die Handelsgeschichte bietet vielleicht kein ähn-
liches Beispiel dar, daß Umstände so besonderer Art
obgewaltet hätten, als dieß mit der Einführung des
Thees in Großbritannien der Fall war. Dieß
Blatt wurde durch die holländisch ostindische Compag-
nie zuerst nach Europa gebracht zu Anfang des 17ten
Jahrhunderts; aber erst im Jahre 1666 brachten die
Lords Arlington und Ossory eine kleine Quan-
tität davon nach England, und doch war Thee schon
zu einer Zeit, die entfernter liegt, als Menschenge-
[Ende Spaltensatz]

Panorama des Universums.
[Beginn Spaltensatz] mit Voltaire, welchen er ausnehmend schätzte.
Hier hatte Friedrich die 6 glücklichsten Jahre sei-
nes Lebens hingebracht, und mehrere Schriften, unter
andern seinen „ Anti-Macchiavell “ vollendet, als der
Tod seines Vaters ihn aus der glücklichen Ruhe riß,
die er zu Rheinsberg genoß.

FriedrichII. bestieg den Thron, und schien
plötzlich ganz umgewandelt. Er beschäftigte sich un-
ausgesetzt mit der Verwaltung seines Reiches, mit
den Finanzen und der Armee. Er fand den Schatz
Friedrich Wilhelms reich begabt, und säumte
nicht, seine Truppenzahl zu vergrößern. Es war
nun leicht vorauszusehen, daß er im Sinne hatte,
als Eroberer aufzutreten, so viel er auch gegen den
Ehrgeiz in seinem Briefwechsel mit den französischen
Gelehrten geeifert hatte. Er gab die Losung zum
Kriege durch die Wegnahme eines Theils von Schle-
sien, auf welchen Preußen seit langer Zeit ein Recht
zu haben behauptete. Am 10. April 1741 lieferte
er seine erste Schlacht bei Molwitz, und verdankte
dem Muthe seines Fußvolkes den Sieg, obschon er
zu einer Zeit, wo er der tapferste Soldat seines
Heeres geworden, und in die Reihe der ersten Feld-
herren aller Zeiten eingetreten war, offen gestand, er
habe in jener Schlacht Furcht empfunden.

Der Raum dieser Blätter erlaubt uns nicht,
eine Geschichte seiner Feldzüge, eine Entwicklung der
königlichen Thaten zu liefern, durch welche er Preu-
ßens Größe gegründet hat; wir müssen uns begnü-
gen zu erwähnen, daß er während seiner mehr als
46jährigen ruhmvollen Regierung immer im höchsten
Sinne des Wortes der Mann des Volkes war. Er
lebte ganz eigentlich in Mitten seines Volks; Jeder
seines Volkes rühmte sich seiner und trat ihn an,
denn er fand nirgend Schranken zwischen dem Vater
und den Söhnen des Vaterlandes.

Eine unheilbare Wassersucht beförderte den Tod
des großen Königs. Er starb zu Sans=Souci
am 17. August 1786 im 75. Lebens= und im 47. Re-
gierungsjahre, und hinterließ seinem Neffen, Fried-
rich Wilhelm
II. ein um 1325 Quadratmeilen
vermehrtes Reich, einen Schatz von mehr als
70,000,000, ein Heer von 200,000 Mann, einen
Credit bei allen europäischen Mächten, und einen
durch Bevölkerung, Gewerbfleiß, Wohlstand und wis-
senschaftliche Bildung kräftig emporgehobenen Staat.
Friedrichs thatenvolles Leben hatte seine Zeitge-
nossen mit so hoher Achtung erfüllt, daß sie den
Beinamen des Großen zu gering für ihn hielten;
sie nannten ihn den Einzigen.

Jeden Augenblick, welchen Friedrich die Sorge
für den Staat übrig ließ, weihte er der Kunst und
Philofophie. Ohne Prunk, ohne Leibgarden sah man
ihn in seinem Pallast von Sans=Souci zurück gezogen,
wo er für Jeden zugänglich und leutselig war, den
Neugierde oder Bewunderung in seine Nähe führte.
Des Abends versammelte er in seinem Gesellschafts-
kreise immer eine Zahl von Männern, die sich durch
Geist und Kenntnisse auszeichneten, und ließ der Un-
terhaltung ganz freien Lauf. Die Philosophen gingen
in ihren Ansichten oft etwas zu weit, und als eines
Abends in dem Salon Friedrichs II. einige
Grundsätze ausgesprochen wurden, die nicht im Ein-
klange mit der Ehrfurcht waren, die man dem Mo-
narchen schuldig ist, unterbrach er den Sprecher mit
den Worten: „Still mein Herr! da kommt der König.“

Er stellte die Berliner Akademie der Wissen-
schaften wieder her, die unter Leibnitz's Einfluß
[Spaltenumbruch] gegründet worden war; aber diese Wiederherstellung
hob durch die sonderbare Anordnung, ihre Verhand-
lungen ganz auf die französische Sprache zu beschrän-
ken, zugleich ihre ganze Eigenthümlichkeit auf. Fried-
rich
hatte eine unüberwindliche Verachtung gegen
seine Muttersprache gefaßt, und sprach sie so wenig,
als dieß nur immer möglich war. Gewiß kann dieß
ein großes Unrecht genannt werden, denn ein Monarch
soll vor Allem in der Literatur wie in der Politik
vaterländisch gesinnt seyn, und Friedrichs auffal-
lende und ausschließende Vorliebe für die französische
Sprache und Literatur war ganz dazu geeignet, die
deutschen Gelehrten in Preußen in jedem wissenschaft-
lichen Streben zu entmuthigen. Doch muß hier auch
bemerkt werden, daß die deutschen Musen, als
Friedrich die französische Bildung annahm, eine
kümmerliche Gestalt hatten; Friedrichs Geist konnte
sich in dieser Armuth, in den abschreckenden Formen
der deutschen Wissenschaft nicht gefallen, und als ein
höherer Geist über diese kam, war der vielbeschäftigte
König in seinem Kreise schon zu einheimisch, als daß
er für jenen noch hätte empfänglich werden können.

Zahllose Schmähschriften wurden über ihn ge-
schrieben, ohne daß er eine derselben gerügt hätte.
Sein Geist war zu stark, um solche Angriffe zu
fürchten, und als er eines Tages aus einem Fenster
seines Pallastes eine Menge von Menschen vor einem
ähnlichen Anschlagzettel versammelt sah, befahl er,
denselben niedriger zu hängen, damit man ihn beque-
mer lesen könne.

Die Hinrichtung seines Freundes Katt hatte
einen so tiefen Eindruck in dem Gemüth des Königs
hinterlassen, daß er in seiner ganzen Regierung kein
Todesurtheil ergehen ließ. Er kannte die Glieder
des Kriegsgerichtes sehr wohl, die ihn auf Befehl
seines Vaters verurtheilt hatten, er wußte die Aeuße-
rungen eines jeden derselben, doch zeigte er ihnen
niemals die geringste Empfindlichkeit, und pflegte
manchmal, um seine ganze Achtung für die Freiheit
des Willens auszusprechen, zu sagen: „Es gibt Leute
in Berlin, die mich zum Tode verurtheilt haben,
aber sie essen in ihrem Hause ganz ruhig zu Mittag.“

Friedrich war von mittlerem Wuchse, ging
etwas gebückt, und hing den Kopf auf die rechte
Seite; seine Züge waren ausdrucksvoll, und sein
Blick verrieth die ganze Kraft und Lebhaftigkeit sei-
nes Geistes. Seine Kleidung, immer einfach, war
manchmal sogar vernachläßigt, und seine Gewohnheit,
übermäßig stark Tobak zu schnupfen, verunreinigte
seine Uniform. Jn seinen letzten Lebensjahren pflegte
er ganz angekleidet zu schlafen, als wollte er stets
bereit seyn, das Roß zu besteigen, und bis zu seinem
letzten Augenblicke stand er der Verwaltung seines
Reiches vor, und leitete selbst alle Angelegenheiten.



Der Thee.

Die Handelsgeschichte bietet vielleicht kein ähn-
liches Beispiel dar, daß Umstände so besonderer Art
obgewaltet hätten, als dieß mit der Einführung des
Thees in Großbritannien der Fall war. Dieß
Blatt wurde durch die holländisch ostindische Compag-
nie zuerst nach Europa gebracht zu Anfang des 17ten
Jahrhunderts; aber erst im Jahre 1666 brachten die
Lords Arlington und Ossory eine kleine Quan-
tität davon nach England, und doch war Thee schon
zu einer Zeit, die entfernter liegt, als Menschenge-
[Ende Spaltensatz]

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="jArticle" n="1">
        <p><pb facs="#f0006" n="102"/><fw type="header" place="top"><hi rendition="#g">Panorama des Universums.</hi></fw><cb type="start"/>
mit <hi rendition="#g">Voltaire,</hi> welchen er ausnehmend schätzte.<lb/>
Hier hatte <hi rendition="#g">Friedrich</hi> die 6 glücklichsten Jahre sei-<lb/>
nes Lebens hingebracht, und mehrere Schriften, unter<lb/>
andern seinen &#x201E; <hi rendition="#aq">Anti-Macchiavell</hi> &#x201C; vollendet, als der<lb/>
Tod seines Vaters ihn aus der glücklichen Ruhe riß,<lb/>
die er zu <hi rendition="#g">Rheinsberg</hi> genoß.</p><lb/>
        <p><hi rendition="#g">Friedrich</hi><hi rendition="#aq">II</hi>. bestieg den Thron, und schien<lb/>
plötzlich ganz umgewandelt. Er beschäftigte sich un-<lb/>
ausgesetzt mit der Verwaltung seines Reiches, mit<lb/>
den Finanzen und der Armee. Er fand den Schatz<lb/><hi rendition="#g">Friedrich Wilhelms</hi> reich begabt, und säumte<lb/>
nicht, seine Truppenzahl zu vergrößern. Es war<lb/>
nun leicht vorauszusehen, daß er im Sinne hatte,<lb/>
als Eroberer aufzutreten, so viel er auch gegen den<lb/>
Ehrgeiz in seinem Briefwechsel mit den französischen<lb/>
Gelehrten geeifert hatte. Er gab die Losung zum<lb/>
Kriege durch die Wegnahme eines Theils von Schle-<lb/>
sien, auf welchen Preußen seit langer Zeit ein Recht<lb/>
zu haben behauptete. Am 10. April 1741 lieferte<lb/>
er seine erste Schlacht bei <hi rendition="#g">Molwitz,</hi> und verdankte<lb/>
dem Muthe seines Fußvolkes den Sieg, obschon er<lb/>
zu einer Zeit, wo er der tapferste Soldat seines<lb/>
Heeres geworden, und in die Reihe der ersten Feld-<lb/>
herren aller Zeiten eingetreten war, offen gestand, er<lb/>
habe in jener Schlacht Furcht empfunden.</p><lb/>
        <p>Der Raum dieser Blätter erlaubt uns nicht,<lb/>
eine Geschichte seiner Feldzüge, eine Entwicklung der<lb/>
königlichen Thaten zu liefern, durch welche er Preu-<lb/>
ßens Größe gegründet hat; wir müssen uns begnü-<lb/>
gen zu erwähnen, daß er während seiner mehr als<lb/>
46jährigen ruhmvollen Regierung immer im höchsten<lb/>
Sinne des Wortes der Mann des Volkes war. Er<lb/>
lebte ganz eigentlich in Mitten seines Volks; Jeder<lb/>
seines Volkes rühmte sich seiner und trat ihn an,<lb/>
denn er fand nirgend Schranken zwischen dem Vater<lb/>
und den Söhnen des Vaterlandes.</p><lb/>
        <p>Eine unheilbare Wassersucht beförderte den Tod<lb/>
des großen Königs. Er starb zu <hi rendition="#g">Sans=Souci</hi><lb/>
am 17. August 1786 im 75. Lebens= und im 47. Re-<lb/>
gierungsjahre, und hinterließ seinem Neffen, <hi rendition="#g">Fried-<lb/>
rich Wilhelm</hi> <hi rendition="#aq">II</hi>. ein um 1325 Quadratmeilen<lb/>
vermehrtes Reich, einen Schatz von mehr als<lb/>
70,000,000, ein Heer von 200,000 Mann, einen<lb/>
Credit bei allen europäischen Mächten, und einen<lb/>
durch Bevölkerung, Gewerbfleiß, Wohlstand und wis-<lb/>
senschaftliche Bildung kräftig emporgehobenen Staat.<lb/><hi rendition="#g">Friedrichs</hi> thatenvolles Leben hatte seine Zeitge-<lb/>
nossen mit so hoher Achtung erfüllt, daß sie den<lb/>
Beinamen des <hi rendition="#g">Großen</hi> zu gering für ihn hielten;<lb/>
sie nannten ihn den <hi rendition="#g">Einzigen.</hi> </p><lb/>
        <p>Jeden Augenblick, welchen <hi rendition="#g">Friedrich</hi> die Sorge<lb/>
für den Staat übrig ließ, weihte er der Kunst und<lb/>
Philofophie. Ohne Prunk, ohne Leibgarden sah man<lb/>
ihn in seinem Pallast von <hi rendition="#g">Sans=Souci</hi> zurück gezogen,<lb/>
wo er für Jeden zugänglich und leutselig war, den<lb/>
Neugierde oder Bewunderung in seine Nähe führte.<lb/>
Des Abends versammelte er in seinem Gesellschafts-<lb/>
kreise immer eine Zahl von Männern, die sich durch<lb/>
Geist und Kenntnisse auszeichneten, und ließ der Un-<lb/>
terhaltung ganz freien Lauf. Die Philosophen gingen<lb/>
in ihren Ansichten oft etwas zu weit, und als eines<lb/>
Abends in dem Salon <hi rendition="#g">Friedrichs</hi> <hi rendition="#aq">II</hi>. einige<lb/>
Grundsätze ausgesprochen wurden, die nicht im Ein-<lb/>
klange mit der Ehrfurcht waren, die man dem Mo-<lb/>
narchen schuldig ist, unterbrach er den Sprecher mit<lb/>
den Worten: &#x201E;Still mein Herr! da kommt der König.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Er stellte die Berliner Akademie der Wissen-<lb/>
schaften wieder her, die unter <hi rendition="#g">Leibnitz's</hi> Einfluß<lb/><cb n="2"/>
gegründet worden war; aber diese Wiederherstellung<lb/>
hob durch die sonderbare Anordnung, ihre Verhand-<lb/>
lungen ganz auf die französische Sprache zu beschrän-<lb/>
ken, zugleich ihre ganze Eigenthümlichkeit auf. <hi rendition="#g">Fried-<lb/>
rich</hi> hatte eine unüberwindliche Verachtung gegen<lb/>
seine Muttersprache gefaßt, und sprach sie so wenig,<lb/>
als dieß nur immer möglich war. Gewiß kann dieß<lb/>
ein großes Unrecht genannt werden, denn ein Monarch<lb/>
soll vor Allem in der Literatur wie in der Politik<lb/>
vaterländisch gesinnt seyn, und <hi rendition="#g">Friedrichs</hi> auffal-<lb/>
lende und ausschließende Vorliebe für die französische<lb/>
Sprache und Literatur war ganz dazu geeignet, die<lb/>
deutschen Gelehrten in Preußen in jedem wissenschaft-<lb/>
lichen Streben zu entmuthigen. Doch muß hier auch<lb/>
bemerkt werden, daß die deutschen Musen, als<lb/><hi rendition="#g">Friedrich</hi> die französische Bildung annahm, eine<lb/>
kümmerliche Gestalt hatten; <hi rendition="#g">Friedrichs</hi> Geist konnte<lb/>
sich in dieser Armuth, in den abschreckenden Formen<lb/>
der deutschen Wissenschaft nicht gefallen, und als ein<lb/>
höherer Geist über diese kam, war der vielbeschäftigte<lb/>
König in seinem Kreise schon zu einheimisch, als daß<lb/>
er für jenen noch hätte empfänglich werden können.</p><lb/>
        <p>Zahllose Schmähschriften wurden über ihn ge-<lb/>
schrieben, ohne daß er eine derselben gerügt hätte.<lb/>
Sein Geist war zu stark, um solche Angriffe zu<lb/>
fürchten, und als er eines Tages aus einem Fenster<lb/>
seines Pallastes eine Menge von Menschen vor einem<lb/>
ähnlichen Anschlagzettel versammelt sah, befahl er,<lb/>
denselben niedriger zu hängen, damit man ihn beque-<lb/>
mer lesen könne.</p><lb/>
        <p>Die Hinrichtung seines Freundes <hi rendition="#g">Katt</hi> hatte<lb/>
einen so tiefen Eindruck in dem Gemüth des Königs<lb/>
hinterlassen, daß er in seiner ganzen Regierung kein<lb/>
Todesurtheil ergehen ließ. Er kannte die Glieder<lb/>
des Kriegsgerichtes sehr wohl, die ihn auf Befehl<lb/>
seines Vaters verurtheilt hatten, er wußte die Aeuße-<lb/>
rungen eines jeden derselben, doch zeigte er ihnen<lb/>
niemals die geringste Empfindlichkeit, und pflegte<lb/>
manchmal, um seine ganze Achtung für die Freiheit<lb/>
des Willens auszusprechen, zu sagen: &#x201E;Es gibt Leute<lb/>
in <hi rendition="#g">Berlin,</hi> die mich zum Tode verurtheilt haben,<lb/>
aber sie essen in ihrem Hause ganz ruhig zu Mittag.&#x201C;</p><lb/>
        <p><hi rendition="#g">Friedrich</hi> war von mittlerem Wuchse, ging<lb/>
etwas gebückt, und hing den Kopf auf die rechte<lb/>
Seite; seine Züge waren ausdrucksvoll, und sein<lb/>
Blick verrieth die ganze Kraft und Lebhaftigkeit sei-<lb/>
nes Geistes. Seine Kleidung, immer einfach, war<lb/>
manchmal sogar vernachläßigt, und seine Gewohnheit,<lb/>
übermäßig stark Tobak zu schnupfen, verunreinigte<lb/>
seine Uniform. Jn seinen letzten Lebensjahren pflegte<lb/>
er ganz angekleidet zu schlafen, als wollte er stets<lb/>
bereit seyn, das Roß zu besteigen, und bis zu seinem<lb/>
letzten Augenblicke stand er der Verwaltung seines<lb/>
Reiches vor, und leitete selbst alle Angelegenheiten.</p>
      </div><lb/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
      <div type="jArticle" n="1">
        <head> <hi rendition="#fr"><hi rendition="#g">Der Thee</hi>.</hi> </head><lb/>
        <p>Die Handelsgeschichte bietet vielleicht kein ähn-<lb/>
liches Beispiel dar, daß Umstände so besonderer Art<lb/>
obgewaltet hätten, als dieß mit der Einführung des<lb/>
Thees in Großbritannien der Fall war. Dieß<lb/>
Blatt wurde durch die holländisch ostindische Compag-<lb/>
nie zuerst nach Europa gebracht zu Anfang des 17ten<lb/>
Jahrhunderts; aber erst im Jahre 1666 brachten die<lb/>
Lords <hi rendition="#g">Arlington</hi> und <hi rendition="#g">Ossory</hi> eine kleine Quan-<lb/>
tität davon nach England, und doch war Thee schon<lb/>
zu einer Zeit, die entfernter liegt, als Menschenge-<lb/><cb type="end"/>
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[102/0006] Panorama des Universums. mit Voltaire, welchen er ausnehmend schätzte. Hier hatte Friedrich die 6 glücklichsten Jahre sei- nes Lebens hingebracht, und mehrere Schriften, unter andern seinen „ Anti-Macchiavell “ vollendet, als der Tod seines Vaters ihn aus der glücklichen Ruhe riß, die er zu Rheinsberg genoß. FriedrichII. bestieg den Thron, und schien plötzlich ganz umgewandelt. Er beschäftigte sich un- ausgesetzt mit der Verwaltung seines Reiches, mit den Finanzen und der Armee. Er fand den Schatz Friedrich Wilhelms reich begabt, und säumte nicht, seine Truppenzahl zu vergrößern. Es war nun leicht vorauszusehen, daß er im Sinne hatte, als Eroberer aufzutreten, so viel er auch gegen den Ehrgeiz in seinem Briefwechsel mit den französischen Gelehrten geeifert hatte. Er gab die Losung zum Kriege durch die Wegnahme eines Theils von Schle- sien, auf welchen Preußen seit langer Zeit ein Recht zu haben behauptete. Am 10. April 1741 lieferte er seine erste Schlacht bei Molwitz, und verdankte dem Muthe seines Fußvolkes den Sieg, obschon er zu einer Zeit, wo er der tapferste Soldat seines Heeres geworden, und in die Reihe der ersten Feld- herren aller Zeiten eingetreten war, offen gestand, er habe in jener Schlacht Furcht empfunden. Der Raum dieser Blätter erlaubt uns nicht, eine Geschichte seiner Feldzüge, eine Entwicklung der königlichen Thaten zu liefern, durch welche er Preu- ßens Größe gegründet hat; wir müssen uns begnü- gen zu erwähnen, daß er während seiner mehr als 46jährigen ruhmvollen Regierung immer im höchsten Sinne des Wortes der Mann des Volkes war. Er lebte ganz eigentlich in Mitten seines Volks; Jeder seines Volkes rühmte sich seiner und trat ihn an, denn er fand nirgend Schranken zwischen dem Vater und den Söhnen des Vaterlandes. Eine unheilbare Wassersucht beförderte den Tod des großen Königs. Er starb zu Sans=Souci am 17. August 1786 im 75. Lebens= und im 47. Re- gierungsjahre, und hinterließ seinem Neffen, Fried- rich Wilhelm II. ein um 1325 Quadratmeilen vermehrtes Reich, einen Schatz von mehr als 70,000,000, ein Heer von 200,000 Mann, einen Credit bei allen europäischen Mächten, und einen durch Bevölkerung, Gewerbfleiß, Wohlstand und wis- senschaftliche Bildung kräftig emporgehobenen Staat. Friedrichs thatenvolles Leben hatte seine Zeitge- nossen mit so hoher Achtung erfüllt, daß sie den Beinamen des Großen zu gering für ihn hielten; sie nannten ihn den Einzigen. Jeden Augenblick, welchen Friedrich die Sorge für den Staat übrig ließ, weihte er der Kunst und Philofophie. Ohne Prunk, ohne Leibgarden sah man ihn in seinem Pallast von Sans=Souci zurück gezogen, wo er für Jeden zugänglich und leutselig war, den Neugierde oder Bewunderung in seine Nähe führte. Des Abends versammelte er in seinem Gesellschafts- kreise immer eine Zahl von Männern, die sich durch Geist und Kenntnisse auszeichneten, und ließ der Un- terhaltung ganz freien Lauf. Die Philosophen gingen in ihren Ansichten oft etwas zu weit, und als eines Abends in dem Salon Friedrichs II. einige Grundsätze ausgesprochen wurden, die nicht im Ein- klange mit der Ehrfurcht waren, die man dem Mo- narchen schuldig ist, unterbrach er den Sprecher mit den Worten: „Still mein Herr! da kommt der König.“ Er stellte die Berliner Akademie der Wissen- schaften wieder her, die unter Leibnitz's Einfluß gegründet worden war; aber diese Wiederherstellung hob durch die sonderbare Anordnung, ihre Verhand- lungen ganz auf die französische Sprache zu beschrän- ken, zugleich ihre ganze Eigenthümlichkeit auf. Fried- rich hatte eine unüberwindliche Verachtung gegen seine Muttersprache gefaßt, und sprach sie so wenig, als dieß nur immer möglich war. Gewiß kann dieß ein großes Unrecht genannt werden, denn ein Monarch soll vor Allem in der Literatur wie in der Politik vaterländisch gesinnt seyn, und Friedrichs auffal- lende und ausschließende Vorliebe für die französische Sprache und Literatur war ganz dazu geeignet, die deutschen Gelehrten in Preußen in jedem wissenschaft- lichen Streben zu entmuthigen. Doch muß hier auch bemerkt werden, daß die deutschen Musen, als Friedrich die französische Bildung annahm, eine kümmerliche Gestalt hatten; Friedrichs Geist konnte sich in dieser Armuth, in den abschreckenden Formen der deutschen Wissenschaft nicht gefallen, und als ein höherer Geist über diese kam, war der vielbeschäftigte König in seinem Kreise schon zu einheimisch, als daß er für jenen noch hätte empfänglich werden können. Zahllose Schmähschriften wurden über ihn ge- schrieben, ohne daß er eine derselben gerügt hätte. Sein Geist war zu stark, um solche Angriffe zu fürchten, und als er eines Tages aus einem Fenster seines Pallastes eine Menge von Menschen vor einem ähnlichen Anschlagzettel versammelt sah, befahl er, denselben niedriger zu hängen, damit man ihn beque- mer lesen könne. Die Hinrichtung seines Freundes Katt hatte einen so tiefen Eindruck in dem Gemüth des Königs hinterlassen, daß er in seiner ganzen Regierung kein Todesurtheil ergehen ließ. Er kannte die Glieder des Kriegsgerichtes sehr wohl, die ihn auf Befehl seines Vaters verurtheilt hatten, er wußte die Aeuße- rungen eines jeden derselben, doch zeigte er ihnen niemals die geringste Empfindlichkeit, und pflegte manchmal, um seine ganze Achtung für die Freiheit des Willens auszusprechen, zu sagen: „Es gibt Leute in Berlin, die mich zum Tode verurtheilt haben, aber sie essen in ihrem Hause ganz ruhig zu Mittag.“ Friedrich war von mittlerem Wuchse, ging etwas gebückt, und hing den Kopf auf die rechte Seite; seine Züge waren ausdrucksvoll, und sein Blick verrieth die ganze Kraft und Lebhaftigkeit sei- nes Geistes. Seine Kleidung, immer einfach, war manchmal sogar vernachläßigt, und seine Gewohnheit, übermäßig stark Tobak zu schnupfen, verunreinigte seine Uniform. Jn seinen letzten Lebensjahren pflegte er ganz angekleidet zu schlafen, als wollte er stets bereit seyn, das Roß zu besteigen, und bis zu seinem letzten Augenblicke stand er der Verwaltung seines Reiches vor, und leitete selbst alle Angelegenheiten. Der Thee. Die Handelsgeschichte bietet vielleicht kein ähn- liches Beispiel dar, daß Umstände so besonderer Art obgewaltet hätten, als dieß mit der Einführung des Thees in Großbritannien der Fall war. Dieß Blatt wurde durch die holländisch ostindische Compag- nie zuerst nach Europa gebracht zu Anfang des 17ten Jahrhunderts; aber erst im Jahre 1666 brachten die Lords Arlington und Ossory eine kleine Quan- tität davon nach England, und doch war Thee schon zu einer Zeit, die entfernter liegt, als Menschenge-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Peter Fankhauser: Automatische Transformation von TUSTEP nach TEI P5 (DTA-Basisformat).
Deutsches Textarchiv: Metadatenerfassung
Institut für Deutsche Sprache, Mannheim: Bereitstellung der Bilddigitalisate und Volltext-Transkription
Susanne Haaf, Rahel Hartz, Nicole Postelt: Nachkorrektur und Vervollständigung der TEI/DTABf-Annotation
Rahel Hartz: Artikelstrukturierung

Weitere Informationen:

Dieser Text wurde aus dem TUSTEP-Format nach TEI-P5 konvertiert und anschließend in das DTA-Basisformat überführt.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_panorama13_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_panorama13_1834/6
Zitationshilfe: Das wohlfeilste Panorama des Universums. Nr. 13. Prag, 1834, S. 102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_panorama13_1834/6>, abgerufen am 16.07.2024.