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Das wohlfeilste Panorama des Universums. Nr. 3. Prag, 1834.

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Panorama des Universums.
[Abbildung] Das Nashorn ( Rhinoceros ) .
[Beginn Spaltensatz]

Die Nase des Rhinoceros ist mit einem furcht-
baren Horn von etwa 3 bis 4 Fuß Länge, und leicht
rückwärts gebogen, ausgestattet, welches ihm dazu
dient, die Erde aufzuwühlen, um ihr die Pflanzen-
wurzeln abzugewinnen, oder Bäume aus dem Boden
zu reißen. Mit so großer Kraft und Vortheilen aus-
gerüstet, würde dieses Thier eines der furchtbarsten
seyn, wenn es nicht gewöhnlich eines der friedlie-
bendsten wäre. Wie alle Thiere, die sich von Pflan-
zen nähren, wird es nur wild, wenn es der Hunger
quält oder wenn es angefallen oder sonst gereizt
wird; dann aber bäumt es sich wüthend, stürzt in
heftigen Sprüngen gerade vorwärts mit einer so
großen Schnelligkeit, daß es Alles niederschlägt, was
ihm in den Weg kommt. Wenn es seinen Feind er-
reicht, so zertritt es ihn mit den Füssen; wie es ihn
aber das erstemal verfehlt hat, so ist es leicht, ihm
zu entkommen.

Das Rhinoceros ist ungeschickt und ungelehrig,
bald sanft, gleichgültig und stumpfsinnig, bald überläßt
es sich einem Anfall von blinder Wuth, die man eben
so wenig voraussehen als stillen kann. Diese unge-
heure Masse erhält im Zorn eine furchtbare Leichtigkeit
der Bewegungen, und macht Sätze, die man kaum
für möglich halten sollte; es springt rechts und links
und hebt sich wild in die Höhe; auch stößt es ein
durchdringendes Geschrei aus, während es im gewöhn-
lichen ruhigen Zustande nur ein dumpfes Grunzen,
wie der wilde Eber, vernehmen läßt.

Das Rhinoceros lebt einsam in der Wildniß
und nur selten sieht man mehrere beisammen. Es
folgt vorzüglich dem Ufer der Flüsse, und wälzt sich
gerne im Schlamm der Moräste.

Es nährt sich von großen Pflanzen, Dorngesträu-
chen, Körnern, Wurzeln und Blättern, und verzehrt
in einem Tage gegen 160 Pfund Nahrung, dazu
trinkt es eine verhältnißmäßige Menge Wasser.

Die Jndier und die Neger essen sein Fleisch;
auch sammeln sie seine Ueberreste sorgfältig, denen sie
große Heilkräfte zuschreiben. Sie halten sein Blut
für ein unfehlbares Mittel gegen eine große Anzahl
von Krankheiten, und das kleinste Theilchen seines
Hornes für ein unfehlbares Gegengift selbst gegen
die heftigsten Gifte. Diese Ueberzeugung ist so fest
bei ihnen, daß sie in einer aus dem Horn des Rhi-
[Spaltenumbruch] noceros gearbeiteten Schale aus den Händen ihres
grimmigsten Feindes trinken würden, und wenn sie
selbst das Gift auf dem Tranke schwimmen sähen.

Die Jäger wagen nicht dieses furchtbare Thier
von vorne anzugreifen, sondern sie folgen seiner Spur
bis in sumpfige Gegenden, verbergen sich in den
Gesträuchen, bis jenes sich niederlegt, um zu schlafen,
oder sich im Schlamm zu baden, und schießen dann
auf dasselbe nächst den Ohren oder unter dem Bauche,
denn dieß sind die einzigen Orte, wo man es tödtlich
verwunden kann. Wenn die Jäger das Thier fehlen,
so haben sie Alles von seiner Wuth zu fürchten, es
stürzt wie rasend in die Mitte seiner Feinde, und
wirft Alles nieder, was ihm den geringsten Wider-
stand entgegen setzt. Wenn es nichts begegnet, so
senkt es den Kopf, und zieht im schnellen Laufe tiefe
Furchen in die Erde, die es wüthend in großer Menge
über den Kopf wirft.

Der berühmte Naturforscher Cuvier hat ent-
deckt und bewiesen, daß eine große Menge der ver-
steinerten Knochen, die man in größerer oder gerin-
gerer Tiefe in Sibirien, Deutschland, England, Frank-
reich und Jtalien gefunden hat, Gebeine des Rhino-
ceros waren. Jm Jahre 1771 wurde, im Sande
vergraben, am Ufer des Wiluji der Körper eines
dieser Thiere gefunden, der vollkommen wohl erhalten
und mit Haaren bewachsen war. Dieses läßt uns
annehmen, daß in alten Zeiten das Rhinoceros auch
in Europa einheimisch war, und der Pelz, von dem
man Spuren fand, zeigt, daß sie damals auch in
den kälteren Himmelsstrichen leben konnten. Heutzu-
tage findet man diese Thiergattung nur noch in Ben-
galen, den Jndischen Wäldern, auf Sumatra und
den benachbarten Jnseln und im Jnnern von Afrika.



Sätze aus der Lebensweisheit.

Das größte Leiden, die größte Qual unsers
Lebens ist, daß wir beinahe niemals so viel Kraft
haben, unsre ganze Vernunft zu hören.

Kein Mensch ist geschickt genug, um all das
Böse zu erkennen, das er thut.

Es ist eben so schön, stolz gegen sich selbst,
als lächerlich, es gegen Andere zu seyn.

[Ende Spaltensatz]

Verlag von Gottlieb Haase Söhne in Prag. -- Redaction von W. A. Gerle.

Panorama des Universums.
[Abbildung] Das Nashorn ( Rhinoceros ) .
[Beginn Spaltensatz]

Die Nase des Rhinoceros ist mit einem furcht-
baren Horn von etwa 3 bis 4 Fuß Länge, und leicht
rückwärts gebogen, ausgestattet, welches ihm dazu
dient, die Erde aufzuwühlen, um ihr die Pflanzen-
wurzeln abzugewinnen, oder Bäume aus dem Boden
zu reißen. Mit so großer Kraft und Vortheilen aus-
gerüstet, würde dieses Thier eines der furchtbarsten
seyn, wenn es nicht gewöhnlich eines der friedlie-
bendsten wäre. Wie alle Thiere, die sich von Pflan-
zen nähren, wird es nur wild, wenn es der Hunger
quält oder wenn es angefallen oder sonst gereizt
wird; dann aber bäumt es sich wüthend, stürzt in
heftigen Sprüngen gerade vorwärts mit einer so
großen Schnelligkeit, daß es Alles niederschlägt, was
ihm in den Weg kommt. Wenn es seinen Feind er-
reicht, so zertritt es ihn mit den Füssen; wie es ihn
aber das erstemal verfehlt hat, so ist es leicht, ihm
zu entkommen.

Das Rhinoceros ist ungeschickt und ungelehrig,
bald sanft, gleichgültig und stumpfsinnig, bald überläßt
es sich einem Anfall von blinder Wuth, die man eben
so wenig voraussehen als stillen kann. Diese unge-
heure Masse erhält im Zorn eine furchtbare Leichtigkeit
der Bewegungen, und macht Sätze, die man kaum
für möglich halten sollte; es springt rechts und links
und hebt sich wild in die Höhe; auch stößt es ein
durchdringendes Geschrei aus, während es im gewöhn-
lichen ruhigen Zustande nur ein dumpfes Grunzen,
wie der wilde Eber, vernehmen läßt.

Das Rhinoceros lebt einsam in der Wildniß
und nur selten sieht man mehrere beisammen. Es
folgt vorzüglich dem Ufer der Flüsse, und wälzt sich
gerne im Schlamm der Moräste.

Es nährt sich von großen Pflanzen, Dorngesträu-
chen, Körnern, Wurzeln und Blättern, und verzehrt
in einem Tage gegen 160 Pfund Nahrung, dazu
trinkt es eine verhältnißmäßige Menge Wasser.

Die Jndier und die Neger essen sein Fleisch;
auch sammeln sie seine Ueberreste sorgfältig, denen sie
große Heilkräfte zuschreiben. Sie halten sein Blut
für ein unfehlbares Mittel gegen eine große Anzahl
von Krankheiten, und das kleinste Theilchen seines
Hornes für ein unfehlbares Gegengift selbst gegen
die heftigsten Gifte. Diese Ueberzeugung ist so fest
bei ihnen, daß sie in einer aus dem Horn des Rhi-
[Spaltenumbruch] noceros gearbeiteten Schale aus den Händen ihres
grimmigsten Feindes trinken würden, und wenn sie
selbst das Gift auf dem Tranke schwimmen sähen.

Die Jäger wagen nicht dieses furchtbare Thier
von vorne anzugreifen, sondern sie folgen seiner Spur
bis in sumpfige Gegenden, verbergen sich in den
Gesträuchen, bis jenes sich niederlegt, um zu schlafen,
oder sich im Schlamm zu baden, und schießen dann
auf dasselbe nächst den Ohren oder unter dem Bauche,
denn dieß sind die einzigen Orte, wo man es tödtlich
verwunden kann. Wenn die Jäger das Thier fehlen,
so haben sie Alles von seiner Wuth zu fürchten, es
stürzt wie rasend in die Mitte seiner Feinde, und
wirft Alles nieder, was ihm den geringsten Wider-
stand entgegen setzt. Wenn es nichts begegnet, so
senkt es den Kopf, und zieht im schnellen Laufe tiefe
Furchen in die Erde, die es wüthend in großer Menge
über den Kopf wirft.

Der berühmte Naturforscher Cuvier hat ent-
deckt und bewiesen, daß eine große Menge der ver-
steinerten Knochen, die man in größerer oder gerin-
gerer Tiefe in Sibirien, Deutschland, England, Frank-
reich und Jtalien gefunden hat, Gebeine des Rhino-
ceros waren. Jm Jahre 1771 wurde, im Sande
vergraben, am Ufer des Wiluji der Körper eines
dieser Thiere gefunden, der vollkommen wohl erhalten
und mit Haaren bewachsen war. Dieses läßt uns
annehmen, daß in alten Zeiten das Rhinoceros auch
in Europa einheimisch war, und der Pelz, von dem
man Spuren fand, zeigt, daß sie damals auch in
den kälteren Himmelsstrichen leben konnten. Heutzu-
tage findet man diese Thiergattung nur noch in Ben-
galen, den Jndischen Wäldern, auf Sumatra und
den benachbarten Jnseln und im Jnnern von Afrika.



Sätze aus der Lebensweisheit.

Das größte Leiden, die größte Qual unsers
Lebens ist, daß wir beinahe niemals so viel Kraft
haben, unsre ganze Vernunft zu hören.

Kein Mensch ist geschickt genug, um all das
Böse zu erkennen, das er thut.

Es ist eben so schön, stolz gegen sich selbst,
als lächerlich, es gegen Andere zu seyn.

[Ende Spaltensatz]

Verlag von Gottlieb Haase Söhne in Prag.Redaction von W. A. Gerle.

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[24/0008] Panorama des Universums. [Abbildung Das Nashorn ( Rhinoceros ) . ] Die Nase des Rhinoceros ist mit einem furcht- baren Horn von etwa 3 bis 4 Fuß Länge, und leicht rückwärts gebogen, ausgestattet, welches ihm dazu dient, die Erde aufzuwühlen, um ihr die Pflanzen- wurzeln abzugewinnen, oder Bäume aus dem Boden zu reißen. Mit so großer Kraft und Vortheilen aus- gerüstet, würde dieses Thier eines der furchtbarsten seyn, wenn es nicht gewöhnlich eines der friedlie- bendsten wäre. Wie alle Thiere, die sich von Pflan- zen nähren, wird es nur wild, wenn es der Hunger quält oder wenn es angefallen oder sonst gereizt wird; dann aber bäumt es sich wüthend, stürzt in heftigen Sprüngen gerade vorwärts mit einer so großen Schnelligkeit, daß es Alles niederschlägt, was ihm in den Weg kommt. Wenn es seinen Feind er- reicht, so zertritt es ihn mit den Füssen; wie es ihn aber das erstemal verfehlt hat, so ist es leicht, ihm zu entkommen. Das Rhinoceros ist ungeschickt und ungelehrig, bald sanft, gleichgültig und stumpfsinnig, bald überläßt es sich einem Anfall von blinder Wuth, die man eben so wenig voraussehen als stillen kann. Diese unge- heure Masse erhält im Zorn eine furchtbare Leichtigkeit der Bewegungen, und macht Sätze, die man kaum für möglich halten sollte; es springt rechts und links und hebt sich wild in die Höhe; auch stößt es ein durchdringendes Geschrei aus, während es im gewöhn- lichen ruhigen Zustande nur ein dumpfes Grunzen, wie der wilde Eber, vernehmen läßt. Das Rhinoceros lebt einsam in der Wildniß und nur selten sieht man mehrere beisammen. Es folgt vorzüglich dem Ufer der Flüsse, und wälzt sich gerne im Schlamm der Moräste. Es nährt sich von großen Pflanzen, Dorngesträu- chen, Körnern, Wurzeln und Blättern, und verzehrt in einem Tage gegen 160 Pfund Nahrung, dazu trinkt es eine verhältnißmäßige Menge Wasser. Die Jndier und die Neger essen sein Fleisch; auch sammeln sie seine Ueberreste sorgfältig, denen sie große Heilkräfte zuschreiben. Sie halten sein Blut für ein unfehlbares Mittel gegen eine große Anzahl von Krankheiten, und das kleinste Theilchen seines Hornes für ein unfehlbares Gegengift selbst gegen die heftigsten Gifte. Diese Ueberzeugung ist so fest bei ihnen, daß sie in einer aus dem Horn des Rhi- noceros gearbeiteten Schale aus den Händen ihres grimmigsten Feindes trinken würden, und wenn sie selbst das Gift auf dem Tranke schwimmen sähen. Die Jäger wagen nicht dieses furchtbare Thier von vorne anzugreifen, sondern sie folgen seiner Spur bis in sumpfige Gegenden, verbergen sich in den Gesträuchen, bis jenes sich niederlegt, um zu schlafen, oder sich im Schlamm zu baden, und schießen dann auf dasselbe nächst den Ohren oder unter dem Bauche, denn dieß sind die einzigen Orte, wo man es tödtlich verwunden kann. Wenn die Jäger das Thier fehlen, so haben sie Alles von seiner Wuth zu fürchten, es stürzt wie rasend in die Mitte seiner Feinde, und wirft Alles nieder, was ihm den geringsten Wider- stand entgegen setzt. Wenn es nichts begegnet, so senkt es den Kopf, und zieht im schnellen Laufe tiefe Furchen in die Erde, die es wüthend in großer Menge über den Kopf wirft. Der berühmte Naturforscher Cuvier hat ent- deckt und bewiesen, daß eine große Menge der ver- steinerten Knochen, die man in größerer oder gerin- gerer Tiefe in Sibirien, Deutschland, England, Frank- reich und Jtalien gefunden hat, Gebeine des Rhino- ceros waren. Jm Jahre 1771 wurde, im Sande vergraben, am Ufer des Wiluji der Körper eines dieser Thiere gefunden, der vollkommen wohl erhalten und mit Haaren bewachsen war. Dieses läßt uns annehmen, daß in alten Zeiten das Rhinoceros auch in Europa einheimisch war, und der Pelz, von dem man Spuren fand, zeigt, daß sie damals auch in den kälteren Himmelsstrichen leben konnten. Heutzu- tage findet man diese Thiergattung nur noch in Ben- galen, den Jndischen Wäldern, auf Sumatra und den benachbarten Jnseln und im Jnnern von Afrika. Sätze aus der Lebensweisheit. Das größte Leiden, die größte Qual unsers Lebens ist, daß wir beinahe niemals so viel Kraft haben, unsre ganze Vernunft zu hören. Kein Mensch ist geschickt genug, um all das Böse zu erkennen, das er thut. Es ist eben so schön, stolz gegen sich selbst, als lächerlich, es gegen Andere zu seyn. Verlag von Gottlieb Haase Söhne in Prag. — Redaction von W. A. Gerle.

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Zitationshilfe: Das wohlfeilste Panorama des Universums. Nr. 3. Prag, 1834, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_panorama03_1834/8>, abgerufen am 10.06.2024.