Neue Rheinische Zeitung. Nr. 291. Köln, 6. Mai 1849. Zweite Ausgabe.trägen aufgetreten war, hielt Hr. v. Bruck sich nicht für berechtigt, die Ausführung des dritten Artikels des Waffenstillstandes noch länger aufzuhalten. Es wurde demnach von den Militärbehörden der 23ste für den Einzug der kaiserlichen Truppen, welche die halbe Besatzung von Alessandria bilden sollen, festgesetzt. Am Morgen des nämlichen Tages erklärten die sardinischen Bevollmächtigten, daß, nachdem die kaiserliche Regierung in Gemäßheit des dritten Artikels des Waffenstillstandes auf der Besetzung von Alessandria bestehe, sie den Befehl erhalten hätten, die Friedensunterhandlungen vorerst nicht weiter fortzusetzen, ohne sie deshalb für abgebrochen anzusehen. Sie verließen hierauf Mailand, woselbst der Hr. Minister v. Bruck noch immer verweilt. Prag, 1. Mai. Eben erhalten wir folgende Anzeige: "Wegen Beschädigung der Nordbahn-Brücke bei Wien ist der Waarenverkehr nach den Stationen Wien und Florisdorf auf der Eisenbahn eingestellt. Equipagen werden nur bis Florisdorf, dagegen Reisende, Gepäck und Eilgut bis Wien aufgenommen" Gestern Nacht ist die ganze Escadron von Palatinalhusaren, welche in Saaz stationirt war, desertirt, nur der Rittmeister blieb zurück. Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden. Frankfurt, 3. Mai. Wir vernehmen so eben, daß im Dreißiger-Ausschuß von den zur Linken gehörigen Mitgliedern der Antrag gestellt wurde, die in der Verfassung aufgestellte erbliche Kaiserwürde durch die Renitenz der Regierungen als erledigt zu betrachten, und an ihre Stelle einen Reichsstatthalter zu setzen, zu dem jeder Deutsche wählbar wäre, und dem die in der Verfassung vorgesehenen Befugnisse des Kaisers zustehen sollen. Ferner sollen nach diesem Antrage das Militär und die Beamten auf die Verfassung beeidigt und die Mitglieder der aufgelösten Ständekammern aufgefordert werden, sich aus eigener Machtvollkommenheit zu versammeln und die geeigneten Maßregeln zu treffen, um die Renitenz der Regierungen gegen die Annahme der Reichsverfassung zu beseitigen; dann endlich soll die Vereinigung von Truppenkörpern solcher Regierungen, die die Reichsverfassung anerkannt haben, mit solchen, deren Regierungen dieselbe nicht anerkannt haben, als ungesetzlich erklärt werden und demnach nicht stattfinden dürfen. - Diese Anträge sollen in der heutigen Abendversammlung des Dreißiger-Ausschusses nochmals einer Berathung unterworfen, dann aber in einer der nächsten Sitzungen der Reichstagsversammlung verlesen und gestellt werden. (Fr. J.)Nach dem "Frankfurter Journal" wird die Majorität der Nationalversammlung wahrscheinlich den Beschluß fassen: die Wahlen zum neuen Reichstage nach Maßgabe der Verfassung auszuschreiben und unter den dabei betheiligten Staaten den größten provisorisch mit der Oberleitung des Bundesstaates zu betrauen. * Frankfurt, 4. Mai. Nationalversammlung. Auf den Plätzen der Abgeordneten scheint schon bei Eröffnung der heutigen Sitzung kaum noch ein in Frankfurt anwesendes Mitglied der Versammlung zu fehlen. Sie erfolgt gegen 9 1/2 Uhr Vormittags durch den Präsidenten Herrn Simson. Ausgetreten sind die Herren von Breuning aus Aachen, Martens aus Danzig, v. Beckerath aus Krefeld. Diese Ankündigung bringt eine Bewegung unwilligen Staunens im Hause hervor. Hr. Vischer aus Tübingen interpellirt das Reichsministerium wegen Mißachtung des Gesetzes vom 8. Januar, die Aufhebung der Spielbanken betreffend, die sich in Homburg kund gibt. Die Interpellation ist erst heute Morgen eingebracht und es erfolgt noch keine Antwort darauf. Darauf bemerkt der Präsident, daß sich in den Händen der Abgeordneten seit heute Morgen ein dringlicher Antrag des Dreißiger-Ausschusses befinde. Der Antrag ist gedruckt vertheilt und er zerfällt in ein Mehrheitserachten und drei Minderheitserachten, die letzteren von Hrn. Vogt von Gießen, von Hrn. Venedey aus Köln und von Hrn. Simon von Trier gestellt. Das Mehrheitserachten lautet: 1) In Erwägung, daß es unmöglich ist, die Verfassung des deutschen Reichs auf dem in ihr selbst vorgezeichneten Wege ins Leben zu führen, so lange das erwählte Reichsoberhaupt dieselbe nicht anerkannt hat und die Wahlen zum Reichstage nicht ausschreibt. 1) In Erwägung, daß die Regierungen mehrerer deutschen Staaten die Verfassung Deutschlands noch nicht anerkannt, daß die von Preußen und Baiern die entgegengesetzte Ansicht ausgesprochen haben. 3) In Erwägung, daß auf der Grundlage der gegebenen Verfassung nur dann eine gedeihliche Entwickelung des öffentlichen Rechtszustandes für Deutschland zu erwarten steht, wenn die Würde des Reichsoberhauptes mit der Krone Preußen verbunden wird. 4) In Erwägung, daß wenn nach dem Abschluß der deutschen Verfassung die deutsche Nationalversammung sich auflösen wolle, sie den ihr vom deutschen Volke unter Zustimmung der Regierungen ertheilten Auftrag nur zur Hälfte erfüllen würde, indem die neue Konstituirung Deutschlands nicht mit dem Ausarbeiten einer Verfassung, sondern erst dann bewirkt ist, wenn Deutschland in Wirklichkeit unter der beschlossenen Verfassung geeinigt ist. 5) In Erwägung, daß mit Auflösung der Nationalversammlung die provisorische Centralgewalt ganz gegen ihre Bestimmung in eine rein absolute Regierungsform umgewandelt, oder der Bedingungen ihrer Existenz beraubt werden würde. 6) In Erwägung, daß die provisorische Centralgewalt, welch' hoher Werth auch darauf zu legen ist, daß sie bis dahin, wo eine neue verfassungsmäßige Gesammtregierung ins Leben getreten sein wird, im Sinne des Gesetzes vom 28. Juni 1848 fortbestehe und fortwirke, gleichwohl nach eben diesem Gesetze, weder befugt noch verpflichtet ist, Handlungen vorzunehmen, zu welchen das Recht erst aus der Verfassung selbst hergeleitet werden kann, namentlich das Ausschreiben von Wahlen, die Eröffnung des Reichstags. 7) In Erwägung, daß der Uebertragung dieser Funktionen auf die provisorische Central-Gewalt ebensowohl, als der Schaffung einer neben oder an die Stelle der Central-Gewalt tretenden neuen Gewalt formelle und politische Bedenken entgegenstehen. 8) In Erwägung, daß in dem gegenwärtigen Augenblicke der Bundestag nicht mehr besteht, sondern - und zwar mit Zustimmung der Regierungen - aufgehoben ist, der wirklichen Durchführung des beschlossenen Bundesstaates aber die auseinandergehenden und zu keiner anderweitigen Einigung gedeihenden dynastischen Interessen mehrerer Regierungen in dem Maße offen und heimlich entgegenarbeiten, als das deutsche Volk andererseits sich überall zu dieser Verfassung bekannt, und nicht minder durch die entschiedene und friedliche Haltung seiner Bürger als durch den hohen Muth seiner Krieger lautes Zeugniß ablegt, für seinen Beruf zu einer großen geschichtlichen Entwickelung. 9) In Erwägung, daß Deutschland, wenn die Nationalversammlung es in dieser Lage sich selbst, oder dem Ungefähr der sich mannigfach kreuzenden dynastischen Interessen überlassen wollte, einem gänzlichen politischen Zerfallen, oder doch unsäglichen neuen Wirren, sein Wohlstand aber den vernichtendsten Schlägen entgegengehen würde. 10) In Erwägung, daß bei dieser Lage Deutschlands schon ein über dem geschriebenen Rechte stehendes Gesetz der Gesammtvertretung der Nation das Recht gibt und die Pflicht auferlegt, die Existenz des gemeinsamen Vaterlandes zu sichern und zu thun, was dasselbe allein zu retten vermag, daß aber auch bis dahin, wo die Verfassung wirklich in's Leben getreten sein wird, die höchste gesetzgebende Gewalt für Deutschland der Nationalversammlung von dem Volke anvertraut ist, beschließt dieselbe wie folgt: 1) Die Nationalversammlung fordert die Regierungen, die gesetzgebenden Körper, die Gemeinden der Einzelstaaten, das gesammte deutsche Volk auf, die Verfassung des deutschen Reichs vom 28. März d. J. zur Anerkennung und Geltung zu bringen. 2) Sie bestimmt den 15. August d. J. als den Tag, an welchem der erste Reichstag auf den Grund der Verfassung in Frankfurt a. M. zusammen zu treten hat. 3) Sie bestimmt als den Tag, an welchem im deutschen Reiche die Wahlen für das Volkshaus vorzunehmen sind, den 15. Juli d. J. 4) Sollte, - abgesehen von Deutschöstreich, dessen zur Zeit etwa nicht erfolgter Eintritt bereits durch § 87 der Verfassung berücksichtigt ist, - ein oder der andere Staat im Reichstage nicht vertreten sein und deshalb eine oder die andere Bestimmung der für ganz Deutschland gegebenen Verfassung nicht ausführbar erscheinen, so erfolgt die Abänderung derselben auf dem in der Verfassung selbst vorgeschriebenen Wege provisorisch bis zu dem Zeitpunkte, wo die Verfassung überall in Wirksamkeit getreten sein wird. Die § 196 Nr. 1 der Verfassung gedachten zwei Drittheil der Mitglieder sind dann mit Zugrundlegung derjenigen Staaten, welche zum Volks- und Staatenhanse wirklich gewählt haben, zu ermitteln. 5) Sollte insbesondere Preußen im Reichstage nicht vertreten sein, und also bis dahin weder ausdrücklich noch thatsächlich die Verfassung anerkannt haben, so tritt das Oberhaupt desjenigen Staates, welcher unter den im Staatenhause vertretenen Staaten die größte Seelenzahl hat, unter dem Titel eines Reichsstatthalters in die Rechte und Pflichten des Reichsoberhauptes ein. 6) Sobald aber die Verfassung von Preußen anerkannt ist, geht damit von selbst die Würde des Reichsoberhauptes nach Maßgabe der Verfassung § 68 ff. auf den zur Zeit der Anerkennung regierenden König von Preußen über. 7) Das Reichsoberhaupt leistet den Eid auf die Verfassung vor der Nationalversammlung und eröffnet sodann den Reichstag. Mit der Eröffnung des Reichstages ist die Nationalversammlung aufgelös't. Dazu werden als von außerhalb des Ausschusses kommend von folgenden Abgeordneten Verbesserungsanträge angemeldet. Von den Herren Moritz Mohl, v. Reden und Erbe. Der Antrag von Mohl geht auf Bildung eines "Parlamentsheeres" und auf eine schleunige Regelung der Oberhaus [unleserliches Material]frage: Minoritäts-Antrag 2. des Abgeordneten Vogt von Gießen. "In Erwägung, daß Friedrich Wilhelm IV., König von Preußen, die auf ihn gefallene Wahl zum Kaiser der Deutschen definitiv abgelehnt hat und dadurch die getroffene Wahl erledigt ist, eine andere Wahl derzeit aber unthunlich erscheint; in Erwägung, daß die Regierungen: Preußen, Baiern, Hannover und Sachsen die unbedingte Annahme der Verfassung verweigert haben; und in fernerer Erwägung, daß die Regierung von Oestreich durch Anrufung russischer Hülfe ihre Bundespflicht verletzt hat, das Gebiet des deutschen Reiches von russischen Truppen wirklich überschritten worden ist und sowohl hierdurch als durch die Weigerung der erwähnten Regierungen das Vaterland in Gefahr ist: beschließt die Nationalversammlung 1) die verfassungsmäßigen Befugnisse des Kaisers werden, bis zur völligen Durchführung der Verfassung in ganz Deutschland, einem Reichsstatthalter übertragen, den die Nationalversammlung erwählt; 2) wählbar zu dieser Würde ist jeder volljährige Deutsche; 3) der Reichsstatthalter leistet sogleich nach Annahme der Wahl vor der Nationalversammlung den Eid auf die Reichsverfassung; 4) sie bestimmt den 1. August d. J. als den Tag, an welchem der erste Reichstag auf den Grund der Verfassung in Frankfurt a. M. zusammenzutreten hat;5 sie bestimmt als den Tag, an welchem im deutschen Reiche die Wahlen für das Volkshaus vorzunehmen sind, den 15. Juli d. J.; 6) mit der Beeidigung des Reichsstatthalters hört die provisorische Centralgewalt auf; 7) die Nationalversammlung erläßt einen Aufruf an das deutsche Volk, in welchem sie zum Festhalten an der Reichsverfassung und zur thatkräftigen Bekämpfung jeglichen Widerstandes gegen die Durchführung derselben auffordert; der Dreißiger-Ausschuß ist mit Vorlage eines Entwurfs zu diesem Aufrufe beauftragt; 8) die Nationalversammlung fordert sämmtliche Regierungen auf ihre ganze bewaffnete Macht mit Einschluß der Bürgerwehren, sofort auf die Reichsverfassung vereiden zu lassen. Für den Fall, daß einzelne Regierungen diese Vereidung bis zum 20. Mai nicht vollzogen hätten, werden sämmtliche Abtheilungen in den betreffenden Ländern ermächtigt und aufgefordert, diese Vereidung selbstständig vorzunehmen; 9) sämmtliche im Dienste des Reichs stehenden Truppen werden sofort auf die Reichsverfassung vereidigt. Die Centralgewalt wird mit der Vollziehung dieses Beschlusses beauftragt; 10) die vertagten oder aufgelösten Volksvertretungen der renitenten Regierungen werden aufgefordert und ermächtigt, sich sofort in ihrer letzten Zusammensetzung, aus eigener Machtvollkommenheit, an jedem passenden Orte zu versammeln und die geeigneten Maßregeln zu treffen, um den Widerstand ihrer Regierungen gegen die Reichsverfassung zu beseitigen; 11 in den größeren deutschen Staaten, welche die Anerkennung und Durchführung der Reichsverfassung verweigern, sind die einzelnen Provinzen und Kreise ermächtigt und aufgefordert, die Reichsverfassung nebst dem Wahlgesetze selbstständig anzunehmen und einzuführen; 12 die Nationalversammlung erklärt jeden Vertrag über Verbindung von Truppenkörpern renitenter Regierungen mit den Truppen solcher Regierungen, welche die Verfassung anerkannt haben, für unstatthaft, unwirksam und Verfassungswidrig; 13 die Nationalversammlung erklärt den Einmarsch russischer Truppen in Oestreich für eine Verletzung des Reichsgebietes, und erklärt diejenigen, welche diesen Einmarsch russischer Truppen veranlaßten oder ihre Zustimmung dazu gaben, für Verräther am Vaterlande. Sie fordert das gesammte deutsche Volk auf, mit allen Mitteln diesem Verrath zu widerstehen; entbindet diejenigen Truppen, welche zur Mitwirkung an solchem Verrathe befehligt werden sollten, des Eides gegen ihre Oberen und gibt der Centralgewalt auf, sofort in Gemäßheit dieses Beschlusses den Reichskrieg gegen Rußland und die verräther sche Regierung Oestreichs zu erklären." Zusatzantrag des Abgeordneten Umbscheiden zum 1. Minoritätsantrage. "Für die Wahlen zum ersten Reichstage wird von der Bildung neuer Wah bezirke, so wie von den hierauf Bezug habenden Bestimmungen des Reichswahlgesetzes Umgang genommen. Die Wahlen finden für dieselben Bezirke statt, welche für die Wahlen zur Nationalversammlung gebildet waren. Sollten Einzelregierungen den Wahlakten die erforderliche Mitwirkung versagen oder denselben sogar Hindernisse in den Weg legen, so wird von Reichswegen die genügende Vorsorge getroffen werden." Minoritätsantrag 2. des Abgeordneten Venedey. Die Nationalversammlung beschließt: "1) Die Wahlen zum ersten Reichstage auf den 15. Juli und die Zusammenberufung desselben Reichstags auf den 15. August anzuordnen. 2) Die unmittelbare Beeidigung aller Behörden und Truppen auf die Verfassung in allen Ländern anzuordnen, wo die Verfassung bereits von den Regierungen angenommen ist." (Der zweite Theil desselben wird zugleich als Zusatz-Antrag zu dem Ausschußantrage bezeichnet). Minoritätsantrag 3. des Abgeordneten Simon von Trier. Die Nationalversammlung beschließt: "1) Die Regierungen der deutschen Einzelstaaten haben nach Maaßgabe der §§. 14, 191 und 193 der Reichsverfassung sofort die Beeidigung sämmtlicher Beamten des Militär- und Civilstandes auf die Reichsverfassung und die zur Durchführung derselben verpflichtete Centralgewalt vorzunehmen. 2) Die Nationalversammlung erklärt jeden Vertrag zwischen Einzelstaaten über Verbindung von Truppenkörpern renitenter Regierungen, mit den Truppenkörpern solcher Regierungen, welche die Verfassung anerkannt haben, für verfassungswidrig, unstatthaft und unwirksam. Die Minoritäten verlangen getrennte Abstimmung auf ihre Anträge. Die Dringlichkeit des Gegenstandes wird einhellig anerkannt und das Mehrheitserachten ist so eben von dem Berichterstatter, Hrn. v. Wydenbrugk, mit einigen Worten eingeleitet worden, als der Präsident verkündet, daß der Unterstaatssekretär Hr. Widenmann Namens des Reichsministeriums das Gesuch an die Versammlung richtet, sich auf eine kurze Zeit zu vertagen, um dann eine Mittheilung des Reichsministeriums zu empfangen. Das Haus entspricht dem Verlangen, indem es seine Verhandlung auf eine halbe Stunde aussetzt. Um 10 3/4 Uhr tritt das interimistische Reichsministerium, Gagern an der Spitze, ein. Der Präsident der Versammlung verliest hierauf die folgende von dem interimistischen Präsidenten des Reichsministerraths an ihn gerichtete Zuschrift: "Am 28. v. M hat die königl. preußische Regierung, außer der Note, welche bezüglich der Verfassung des deutschen Reichs und bezüglich der auf Se. Majestät den König von Preußen auf Grund dieser Verfassung gefallenen Wahl zum Reichsoberhaupt an den königl. Bevollmächtigten bei der Centralgewalt erlassen und in offiziellem Wege zur Kenntniß der provisorischen Centralgewalt und der Nationalversammlung gebracht worden ist, eine weitere, denselben Gegenstand betreffende Circularnote an die königlich preußischen Missionen bei den deutschen Regierungen gerichtet. Von dieser Circularnote ist zwar die provisorische Centralgewalt nicht in offizieller Weise in Kenntniß gesetzt worden; sie ist aber durch den preußischen Staatsanzeiger zur öffentlichen Kenntniß gebracht. "Das Reichsministerium beehrt sich, ein Exemplar des betreffenden preuß. Staatsanzeigers an den Herrn Präsidenten der verfassunggebe nden Reichsversammlung, zur Vervollständigung des Materials zu den bevorstehenden Verhandlungen gelangen zu lassen. "Mit Bezug auf die Stelle der Note aber, welche sagt: "Im festen Vertrauen auf die Zustimmung, die ihr von allen gefunden und redlichen Elementen im eignen Lande zu Theil werden wird, ist sie darauf gefaßt, den zerstörenden und revolutionären Bestrebungen nach allen Seiten hin mit Kraft und Energie entgegenzutreten, und wird ihre Maßregeln so treffen, daß sie den verbündeten Regierungen die etwa gewünschte und erforderliche Hülfe rechtzeitig leisten könne. Die Gefahr ist eine gemeinsame, und Preußen wird seinen Beruf nicht verleugnen, in den Tagen der Gefahr einzutreten, wo und wie es Noth thut" erklärt das Reichsministerium Namens der Centralgewalt, daß, nachdem das Gesetz vom 28. Juni 1848 über Einführung einer provisorischen Centralgewalt für Deutschland, die vollziehende Gewalt in allen Angelegenheiten, welche die allgemeine Sicherheit und Wohlfahrt des deutschen Bundesstaates betreffen, der provisorischen Centralgewalt übertragen hat, sie der Rechte wie der Pflichten, die ihr demnach obliegen, eingedenk, bei der Erfüllung derselben auf die Unterstützung der Einzelstaaten, eines jeden nach seinen Kräften rechnet; einen Anspruch aber auf allgemeine Leitung gemeinsamer Maßregeln zur Erhaltung der öffentlichen Ordnung und des Reichsfriedens, insofern dieser in der angeführten Stelle liegen sollte, einem Einzelstaate nicht zugestehen könnte. "Frankfurt, 4. Mai 1849. "gez. Hr: Gagern." (Beifall.) Auf das Verlangen der Versammlung wird hierauf auch die Note der preußischen Regierung aus dem preußischen Staatsanzeiger vorgelesen. Der Präsident führt sodann die Berathung auf den vorhin abgebrochenen Gegenstand zurück, indem er verschiedene neue auf die Vorlagen des Dreißigerausschusses bezügliche Verbesserungs- und Zusatzanträge zur Mittheilung bringt. Darunter ein Zusatz von Hrn. Schoder, unterstützt von Hrn. Eisenstuck u. A. zu allen bereits eingegangenen Anträgen: die Centralgewalt aufzufordern, in Beantwortung der oben verlesenen preußischen Note ein Reichsheer aus den Truppen der beistimmenden Staaten aufzustellen. Darauf ergreift im Namen der Mehrheit des Dreißigerausschusses das Wort Herr Welcker: "Ich kann auf die so eben verlesene preußische Note nicht blicken, ohne sie im Zusammenhange zu betrachten mit einer langen Reihe anderer unerfreulicher Ereignisse. Sammtliche deutsche Ständeversammlungen sprechen sich für die von dieser Versammlung geschaffene Reichsverfassung aus, die unendliche Mehrheit des Volks thuts aller Orten mit immer wachsendem Eifer. Ein Jeder fühlt, daß von ihrer Erhaltung sowohl die Macht und Freiheit des Vaterlandes als die Freiheit und das Recht jedes Einzelnen abhängt und gegen dieses berechtigte Verlangen tritt eine "unheilige Allianz" der Regierungen wider die Völker auf. Allein trennen wir die geheiligten und unverletzlichen Persönlichkeiten der Fürsten von ihren Ministerien. Nur mit den letzteren haben wir es zu schaffen und mit einem Etwas, was das konstitutionelle England längst nicht mehr kennt: mit den Kamarillen. Die deutschen Ständekörper sind, wo sie aufgelös t worden sind, aus schlechten Gründen aufgelös't." Keinen einzigen der für die preußische Kammerauflösung aufgezählten Gründe findet der Redner haltbar, worauf er den Blick auf die Auflösung der Kammer in Sachsen, auf die Vertagung in Baiern und Hannover richtet. Auch auf das Verhältniß zu Oesterreich kommt der Redner zurück, worauf ihm: "Der besondere Beruf" den nach der baierischen Note ein "jedes Volk von der Weltgeschichte überkommen hat" sehr günstigen Anlaß g bt, zur Zurückweisung der harmlosen Anspruchslosigkeit, die Herr von der Pfordten auf Kosten der politischen Geltung Deutschlands verräth. Das Staatsleben freier Nationen beruht auf dem Consensus omnium und aus dem letzteren rechtfertigt Herr Welcker namentlich die Bestimmungen der deutschen Verfassung über das Veto des Oberhaupts. (Ungeduld.) Uebrigens habe die preußische Regierung selbst in ihrer Note vom 3. Januar die Nothwendigkeit anerkannt, daß die deutsche Reichsversammlung endgültig über die Verfassung entscheide. Statt dessen verkündet sie jetzt ganz andere Grundsätze. Den letzten aber selbst und den kleinsten Fürsten zu einem hemmenden Einspruche gegen die Verfassung berechtigen - das heiße die Anarchie legitimiren. "Vorwand, nichts als Vorwand sei es," wenn die preußische Regierung an einzelnen Bestimmungen der Verfassung Anstoß nehme und dieselbe deshalb verwerfe; die wahre Absicht des Ministeriums Brandenburg sei, die Freiheit des deutschen Volks wieder zu vernichten. (Beifall.) An den Vorgängen in Preußen, an der dort erfolgten Oktroyirung einer Verfassung und der dazu gefugten Auflösung der Kammern solle man sich ein Muster nehmen für das was dem deutschen Michel bevorstehe. Nach dem Plane der preußischen Regierung soll die tapfere und edle (!) preußische Armee dazu mißbraucht (!) werden, als Büttel und Profoß in Deutschland umherzuziehen und die Freiheit ihrer deutschen Brüder zu bekämpfen. Ob sich aber das Ministerium darin nicht verrechnen werde! Ferner berufe das Ministerium Brandenburg die deutschen Regierungen zu einem Fürstentag nach Berlin. Ich aber weiß dreißig Regierungen, welche nicht kommen werden, und wenn sie kommen wollten, so mochten ihre Throne hinter ihnen umstürzen. (Beifall) Diejenigen aber, welche kommen, werden indeß auch keine Lust verspüren, auf den Plan Preußens einzugehen, um dasselbe zu vergrößern - Der Redner schließt unter Beifall mit den Worten: "Ich sage zu den Fürsten vor Gott und ihrem Gewissen: Seid billig gegen das Volk, denn das Volk ist billig gegen Euch!" Unter mehreren ferneren Anträgen, die auch jetzt wieder kundgegeben werden, ist einer von Herrn Haubenschmidt aus Passau auf wiederholte Vornahme des Abschnitts vom Reichsoberhaupte durch den Verfassungsausschuß und Aussetzung der Berathung bis über neue desfallsige Vorlagen Beschluß gefaßt sei. Moritz Mohl: Ich will nur eine Thatsache zu Ihrer Kenntniß bringen, von der Sie noch nicht wissen. In der heute angekommnen konstitutionellen Zeitung aus Berlin, die bekanntlich des ministeriellen Vertrauens genießt, ist die Mittheilung enthalten, daß auch bei Erfurt ein preußisches Heer zusammengezogen werde. Gegen wen? Gegen uns. Waren wir nicht die lächerlichsten Dupen, wenn wir uns das thatenlos gefallen ließen. Düpirt oder noch etwas Schlimmeres. Herr Moritz Mohl nimmt daraus ein neues Motiv für seinen Antrag auf ein Parlamentsheer. Denke man nicht, es sei zu klein, weil wir es nur aus den kleinen Staaten sammeln können. Wenn wir aus dieser Armee dem zu bildenden Volksheere nur Offiziere und Unteroffiziere liefern können, so sind wir stark genug. Was Herr Mohl ferner wunscht, um uns des Siegs unfehlbar zu versichern, ist - die Wegschaffung des Erbkaisers aus der Verfassung. (Stürmische Zustimmung von der Linken) Georg Beseler weist nach, wie die Verfassung ein unheilvolles Ganze sei, an dem keine einzige Bestimmung, kein Paragraph hinweggenommen werden könne ohne Gefahr für das Ganze. Rütteln Sie an keinem Steine - nehmen Sie keinen Stück aus dem Gebäude, auch nicht das kleinste. Sie könnten den Eckstein ergreifen und das ganze Gebäude bis auf den Grund erschüttert haben. Was nun die Mittel anlangt, mit denen die Verfassung durchzusetzen ist, so kann sich der Redner für die von Herrn Vogt vorgeschlagenen Maßregeln erklären. Die Centralgewalt allein hat zu regieren, die Centralgewalt allein hat das Recht und die Pflicht, diese Versammlung zu vertheidigen und deren Beschlüsse durchzusetzen. Dahingegen begründet er die Anträge der Mehrheit sowohl den Grundsätzen nach, auf denen sie beruhen, als in ihren Einzelnheiten. Was den Eid anlangt, der auf die Reichsverfassung und auf die Reichsgewalt geleistet werden soll, so erinnere ich Sie daran, daß ein politischer Eid nicht bloß eine zweischneidide Waffe ist, sondern daß wir auch uns der Gefahr aussetzen, daß uns diese Eidesleistung von verschiedenen Seiten her verweigert werde, besonders da die Verfassung allerdings rechtsgültig besteht, dennoch aber noch nicht als vollzogen betrachtet werden kann. (Widerspruch von der Linken.) Das eben ist das Schlimme und das Gefährliche des Uebergangszustands in dem wir stehen. Verleugnen wir uns nicht, welche Hindernisse uns unsere Gegner entgegensetzen werden. Achten wir die Gewissenhaftigkeit des deutschen Volks, womit es einen Eid zu betrachten pflegt, achten wir die Bedenken, auf die der von uns geforderte Eid stoßen könnte. Die Frische (!) freilich, mit der wir hierher kamen (!), besitzen wir nicht mehr. Aber wir sind deshalb nicht schwach und ich für meine Person bin sogar der festen Zuversicht, daß wir des Sieges sicher sind; denn das Volk (!), die Mehrheit (!), die besten Männer Deutschlands stehen zu uns und wenn wir fallen - so fürchte ich weniger, daß wir durch unsere Feinde fallen, als durch unsere Schuld. Nachdem hierauf der Schluß der Debatte unter Vorbehalt des Worts für die Berichterstatter angenommen worden - ergreift Gagern das Wort. Erklärt sich für den Mehrheitsantrag des Dreißiger-Ausschusses. Kein verständiger Mann habe sich über die unermeßlichen Schwierigkeiten getäuscht, welche der deutschen Einheit entgegenstehen mußten. Allein nicht mit Gewalt ist sie durchzusetzen, sondern der öffentlichen Meinung in den verschiedenen Ländern Zeit zum Durchbruche zu lassen. Nicht indem wir jeden Widerstand gewaltsam über den Haufen werfen, sondern in jedem einzelnen Lande, bei jedem einzelnen Stamme Deutschlands muß sich nach und nach und wird sich die Mehrheit für die Verfassung als für eine gemeinsame Errungenschaft erklären. Indem wir daher nur zu gesetzlichen Mitteln verschreiten, müssen wir vor Irrthümern warnen, wie sie nur zu leicht in einer Lage wie die unsrige vorkommen. Indem ich die Mehrheitsanträge unterstütze, habe ich hauptsächlich im Auge, erstens: daß der allgemeinen Bewegung ein bestimmtes Bett angewiesen werde, daß sie trägen aufgetreten war, hielt Hr. v. Bruck sich nicht für berechtigt, die Ausführung des dritten Artikels des Waffenstillstandes noch länger aufzuhalten. Es wurde demnach von den Militärbehörden der 23ste für den Einzug der kaiserlichen Truppen, welche die halbe Besatzung von Alessandria bilden sollen, festgesetzt. Am Morgen des nämlichen Tages erklärten die sardinischen Bevollmächtigten, daß, nachdem die kaiserliche Regierung in Gemäßheit des dritten Artikels des Waffenstillstandes auf der Besetzung von Alessandria bestehe, sie den Befehl erhalten hätten, die Friedensunterhandlungen vorerst nicht weiter fortzusetzen, ohne sie deshalb für abgebrochen anzusehen. Sie verließen hierauf Mailand, woselbst der Hr. Minister v. Bruck noch immer verweilt. Prag, 1. Mai. Eben erhalten wir folgende Anzeige: „Wegen Beschädigung der Nordbahn-Brücke bei Wien ist der Waarenverkehr nach den Stationen Wien und Florisdorf auf der Eisenbahn eingestellt. Equipagen werden nur bis Florisdorf, dagegen Reisende, Gepäck und Eilgut bis Wien aufgenommen“ Gestern Nacht ist die ganze Escadron von Palatinalhusaren, welche in Saaz stationirt war, desertirt, nur der Rittmeister blieb zurück. Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden. Frankfurt, 3. Mai. Wir vernehmen so eben, daß im Dreißiger-Ausschuß von den zur Linken gehörigen Mitgliedern der Antrag gestellt wurde, die in der Verfassung aufgestellte erbliche Kaiserwürde durch die Renitenz der Regierungen als erledigt zu betrachten, und an ihre Stelle einen Reichsstatthalter zu setzen, zu dem jeder Deutsche wählbar wäre, und dem die in der Verfassung vorgesehenen Befugnisse des Kaisers zustehen sollen. Ferner sollen nach diesem Antrage das Militär und die Beamten auf die Verfassung beeidigt und die Mitglieder der aufgelösten Ständekammern aufgefordert werden, sich aus eigener Machtvollkommenheit zu versammeln und die geeigneten Maßregeln zu treffen, um die Renitenz der Regierungen gegen die Annahme der Reichsverfassung zu beseitigen; dann endlich soll die Vereinigung von Truppenkörpern solcher Regierungen, die die Reichsverfassung anerkannt haben, mit solchen, deren Regierungen dieselbe nicht anerkannt haben, als ungesetzlich erklärt werden und demnach nicht stattfinden dürfen. ‒ Diese Anträge sollen in der heutigen Abendversammlung des Dreißiger-Ausschusses nochmals einer Berathung unterworfen, dann aber in einer der nächsten Sitzungen der Reichstagsversammlung verlesen und gestellt werden. (Fr. J.)Nach dem „Frankfurter Journal“ wird die Majorität der Nationalversammlung wahrscheinlich den Beschluß fassen: die Wahlen zum neuen Reichstage nach Maßgabe der Verfassung auszuschreiben und unter den dabei betheiligten Staaten den größten provisorisch mit der Oberleitung des Bundesstaates zu betrauen. * Frankfurt, 4. Mai. Nationalversammlung. Auf den Plätzen der Abgeordneten scheint schon bei Eröffnung der heutigen Sitzung kaum noch ein in Frankfurt anwesendes Mitglied der Versammlung zu fehlen. Sie erfolgt gegen 9 1/2 Uhr Vormittags durch den Präsidenten Herrn Simson. Ausgetreten sind die Herren von Breuning aus Aachen, Martens aus Danzig, v. Beckerath aus Krefeld. Diese Ankündigung bringt eine Bewegung unwilligen Staunens im Hause hervor. Hr. Vischer aus Tübingen interpellirt das Reichsministerium wegen Mißachtung des Gesetzes vom 8. Januar, die Aufhebung der Spielbanken betreffend, die sich in Homburg kund gibt. Die Interpellation ist erst heute Morgen eingebracht und es erfolgt noch keine Antwort darauf. Darauf bemerkt der Präsident, daß sich in den Händen der Abgeordneten seit heute Morgen ein dringlicher Antrag des Dreißiger-Ausschusses befinde. Der Antrag ist gedruckt vertheilt und er zerfällt in ein Mehrheitserachten und drei Minderheitserachten, die letzteren von Hrn. Vogt von Gießen, von Hrn. Venedey aus Köln und von Hrn. Simon von Trier gestellt. Das Mehrheitserachten lautet: 1) In Erwägung, daß es unmöglich ist, die Verfassung des deutschen Reichs auf dem in ihr selbst vorgezeichneten Wege ins Leben zu führen, so lange das erwählte Reichsoberhaupt dieselbe nicht anerkannt hat und die Wahlen zum Reichstage nicht ausschreibt. 1) In Erwägung, daß die Regierungen mehrerer deutschen Staaten die Verfassung Deutschlands noch nicht anerkannt, daß die von Preußen und Baiern die entgegengesetzte Ansicht ausgesprochen haben. 3) In Erwägung, daß auf der Grundlage der gegebenen Verfassung nur dann eine gedeihliche Entwickelung des öffentlichen Rechtszustandes für Deutschland zu erwarten steht, wenn die Würde des Reichsoberhauptes mit der Krone Preußen verbunden wird. 4) In Erwägung, daß wenn nach dem Abschluß der deutschen Verfassung die deutsche Nationalversammung sich auflösen wolle, sie den ihr vom deutschen Volke unter Zustimmung der Regierungen ertheilten Auftrag nur zur Hälfte erfüllen würde, indem die neue Konstituirung Deutschlands nicht mit dem Ausarbeiten einer Verfassung, sondern erst dann bewirkt ist, wenn Deutschland in Wirklichkeit unter der beschlossenen Verfassung geeinigt ist. 5) In Erwägung, daß mit Auflösung der Nationalversammlung die provisorische Centralgewalt ganz gegen ihre Bestimmung in eine rein absolute Regierungsform umgewandelt, oder der Bedingungen ihrer Existenz beraubt werden würde. 6) In Erwägung, daß die provisorische Centralgewalt, welch' hoher Werth auch darauf zu legen ist, daß sie bis dahin, wo eine neue verfassungsmäßige Gesammtregierung ins Leben getreten sein wird, im Sinne des Gesetzes vom 28. Juni 1848 fortbestehe und fortwirke, gleichwohl nach eben diesem Gesetze, weder befugt noch verpflichtet ist, Handlungen vorzunehmen, zu welchen das Recht erst aus der Verfassung selbst hergeleitet werden kann, namentlich das Ausschreiben von Wahlen, die Eröffnung des Reichstags. 7) In Erwägung, daß der Uebertragung dieser Funktionen auf die provisorische Central-Gewalt ebensowohl, als der Schaffung einer neben oder an die Stelle der Central-Gewalt tretenden neuen Gewalt formelle und politische Bedenken entgegenstehen. 8) In Erwägung, daß in dem gegenwärtigen Augenblicke der Bundestag nicht mehr besteht, sondern ‒ und zwar mit Zustimmung der Regierungen ‒ aufgehoben ist, der wirklichen Durchführung des beschlossenen Bundesstaates aber die auseinandergehenden und zu keiner anderweitigen Einigung gedeihenden dynastischen Interessen mehrerer Regierungen in dem Maße offen und heimlich entgegenarbeiten, als das deutsche Volk andererseits sich überall zu dieser Verfassung bekannt, und nicht minder durch die entschiedene und friedliche Haltung seiner Bürger als durch den hohen Muth seiner Krieger lautes Zeugniß ablegt, für seinen Beruf zu einer großen geschichtlichen Entwickelung. 9) In Erwägung, daß Deutschland, wenn die Nationalversammlung es in dieser Lage sich selbst, oder dem Ungefähr der sich mannigfach kreuzenden dynastischen Interessen überlassen wollte, einem gänzlichen politischen Zerfallen, oder doch unsäglichen neuen Wirren, sein Wohlstand aber den vernichtendsten Schlägen entgegengehen würde. 10) In Erwägung, daß bei dieser Lage Deutschlands schon ein über dem geschriebenen Rechte stehendes Gesetz der Gesammtvertretung der Nation das Recht gibt und die Pflicht auferlegt, die Existenz des gemeinsamen Vaterlandes zu sichern und zu thun, was dasselbe allein zu retten vermag, daß aber auch bis dahin, wo die Verfassung wirklich in's Leben getreten sein wird, die höchste gesetzgebende Gewalt für Deutschland der Nationalversammlung von dem Volke anvertraut ist, beschließt dieselbe wie folgt: 1) Die Nationalversammlung fordert die Regierungen, die gesetzgebenden Körper, die Gemeinden der Einzelstaaten, das gesammte deutsche Volk auf, die Verfassung des deutschen Reichs vom 28. März d. J. zur Anerkennung und Geltung zu bringen. 2) Sie bestimmt den 15. August d. J. als den Tag, an welchem der erste Reichstag auf den Grund der Verfassung in Frankfurt a. M. zusammen zu treten hat. 3) Sie bestimmt als den Tag, an welchem im deutschen Reiche die Wahlen für das Volkshaus vorzunehmen sind, den 15. Juli d. J. 4) Sollte, ‒ abgesehen von Deutschöstreich, dessen zur Zeit etwa nicht erfolgter Eintritt bereits durch § 87 der Verfassung berücksichtigt ist, ‒ ein oder der andere Staat im Reichstage nicht vertreten sein und deshalb eine oder die andere Bestimmung der für ganz Deutschland gegebenen Verfassung nicht ausführbar erscheinen, so erfolgt die Abänderung derselben auf dem in der Verfassung selbst vorgeschriebenen Wege provisorisch bis zu dem Zeitpunkte, wo die Verfassung überall in Wirksamkeit getreten sein wird. Die § 196 Nr. 1 der Verfassung gedachten zwei Drittheil der Mitglieder sind dann mit Zugrundlegung derjenigen Staaten, welche zum Volks- und Staatenhanse wirklich gewählt haben, zu ermitteln. 5) Sollte insbesondere Preußen im Reichstage nicht vertreten sein, und also bis dahin weder ausdrücklich noch thatsächlich die Verfassung anerkannt haben, so tritt das Oberhaupt desjenigen Staates, welcher unter den im Staatenhause vertretenen Staaten die größte Seelenzahl hat, unter dem Titel eines Reichsstatthalters in die Rechte und Pflichten des Reichsoberhauptes ein. 6) Sobald aber die Verfassung von Preußen anerkannt ist, geht damit von selbst die Würde des Reichsoberhauptes nach Maßgabe der Verfassung § 68 ff. auf den zur Zeit der Anerkennung regierenden König von Preußen über. 7) Das Reichsoberhaupt leistet den Eid auf die Verfassung vor der Nationalversammlung und eröffnet sodann den Reichstag. Mit der Eröffnung des Reichstages ist die Nationalversammlung aufgelös't. Dazu werden als von außerhalb des Ausschusses kommend von folgenden Abgeordneten Verbesserungsanträge angemeldet. Von den Herren Moritz Mohl, v. Reden und Erbe. Der Antrag von Mohl geht auf Bildung eines „Parlamentsheeres“ und auf eine schleunige Regelung der Oberhaus [unleserliches Material]frage: Minoritäts-Antrag 2. des Abgeordneten Vogt von Gießen. „In Erwägung, daß Friedrich Wilhelm IV., König von Preußen, die auf ihn gefallene Wahl zum Kaiser der Deutschen definitiv abgelehnt hat und dadurch die getroffene Wahl erledigt ist, eine andere Wahl derzeit aber unthunlich erscheint; in Erwägung, daß die Regierungen: Preußen, Baiern, Hannover und Sachsen die unbedingte Annahme der Verfassung verweigert haben; und in fernerer Erwägung, daß die Regierung von Oestreich durch Anrufung russischer Hülfe ihre Bundespflicht verletzt hat, das Gebiet des deutschen Reiches von russischen Truppen wirklich überschritten worden ist und sowohl hierdurch als durch die Weigerung der erwähnten Regierungen das Vaterland in Gefahr ist: beschließt die Nationalversammlung 1) die verfassungsmäßigen Befugnisse des Kaisers werden, bis zur völligen Durchführung der Verfassung in ganz Deutschland, einem Reichsstatthalter übertragen, den die Nationalversammlung erwählt; 2) wählbar zu dieser Würde ist jeder volljährige Deutsche; 3) der Reichsstatthalter leistet sogleich nach Annahme der Wahl vor der Nationalversammlung den Eid auf die Reichsverfassung; 4) sie bestimmt den 1. August d. J. als den Tag, an welchem der erste Reichstag auf den Grund der Verfassung in Frankfurt a. M. zusammenzutreten hat;5 sie bestimmt als den Tag, an welchem im deutschen Reiche die Wahlen für das Volkshaus vorzunehmen sind, den 15. Juli d. J.; 6) mit der Beeidigung des Reichsstatthalters hört die provisorische Centralgewalt auf; 7) die Nationalversammlung erläßt einen Aufruf an das deutsche Volk, in welchem sie zum Festhalten an der Reichsverfassung und zur thatkräftigen Bekämpfung jeglichen Widerstandes gegen die Durchführung derselben auffordert; der Dreißiger-Ausschuß ist mit Vorlage eines Entwurfs zu diesem Aufrufe beauftragt; 8) die Nationalversammlung fordert sämmtliche Regierungen auf ihre ganze bewaffnete Macht mit Einschluß der Bürgerwehren, sofort auf die Reichsverfassung vereiden zu lassen. Für den Fall, daß einzelne Regierungen diese Vereidung bis zum 20. Mai nicht vollzogen hätten, werden sämmtliche Abtheilungen in den betreffenden Ländern ermächtigt und aufgefordert, diese Vereidung selbstständig vorzunehmen; 9) sämmtliche im Dienste des Reichs stehenden Truppen werden sofort auf die Reichsverfassung vereidigt. Die Centralgewalt wird mit der Vollziehung dieses Beschlusses beauftragt; 10) die vertagten oder aufgelösten Volksvertretungen der renitenten Regierungen werden aufgefordert und ermächtigt, sich sofort in ihrer letzten Zusammensetzung, aus eigener Machtvollkommenheit, an jedem passenden Orte zu versammeln und die geeigneten Maßregeln zu treffen, um den Widerstand ihrer Regierungen gegen die Reichsverfassung zu beseitigen; 11 in den größeren deutschen Staaten, welche die Anerkennung und Durchführung der Reichsverfassung verweigern, sind die einzelnen Provinzen und Kreise ermächtigt und aufgefordert, die Reichsverfassung nebst dem Wahlgesetze selbstständig anzunehmen und einzuführen; 12 die Nationalversammlung erklärt jeden Vertrag über Verbindung von Truppenkörpern renitenter Regierungen mit den Truppen solcher Regierungen, welche die Verfassung anerkannt haben, für unstatthaft, unwirksam und Verfassungswidrig; 13 die Nationalversammlung erklärt den Einmarsch russischer Truppen in Oestreich für eine Verletzung des Reichsgebietes, und erklärt diejenigen, welche diesen Einmarsch russischer Truppen veranlaßten oder ihre Zustimmung dazu gaben, für Verräther am Vaterlande. Sie fordert das gesammte deutsche Volk auf, mit allen Mitteln diesem Verrath zu widerstehen; entbindet diejenigen Truppen, welche zur Mitwirkung an solchem Verrathe befehligt werden sollten, des Eides gegen ihre Oberen und gibt der Centralgewalt auf, sofort in Gemäßheit dieses Beschlusses den Reichskrieg gegen Rußland und die verräther sche Regierung Oestreichs zu erklären.“ Zusatzantrag des Abgeordneten Umbscheiden zum 1. Minoritätsantrage. „Für die Wahlen zum ersten Reichstage wird von der Bildung neuer Wah bezirke, so wie von den hierauf Bezug habenden Bestimmungen des Reichswahlgesetzes Umgang genommen. Die Wahlen finden für dieselben Bezirke statt, welche für die Wahlen zur Nationalversammlung gebildet waren. Sollten Einzelregierungen den Wahlakten die erforderliche Mitwirkung versagen oder denselben sogar Hindernisse in den Weg legen, so wird von Reichswegen die genügende Vorsorge getroffen werden.“ Minoritätsantrag 2. des Abgeordneten Venedey. Die Nationalversammlung beschließt: „1) Die Wahlen zum ersten Reichstage auf den 15. Juli und die Zusammenberufung desselben Reichstags auf den 15. August anzuordnen. 2) Die unmittelbare Beeidigung aller Behörden und Truppen auf die Verfassung in allen Ländern anzuordnen, wo die Verfassung bereits von den Regierungen angenommen ist.“ (Der zweite Theil desselben wird zugleich als Zusatz-Antrag zu dem Ausschußantrage bezeichnet). Minoritätsantrag 3. des Abgeordneten Simon von Trier. Die Nationalversammlung beschließt: „1) Die Regierungen der deutschen Einzelstaaten haben nach Maaßgabe der §§. 14, 191 und 193 der Reichsverfassung sofort die Beeidigung sämmtlicher Beamten des Militär- und Civilstandes auf die Reichsverfassung und die zur Durchführung derselben verpflichtete Centralgewalt vorzunehmen. 2) Die Nationalversammlung erklärt jeden Vertrag zwischen Einzelstaaten über Verbindung von Truppenkörpern renitenter Regierungen, mit den Truppenkörpern solcher Regierungen, welche die Verfassung anerkannt haben, für verfassungswidrig, unstatthaft und unwirksam. Die Minoritäten verlangen getrennte Abstimmung auf ihre Anträge. Die Dringlichkeit des Gegenstandes wird einhellig anerkannt und das Mehrheitserachten ist so eben von dem Berichterstatter, Hrn. v. Wydenbrugk, mit einigen Worten eingeleitet worden, als der Präsident verkündet, daß der Unterstaatssekretär Hr. Widenmann Namens des Reichsministeriums das Gesuch an die Versammlung richtet, sich auf eine kurze Zeit zu vertagen, um dann eine Mittheilung des Reichsministeriums zu empfangen. Das Haus entspricht dem Verlangen, indem es seine Verhandlung auf eine halbe Stunde aussetzt. Um 10 3/4 Uhr tritt das interimistische Reichsministerium, Gagern an der Spitze, ein. Der Präsident der Versammlung verliest hierauf die folgende von dem interimistischen Präsidenten des Reichsministerraths an ihn gerichtete Zuschrift: „Am 28. v. M hat die königl. preußische Regierung, außer der Note, welche bezüglich der Verfassung des deutschen Reichs und bezüglich der auf Se. Majestät den König von Preußen auf Grund dieser Verfassung gefallenen Wahl zum Reichsoberhaupt an den königl. Bevollmächtigten bei der Centralgewalt erlassen und in offiziellem Wege zur Kenntniß der provisorischen Centralgewalt und der Nationalversammlung gebracht worden ist, eine weitere, denselben Gegenstand betreffende Circularnote an die königlich preußischen Missionen bei den deutschen Regierungen gerichtet. Von dieser Circularnote ist zwar die provisorische Centralgewalt nicht in offizieller Weise in Kenntniß gesetzt worden; sie ist aber durch den preußischen Staatsanzeiger zur öffentlichen Kenntniß gebracht. „Das Reichsministerium beehrt sich, ein Exemplar des betreffenden preuß. Staatsanzeigers an den Herrn Präsidenten der verfassunggebe nden Reichsversammlung, zur Vervollständigung des Materials zu den bevorstehenden Verhandlungen gelangen zu lassen. „Mit Bezug auf die Stelle der Note aber, welche sagt: „Im festen Vertrauen auf die Zustimmung, die ihr von allen gefunden und redlichen Elementen im eignen Lande zu Theil werden wird, ist sie darauf gefaßt, den zerstörenden und revolutionären Bestrebungen nach allen Seiten hin mit Kraft und Energie entgegenzutreten, und wird ihre Maßregeln so treffen, daß sie den verbündeten Regierungen die etwa gewünschte und erforderliche Hülfe rechtzeitig leisten könne. Die Gefahr ist eine gemeinsame, und Preußen wird seinen Beruf nicht verleugnen, in den Tagen der Gefahr einzutreten, wo und wie es Noth thut“ erklärt das Reichsministerium Namens der Centralgewalt, daß, nachdem das Gesetz vom 28. Juni 1848 über Einführung einer provisorischen Centralgewalt für Deutschland, die vollziehende Gewalt in allen Angelegenheiten, welche die allgemeine Sicherheit und Wohlfahrt des deutschen Bundesstaates betreffen, der provisorischen Centralgewalt übertragen hat, sie der Rechte wie der Pflichten, die ihr demnach obliegen, eingedenk, bei der Erfüllung derselben auf die Unterstützung der Einzelstaaten, eines jeden nach seinen Kräften rechnet; einen Anspruch aber auf allgemeine Leitung gemeinsamer Maßregeln zur Erhaltung der öffentlichen Ordnung und des Reichsfriedens, insofern dieser in der angeführten Stelle liegen sollte, einem Einzelstaate nicht zugestehen könnte. „Frankfurt, 4. Mai 1849. „gez. Hr: Gagern.“ (Beifall.) Auf das Verlangen der Versammlung wird hierauf auch die Note der preußischen Regierung aus dem preußischen Staatsanzeiger vorgelesen. Der Präsident führt sodann die Berathung auf den vorhin abgebrochenen Gegenstand zurück, indem er verschiedene neue auf die Vorlagen des Dreißigerausschusses bezügliche Verbesserungs- und Zusatzanträge zur Mittheilung bringt. Darunter ein Zusatz von Hrn. Schoder, unterstützt von Hrn. Eisenstuck u. A. zu allen bereits eingegangenen Anträgen: die Centralgewalt aufzufordern, in Beantwortung der oben verlesenen preußischen Note ein Reichsheer aus den Truppen der beistimmenden Staaten aufzustellen. Darauf ergreift im Namen der Mehrheit des Dreißigerausschusses das Wort Herr Welcker: „Ich kann auf die so eben verlesene preußische Note nicht blicken, ohne sie im Zusammenhange zu betrachten mit einer langen Reihe anderer unerfreulicher Ereignisse. Sammtliche deutsche Ständeversammlungen sprechen sich für die von dieser Versammlung geschaffene Reichsverfassung aus, die unendliche Mehrheit des Volks thuts aller Orten mit immer wachsendem Eifer. Ein Jeder fühlt, daß von ihrer Erhaltung sowohl die Macht und Freiheit des Vaterlandes als die Freiheit und das Recht jedes Einzelnen abhängt und gegen dieses berechtigte Verlangen tritt eine „unheilige Allianz“ der Regierungen wider die Völker auf. Allein trennen wir die geheiligten und unverletzlichen Persönlichkeiten der Fürsten von ihren Ministerien. Nur mit den letzteren haben wir es zu schaffen und mit einem Etwas, was das konstitutionelle England längst nicht mehr kennt: mit den Kamarillen. Die deutschen Ständekörper sind, wo sie aufgelös t worden sind, aus schlechten Gründen aufgelös't.“ Keinen einzigen der für die preußische Kammerauflösung aufgezählten Gründe findet der Redner haltbar, worauf er den Blick auf die Auflösung der Kammer in Sachsen, auf die Vertagung in Baiern und Hannover richtet. Auch auf das Verhältniß zu Oesterreich kommt der Redner zurück, worauf ihm: „Der besondere Beruf“ den nach der baierischen Note ein „jedes Volk von der Weltgeschichte überkommen hat“ sehr günstigen Anlaß g bt, zur Zurückweisung der harmlosen Anspruchslosigkeit, die Herr von der Pfordten auf Kosten der politischen Geltung Deutschlands verräth. Das Staatsleben freier Nationen beruht auf dem Consensus omnium und aus dem letzteren rechtfertigt Herr Welcker namentlich die Bestimmungen der deutschen Verfassung über das Veto des Oberhaupts. (Ungeduld.) Uebrigens habe die preußische Regierung selbst in ihrer Note vom 3. Januar die Nothwendigkeit anerkannt, daß die deutsche Reichsversammlung endgültig über die Verfassung entscheide. Statt dessen verkündet sie jetzt ganz andere Grundsätze. Den letzten aber selbst und den kleinsten Fürsten zu einem hemmenden Einspruche gegen die Verfassung berechtigen ‒ das heiße die Anarchie legitimiren. „Vorwand, nichts als Vorwand sei es,“ wenn die preußische Regierung an einzelnen Bestimmungen der Verfassung Anstoß nehme und dieselbe deshalb verwerfe; die wahre Absicht des Ministeriums Brandenburg sei, die Freiheit des deutschen Volks wieder zu vernichten. (Beifall.) An den Vorgängen in Preußen, an der dort erfolgten Oktroyirung einer Verfassung und der dazu gefugten Auflösung der Kammern solle man sich ein Muster nehmen für das was dem deutschen Michel bevorstehe. Nach dem Plane der preußischen Regierung soll die tapfere und edle (!) preußische Armee dazu mißbraucht (!) werden, als Büttel und Profoß in Deutschland umherzuziehen und die Freiheit ihrer deutschen Brüder zu bekämpfen. Ob sich aber das Ministerium darin nicht verrechnen werde! Ferner berufe das Ministerium Brandenburg die deutschen Regierungen zu einem Fürstentag nach Berlin. Ich aber weiß dreißig Regierungen, welche nicht kommen werden, und wenn sie kommen wollten, so mochten ihre Throne hinter ihnen umstürzen. (Beifall) Diejenigen aber, welche kommen, werden indeß auch keine Lust verspüren, auf den Plan Preußens einzugehen, um dasselbe zu vergrößern ‒ Der Redner schließt unter Beifall mit den Worten: „Ich sage zu den Fürsten vor Gott und ihrem Gewissen: Seid billig gegen das Volk, denn das Volk ist billig gegen Euch!“ Unter mehreren ferneren Anträgen, die auch jetzt wieder kundgegeben werden, ist einer von Herrn Haubenschmidt aus Passau auf wiederholte Vornahme des Abschnitts vom Reichsoberhaupte durch den Verfassungsausschuß und Aussetzung der Berathung bis über neue desfallsige Vorlagen Beschluß gefaßt sei. Moritz Mohl: Ich will nur eine Thatsache zu Ihrer Kenntniß bringen, von der Sie noch nicht wissen. In der heute angekommnen konstitutionellen Zeitung aus Berlin, die bekanntlich des ministeriellen Vertrauens genießt, ist die Mittheilung enthalten, daß auch bei Erfurt ein preußisches Heer zusammengezogen werde. Gegen wen? Gegen uns. Waren wir nicht die lächerlichsten Dupen, wenn wir uns das thatenlos gefallen ließen. Düpirt oder noch etwas Schlimmeres. Herr Moritz Mohl nimmt daraus ein neues Motiv für seinen Antrag auf ein Parlamentsheer. Denke man nicht, es sei zu klein, weil wir es nur aus den kleinen Staaten sammeln können. Wenn wir aus dieser Armee dem zu bildenden Volksheere nur Offiziere und Unteroffiziere liefern können, so sind wir stark genug. Was Herr Mohl ferner wunscht, um uns des Siegs unfehlbar zu versichern, ist ‒ die Wegschaffung des Erbkaisers aus der Verfassung. (Stürmische Zustimmung von der Linken) Georg Beseler weist nach, wie die Verfassung ein unheilvolles Ganze sei, an dem keine einzige Bestimmung, kein Paragraph hinweggenommen werden könne ohne Gefahr für das Ganze. Rütteln Sie an keinem Steine ‒ nehmen Sie keinen Stück aus dem Gebäude, auch nicht das kleinste. Sie könnten den Eckstein ergreifen und das ganze Gebäude bis auf den Grund erschüttert haben. Was nun die Mittel anlangt, mit denen die Verfassung durchzusetzen ist, so kann sich der Redner für die von Herrn Vogt vorgeschlagenen Maßregeln erklären. Die Centralgewalt allein hat zu regieren, die Centralgewalt allein hat das Recht und die Pflicht, diese Versammlung zu vertheidigen und deren Beschlüsse durchzusetzen. Dahingegen begründet er die Anträge der Mehrheit sowohl den Grundsätzen nach, auf denen sie beruhen, als in ihren Einzelnheiten. Was den Eid anlangt, der auf die Reichsverfassung und auf die Reichsgewalt geleistet werden soll, so erinnere ich Sie daran, daß ein politischer Eid nicht bloß eine zweischneidide Waffe ist, sondern daß wir auch uns der Gefahr aussetzen, daß uns diese Eidesleistung von verschiedenen Seiten her verweigert werde, besonders da die Verfassung allerdings rechtsgültig besteht, dennoch aber noch nicht als vollzogen betrachtet werden kann. (Widerspruch von der Linken.) Das eben ist das Schlimme und das Gefährliche des Uebergangszustands in dem wir stehen. Verleugnen wir uns nicht, welche Hindernisse uns unsere Gegner entgegensetzen werden. Achten wir die Gewissenhaftigkeit des deutschen Volks, womit es einen Eid zu betrachten pflegt, achten wir die Bedenken, auf die der von uns geforderte Eid stoßen könnte. Die Frische (!) freilich, mit der wir hierher kamen (!), besitzen wir nicht mehr. Aber wir sind deshalb nicht schwach und ich für meine Person bin sogar der festen Zuversicht, daß wir des Sieges sicher sind; denn das Volk (!), die Mehrheit (!), die besten Männer Deutschlands stehen zu uns und wenn wir fallen ‒ so fürchte ich weniger, daß wir durch unsere Feinde fallen, als durch unsere Schuld. Nachdem hierauf der Schluß der Debatte unter Vorbehalt des Worts für die Berichterstatter angenommen worden ‒ ergreift Gagern das Wort. Erklärt sich für den Mehrheitsantrag des Dreißiger-Ausschusses. Kein verständiger Mann habe sich über die unermeßlichen Schwierigkeiten getäuscht, welche der deutschen Einheit entgegenstehen mußten. Allein nicht mit Gewalt ist sie durchzusetzen, sondern der öffentlichen Meinung in den verschiedenen Ländern Zeit zum Durchbruche zu lassen. Nicht indem wir jeden Widerstand gewaltsam über den Haufen werfen, sondern in jedem einzelnen Lande, bei jedem einzelnen Stamme Deutschlands muß sich nach und nach und wird sich die Mehrheit für die Verfassung als für eine gemeinsame Errungenschaft erklären. Indem wir daher nur zu gesetzlichen Mitteln verschreiten, müssen wir vor Irrthümern warnen, wie sie nur zu leicht in einer Lage wie die unsrige vorkommen. Indem ich die Mehrheitsanträge unterstütze, habe ich hauptsächlich im Auge, erstens: daß der allgemeinen Bewegung ein bestimmtes Bett angewiesen werde, daß sie <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div xml:id="ar291-2_009" type="jArticle"> <p><pb facs="#f0002" n="1652"/> trägen aufgetreten war, hielt Hr. v. Bruck sich nicht für berechtigt, die Ausführung des dritten Artikels des Waffenstillstandes noch länger aufzuhalten. Es wurde demnach von den Militärbehörden der 23ste für den Einzug der kaiserlichen Truppen, welche die halbe Besatzung von Alessandria bilden sollen, festgesetzt. Am Morgen des nämlichen Tages erklärten die sardinischen Bevollmächtigten, daß, nachdem die kaiserliche Regierung in Gemäßheit des dritten Artikels des Waffenstillstandes auf der Besetzung von Alessandria bestehe, sie den Befehl erhalten hätten, die Friedensunterhandlungen vorerst nicht weiter fortzusetzen, ohne sie deshalb für abgebrochen anzusehen. Sie verließen hierauf Mailand, woselbst der Hr. Minister v. Bruck noch immer verweilt.</p> </div> <div xml:id="ar291-2_010" type="jArticle"> <head>Prag, 1. Mai.</head> <p>Eben erhalten wir folgende Anzeige:</p> <p>„Wegen Beschädigung der Nordbahn-Brücke bei Wien ist der Waarenverkehr nach den Stationen Wien und Florisdorf auf der Eisenbahn eingestellt. Equipagen werden nur bis Florisdorf, dagegen Reisende, Gepäck und Eilgut bis Wien aufgenommen“</p> <p>Gestern Nacht ist die <hi rendition="#g">ganze Escadron</hi> von Palatinalhusaren, welche in Saaz stationirt war, <hi rendition="#g">desertirt,</hi> nur der Rittmeister blieb zurück.</p> </div> <div xml:id="ar291-2_011_c" type="jArticle"> <note type="editorial">Edition: <bibl>Friedrich Engels: Vom friedlichen Kriegsschauplatze (Schleswig-Holstein), vorgesehen für: MEGA<hi rendition="#sup">2</hi>, I/9. </bibl> </note> <head>Schleswig-Holstein, 30. April.</head> <gap reason="copyright"/> </div> <div xml:id="ar291-2_012" type="jArticle"> <head>Frankfurt, 3. Mai.</head> <p>Wir vernehmen so eben, daß im Dreißiger-Ausschuß von den zur Linken gehörigen Mitgliedern der Antrag gestellt wurde, die in der Verfassung aufgestellte erbliche Kaiserwürde durch die Renitenz der Regierungen als erledigt zu betrachten, und an ihre Stelle einen Reichsstatthalter zu setzen, zu dem jeder Deutsche wählbar wäre, und dem die in der Verfassung vorgesehenen Befugnisse des Kaisers zustehen sollen. Ferner sollen nach diesem Antrage das Militär und die Beamten auf die Verfassung beeidigt und die Mitglieder der aufgelösten Ständekammern aufgefordert werden, sich aus eigener Machtvollkommenheit zu versammeln und die geeigneten Maßregeln zu treffen, um die Renitenz der Regierungen gegen die Annahme der Reichsverfassung zu beseitigen; dann endlich soll die Vereinigung von Truppenkörpern solcher Regierungen, die die Reichsverfassung anerkannt haben, mit solchen, deren Regierungen dieselbe nicht anerkannt haben, als ungesetzlich erklärt werden und demnach nicht stattfinden dürfen. ‒ Diese Anträge sollen in der heutigen Abendversammlung des Dreißiger-Ausschusses nochmals einer Berathung unterworfen, dann aber in einer der nächsten Sitzungen der Reichstagsversammlung verlesen und gestellt werden.</p> <bibl>(Fr. J.)</bibl> <p>Nach dem „Frankfurter Journal“ wird die Majorität der Nationalversammlung wahrscheinlich den Beschluß fassen: die Wahlen zum neuen Reichstage nach Maßgabe der Verfassung auszuschreiben und unter den dabei betheiligten Staaten den größten provisorisch mit der Oberleitung des Bundesstaates zu betrauen.</p> </div> <div xml:id="ar291-2_013" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl> Frankfurt, 4. Mai.</head> <p>Nationalversammlung.</p> <p>Auf den Plätzen der Abgeordneten scheint schon bei Eröffnung der heutigen Sitzung kaum noch ein in Frankfurt anwesendes Mitglied der Versammlung zu fehlen. Sie erfolgt gegen 9 1/2 Uhr Vormittags durch den Präsidenten Herrn Simson. Ausgetreten sind die Herren von Breuning aus Aachen, Martens aus Danzig, <hi rendition="#g">v. Beckerath aus Krefeld.</hi> Diese Ankündigung bringt eine Bewegung unwilligen Staunens im Hause hervor.</p> <p><hi rendition="#g">Hr. Vischer</hi> aus Tübingen interpellirt das Reichsministerium wegen Mißachtung des Gesetzes vom 8. Januar, die Aufhebung der Spielbanken betreffend, die sich in Homburg kund gibt. Die Interpellation ist erst heute Morgen eingebracht und es erfolgt noch keine Antwort darauf.</p> <p>Darauf bemerkt der Präsident, daß sich in den Händen der Abgeordneten seit heute Morgen ein dringlicher Antrag des Dreißiger-Ausschusses befinde. Der Antrag ist gedruckt vertheilt und er zerfällt in ein Mehrheitserachten und drei Minderheitserachten, die letzteren von Hrn. Vogt von Gießen, von Hrn. Venedey aus Köln und von Hrn. Simon von Trier gestellt. Das Mehrheitserachten lautet:</p> <p>1) In Erwägung, daß es unmöglich ist, die Verfassung des deutschen Reichs auf dem in ihr selbst vorgezeichneten Wege ins Leben zu führen, so lange das erwählte Reichsoberhaupt dieselbe nicht anerkannt hat und die Wahlen zum Reichstage nicht ausschreibt.</p> <p>1) In Erwägung, daß die Regierungen mehrerer deutschen Staaten die Verfassung Deutschlands noch nicht anerkannt, daß die von Preußen und Baiern die entgegengesetzte Ansicht ausgesprochen haben.</p> <p>3) In Erwägung, daß auf der Grundlage der gegebenen Verfassung nur dann eine gedeihliche Entwickelung des öffentlichen Rechtszustandes für Deutschland zu erwarten steht, wenn die Würde des Reichsoberhauptes mit der Krone Preußen verbunden wird.</p> <p>4) In Erwägung, daß wenn nach dem Abschluß der deutschen Verfassung die deutsche Nationalversammung sich auflösen wolle, sie den ihr vom deutschen Volke unter Zustimmung der Regierungen ertheilten Auftrag nur zur Hälfte erfüllen würde, indem die neue Konstituirung Deutschlands nicht mit dem Ausarbeiten einer Verfassung, sondern erst dann bewirkt ist, wenn Deutschland in Wirklichkeit unter der beschlossenen Verfassung geeinigt ist.</p> <p>5) In Erwägung, daß mit Auflösung der Nationalversammlung die provisorische Centralgewalt ganz gegen ihre Bestimmung in eine rein absolute Regierungsform umgewandelt, oder der Bedingungen ihrer Existenz beraubt werden würde.</p> <p>6) In Erwägung, daß die provisorische Centralgewalt, welch' hoher Werth auch darauf zu legen ist, daß sie bis dahin, wo eine neue verfassungsmäßige Gesammtregierung ins Leben getreten sein wird, im Sinne des Gesetzes vom 28. Juni 1848 fortbestehe und fortwirke, gleichwohl nach eben diesem Gesetze, weder befugt noch verpflichtet ist, Handlungen vorzunehmen, zu welchen das Recht erst aus der Verfassung selbst hergeleitet werden kann, namentlich das Ausschreiben von Wahlen, die Eröffnung des Reichstags.</p> <p>7) In Erwägung, daß der Uebertragung dieser Funktionen auf die provisorische Central-Gewalt ebensowohl, als der Schaffung einer neben oder an die Stelle der Central-Gewalt tretenden neuen Gewalt formelle und politische Bedenken entgegenstehen.</p> <p>8) In Erwägung, daß in dem gegenwärtigen Augenblicke der Bundestag nicht mehr besteht, sondern ‒ und zwar mit Zustimmung der Regierungen ‒ aufgehoben ist, der wirklichen Durchführung des beschlossenen Bundesstaates aber die auseinandergehenden und zu keiner anderweitigen Einigung gedeihenden dynastischen Interessen mehrerer Regierungen in dem Maße offen und heimlich entgegenarbeiten, als das deutsche Volk andererseits sich überall zu dieser Verfassung bekannt, und nicht minder durch die entschiedene und friedliche Haltung seiner Bürger als durch den hohen Muth seiner Krieger lautes Zeugniß ablegt, für seinen Beruf zu einer großen geschichtlichen Entwickelung.</p> <p>9) In Erwägung, daß Deutschland, wenn die Nationalversammlung es in dieser Lage sich selbst, oder dem Ungefähr der sich mannigfach kreuzenden dynastischen Interessen überlassen wollte, einem gänzlichen politischen Zerfallen, oder doch unsäglichen neuen Wirren, sein Wohlstand aber den vernichtendsten Schlägen entgegengehen würde.</p> <p>10) In Erwägung, daß bei dieser Lage Deutschlands schon ein über dem geschriebenen Rechte stehendes Gesetz der Gesammtvertretung der Nation das Recht gibt und die Pflicht auferlegt, die Existenz des gemeinsamen Vaterlandes zu sichern und zu thun, was dasselbe allein zu retten vermag, daß aber auch bis dahin, wo die Verfassung wirklich in's Leben getreten sein wird, die höchste gesetzgebende Gewalt für Deutschland der Nationalversammlung von dem Volke anvertraut ist,</p> <p>beschließt dieselbe wie folgt:</p> <p>1) Die Nationalversammlung fordert die Regierungen, die gesetzgebenden Körper, die Gemeinden der Einzelstaaten, das gesammte deutsche Volk auf, die Verfassung des deutschen Reichs vom 28. März d. J. zur Anerkennung und Geltung zu bringen.</p> <p>2) Sie bestimmt den 15. August d. J. als den Tag, an welchem der erste Reichstag auf den Grund der Verfassung in Frankfurt a. M. zusammen zu treten hat.</p> <p>3) Sie bestimmt als den Tag, an welchem im deutschen Reiche die Wahlen für das Volkshaus vorzunehmen sind, den 15. Juli d. J.</p> <p>4) Sollte, ‒ abgesehen von Deutschöstreich, dessen zur Zeit etwa nicht erfolgter Eintritt bereits durch § 87 der Verfassung berücksichtigt ist, ‒ ein oder der andere Staat im Reichstage nicht vertreten sein und deshalb eine oder die andere Bestimmung der für ganz Deutschland gegebenen Verfassung nicht ausführbar erscheinen, so erfolgt die Abänderung derselben auf dem in der Verfassung selbst vorgeschriebenen Wege provisorisch bis zu dem Zeitpunkte, wo die Verfassung überall in Wirksamkeit getreten sein wird. Die § 196 Nr. 1 der Verfassung gedachten zwei Drittheil der Mitglieder sind dann mit Zugrundlegung derjenigen Staaten, welche zum Volks- und Staatenhanse wirklich gewählt haben, zu ermitteln.</p> <p>5) Sollte insbesondere Preußen im Reichstage nicht vertreten sein, und also bis dahin weder ausdrücklich noch thatsächlich die Verfassung anerkannt haben, so tritt das Oberhaupt desjenigen Staates, welcher unter den im Staatenhause vertretenen Staaten die größte Seelenzahl hat, unter dem Titel eines Reichsstatthalters in die Rechte und Pflichten des Reichsoberhauptes ein.</p> <p>6) Sobald aber die Verfassung von Preußen anerkannt ist, geht damit von selbst die Würde des Reichsoberhauptes nach Maßgabe der Verfassung § 68 ff. auf den zur Zeit der Anerkennung regierenden König von Preußen über.</p> <p>7) Das Reichsoberhaupt leistet den Eid auf die Verfassung vor der Nationalversammlung und eröffnet sodann den Reichstag. Mit der Eröffnung des Reichstages ist die Nationalversammlung aufgelös't.</p> <p>Dazu werden als von außerhalb des Ausschusses kommend von folgenden Abgeordneten Verbesserungsanträge angemeldet.</p> <p>Von den Herren Moritz Mohl, v. Reden und Erbe. Der Antrag von Mohl geht auf Bildung eines „Parlamentsheeres“ und auf eine schleunige Regelung der Oberhaus <gap reason="illegible"/>frage:</p> <p>Minoritäts-Antrag 2. des Abgeordneten Vogt von Gießen.</p> <p>„In Erwägung, daß Friedrich Wilhelm IV., König von Preußen, die auf ihn gefallene Wahl zum Kaiser der Deutschen definitiv abgelehnt hat und dadurch die getroffene Wahl erledigt ist, eine andere Wahl derzeit aber unthunlich erscheint; in Erwägung, daß die Regierungen: Preußen, Baiern, Hannover und Sachsen die unbedingte Annahme der Verfassung verweigert haben; und in fernerer Erwägung, daß die Regierung von Oestreich durch Anrufung russischer Hülfe ihre Bundespflicht verletzt hat, das Gebiet des deutschen Reiches von russischen Truppen wirklich überschritten worden ist und sowohl hierdurch als durch die Weigerung der erwähnten Regierungen das Vaterland in Gefahr ist: beschließt die Nationalversammlung 1) die verfassungsmäßigen Befugnisse des Kaisers werden, bis zur völligen Durchführung der Verfassung in ganz Deutschland, einem Reichsstatthalter übertragen, den die Nationalversammlung erwählt; 2) wählbar zu dieser Würde ist jeder volljährige Deutsche; 3) der Reichsstatthalter leistet sogleich nach Annahme der Wahl vor der Nationalversammlung den Eid auf die Reichsverfassung; 4) sie bestimmt den 1. August d. J. als den Tag, an welchem der erste Reichstag auf den Grund der Verfassung in Frankfurt a. M. zusammenzutreten hat;5 sie bestimmt als den Tag, an welchem im deutschen Reiche die Wahlen für das Volkshaus vorzunehmen sind, den 15. Juli d. J.; 6) mit der Beeidigung des Reichsstatthalters hört die provisorische Centralgewalt auf; 7) die Nationalversammlung erläßt einen Aufruf an das deutsche Volk, in welchem sie zum Festhalten an der Reichsverfassung und zur thatkräftigen Bekämpfung jeglichen Widerstandes gegen die Durchführung derselben auffordert; der Dreißiger-Ausschuß ist mit Vorlage eines Entwurfs zu diesem Aufrufe beauftragt; 8) die Nationalversammlung fordert sämmtliche Regierungen auf ihre ganze bewaffnete Macht mit Einschluß der Bürgerwehren, sofort auf die Reichsverfassung vereiden zu lassen. Für den Fall, daß einzelne Regierungen diese Vereidung bis zum 20. Mai nicht vollzogen hätten, werden sämmtliche Abtheilungen in den betreffenden Ländern ermächtigt und aufgefordert, diese Vereidung selbstständig vorzunehmen; 9) sämmtliche im Dienste des Reichs stehenden Truppen werden sofort auf die Reichsverfassung vereidigt. Die Centralgewalt wird mit der Vollziehung dieses Beschlusses beauftragt; 10) die vertagten oder aufgelösten Volksvertretungen der renitenten Regierungen werden aufgefordert und ermächtigt, sich sofort in ihrer letzten Zusammensetzung, aus eigener Machtvollkommenheit, an jedem passenden Orte zu versammeln und die geeigneten Maßregeln zu treffen, um den Widerstand ihrer Regierungen gegen die Reichsverfassung zu beseitigen; 11 in den größeren deutschen Staaten, welche die Anerkennung und Durchführung der Reichsverfassung verweigern, sind die einzelnen Provinzen und Kreise ermächtigt und aufgefordert, die Reichsverfassung nebst dem Wahlgesetze selbstständig anzunehmen und einzuführen; 12 die Nationalversammlung erklärt jeden Vertrag über Verbindung von Truppenkörpern renitenter Regierungen mit den Truppen solcher Regierungen, welche die Verfassung anerkannt haben, für unstatthaft, unwirksam und Verfassungswidrig; 13 die Nationalversammlung erklärt den Einmarsch russischer Truppen in Oestreich für eine Verletzung des Reichsgebietes, und erklärt diejenigen, welche diesen Einmarsch russischer Truppen veranlaßten oder ihre Zustimmung dazu gaben, für Verräther am Vaterlande. Sie fordert das gesammte deutsche Volk auf, mit allen Mitteln diesem Verrath zu widerstehen; entbindet diejenigen Truppen, welche zur Mitwirkung an solchem Verrathe befehligt werden sollten, des Eides gegen ihre Oberen und gibt der Centralgewalt auf, sofort in Gemäßheit dieses Beschlusses den Reichskrieg gegen Rußland und die verräther sche Regierung Oestreichs zu erklären.“</p> <p>Zusatzantrag des Abgeordneten Umbscheiden zum 1. Minoritätsantrage.</p> <p>„Für die Wahlen zum ersten Reichstage wird von der Bildung neuer Wah bezirke, so wie von den hierauf Bezug habenden Bestimmungen des Reichswahlgesetzes Umgang genommen. Die Wahlen finden für dieselben Bezirke statt, welche für die Wahlen zur Nationalversammlung gebildet waren. Sollten Einzelregierungen den Wahlakten die erforderliche Mitwirkung versagen oder denselben sogar Hindernisse in den Weg legen, so wird von Reichswegen die genügende Vorsorge getroffen werden.“</p> <p>Minoritätsantrag 2. des Abgeordneten Venedey.</p> <p>Die Nationalversammlung beschließt:</p> <p>„1) Die Wahlen zum ersten Reichstage auf den 15. Juli und die Zusammenberufung desselben Reichstags auf den 15. August anzuordnen. 2) Die unmittelbare Beeidigung aller Behörden und Truppen auf die Verfassung in allen Ländern anzuordnen, wo die Verfassung bereits von den Regierungen angenommen ist.“</p> <p>(Der zweite Theil desselben wird zugleich als Zusatz-Antrag zu dem Ausschußantrage bezeichnet).</p> <p>Minoritätsantrag 3. des Abgeordneten Simon von Trier.</p> <p>Die Nationalversammlung beschließt:</p> <p>„1) Die Regierungen der deutschen Einzelstaaten haben nach Maaßgabe der §§. 14, 191 und 193 der Reichsverfassung sofort die Beeidigung sämmtlicher Beamten des Militär- und Civilstandes auf die Reichsverfassung und die zur Durchführung derselben verpflichtete Centralgewalt vorzunehmen. 2) Die Nationalversammlung erklärt jeden Vertrag zwischen Einzelstaaten über Verbindung von Truppenkörpern renitenter Regierungen, mit den Truppenkörpern solcher Regierungen, welche die Verfassung anerkannt haben, für verfassungswidrig, unstatthaft und unwirksam.</p> <p>Die Minoritäten verlangen getrennte Abstimmung auf ihre Anträge.</p> <p>Die Dringlichkeit des Gegenstandes wird einhellig anerkannt und das Mehrheitserachten ist so eben von dem Berichterstatter, Hrn. v. Wydenbrugk, mit einigen Worten eingeleitet worden, als der Präsident verkündet, daß der Unterstaatssekretär Hr. Widenmann Namens des Reichsministeriums das Gesuch an die Versammlung richtet, sich auf eine kurze Zeit zu vertagen, um dann eine Mittheilung des Reichsministeriums zu empfangen. Das Haus entspricht dem Verlangen, indem es seine Verhandlung auf eine halbe Stunde aussetzt.</p> <p>Um 10 3/4 Uhr tritt das interimistische Reichsministerium, Gagern an der Spitze, ein. Der Präsident der Versammlung verliest hierauf die folgende von dem interimistischen Präsidenten des Reichsministerraths an ihn gerichtete Zuschrift:</p> <p>„Am 28. v. M hat die königl. preußische Regierung, außer der Note, welche bezüglich der Verfassung des deutschen Reichs und bezüglich der auf Se. Majestät den König von Preußen auf Grund dieser Verfassung gefallenen Wahl zum Reichsoberhaupt an den königl. Bevollmächtigten bei der Centralgewalt erlassen und in offiziellem Wege zur Kenntniß der provisorischen Centralgewalt und der Nationalversammlung gebracht worden ist, eine weitere, denselben Gegenstand betreffende Circularnote an die königlich preußischen Missionen bei den deutschen Regierungen gerichtet. Von dieser Circularnote ist zwar die provisorische Centralgewalt nicht in offizieller Weise in Kenntniß gesetzt worden; sie ist aber durch den preußischen Staatsanzeiger zur öffentlichen Kenntniß gebracht.</p> <p>„Das Reichsministerium beehrt sich, ein Exemplar des betreffenden preuß. Staatsanzeigers an den Herrn Präsidenten der verfassunggebe nden Reichsversammlung, zur Vervollständigung des Materials zu den bevorstehenden Verhandlungen gelangen zu lassen.</p> <p>„Mit Bezug auf die Stelle der Note aber, welche sagt: „Im festen Vertrauen auf die Zustimmung, die ihr von allen gefunden und redlichen Elementen im eignen Lande zu Theil werden wird, ist sie darauf gefaßt, den zerstörenden und revolutionären Bestrebungen nach allen Seiten hin mit Kraft und Energie entgegenzutreten, und wird ihre Maßregeln so treffen, daß sie den verbündeten Regierungen die etwa gewünschte und erforderliche Hülfe rechtzeitig leisten könne. Die Gefahr ist eine gemeinsame, und Preußen wird seinen Beruf nicht verleugnen, in den Tagen der Gefahr einzutreten, wo und wie es Noth thut“ erklärt das Reichsministerium Namens der Centralgewalt, daß, nachdem das Gesetz vom 28. Juni 1848 über Einführung einer provisorischen Centralgewalt für Deutschland, die vollziehende Gewalt in allen Angelegenheiten, welche die allgemeine Sicherheit und Wohlfahrt des deutschen Bundesstaates betreffen, der provisorischen Centralgewalt übertragen hat, sie der Rechte wie der Pflichten, die ihr demnach obliegen, eingedenk, bei der Erfüllung derselben auf die Unterstützung der Einzelstaaten, eines jeden nach seinen Kräften rechnet; einen Anspruch aber auf allgemeine Leitung gemeinsamer Maßregeln zur Erhaltung der öffentlichen Ordnung und des Reichsfriedens, insofern dieser in der angeführten Stelle liegen sollte, einem Einzelstaate nicht zugestehen könnte.</p> <p>„Frankfurt, 4. Mai 1849.</p> <p>„gez. Hr: Gagern.“</p> <p>(Beifall.)</p> <p>Auf das Verlangen der Versammlung wird hierauf auch die Note der preußischen Regierung aus dem preußischen Staatsanzeiger vorgelesen.</p> <p>Der Präsident führt sodann die Berathung auf den vorhin abgebrochenen Gegenstand zurück, indem er verschiedene neue auf die Vorlagen des Dreißigerausschusses bezügliche Verbesserungs- und Zusatzanträge zur Mittheilung bringt. Darunter ein Zusatz von Hrn. Schoder, unterstützt von Hrn. Eisenstuck u. A. zu allen bereits eingegangenen Anträgen:</p> <p>die Centralgewalt aufzufordern, in Beantwortung der oben verlesenen preußischen Note ein Reichsheer aus den Truppen der beistimmenden Staaten aufzustellen.</p> <p>Darauf ergreift im Namen der Mehrheit des Dreißigerausschusses das Wort</p> <p>Herr <hi rendition="#g">Welcker:</hi> „Ich kann auf die so eben verlesene preußische Note nicht blicken, ohne sie im Zusammenhange zu betrachten mit einer langen Reihe anderer unerfreulicher Ereignisse. Sammtliche deutsche Ständeversammlungen sprechen sich für die von dieser Versammlung geschaffene Reichsverfassung aus, die unendliche Mehrheit des Volks thuts aller Orten mit immer wachsendem Eifer. Ein Jeder fühlt, daß von ihrer Erhaltung sowohl die Macht und Freiheit des Vaterlandes als die Freiheit und das Recht jedes Einzelnen abhängt und gegen dieses berechtigte Verlangen tritt eine „unheilige Allianz“ der Regierungen wider die Völker auf. Allein trennen wir die geheiligten und unverletzlichen Persönlichkeiten der Fürsten von ihren Ministerien. Nur mit den letzteren haben wir es zu schaffen und mit einem Etwas, was das konstitutionelle England längst nicht mehr kennt: mit den Kamarillen. Die deutschen Ständekörper sind, wo sie aufgelös t worden sind, aus schlechten Gründen aufgelös't.“</p> <p>Keinen einzigen der für die preußische Kammerauflösung aufgezählten Gründe findet der Redner haltbar, worauf er den Blick auf die Auflösung der Kammer in Sachsen, auf die Vertagung in Baiern und Hannover richtet. Auch auf das Verhältniß zu Oesterreich kommt der Redner zurück, worauf ihm: „Der besondere Beruf“ den nach der baierischen Note ein „jedes Volk von der Weltgeschichte überkommen hat“ sehr günstigen Anlaß g bt, zur Zurückweisung der harmlosen Anspruchslosigkeit, die Herr von der Pfordten auf Kosten der politischen Geltung Deutschlands verräth. Das Staatsleben freier Nationen beruht auf dem Consensus omnium und aus dem letzteren rechtfertigt Herr Welcker namentlich die Bestimmungen der deutschen Verfassung über das Veto des Oberhaupts. (Ungeduld.) Uebrigens habe die preußische Regierung selbst in ihrer Note vom 3. Januar die Nothwendigkeit anerkannt, daß die deutsche Reichsversammlung endgültig über die Verfassung entscheide. Statt dessen verkündet sie jetzt ganz andere Grundsätze. Den letzten aber selbst und den kleinsten Fürsten zu einem hemmenden Einspruche gegen die Verfassung berechtigen ‒ das heiße die Anarchie legitimiren. „Vorwand, nichts als Vorwand sei es,“ wenn die preußische Regierung an einzelnen Bestimmungen der Verfassung Anstoß nehme und dieselbe deshalb verwerfe; die wahre Absicht des Ministeriums Brandenburg sei, die Freiheit des deutschen Volks wieder zu vernichten. (Beifall.) An den Vorgängen in Preußen, an der dort erfolgten Oktroyirung einer Verfassung und der dazu gefugten Auflösung der Kammern solle man sich ein Muster nehmen für das was dem deutschen Michel bevorstehe. Nach dem Plane der preußischen Regierung soll die tapfere und edle (!) preußische Armee dazu mißbraucht (!) werden, als Büttel und Profoß in Deutschland umherzuziehen und die Freiheit ihrer deutschen Brüder zu bekämpfen. Ob sich aber das Ministerium darin nicht verrechnen werde! Ferner berufe das Ministerium Brandenburg die deutschen Regierungen zu einem Fürstentag nach Berlin. Ich aber weiß dreißig Regierungen, welche nicht kommen werden, und wenn sie kommen wollten, so mochten ihre Throne hinter ihnen umstürzen. (Beifall) Diejenigen aber, welche kommen, werden indeß auch keine Lust verspüren, auf den Plan Preußens einzugehen, um dasselbe zu vergrößern ‒ Der Redner schließt unter Beifall mit den Worten: „Ich sage zu den Fürsten vor Gott und ihrem Gewissen: Seid billig gegen das Volk, denn das Volk ist billig gegen Euch!“</p> <p>Unter mehreren ferneren Anträgen, die auch jetzt wieder kundgegeben werden, ist einer von Herrn Haubenschmidt aus Passau auf wiederholte Vornahme des Abschnitts vom Reichsoberhaupte durch den Verfassungsausschuß und Aussetzung der Berathung bis über neue desfallsige Vorlagen Beschluß gefaßt sei.</p> <p><hi rendition="#g">Moritz Mohl:</hi> Ich will nur eine Thatsache zu Ihrer Kenntniß bringen, von der Sie noch nicht wissen. In der heute angekommnen konstitutionellen Zeitung aus Berlin, die bekanntlich des ministeriellen Vertrauens genießt, ist die Mittheilung enthalten, daß auch bei Erfurt ein preußisches Heer zusammengezogen werde. Gegen wen? Gegen uns. Waren wir nicht die lächerlichsten Dupen, wenn wir uns das thatenlos gefallen ließen. Düpirt oder noch etwas Schlimmeres. Herr Moritz Mohl nimmt daraus ein neues Motiv für seinen Antrag auf ein Parlamentsheer. Denke man nicht, es sei zu klein, weil wir es nur aus den kleinen Staaten sammeln können. Wenn wir aus dieser Armee dem zu bildenden Volksheere nur Offiziere und Unteroffiziere liefern können, so sind wir stark genug. Was Herr Mohl ferner wunscht, um uns des Siegs unfehlbar zu versichern, ist ‒ die Wegschaffung des Erbkaisers aus der Verfassung. (Stürmische Zustimmung von der Linken)</p> <p><hi rendition="#g">Georg Beseler</hi> weist nach, wie die Verfassung ein unheilvolles Ganze sei, an dem keine einzige Bestimmung, kein Paragraph hinweggenommen werden könne ohne Gefahr für das Ganze. Rütteln Sie an keinem Steine ‒ nehmen Sie keinen Stück aus dem Gebäude, auch nicht das kleinste. Sie könnten den Eckstein ergreifen und das ganze Gebäude bis auf den Grund erschüttert haben. Was nun die Mittel anlangt, mit denen die Verfassung durchzusetzen ist, so kann sich der Redner für die von Herrn Vogt vorgeschlagenen Maßregeln erklären. Die Centralgewalt allein hat zu regieren, die Centralgewalt allein hat das Recht und die Pflicht, diese Versammlung zu vertheidigen und deren Beschlüsse durchzusetzen. Dahingegen begründet er die Anträge der Mehrheit sowohl den Grundsätzen nach, auf denen sie beruhen, als in ihren Einzelnheiten. Was den Eid anlangt, der auf die Reichsverfassung und auf die Reichsgewalt geleistet werden soll, so erinnere ich Sie daran, daß ein politischer Eid nicht bloß eine zweischneidide Waffe ist, sondern daß wir auch uns der Gefahr aussetzen, daß uns diese Eidesleistung von verschiedenen Seiten her verweigert werde, besonders da die Verfassung allerdings rechtsgültig besteht, dennoch aber noch nicht als vollzogen betrachtet werden kann. (Widerspruch von der Linken.) Das eben ist das Schlimme und das Gefährliche des Uebergangszustands in dem wir stehen. Verleugnen wir uns nicht, welche Hindernisse uns unsere Gegner entgegensetzen werden. Achten wir die Gewissenhaftigkeit des deutschen Volks, womit es einen Eid zu betrachten pflegt, achten wir die Bedenken, auf die der von uns geforderte Eid stoßen könnte. Die Frische (!) freilich, mit der wir hierher kamen (!), besitzen wir nicht mehr. Aber wir sind deshalb nicht schwach und ich für meine Person bin sogar der festen Zuversicht, daß wir des Sieges sicher sind; denn das Volk (!), die Mehrheit (!), die besten Männer Deutschlands stehen zu uns und wenn wir fallen ‒ so fürchte ich weniger, daß wir durch unsere Feinde fallen, als durch unsere Schuld.</p> <p>Nachdem hierauf der Schluß der Debatte unter Vorbehalt des Worts für die Berichterstatter angenommen worden ‒ ergreift</p> <p><hi rendition="#g">Gagern</hi> das Wort. Erklärt sich für den Mehrheitsantrag des Dreißiger-Ausschusses. Kein verständiger Mann habe sich über die unermeßlichen Schwierigkeiten getäuscht, welche der deutschen Einheit entgegenstehen mußten. Allein nicht mit Gewalt ist sie durchzusetzen, sondern der öffentlichen Meinung in den verschiedenen Ländern Zeit zum Durchbruche zu lassen. Nicht indem wir jeden Widerstand gewaltsam über den Haufen werfen, sondern in jedem einzelnen Lande, bei jedem einzelnen Stamme Deutschlands muß sich nach und nach und wird sich die Mehrheit für die Verfassung als für eine gemeinsame Errungenschaft erklären. Indem wir daher nur zu gesetzlichen Mitteln verschreiten, müssen wir vor Irrthümern warnen, wie sie nur zu leicht in einer Lage wie die unsrige vorkommen. Indem ich die Mehrheitsanträge unterstütze, habe ich hauptsächlich im Auge, erstens: daß der allgemeinen Bewegung ein bestimmtes Bett angewiesen werde, daß sie </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [1652/0002]
trägen aufgetreten war, hielt Hr. v. Bruck sich nicht für berechtigt, die Ausführung des dritten Artikels des Waffenstillstandes noch länger aufzuhalten. Es wurde demnach von den Militärbehörden der 23ste für den Einzug der kaiserlichen Truppen, welche die halbe Besatzung von Alessandria bilden sollen, festgesetzt. Am Morgen des nämlichen Tages erklärten die sardinischen Bevollmächtigten, daß, nachdem die kaiserliche Regierung in Gemäßheit des dritten Artikels des Waffenstillstandes auf der Besetzung von Alessandria bestehe, sie den Befehl erhalten hätten, die Friedensunterhandlungen vorerst nicht weiter fortzusetzen, ohne sie deshalb für abgebrochen anzusehen. Sie verließen hierauf Mailand, woselbst der Hr. Minister v. Bruck noch immer verweilt.
Prag, 1. Mai. Eben erhalten wir folgende Anzeige:
„Wegen Beschädigung der Nordbahn-Brücke bei Wien ist der Waarenverkehr nach den Stationen Wien und Florisdorf auf der Eisenbahn eingestellt. Equipagen werden nur bis Florisdorf, dagegen Reisende, Gepäck und Eilgut bis Wien aufgenommen“
Gestern Nacht ist die ganze Escadron von Palatinalhusaren, welche in Saaz stationirt war, desertirt, nur der Rittmeister blieb zurück.
Schleswig-Holstein, 30. April. _ Frankfurt, 3. Mai. Wir vernehmen so eben, daß im Dreißiger-Ausschuß von den zur Linken gehörigen Mitgliedern der Antrag gestellt wurde, die in der Verfassung aufgestellte erbliche Kaiserwürde durch die Renitenz der Regierungen als erledigt zu betrachten, und an ihre Stelle einen Reichsstatthalter zu setzen, zu dem jeder Deutsche wählbar wäre, und dem die in der Verfassung vorgesehenen Befugnisse des Kaisers zustehen sollen. Ferner sollen nach diesem Antrage das Militär und die Beamten auf die Verfassung beeidigt und die Mitglieder der aufgelösten Ständekammern aufgefordert werden, sich aus eigener Machtvollkommenheit zu versammeln und die geeigneten Maßregeln zu treffen, um die Renitenz der Regierungen gegen die Annahme der Reichsverfassung zu beseitigen; dann endlich soll die Vereinigung von Truppenkörpern solcher Regierungen, die die Reichsverfassung anerkannt haben, mit solchen, deren Regierungen dieselbe nicht anerkannt haben, als ungesetzlich erklärt werden und demnach nicht stattfinden dürfen. ‒ Diese Anträge sollen in der heutigen Abendversammlung des Dreißiger-Ausschusses nochmals einer Berathung unterworfen, dann aber in einer der nächsten Sitzungen der Reichstagsversammlung verlesen und gestellt werden.
(Fr. J.) Nach dem „Frankfurter Journal“ wird die Majorität der Nationalversammlung wahrscheinlich den Beschluß fassen: die Wahlen zum neuen Reichstage nach Maßgabe der Verfassung auszuschreiben und unter den dabei betheiligten Staaten den größten provisorisch mit der Oberleitung des Bundesstaates zu betrauen.
* Frankfurt, 4. Mai. Nationalversammlung.
Auf den Plätzen der Abgeordneten scheint schon bei Eröffnung der heutigen Sitzung kaum noch ein in Frankfurt anwesendes Mitglied der Versammlung zu fehlen. Sie erfolgt gegen 9 1/2 Uhr Vormittags durch den Präsidenten Herrn Simson. Ausgetreten sind die Herren von Breuning aus Aachen, Martens aus Danzig, v. Beckerath aus Krefeld. Diese Ankündigung bringt eine Bewegung unwilligen Staunens im Hause hervor.
Hr. Vischer aus Tübingen interpellirt das Reichsministerium wegen Mißachtung des Gesetzes vom 8. Januar, die Aufhebung der Spielbanken betreffend, die sich in Homburg kund gibt. Die Interpellation ist erst heute Morgen eingebracht und es erfolgt noch keine Antwort darauf.
Darauf bemerkt der Präsident, daß sich in den Händen der Abgeordneten seit heute Morgen ein dringlicher Antrag des Dreißiger-Ausschusses befinde. Der Antrag ist gedruckt vertheilt und er zerfällt in ein Mehrheitserachten und drei Minderheitserachten, die letzteren von Hrn. Vogt von Gießen, von Hrn. Venedey aus Köln und von Hrn. Simon von Trier gestellt. Das Mehrheitserachten lautet:
1) In Erwägung, daß es unmöglich ist, die Verfassung des deutschen Reichs auf dem in ihr selbst vorgezeichneten Wege ins Leben zu führen, so lange das erwählte Reichsoberhaupt dieselbe nicht anerkannt hat und die Wahlen zum Reichstage nicht ausschreibt.
1) In Erwägung, daß die Regierungen mehrerer deutschen Staaten die Verfassung Deutschlands noch nicht anerkannt, daß die von Preußen und Baiern die entgegengesetzte Ansicht ausgesprochen haben.
3) In Erwägung, daß auf der Grundlage der gegebenen Verfassung nur dann eine gedeihliche Entwickelung des öffentlichen Rechtszustandes für Deutschland zu erwarten steht, wenn die Würde des Reichsoberhauptes mit der Krone Preußen verbunden wird.
4) In Erwägung, daß wenn nach dem Abschluß der deutschen Verfassung die deutsche Nationalversammung sich auflösen wolle, sie den ihr vom deutschen Volke unter Zustimmung der Regierungen ertheilten Auftrag nur zur Hälfte erfüllen würde, indem die neue Konstituirung Deutschlands nicht mit dem Ausarbeiten einer Verfassung, sondern erst dann bewirkt ist, wenn Deutschland in Wirklichkeit unter der beschlossenen Verfassung geeinigt ist.
5) In Erwägung, daß mit Auflösung der Nationalversammlung die provisorische Centralgewalt ganz gegen ihre Bestimmung in eine rein absolute Regierungsform umgewandelt, oder der Bedingungen ihrer Existenz beraubt werden würde.
6) In Erwägung, daß die provisorische Centralgewalt, welch' hoher Werth auch darauf zu legen ist, daß sie bis dahin, wo eine neue verfassungsmäßige Gesammtregierung ins Leben getreten sein wird, im Sinne des Gesetzes vom 28. Juni 1848 fortbestehe und fortwirke, gleichwohl nach eben diesem Gesetze, weder befugt noch verpflichtet ist, Handlungen vorzunehmen, zu welchen das Recht erst aus der Verfassung selbst hergeleitet werden kann, namentlich das Ausschreiben von Wahlen, die Eröffnung des Reichstags.
7) In Erwägung, daß der Uebertragung dieser Funktionen auf die provisorische Central-Gewalt ebensowohl, als der Schaffung einer neben oder an die Stelle der Central-Gewalt tretenden neuen Gewalt formelle und politische Bedenken entgegenstehen.
8) In Erwägung, daß in dem gegenwärtigen Augenblicke der Bundestag nicht mehr besteht, sondern ‒ und zwar mit Zustimmung der Regierungen ‒ aufgehoben ist, der wirklichen Durchführung des beschlossenen Bundesstaates aber die auseinandergehenden und zu keiner anderweitigen Einigung gedeihenden dynastischen Interessen mehrerer Regierungen in dem Maße offen und heimlich entgegenarbeiten, als das deutsche Volk andererseits sich überall zu dieser Verfassung bekannt, und nicht minder durch die entschiedene und friedliche Haltung seiner Bürger als durch den hohen Muth seiner Krieger lautes Zeugniß ablegt, für seinen Beruf zu einer großen geschichtlichen Entwickelung.
9) In Erwägung, daß Deutschland, wenn die Nationalversammlung es in dieser Lage sich selbst, oder dem Ungefähr der sich mannigfach kreuzenden dynastischen Interessen überlassen wollte, einem gänzlichen politischen Zerfallen, oder doch unsäglichen neuen Wirren, sein Wohlstand aber den vernichtendsten Schlägen entgegengehen würde.
10) In Erwägung, daß bei dieser Lage Deutschlands schon ein über dem geschriebenen Rechte stehendes Gesetz der Gesammtvertretung der Nation das Recht gibt und die Pflicht auferlegt, die Existenz des gemeinsamen Vaterlandes zu sichern und zu thun, was dasselbe allein zu retten vermag, daß aber auch bis dahin, wo die Verfassung wirklich in's Leben getreten sein wird, die höchste gesetzgebende Gewalt für Deutschland der Nationalversammlung von dem Volke anvertraut ist,
beschließt dieselbe wie folgt:
1) Die Nationalversammlung fordert die Regierungen, die gesetzgebenden Körper, die Gemeinden der Einzelstaaten, das gesammte deutsche Volk auf, die Verfassung des deutschen Reichs vom 28. März d. J. zur Anerkennung und Geltung zu bringen.
2) Sie bestimmt den 15. August d. J. als den Tag, an welchem der erste Reichstag auf den Grund der Verfassung in Frankfurt a. M. zusammen zu treten hat.
3) Sie bestimmt als den Tag, an welchem im deutschen Reiche die Wahlen für das Volkshaus vorzunehmen sind, den 15. Juli d. J.
4) Sollte, ‒ abgesehen von Deutschöstreich, dessen zur Zeit etwa nicht erfolgter Eintritt bereits durch § 87 der Verfassung berücksichtigt ist, ‒ ein oder der andere Staat im Reichstage nicht vertreten sein und deshalb eine oder die andere Bestimmung der für ganz Deutschland gegebenen Verfassung nicht ausführbar erscheinen, so erfolgt die Abänderung derselben auf dem in der Verfassung selbst vorgeschriebenen Wege provisorisch bis zu dem Zeitpunkte, wo die Verfassung überall in Wirksamkeit getreten sein wird. Die § 196 Nr. 1 der Verfassung gedachten zwei Drittheil der Mitglieder sind dann mit Zugrundlegung derjenigen Staaten, welche zum Volks- und Staatenhanse wirklich gewählt haben, zu ermitteln.
5) Sollte insbesondere Preußen im Reichstage nicht vertreten sein, und also bis dahin weder ausdrücklich noch thatsächlich die Verfassung anerkannt haben, so tritt das Oberhaupt desjenigen Staates, welcher unter den im Staatenhause vertretenen Staaten die größte Seelenzahl hat, unter dem Titel eines Reichsstatthalters in die Rechte und Pflichten des Reichsoberhauptes ein.
6) Sobald aber die Verfassung von Preußen anerkannt ist, geht damit von selbst die Würde des Reichsoberhauptes nach Maßgabe der Verfassung § 68 ff. auf den zur Zeit der Anerkennung regierenden König von Preußen über.
7) Das Reichsoberhaupt leistet den Eid auf die Verfassung vor der Nationalversammlung und eröffnet sodann den Reichstag. Mit der Eröffnung des Reichstages ist die Nationalversammlung aufgelös't.
Dazu werden als von außerhalb des Ausschusses kommend von folgenden Abgeordneten Verbesserungsanträge angemeldet.
Von den Herren Moritz Mohl, v. Reden und Erbe. Der Antrag von Mohl geht auf Bildung eines „Parlamentsheeres“ und auf eine schleunige Regelung der Oberhaus _ frage:
Minoritäts-Antrag 2. des Abgeordneten Vogt von Gießen.
„In Erwägung, daß Friedrich Wilhelm IV., König von Preußen, die auf ihn gefallene Wahl zum Kaiser der Deutschen definitiv abgelehnt hat und dadurch die getroffene Wahl erledigt ist, eine andere Wahl derzeit aber unthunlich erscheint; in Erwägung, daß die Regierungen: Preußen, Baiern, Hannover und Sachsen die unbedingte Annahme der Verfassung verweigert haben; und in fernerer Erwägung, daß die Regierung von Oestreich durch Anrufung russischer Hülfe ihre Bundespflicht verletzt hat, das Gebiet des deutschen Reiches von russischen Truppen wirklich überschritten worden ist und sowohl hierdurch als durch die Weigerung der erwähnten Regierungen das Vaterland in Gefahr ist: beschließt die Nationalversammlung 1) die verfassungsmäßigen Befugnisse des Kaisers werden, bis zur völligen Durchführung der Verfassung in ganz Deutschland, einem Reichsstatthalter übertragen, den die Nationalversammlung erwählt; 2) wählbar zu dieser Würde ist jeder volljährige Deutsche; 3) der Reichsstatthalter leistet sogleich nach Annahme der Wahl vor der Nationalversammlung den Eid auf die Reichsverfassung; 4) sie bestimmt den 1. August d. J. als den Tag, an welchem der erste Reichstag auf den Grund der Verfassung in Frankfurt a. M. zusammenzutreten hat;5 sie bestimmt als den Tag, an welchem im deutschen Reiche die Wahlen für das Volkshaus vorzunehmen sind, den 15. Juli d. J.; 6) mit der Beeidigung des Reichsstatthalters hört die provisorische Centralgewalt auf; 7) die Nationalversammlung erläßt einen Aufruf an das deutsche Volk, in welchem sie zum Festhalten an der Reichsverfassung und zur thatkräftigen Bekämpfung jeglichen Widerstandes gegen die Durchführung derselben auffordert; der Dreißiger-Ausschuß ist mit Vorlage eines Entwurfs zu diesem Aufrufe beauftragt; 8) die Nationalversammlung fordert sämmtliche Regierungen auf ihre ganze bewaffnete Macht mit Einschluß der Bürgerwehren, sofort auf die Reichsverfassung vereiden zu lassen. Für den Fall, daß einzelne Regierungen diese Vereidung bis zum 20. Mai nicht vollzogen hätten, werden sämmtliche Abtheilungen in den betreffenden Ländern ermächtigt und aufgefordert, diese Vereidung selbstständig vorzunehmen; 9) sämmtliche im Dienste des Reichs stehenden Truppen werden sofort auf die Reichsverfassung vereidigt. Die Centralgewalt wird mit der Vollziehung dieses Beschlusses beauftragt; 10) die vertagten oder aufgelösten Volksvertretungen der renitenten Regierungen werden aufgefordert und ermächtigt, sich sofort in ihrer letzten Zusammensetzung, aus eigener Machtvollkommenheit, an jedem passenden Orte zu versammeln und die geeigneten Maßregeln zu treffen, um den Widerstand ihrer Regierungen gegen die Reichsverfassung zu beseitigen; 11 in den größeren deutschen Staaten, welche die Anerkennung und Durchführung der Reichsverfassung verweigern, sind die einzelnen Provinzen und Kreise ermächtigt und aufgefordert, die Reichsverfassung nebst dem Wahlgesetze selbstständig anzunehmen und einzuführen; 12 die Nationalversammlung erklärt jeden Vertrag über Verbindung von Truppenkörpern renitenter Regierungen mit den Truppen solcher Regierungen, welche die Verfassung anerkannt haben, für unstatthaft, unwirksam und Verfassungswidrig; 13 die Nationalversammlung erklärt den Einmarsch russischer Truppen in Oestreich für eine Verletzung des Reichsgebietes, und erklärt diejenigen, welche diesen Einmarsch russischer Truppen veranlaßten oder ihre Zustimmung dazu gaben, für Verräther am Vaterlande. Sie fordert das gesammte deutsche Volk auf, mit allen Mitteln diesem Verrath zu widerstehen; entbindet diejenigen Truppen, welche zur Mitwirkung an solchem Verrathe befehligt werden sollten, des Eides gegen ihre Oberen und gibt der Centralgewalt auf, sofort in Gemäßheit dieses Beschlusses den Reichskrieg gegen Rußland und die verräther sche Regierung Oestreichs zu erklären.“
Zusatzantrag des Abgeordneten Umbscheiden zum 1. Minoritätsantrage.
„Für die Wahlen zum ersten Reichstage wird von der Bildung neuer Wah bezirke, so wie von den hierauf Bezug habenden Bestimmungen des Reichswahlgesetzes Umgang genommen. Die Wahlen finden für dieselben Bezirke statt, welche für die Wahlen zur Nationalversammlung gebildet waren. Sollten Einzelregierungen den Wahlakten die erforderliche Mitwirkung versagen oder denselben sogar Hindernisse in den Weg legen, so wird von Reichswegen die genügende Vorsorge getroffen werden.“
Minoritätsantrag 2. des Abgeordneten Venedey.
Die Nationalversammlung beschließt:
„1) Die Wahlen zum ersten Reichstage auf den 15. Juli und die Zusammenberufung desselben Reichstags auf den 15. August anzuordnen. 2) Die unmittelbare Beeidigung aller Behörden und Truppen auf die Verfassung in allen Ländern anzuordnen, wo die Verfassung bereits von den Regierungen angenommen ist.“
(Der zweite Theil desselben wird zugleich als Zusatz-Antrag zu dem Ausschußantrage bezeichnet).
Minoritätsantrag 3. des Abgeordneten Simon von Trier.
Die Nationalversammlung beschließt:
„1) Die Regierungen der deutschen Einzelstaaten haben nach Maaßgabe der §§. 14, 191 und 193 der Reichsverfassung sofort die Beeidigung sämmtlicher Beamten des Militär- und Civilstandes auf die Reichsverfassung und die zur Durchführung derselben verpflichtete Centralgewalt vorzunehmen. 2) Die Nationalversammlung erklärt jeden Vertrag zwischen Einzelstaaten über Verbindung von Truppenkörpern renitenter Regierungen, mit den Truppenkörpern solcher Regierungen, welche die Verfassung anerkannt haben, für verfassungswidrig, unstatthaft und unwirksam.
Die Minoritäten verlangen getrennte Abstimmung auf ihre Anträge.
Die Dringlichkeit des Gegenstandes wird einhellig anerkannt und das Mehrheitserachten ist so eben von dem Berichterstatter, Hrn. v. Wydenbrugk, mit einigen Worten eingeleitet worden, als der Präsident verkündet, daß der Unterstaatssekretär Hr. Widenmann Namens des Reichsministeriums das Gesuch an die Versammlung richtet, sich auf eine kurze Zeit zu vertagen, um dann eine Mittheilung des Reichsministeriums zu empfangen. Das Haus entspricht dem Verlangen, indem es seine Verhandlung auf eine halbe Stunde aussetzt.
Um 10 3/4 Uhr tritt das interimistische Reichsministerium, Gagern an der Spitze, ein. Der Präsident der Versammlung verliest hierauf die folgende von dem interimistischen Präsidenten des Reichsministerraths an ihn gerichtete Zuschrift:
„Am 28. v. M hat die königl. preußische Regierung, außer der Note, welche bezüglich der Verfassung des deutschen Reichs und bezüglich der auf Se. Majestät den König von Preußen auf Grund dieser Verfassung gefallenen Wahl zum Reichsoberhaupt an den königl. Bevollmächtigten bei der Centralgewalt erlassen und in offiziellem Wege zur Kenntniß der provisorischen Centralgewalt und der Nationalversammlung gebracht worden ist, eine weitere, denselben Gegenstand betreffende Circularnote an die königlich preußischen Missionen bei den deutschen Regierungen gerichtet. Von dieser Circularnote ist zwar die provisorische Centralgewalt nicht in offizieller Weise in Kenntniß gesetzt worden; sie ist aber durch den preußischen Staatsanzeiger zur öffentlichen Kenntniß gebracht.
„Das Reichsministerium beehrt sich, ein Exemplar des betreffenden preuß. Staatsanzeigers an den Herrn Präsidenten der verfassunggebe nden Reichsversammlung, zur Vervollständigung des Materials zu den bevorstehenden Verhandlungen gelangen zu lassen.
„Mit Bezug auf die Stelle der Note aber, welche sagt: „Im festen Vertrauen auf die Zustimmung, die ihr von allen gefunden und redlichen Elementen im eignen Lande zu Theil werden wird, ist sie darauf gefaßt, den zerstörenden und revolutionären Bestrebungen nach allen Seiten hin mit Kraft und Energie entgegenzutreten, und wird ihre Maßregeln so treffen, daß sie den verbündeten Regierungen die etwa gewünschte und erforderliche Hülfe rechtzeitig leisten könne. Die Gefahr ist eine gemeinsame, und Preußen wird seinen Beruf nicht verleugnen, in den Tagen der Gefahr einzutreten, wo und wie es Noth thut“ erklärt das Reichsministerium Namens der Centralgewalt, daß, nachdem das Gesetz vom 28. Juni 1848 über Einführung einer provisorischen Centralgewalt für Deutschland, die vollziehende Gewalt in allen Angelegenheiten, welche die allgemeine Sicherheit und Wohlfahrt des deutschen Bundesstaates betreffen, der provisorischen Centralgewalt übertragen hat, sie der Rechte wie der Pflichten, die ihr demnach obliegen, eingedenk, bei der Erfüllung derselben auf die Unterstützung der Einzelstaaten, eines jeden nach seinen Kräften rechnet; einen Anspruch aber auf allgemeine Leitung gemeinsamer Maßregeln zur Erhaltung der öffentlichen Ordnung und des Reichsfriedens, insofern dieser in der angeführten Stelle liegen sollte, einem Einzelstaate nicht zugestehen könnte.
„Frankfurt, 4. Mai 1849.
„gez. Hr: Gagern.“
(Beifall.)
Auf das Verlangen der Versammlung wird hierauf auch die Note der preußischen Regierung aus dem preußischen Staatsanzeiger vorgelesen.
Der Präsident führt sodann die Berathung auf den vorhin abgebrochenen Gegenstand zurück, indem er verschiedene neue auf die Vorlagen des Dreißigerausschusses bezügliche Verbesserungs- und Zusatzanträge zur Mittheilung bringt. Darunter ein Zusatz von Hrn. Schoder, unterstützt von Hrn. Eisenstuck u. A. zu allen bereits eingegangenen Anträgen:
die Centralgewalt aufzufordern, in Beantwortung der oben verlesenen preußischen Note ein Reichsheer aus den Truppen der beistimmenden Staaten aufzustellen.
Darauf ergreift im Namen der Mehrheit des Dreißigerausschusses das Wort
Herr Welcker: „Ich kann auf die so eben verlesene preußische Note nicht blicken, ohne sie im Zusammenhange zu betrachten mit einer langen Reihe anderer unerfreulicher Ereignisse. Sammtliche deutsche Ständeversammlungen sprechen sich für die von dieser Versammlung geschaffene Reichsverfassung aus, die unendliche Mehrheit des Volks thuts aller Orten mit immer wachsendem Eifer. Ein Jeder fühlt, daß von ihrer Erhaltung sowohl die Macht und Freiheit des Vaterlandes als die Freiheit und das Recht jedes Einzelnen abhängt und gegen dieses berechtigte Verlangen tritt eine „unheilige Allianz“ der Regierungen wider die Völker auf. Allein trennen wir die geheiligten und unverletzlichen Persönlichkeiten der Fürsten von ihren Ministerien. Nur mit den letzteren haben wir es zu schaffen und mit einem Etwas, was das konstitutionelle England längst nicht mehr kennt: mit den Kamarillen. Die deutschen Ständekörper sind, wo sie aufgelös t worden sind, aus schlechten Gründen aufgelös't.“
Keinen einzigen der für die preußische Kammerauflösung aufgezählten Gründe findet der Redner haltbar, worauf er den Blick auf die Auflösung der Kammer in Sachsen, auf die Vertagung in Baiern und Hannover richtet. Auch auf das Verhältniß zu Oesterreich kommt der Redner zurück, worauf ihm: „Der besondere Beruf“ den nach der baierischen Note ein „jedes Volk von der Weltgeschichte überkommen hat“ sehr günstigen Anlaß g bt, zur Zurückweisung der harmlosen Anspruchslosigkeit, die Herr von der Pfordten auf Kosten der politischen Geltung Deutschlands verräth. Das Staatsleben freier Nationen beruht auf dem Consensus omnium und aus dem letzteren rechtfertigt Herr Welcker namentlich die Bestimmungen der deutschen Verfassung über das Veto des Oberhaupts. (Ungeduld.) Uebrigens habe die preußische Regierung selbst in ihrer Note vom 3. Januar die Nothwendigkeit anerkannt, daß die deutsche Reichsversammlung endgültig über die Verfassung entscheide. Statt dessen verkündet sie jetzt ganz andere Grundsätze. Den letzten aber selbst und den kleinsten Fürsten zu einem hemmenden Einspruche gegen die Verfassung berechtigen ‒ das heiße die Anarchie legitimiren. „Vorwand, nichts als Vorwand sei es,“ wenn die preußische Regierung an einzelnen Bestimmungen der Verfassung Anstoß nehme und dieselbe deshalb verwerfe; die wahre Absicht des Ministeriums Brandenburg sei, die Freiheit des deutschen Volks wieder zu vernichten. (Beifall.) An den Vorgängen in Preußen, an der dort erfolgten Oktroyirung einer Verfassung und der dazu gefugten Auflösung der Kammern solle man sich ein Muster nehmen für das was dem deutschen Michel bevorstehe. Nach dem Plane der preußischen Regierung soll die tapfere und edle (!) preußische Armee dazu mißbraucht (!) werden, als Büttel und Profoß in Deutschland umherzuziehen und die Freiheit ihrer deutschen Brüder zu bekämpfen. Ob sich aber das Ministerium darin nicht verrechnen werde! Ferner berufe das Ministerium Brandenburg die deutschen Regierungen zu einem Fürstentag nach Berlin. Ich aber weiß dreißig Regierungen, welche nicht kommen werden, und wenn sie kommen wollten, so mochten ihre Throne hinter ihnen umstürzen. (Beifall) Diejenigen aber, welche kommen, werden indeß auch keine Lust verspüren, auf den Plan Preußens einzugehen, um dasselbe zu vergrößern ‒ Der Redner schließt unter Beifall mit den Worten: „Ich sage zu den Fürsten vor Gott und ihrem Gewissen: Seid billig gegen das Volk, denn das Volk ist billig gegen Euch!“
Unter mehreren ferneren Anträgen, die auch jetzt wieder kundgegeben werden, ist einer von Herrn Haubenschmidt aus Passau auf wiederholte Vornahme des Abschnitts vom Reichsoberhaupte durch den Verfassungsausschuß und Aussetzung der Berathung bis über neue desfallsige Vorlagen Beschluß gefaßt sei.
Moritz Mohl: Ich will nur eine Thatsache zu Ihrer Kenntniß bringen, von der Sie noch nicht wissen. In der heute angekommnen konstitutionellen Zeitung aus Berlin, die bekanntlich des ministeriellen Vertrauens genießt, ist die Mittheilung enthalten, daß auch bei Erfurt ein preußisches Heer zusammengezogen werde. Gegen wen? Gegen uns. Waren wir nicht die lächerlichsten Dupen, wenn wir uns das thatenlos gefallen ließen. Düpirt oder noch etwas Schlimmeres. Herr Moritz Mohl nimmt daraus ein neues Motiv für seinen Antrag auf ein Parlamentsheer. Denke man nicht, es sei zu klein, weil wir es nur aus den kleinen Staaten sammeln können. Wenn wir aus dieser Armee dem zu bildenden Volksheere nur Offiziere und Unteroffiziere liefern können, so sind wir stark genug. Was Herr Mohl ferner wunscht, um uns des Siegs unfehlbar zu versichern, ist ‒ die Wegschaffung des Erbkaisers aus der Verfassung. (Stürmische Zustimmung von der Linken)
Georg Beseler weist nach, wie die Verfassung ein unheilvolles Ganze sei, an dem keine einzige Bestimmung, kein Paragraph hinweggenommen werden könne ohne Gefahr für das Ganze. Rütteln Sie an keinem Steine ‒ nehmen Sie keinen Stück aus dem Gebäude, auch nicht das kleinste. Sie könnten den Eckstein ergreifen und das ganze Gebäude bis auf den Grund erschüttert haben. Was nun die Mittel anlangt, mit denen die Verfassung durchzusetzen ist, so kann sich der Redner für die von Herrn Vogt vorgeschlagenen Maßregeln erklären. Die Centralgewalt allein hat zu regieren, die Centralgewalt allein hat das Recht und die Pflicht, diese Versammlung zu vertheidigen und deren Beschlüsse durchzusetzen. Dahingegen begründet er die Anträge der Mehrheit sowohl den Grundsätzen nach, auf denen sie beruhen, als in ihren Einzelnheiten. Was den Eid anlangt, der auf die Reichsverfassung und auf die Reichsgewalt geleistet werden soll, so erinnere ich Sie daran, daß ein politischer Eid nicht bloß eine zweischneidide Waffe ist, sondern daß wir auch uns der Gefahr aussetzen, daß uns diese Eidesleistung von verschiedenen Seiten her verweigert werde, besonders da die Verfassung allerdings rechtsgültig besteht, dennoch aber noch nicht als vollzogen betrachtet werden kann. (Widerspruch von der Linken.) Das eben ist das Schlimme und das Gefährliche des Uebergangszustands in dem wir stehen. Verleugnen wir uns nicht, welche Hindernisse uns unsere Gegner entgegensetzen werden. Achten wir die Gewissenhaftigkeit des deutschen Volks, womit es einen Eid zu betrachten pflegt, achten wir die Bedenken, auf die der von uns geforderte Eid stoßen könnte. Die Frische (!) freilich, mit der wir hierher kamen (!), besitzen wir nicht mehr. Aber wir sind deshalb nicht schwach und ich für meine Person bin sogar der festen Zuversicht, daß wir des Sieges sicher sind; denn das Volk (!), die Mehrheit (!), die besten Männer Deutschlands stehen zu uns und wenn wir fallen ‒ so fürchte ich weniger, daß wir durch unsere Feinde fallen, als durch unsere Schuld.
Nachdem hierauf der Schluß der Debatte unter Vorbehalt des Worts für die Berichterstatter angenommen worden ‒ ergreift
Gagern das Wort. Erklärt sich für den Mehrheitsantrag des Dreißiger-Ausschusses. Kein verständiger Mann habe sich über die unermeßlichen Schwierigkeiten getäuscht, welche der deutschen Einheit entgegenstehen mußten. Allein nicht mit Gewalt ist sie durchzusetzen, sondern der öffentlichen Meinung in den verschiedenen Ländern Zeit zum Durchbruche zu lassen. Nicht indem wir jeden Widerstand gewaltsam über den Haufen werfen, sondern in jedem einzelnen Lande, bei jedem einzelnen Stamme Deutschlands muß sich nach und nach und wird sich die Mehrheit für die Verfassung als für eine gemeinsame Errungenschaft erklären. Indem wir daher nur zu gesetzlichen Mitteln verschreiten, müssen wir vor Irrthümern warnen, wie sie nur zu leicht in einer Lage wie die unsrige vorkommen. Indem ich die Mehrheitsanträge unterstütze, habe ich hauptsächlich im Auge, erstens: daß der allgemeinen Bewegung ein bestimmtes Bett angewiesen werde, daß sie
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Weitere Informationen:Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 2 (Nummer 184 bis Nummer 301) Köln, 1. Januar 1849 bis 19. Mai 1849. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.
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