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Das wohlfeilste Panorama des Universums. Nr. 6. Prag, 1834.

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Panorama des Universums.
[Beginn Spaltensatz] [Abbildung] ( Abelards und Heloisens Grabmahl. )


Der Theseus=Tempel im Volksgarten
zu Wien.

Unter die anziehendsten Sammelplätze der schö-
nen Welt, deren die Hauptstadt des österreichischen
Kaiserthums so viele innerhalb ihres Weichbildes
zählt, gehört unstreitig der Volksgarten, welchen
Wien der Vaterliebe seines Monarchen seit unge-
fähr 12 Jahren verdankt. Regelmäßige Baumalleen
von Linden, Pappeln und Spitzahornen, in gefäl-
ligen Windungen, und fern von allem Zwang, bilden
eine angenehme Abwechslung mit frischen Rasenplä-
tzen, und des Abends, wo die Versammlung gewöhn-
lich am zahlreichsten und glänzendsten ist, wird das
Ganze durch eine hinlängliche Anzahl von freistehen-
den Laternen reich beleuchtet.

Der Haupteingang in den Volksgarten ist an
der rechten Seite des neuen Burg= oder Parade-
platzes, und diesem gegenüber erhebt sich ein zierlicher
Springbrunnen, zur Rechten das Wasserleitungsge-
bäude, zur Linken aber das artige Curtische Kaffee-
haus, nach dem Plane des Hofbauraths P. Nobile
im besten Geschmack erbaut. Eine zierlich gedeckte
Halb = Rotunde ( Rundgebäude ) ruht auf 22 jonischen
Säulen, deren Zwischenräume mit großen Glasfen-
fenstern geschlossen sind, und das geräumige Jnnere
ist geschmackvoll und glänzend eingerichtet, vorzüglich
aber durch die aufgestellten fast lebensgroßen Bild-
nisse J. J. M. M. des Kaisers und der Kaiserin
geschmückt, welche sich sowohl durch Aehnlichkeit als
Kunstwerth auszeichnen. Vor diesem Gebäude steht
ein offener Kiosk ( Morgenländisches Gartenhaus ) ,
aus welchem an schönen Abenden eine wohlbesetzte
Musik ertönt.

Doch der wichtigste Punkt des Volksgartens ist
unstreitig der schöne Theseus=Tempel, der sich,
das Meisterwerk Canova's enthaltend, in einem
Pappelhain erhebt. Er ist ein genaues Nachbild
des von Cimon dem Theseus geweihten Tempels
[Spaltenumbruch] zu Athen, nur ein Theil des äußern Säulenbaues
wurde, wegen des Verhältnisses dieses Tempels zum
Volksgarten hinweg gelassen. Die äußere Länge
beträgt 76, die Breite des Tempels 43 Fuß. An
den beiden langen Seiten befinden sich 10, an den
kürzern 6 Dorische Säulen von17 1 / 2 Fuß Höhe und
einem Durchschnitt von3 1 / 4 Fuß.

Dieser Tempel umschließt die herrliche Gruppe
von cararischem Marmor: Theseus, der den Cen-
tauren *) zu Boden geschleudert hat, ihn mit der
Linken festhält, und mit der Rechten die Keule des
Periphetes über ihm schwingt, ihn zu tödten.
Der überwundene Centaur scheint die letzten Kräfte
zum fruchtlosen Widerstand zu sammeln; die eine
Hand wühlt krampfhaft im Boden, während die
andere sich in deu[unleserliches Material] Arm des Theseus klammert.
Die wunderbare Behandlung des Marmors, welche
als eine der vorzüglichsten Eigenschaften des großen
Meisters gerühmt wird, zeigt sich in vollem Lichte
bei dieser colossalen Gruppe, die zugleich einen ern-
stern und großartig männlichern Charakter trägt, als
seine frühern Werke. Die ganze Gruppe mit dem
Piedestal hat 18 Fuß Höhe auf eine Breite von
12 Fuß, die Figur des Theseus 9 Fuß. Ein
halbkreisförmiges Gewölbe läßt das Licht von oben
auf das colossale Standbild fallen.

Napoleon hatte diese Statue, welche der
Künstler schon 1805 begann, für den Corso zu Mai-
land
bestellt, sie wurde aber erst 1819 fertig und
S. M. Kaiser Franz I. gewann dieselbe während
seines Aufenthalts in Rom für seine Residenzstadt,
befahl den äußerst schwierigen Transport an, und die
herrliche Marmorgruppe wurde im Frühjahr 1823
zu Wien aufgestellt, als der große Bildner schon in
eine bessere Welt übergegangen war.

[Abbildung] ( Der Theseus=Tempel. )

Wien besitzt übrigens noch ein Meisterstück von
Canova, das allgemein bewunderte Grabmahl der
Erzherzogin Christine von Oesterreich in der Au-
gustinerkirche, welches nach Napoleons Urtheil
als das ausgezeichnetste Werk des Bildners angesehen
werden kann, auf dessen Besitz unsre Zeit mit Recht
stolz ist.

Zur Linken des Tempels, vom großen Eingange
herüber, ist ein kleines Gebäude errichtet, das den
[Ende Spaltensatz]

*) Ein fabelhaftes Geschöpf der griechischen Götterlehre,
halb Mensch, halb Thier.
Panorama des Universums.
[Beginn Spaltensatz] [Abbildung] ( Abelards und Heloisens Grabmahl. )


Der Theseus=Tempel im Volksgarten
zu Wien.

Unter die anziehendsten Sammelplätze der schö-
nen Welt, deren die Hauptstadt des österreichischen
Kaiserthums so viele innerhalb ihres Weichbildes
zählt, gehört unstreitig der Volksgarten, welchen
Wien der Vaterliebe seines Monarchen seit unge-
fähr 12 Jahren verdankt. Regelmäßige Baumalleen
von Linden, Pappeln und Spitzahornen, in gefäl-
ligen Windungen, und fern von allem Zwang, bilden
eine angenehme Abwechslung mit frischen Rasenplä-
tzen, und des Abends, wo die Versammlung gewöhn-
lich am zahlreichsten und glänzendsten ist, wird das
Ganze durch eine hinlängliche Anzahl von freistehen-
den Laternen reich beleuchtet.

Der Haupteingang in den Volksgarten ist an
der rechten Seite des neuen Burg= oder Parade-
platzes, und diesem gegenüber erhebt sich ein zierlicher
Springbrunnen, zur Rechten das Wasserleitungsge-
bäude, zur Linken aber das artige Curtische Kaffee-
haus, nach dem Plane des Hofbauraths P. Nobile
im besten Geschmack erbaut. Eine zierlich gedeckte
Halb = Rotunde ( Rundgebäude ) ruht auf 22 jonischen
Säulen, deren Zwischenräume mit großen Glasfen-
fenstern geschlossen sind, und das geräumige Jnnere
ist geschmackvoll und glänzend eingerichtet, vorzüglich
aber durch die aufgestellten fast lebensgroßen Bild-
nisse J. J. M. M. des Kaisers und der Kaiserin
geschmückt, welche sich sowohl durch Aehnlichkeit als
Kunstwerth auszeichnen. Vor diesem Gebäude steht
ein offener Kiosk ( Morgenländisches Gartenhaus ) ,
aus welchem an schönen Abenden eine wohlbesetzte
Musik ertönt.

Doch der wichtigste Punkt des Volksgartens ist
unstreitig der schöne Theseus=Tempel, der sich,
das Meisterwerk Canova's enthaltend, in einem
Pappelhain erhebt. Er ist ein genaues Nachbild
des von Cimon dem Theseus geweihten Tempels
[Spaltenumbruch] zu Athen, nur ein Theil des äußern Säulenbaues
wurde, wegen des Verhältnisses dieses Tempels zum
Volksgarten hinweg gelassen. Die äußere Länge
beträgt 76, die Breite des Tempels 43 Fuß. An
den beiden langen Seiten befinden sich 10, an den
kürzern 6 Dorische Säulen von17 1 / 2 Fuß Höhe und
einem Durchschnitt von3 1 / 4 Fuß.

Dieser Tempel umschließt die herrliche Gruppe
von cararischem Marmor: Theseus, der den Cen-
tauren *) zu Boden geschleudert hat, ihn mit der
Linken festhält, und mit der Rechten die Keule des
Periphetes über ihm schwingt, ihn zu tödten.
Der überwundene Centaur scheint die letzten Kräfte
zum fruchtlosen Widerstand zu sammeln; die eine
Hand wühlt krampfhaft im Boden, während die
andere sich in deu[unleserliches Material] Arm des Theseus klammert.
Die wunderbare Behandlung des Marmors, welche
als eine der vorzüglichsten Eigenschaften des großen
Meisters gerühmt wird, zeigt sich in vollem Lichte
bei dieser colossalen Gruppe, die zugleich einen ern-
stern und großartig männlichern Charakter trägt, als
seine frühern Werke. Die ganze Gruppe mit dem
Piedestal hat 18 Fuß Höhe auf eine Breite von
12 Fuß, die Figur des Theseus 9 Fuß. Ein
halbkreisförmiges Gewölbe läßt das Licht von oben
auf das colossale Standbild fallen.

Napoleon hatte diese Statue, welche der
Künstler schon 1805 begann, für den Corso zu Mai-
land
bestellt, sie wurde aber erst 1819 fertig und
S. M. Kaiser Franz I. gewann dieselbe während
seines Aufenthalts in Rom für seine Residenzstadt,
befahl den äußerst schwierigen Transport an, und die
herrliche Marmorgruppe wurde im Frühjahr 1823
zu Wien aufgestellt, als der große Bildner schon in
eine bessere Welt übergegangen war.

[Abbildung] ( Der Theseus=Tempel. )

Wien besitzt übrigens noch ein Meisterstück von
Canova, das allgemein bewunderte Grabmahl der
Erzherzogin Christine von Oesterreich in der Au-
gustinerkirche, welches nach Napoleons Urtheil
als das ausgezeichnetste Werk des Bildners angesehen
werden kann, auf dessen Besitz unsre Zeit mit Recht
stolz ist.

Zur Linken des Tempels, vom großen Eingange
herüber, ist ein kleines Gebäude errichtet, das den
[Ende Spaltensatz]

*) Ein fabelhaftes Geschöpf der griechischen Götterlehre,
halb Mensch, halb Thier.
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[44/0004] Panorama des Universums. [Abbildung ( Abelards und Heloisens Grabmahl. ) ] Der Theseus=Tempel im Volksgarten zu Wien. Unter die anziehendsten Sammelplätze der schö- nen Welt, deren die Hauptstadt des österreichischen Kaiserthums so viele innerhalb ihres Weichbildes zählt, gehört unstreitig der Volksgarten, welchen Wien der Vaterliebe seines Monarchen seit unge- fähr 12 Jahren verdankt. Regelmäßige Baumalleen von Linden, Pappeln und Spitzahornen, in gefäl- ligen Windungen, und fern von allem Zwang, bilden eine angenehme Abwechslung mit frischen Rasenplä- tzen, und des Abends, wo die Versammlung gewöhn- lich am zahlreichsten und glänzendsten ist, wird das Ganze durch eine hinlängliche Anzahl von freistehen- den Laternen reich beleuchtet. Der Haupteingang in den Volksgarten ist an der rechten Seite des neuen Burg= oder Parade- platzes, und diesem gegenüber erhebt sich ein zierlicher Springbrunnen, zur Rechten das Wasserleitungsge- bäude, zur Linken aber das artige Curtische Kaffee- haus, nach dem Plane des Hofbauraths P. Nobile im besten Geschmack erbaut. Eine zierlich gedeckte Halb = Rotunde ( Rundgebäude ) ruht auf 22 jonischen Säulen, deren Zwischenräume mit großen Glasfen- fenstern geschlossen sind, und das geräumige Jnnere ist geschmackvoll und glänzend eingerichtet, vorzüglich aber durch die aufgestellten fast lebensgroßen Bild- nisse J. J. M. M. des Kaisers und der Kaiserin geschmückt, welche sich sowohl durch Aehnlichkeit als Kunstwerth auszeichnen. Vor diesem Gebäude steht ein offener Kiosk ( Morgenländisches Gartenhaus ) , aus welchem an schönen Abenden eine wohlbesetzte Musik ertönt. Doch der wichtigste Punkt des Volksgartens ist unstreitig der schöne Theseus=Tempel, der sich, das Meisterwerk Canova's enthaltend, in einem Pappelhain erhebt. Er ist ein genaues Nachbild des von Cimon dem Theseus geweihten Tempels zu Athen, nur ein Theil des äußern Säulenbaues wurde, wegen des Verhältnisses dieses Tempels zum Volksgarten hinweg gelassen. Die äußere Länge beträgt 76, die Breite des Tempels 43 Fuß. An den beiden langen Seiten befinden sich 10, an den kürzern 6 Dorische Säulen von17 1 / 2 Fuß Höhe und einem Durchschnitt von3 1 / 4 Fuß. Dieser Tempel umschließt die herrliche Gruppe von cararischem Marmor: Theseus, der den Cen- tauren *) zu Boden geschleudert hat, ihn mit der Linken festhält, und mit der Rechten die Keule des Periphetes über ihm schwingt, ihn zu tödten. Der überwundene Centaur scheint die letzten Kräfte zum fruchtlosen Widerstand zu sammeln; die eine Hand wühlt krampfhaft im Boden, während die andere sich in deu_ Arm des Theseus klammert. Die wunderbare Behandlung des Marmors, welche als eine der vorzüglichsten Eigenschaften des großen Meisters gerühmt wird, zeigt sich in vollem Lichte bei dieser colossalen Gruppe, die zugleich einen ern- stern und großartig männlichern Charakter trägt, als seine frühern Werke. Die ganze Gruppe mit dem Piedestal hat 18 Fuß Höhe auf eine Breite von 12 Fuß, die Figur des Theseus 9 Fuß. Ein halbkreisförmiges Gewölbe läßt das Licht von oben auf das colossale Standbild fallen. Napoleon hatte diese Statue, welche der Künstler schon 1805 begann, für den Corso zu Mai- land bestellt, sie wurde aber erst 1819 fertig und S. M. Kaiser Franz I. gewann dieselbe während seines Aufenthalts in Rom für seine Residenzstadt, befahl den äußerst schwierigen Transport an, und die herrliche Marmorgruppe wurde im Frühjahr 1823 zu Wien aufgestellt, als der große Bildner schon in eine bessere Welt übergegangen war. [Abbildung ( Der Theseus=Tempel. ) ] Wien besitzt übrigens noch ein Meisterstück von Canova, das allgemein bewunderte Grabmahl der Erzherzogin Christine von Oesterreich in der Au- gustinerkirche, welches nach Napoleons Urtheil als das ausgezeichnetste Werk des Bildners angesehen werden kann, auf dessen Besitz unsre Zeit mit Recht stolz ist. Zur Linken des Tempels, vom großen Eingange herüber, ist ein kleines Gebäude errichtet, das den *) Ein fabelhaftes Geschöpf der griechischen Götterlehre, halb Mensch, halb Thier.

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Zitationshilfe: Das wohlfeilste Panorama des Universums. Nr. 6. Prag, 1834, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_panorama06_1834/4>, abgerufen am 22.11.2024.