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Das wohlfeilste Panorama des Universums. Nr. 4. Prag, 1835.

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Panorama des Universums.
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Das Portal der Domkirche zu Rheims.

"Was Reichthum und Pracht der äußern Ar-
chitektur anlangt" sagt der Engländer Woods
"so übertrifft die Kathedrale zu Rheims jede an-
dere, die ich noch gesehen und wahrscheinlich auch
jede, die jemals gebaut worden."

Die Haupt = oder Westfronte dieses Doms ist
eigentlich der anziehendste Gegenstand desselben; man
hat sie häufig das schönste Werk dieser Art genannt,
das existirt und nach einer in Frankreich üblichen
Sage ist sie eine der vier Haupttheile, die zu einer
vollkommenen Kathedrale erforderlich sind; die an-
dern drei sind, der Thurm zu Chartres, das
Schiff der Kirche zu Amiens und das Chor zu
Beauvais.

Der untere Theil dieser Fronte ist in drei
Thorgänge abgetheilt. Diese Einrichtung, die man
auch bei einigen englischen Kirchen findet, trifft
man fast überall bei den größeren kirchlichen Ge-
bäuden in Frankreich, und man sagt, diese drei Ein-
gänge sollen mit drei Abtheilungen im Jnnern in
Verbindung stehen, von denen jede für einen beson-
deren Gebrauch bestimmt ist; es dient nämlich die
mittlere Abtheilung zum Eingang für die Geistlich-
keit, jene zur rechten für die Männer und die zur
linken für die Frauen.

Das mittlere Portal ist durch einen Pfeiler abge-
theilt, welcher mit dem Bildnisse der heiligen Jungfran
Maria geschmückt ist, der diese Kathedrale geweiht
wurde. Die Seitenwände dieser Thorgänge sind mit
kolossalen Figuren geziert, deren fünf und dreißig an der
Zahl sind und welche Patriarchen, Propheten, Kö-
nige, Bischöfe, heilige Jungfrauen und Martyrer
darstellen. Die Bögen über denselben und die Ge-
simse darüber zeigen sehr fleißig gefertigte Bildhauer-
arbeiten, die sehr viel Kunstsinn verrathen.

Ueber den Portalen und etwas im Hintergrund
sieht man den übrigen Theil dieser herrlichen Fronte.
Oberhalb der Mittelthüre befindet sich die große
Fensterrose, eine äußerst reiche Arbeit und sehr sorg-
fältig ausgeführt. Ueber dem rechten Portal sieht
man eine Oeffnung für ein Fenster, die jedoch nicht
mit Glas ausgefüllt ist, eine ähnliche Oeffnung
zeigt sich über dem linken Portal. Der Raum, den
diese Fenster einnehmen, wird durch drei hervorsprin-
gende Pfeiler abgetheilt, deren jeden eine Statue
schmückt, welche wieder in kleine achteckige Thürm-
chen auslaufen.

Noch höher oben befindet sich die Gallerie der
Könige, eine prächtige Kolonade geschmückt mit den
Statuen von 42 französischen Königen, von Chlo-
dowich
angefangen bis zu Karl VI.; über der-
selben endlich erheben sich zwei Thürme, welche
diese herrliche Fronte vollenden.     S.



Ritter=Gelübde.

Die Gelübde der Ritter bezogen sich auf Reli-
gion, Ehre und Liebe. Um vom Himmel mehr Glück
zu erlangen, versprachen die Ritter ihre und der
Feinde Waffen einer Kirche, oder machten sich zu
Wallfahrten und Bußübungen anheischig. Um sich
selbst desto stärker zu verpflichten, versprachen sie
feierlich, sich gewisser Sachen zu enthalten. Ber-
trand du Guesclin
gelobte kein Fleisch zu essen
und seine Rüstung nicht abzulegen, bis nicht die
Festung Vontcontur eingenommen wäre. Die Ge-
[Spaltenumbruch] lübde der Liebe kommen am häufigsten vor. Ein
Ritter legte seine Rüstung ab, und kämpfte, wie
seine Dame es verlangt, und er gelobt hatte, blos
mit dem Hemde angethan, das sie ihm geschickt hatte,
und erfocht, freilich über und über voll Wunden,
den Preis. Als die Geliebte ( die Frau eines an-
dern ) köstlich gekleidet zahlreiche Gäste empfing und
bediente, schickte ihr der Ritter das blutige Hemd,
und bat sie, es aus Liebe zu tragen. Sie küßte es
zärtlich, legte es über ihren Putz auf die Schulter,
und theilte nach wie vor Essen und Trinken aus.
Bei Pfauen, Fasanen, Reihern wurden gewöhnlich
Gelübde abgelegt. Robert von Artois, aus
Frankreich verbannt, trat 1338 von Geigenspielern
und singenden Jungfrauen geleitet, mit einem Reiher
vor den Hof König Eduards III. von England,
und ruft aus: "wem er dieses schlechte Thier an-
bieten würde, sey der Feigste," und zum König ge-
wandt, biethet er ihm wegen seiner Gleichgültigkeit
für die französische Krone den Vogel an. Der Kö-
nig betroffen, schwört binnen einem Jahre mit einem
Heere nach Frankreich zu ziehen. Nun wendet sich
Robert mit dem Reiher zu den andern Herren.
Der Graf von Salisbury, als der Tapferste
und Verliebteste, verlangt blos: seine Geliebte möge
ihm mit einem Finger das Auge berühren. Sie
schließt ihm mit zwei Fingern das Auge, und er
schwört, es nicht zu öffnen, bis er Frankreich gese-
hen, und dessen König in einer Schlacht geschlagen
habe, und die Geliebte verspricht ihm dafür ihre
Hand. Der Ritter Gautier von Mauny gelobt
auf den Reiher: eine Stadt in Brand zu stecken;
der Graf Erby: mit dem König von Frankreich zu
kämpfen. Nachdem nun alle Anwesende, jeder auf
seine Weise ein Gelübde gethan, kniet der Graf
von Artois vor der Königin nieder, und sie schwört:
das Kind, mit dem sie eben schwanger gehe, auf
Frankreichs Boden zu gebären, und wenn sie der
König nicht vor diesem Zeitpunkte überschifft, sich
und das neugeborne Leben mit dem gezückten Dolche
zu erstechen. Grausen erfaßt sie alle, der gebratene
Reiher wird getheilt, bald schifft ein Heer nach
Frankreich, und ein hundertjähriger Kampf beginnt.



Gespensterwohnungen in Schottland.

Jn Edimburg stehen alte Häuser, in denen
Selbstmorde und Mordthaten vorgefallen sind. Ja
manche Zimmer haben sogar bis auf den heutigen
Tag ihren Namen nach der Unthat, die darin vor
Jahrhunderten begangen worden ist. Durch solche
Namen und Erinnerungen erhält sich die Geschichte
alter, berühmter schottischer Familien, denen vor
langen Zeiten die alten Häuser gehört haben. Noch
vor Kurzem erzählte ein alter Mann von einer
Treppe im Lawmarket, wo der Geist eines Ade-
lichen umgehen soll, der vor ungefähr hundert Jah-
ren auf unbegreifliche Weise am hellen lichten Tage
umgebracht wurde, als er diese Treppe seines Hau-
ses hinaufging. Näheres können wir nicht angeben,
weder über den Ort der That, noch über den Na-
men des Ermordeten. So steht auch hinter der
Börse ein Haus, von dem alte Leute schreckliche
Dinge erzählen. Sie sagen vor Zeiten hätten alle
die wieder ausziehen müssen, die das Haus bewoh-
nen wollen, weil ihnen gleich in der ersten Nacht
ein fürchterliches Gesicht erschienen. So saß da ein
Mann Abends ganz ruhig beim Feuer und las vor
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Panorama des Universums.
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Das Portal der Domkirche zu Rheims.

„Was Reichthum und Pracht der äußern Ar-
chitektur anlangt“ sagt der Engländer Woods
„so übertrifft die Kathedrale zu Rheims jede an-
dere, die ich noch gesehen und wahrscheinlich auch
jede, die jemals gebaut worden.“

Die Haupt = oder Westfronte dieses Doms ist
eigentlich der anziehendste Gegenstand desselben; man
hat sie häufig das schönste Werk dieser Art genannt,
das existirt und nach einer in Frankreich üblichen
Sage ist sie eine der vier Haupttheile, die zu einer
vollkommenen Kathedrale erforderlich sind; die an-
dern drei sind, der Thurm zu Chartres, das
Schiff der Kirche zu Amiens und das Chor zu
Beauvais.

Der untere Theil dieser Fronte ist in drei
Thorgänge abgetheilt. Diese Einrichtung, die man
auch bei einigen englischen Kirchen findet, trifft
man fast überall bei den größeren kirchlichen Ge-
bäuden in Frankreich, und man sagt, diese drei Ein-
gänge sollen mit drei Abtheilungen im Jnnern in
Verbindung stehen, von denen jede für einen beson-
deren Gebrauch bestimmt ist; es dient nämlich die
mittlere Abtheilung zum Eingang für die Geistlich-
keit, jene zur rechten für die Männer und die zur
linken für die Frauen.

Das mittlere Portal ist durch einen Pfeiler abge-
theilt, welcher mit dem Bildnisse der heiligen Jungfran
Maria geschmückt ist, der diese Kathedrale geweiht
wurde. Die Seitenwände dieser Thorgänge sind mit
kolossalen Figuren geziert, deren fünf und dreißig an der
Zahl sind und welche Patriarchen, Propheten, Kö-
nige, Bischöfe, heilige Jungfrauen und Martyrer
darstellen. Die Bögen über denselben und die Ge-
simse darüber zeigen sehr fleißig gefertigte Bildhauer-
arbeiten, die sehr viel Kunstsinn verrathen.

Ueber den Portalen und etwas im Hintergrund
sieht man den übrigen Theil dieser herrlichen Fronte.
Oberhalb der Mittelthüre befindet sich die große
Fensterrose, eine äußerst reiche Arbeit und sehr sorg-
fältig ausgeführt. Ueber dem rechten Portal sieht
man eine Oeffnung für ein Fenster, die jedoch nicht
mit Glas ausgefüllt ist, eine ähnliche Oeffnung
zeigt sich über dem linken Portal. Der Raum, den
diese Fenster einnehmen, wird durch drei hervorsprin-
gende Pfeiler abgetheilt, deren jeden eine Statue
schmückt, welche wieder in kleine achteckige Thürm-
chen auslaufen.

Noch höher oben befindet sich die Gallerie der
Könige, eine prächtige Kolonade geschmückt mit den
Statuen von 42 französischen Königen, von Chlo-
dowich
angefangen bis zu Karl VI.; über der-
selben endlich erheben sich zwei Thürme, welche
diese herrliche Fronte vollenden.     S.



Ritter=Gelübde.

Die Gelübde der Ritter bezogen sich auf Reli-
gion, Ehre und Liebe. Um vom Himmel mehr Glück
zu erlangen, versprachen die Ritter ihre und der
Feinde Waffen einer Kirche, oder machten sich zu
Wallfahrten und Bußübungen anheischig. Um sich
selbst desto stärker zu verpflichten, versprachen sie
feierlich, sich gewisser Sachen zu enthalten. Ber-
trand du Guesclin
gelobte kein Fleisch zu essen
und seine Rüstung nicht abzulegen, bis nicht die
Festung Vontcontur eingenommen wäre. Die Ge-
[Spaltenumbruch] lübde der Liebe kommen am häufigsten vor. Ein
Ritter legte seine Rüstung ab, und kämpfte, wie
seine Dame es verlangt, und er gelobt hatte, blos
mit dem Hemde angethan, das sie ihm geschickt hatte,
und erfocht, freilich über und über voll Wunden,
den Preis. Als die Geliebte ( die Frau eines an-
dern ) köstlich gekleidet zahlreiche Gäste empfing und
bediente, schickte ihr der Ritter das blutige Hemd,
und bat sie, es aus Liebe zu tragen. Sie küßte es
zärtlich, legte es über ihren Putz auf die Schulter,
und theilte nach wie vor Essen und Trinken aus.
Bei Pfauen, Fasanen, Reihern wurden gewöhnlich
Gelübde abgelegt. Robert von Artois, aus
Frankreich verbannt, trat 1338 von Geigenspielern
und singenden Jungfrauen geleitet, mit einem Reiher
vor den Hof König Eduards III. von England,
und ruft aus: „wem er dieses schlechte Thier an-
bieten würde, sey der Feigste,“ und zum König ge-
wandt, biethet er ihm wegen seiner Gleichgültigkeit
für die französische Krone den Vogel an. Der Kö-
nig betroffen, schwört binnen einem Jahre mit einem
Heere nach Frankreich zu ziehen. Nun wendet sich
Robert mit dem Reiher zu den andern Herren.
Der Graf von Salisbury, als der Tapferste
und Verliebteste, verlangt blos: seine Geliebte möge
ihm mit einem Finger das Auge berühren. Sie
schließt ihm mit zwei Fingern das Auge, und er
schwört, es nicht zu öffnen, bis er Frankreich gese-
hen, und dessen König in einer Schlacht geschlagen
habe, und die Geliebte verspricht ihm dafür ihre
Hand. Der Ritter Gautier von Mauny gelobt
auf den Reiher: eine Stadt in Brand zu stecken;
der Graf Erby: mit dem König von Frankreich zu
kämpfen. Nachdem nun alle Anwesende, jeder auf
seine Weise ein Gelübde gethan, kniet der Graf
von Artois vor der Königin nieder, und sie schwört:
das Kind, mit dem sie eben schwanger gehe, auf
Frankreichs Boden zu gebären, und wenn sie der
König nicht vor diesem Zeitpunkte überschifft, sich
und das neugeborne Leben mit dem gezückten Dolche
zu erstechen. Grausen erfaßt sie alle, der gebratene
Reiher wird getheilt, bald schifft ein Heer nach
Frankreich, und ein hundertjähriger Kampf beginnt.



Gespensterwohnungen in Schottland.

Jn Edimburg stehen alte Häuser, in denen
Selbstmorde und Mordthaten vorgefallen sind. Ja
manche Zimmer haben sogar bis auf den heutigen
Tag ihren Namen nach der Unthat, die darin vor
Jahrhunderten begangen worden ist. Durch solche
Namen und Erinnerungen erhält sich die Geschichte
alter, berühmter schottischer Familien, denen vor
langen Zeiten die alten Häuser gehört haben. Noch
vor Kurzem erzählte ein alter Mann von einer
Treppe im Lawmarket, wo der Geist eines Ade-
lichen umgehen soll, der vor ungefähr hundert Jah-
ren auf unbegreifliche Weise am hellen lichten Tage
umgebracht wurde, als er diese Treppe seines Hau-
ses hinaufging. Näheres können wir nicht angeben,
weder über den Ort der That, noch über den Na-
men des Ermordeten. So steht auch hinter der
Börse ein Haus, von dem alte Leute schreckliche
Dinge erzählen. Sie sagen vor Zeiten hätten alle
die wieder ausziehen müssen, die das Haus bewoh-
nen wollen, weil ihnen gleich in der ersten Nacht
ein fürchterliches Gesicht erschienen. So saß da ein
Mann Abends ganz ruhig beim Feuer und las vor
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Diese Einrichtung, die man auch bei einigen englischen Kirchen findet, trifft man fast überall bei den größeren kirchlichen Ge- bäuden in Frankreich, und man sagt, diese drei Ein- gänge sollen mit drei Abtheilungen im Jnnern in Verbindung stehen, von denen jede für einen beson- deren Gebrauch bestimmt ist; es dient nämlich die mittlere Abtheilung zum Eingang für die Geistlich- keit, jene zur rechten für die Männer und die zur linken für die Frauen. Das mittlere Portal ist durch einen Pfeiler abge- theilt, welcher mit dem Bildnisse der heiligen Jungfran Maria geschmückt ist, der diese Kathedrale geweiht wurde. Die Seitenwände dieser Thorgänge sind mit kolossalen Figuren geziert, deren fünf und dreißig an der Zahl sind und welche Patriarchen, Propheten, Kö- nige, Bischöfe, heilige Jungfrauen und Martyrer darstellen. Die Bögen über denselben und die Ge- simse darüber zeigen sehr fleißig gefertigte Bildhauer- arbeiten, die sehr viel Kunstsinn verrathen. 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Der Ritter Gautier von Mauny gelobt auf den Reiher: eine Stadt in Brand zu stecken; der Graf Erby: mit dem König von Frankreich zu kämpfen. Nachdem nun alle Anwesende, jeder auf seine Weise ein Gelübde gethan, kniet der Graf von Artois vor der Königin nieder, und sie schwört: das Kind, mit dem sie eben schwanger gehe, auf Frankreichs Boden zu gebären, und wenn sie der König nicht vor diesem Zeitpunkte überschifft, sich und das neugeborne Leben mit dem gezückten Dolche zu erstechen. Grausen erfaßt sie alle, der gebratene Reiher wird getheilt, bald schifft ein Heer nach Frankreich, und ein hundertjähriger Kampf beginnt. Gespensterwohnungen in Schottland. Jn Edimburg stehen alte Häuser, in denen Selbstmorde und Mordthaten vorgefallen sind. Ja manche Zimmer haben sogar bis auf den heutigen Tag ihren Namen nach der Unthat, die darin vor Jahrhunderten begangen worden ist. Durch solche Namen und Erinnerungen erhält sich die Geschichte alter, berühmter schottischer Familien, denen vor langen Zeiten die alten Häuser gehört haben. Noch vor Kurzem erzählte ein alter Mann von einer Treppe im Lawmarket, wo der Geist eines Ade- lichen umgehen soll, der vor ungefähr hundert Jah- ren auf unbegreifliche Weise am hellen lichten Tage umgebracht wurde, als er diese Treppe seines Hau- ses hinaufging. Näheres können wir nicht angeben, weder über den Ort der That, noch über den Na- men des Ermordeten. So steht auch hinter der Börse ein Haus, von dem alte Leute schreckliche Dinge erzählen. Sie sagen vor Zeiten hätten alle die wieder ausziehen müssen, die das Haus bewoh- nen wollen, weil ihnen gleich in der ersten Nacht ein fürchterliches Gesicht erschienen. So saß da ein Mann Abends ganz ruhig beim Feuer und las vor

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Zitationshilfe: Das wohlfeilste Panorama des Universums. Nr. 4. Prag, 1835, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_panorama04_1835/2>, abgerufen am 06.06.2024.