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Neue Rheinische Zeitung. Nr. 299. Köln, 16. Mai 1849.

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kämpfen, welche nichts wollen als Gesetz und Recht! Unser Aller Wahlspruch sei:

Ein einiges, freies Deutschland!

Die im Widerstande gegen das Ministerium Brandenburg-Manteuffel begriffenen Gemeinden und Städte der Grafschaft Mark.

Koblenz, 12. Mai.

Diesen Morgen während des Exercitiums einer Kompagnie des 25. Regiments kam ein junger Mann, welcher sehr kurzsichtig ist und eine Brille trägt, dem gottbegnadeten Hauptmanne etwas nahe. Der Ritter zog allsogleich den Degen, den jener mit dem Stocke abparirte, bis Soldaten ihrem Ritter zu Hülfe kamen. Sie schlugen ihn mit den Gewehrkolben zu Boden, währenddeß unser Hauptmann selbstzufrieden den Muth des herrlichen Kriegsheeres bewunderte. Der Verwundete ist ein k. Intendantur-Sekretär, und somit wird die Sache wie viele andere vertuscht werden. Wenn es ein Bürger gewesen, so würde es jetzt schon heißen, daß er die Soldaten verhöhnt habe etc. Der Vorfall wird jetzt schon als eines der berühmten Mißverständnisse angegeben, wahrscheinlich weil der Verletzte ein Beamter, dazu Landwehr-Lieutenant und kein Bürger gewesen. Alle Zuschauer und die Pioniere waren auf's Höchste entrüstet. Eine Kompagnie der letzteren hat auf unbestimmte Zeit Stubenarrest, weil sie auf offener Straße das Heckerlied gesungen. Ueberhaupt wird das herrliche Kriegsheer für den Bürgerkrieg gut vorbereitet. So suchte ein Artilleriehauptmann diese Woche seine Kompagnie zu überreden, daß sie nicht "für König und Vaterland", sondern bloß "für den König" geschworen hätten.

(Rh.- u. M.-Z.)
Aus dem Bergischen, 11. Mai.

Der Gemeinde-Rath zu Remscheid hat folgende Vorstellung an die Regierung in Düsseldorf gerichtet:

An die Königliche Regierung zu Düsseldorf.

Der in einer außerordentlichen Versammlung auf heute zusammengetretene Gemeinderath von Remscheid sieht sich dringend veranlaßt, Einer Königlichen Regierung von der hier herrschenden Aufregung aus Anlaß der Einberufung der Landwehr Kenntniß zu geben. Die eingezogenen Mannschaften sind vernehmentlich gestern auf ihrem Sammelplatz zu Gräfrath von den sie begleitenden Gemeindegliedern gewaltsam befreit worden, und die letzteren sprechen hier allgemein die Behauptung und Versicherung aus, daß sie bereit seien, sich nöthigenfalls mit bewaffneter Hand zum Schutze ihrer Mitbürger, der einberufenen Landwehrmänner, jeder Gewalt zu widersetzen, wenn es nämlich von der Behörde versucht werden möchte, sie auf diese Weise einzuziehen. Auch der unterzeichnete Gemeinderath sieht in der erfolgten Einberufung der Landwehr eine unnöthige, den inneren Frieden in hohem Grade gefährdende Maßregel, und bittet daher die Königliche Regierung, dahin wirken zu wollen, daß sie sofort zurückgezogen werde.

Remscheid, 10. Mai 1849.

Der Gemeinderath.

(Folgen die Unterschriften.)

27 Neuß, 13. Mai.

Die fieberhafte Stimmung hiesigen Orts erreichte ihren höchsten Grad, als man erfuhr, daß 13 der gefangenen Freischärler von Gladbach gestern Abend nach Düsseldorf transportirt worden, nachdem einer an, von den Soldaten erhaltenen Wunden gestorben sein soll.

Ein Racheruf durchhallte die Stadt.

Unser Bürgermeister, ein Brandenburg-Manteuffel en miniature, den alle Demonstrationen und Mißtrauensvota der hiesigen Bürgerschaft nicht aus seiner Stellung herausbringen konnten, und sich in dieser mit Arretirungen und Bajonetten behauptete, sah sich, da alles Militär nach Elberfeld abmarschirt, einsam und alleine und -- dankte endlich ab.

Viel hat zu dieser Abdikation die "grasfressende" Klasse beigetragen.

Als vor längerer Zeit die hiesigen Proletarier um Unterstützung aus den städtischen Fonds baten, wurde ihnen die Antwort: Wenn Ihr nichts zu fressen habt, geht auf die Wiesen und fresset Gras, wir können Euch nicht helfen.

In Folge dessen wird nun, nachdem uns früher ein Polizeikommissar, der aus städtischen Mitteln unterhalten wird, trotz Gemeinderathsprotest, und vor einigen Tagen ein Landrath provisorisch octroyirt worden, uns jetzt auch ein Bürgermeister gottesgnädig octroyirt werden.

Der für einen politischen Flüchtling gehaltene und gefangene, jetzt in Freiheit gesetzte Bürckner kann Ihnen die blutigen Merkmale. des traurigen Konfliktes der Soldatenbajonette mit seinem Rücken zeigen.

Ein Herr Lieutenant, der die Arretirung des Wirthes Lukas leitete, gab einer Patrouille wörtlich den Befehl: "Schießt den Kerl nieder, wenn ihr ihn nicht ergreifen könnt, wir haben die Gewalt!"

Solche Gewaltthaten geschehen in einer Stadt, die noch nicht einmal die Ehre des Belagerungszustandes genossen.

Hagen, 13. Mai.

Vorgestern wurde hier von den Theilnehmern an der Bewegung ein Wagen mit Zündhütchen, Pulver und Patronen aufgefangen und Tags vorher wurde ein Courier des Majors, der hier die Landwehr einzukleiden den Auftrag hatte, angehalten, und die Depeschen, welche er an das Oberkommando nach Münster bringen sollte, weggenommen. Von Iserlohn ist eine Deputation an das General-Kommando nach Münster abgegangen, welche bei demselben folgende Bedingungen geltend zu machen suchte:

1) Amnestie für alle Vergehen;

2) Nichteinkleidung der Landwehr;

3) Annahme der Reichsverfassung von Seiten des Königs;

4) Entlassung des Ministeriums;

Die beiden ersten Punkte wurden sofort bewilligt; über die beiden andern versprach man, sofort nach Berlin zu berichten, von wo man innerhalb zweimal 24 Stunden Antwort zu erhalten hoffte. Die Sache wird sehr ernst behandelt; alle Verbindung mit Iserlohn ist gehemmt, und Iserlohn ist nach allen Richtungen mit Wachtposten umgeben. Alles hat sich daselbst bewaffnet, doch wird Ordnung und Disciplin mit einer Strenge gehandhabt, die bewundernswerth sein soll.

Man hat in Iserlohn auch Cavallerie gebildet, und hiezu die Remontepferde genommen, die sich dort befanden.

(E. Z.)
Andernach, 13. Mai.

Gestern kam plötzlich eine Abtheilung Militär von Koblenz mit dem Dampfboote hier an, ließ das hiesige Landwehrzeughaus räumen und escortirte die Gewehre nach Ehrenbreitstein, wo sie sich unter dem Schutze der Kanonen sicherer befinden sollen. Die Stimmung auf dem Lande ist eine höchst bittere. Auf heute ist eine große Volksversammlung nach Mayen ausgeschrieben, an welcher sich viele Landwehrmänner betheiligen werden.

(Rh.- u. M.-Z.)
Trier, 13. Mai.

Sie glauben nicht, wie ängstlich unsere Militär- und Civil-Behörden uns bewachen lassen. An allen Thoren ist Militär in verstärktem Maße aufgestellt, und obgleich es jetzt erst 8 Uhr Morgens ist, so begegneten mir dennoch schon ein halbes Dutzend Patrouillen. Selbst auf der Porta martis (Simeonsthor) hat man Soldaten aufgestellt, ebenso auf dem Gangolphsthurme. Obgleich außer der Hauptwache und den Wachen an den 30 Thoren der Stadt noch mehrere Wachen von 10 bis 20 Mann bestehen, so hat man gestern doch wieder eine neue gebildet, und zwar im Theaterhause. Die dort einquartierte Truppenzahl scheint bedeutend zu sein, indem vor dem Hause gestern Abends eine Menge Soldaten auf- und abspazierten. Hr. Regierungs-Präsident Sebaldt hat trotzdem in seiner väterlichen Vorsorge so eben eine Proklamation erlassen, in welcher er nach seiner bekannten Manier zu seinen Pflegebefohlenen spricht. Er decretirt uns ohne Umstände einen Belagerungszustand in optima forma, obgleich er das Kind nicht geradezu beim Namen nennt. Für diejenigen Personen, welch die freisinnigen Aeußerungen Sebaldt's aus unserer glorreichen Barrikadenzeit vergangenen Jahres kennen, ist diese Sprache unbegreiflich. "Es ist denkbar, sagt Hr. Sebaldt, daß hierbei durch strengere Handhabung der Polizei auf Straßen und öffentlichen Plätzen manche Unbequemlichkeit entsteht; allein ich darf erwarten, daß der einsichtsvollere u. s. w.!" Der Schluß der Proklamation ist besonders bezeichnend; er zeigt uns in seiner ganzen Glorie das milde Beamtenherz des Hrn Präsidenten. Dieser Schluß heißt: "Ich hoffe, die Zeit zu erleben, wo man es mir Dank wissen wird, zeitig Ernst gebraucht zu haben: denn unter Umständen ist der strenge Weg der schonendste!"

(Rh.- u. M.-Z.)
34 Berlin, 13. Mai.

Aus zuverlässiger Quelle kann ich Ihnen die Nachricht mittheilen, daß die oktroyirte Reichsverfassung bereits gedruckt ist, und morgen an alle Regierungen versendet wird. Das Ganze ist nach Hansemann's Vorlagen bearbeitet. Im Eingang heißt es: "Um den anti-demokratischen (!) und anarchischen Bestrebungen ein Ende zu machen!"

* Berlin, 13. Mai.

Die Ereignisse am Rhein und dem allezeit treuen Westphalen selbst, welche jetzt zum hellen flammenden Aufstand geworden sind, machen die Besorgnisse der Regierung im hohen Grade rege. Es wird Ministerrath auf Ministerrath gehalten und man sucht sich selbst und untereinander Muth einzusprechen und zu energischen Beschlüssen zu kräftigen. Daß man alles auf eine Karte setzen, daß man das Schwert allein will entscheiden lassen, scheint gewiß. Man wird das alte preußische Spiel wieder treiben, Bürger gegen Arbeiter, Besitzlose gegen Besitzende aufzuregen, je nach den verschiedenen Verhältnissen. Man wird die konfessionelle Verschiedenheit benutzen, man wird einen Stamm durch den andern erdrücken wollen Gegen die Polen schickt man Schlesier und stachelt einen pseudo-germanischen Enthusiasmus gegen sie auf. Für Süd- und Mittel-Deutschland aber und für die Rheinprovinz bedient man sich der treuen Märker und Pommern. Ein Leitartikel der "deutschen Reform" zeigt, daß man sogar daran gedacht hat, die westlichen Provinzen ihrem Schicksal zu überlassen, nur Köln und Koblenz zu halten und die ganze Kraft zur Hülfeleistung an andere Regierungen zu verwenden. Jedenfalls gilt es, diesem schlauen Spiel alle Mittel entgegenzusetzen; es ist besonders die Aufgabe der westlichen Provinzen, in einem so gefährlichen Kampf bis auf den letzten Mann auszuharren, obwohl wir durchaus nicht verkennen, daß die eigentliche Gefahr in der Unthätigkeit des Nordens und besonders Berlins liegt.

Es ist im höchsten Grade bemerkenswerth, daß wir aus Sachsen über den Verlauf des sich jetzt entspinnenden Gebirgskampfes ganz ohne Nachrichten sind. Man weiß nicht das Mindeste von Tzschirner, nichts vom Stand der Sachen in Freiberg u. s. w. Danken müssen wir es aber den offiziellen Blättern, daß sie es gerade sind, welche die Bestialitäten des Militärs so offen erzählen; wären wir es, so würde man nicht säumen, uns der Verleumdung zu beschuldigen. So erzählt aber Herr Rellstab, den die Vossische nach Dresden geschickt hatte, daß man auf der Elbbrücke, Gefangene in den Fluß stürzte, und auf die, welche schwimmen konnten, geschossen hat!! Die "Deutsche Reform" erzählt heute, daß die gefangenen Insurgenten drei Tage lang in der Kirche zusammengepreßt waren, ohne daß diese nur einmal gereinigt und gelüftet wurde. Selbst dies ministerielle Blatt meint, es wäre dadurch die Kirche ein furchtbarer Aufenthalt geworden.

Wir bekommen hier in Preußen ganz die schönen Zeiten des alten Regime zurück, man scheut sich schon jetzt nicht, offen und rücksichtslos zu restauriren. So hat man auch das berüchtigte schwarze Kabinet der Post wieder eingeführt, (wer weiß, ob es je zu existiren aufgehört hat?) und das Erbrechen und Unterschlagen von Briefen an Personen, welche der Kompagnie Manteuffel besonders gefährlich erscheinen, hat wie früher begonnen. Wir sehen uns aber durch dies neue Verfahren der Regierung veranlaßt, Abgeordnete, welche hier der Linken angehörten, oder sich in Frankfurt befinden sollten, hiermit zu warnen! Sie mögen vorsichtig und immer darauf gefaßt sein, daß der Inhalt ihrer Briefe gelesen wird, wenn man sie überhaupt an die Adresse befördert.

Der Buchdruckereibesitzer Reichardt war vor einigen Tagen zum Minister Manteuffel gegangen, um von diesem Abhülfe zu verlangen gegen die vielen Störungen seines Geschäfts, denen er durch die harten Maßregeln des Herrn Wrangel noch unterliegen müsse. Er wurde indeß sehr ungnädig empfangen. Manteuffel rieth ihm zu machen, daß er fortkomme, er begriffe den General Wrangel nicht, wenn er (Manteuffel) Oberbefehlshaber wäre, so würde er ihn längst haben erschießen lassen.

Herr Wrangel hat den Besitzer der "ewigen Lampe," einer bekannten Bierstube, zu sich rufen lassen, und ihm bei Strafe der Schließung seines Lokals anbefohlen, er solle keine politischen Gespräche bei sich dulden. Als Herr Siechem, so heißt der Wirth, zu erwidern wagte, daß er doch seinen Gästen nicht das Sprechen verbieten könne, wurde ihm durch denselben geistreichen Krieger geantwortet: "Das geht mir nichts an, das ist Ihre Sache!" Seit diesem ominiösen Gespräche warnt eine schwarze Tafel in der ewigen Lampe vor politischen Gesprächen.

Die ersten 36 Geschwornen, mit denen uns Hr. Oberkonstabler Hinkeldey, gemäß der Schöpfung Rintelens beschenkt hat, scheinen wirklich aus den enragirtesten Preußenvereinern zusammengesetzt zu sein. Wir nennen nur Furbach, Geppert, Borsig, Dr. Krappe, v. Tempelhof, einige Hof-Tailleurs und Hof-Schuhmacher u. dgl serviles Volk mehr. Dazu hat der Staatsanwalt noch das Verwerfungsrecht von 12 Geschwornen und es wird dem Angeklagten schwer fallen, aus den alsdann Uebrigbleibenden 12 herauszusuchen, zu deren Unparteilichkeit er mehr Vertrauen hätte wie zu den Anderen. Die armen politischen Verbrecher! Sie werden vor diesem Forum noch viel weniger Gnade finden, als vor den personifizirten Landrechten, welche früher über sie zu Gericht saßen.

Da nach jedem Belagerungszustand, jeder bombardirten oder sonst für die Freiheit gefallenen Stadt alle Kurse zu steigen pflegen, hielt es eine Anzahl hiesiger, als rothe Reaktionäre und Haussiers bekannter Börsenwucherer für ihre Pflicht, dem herrlichen, siegreichen Kriegsherr in Dresden den Dank der Berliner Börse zu überbringen. Gestern Nachmittag ist deshalb eine derartige Gesellschaft nach Dresden gereist, beladen mit Körben voll Blumen und Kränzen, welche sie den Truppen überbringen wollen. Nebenbei werden sie sich weiden an dieser zerschossenen Stadt und sich ärgern, daß nicht mehr von dem Pöbel erschossen, erstochen oder ersäuft sind (s. Vossische Zeitung vom 12), der so oft die Ursache war, daß die Kurse fielen. An der Spitze dieses Triumphzuges stehen M. Jüterbogk, Asche etc., hier sehr wohl bekannte Subjekte.

Hr. Massaloup ging nach Schlesien im Auftrage des Ministeriums, um dort die Arbeiter und Proletarier zu gewinnen. Seine früheren demokratischen Verbindungen machten es ihm leicht, sich mit den Führern der Bewegung, wie er meinte, in Einverständniß zu setzen und sie, seiner Ansicht nach über sein letztes Ziel und seine endlichen Zwecke zu täuschen. Er schien auch einen sehr günstigen Erfolg zu erlangen, den er freilich durch Versprechungen über Versprechungen erkaufen mußte. Als er nach Berlin zurückgekehrt war, wurden seine Berichte über den günstigen Stand der Sache in Schlesien mit großer Freude gehört, mit etwas geringerer aber die Forderung, man müsse jetzt 200,000 Thlr. hergeben, um die Versprechungen zu realisiren, welche er dem Proletariat, besonders den armen Webern im Gebirge gemacht hatte. Er setzte hinzu, daß, wenn man diese Unterstützung nicht geben werde, sei Schlesien in acht Tagen in Aufruhr. Das Schicksal hat gewollt, daß wider sein Erwarten und ohne Verbindung mit der Urbewegung der Aufstand in Breslau wirklich gleich darauf losbrach, und seine Vorhersagung ganz gerechtfertigt erschien. Er mochte nun hoffen, jetzt die größte Anerkennung seiner so offenbar gewordenen Gewandtheit und klaren Einsicht in die Verhältnisse zu finden, erfuhr aber das Gegentheil. Der Minister erklärte, jetzt sei es zum offenen Kampfe gekommen, man könne sich daher nicht mehr mit Unterhandlungen abgeben, sondern müsse nun das Schwert in die Wagschaale werfen. So wurde also dem Hrn. Massaloup indirekt zu verstehen gegeben, man bedürfe seiner ferneren Dienste nicht mehr.

* Berlin, 12. Mai.

Das Organ der Brandenburg-Manteufel (Neue Preußische Zeitung) enthält wörtlich folgende amüsante Stelle:

"Wir hören, daß der Ober-Präsident Eichmann wieder sehr viel vom Abfall der Rheinlande faselt. Manche unserer Leser erinnern sich vielleicht, daß dieser edle Herr schon im März 1848 solche Lenzesblüthen entfaltete, aus denen sich im Oktober die schöne Frucht eines Ministeriums entwickelte, das hie und da Ministerium der Schande genannt wird. Jetzt aber ist der Mai 1849, und wir bitten den sehr edlen Herrn, der weder eine Eiche noch ein Mann sein soll, dies zu bedenken. Er würde zwar die Ehre Preußen's wohl nicht retten, wenn sie gefährdet würde, das glauben wir gern. Aber noch giebt es Männer in Preußen, die minder deutsch-französisch gesonnen sind, als Eichmann und Komp., und wir fürchten sogar das Ungeheure nicht, daß Herr Eichmann seinen -- Abtritt nähme."

* Berlin, 13. Mai.

Die "Neue Preußische Ztg.", Organ des Ministeriums Brandenburg-Manteuffel, schleudert der Rheinprovinz Folgendes ins Gesicht:

"Die Rheinprovinz, wenigstens der "deutsch-gesinnte" Theil, droht wieder mit dem Abfall und ist so deutsch, daß man französisch werden will. Glück auf! wir hätten Nichts dagegen und bäten nur, auch den "muthigen" Oberpräsidenten mitzunehmen. Leider aber dürfen wir weder die Drohung noch den Abfall fürchten. Die preußischen Gascozner am alten deutschen Rhein, denen jetzt die Milch der frommen Denkart sich in sauern Wein verwandelt, wir kennen ihre alte Parade. Ihre Begeisterung ist, wie ihr Patriotismus, nichts als ein Rechenexempel; hat man sie auf den Mund geschlagen und ihre Deputationen abgewiesen, so sind sie wieder so treu und gut wie jetzt ihr Oberpräsident. Der März des überwundenen Jahres hat uns um manche Erfahrung reicher gemacht, und die rheinischen Trompeten reichen nicht mehr aus, den preußischen Königsthron zum zweiten Male umzublasen. Mag abfallen, was faul ist, das Gute bleibt doch sitzen, und Preußen hat auch den Tilsiter Frieden überstanden. Was man uns nicht bringt das holen wir uns, und die Regierung sowie "die alten brandenburgischen Kernwanzenlande, werden nicht darunter leiden, wenn der "deutsche" Rhein zur Abwechslung als wiedereroberte Provinz behandelt werden könnte; wir würden uns alsdann auch die drei Millionen Unterstützungsgelder vom vorigen Jahre zurück erbitten."

* Berlin, 12. Mai.

Es ist in heutiger Zeit gut, an das zu erinnern, was erst vor wenigen Monaten sich zugetragen, was aber bei den sich überfluthenden Ereignissen leicht aus dem Gedächtniß und aus den Augen verloren wird.

Die Note, welche der König von Preußen am 8. April vorigen Jahres durch den außerordentlichen Gesandten L. v. Wyldenbruch in Kopenhagen dem dänischen Minister des Auswärtigen zustellen ließ -- Camphausen war Minister und hat dadurch allein seine Befähigung zu diplomatischen Schurkenstreichen und biedermännischem Volksverrath genugsam bewiesen -- jene Note, nach welcher Preußen im vorigen Jahre handelte, wie es im jetzigen handelt, lautete:

"Preußen wünscht vor allen Dingen die Herzogthümer Schleswig und Holstein ihrem König-Herzoge zu erhalten und ist gleich weit davon entfernt, seinen eigenen Interessen oder dem Ehrgeize dritter Personen dienen zu wollen. Im Interesse Dänemarks aber, so wie dem aller Nachbarstaaten liegt es, daß die Deutschen Fürsten sich der Angelegenheit kräftig annehmen, und einzig der Wunsch, die radikalen und republikanischen Elemente Deutschlands zu verhindern, sich unheilbringend einzumischen, bewog Preußen zu den gethanen Schritten Das Einrücken Preuß. Truppen in Holstein hatte den Zweck, das Bundesgebiet zu sichern und zu verhindern, daß die republikanischen Elemente Deutschlands, an die die Herzogthümer als letztes Mittel der Selbsterhaltung hätten appelliren können, sich der Sache zu bemächtigen vermöchten. -- Die Idee einer nordalbingschen Republik, welche bereits hervorgetreten ist, ist geeignet, sowohl Dänemark als die Deutschen Nachbarländer ernstlich zu gefährden. Preußen wird in dieser Stellung abwarten, ob Dänemark zu einer friedlichen Ausgleichung die Hände bietet. Sehr bereit ist der Unterzeichnete, so viel an ihm liegt, daß die von Sr. Majestät dem Könige von Dänemark als erste Bedingung friedlicher Unterhandlungen gestellte Forderung, der Zurückziehung Preuß. Truppen aus der Altstadt Rendsburg, erfolge. Eine friedliche Ausgleichung ist jetzt noch möglich, sie wird es nicht mehr sein, wenn der König von Dänemark in einem erbitterten Kampfe seinen Deutschen Unterthanen gegenübergetreten sein wird, der, den unwahrscheinlichen Fall auch angenommen, daß Dänemark der Kraft des gesammten Deutschlands gegenüber in dem Kampfe Sieger bliebe einen dauernden und bleibenden Besitz für Dänemark niemals begründen kann. Der eigene Vortheil Dänemarks ist es, den Preußen im Auge hat, seine Größe, seine Selbstständigkeit will es, die ihm durch Abreißung der Herzogthümer bedroht scheint, und ist erbötig dazu mitzuwirken."

X Königsberg, 10. Mai.

Während die Tagelöhner, die von den Preußenvereinen bisher durch Verabreichung von Taback, Bier und Geld zu den "schwarzweißen" Vereinssitzungen hingezogen und für die Reaktion gewonnen wurden, endlich den Braten zu riechen anfangen und wieder revolutionär werden: ist ein guter (allerdings denkunfähige) Theil der Gesellen, die zuerst mehr auf die revolutionäre Seite neigten, der Reaktion halbwegs zugefallen. Dieses Kunststück hat der hiesige "Gewerbe-Innungs-Verein" zu Stande gebracht.

Dieses mittelalterliche Institut besteht aus Meistern, die für den Zunftzwang schwärmen, in dessen Wiedergeburt sie die Lösung der sozialen Frage erkannt haben. Zu dieser Erkenntniß hat sie eine Manteuffel'sche Kreatur gebracht, einer jener Emissäre, die jetzt in allen größern Städten unter den Handwerkern im Solde der Reaktion ihr Wesen treiben. Früher königl. preuß. Regierungsschreiber, dann Gutsbesitzer, schmiert jetzt dieser Mensch, der den ganzen Verein am Gängelbande im Dreck herumtummelt, dessen Organ, eine Wochenschrift, zusammen, die unter dem Titel: Centralblatt des Gewerbe-Innungsvereins der Provinz Preußen, die Verdummung des Handwerkerstandes bezweckt. Unermüdlich werden in diesem Geschmiersel die Gesellen bombardirt; bald mit winselnden, herzerweichenden Phrasen: "Wir bitten, wir beschwören Euch, vertraut dem Worte Eurer Meister, die es wahrlich wohl mit Euch meinen!" Bald mit tiefsinnigen Vernunftgründen, denen kein angespannter Gesellenverstand zu widerstehen vermag: "Wollten nun auch noch die Gesellen an dem Stamme (den Meistern) zerren und rütteln, so würden sie sich in das eigene Fleisch schneiden, denn sie alle wollen ja selbst Stämme d. h. selbstständig (Meister) und

kämpfen, welche nichts wollen als Gesetz und Recht! Unser Aller Wahlspruch sei:

Ein einiges, freies Deutschland!

Die im Widerstande gegen das Ministerium Brandenburg-Manteuffel begriffenen Gemeinden und Städte der Grafschaft Mark.

Koblenz, 12. Mai.

Diesen Morgen während des Exercitiums einer Kompagnie des 25. Regiments kam ein junger Mann, welcher sehr kurzsichtig ist und eine Brille trägt, dem gottbegnadeten Hauptmanne etwas nahe. Der Ritter zog allsogleich den Degen, den jener mit dem Stocke abparirte, bis Soldaten ihrem Ritter zu Hülfe kamen. Sie schlugen ihn mit den Gewehrkolben zu Boden, währenddeß unser Hauptmann selbstzufrieden den Muth des herrlichen Kriegsheeres bewunderte. Der Verwundete ist ein k. Intendantur-Sekretär, und somit wird die Sache wie viele andere vertuscht werden. Wenn es ein Bürger gewesen, so würde es jetzt schon heißen, daß er die Soldaten verhöhnt habe etc. Der Vorfall wird jetzt schon als eines der berühmten Mißverständnisse angegeben, wahrscheinlich weil der Verletzte ein Beamter, dazu Landwehr-Lieutenant und kein Bürger gewesen. Alle Zuschauer und die Pioniere waren auf's Höchste entrüstet. Eine Kompagnie der letzteren hat auf unbestimmte Zeit Stubenarrest, weil sie auf offener Straße das Heckerlied gesungen. Ueberhaupt wird das herrliche Kriegsheer für den Bürgerkrieg gut vorbereitet. So suchte ein Artilleriehauptmann diese Woche seine Kompagnie zu überreden, daß sie nicht „für König und Vaterland“, sondern bloß „für den König“ geschworen hätten.

(Rh.- u. M.-Z.)
Aus dem Bergischen, 11. Mai.

Der Gemeinde-Rath zu Remscheid hat folgende Vorstellung an die Regierung in Düsseldorf gerichtet:

An die Königliche Regierung zu Düsseldorf.

Der in einer außerordentlichen Versammlung auf heute zusammengetretene Gemeinderath von Remscheid sieht sich dringend veranlaßt, Einer Königlichen Regierung von der hier herrschenden Aufregung aus Anlaß der Einberufung der Landwehr Kenntniß zu geben. Die eingezogenen Mannschaften sind vernehmentlich gestern auf ihrem Sammelplatz zu Gräfrath von den sie begleitenden Gemeindegliedern gewaltsam befreit worden, und die letzteren sprechen hier allgemein die Behauptung und Versicherung aus, daß sie bereit seien, sich nöthigenfalls mit bewaffneter Hand zum Schutze ihrer Mitbürger, der einberufenen Landwehrmänner, jeder Gewalt zu widersetzen, wenn es nämlich von der Behörde versucht werden möchte, sie auf diese Weise einzuziehen. Auch der unterzeichnete Gemeinderath sieht in der erfolgten Einberufung der Landwehr eine unnöthige, den inneren Frieden in hohem Grade gefährdende Maßregel, und bittet daher die Königliche Regierung, dahin wirken zu wollen, daß sie sofort zurückgezogen werde.

Remscheid, 10. Mai 1849.

Der Gemeinderath.

(Folgen die Unterschriften.)

27 Neuß, 13. Mai.

Die fieberhafte Stimmung hiesigen Orts erreichte ihren höchsten Grad, als man erfuhr, daß 13 der gefangenen Freischärler von Gladbach gestern Abend nach Düsseldorf transportirt worden, nachdem einer an, von den Soldaten erhaltenen Wunden gestorben sein soll.

Ein Racheruf durchhallte die Stadt.

Unser Bürgermeister, ein Brandenburg-Manteuffel en miniature, den alle Demonstrationen und Mißtrauensvota der hiesigen Bürgerschaft nicht aus seiner Stellung herausbringen konnten, und sich in dieser mit Arretirungen und Bajonetten behauptete, sah sich, da alles Militär nach Elberfeld abmarschirt, einsam und alleine und — dankte endlich ab.

Viel hat zu dieser Abdikation die „grasfressende“ Klasse beigetragen.

Als vor längerer Zeit die hiesigen Proletarier um Unterstützung aus den städtischen Fonds baten, wurde ihnen die Antwort: Wenn Ihr nichts zu fressen habt, geht auf die Wiesen und fresset Gras, wir können Euch nicht helfen.

In Folge dessen wird nun, nachdem uns früher ein Polizeikommissar, der aus städtischen Mitteln unterhalten wird, trotz Gemeinderathsprotest, und vor einigen Tagen ein Landrath provisorisch octroyirt worden, uns jetzt auch ein Bürgermeister gottesgnädig octroyirt werden.

Der für einen politischen Flüchtling gehaltene und gefangene, jetzt in Freiheit gesetzte Bürckner kann Ihnen die blutigen Merkmale. des traurigen Konfliktes der Soldatenbajonette mit seinem Rücken zeigen.

Ein Herr Lieutenant, der die Arretirung des Wirthes Lukas leitete, gab einer Patrouille wörtlich den Befehl: „Schießt den Kerl nieder, wenn ihr ihn nicht ergreifen könnt, wir haben die Gewalt!“

Solche Gewaltthaten geschehen in einer Stadt, die noch nicht einmal die Ehre des Belagerungszustandes genossen.

Hagen, 13. Mai.

Vorgestern wurde hier von den Theilnehmern an der Bewegung ein Wagen mit Zündhütchen, Pulver und Patronen aufgefangen und Tags vorher wurde ein Courier des Majors, der hier die Landwehr einzukleiden den Auftrag hatte, angehalten, und die Depeschen, welche er an das Oberkommando nach Münster bringen sollte, weggenommen. Von Iserlohn ist eine Deputation an das General-Kommando nach Münster abgegangen, welche bei demselben folgende Bedingungen geltend zu machen suchte:

1) Amnestie für alle Vergehen;

2) Nichteinkleidung der Landwehr;

3) Annahme der Reichsverfassung von Seiten des Königs;

4) Entlassung des Ministeriums;

Die beiden ersten Punkte wurden sofort bewilligt; über die beiden andern versprach man, sofort nach Berlin zu berichten, von wo man innerhalb zweimal 24 Stunden Antwort zu erhalten hoffte. Die Sache wird sehr ernst behandelt; alle Verbindung mit Iserlohn ist gehemmt, und Iserlohn ist nach allen Richtungen mit Wachtposten umgeben. Alles hat sich daselbst bewaffnet, doch wird Ordnung und Disciplin mit einer Strenge gehandhabt, die bewundernswerth sein soll.

Man hat in Iserlohn auch Cavallerie gebildet, und hiezu die Remontepferde genommen, die sich dort befanden.

(E. Z.)
Andernach, 13. Mai.

Gestern kam plötzlich eine Abtheilung Militär von Koblenz mit dem Dampfboote hier an, ließ das hiesige Landwehrzeughaus räumen und escortirte die Gewehre nach Ehrenbreitstein, wo sie sich unter dem Schutze der Kanonen sicherer befinden sollen. Die Stimmung auf dem Lande ist eine höchst bittere. Auf heute ist eine große Volksversammlung nach Mayen ausgeschrieben, an welcher sich viele Landwehrmänner betheiligen werden.

(Rh.- u. M.-Z.)
Trier, 13. Mai.

Sie glauben nicht, wie ängstlich unsere Militär- und Civil-Behörden uns bewachen lassen. An allen Thoren ist Militär in verstärktem Maße aufgestellt, und obgleich es jetzt erst 8 Uhr Morgens ist, so begegneten mir dennoch schon ein halbes Dutzend Patrouillen. Selbst auf der Porta martis (Simeonsthor) hat man Soldaten aufgestellt, ebenso auf dem Gangolphsthurme. Obgleich außer der Hauptwache und den Wachen an den 30 Thoren der Stadt noch mehrere Wachen von 10 bis 20 Mann bestehen, so hat man gestern doch wieder eine neue gebildet, und zwar im Theaterhause. Die dort einquartierte Truppenzahl scheint bedeutend zu sein, indem vor dem Hause gestern Abends eine Menge Soldaten auf- und abspazierten. Hr. Regierungs-Präsident Sebaldt hat trotzdem in seiner väterlichen Vorsorge so eben eine Proklamation erlassen, in welcher er nach seiner bekannten Manier zu seinen Pflegebefohlenen spricht. Er decretirt uns ohne Umstände einen Belagerungszustand in optima forma, obgleich er das Kind nicht geradezu beim Namen nennt. Für diejenigen Personen, welch die freisinnigen Aeußerungen Sebaldt's aus unserer glorreichen Barrikadenzeit vergangenen Jahres kennen, ist diese Sprache unbegreiflich. „Es ist denkbar, sagt Hr. Sebaldt, daß hierbei durch strengere Handhabung der Polizei auf Straßen und öffentlichen Plätzen manche Unbequemlichkeit entsteht; allein ich darf erwarten, daß der einsichtsvollere u. s. w.!“ Der Schluß der Proklamation ist besonders bezeichnend; er zeigt uns in seiner ganzen Glorie das milde Beamtenherz des Hrn Präsidenten. Dieser Schluß heißt: «Ich hoffe, die Zeit zu erleben, wo man es mir Dank wissen wird, zeitig Ernst gebraucht zu haben: denn unter Umständen ist der strenge Weg der schonendste!“

(Rh.- u. M.-Z.)
34 Berlin, 13. Mai.

Aus zuverlässiger Quelle kann ich Ihnen die Nachricht mittheilen, daß die oktroyirte Reichsverfassung bereits gedruckt ist, und morgen an alle Regierungen versendet wird. Das Ganze ist nach Hansemann's Vorlagen bearbeitet. Im Eingang heißt es: „Um den anti-demokratischen (!) und anarchischen Bestrebungen ein Ende zu machen!“

* Berlin, 13. Mai.

Die Ereignisse am Rhein und dem allezeit treuen Westphalen selbst, welche jetzt zum hellen flammenden Aufstand geworden sind, machen die Besorgnisse der Regierung im hohen Grade rege. Es wird Ministerrath auf Ministerrath gehalten und man sucht sich selbst und untereinander Muth einzusprechen und zu energischen Beschlüssen zu kräftigen. Daß man alles auf eine Karte setzen, daß man das Schwert allein will entscheiden lassen, scheint gewiß. Man wird das alte preußische Spiel wieder treiben, Bürger gegen Arbeiter, Besitzlose gegen Besitzende aufzuregen, je nach den verschiedenen Verhältnissen. Man wird die konfessionelle Verschiedenheit benutzen, man wird einen Stamm durch den andern erdrücken wollen Gegen die Polen schickt man Schlesier und stachelt einen pseudo-germanischen Enthusiasmus gegen sie auf. Für Süd- und Mittel-Deutschland aber und für die Rheinprovinz bedient man sich der treuen Märker und Pommern. Ein Leitartikel der „deutschen Reform“ zeigt, daß man sogar daran gedacht hat, die westlichen Provinzen ihrem Schicksal zu überlassen, nur Köln und Koblenz zu halten und die ganze Kraft zur Hülfeleistung an andere Regierungen zu verwenden. Jedenfalls gilt es, diesem schlauen Spiel alle Mittel entgegenzusetzen; es ist besonders die Aufgabe der westlichen Provinzen, in einem so gefährlichen Kampf bis auf den letzten Mann auszuharren, obwohl wir durchaus nicht verkennen, daß die eigentliche Gefahr in der Unthätigkeit des Nordens und besonders Berlins liegt.

Es ist im höchsten Grade bemerkenswerth, daß wir aus Sachsen über den Verlauf des sich jetzt entspinnenden Gebirgskampfes ganz ohne Nachrichten sind. Man weiß nicht das Mindeste von Tzschirner, nichts vom Stand der Sachen in Freiberg u. s. w. Danken müssen wir es aber den offiziellen Blättern, daß sie es gerade sind, welche die Bestialitäten des Militärs so offen erzählen; wären wir es, so würde man nicht säumen, uns der Verleumdung zu beschuldigen. So erzählt aber Herr Rellstab, den die Vossische nach Dresden geschickt hatte, daß man auf der Elbbrücke, Gefangene in den Fluß stürzte, und auf die, welche schwimmen konnten, geschossen hat!! Die „Deutsche Reform“ erzählt heute, daß die gefangenen Insurgenten drei Tage lang in der Kirche zusammengepreßt waren, ohne daß diese nur einmal gereinigt und gelüftet wurde. Selbst dies ministerielle Blatt meint, es wäre dadurch die Kirche ein furchtbarer Aufenthalt geworden.

Wir bekommen hier in Preußen ganz die schönen Zeiten des alten Regime zurück, man scheut sich schon jetzt nicht, offen und rücksichtslos zu restauriren. So hat man auch das berüchtigte schwarze Kabinet der Post wieder eingeführt, (wer weiß, ob es je zu existiren aufgehört hat?) und das Erbrechen und Unterschlagen von Briefen an Personen, welche der Kompagnie Manteuffel besonders gefährlich erscheinen, hat wie früher begonnen. Wir sehen uns aber durch dies neue Verfahren der Regierung veranlaßt, Abgeordnete, welche hier der Linken angehörten, oder sich in Frankfurt befinden sollten, hiermit zu warnen! Sie mögen vorsichtig und immer darauf gefaßt sein, daß der Inhalt ihrer Briefe gelesen wird, wenn man sie überhaupt an die Adresse befördert.

Der Buchdruckereibesitzer Reichardt war vor einigen Tagen zum Minister Manteuffel gegangen, um von diesem Abhülfe zu verlangen gegen die vielen Störungen seines Geschäfts, denen er durch die harten Maßregeln des Herrn Wrangel noch unterliegen müsse. Er wurde indeß sehr ungnädig empfangen. Manteuffel rieth ihm zu machen, daß er fortkomme, er begriffe den General Wrangel nicht, wenn er (Manteuffel) Oberbefehlshaber wäre, so würde er ihn längst haben erschießen lassen.

Herr Wrangel hat den Besitzer der „ewigen Lampe,“ einer bekannten Bierstube, zu sich rufen lassen, und ihm bei Strafe der Schließung seines Lokals anbefohlen, er solle keine politischen Gespräche bei sich dulden. Als Herr Siechem, so heißt der Wirth, zu erwidern wagte, daß er doch seinen Gästen nicht das Sprechen verbieten könne, wurde ihm durch denselben geistreichen Krieger geantwortet: „Das geht mir nichts an, das ist Ihre Sache!“ Seit diesem ominiösen Gespräche warnt eine schwarze Tafel in der ewigen Lampe vor politischen Gesprächen.

Die ersten 36 Geschwornen, mit denen uns Hr. Oberkonstabler Hinkeldey, gemäß der Schöpfung Rintelens beschenkt hat, scheinen wirklich aus den enragirtesten Preußenvereinern zusammengesetzt zu sein. Wir nennen nur Furbach, Geppert, Borsig, Dr. Krappe, v. Tempelhof, einige Hof-Tailleurs und Hof-Schuhmacher u. dgl serviles Volk mehr. Dazu hat der Staatsanwalt noch das Verwerfungsrecht von 12 Geschwornen und es wird dem Angeklagten schwer fallen, aus den alsdann Uebrigbleibenden 12 herauszusuchen, zu deren Unparteilichkeit er mehr Vertrauen hätte wie zu den Anderen. Die armen politischen Verbrecher! Sie werden vor diesem Forum noch viel weniger Gnade finden, als vor den personifizirten Landrechten, welche früher über sie zu Gericht saßen.

Da nach jedem Belagerungszustand, jeder bombardirten oder sonst für die Freiheit gefallenen Stadt alle Kurse zu steigen pflegen, hielt es eine Anzahl hiesiger, als rothe Reaktionäre und Haussiers bekannter Börsenwucherer für ihre Pflicht, dem herrlichen, siegreichen Kriegsherr in Dresden den Dank der Berliner Börse zu überbringen. Gestern Nachmittag ist deshalb eine derartige Gesellschaft nach Dresden gereist, beladen mit Körben voll Blumen und Kränzen, welche sie den Truppen überbringen wollen. Nebenbei werden sie sich weiden an dieser zerschossenen Stadt und sich ärgern, daß nicht mehr von dem Pöbel erschossen, erstochen oder ersäuft sind (s. Vossische Zeitung vom 12), der so oft die Ursache war, daß die Kurse fielen. An der Spitze dieses Triumphzuges stehen M. Jüterbogk, Asche etc., hier sehr wohl bekannte Subjekte.

Hr. Massaloup ging nach Schlesien im Auftrage des Ministeriums, um dort die Arbeiter und Proletarier zu gewinnen. Seine früheren demokratischen Verbindungen machten es ihm leicht, sich mit den Führern der Bewegung, wie er meinte, in Einverständniß zu setzen und sie, seiner Ansicht nach über sein letztes Ziel und seine endlichen Zwecke zu täuschen. Er schien auch einen sehr günstigen Erfolg zu erlangen, den er freilich durch Versprechungen über Versprechungen erkaufen mußte. Als er nach Berlin zurückgekehrt war, wurden seine Berichte über den günstigen Stand der Sache in Schlesien mit großer Freude gehört, mit etwas geringerer aber die Forderung, man müsse jetzt 200,000 Thlr. hergeben, um die Versprechungen zu realisiren, welche er dem Proletariat, besonders den armen Webern im Gebirge gemacht hatte. Er setzte hinzu, daß, wenn man diese Unterstützung nicht geben werde, sei Schlesien in acht Tagen in Aufruhr. Das Schicksal hat gewollt, daß wider sein Erwarten und ohne Verbindung mit der Urbewegung der Aufstand in Breslau wirklich gleich darauf losbrach, und seine Vorhersagung ganz gerechtfertigt erschien. Er mochte nun hoffen, jetzt die größte Anerkennung seiner so offenbar gewordenen Gewandtheit und klaren Einsicht in die Verhältnisse zu finden, erfuhr aber das Gegentheil. Der Minister erklärte, jetzt sei es zum offenen Kampfe gekommen, man könne sich daher nicht mehr mit Unterhandlungen abgeben, sondern müsse nun das Schwert in die Wagschaale werfen. So wurde also dem Hrn. Massaloup indirekt zu verstehen gegeben, man bedürfe seiner ferneren Dienste nicht mehr.

* Berlin, 12. Mai.

Das Organ der Brandenburg-Manteufel (Neue Preußische Zeitung) enthält wörtlich folgende amüsante Stelle:

„Wir hören, daß der Ober-Präsident Eichmann wieder sehr viel vom Abfall der Rheinlande faselt. Manche unserer Leser erinnern sich vielleicht, daß dieser edle Herr schon im März 1848 solche Lenzesblüthen entfaltete, aus denen sich im Oktober die schöne Frucht eines Ministeriums entwickelte, das hie und da Ministerium der Schande genannt wird. Jetzt aber ist der Mai 1849, und wir bitten den sehr edlen Herrn, der weder eine Eiche noch ein Mann sein soll, dies zu bedenken. Er würde zwar die Ehre Preußen's wohl nicht retten, wenn sie gefährdet würde, das glauben wir gern. Aber noch giebt es Männer in Preußen, die minder deutsch-französisch gesonnen sind, als Eichmann und Komp., und wir fürchten sogar das Ungeheure nicht, daß Herr Eichmann seinen — Abtritt nähme.“

* Berlin, 13. Mai.

Die „Neue Preußische Ztg.“, Organ des Ministeriums Brandenburg-Manteuffel, schleudert der Rheinprovinz Folgendes ins Gesicht:

„Die Rheinprovinz, wenigstens der „deutsch-gesinnte“ Theil, droht wieder mit dem Abfall und ist so deutsch, daß man französisch werden will. Glück auf! wir hätten Nichts dagegen und bäten nur, auch den „muthigen“ Oberpräsidenten mitzunehmen. Leider aber dürfen wir weder die Drohung noch den Abfall fürchten. Die preußischen Gascozner am alten deutschen Rhein, denen jetzt die Milch der frommen Denkart sich in sauern Wein verwandelt, wir kennen ihre alte Parade. Ihre Begeisterung ist, wie ihr Patriotismus, nichts als ein Rechenexempel; hat man sie auf den Mund geschlagen und ihre Deputationen abgewiesen, so sind sie wieder so treu und gut wie jetzt ihr Oberpräsident. Der März des überwundenen Jahres hat uns um manche Erfahrung reicher gemacht, und die rheinischen Trompeten reichen nicht mehr aus, den preußischen Königsthron zum zweiten Male umzublasen. Mag abfallen, was faul ist, das Gute bleibt doch sitzen, und Preußen hat auch den Tilsiter Frieden überstanden. Was man uns nicht bringt das holen wir uns, und die Regierung sowie „die alten brandenburgischen Kernwanzenlande, werden nicht darunter leiden, wenn der „deutsche“ Rhein zur Abwechslung als wiedereroberte Provinz behandelt werden könnte; wir würden uns alsdann auch die drei Millionen Unterstützungsgelder vom vorigen Jahre zurück erbitten.“

* Berlin, 12. Mai.

Es ist in heutiger Zeit gut, an das zu erinnern, was erst vor wenigen Monaten sich zugetragen, was aber bei den sich überfluthenden Ereignissen leicht aus dem Gedächtniß und aus den Augen verloren wird.

Die Note, welche der König von Preußen am 8. April vorigen Jahres durch den außerordentlichen Gesandten L. v. Wyldenbruch in Kopenhagen dem dänischen Minister des Auswärtigen zustellen ließ — Camphausen war Minister und hat dadurch allein seine Befähigung zu diplomatischen Schurkenstreichen und biedermännischem Volksverrath genugsam bewiesen — jene Note, nach welcher Preußen im vorigen Jahre handelte, wie es im jetzigen handelt, lautete:

„Preußen wünscht vor allen Dingen die Herzogthümer Schleswig und Holstein ihrem König-Herzoge zu erhalten und ist gleich weit davon entfernt, seinen eigenen Interessen oder dem Ehrgeize dritter Personen dienen zu wollen. Im Interesse Dänemarks aber, so wie dem aller Nachbarstaaten liegt es, daß die Deutschen Fürsten sich der Angelegenheit kräftig annehmen, und einzig der Wunsch, die radikalen und republikanischen Elemente Deutschlands zu verhindern, sich unheilbringend einzumischen, bewog Preußen zu den gethanen Schritten Das Einrücken Preuß. Truppen in Holstein hatte den Zweck, das Bundesgebiet zu sichern und zu verhindern, daß die republikanischen Elemente Deutschlands, an die die Herzogthümer als letztes Mittel der Selbsterhaltung hätten appelliren können, sich der Sache zu bemächtigen vermöchten. — Die Idee einer nordalbingschen Republik, welche bereits hervorgetreten ist, ist geeignet, sowohl Dänemark als die Deutschen Nachbarländer ernstlich zu gefährden. Preußen wird in dieser Stellung abwarten, ob Dänemark zu einer friedlichen Ausgleichung die Hände bietet. Sehr bereit ist der Unterzeichnete, so viel an ihm liegt, daß die von Sr. Majestät dem Könige von Dänemark als erste Bedingung friedlicher Unterhandlungen gestellte Forderung, der Zurückziehung Preuß. Truppen aus der Altstadt Rendsburg, erfolge. Eine friedliche Ausgleichung ist jetzt noch möglich, sie wird es nicht mehr sein, wenn der König von Dänemark in einem erbitterten Kampfe seinen Deutschen Unterthanen gegenübergetreten sein wird, der, den unwahrscheinlichen Fall auch angenommen, daß Dänemark der Kraft des gesammten Deutschlands gegenüber in dem Kampfe Sieger bliebe einen dauernden und bleibenden Besitz für Dänemark niemals begründen kann. Der eigene Vortheil Dänemarks ist es, den Preußen im Auge hat, seine Größe, seine Selbstständigkeit will es, die ihm durch Abreißung der Herzogthümer bedroht scheint, und ist erbötig dazu mitzuwirken.“

X Königsberg, 10. Mai.

Während die Tagelöhner, die von den Preußenvereinen bisher durch Verabreichung von Taback, Bier und Geld zu den „schwarzweißen“ Vereinssitzungen hingezogen und für die Reaktion gewonnen wurden, endlich den Braten zu riechen anfangen und wieder revolutionär werden: ist ein guter (allerdings denkunfähige) Theil der Gesellen, die zuerst mehr auf die revolutionäre Seite neigten, der Reaktion halbwegs zugefallen. Dieses Kunststück hat der hiesige „Gewerbe-Innungs-Verein“ zu Stande gebracht.

Dieses mittelalterliche Institut besteht aus Meistern, die für den Zunftzwang schwärmen, in dessen Wiedergeburt sie die Lösung der sozialen Frage erkannt haben. Zu dieser Erkenntniß hat sie eine Manteuffel'sche Kreatur gebracht, einer jener Emissäre, die jetzt in allen größern Städten unter den Handwerkern im Solde der Reaktion ihr Wesen treiben. Früher königl. preuß. Regierungsschreiber, dann Gutsbesitzer, schmiert jetzt dieser Mensch, der den ganzen Verein am Gängelbande im Dreck herumtummelt, dessen Organ, eine Wochenschrift, zusammen, die unter dem Titel: Centralblatt des Gewerbe-Innungsvereins der Provinz Preußen, die Verdummung des Handwerkerstandes bezweckt. Unermüdlich werden in diesem Geschmiersel die Gesellen bombardirt; bald mit winselnden, herzerweichenden Phrasen: „Wir bitten, wir beschwören Euch, vertraut dem Worte Eurer Meister, die es wahrlich wohl mit Euch meinen!“ Bald mit tiefsinnigen Vernunftgründen, denen kein angespannter Gesellenverstand zu widerstehen vermag: „Wollten nun auch noch die Gesellen an dem Stamme (den Meistern) zerren und rütteln, so würden sie sich in das eigene Fleisch schneiden, denn sie alle wollen ja selbst Stämme d. h. selbstständig (Meister) und

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          <p><pb facs="#f0002" n="1700"/>
kämpfen, welche nichts wollen als Gesetz und Recht! Unser Aller Wahlspruch sei:</p>
          <p>Ein einiges, freies Deutschland!</p>
          <p>Die im Widerstande gegen das Ministerium Brandenburg-Manteuffel begriffenen Gemeinden und Städte der Grafschaft Mark.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar299_012" type="jArticle">
          <head>Koblenz, 12. Mai.</head>
          <p>Diesen Morgen während des Exercitiums einer Kompagnie des 25. Regiments kam ein junger Mann, welcher sehr kurzsichtig ist und eine Brille trägt, dem gottbegnadeten Hauptmanne etwas nahe. Der Ritter zog allsogleich den Degen, den jener mit dem Stocke abparirte, bis Soldaten ihrem Ritter zu Hülfe kamen. Sie schlugen ihn mit den Gewehrkolben zu Boden, währenddeß unser Hauptmann selbstzufrieden den Muth des herrlichen Kriegsheeres bewunderte. Der Verwundete ist ein k. Intendantur-Sekretär, und somit wird die Sache wie viele andere vertuscht werden. Wenn es ein Bürger gewesen, so würde es jetzt schon heißen, daß er die Soldaten verhöhnt habe etc. Der Vorfall wird jetzt schon als eines der berühmten Mißverständnisse angegeben, wahrscheinlich weil der Verletzte ein Beamter, dazu Landwehr-Lieutenant und kein Bürger gewesen. Alle Zuschauer und die Pioniere waren auf's Höchste entrüstet. Eine Kompagnie der letzteren hat auf unbestimmte Zeit Stubenarrest, weil sie auf offener Straße das Heckerlied gesungen. Ueberhaupt wird das herrliche Kriegsheer für den Bürgerkrieg gut vorbereitet. So suchte ein Artilleriehauptmann diese Woche seine Kompagnie zu überreden, daß sie nicht &#x201E;für König und Vaterland&#x201C;, sondern bloß &#x201E;für den König&#x201C; geschworen hätten.</p>
          <bibl>(Rh.- u. M.-Z.)</bibl>
        </div>
        <div xml:id="ar299_013" type="jArticle">
          <head>Aus dem Bergischen, 11. Mai.</head>
          <p>Der Gemeinde-Rath zu Remscheid hat folgende Vorstellung an die Regierung in Düsseldorf gerichtet:</p>
          <p>An die Königliche Regierung zu Düsseldorf.</p>
          <p>Der in einer außerordentlichen Versammlung auf heute zusammengetretene Gemeinderath von Remscheid sieht sich dringend veranlaßt, Einer Königlichen Regierung von der hier herrschenden Aufregung aus Anlaß der Einberufung der Landwehr Kenntniß zu geben. Die eingezogenen Mannschaften sind vernehmentlich gestern auf ihrem Sammelplatz zu Gräfrath von den sie begleitenden Gemeindegliedern gewaltsam befreit worden, und die letzteren sprechen hier allgemein die Behauptung und Versicherung aus, daß sie bereit seien, sich nöthigenfalls mit bewaffneter Hand zum Schutze ihrer Mitbürger, der einberufenen Landwehrmänner, jeder Gewalt zu widersetzen, wenn es nämlich von der Behörde versucht werden möchte, sie auf diese Weise einzuziehen. Auch der unterzeichnete Gemeinderath sieht in der erfolgten Einberufung der Landwehr eine unnöthige, den inneren Frieden in hohem Grade gefährdende Maßregel, und bittet daher die Königliche Regierung, dahin wirken zu wollen, daß sie sofort zurückgezogen werde.</p>
          <p>Remscheid, 10. Mai 1849.</p>
          <p>Der Gemeinderath.</p>
          <p>(Folgen die Unterschriften.)</p>
        </div>
        <div xml:id="ar299_014" type="jArticle">
          <head><bibl><author>27</author></bibl> Neuß, 13. Mai.</head>
          <p>Die fieberhafte Stimmung hiesigen Orts erreichte ihren höchsten Grad, als man erfuhr, daß 13 der gefangenen Freischärler von Gladbach gestern Abend nach Düsseldorf transportirt worden, nachdem einer an, von den Soldaten erhaltenen Wunden gestorben sein soll.</p>
          <p>Ein Racheruf durchhallte die Stadt.</p>
          <p>Unser Bürgermeister, ein Brandenburg-Manteuffel en miniature, den alle Demonstrationen und Mißtrauensvota der hiesigen Bürgerschaft nicht aus seiner Stellung herausbringen konnten, und sich in dieser mit Arretirungen und Bajonetten behauptete, sah sich, da alles Militär nach Elberfeld abmarschirt, einsam und alleine und &#x2014; dankte endlich ab.</p>
          <p>Viel hat zu dieser Abdikation die &#x201E;grasfressende&#x201C; Klasse beigetragen.</p>
          <p>Als vor längerer Zeit die hiesigen Proletarier um Unterstützung aus den städtischen Fonds baten, wurde ihnen die Antwort: Wenn Ihr nichts zu fressen habt, geht auf die Wiesen und fresset Gras, wir können Euch nicht helfen.</p>
          <p>In Folge dessen wird nun, nachdem uns früher ein Polizeikommissar, der aus städtischen Mitteln unterhalten wird, trotz Gemeinderathsprotest, und vor einigen Tagen ein Landrath provisorisch octroyirt worden, uns jetzt auch ein Bürgermeister gottesgnädig octroyirt werden.</p>
          <p>Der für einen politischen Flüchtling gehaltene und gefangene, jetzt in Freiheit gesetzte Bürckner kann Ihnen die blutigen Merkmale. des traurigen Konfliktes der Soldatenbajonette mit seinem Rücken zeigen.</p>
          <p>Ein Herr Lieutenant, der die Arretirung des Wirthes Lukas leitete, gab einer Patrouille wörtlich den Befehl: &#x201E;Schießt den Kerl nieder, wenn ihr ihn nicht ergreifen könnt, wir haben die Gewalt!&#x201C;</p>
          <p>Solche Gewaltthaten geschehen in einer Stadt, die noch nicht einmal die Ehre des Belagerungszustandes genossen.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar299_015" type="jArticle">
          <head>Hagen, 13. Mai.</head>
          <p>Vorgestern wurde hier von den Theilnehmern an der Bewegung ein Wagen mit Zündhütchen, Pulver und Patronen aufgefangen und Tags vorher wurde ein Courier des Majors, der hier die Landwehr einzukleiden den Auftrag hatte, angehalten, und die Depeschen, welche er an das Oberkommando nach Münster bringen sollte, weggenommen. Von Iserlohn ist eine Deputation an das General-Kommando nach Münster abgegangen, welche bei demselben folgende Bedingungen geltend zu machen suchte:</p>
          <p>1) Amnestie für alle Vergehen;</p>
          <p>2) Nichteinkleidung der Landwehr;</p>
          <p>3) Annahme der Reichsverfassung von Seiten des Königs;</p>
          <p>4) Entlassung des Ministeriums;</p>
          <p>Die beiden ersten Punkte wurden sofort bewilligt; über die beiden andern versprach man, sofort nach Berlin zu berichten, von wo man innerhalb zweimal 24 Stunden Antwort zu erhalten hoffte. Die Sache wird sehr ernst behandelt; alle Verbindung mit Iserlohn ist gehemmt, und Iserlohn ist nach allen Richtungen mit Wachtposten umgeben. Alles hat sich daselbst bewaffnet, doch wird Ordnung und Disciplin mit einer Strenge gehandhabt, die bewundernswerth sein soll.</p>
          <p>Man hat in Iserlohn auch Cavallerie gebildet, und hiezu die Remontepferde genommen, die sich dort befanden.</p>
          <bibl>(E. Z.)</bibl>
        </div>
        <div xml:id="ar299_016" type="jArticle">
          <head>Andernach, 13. Mai.</head>
          <p>Gestern kam plötzlich eine Abtheilung Militär von Koblenz mit dem Dampfboote hier an, ließ das hiesige Landwehrzeughaus räumen und escortirte die Gewehre nach Ehrenbreitstein, wo sie sich unter dem Schutze der Kanonen sicherer befinden sollen. Die Stimmung auf dem Lande ist eine höchst bittere. Auf heute ist eine große Volksversammlung nach Mayen ausgeschrieben, an welcher sich viele Landwehrmänner betheiligen werden.</p>
          <bibl>(Rh.- u. M.-Z.)</bibl>
        </div>
        <div xml:id="ar299_017" type="jArticle">
          <head>Trier, 13. Mai.</head>
          <p>Sie glauben nicht, wie ängstlich unsere Militär- und Civil-Behörden uns bewachen lassen. An allen Thoren ist Militär in verstärktem Maße aufgestellt, und obgleich es jetzt erst 8 Uhr Morgens ist, so begegneten mir dennoch schon ein halbes Dutzend Patrouillen. Selbst auf der Porta martis (Simeonsthor) hat man Soldaten aufgestellt, ebenso auf dem Gangolphsthurme. Obgleich außer der Hauptwache und den Wachen an den 30 Thoren der Stadt noch mehrere Wachen von 10 bis 20 Mann bestehen, so hat man gestern doch wieder eine neue gebildet, und zwar im Theaterhause. Die dort einquartierte Truppenzahl scheint bedeutend zu sein, indem vor dem Hause gestern Abends eine Menge Soldaten auf- und abspazierten. Hr. Regierungs-Präsident Sebaldt hat trotzdem in seiner väterlichen Vorsorge so eben eine Proklamation erlassen, in welcher er nach seiner bekannten Manier zu seinen Pflegebefohlenen spricht. Er decretirt uns ohne Umstände einen Belagerungszustand in optima forma, obgleich er das Kind nicht geradezu beim Namen nennt. Für diejenigen Personen, welch die freisinnigen Aeußerungen Sebaldt's aus unserer glorreichen Barrikadenzeit vergangenen Jahres kennen, ist diese Sprache unbegreiflich. &#x201E;Es ist denkbar, sagt Hr. Sebaldt, daß hierbei durch strengere Handhabung der Polizei auf Straßen und öffentlichen Plätzen manche Unbequemlichkeit entsteht; allein ich darf erwarten, daß der einsichtsvollere u. s. w.!&#x201C; Der Schluß der Proklamation ist besonders bezeichnend; er zeigt uns in seiner ganzen Glorie das milde Beamtenherz des Hrn Präsidenten. Dieser Schluß heißt: «Ich hoffe, die Zeit zu erleben, wo man es mir Dank wissen wird, zeitig Ernst gebraucht zu haben: denn unter Umständen ist der strenge Weg der schonendste!&#x201C;</p>
          <bibl>(Rh.- u. M.-Z.)</bibl>
        </div>
        <div xml:id="ar299_018" type="jArticle">
          <head><bibl><author>34</author></bibl> Berlin, 13. Mai.</head>
          <p>Aus zuverlässiger Quelle kann ich Ihnen die Nachricht mittheilen, <hi rendition="#b">daß die oktroyirte Reichsverfassung bereits gedruckt ist, und morgen an alle Regierungen versendet wird.</hi> Das Ganze ist nach <hi rendition="#g">Hansemann's</hi> Vorlagen bearbeitet. Im Eingang heißt es: &#x201E;Um den anti-demokratischen (!) und anarchischen Bestrebungen ein Ende zu machen!&#x201C;</p>
        </div>
        <div xml:id="ar299_019" type="jArticle">
          <head><bibl><author>*</author></bibl> Berlin, 13. Mai.</head>
          <p>Die Ereignisse am Rhein und dem allezeit treuen Westphalen selbst, welche jetzt zum hellen flammenden Aufstand geworden sind, machen die Besorgnisse der Regierung im hohen Grade rege. Es wird Ministerrath auf Ministerrath gehalten und man sucht sich selbst und untereinander Muth einzusprechen und zu energischen Beschlüssen zu kräftigen. Daß man alles auf eine Karte setzen, daß man das Schwert allein will entscheiden lassen, scheint gewiß. Man wird das alte preußische Spiel wieder treiben, Bürger gegen Arbeiter, Besitzlose gegen Besitzende aufzuregen, je nach den verschiedenen Verhältnissen. Man wird die konfessionelle Verschiedenheit benutzen, man wird einen Stamm durch den andern erdrücken wollen Gegen die Polen schickt man Schlesier und stachelt einen pseudo-germanischen Enthusiasmus gegen sie auf. Für Süd- und Mittel-Deutschland aber und für die Rheinprovinz bedient man sich der treuen Märker und Pommern. Ein Leitartikel der &#x201E;deutschen Reform&#x201C; zeigt, daß man sogar daran gedacht hat, die westlichen Provinzen ihrem Schicksal zu überlassen, nur Köln und Koblenz zu halten und die ganze Kraft zur Hülfeleistung an andere Regierungen zu verwenden. Jedenfalls gilt es, diesem schlauen Spiel alle Mittel entgegenzusetzen; es ist besonders die Aufgabe der westlichen Provinzen, in einem so gefährlichen Kampf bis auf den letzten Mann auszuharren, obwohl wir durchaus nicht verkennen, daß die eigentliche Gefahr in der Unthätigkeit des Nordens und besonders Berlins liegt.</p>
          <p>Es ist im höchsten Grade bemerkenswerth, daß wir aus Sachsen über den Verlauf des sich jetzt entspinnenden Gebirgskampfes ganz ohne Nachrichten sind. Man weiß nicht das Mindeste von Tzschirner, nichts vom Stand der Sachen in Freiberg u. s. w. Danken müssen wir es aber den offiziellen Blättern, daß sie es gerade sind, welche die Bestialitäten des Militärs so offen erzählen; wären wir es, so würde man nicht säumen, uns der Verleumdung zu beschuldigen. So erzählt aber Herr Rellstab, den die Vossische nach Dresden geschickt hatte, daß man auf der Elbbrücke, Gefangene in den Fluß stürzte, und auf die, welche schwimmen konnten, geschossen hat!! Die &#x201E;Deutsche Reform&#x201C; erzählt heute, daß die gefangenen Insurgenten drei Tage lang in der Kirche zusammengepreßt waren, ohne daß diese nur einmal gereinigt und gelüftet wurde. Selbst dies ministerielle Blatt meint, es wäre dadurch die Kirche ein furchtbarer Aufenthalt geworden.</p>
          <p>Wir bekommen hier in Preußen ganz die schönen Zeiten des alten Regime zurück, man scheut sich schon jetzt nicht, offen und rücksichtslos zu restauriren. So hat man auch das berüchtigte schwarze Kabinet der Post wieder eingeführt, (wer weiß, ob es je zu existiren aufgehört hat?) und das Erbrechen und Unterschlagen von Briefen an Personen, welche der Kompagnie Manteuffel besonders gefährlich erscheinen, hat wie früher begonnen. Wir sehen uns aber durch dies neue Verfahren der Regierung veranlaßt, Abgeordnete, welche hier der Linken angehörten, oder sich in Frankfurt befinden sollten, hiermit zu warnen! Sie mögen vorsichtig und immer darauf gefaßt sein, daß der Inhalt ihrer Briefe gelesen wird, wenn man sie überhaupt an die Adresse befördert.</p>
          <p>Der Buchdruckereibesitzer Reichardt war vor einigen Tagen zum Minister Manteuffel gegangen, um von diesem Abhülfe zu verlangen gegen die vielen Störungen seines Geschäfts, denen er durch die harten Maßregeln des Herrn Wrangel noch unterliegen müsse. Er wurde indeß sehr ungnädig empfangen. Manteuffel rieth ihm zu machen, daß er fortkomme, er begriffe den General Wrangel nicht, wenn er (Manteuffel) Oberbefehlshaber wäre, so würde er ihn längst haben erschießen lassen.</p>
          <p>Herr Wrangel hat den Besitzer der &#x201E;ewigen Lampe,&#x201C; einer bekannten Bierstube, zu sich rufen lassen, und ihm bei Strafe der Schließung seines Lokals anbefohlen, er solle keine politischen Gespräche bei sich dulden. Als Herr Siechem, so heißt der Wirth, zu erwidern wagte, daß er doch seinen Gästen nicht das Sprechen verbieten könne, wurde ihm durch denselben geistreichen Krieger geantwortet: &#x201E;Das geht mir nichts an, das ist Ihre Sache!&#x201C; Seit diesem ominiösen Gespräche warnt eine schwarze Tafel in der ewigen Lampe vor politischen Gesprächen.</p>
          <p>Die ersten 36 Geschwornen, mit denen uns Hr. Oberkonstabler Hinkeldey, gemäß der Schöpfung Rintelens beschenkt hat, scheinen wirklich aus den enragirtesten Preußenvereinern zusammengesetzt zu sein. Wir nennen nur Furbach, Geppert, Borsig, Dr. Krappe, v. Tempelhof, einige Hof-Tailleurs und Hof-Schuhmacher u. dgl serviles Volk mehr. Dazu hat der Staatsanwalt noch das Verwerfungsrecht von 12 Geschwornen und es wird dem Angeklagten schwer fallen, aus den alsdann Uebrigbleibenden 12 herauszusuchen, zu deren Unparteilichkeit er mehr Vertrauen hätte wie zu den Anderen. Die armen politischen Verbrecher! Sie werden vor diesem Forum noch viel weniger Gnade finden, als vor den personifizirten Landrechten, welche früher über sie zu Gericht saßen.</p>
          <p>Da nach jedem Belagerungszustand, jeder bombardirten oder sonst für die Freiheit gefallenen Stadt alle Kurse zu steigen pflegen, hielt es eine Anzahl hiesiger, als rothe Reaktionäre und Haussiers bekannter Börsenwucherer für ihre Pflicht, dem herrlichen, siegreichen Kriegsherr in Dresden den Dank der Berliner Börse zu überbringen. Gestern Nachmittag ist deshalb eine derartige Gesellschaft nach Dresden gereist, beladen mit Körben voll Blumen und Kränzen, welche sie den Truppen überbringen wollen. Nebenbei werden sie sich weiden an dieser zerschossenen Stadt und sich ärgern, daß nicht mehr von dem Pöbel erschossen, erstochen oder ersäuft sind (s. Vossische Zeitung vom 12), der so oft die Ursache war, daß die Kurse fielen. An der Spitze dieses Triumphzuges stehen M. Jüterbogk, Asche etc., hier sehr wohl bekannte Subjekte.</p>
          <p>Hr. Massaloup ging nach Schlesien im Auftrage des Ministeriums, um dort die Arbeiter und Proletarier zu gewinnen. Seine früheren demokratischen Verbindungen machten es ihm leicht, sich mit den Führern der Bewegung, wie er meinte, in Einverständniß zu setzen und sie, seiner Ansicht nach über sein letztes Ziel und seine endlichen Zwecke zu täuschen. Er schien auch einen sehr günstigen Erfolg zu erlangen, den er freilich durch Versprechungen über Versprechungen erkaufen mußte. Als er nach Berlin zurückgekehrt war, wurden seine Berichte über den günstigen Stand der Sache in Schlesien mit großer Freude gehört, mit etwas geringerer aber die Forderung, man müsse jetzt 200,000 Thlr. hergeben, um die Versprechungen zu realisiren, welche er dem Proletariat, besonders den armen Webern im Gebirge gemacht hatte. Er setzte hinzu, daß, wenn man diese Unterstützung nicht geben werde, sei Schlesien in acht Tagen in Aufruhr. Das Schicksal hat gewollt, daß wider sein Erwarten und ohne Verbindung mit der Urbewegung der Aufstand in Breslau wirklich gleich darauf losbrach, und seine Vorhersagung ganz gerechtfertigt erschien. Er mochte nun hoffen, jetzt die größte Anerkennung seiner so offenbar gewordenen Gewandtheit und klaren Einsicht in die Verhältnisse zu finden, erfuhr aber das Gegentheil. Der Minister erklärte, jetzt sei es zum offenen Kampfe gekommen, man könne sich daher nicht mehr mit Unterhandlungen abgeben, sondern müsse nun das Schwert in die Wagschaale werfen. So wurde also dem Hrn. Massaloup indirekt zu verstehen gegeben, man bedürfe seiner ferneren Dienste nicht mehr.</p>
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          <head><bibl><author>*</author></bibl> Berlin, 12. Mai.</head>
          <p>Das Organ der Brandenburg-Manteufel (Neue Preußische Zeitung) enthält wörtlich folgende amüsante Stelle:</p>
          <p>&#x201E;Wir hören, daß der Ober-Präsident Eichmann wieder sehr viel vom Abfall der Rheinlande faselt. Manche unserer Leser erinnern sich vielleicht, daß dieser edle Herr schon im März 1848 solche Lenzesblüthen entfaltete, aus denen sich im Oktober die schöne Frucht eines Ministeriums entwickelte, das hie und da Ministerium der Schande genannt wird. Jetzt aber ist der Mai 1849, und wir bitten den sehr edlen Herrn, der weder eine Eiche noch ein Mann sein soll, dies zu bedenken. Er würde zwar die Ehre Preußen's wohl nicht retten, wenn sie gefährdet würde, das glauben wir gern. Aber noch giebt es Männer in Preußen, die minder deutsch-französisch gesonnen sind, als Eichmann und Komp., und wir fürchten sogar <hi rendition="#g">das</hi> Ungeheure nicht, daß Herr Eichmann seinen &#x2014; Abtritt nähme.&#x201C;</p>
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          <head><bibl><author>*</author></bibl> Berlin, 13. Mai.</head>
          <p>Die &#x201E;Neue Preußische Ztg.&#x201C;, Organ des Ministeriums Brandenburg-Manteuffel, schleudert der Rheinprovinz Folgendes ins Gesicht:</p>
          <p>&#x201E;Die Rheinprovinz, wenigstens der &#x201E;deutsch-gesinnte&#x201C; Theil, droht wieder mit dem Abfall und ist so deutsch, daß man französisch werden will. Glück auf! wir hätten Nichts dagegen und bäten nur, auch den &#x201E;muthigen&#x201C; Oberpräsidenten mitzunehmen. Leider aber dürfen wir weder die Drohung noch den Abfall fürchten. Die preußischen Gascozner am alten deutschen Rhein, denen jetzt die Milch der frommen Denkart sich in sauern Wein verwandelt, wir kennen ihre alte Parade. Ihre Begeisterung ist, wie ihr Patriotismus, nichts als ein Rechenexempel; hat man sie auf den Mund geschlagen und ihre Deputationen abgewiesen, so sind sie wieder so treu und gut wie jetzt ihr Oberpräsident. Der März des überwundenen Jahres hat uns um manche Erfahrung reicher gemacht, und die rheinischen Trompeten reichen nicht mehr aus, den preußischen Königsthron zum zweiten Male umzublasen. Mag abfallen, was faul ist, das Gute bleibt doch sitzen, und Preußen hat auch den Tilsiter Frieden überstanden. Was man uns nicht bringt das holen wir uns, und die Regierung sowie &#x201E;die alten brandenburgischen Kernwanzenlande, werden nicht darunter leiden, wenn der &#x201E;deutsche&#x201C; Rhein zur Abwechslung als wiedereroberte Provinz behandelt werden könnte; wir würden uns alsdann auch die drei Millionen Unterstützungsgelder vom vorigen Jahre zurück erbitten.&#x201C;</p>
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          <head><bibl><author>*</author></bibl> Berlin, 12. Mai.</head>
          <p>Es ist in heutiger Zeit gut, an das zu erinnern, was erst vor wenigen Monaten sich zugetragen, was aber bei den sich überfluthenden Ereignissen leicht aus dem Gedächtniß und aus den Augen verloren wird.</p>
          <p>Die Note, welche der König von Preußen am 8. April vorigen Jahres durch den außerordentlichen Gesandten L. v. <hi rendition="#g">Wyldenbruch</hi> in Kopenhagen dem <hi rendition="#g">dänischen</hi> Minister des Auswärtigen zustellen ließ &#x2014; Camphausen war Minister und hat dadurch allein seine Befähigung zu diplomatischen Schurkenstreichen und biedermännischem Volksverrath genugsam bewiesen &#x2014; jene Note, nach welcher Preußen im vorigen Jahre handelte, wie es im jetzigen handelt, lautete:</p>
          <p>&#x201E;Preußen wünscht vor allen Dingen die Herzogthümer Schleswig und Holstein ihrem König-Herzoge zu erhalten und ist gleich weit davon entfernt, seinen eigenen Interessen oder dem Ehrgeize dritter Personen dienen zu wollen. Im Interesse Dänemarks aber, so wie dem aller Nachbarstaaten liegt es, daß die Deutschen Fürsten sich der Angelegenheit kräftig annehmen, <hi rendition="#b">und einzig der Wunsch, die radikalen und republikanischen Elemente Deutschlands zu verhindern, sich unheilbringend einzumischen, bewog Preußen zu den gethanen Schritten</hi> Das Einrücken Preuß. Truppen in Holstein hatte den Zweck, das Bundesgebiet zu sichern und zu <hi rendition="#g">verhindern, daß die republikanischen Elemente Deutschlands,</hi> an die die Herzogthümer als letztes Mittel der Selbsterhaltung hätten appelliren können, <hi rendition="#g">sich der Sache zu bemächtigen vermöchten</hi>. &#x2014; Die Idee einer nordalbingschen Republik, welche bereits hervorgetreten ist, ist geeignet, sowohl Dänemark als die Deutschen Nachbarländer ernstlich zu gefährden. Preußen wird in dieser Stellung abwarten, ob Dänemark zu einer friedlichen Ausgleichung die Hände bietet. Sehr bereit ist der Unterzeichnete, so viel an ihm liegt, daß die von Sr. Majestät dem Könige von Dänemark als erste Bedingung friedlicher Unterhandlungen gestellte Forderung, der Zurückziehung Preuß. Truppen aus der Altstadt Rendsburg, erfolge. Eine friedliche Ausgleichung ist jetzt noch möglich, sie wird es nicht mehr sein, wenn der König von Dänemark in einem erbitterten Kampfe seinen Deutschen Unterthanen gegenübergetreten sein wird, der, den unwahrscheinlichen Fall auch angenommen, daß Dänemark der Kraft des gesammten Deutschlands gegenüber in dem Kampfe Sieger bliebe einen dauernden und bleibenden Besitz für Dänemark niemals begründen kann. <hi rendition="#b">Der eigene Vortheil Dänemarks ist es, den Preußen im Auge hat,</hi> <hi rendition="#g">seine Größe, seine Selbstständigkeit will es, die ihm durch Abreißung der Herzogthümer bedroht scheint, und ist erbötig dazu mitzuwirken</hi>.&#x201C;</p>
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          <head><bibl><author>X</author></bibl> Königsberg, 10. Mai.</head>
          <p>Während die Tagelöhner, die von den Preußenvereinen bisher durch Verabreichung von Taback, Bier und Geld zu den &#x201E;schwarzweißen&#x201C; Vereinssitzungen hingezogen und für die Reaktion gewonnen wurden, endlich den Braten zu riechen anfangen und wieder revolutionär werden: ist ein guter (allerdings denkunfähige) Theil der Gesellen, die zuerst mehr auf die revolutionäre Seite neigten, der Reaktion halbwegs zugefallen. Dieses Kunststück hat der hiesige &#x201E;Gewerbe-Innungs-Verein&#x201C; zu Stande gebracht.</p>
          <p>Dieses mittelalterliche Institut besteht aus Meistern, die für den Zunftzwang schwärmen, in dessen Wiedergeburt sie die Lösung der sozialen Frage erkannt haben. Zu dieser Erkenntniß hat sie eine Manteuffel'sche Kreatur gebracht, einer jener Emissäre, die jetzt in allen größern Städten unter den Handwerkern im Solde der Reaktion ihr Wesen treiben. Früher königl. preuß. Regierungsschreiber, dann Gutsbesitzer, schmiert jetzt dieser Mensch, der den ganzen Verein am Gängelbande im Dreck herumtummelt, dessen Organ, eine Wochenschrift, zusammen, die unter dem Titel: Centralblatt des Gewerbe-Innungsvereins der Provinz Preußen, die Verdummung des Handwerkerstandes bezweckt. Unermüdlich werden in diesem Geschmiersel die Gesellen bombardirt; bald mit winselnden, herzerweichenden Phrasen: &#x201E;Wir bitten, wir beschwören Euch, vertraut dem Worte Eurer Meister, die es wahrlich wohl mit Euch meinen!&#x201C; Bald mit tiefsinnigen Vernunftgründen, denen kein angespannter Gesellenverstand zu widerstehen vermag: &#x201E;Wollten nun auch noch die Gesellen an dem Stamme (den Meistern) zerren und rütteln, so würden sie sich in das eigene Fleisch schneiden, denn sie alle wollen ja selbst Stämme d. h. selbstständig (Meister) und
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[1700/0002] kämpfen, welche nichts wollen als Gesetz und Recht! Unser Aller Wahlspruch sei: Ein einiges, freies Deutschland! Die im Widerstande gegen das Ministerium Brandenburg-Manteuffel begriffenen Gemeinden und Städte der Grafschaft Mark. Koblenz, 12. Mai. Diesen Morgen während des Exercitiums einer Kompagnie des 25. Regiments kam ein junger Mann, welcher sehr kurzsichtig ist und eine Brille trägt, dem gottbegnadeten Hauptmanne etwas nahe. Der Ritter zog allsogleich den Degen, den jener mit dem Stocke abparirte, bis Soldaten ihrem Ritter zu Hülfe kamen. Sie schlugen ihn mit den Gewehrkolben zu Boden, währenddeß unser Hauptmann selbstzufrieden den Muth des herrlichen Kriegsheeres bewunderte. Der Verwundete ist ein k. Intendantur-Sekretär, und somit wird die Sache wie viele andere vertuscht werden. Wenn es ein Bürger gewesen, so würde es jetzt schon heißen, daß er die Soldaten verhöhnt habe etc. Der Vorfall wird jetzt schon als eines der berühmten Mißverständnisse angegeben, wahrscheinlich weil der Verletzte ein Beamter, dazu Landwehr-Lieutenant und kein Bürger gewesen. Alle Zuschauer und die Pioniere waren auf's Höchste entrüstet. Eine Kompagnie der letzteren hat auf unbestimmte Zeit Stubenarrest, weil sie auf offener Straße das Heckerlied gesungen. Ueberhaupt wird das herrliche Kriegsheer für den Bürgerkrieg gut vorbereitet. So suchte ein Artilleriehauptmann diese Woche seine Kompagnie zu überreden, daß sie nicht „für König und Vaterland“, sondern bloß „für den König“ geschworen hätten. (Rh.- u. M.-Z.) Aus dem Bergischen, 11. Mai. Der Gemeinde-Rath zu Remscheid hat folgende Vorstellung an die Regierung in Düsseldorf gerichtet: An die Königliche Regierung zu Düsseldorf. Der in einer außerordentlichen Versammlung auf heute zusammengetretene Gemeinderath von Remscheid sieht sich dringend veranlaßt, Einer Königlichen Regierung von der hier herrschenden Aufregung aus Anlaß der Einberufung der Landwehr Kenntniß zu geben. Die eingezogenen Mannschaften sind vernehmentlich gestern auf ihrem Sammelplatz zu Gräfrath von den sie begleitenden Gemeindegliedern gewaltsam befreit worden, und die letzteren sprechen hier allgemein die Behauptung und Versicherung aus, daß sie bereit seien, sich nöthigenfalls mit bewaffneter Hand zum Schutze ihrer Mitbürger, der einberufenen Landwehrmänner, jeder Gewalt zu widersetzen, wenn es nämlich von der Behörde versucht werden möchte, sie auf diese Weise einzuziehen. Auch der unterzeichnete Gemeinderath sieht in der erfolgten Einberufung der Landwehr eine unnöthige, den inneren Frieden in hohem Grade gefährdende Maßregel, und bittet daher die Königliche Regierung, dahin wirken zu wollen, daß sie sofort zurückgezogen werde. Remscheid, 10. Mai 1849. Der Gemeinderath. (Folgen die Unterschriften.) 27 Neuß, 13. Mai. Die fieberhafte Stimmung hiesigen Orts erreichte ihren höchsten Grad, als man erfuhr, daß 13 der gefangenen Freischärler von Gladbach gestern Abend nach Düsseldorf transportirt worden, nachdem einer an, von den Soldaten erhaltenen Wunden gestorben sein soll. Ein Racheruf durchhallte die Stadt. Unser Bürgermeister, ein Brandenburg-Manteuffel en miniature, den alle Demonstrationen und Mißtrauensvota der hiesigen Bürgerschaft nicht aus seiner Stellung herausbringen konnten, und sich in dieser mit Arretirungen und Bajonetten behauptete, sah sich, da alles Militär nach Elberfeld abmarschirt, einsam und alleine und — dankte endlich ab. Viel hat zu dieser Abdikation die „grasfressende“ Klasse beigetragen. Als vor längerer Zeit die hiesigen Proletarier um Unterstützung aus den städtischen Fonds baten, wurde ihnen die Antwort: Wenn Ihr nichts zu fressen habt, geht auf die Wiesen und fresset Gras, wir können Euch nicht helfen. In Folge dessen wird nun, nachdem uns früher ein Polizeikommissar, der aus städtischen Mitteln unterhalten wird, trotz Gemeinderathsprotest, und vor einigen Tagen ein Landrath provisorisch octroyirt worden, uns jetzt auch ein Bürgermeister gottesgnädig octroyirt werden. Der für einen politischen Flüchtling gehaltene und gefangene, jetzt in Freiheit gesetzte Bürckner kann Ihnen die blutigen Merkmale. des traurigen Konfliktes der Soldatenbajonette mit seinem Rücken zeigen. Ein Herr Lieutenant, der die Arretirung des Wirthes Lukas leitete, gab einer Patrouille wörtlich den Befehl: „Schießt den Kerl nieder, wenn ihr ihn nicht ergreifen könnt, wir haben die Gewalt!“ Solche Gewaltthaten geschehen in einer Stadt, die noch nicht einmal die Ehre des Belagerungszustandes genossen. Hagen, 13. Mai. Vorgestern wurde hier von den Theilnehmern an der Bewegung ein Wagen mit Zündhütchen, Pulver und Patronen aufgefangen und Tags vorher wurde ein Courier des Majors, der hier die Landwehr einzukleiden den Auftrag hatte, angehalten, und die Depeschen, welche er an das Oberkommando nach Münster bringen sollte, weggenommen. Von Iserlohn ist eine Deputation an das General-Kommando nach Münster abgegangen, welche bei demselben folgende Bedingungen geltend zu machen suchte: 1) Amnestie für alle Vergehen; 2) Nichteinkleidung der Landwehr; 3) Annahme der Reichsverfassung von Seiten des Königs; 4) Entlassung des Ministeriums; Die beiden ersten Punkte wurden sofort bewilligt; über die beiden andern versprach man, sofort nach Berlin zu berichten, von wo man innerhalb zweimal 24 Stunden Antwort zu erhalten hoffte. Die Sache wird sehr ernst behandelt; alle Verbindung mit Iserlohn ist gehemmt, und Iserlohn ist nach allen Richtungen mit Wachtposten umgeben. Alles hat sich daselbst bewaffnet, doch wird Ordnung und Disciplin mit einer Strenge gehandhabt, die bewundernswerth sein soll. Man hat in Iserlohn auch Cavallerie gebildet, und hiezu die Remontepferde genommen, die sich dort befanden. (E. Z.) Andernach, 13. Mai. Gestern kam plötzlich eine Abtheilung Militär von Koblenz mit dem Dampfboote hier an, ließ das hiesige Landwehrzeughaus räumen und escortirte die Gewehre nach Ehrenbreitstein, wo sie sich unter dem Schutze der Kanonen sicherer befinden sollen. Die Stimmung auf dem Lande ist eine höchst bittere. Auf heute ist eine große Volksversammlung nach Mayen ausgeschrieben, an welcher sich viele Landwehrmänner betheiligen werden. (Rh.- u. M.-Z.) Trier, 13. Mai. Sie glauben nicht, wie ängstlich unsere Militär- und Civil-Behörden uns bewachen lassen. An allen Thoren ist Militär in verstärktem Maße aufgestellt, und obgleich es jetzt erst 8 Uhr Morgens ist, so begegneten mir dennoch schon ein halbes Dutzend Patrouillen. Selbst auf der Porta martis (Simeonsthor) hat man Soldaten aufgestellt, ebenso auf dem Gangolphsthurme. Obgleich außer der Hauptwache und den Wachen an den 30 Thoren der Stadt noch mehrere Wachen von 10 bis 20 Mann bestehen, so hat man gestern doch wieder eine neue gebildet, und zwar im Theaterhause. Die dort einquartierte Truppenzahl scheint bedeutend zu sein, indem vor dem Hause gestern Abends eine Menge Soldaten auf- und abspazierten. Hr. Regierungs-Präsident Sebaldt hat trotzdem in seiner väterlichen Vorsorge so eben eine Proklamation erlassen, in welcher er nach seiner bekannten Manier zu seinen Pflegebefohlenen spricht. Er decretirt uns ohne Umstände einen Belagerungszustand in optima forma, obgleich er das Kind nicht geradezu beim Namen nennt. Für diejenigen Personen, welch die freisinnigen Aeußerungen Sebaldt's aus unserer glorreichen Barrikadenzeit vergangenen Jahres kennen, ist diese Sprache unbegreiflich. „Es ist denkbar, sagt Hr. Sebaldt, daß hierbei durch strengere Handhabung der Polizei auf Straßen und öffentlichen Plätzen manche Unbequemlichkeit entsteht; allein ich darf erwarten, daß der einsichtsvollere u. s. w.!“ Der Schluß der Proklamation ist besonders bezeichnend; er zeigt uns in seiner ganzen Glorie das milde Beamtenherz des Hrn Präsidenten. Dieser Schluß heißt: «Ich hoffe, die Zeit zu erleben, wo man es mir Dank wissen wird, zeitig Ernst gebraucht zu haben: denn unter Umständen ist der strenge Weg der schonendste!“ (Rh.- u. M.-Z.) 34 Berlin, 13. Mai. Aus zuverlässiger Quelle kann ich Ihnen die Nachricht mittheilen, daß die oktroyirte Reichsverfassung bereits gedruckt ist, und morgen an alle Regierungen versendet wird. Das Ganze ist nach Hansemann's Vorlagen bearbeitet. Im Eingang heißt es: „Um den anti-demokratischen (!) und anarchischen Bestrebungen ein Ende zu machen!“ * Berlin, 13. Mai. Die Ereignisse am Rhein und dem allezeit treuen Westphalen selbst, welche jetzt zum hellen flammenden Aufstand geworden sind, machen die Besorgnisse der Regierung im hohen Grade rege. Es wird Ministerrath auf Ministerrath gehalten und man sucht sich selbst und untereinander Muth einzusprechen und zu energischen Beschlüssen zu kräftigen. Daß man alles auf eine Karte setzen, daß man das Schwert allein will entscheiden lassen, scheint gewiß. Man wird das alte preußische Spiel wieder treiben, Bürger gegen Arbeiter, Besitzlose gegen Besitzende aufzuregen, je nach den verschiedenen Verhältnissen. Man wird die konfessionelle Verschiedenheit benutzen, man wird einen Stamm durch den andern erdrücken wollen Gegen die Polen schickt man Schlesier und stachelt einen pseudo-germanischen Enthusiasmus gegen sie auf. Für Süd- und Mittel-Deutschland aber und für die Rheinprovinz bedient man sich der treuen Märker und Pommern. Ein Leitartikel der „deutschen Reform“ zeigt, daß man sogar daran gedacht hat, die westlichen Provinzen ihrem Schicksal zu überlassen, nur Köln und Koblenz zu halten und die ganze Kraft zur Hülfeleistung an andere Regierungen zu verwenden. Jedenfalls gilt es, diesem schlauen Spiel alle Mittel entgegenzusetzen; es ist besonders die Aufgabe der westlichen Provinzen, in einem so gefährlichen Kampf bis auf den letzten Mann auszuharren, obwohl wir durchaus nicht verkennen, daß die eigentliche Gefahr in der Unthätigkeit des Nordens und besonders Berlins liegt. Es ist im höchsten Grade bemerkenswerth, daß wir aus Sachsen über den Verlauf des sich jetzt entspinnenden Gebirgskampfes ganz ohne Nachrichten sind. Man weiß nicht das Mindeste von Tzschirner, nichts vom Stand der Sachen in Freiberg u. s. w. Danken müssen wir es aber den offiziellen Blättern, daß sie es gerade sind, welche die Bestialitäten des Militärs so offen erzählen; wären wir es, so würde man nicht säumen, uns der Verleumdung zu beschuldigen. So erzählt aber Herr Rellstab, den die Vossische nach Dresden geschickt hatte, daß man auf der Elbbrücke, Gefangene in den Fluß stürzte, und auf die, welche schwimmen konnten, geschossen hat!! Die „Deutsche Reform“ erzählt heute, daß die gefangenen Insurgenten drei Tage lang in der Kirche zusammengepreßt waren, ohne daß diese nur einmal gereinigt und gelüftet wurde. Selbst dies ministerielle Blatt meint, es wäre dadurch die Kirche ein furchtbarer Aufenthalt geworden. Wir bekommen hier in Preußen ganz die schönen Zeiten des alten Regime zurück, man scheut sich schon jetzt nicht, offen und rücksichtslos zu restauriren. So hat man auch das berüchtigte schwarze Kabinet der Post wieder eingeführt, (wer weiß, ob es je zu existiren aufgehört hat?) und das Erbrechen und Unterschlagen von Briefen an Personen, welche der Kompagnie Manteuffel besonders gefährlich erscheinen, hat wie früher begonnen. Wir sehen uns aber durch dies neue Verfahren der Regierung veranlaßt, Abgeordnete, welche hier der Linken angehörten, oder sich in Frankfurt befinden sollten, hiermit zu warnen! Sie mögen vorsichtig und immer darauf gefaßt sein, daß der Inhalt ihrer Briefe gelesen wird, wenn man sie überhaupt an die Adresse befördert. Der Buchdruckereibesitzer Reichardt war vor einigen Tagen zum Minister Manteuffel gegangen, um von diesem Abhülfe zu verlangen gegen die vielen Störungen seines Geschäfts, denen er durch die harten Maßregeln des Herrn Wrangel noch unterliegen müsse. Er wurde indeß sehr ungnädig empfangen. Manteuffel rieth ihm zu machen, daß er fortkomme, er begriffe den General Wrangel nicht, wenn er (Manteuffel) Oberbefehlshaber wäre, so würde er ihn längst haben erschießen lassen. Herr Wrangel hat den Besitzer der „ewigen Lampe,“ einer bekannten Bierstube, zu sich rufen lassen, und ihm bei Strafe der Schließung seines Lokals anbefohlen, er solle keine politischen Gespräche bei sich dulden. Als Herr Siechem, so heißt der Wirth, zu erwidern wagte, daß er doch seinen Gästen nicht das Sprechen verbieten könne, wurde ihm durch denselben geistreichen Krieger geantwortet: „Das geht mir nichts an, das ist Ihre Sache!“ Seit diesem ominiösen Gespräche warnt eine schwarze Tafel in der ewigen Lampe vor politischen Gesprächen. Die ersten 36 Geschwornen, mit denen uns Hr. Oberkonstabler Hinkeldey, gemäß der Schöpfung Rintelens beschenkt hat, scheinen wirklich aus den enragirtesten Preußenvereinern zusammengesetzt zu sein. Wir nennen nur Furbach, Geppert, Borsig, Dr. Krappe, v. Tempelhof, einige Hof-Tailleurs und Hof-Schuhmacher u. dgl serviles Volk mehr. Dazu hat der Staatsanwalt noch das Verwerfungsrecht von 12 Geschwornen und es wird dem Angeklagten schwer fallen, aus den alsdann Uebrigbleibenden 12 herauszusuchen, zu deren Unparteilichkeit er mehr Vertrauen hätte wie zu den Anderen. Die armen politischen Verbrecher! Sie werden vor diesem Forum noch viel weniger Gnade finden, als vor den personifizirten Landrechten, welche früher über sie zu Gericht saßen. Da nach jedem Belagerungszustand, jeder bombardirten oder sonst für die Freiheit gefallenen Stadt alle Kurse zu steigen pflegen, hielt es eine Anzahl hiesiger, als rothe Reaktionäre und Haussiers bekannter Börsenwucherer für ihre Pflicht, dem herrlichen, siegreichen Kriegsherr in Dresden den Dank der Berliner Börse zu überbringen. Gestern Nachmittag ist deshalb eine derartige Gesellschaft nach Dresden gereist, beladen mit Körben voll Blumen und Kränzen, welche sie den Truppen überbringen wollen. Nebenbei werden sie sich weiden an dieser zerschossenen Stadt und sich ärgern, daß nicht mehr von dem Pöbel erschossen, erstochen oder ersäuft sind (s. Vossische Zeitung vom 12), der so oft die Ursache war, daß die Kurse fielen. An der Spitze dieses Triumphzuges stehen M. Jüterbogk, Asche etc., hier sehr wohl bekannte Subjekte. Hr. Massaloup ging nach Schlesien im Auftrage des Ministeriums, um dort die Arbeiter und Proletarier zu gewinnen. Seine früheren demokratischen Verbindungen machten es ihm leicht, sich mit den Führern der Bewegung, wie er meinte, in Einverständniß zu setzen und sie, seiner Ansicht nach über sein letztes Ziel und seine endlichen Zwecke zu täuschen. Er schien auch einen sehr günstigen Erfolg zu erlangen, den er freilich durch Versprechungen über Versprechungen erkaufen mußte. Als er nach Berlin zurückgekehrt war, wurden seine Berichte über den günstigen Stand der Sache in Schlesien mit großer Freude gehört, mit etwas geringerer aber die Forderung, man müsse jetzt 200,000 Thlr. hergeben, um die Versprechungen zu realisiren, welche er dem Proletariat, besonders den armen Webern im Gebirge gemacht hatte. Er setzte hinzu, daß, wenn man diese Unterstützung nicht geben werde, sei Schlesien in acht Tagen in Aufruhr. Das Schicksal hat gewollt, daß wider sein Erwarten und ohne Verbindung mit der Urbewegung der Aufstand in Breslau wirklich gleich darauf losbrach, und seine Vorhersagung ganz gerechtfertigt erschien. Er mochte nun hoffen, jetzt die größte Anerkennung seiner so offenbar gewordenen Gewandtheit und klaren Einsicht in die Verhältnisse zu finden, erfuhr aber das Gegentheil. Der Minister erklärte, jetzt sei es zum offenen Kampfe gekommen, man könne sich daher nicht mehr mit Unterhandlungen abgeben, sondern müsse nun das Schwert in die Wagschaale werfen. So wurde also dem Hrn. Massaloup indirekt zu verstehen gegeben, man bedürfe seiner ferneren Dienste nicht mehr. * Berlin, 12. Mai. Das Organ der Brandenburg-Manteufel (Neue Preußische Zeitung) enthält wörtlich folgende amüsante Stelle: „Wir hören, daß der Ober-Präsident Eichmann wieder sehr viel vom Abfall der Rheinlande faselt. Manche unserer Leser erinnern sich vielleicht, daß dieser edle Herr schon im März 1848 solche Lenzesblüthen entfaltete, aus denen sich im Oktober die schöne Frucht eines Ministeriums entwickelte, das hie und da Ministerium der Schande genannt wird. Jetzt aber ist der Mai 1849, und wir bitten den sehr edlen Herrn, der weder eine Eiche noch ein Mann sein soll, dies zu bedenken. Er würde zwar die Ehre Preußen's wohl nicht retten, wenn sie gefährdet würde, das glauben wir gern. Aber noch giebt es Männer in Preußen, die minder deutsch-französisch gesonnen sind, als Eichmann und Komp., und wir fürchten sogar das Ungeheure nicht, daß Herr Eichmann seinen — Abtritt nähme.“ * Berlin, 13. Mai. Die „Neue Preußische Ztg.“, Organ des Ministeriums Brandenburg-Manteuffel, schleudert der Rheinprovinz Folgendes ins Gesicht: „Die Rheinprovinz, wenigstens der „deutsch-gesinnte“ Theil, droht wieder mit dem Abfall und ist so deutsch, daß man französisch werden will. Glück auf! wir hätten Nichts dagegen und bäten nur, auch den „muthigen“ Oberpräsidenten mitzunehmen. Leider aber dürfen wir weder die Drohung noch den Abfall fürchten. Die preußischen Gascozner am alten deutschen Rhein, denen jetzt die Milch der frommen Denkart sich in sauern Wein verwandelt, wir kennen ihre alte Parade. Ihre Begeisterung ist, wie ihr Patriotismus, nichts als ein Rechenexempel; hat man sie auf den Mund geschlagen und ihre Deputationen abgewiesen, so sind sie wieder so treu und gut wie jetzt ihr Oberpräsident. Der März des überwundenen Jahres hat uns um manche Erfahrung reicher gemacht, und die rheinischen Trompeten reichen nicht mehr aus, den preußischen Königsthron zum zweiten Male umzublasen. Mag abfallen, was faul ist, das Gute bleibt doch sitzen, und Preußen hat auch den Tilsiter Frieden überstanden. Was man uns nicht bringt das holen wir uns, und die Regierung sowie „die alten brandenburgischen Kernwanzenlande, werden nicht darunter leiden, wenn der „deutsche“ Rhein zur Abwechslung als wiedereroberte Provinz behandelt werden könnte; wir würden uns alsdann auch die drei Millionen Unterstützungsgelder vom vorigen Jahre zurück erbitten.“ * Berlin, 12. Mai. Es ist in heutiger Zeit gut, an das zu erinnern, was erst vor wenigen Monaten sich zugetragen, was aber bei den sich überfluthenden Ereignissen leicht aus dem Gedächtniß und aus den Augen verloren wird. Die Note, welche der König von Preußen am 8. April vorigen Jahres durch den außerordentlichen Gesandten L. v. Wyldenbruch in Kopenhagen dem dänischen Minister des Auswärtigen zustellen ließ — Camphausen war Minister und hat dadurch allein seine Befähigung zu diplomatischen Schurkenstreichen und biedermännischem Volksverrath genugsam bewiesen — jene Note, nach welcher Preußen im vorigen Jahre handelte, wie es im jetzigen handelt, lautete: „Preußen wünscht vor allen Dingen die Herzogthümer Schleswig und Holstein ihrem König-Herzoge zu erhalten und ist gleich weit davon entfernt, seinen eigenen Interessen oder dem Ehrgeize dritter Personen dienen zu wollen. Im Interesse Dänemarks aber, so wie dem aller Nachbarstaaten liegt es, daß die Deutschen Fürsten sich der Angelegenheit kräftig annehmen, und einzig der Wunsch, die radikalen und republikanischen Elemente Deutschlands zu verhindern, sich unheilbringend einzumischen, bewog Preußen zu den gethanen Schritten Das Einrücken Preuß. Truppen in Holstein hatte den Zweck, das Bundesgebiet zu sichern und zu verhindern, daß die republikanischen Elemente Deutschlands, an die die Herzogthümer als letztes Mittel der Selbsterhaltung hätten appelliren können, sich der Sache zu bemächtigen vermöchten. — Die Idee einer nordalbingschen Republik, welche bereits hervorgetreten ist, ist geeignet, sowohl Dänemark als die Deutschen Nachbarländer ernstlich zu gefährden. Preußen wird in dieser Stellung abwarten, ob Dänemark zu einer friedlichen Ausgleichung die Hände bietet. Sehr bereit ist der Unterzeichnete, so viel an ihm liegt, daß die von Sr. Majestät dem Könige von Dänemark als erste Bedingung friedlicher Unterhandlungen gestellte Forderung, der Zurückziehung Preuß. Truppen aus der Altstadt Rendsburg, erfolge. Eine friedliche Ausgleichung ist jetzt noch möglich, sie wird es nicht mehr sein, wenn der König von Dänemark in einem erbitterten Kampfe seinen Deutschen Unterthanen gegenübergetreten sein wird, der, den unwahrscheinlichen Fall auch angenommen, daß Dänemark der Kraft des gesammten Deutschlands gegenüber in dem Kampfe Sieger bliebe einen dauernden und bleibenden Besitz für Dänemark niemals begründen kann. Der eigene Vortheil Dänemarks ist es, den Preußen im Auge hat, seine Größe, seine Selbstständigkeit will es, die ihm durch Abreißung der Herzogthümer bedroht scheint, und ist erbötig dazu mitzuwirken.“ X Königsberg, 10. Mai. Während die Tagelöhner, die von den Preußenvereinen bisher durch Verabreichung von Taback, Bier und Geld zu den „schwarzweißen“ Vereinssitzungen hingezogen und für die Reaktion gewonnen wurden, endlich den Braten zu riechen anfangen und wieder revolutionär werden: ist ein guter (allerdings denkunfähige) Theil der Gesellen, die zuerst mehr auf die revolutionäre Seite neigten, der Reaktion halbwegs zugefallen. Dieses Kunststück hat der hiesige „Gewerbe-Innungs-Verein“ zu Stande gebracht. Dieses mittelalterliche Institut besteht aus Meistern, die für den Zunftzwang schwärmen, in dessen Wiedergeburt sie die Lösung der sozialen Frage erkannt haben. Zu dieser Erkenntniß hat sie eine Manteuffel'sche Kreatur gebracht, einer jener Emissäre, die jetzt in allen größern Städten unter den Handwerkern im Solde der Reaktion ihr Wesen treiben. Früher königl. preuß. Regierungsschreiber, dann Gutsbesitzer, schmiert jetzt dieser Mensch, der den ganzen Verein am Gängelbande im Dreck herumtummelt, dessen Organ, eine Wochenschrift, zusammen, die unter dem Titel: Centralblatt des Gewerbe-Innungsvereins der Provinz Preußen, die Verdummung des Handwerkerstandes bezweckt. Unermüdlich werden in diesem Geschmiersel die Gesellen bombardirt; bald mit winselnden, herzerweichenden Phrasen: „Wir bitten, wir beschwören Euch, vertraut dem Worte Eurer Meister, die es wahrlich wohl mit Euch meinen!“ Bald mit tiefsinnigen Vernunftgründen, denen kein angespannter Gesellenverstand zu widerstehen vermag: „Wollten nun auch noch die Gesellen an dem Stamme (den Meistern) zerren und rütteln, so würden sie sich in das eigene Fleisch schneiden, denn sie alle wollen ja selbst Stämme d. h. selbstständig (Meister) und

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

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Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 2 (Nummer 184 bis Nummer 301) Köln, 1. Januar 1849 bis 19. Mai 1849. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




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Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 299. Köln, 16. Mai 1849, S. 1700. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz299_1849/2>, abgerufen am 23.11.2024.