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Neue Rheinische Zeitung. Nr. 295. Köln, 11. Mai 1849. Beilage.

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selbe an, hielt am Bahnhofe eine kurze Anrede, und wurde dann mit dem Zuge, unter Musik, in die Stadt begleitet, wo er auf dem Marktplatze abermals einige Worte an die Menge richtete. Begleitet war er von den Reichstagsabgeordneten Culmann und Kolb.

Mittags 12 Uhr. Auf den Straßen wogt eine unübersehbare Menschenmenge und immer noch langen Zuzüge von auswärts ein, theils Gesangvereine, theils andere Korporationen; jeder Zug mit seinen Fahnen geziert. Der Bahnzug brachte so eben über tausend Menschen.

Abends 6 Uhr. So eben endet die große Volksversammlung. Einstimmig wurden folgende Anträge angenommen: 1) daß der Landesvertheidigungsausschuß sofort ermächtigt werde, eine Progressiv-Einkommensteuer für alle Bewohner der Pfalz, zur Anschaffung von Waffen u. dgl., in Ausführung zu bringen; 2) daß aus jedem Kanton der Pfalz genanntem Ausschusse ein Wehrmann beigegeben werde, um die Bewaffnungsangelegenheit besser und schneller ordnen zu können, und 3) daß das pfälzische Volk die Republik will. -- Die Versammlung war weit zahlreicher besucht, wie die in Kaiserslautern. Es sprachen unter großem Jubel mehrere Abgeordnete der äußersten Linken, namentlich Schlöffel. Mehrere Hanauer und Bamberger, ein Düsseldorfer und ein Darmstädter und Andere, deren Namen mir entfallen, brachten von den dortigen Demokraten und Turnern herzlichen Gruß und Handschlag allen Pfälzern und die Zusicherung, daß die Bewohner der betreffenden Provinzen dem Winke harren, um dem Volke der Pfalz, das das erste Panier aufgepflanzt, beizustehen. Alles ging in schönster Ordnung vorüber. Ein heftiger Sturm aber trat gegen den Schluß hin ein, da Viele die Republik proklomirt haben wollten. Nachdem mehrere Redner, besonders Culmann, die Gründe dargethan, daß dieses nicht rathsam sei, bemerkte der Präsident: "Die Republik wollen wir nicht proklamiren, sondern erkämpfen, und die deutsche Verfassung soll unsre Barrikade und Brücke sein, durch welche wir sie erlangen!"

Eisenstuck empfahl in seinem Vortrage den Pfälzern Einigkeit; sie sollten handeln, aber weder zu früh noch zu spät, und darum im Einvernehmen mit dem selbstgewählten Vertheidigungsausschusse zu Kaiserslautern.

(Fr. J.)
103 Mannheim, 9. Mai.

Zuverlässigen Mittheilungen aus Rheinbaiern zufolge ist die ganze Gegend von Zweibrücken bis Landau und von Dürkheim bis Neustadt sowie das große Frankenheimer Thal im Besitz der Insurgenten.

Neustadt soll verbarrikadirt und von starken, wohlbewaffneten Schaaren besetzt sein. Bei Dürkheim stehen etwa 1200 Mann, welche durch Zuzüge von Frankreich und Rheinhessen noch verstärkt werden. Von hier aus zogen gestern 200 Arbeiter ab. Ueber den Zug der Preußen, denen sich die 400 Badenser vom hiesigen Regiment anschlossen, höre ich Folgendes: Als die Truppen gestern gegen 11 Uhr Morgens vor Speier eintrafen, fanden sie die Stadt verbarrikadirt. Die bairische Garnison in Speier, etwa 600 Mann, welche bekanntlich vor ihrem Abmarsch am Samstag schon rebellirten, hatte gemeinschaftliche Sache mit der Bürgerwehr gemacht, beim Barrikadenbau geholfen und sich selbst mit auf die Barrikaden gestellt. Gegen 2 Uhr wollte man hier deutlich feuern gehört haben. Ein Kurier, der heute morgen hier eintraf, versicherte, daß die Preußen vor Speier zurückgetrieben seien. Die Eisenbahn zwischen hier, Speier und Neustadt ist demolirt; sämmtliche Lokomotiven werden vom Volk in Neustadt zurückgehalten.

Fenner v. Fenneberg ist provisorisch bis zur Entscheidung Dufours zum Oberkommandanten sämmtlicher Bürgerwehrtruppen der Pfalz ernannt worden.

Aus dem nördlichen Schleswig, 7. Mai.

Unsere letzte Nachricht vom Einrücken der Reichstruppen in Jütland ist authentisch. Das Vordringen geschieht en masse und die beiden Generale Prittwitz und Bonin werden gemeinsam mit einander operiren. Man rückt gleichzeitig gegen Veile und Friedericia vor. Vorläufig bildet eine hinlängliche Anzahl Reichstruppen die Verbindungskette zwischen der Armee in Jütland und im Sundewitt. Die Dänen sollen bei Veile 19 Escadronen Cavallerie stehen haben, wir haben deren 40; auch unsere Artillerie ist der dänischen bei Weitem überlegen.

General Prittwitz hat an die Jütländer eine schon am 29. April ausgestellte Proclamation erlassen, in welcher er ihnen den bevorstehenden Einmarsch der deutschen Reichs-Truppen in Jütland ankündigt, sie des Schutzes ihres Eigenthums und ihrer Personen versichert und die bevorstehende Occupation von Jütland als eine Maßregel bezeichnet, welche dazu bestimmt sei, den Ersatz der von Dänemark aufgebrachten Schiffe und ihrer Ladungen zu sichern.

320 Frankfurt, 9. Mai.

Fluch der Nationalversammlung, Fluch Allen denen, welche statt zur unmittelbaren That zu schreiten, mit ihren parlamentarischen Kombinationen die Zeit der Stellung vergeuden. Das sächsische Volk kämpft, Trümmer und Leichen häufen sich in Dresden, das unter den Kugeln der preußischen Kanonen über die Vertheidiger der deutschen Freiheit niederstürzt. Die Pfalz wird von preußischen Truppen besetzt, welche der Reichskriegsminister gegen die "anarchischen Bestrebungen" schickt -- so lautet der ministerielle Befehl. In Angesicht dieser Gefahr des Vaterlandes und des Verraths des Ministeriums, trugen die Herren Simon und Vogt gestern darauf an, die Entscheidung auf 24 Stunden zu verschieben. Einen Tag mehr soll der Verrath handeln können! Und warum? Damit die Herren für ihre Unterhandlungen mit dem Weidenbusch Zeit gewinnen. Sie hoffen mit einer Partei die Mehrheit zu erhalten, welche Wien und Berlin untergehen ließ. Sachsen kämpft allein den Kampf der Verzweiflung, und es soll noch einen Tag warten, bis die großen Staatsmänner der Linken auf der Ministerbank hinken?

In der heutigen Sitzung erklärt Gagern, der Reichsverweser verlange noch 24 Stunden, um zu berathen, ob die Centralgewalt Maßregeln zur Durchführung der Verfassung treffen werde. 2) Das Ministerium verlangt demnach Vertagung der Diskussion bis morgen. Dies sind die großen Resultate der Politik unserer großen Staatsmänner der Linken. Für Sachsen will das Ministerium nichts thun; natürlich Namen wie Tzschirner sind ihm verhaßter als die rothe Fürstenherrschaft. Die Vertagung der Verhandlung auf den nächsten Tag wird mit großer Stimmenzahl gegen 133 Stimmen der Linken und äußersten Linken angenommen. So läßt die deutsche Nationalversammlung ruhig das sächsische Volk verbluten, welches sich für sie erhoben hat! -- Werden die übrigen deutschen Volksstämme es der Paulskirche gleichthun?

Während der Verhandlungen der Nationalversammlung wurden plötzlich auf dem Römerberge und Kornmarkte österreichische und preußische Pikets aufgestellt, ebenso auf dem Roßmarkte Kanonen aufgefahren. Die Interpellation, welche deshalb gestellt wurde, beantwortete der Herr Reichskriegsminister damit, daß diese Maßnahmen wider seinen Willen (?) geschehen seien, und er sofort die Zuruckziehung der Truppen bewerkstelligen werde, was denn auch mit Schluß der Sitzung geschah.

Französische Republik.
068 Paris, 9. Mai.

Auf den Straßen wird der Anklage-Akt des Berges gegen Bonaparte und seine Minister in beispiellosem Absatz verkauft. Die Arbeiter sind wieder in die Straßen gestiegen und die Soldatenemeuten nehmen seit dem glorreichen Römerzug Napoleon's II. einen immer bedeutenderen Umfang an.

Die allgemeine Erbitterung wird durch zwei Ereignisse gesteigert. Das erste ist der gleichzeitige Zug der Oesterreicher gegen Ancona und das Einrücken der Neapolitaner in Terracina, wodurch die Verschwörung des Barrotministeriums in dem päbstlichen Sonderbundskriege vollends enthüllt wird. Das zweite ist ein Brief des Mondkalbes Napoleon an den General Oudinot vom 8. (nach der Nachtsitzung der Nationalversammlung) welcher dem Expeditions-Kommandanten für sein Benehmen die größte Anerkennung spendet. Dieser Fehdehandschuh ist bereits in der Nationalversammlung aufgenommen worden; der große Odilon-Barrot hat indeß auf die Interpellation Grevy's die Verantwortlichkeit für diesen Brief abgelehnt und denselben für den Privatausdruck des Präsidenten erklärt.

Alles das zusammen, der Vorabend der Wahlschlacht, die Schmach in Italien, der offene Bruch des Präsidenten mit der Versammlung und die wachsenden Emeuten unter den Truppen, Alles das beginnt das Gewitter immer dichter heraufzutreiben, welches sich diesmal nicht blos über Frankreich, sondern über halb Europa mit allen russischen Unterknäsen und kleinen Provinzial-Standrechtshunden entladen wird.

Großbritannien.
* London, 9. Mai.

Im Oberhause passirte heute Morgen um 10 Minuten vor 5 Uhr, die Bill in Betreff der Aenderung der Schifffahrtsgesetze, mit einer Majorität von 10 Stimmen, in einem Hause von 336 Anwesenden und Proxies, die zweite Lesung.

Redakteur en chef Karl Marx.

Druck von J. W. Dietz.

selbe an, hielt am Bahnhofe eine kurze Anrede, und wurde dann mit dem Zuge, unter Musik, in die Stadt begleitet, wo er auf dem Marktplatze abermals einige Worte an die Menge richtete. Begleitet war er von den Reichstagsabgeordneten Culmann und Kolb.

Mittags 12 Uhr. Auf den Straßen wogt eine unübersehbare Menschenmenge und immer noch langen Zuzüge von auswärts ein, theils Gesangvereine, theils andere Korporationen; jeder Zug mit seinen Fahnen geziert. Der Bahnzug brachte so eben über tausend Menschen.

Abends 6 Uhr. So eben endet die große Volksversammlung. Einstimmig wurden folgende Anträge angenommen: 1) daß der Landesvertheidigungsausschuß sofort ermächtigt werde, eine Progressiv-Einkommensteuer für alle Bewohner der Pfalz, zur Anschaffung von Waffen u. dgl., in Ausführung zu bringen; 2) daß aus jedem Kanton der Pfalz genanntem Ausschusse ein Wehrmann beigegeben werde, um die Bewaffnungsangelegenheit besser und schneller ordnen zu können, und 3) daß das pfälzische Volk die Republik will. — Die Versammlung war weit zahlreicher besucht, wie die in Kaiserslautern. Es sprachen unter großem Jubel mehrere Abgeordnete der äußersten Linken, namentlich Schlöffel. Mehrere Hanauer und Bamberger, ein Düsseldorfer und ein Darmstädter und Andere, deren Namen mir entfallen, brachten von den dortigen Demokraten und Turnern herzlichen Gruß und Handschlag allen Pfälzern und die Zusicherung, daß die Bewohner der betreffenden Provinzen dem Winke harren, um dem Volke der Pfalz, das das erste Panier aufgepflanzt, beizustehen. Alles ging in schönster Ordnung vorüber. Ein heftiger Sturm aber trat gegen den Schluß hin ein, da Viele die Republik proklomirt haben wollten. Nachdem mehrere Redner, besonders Culmann, die Gründe dargethan, daß dieses nicht rathsam sei, bemerkte der Präsident: „Die Republik wollen wir nicht proklamiren, sondern erkämpfen, und die deutsche Verfassung soll unsre Barrikade und Brücke sein, durch welche wir sie erlangen!“

Eisenstuck empfahl in seinem Vortrage den Pfälzern Einigkeit; sie sollten handeln, aber weder zu früh noch zu spät, und darum im Einvernehmen mit dem selbstgewählten Vertheidigungsausschusse zu Kaiserslautern.

(Fr. J.)
103 Mannheim, 9. Mai.

Zuverlässigen Mittheilungen aus Rheinbaiern zufolge ist die ganze Gegend von Zweibrücken bis Landau und von Dürkheim bis Neustadt sowie das große Frankenheimer Thal im Besitz der Insurgenten.

Neustadt soll verbarrikadirt und von starken, wohlbewaffneten Schaaren besetzt sein. Bei Dürkheim stehen etwa 1200 Mann, welche durch Zuzüge von Frankreich und Rheinhessen noch verstärkt werden. Von hier aus zogen gestern 200 Arbeiter ab. Ueber den Zug der Preußen, denen sich die 400 Badenser vom hiesigen Regiment anschlossen, höre ich Folgendes: Als die Truppen gestern gegen 11 Uhr Morgens vor Speier eintrafen, fanden sie die Stadt verbarrikadirt. Die bairische Garnison in Speier, etwa 600 Mann, welche bekanntlich vor ihrem Abmarsch am Samstag schon rebellirten, hatte gemeinschaftliche Sache mit der Bürgerwehr gemacht, beim Barrikadenbau geholfen und sich selbst mit auf die Barrikaden gestellt. Gegen 2 Uhr wollte man hier deutlich feuern gehört haben. Ein Kurier, der heute morgen hier eintraf, versicherte, daß die Preußen vor Speier zurückgetrieben seien. Die Eisenbahn zwischen hier, Speier und Neustadt ist demolirt; sämmtliche Lokomotiven werden vom Volk in Neustadt zurückgehalten.

Fenner v. Fenneberg ist provisorisch bis zur Entscheidung Dufours zum Oberkommandanten sämmtlicher Bürgerwehrtruppen der Pfalz ernannt worden.

Aus dem nördlichen Schleswig, 7. Mai.

Unsere letzte Nachricht vom Einrücken der Reichstruppen in Jütland ist authentisch. Das Vordringen geschieht en masse und die beiden Generale Prittwitz und Bonin werden gemeinsam mit einander operiren. Man rückt gleichzeitig gegen Veile und Friedericia vor. Vorläufig bildet eine hinlängliche Anzahl Reichstruppen die Verbindungskette zwischen der Armee in Jütland und im Sundewitt. Die Dänen sollen bei Veile 19 Escadronen Cavallerie stehen haben, wir haben deren 40; auch unsere Artillerie ist der dänischen bei Weitem überlegen.

General Prittwitz hat an die Jütländer eine schon am 29. April ausgestellte Proclamation erlassen, in welcher er ihnen den bevorstehenden Einmarsch der deutschen Reichs-Truppen in Jütland ankündigt, sie des Schutzes ihres Eigenthums und ihrer Personen versichert und die bevorstehende Occupation von Jütland als eine Maßregel bezeichnet, welche dazu bestimmt sei, den Ersatz der von Dänemark aufgebrachten Schiffe und ihrer Ladungen zu sichern.

320 Frankfurt, 9. Mai.

Fluch der Nationalversammlung, Fluch Allen denen, welche statt zur unmittelbaren That zu schreiten, mit ihren parlamentarischen Kombinationen die Zeit der Stellung vergeuden. Das sächsische Volk kämpft, Trümmer und Leichen häufen sich in Dresden, das unter den Kugeln der preußischen Kanonen über die Vertheidiger der deutschen Freiheit niederstürzt. Die Pfalz wird von preußischen Truppen besetzt, welche der Reichskriegsminister gegen die „anarchischen Bestrebungen“ schickt — so lautet der ministerielle Befehl. In Angesicht dieser Gefahr des Vaterlandes und des Verraths des Ministeriums, trugen die Herren Simon und Vogt gestern darauf an, die Entscheidung auf 24 Stunden zu verschieben. Einen Tag mehr soll der Verrath handeln können! Und warum? Damit die Herren für ihre Unterhandlungen mit dem Weidenbusch Zeit gewinnen. Sie hoffen mit einer Partei die Mehrheit zu erhalten, welche Wien und Berlin untergehen ließ. Sachsen kämpft allein den Kampf der Verzweiflung, und es soll noch einen Tag warten, bis die großen Staatsmänner der Linken auf der Ministerbank hinken?

In der heutigen Sitzung erklärt Gagern, der Reichsverweser verlange noch 24 Stunden, um zu berathen, ob die Centralgewalt Maßregeln zur Durchführung der Verfassung treffen werde. 2) Das Ministerium verlangt demnach Vertagung der Diskussion bis morgen. Dies sind die großen Resultate der Politik unserer großen Staatsmänner der Linken. Für Sachsen will das Ministerium nichts thun; natürlich Namen wie Tzschirner sind ihm verhaßter als die rothe Fürstenherrschaft. Die Vertagung der Verhandlung auf den nächsten Tag wird mit großer Stimmenzahl gegen 133 Stimmen der Linken und äußersten Linken angenommen. So läßt die deutsche Nationalversammlung ruhig das sächsische Volk verbluten, welches sich für sie erhoben hat! — Werden die übrigen deutschen Volksstämme es der Paulskirche gleichthun?

Während der Verhandlungen der Nationalversammlung wurden plötzlich auf dem Römerberge und Kornmarkte österreichische und preußische Pikets aufgestellt, ebenso auf dem Roßmarkte Kanonen aufgefahren. Die Interpellation, welche deshalb gestellt wurde, beantwortete der Herr Reichskriegsminister damit, daß diese Maßnahmen wider seinen Willen (?) geschehen seien, und er sofort die Zuruckziehung der Truppen bewerkstelligen werde, was denn auch mit Schluß der Sitzung geschah.

Französische Republik.
068 Paris, 9. Mai.

Auf den Straßen wird der Anklage-Akt des Berges gegen Bonaparte und seine Minister in beispiellosem Absatz verkauft. Die Arbeiter sind wieder in die Straßen gestiegen und die Soldatenemeuten nehmen seit dem glorreichen Römerzug Napoleon's II. einen immer bedeutenderen Umfang an.

Die allgemeine Erbitterung wird durch zwei Ereignisse gesteigert. Das erste ist der gleichzeitige Zug der Oesterreicher gegen Ancona und das Einrücken der Neapolitaner in Terracina, wodurch die Verschwörung des Barrotministeriums in dem päbstlichen Sonderbundskriege vollends enthüllt wird. Das zweite ist ein Brief des Mondkalbes Napoleon an den General Oudinot vom 8. (nach der Nachtsitzung der Nationalversammlung) welcher dem Expeditions-Kommandanten für sein Benehmen die größte Anerkennung spendet. Dieser Fehdehandschuh ist bereits in der Nationalversammlung aufgenommen worden; der große Odilon-Barrot hat indeß auf die Interpellation Grevy's die Verantwortlichkeit für diesen Brief abgelehnt und denselben für den Privatausdruck des Präsidenten erklärt.

Alles das zusammen, der Vorabend der Wahlschlacht, die Schmach in Italien, der offene Bruch des Präsidenten mit der Versammlung und die wachsenden Emeuten unter den Truppen, Alles das beginnt das Gewitter immer dichter heraufzutreiben, welches sich diesmal nicht blos über Frankreich, sondern über halb Europa mit allen russischen Unterknäsen und kleinen Provinzial-Standrechtshunden entladen wird.

Großbritannien.
* London, 9. Mai.

Im Oberhause passirte heute Morgen um 10 Minuten vor 5 Uhr, die Bill in Betreff der Aenderung der Schifffahrtsgesetze, mit einer Majorität von 10 Stimmen, in einem Hause von 336 Anwesenden und Proxies, die zweite Lesung.

Redakteur en chef Karl Marx.

Druck von J. W. Dietz.

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          <p>Mittags 12 Uhr. Auf den Straßen wogt eine unübersehbare Menschenmenge und immer noch langen Zuzüge von auswärts ein, theils Gesangvereine, theils andere Korporationen; jeder Zug mit seinen Fahnen geziert. Der Bahnzug brachte so eben über tausend Menschen.</p>
          <p>Abends 6 Uhr. So eben endet die große Volksversammlung. Einstimmig wurden folgende Anträge angenommen: 1) daß der Landesvertheidigungsausschuß sofort ermächtigt werde, eine Progressiv-Einkommensteuer für alle Bewohner der Pfalz, zur Anschaffung von Waffen u. dgl., in Ausführung zu bringen; 2) daß aus jedem Kanton der Pfalz genanntem Ausschusse ein Wehrmann beigegeben werde, um die Bewaffnungsangelegenheit besser und schneller ordnen zu können, und 3) daß das pfälzische Volk die Republik will. &#x2014; Die Versammlung war weit zahlreicher besucht, wie die in Kaiserslautern. Es sprachen unter großem Jubel mehrere Abgeordnete der äußersten Linken, namentlich Schlöffel. Mehrere Hanauer und Bamberger, ein Düsseldorfer und ein Darmstädter und Andere, deren Namen mir entfallen, brachten von den dortigen Demokraten und Turnern herzlichen Gruß und Handschlag allen Pfälzern und die Zusicherung, daß die Bewohner der betreffenden Provinzen dem Winke harren, um dem Volke der Pfalz, das das erste Panier aufgepflanzt, beizustehen. Alles ging in schönster Ordnung vorüber. Ein heftiger Sturm aber trat gegen den Schluß hin ein, da Viele die Republik proklomirt haben wollten. Nachdem mehrere Redner, besonders Culmann, die Gründe dargethan, daß dieses nicht rathsam sei, bemerkte der Präsident: &#x201E;Die Republik wollen wir nicht proklamiren, sondern erkämpfen, und die deutsche Verfassung soll unsre Barrikade und Brücke sein, durch welche wir sie erlangen!&#x201C;</p>
          <p>Eisenstuck empfahl in seinem Vortrage den Pfälzern Einigkeit; sie sollten handeln, aber weder zu früh noch zu spät, und darum im Einvernehmen mit dem selbstgewählten Vertheidigungsausschusse zu Kaiserslautern.</p>
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          <p>Neustadt soll verbarrikadirt und von starken, wohlbewaffneten Schaaren besetzt sein. Bei Dürkheim stehen etwa 1200 Mann, welche durch Zuzüge von Frankreich und Rheinhessen noch verstärkt werden. Von hier aus zogen gestern 200 Arbeiter ab. Ueber den Zug der Preußen, denen sich die 400 Badenser vom hiesigen Regiment anschlossen, höre ich Folgendes: Als die Truppen gestern gegen 11 Uhr Morgens vor Speier eintrafen, fanden sie die Stadt verbarrikadirt. Die bairische Garnison in Speier, etwa 600 Mann, welche bekanntlich vor ihrem Abmarsch am Samstag schon rebellirten, hatte gemeinschaftliche Sache mit der Bürgerwehr gemacht, beim Barrikadenbau geholfen und sich selbst mit auf die Barrikaden gestellt. Gegen 2 Uhr wollte man hier deutlich feuern gehört haben. Ein Kurier, der heute morgen hier eintraf, versicherte, daß die Preußen vor Speier zurückgetrieben seien. Die Eisenbahn zwischen hier, Speier und Neustadt ist demolirt; sämmtliche Lokomotiven werden vom Volk in Neustadt zurückgehalten.</p>
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          <p>In der heutigen Sitzung erklärt Gagern, der Reichsverweser verlange noch 24 Stunden, um zu berathen, ob die Centralgewalt Maßregeln zur Durchführung der Verfassung treffen werde. 2) Das Ministerium verlangt demnach Vertagung der Diskussion bis morgen. Dies sind die großen Resultate der Politik unserer großen Staatsmänner der Linken. Für Sachsen will das Ministerium nichts thun; natürlich Namen wie Tzschirner sind ihm verhaßter als die rothe Fürstenherrschaft. Die Vertagung der Verhandlung auf den nächsten Tag wird mit großer Stimmenzahl gegen 133 Stimmen der Linken und äußersten Linken angenommen. So läßt die deutsche Nationalversammlung ruhig das sächsische Volk verbluten, welches sich für sie erhoben hat! &#x2014; Werden die übrigen deutschen Volksstämme es der Paulskirche gleichthun?</p>
          <p>Während der Verhandlungen der Nationalversammlung wurden plötzlich auf dem Römerberge und Kornmarkte österreichische und preußische Pikets aufgestellt, ebenso auf dem Roßmarkte Kanonen aufgefahren. Die Interpellation, welche deshalb gestellt wurde, beantwortete der Herr Reichskriegsminister damit, daß diese Maßnahmen wider seinen Willen (?) geschehen seien, und er sofort die Zuruckziehung der Truppen bewerkstelligen werde, was denn auch mit Schluß der Sitzung geschah.</p>
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          <p>Die allgemeine Erbitterung wird durch zwei Ereignisse gesteigert. Das erste ist der gleichzeitige Zug der Oesterreicher gegen Ancona und das Einrücken der Neapolitaner in Terracina, wodurch die Verschwörung des Barrotministeriums in dem päbstlichen Sonderbundskriege vollends enthüllt wird. Das zweite ist ein Brief des Mondkalbes Napoleon an den General Oudinot vom 8. (<hi rendition="#g">nach</hi> der Nachtsitzung der Nationalversammlung) welcher dem Expeditions-Kommandanten für sein Benehmen die größte Anerkennung spendet. Dieser Fehdehandschuh ist bereits in der Nationalversammlung aufgenommen worden; der große Odilon-Barrot hat indeß auf die Interpellation Grevy's die <hi rendition="#g">Verantwortlichkeit für diesen Brief abgelehnt</hi> und denselben für den Privatausdruck des Präsidenten erklärt.</p>
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Einstimmig wurden folgende Anträge angenommen: 1) daß der Landesvertheidigungsausschuß sofort ermächtigt werde, eine Progressiv-Einkommensteuer für alle Bewohner der Pfalz, zur Anschaffung von Waffen u. dgl., in Ausführung zu bringen; 2) daß aus jedem Kanton der Pfalz genanntem Ausschusse ein Wehrmann beigegeben werde, um die Bewaffnungsangelegenheit besser und schneller ordnen zu können, und 3) daß das pfälzische Volk die Republik will. — Die Versammlung war weit zahlreicher besucht, wie die in Kaiserslautern. Es sprachen unter großem Jubel mehrere Abgeordnete der äußersten Linken, namentlich Schlöffel. Mehrere Hanauer und Bamberger, ein Düsseldorfer und ein Darmstädter und Andere, deren Namen mir entfallen, brachten von den dortigen Demokraten und Turnern herzlichen Gruß und Handschlag allen Pfälzern und die Zusicherung, daß die Bewohner der betreffenden Provinzen dem Winke harren, um dem Volke der Pfalz, das das erste Panier aufgepflanzt, beizustehen. Alles ging in schönster Ordnung vorüber. Ein heftiger Sturm aber trat gegen den Schluß hin ein, da Viele die Republik proklomirt haben wollten. Nachdem mehrere Redner, besonders Culmann, die Gründe dargethan, daß dieses nicht rathsam sei, bemerkte der Präsident: „Die Republik wollen wir nicht proklamiren, sondern erkämpfen, und die deutsche Verfassung soll unsre Barrikade und Brücke sein, durch welche wir sie erlangen!“ Eisenstuck empfahl in seinem Vortrage den Pfälzern Einigkeit; sie sollten handeln, aber weder zu früh noch zu spät, und darum im Einvernehmen mit dem selbstgewählten Vertheidigungsausschusse zu Kaiserslautern. (Fr. J.) 103 Mannheim, 9. Mai. Zuverlässigen Mittheilungen aus Rheinbaiern zufolge ist die ganze Gegend von Zweibrücken bis Landau und von Dürkheim bis Neustadt sowie das große Frankenheimer Thal im Besitz der Insurgenten. Neustadt soll verbarrikadirt und von starken, wohlbewaffneten Schaaren besetzt sein. Bei Dürkheim stehen etwa 1200 Mann, welche durch Zuzüge von Frankreich und Rheinhessen noch verstärkt werden. Von hier aus zogen gestern 200 Arbeiter ab. Ueber den Zug der Preußen, denen sich die 400 Badenser vom hiesigen Regiment anschlossen, höre ich Folgendes: Als die Truppen gestern gegen 11 Uhr Morgens vor Speier eintrafen, fanden sie die Stadt verbarrikadirt. Die bairische Garnison in Speier, etwa 600 Mann, welche bekanntlich vor ihrem Abmarsch am Samstag schon rebellirten, hatte gemeinschaftliche Sache mit der Bürgerwehr gemacht, beim Barrikadenbau geholfen und sich selbst mit auf die Barrikaden gestellt. Gegen 2 Uhr wollte man hier deutlich feuern gehört haben. Ein Kurier, der heute morgen hier eintraf, versicherte, daß die Preußen vor Speier zurückgetrieben seien. Die Eisenbahn zwischen hier, Speier und Neustadt ist demolirt; sämmtliche Lokomotiven werden vom Volk in Neustadt zurückgehalten. Fenner v. Fenneberg ist provisorisch bis zur Entscheidung Dufours zum Oberkommandanten sämmtlicher Bürgerwehrtruppen der Pfalz ernannt worden. Aus dem nördlichen Schleswig, 7. Mai. Unsere letzte Nachricht vom Einrücken der Reichstruppen in Jütland ist authentisch. Das Vordringen geschieht en masse und die beiden Generale Prittwitz und Bonin werden gemeinsam mit einander operiren. Man rückt gleichzeitig gegen Veile und Friedericia vor. Vorläufig bildet eine hinlängliche Anzahl Reichstruppen die Verbindungskette zwischen der Armee in Jütland und im Sundewitt. Die Dänen sollen bei Veile 19 Escadronen Cavallerie stehen haben, wir haben deren 40; auch unsere Artillerie ist der dänischen bei Weitem überlegen. General Prittwitz hat an die Jütländer eine schon am 29. April ausgestellte Proclamation erlassen, in welcher er ihnen den bevorstehenden Einmarsch der deutschen Reichs-Truppen in Jütland ankündigt, sie des Schutzes ihres Eigenthums und ihrer Personen versichert und die bevorstehende Occupation von Jütland als eine Maßregel bezeichnet, welche dazu bestimmt sei, den Ersatz der von Dänemark aufgebrachten Schiffe und ihrer Ladungen zu sichern. 320 Frankfurt, 9. Mai. Fluch der Nationalversammlung, Fluch Allen denen, welche statt zur unmittelbaren That zu schreiten, mit ihren parlamentarischen Kombinationen die Zeit der Stellung vergeuden. Das sächsische Volk kämpft, Trümmer und Leichen häufen sich in Dresden, das unter den Kugeln der preußischen Kanonen über die Vertheidiger der deutschen Freiheit niederstürzt. Die Pfalz wird von preußischen Truppen besetzt, welche der Reichskriegsminister gegen die „anarchischen Bestrebungen“ schickt — so lautet der ministerielle Befehl. In Angesicht dieser Gefahr des Vaterlandes und des Verraths des Ministeriums, trugen die Herren Simon und Vogt gestern darauf an, die Entscheidung auf 24 Stunden zu verschieben. Einen Tag mehr soll der Verrath handeln können! Und warum? Damit die Herren für ihre Unterhandlungen mit dem Weidenbusch Zeit gewinnen. Sie hoffen mit einer Partei die Mehrheit zu erhalten, welche Wien und Berlin untergehen ließ. Sachsen kämpft allein den Kampf der Verzweiflung, und es soll noch einen Tag warten, bis die großen Staatsmänner der Linken auf der Ministerbank hinken? In der heutigen Sitzung erklärt Gagern, der Reichsverweser verlange noch 24 Stunden, um zu berathen, ob die Centralgewalt Maßregeln zur Durchführung der Verfassung treffen werde. 2) Das Ministerium verlangt demnach Vertagung der Diskussion bis morgen. Dies sind die großen Resultate der Politik unserer großen Staatsmänner der Linken. Für Sachsen will das Ministerium nichts thun; natürlich Namen wie Tzschirner sind ihm verhaßter als die rothe Fürstenherrschaft. Die Vertagung der Verhandlung auf den nächsten Tag wird mit großer Stimmenzahl gegen 133 Stimmen der Linken und äußersten Linken angenommen. So läßt die deutsche Nationalversammlung ruhig das sächsische Volk verbluten, welches sich für sie erhoben hat! — Werden die übrigen deutschen Volksstämme es der Paulskirche gleichthun? Während der Verhandlungen der Nationalversammlung wurden plötzlich auf dem Römerberge und Kornmarkte österreichische und preußische Pikets aufgestellt, ebenso auf dem Roßmarkte Kanonen aufgefahren. Die Interpellation, welche deshalb gestellt wurde, beantwortete der Herr Reichskriegsminister damit, daß diese Maßnahmen wider seinen Willen (?) geschehen seien, und er sofort die Zuruckziehung der Truppen bewerkstelligen werde, was denn auch mit Schluß der Sitzung geschah. Französische Republik. 068 Paris, 9. Mai. Auf den Straßen wird der Anklage-Akt des Berges gegen Bonaparte und seine Minister in beispiellosem Absatz verkauft. Die Arbeiter sind wieder in die Straßen gestiegen und die Soldatenemeuten nehmen seit dem glorreichen Römerzug Napoleon's II. einen immer bedeutenderen Umfang an. Die allgemeine Erbitterung wird durch zwei Ereignisse gesteigert. Das erste ist der gleichzeitige Zug der Oesterreicher gegen Ancona und das Einrücken der Neapolitaner in Terracina, wodurch die Verschwörung des Barrotministeriums in dem päbstlichen Sonderbundskriege vollends enthüllt wird. Das zweite ist ein Brief des Mondkalbes Napoleon an den General Oudinot vom 8. (nach der Nachtsitzung der Nationalversammlung) welcher dem Expeditions-Kommandanten für sein Benehmen die größte Anerkennung spendet. Dieser Fehdehandschuh ist bereits in der Nationalversammlung aufgenommen worden; der große Odilon-Barrot hat indeß auf die Interpellation Grevy's die Verantwortlichkeit für diesen Brief abgelehnt und denselben für den Privatausdruck des Präsidenten erklärt. Alles das zusammen, der Vorabend der Wahlschlacht, die Schmach in Italien, der offene Bruch des Präsidenten mit der Versammlung und die wachsenden Emeuten unter den Truppen, Alles das beginnt das Gewitter immer dichter heraufzutreiben, welches sich diesmal nicht blos über Frankreich, sondern über halb Europa mit allen russischen Unterknäsen und kleinen Provinzial-Standrechtshunden entladen wird. Großbritannien. * London, 9. Mai. Im Oberhause passirte heute Morgen um 10 Minuten vor 5 Uhr, die Bill in Betreff der Aenderung der Schifffahrtsgesetze, mit einer Majorität von 10 Stimmen, in einem Hause von 336 Anwesenden und Proxies, die zweite Lesung. Redakteur en chef Karl Marx. Druck von J. W. Dietz.

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Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 2 (Nummer 184 bis Nummer 301) Köln, 1. Januar 1849 bis 19. Mai 1849. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




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Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 295. Köln, 11. Mai 1849. Beilage, S. 1678. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz295b_1849/2>, abgerufen am 29.03.2024.