Neue Rheinische Zeitung. Nr. 287. Köln, 2. Mai 1849. 315 Elberfeld, 30. April. Das fromme Wupperthal ist durch die Nachrichten aus Berlin förmlich in (eine "schwarzweiße") Bewegung gerathen: Volksversammlungen, Reden, Beschlüsse etc. folgen aufeinander. Diesen Nachmittag geht eine Deputation nach Düsseldorf von der Landwehr und Bürgerwehr, man spricht von vielen Hunderten. Der "Constitutionelle Verein" ist bis auf 31 Mitglieder zusammengeschmolzen und hat sich, als nicht beschlußfähig, vertagen müssen. Die Gegenpartei hat beschlossen, wenn wieder Sitzung gehalten werden sollte, diesen Verein mit Bajonetten der Bürgerwehr auseinander zu treiben. * Berlin, 29 April. Was wir gestern vorausgesagt hatten, ist geschehen. Die Attrouppements auf dem Döhnhofsplatz nahmen zu, hatten aber einen durchaus friedlichen Charakter, da sich die Leute nur über das Vorgefallene zu unterhalten schienen. Natürlich war den Constablern das außerordentlich unangenehm und sie sehnten sich nach erneuten Vergnügungen. Sie fingen deshalb auch wie gewöhnlich mit Aufreizungen an, es wurden mehrere kleine Krawalle, so daß immer wieder die Dragoner geholt werden mußten, um einzuhauen. Gegen Abend wogten neue Massen Volks in der Nähe des Dönhofsplatzes. Bis 7 1/2 Uhr ließ man die Menge auf dem Platz. Da kamen Dragoner und Infanterie und räumten den Platz. Am Spittelmarkt wurde gegen 9 Uhr wieder geschossen und es sind zwei Menschen todt geblieben, Mehrere sind verwundet. Das Bestialische bei der Execution war aber, daß die Soldaten nicht auf Commando schossen, sondern förmlich tiraillirten und das Volk wie wilde Thiere zu erlegen suchten. Der Döhnhofsplatz wurde nun abgesperrt und kriegsmäßige Vorposten aufgestellt. Ein sanfter Regen verscheuchte die Menge. Die Aufregung Berlins ist im wechsen. Bleibt das Wetter so schön wie bisher, so werden wir bald von ernsteren Geschichten zu erzählen haben. - Ueber die Mordthaten von Freitag erfährt man immer mehr Einzelnheiten. So waren zwei der Getödteten durch Kugeln im Hinterkopf getroffen, woraus hervorgeht, daß die Soldaten auf die fliehende Menge geschossen haben. Die Konversationshalle wurde durch Constabler und Soldaten geräumt, und dabei mit beispielloser Rohheit verfahren. Die friedlichen Gäste wurden mit Faustschlägen und Kolbenstößen gemißhandelt und die Treppe hinuntergeworfen. Dem Abgeordneten Z....l rief der Offizier zu: "Will der Hund wohl gleich runter." Die Kugeln schlugen in das Haus ein, an dessen Thür der Eine der Gemordeten niedersank. Sollte man es vielleicht wie in Bernburg auf die Conversationshalle selbst abgesehen haben, wo man die Abgeordneten verwundete? Das Weib wurde so gemordet: die Salve war schon vorbei, da sprang noch ein Unteroffizier vor, zielte und schoß sie nieder. Als man die Verwundeten nach einem Militär-Lazareth bringen wollte, wies man sie anfangs zurück, weil das gegen das Reglement sei. In Berlin hat jetzt die roheste Herrschaft der Soldateska ihren Sitz aufgeschlagen. Der Neujahrsgruß "An mein herrliches Kriegsheer" trägt seine Früchte!! Mehrere hiesige Zeitungen enthalten heute einen "amtlichen" Bericht über die vorgestrigen Ereignisse, wonach die Menge durch Reden der Gäste der Conversationshalle aufgereizt, und aus diesem Hause geschossen sein soll. Das Kriminalgericht hat gestern und heute eine Menge Zeugen vorgeladen, um diese Thatsachen zu konstatiren, aber noch kein einziger Zeuge konnte dieselbe bestätigen. Ein neuer Beweis, welcher Werth amtlichen Berichten beizulegen ist. Die Abgeordneten sind bis heute Abend größtentheils in ihre Wahlkreise zurückgegangen. Der letzte Gesetz-Entwurf, welcher kurz vor der Auflösung in dem Büreau der zweiten Kammer eingereicht worden, lautete wie folgt: "Die Kammer wolle - nach vorgängiger Erwagung durch die Justiz-Kommission - folgendes Gesetz beschließen: § 1. Der noch bestehende besondere Gerichtsstand des Militärs für gemeine Verbrechen und Vergehen, so wie die für solche Verbrechen und Vergehen noch gültigen besonderen Strafgesetze, werden hierdurch aufgehoben. §. 2. Unter gemeinen Verbrechen und Vergehen (§. 1.) werden solche verstanden, welche nicht zu den - in den Kriegs-Artikeln vom 27. Juni 1844 Art. 6. bis einschließlich 58, und in dem Strafgesetzbuche für das Heer vom 3. April 1845 §§. 87 bis einschließlich 191 - als militärische aufgeführten Verbrechen und Vergehen gehören. §. 3. Der im § 1 aufgehobene besondere Militär-Gerichtsstand tritt wieder ein, sobald durch einen königl. Befehl die Mobilmachung der Armee oder eines Theiles derselben ausgesprochen worden und zwar für den mobil gemachten Theil und bis dahin, wo ein königl. Befehl die Armee oder den betreffenden Theil für demobil erklärt. §. 4. Alle den vorstehenden Bestimmungen zuwiderlaufenden Gesetze und Verordnungen, insbesondere die "Kriegs-Art. für das preußische Heer" vom 3. April 1845, insofern sie sich auf die nicht milite Verbrechen und Vergehen beziehen, werden hierdurch außer Kraft gesetzt. Motive. Niemand wird verkennen, daß in Zeiten des Krieges für das Militär ein besonderer (eximirter) Gerichtsstand durch die dann eintretenden außergewöhnlichen Verhaltnisse bedingt wird, dagegen läßt sich ein besonderer Gerichtsstand, unter gewöhnlichen Verhältnissen, in Zeiten des Friedens und für nicht militärische Vergehen auf keine Weise rechtfertigen. Der eximirte Militär-Gerichtsstand führt häufig bei gleichen Vergehen zu ganz abweichenden Strafen, welche oft die Militärs, oft die Civilpersonen harter treffen, auch giebt der Ausschuß jeder Oeffentlichkeit zu Verdächtigungen aller Art Veranlassung. Temme, Görtz-Wrisberg, Stein, Waldeck, D'Ester, Jacobi, Hildenhagen, Phillips, Schornbaum, Esser, Kyll, Elsner, Beynsch, Berends, Schneider Schönebeck), John, Caspary, Schmiedecke (Neisse). Knauth, Bauer, (Krotochin) Zunderer. Jung. Parrisius. Reuter (Berlin). Um den Eintritt des Ex-Ministers Rintelen als Chefpräsident des Oberappellationsgerichts in Münster möglich zu machen, wird gegen dessen eigene Verwandte gemaßregelt, wie früher gegen seine ältern Freunde. Sein Schwager Regier.-Rath Stahrknecht ist unfreiwilligerweise nach Hamm versetzt, sein Bruder, Justizkommissar in Münster, ebenfalls von dort weggeschickt. Als Jacobi am 26. d. in seiner Rede von der Ministerialconferenz im Schlosse Bellevue Anf. September erzählte, in der die nothwendige Auflösung der National-Versammlung besprochen wurde und der König in die Worte ausbrach: "Wie Friedrich Barbarossa liege ich zu Ihren Füßen und flehe Sie an, retten Sie die Monarchie!" entstand in der zweiten Kammer eine tiefe Sensation. Vinke eilte sogleich zu Auerswald und wollte ihn bewegen, den Worten Jacobi's zu widersprechen. Dieser verweigerte das aber, weil er sehr wohl wußte, daß Jacobi die gewichtigsten Beweise in seinen Händen hat. Berlin, 28. April. Ueber die gestern Abend auf dem Dönhofsplatz vorgefallenen Bestialitäten der christlich-germanischen Kroaten theilt die "R.-Z." folgenden Bericht dreier Augenzeugen mit, welcher also lautet: "Schon seit Mittag hatte sich nach der Auflösung der zweiten Kammer eine größere Menge vor dem Kammergebäude zusammengeschart, ohne daß ein Versuch gemacht worden wäre, sie auseinander zu treiben. Nur einige wenige Menschen, die sich durch lautes Sprechen besonders bemerkbar gemacht hatten, waren im Laufe des Nachmittags von Schutzmännern verhaftet worden. Nachdem aber gegen 8 Uhr Abends bei der Schutzmännerwache mehrere Offiziere, die in einem Trupp, wie es schien, gedrängt und gestoßen wurden, den Degen zogen und um sich hieben, verlief sich sehr schnell eine große Menge der auf dem Platze Anwesenden. Wenige Minuten nachher rückte Militär in 2 Abtheilungen auf den Dönhofsplatz und stellte sich in drei Posten, an der Ecke der Jerusalemer-, der Ecke der Kommandantenstraße und auf der Mitte des Dönhofsplatzes auf. Bei der an der Ecke der Kommandantenstraße stehenden Abtheilung war dreimal getrommelt worden, ehe sich dieselbe theilte; kurze Zeit nachher sah man sie laden. Hierauf wurde zwei Mal getrommelt, dann eine kurze Pause, nach welcher ein Pelotonfeuer in der Richtung nach der Leipzigerstraße hin gegeben wurde, durch welches ganz dicht am Thorwege der Konversationshalle mehrere Menschen getroffen niedersanken. Nach wenigen Augenblicken wurden 2 Sterbende, von denen einer mit 2 Kugeln in den Kopf getroffen war, in den obern Raum der Conversationshalle getragen. Einer der Heraufkommenden hatte eine Patrone im Hute, einem andern war der Mützenrand weggeschossen. Erzählt wurde von mehreren Verwundungen. Während der mitunterzeichnete Arzt den einen Sterbenden untersuchte, drang Militär ein und forderte sämmtliche Anwesende barsch auf, sofort die Conversationshalle zu verlassen. Ein mit eingetretener höherer Polizei-Beamter sagte unter Anderem zu einigen Anwesenden: Sie sind an dem Unglück Schuld, durch Sie sind die Menschen aufgewiegelt worden. Einige Anwesende remonstrirten, daß man die Sterbenden nicht so in ihrem Blute liegen lassen könne, worauf jedoch nicht Rücksicht genommen wurde. Uebrigens muß bemerkt werden, daß die Abgeordneten der Linken sich noch einmal in der Conversationshalle, in der sie bekanntlich jeden Abend ihre Parteisitzungen gehalten hatten - versammeln wollten, aber in bester Absicht, um den Auflauf durch ihre Anwesenheit nicht zu vermehren, sich eine halbe Stunde vorher entfernt und die Unterzeichneten mit dem Auftrage zurückgelassen hatten, die etwa später Kommenden hiervon zu benachrichtigen. Die Mitglieder der aufgelösten 2. Kammer. Schellenberg. Dr. Knauth. Pax" * Berlin, 29. April. Zur Brutalität die Frechheit! So paßt es sich im christlich-germanischen Staate, wie man aus nachstehender Kundmachung ersehen wird: "Aus den gestrigen Vorfällen auf dem Dönhofsplatz und dessen Umgegend, bei denen die Schußwaffe nachdrücklich hat gebraucht werden müssen, scheint hervorzugehen, daß ein Theil der hiesigen Einwohner irrthümlich die Meinung hegt, daß der Belagerungszustand in Berlin und seinem zweimaligen Umkreise nicht mehr bestehe; ich nehme daher Veranlassung, hiermit öffentlich auszusprechen, daß derselbe keineswegs aufgehoben ist, sondern noch in voller Kraft besteht. Berlin, den 28. April 1849. Der Oberbefehlshaber in den Marken, (gez.) von Wrangel." Berlin, 29. April.
Die Regierung hat unter gestrigem Datum folgendes Schreiben an den Bevollmächtigten bei der provisorischen Centralgewalt erlassen: "Als Sr. Majestät dem Könige durch die Deputation der deutschen National-Versammlung am 3. d. M die Botschaft von der auf ihn gefallenen Wahl zum deutschen Kaiser überbracht wurde, sprach Se. Majestät, im Gefühle der hohen Bedeutung des Augenblicks für die ganze Zukunft Deutschlands, feierlich aus, daß Er in dem an Ihn ergangenen Rufe die Stimme der Vertreter des deutschen Volkes erkenne und den Werth des Ihm durch dieses Vertrauen gewordenen Anrechts zu schätzen wisse, daß Er aber ohne das freie Einverständniß der Fürsten und der freien Stadte Deutschlands eine Entschließung nicht fassen könne, welche für sie und die von ihnen regierten deutschen Stamme die entscheidendsten Folgen haben müsse. Dieser Antwort des Königs gemäß, hat die Regierung Sr. Majestät an demselben Tage an sämmtliche deutsche Regierungen die Einladung ergehen lassen, sich offen und umfassend über ihre Absichten und Wünsche auszusprechen Sie hat dieselben um bestimmte Erklärungen sowohl über die Sr. Maj. zugedachte Stellung, als über die ganze aus den Berathungen der National-Versammlung hervorgegangene Verfassung ersucht; sie hat es dabei nicht verhehlt, daß sie selbst diese eben erst durch rasche Beschlüsse zur Vollendung gelangte Verfassung einer reiflichen Prüfung und grundlichen Erwägung unterziehen müsse, ehe sie dem Könige ihren Rath über die Annahme derselben vorlegen dürfe. Indem die königl. Regierung diesen Weg einschlug, ist sie den Grundsätzen treu geblieben, welche sie von Anfang an für ihr Verfahren in der großen Angelegenheit der Neugestaltung der deutschen Verfassung sich vergezeichnet hatte, und welche sie eben so offen und klar ausgesprochen, als mit ernster und aufrichtiger Konsequenz festgehalten zu haben, sich bewußt ist. Diese Grundsätze sind in der Note vom 23. Januar d. J. niedergelegt. - Sie beruhen auf der gewissenhaften Achtung aller Rechte der Regierungen, wie der National-Versammlung, und auf der tiefgewurzelten U berzeugung, daß es vorzugsweise Preußens Beruf sei, auf dem Wege des Rechts und Friedens auf die von der Nation geforderte Einheit, Freiheit und Macht Deutschlands hinzuwirken. Aus dieser nie verleugneten Ueberzeugung ging die Erklärung hervor, daß die Verfassung Deutschlands nur auf dem Wege der Verständigung zwischen den Regierungen und der National-Versammlung festgestellt werden müsse, und der Entschluß, zu dieser Verständigung selbst die Initiative zu ergreifen. Indem Preußen sich bereit zeigte, alle im Interesse der Gesammtheit von ihm zu verlangenden Dienste dem deutschen Vaterlande, auch mit eigenen Opfern zu erweisen, und zugleich den festen Entschluß aussprach, keine ihm angebotene Stellung anzunehmen, als mit freier Zustimmung der verbündeten Regierungen, durfte es als Lohn für seine uneigennützigen Bestrebungen hoffen, daß durch ein einträchtiges Zusammenwirken der Regierungen das große Werk der deutschen Verfassung zu Stande kommen werde. Die königl. Regierung betrat daher mit Vertrauen und Zuversicht diesen Weg der Verständigung, auf welchem die Mehrzahl der ubrigen Staaten sich ihr mit demselben Vertrauen anschlossen. Sie erkannte das aus den Berathungen der National-Versammlung in erster Lesung hervorgegangene Werk seiner vollen Bedeutung nach an, indem sie die Ueberzeugung aussprach, daß der Entwurf im Wesentlichen die Grundlagen eines kräftigen und den Anforderungen der Zeit gemäß gestalteten Bundesstaates enthalte; sie mußte aber nach gewissenhafter Prufung desselben auch erklären, daß sie A[unleserliches Material]änderungen desselben für nothwendig und zum Heile des Ganzen wie der Einzelnen, erforderlich halte. Die Gesichtspunkte, von welchen sie bei diesen Abänderungsvorschlägen ausging, sind in der Instruktion vom 16. Februar dahin ausgesprochen, daß es darauf ankomme: 1. die Kompetenz der Bundesgewalt genauer zu begränzen, innerhalb dieser Kompetenz aber ihr eine kräftige Handhabung zu sichern; 2. die Existenz der Einzelstaaten als selbstständige Organismen möglichst zu wahren und sie nicht weiter zu beschränken, als zur Erreichung der wesentlichen Bedingungen des Bundesstaats nothwendig sei. Diese Gesichtspunkte waren nicht auf das augenblickliche Bedürfniß berechnet, sondern liegen so wesentlich in der Natur der Sache und der eigenthümlichen Verhältnisse Deutschlands, daß die königl. Regierung dieselben unter allen Umstanden festhalten mußte und davon nicht abgehen konnte, ohne die Gesammtentwickelung Deutschlands auf das Ernstlichste zu bedrohen. Eine Verfassung, welche diese Grundlagen beseitigte, könnte Deutschland nicht zum Heile gereichen Die meisten deutschen Regierungen schlossen sich den Abänderungsvorschlägen Preußens an, welche sich auf dasjenige beschränkten, was aus den oben aufgestellten Grundsätzen mit unabweisbarer Nothwendigkeit hervorging; andere haben besondere Vorschläge an das Reichsministerium gelangen lassen, welche aber im Wesentlichen von denselben Gesichtspunkten ausgehen. Die Regierungen gaben diese Anträge der National-Versammlung hin, in dem Vertrauen, daß dieselbe sie einer eingehenden, gründlichen Berathung und Berücksichtigung würdigen werde. Wir können noch jetzt die Ansicht nicht aufgeben, daß, wenn dies in der erwarteten Weise geschehen wäre eine Verständigung würde zu erzielen gewesen sein. Es hätte alsdann aus der gemeinsamen Arbeit der Nationalversammlung und der Regierungen der Bau einer Verfassung hervorgehen können, deren deren Schutz alle deutschen Stämme einer gemeinsamen, tüchtigen nerwickelung entgegengegangen wären. Und wenn einzelne deutsche Staa-Ent noch durch ihre eigenthümlichen Verhältnisse an der Theilnahme daran verhindert worden wären so hätte sich doch durch die Mitwirkung der Nationalversammlung und eine redliche Verständigung der Regierungen unter einander auch innerhalb des großen, bestehenden und unter allen Umständen heilig zu achtenden Bundes eine engere Gemeinschaft bilden können, welche tdenen, die sich ihr angeschlossen, die Gelegenheit und die Bedingungen zu einer kräftigeren Entfaltung nach innen und außen dargeboten hätt. Preußen hatte, nach der einen wie nach der anderen Seite hin, gethan, was an ihm war, um die Verständigung herbeizuführen. Es wartete mit Ruhe und Vertrauen die Beschlüsse der Nationalversammlung ab; es hat nicht versucht, irgend welchen weiteren Einfluß auf ihre Berathungen auszuüben, sondern dem Patriotismus und der Weisheit der Vertreter des deutschen Volkes vertraut. Die Königliche Regierung hielt an dem eingeschlagenen Gange ihrer Politik um so freudiger fest, als die allgemeine Stimme des preußischen Volkes sich auf unzweideutige Weise damit einverstanden erklärt hatte. In dieser Stellung fand sich die Königliche Regierung, stark durch die Loyalität und die Treue, mit der sie an den von ihr selbst aufgestellten Grundsätzen des Rechts und der Versöhnung festhielt, als die Beschlusse der Nationalversammlung über die zweite Lesung der Verfassung und die Wahl Sr. Majestät des Königs erfolgten. Diese Beschlüsse bewiesen, daß die Nationalversammlung auf den von uns dargebotenen Weg der Verständigung nicht eingegangen. Die Vorschläge der Königl. Regierung, sowie die der übrigen, waren gar keiner Berathung im Schoße derselben unterzogen; sie hatten selbst nicht in dem Maße, wie sie durch den vorbereitenden Ausschuß aufgenommen waren, bei der Versammlung selbst Berücksichtigung gefunden; dagegen waren wesentliche Bestimmungen des früheren Entwurfs in beeilter Beschlußnahme weggefallen, andere aufgenommen, welche dem ganzen Werke einen durchaus neuen Charakter verliehen. Als der Schlußstein dieses neuen Werks war die Wahl Sr. Majestät des Königs zum Kaiser vorgenommen, und das so vollendete Ganze als ein unantastbarer Organismus zur Annahme hingestellt und Sr. Majestät dem Könige dargeboten. Die Königl. Regierung mußte sich in diesem ernsten Augenblick die Frage vorlegen: ob sie dadurch sich v ranlaßt fühlen dürfe, auch ihrerseits von dem bisherigen Wege abzuweichen und dem Könige zu einer unbedingten Annahme des Dargebotenen zu rathen? Sie hat diese Frage nach Pflicht und Gewissen beantwortet. Der Weg, den sie hätte verlassen sollen, war der Weg des Rechtes und des Friedens, der Konsequenz und der Treue. Se. Majestät der König selbst haben keinen Augenblick daran zweifeln können, daß auf diesem Wege allein für Deutschland, für Preußen, für Ihn selber und Sein Haus Heil und Ehre zu finden sei. Diesen Standpunkt haben daher auch die Antwort des Königs an die Deputation und das Cirkular der Königlichen Regierung von demselben Tage offen und aufrichtig festgehalten. Von eben diesem Standpunkte aus sieht Se. Majestät der König erst jetzt, nachdem die durch jen s Cirkular erbetenen Erklärungen der verbündeten Regierungen erfolgt, und unsererseits die Bestimmungen der in zweiter Lesung beschlossenen Verfassung noch der gründlichsten und sorgsamsten Erwägung unterzogen worden sind, Sich in der Lage, Seinen definitiven Entschluß über den an Ihn ergangenen Ruf der Nationalversammlung auszusprech n. Die Erklärungen der deutschen Fürsten und Regierungen haben gezeigt, wie weit die Ansichten, namentlich in der Oberhauptsfrage, auseinandergehen, und wie wenig Hoffnung auf Erzielung eines umfassenden Einverständnisses vorhanden war. Während einzelne Fürsten mit einem Vertrauen, welches Se. Majestät nur mit hoher Genugthuung anerkennen kann, den Wunsch ausgesprochen haben, der König möge die dargebotene Krone annehmen: haben Andere in der Errichtung eines erblichen Kaiserthums selbst die größte Gefahr für Deutschland erblickt, und ihre Abneigung oder ihren festen Entschluß ausgesprochen, einem anderen deutschen Fürsten als Kaiser sich nicht unterzuordnen. Die bedeutendsten deutschen Regierungen haben die Verfassung in der Form, wie sie vorliegt nicht annehmen zu können erklärt. Dagegen hat eine große Anzahl deutscher Regierungen die Bedenken, welche sie früher mit uns getheilt, jetzt um der Dringlichkeit der Umstände willen aufgeben zu müssen geglaubt, und noch ehe wir die Berathungen mit ihnen eröffnen konnten, sich gegen das Reichs-Ministerium dahin erklärt, daß sie die Verfassung unbedingt anzunehmen und Veränderungen derselben nur auf dem in ihr selbst bestimmten Wege zuzulassen bereit seien. Sie sind dabei von der durch den Erfolg nicht bestätigten Voraussetzung ausgegangen, daß dieselbe durch den Beitritt der übrigen Staaten in ganz Deutschland wirklich zur Geltung kommen werden Es ist schon oben angedeutet worden, daß diese Verfassung bei der zweiten Lesung in ihren Grundlagen wesentlich modifizirt worden sei, und zwar nach einer Richtung hin, welche es der Königlichen Regierung unmöglich machte, Sr. Majestät die Annahme derselben zu rathen. Dies hat das Ministerium schon der eigenen Landes-Vertretung gegenüber erklärt. Die weitgehenden Bestimmungen des ersten Entwurfs über die Befugnisse der Reichsgewalt zum Eingreifen fast in alle inneren Verhältnisse der einzelnen Länder, welche eine selbstständige Verwaltung der letzteren unmöglich machen und sie mit der Zeit absorbiren würden, sind nicht beseitigt worden. Die in die Verfassung aufgenommenen Grundrechte enthalten einzelne, so tief eingreifende und in mancher Hinsicht noch zweifelhafte Grundsätze, daß es bedenklich scheinen muß, dieselben, als für alle Zeiten bindend, den e nzelnen Staaten aufzudrängen. Daneben ist den letzteren durch den Wegfall des ganzen Kapitels vom Reichsrath jede Mitwirkung bei der Ausübung einer sie selbst so vielfach nahe berührenden Exekutivgewalt genommen; und dennoch ist dem so isolirt und in scheinbar einziger Machtvollkommenheit hingestellten Reichs-Oberhaupte durch die Annahme des suspensiven Veto und die Ausdehnung desselben selbst auf Verfassungs-Aenderungen in Wahrheit eine Stellung gegeben, bei der weder die Würde, noch die zum Heile des Ganzen, wie der Einzelnen erforderliche Macht gewahrt werden kann. Das konstitutionell-monarchische Prinzip, an welchem die große Mehrzahl des deutschen Volkes mit Liebe und Vertrauen festhält ist durch diese Stellung in seinem Wesen bedroht; und in Verbindung mit dem alle Schranken niederwerfenden Wahlgesetz erhält die ganze Verfassung dadurch einen Charakter, welcher sie nur als das Mittel erscheinen läßt, um allmälig und auf anscheinend legalem Wege die oberste Gewalt zu beseitigen und die Republik einzuführen. Durch die Annahme einer solchen Verfassung würde die Königliche Regierung nicht nur die oben als maßgebend bezeichneten Gesichtspunkte gänzlich verläugnet, sondern auch die besonnenen, nach wahrer Freiheit strebenden und konservativen Elemente Preußens und Deutschlands in ihrem innersten Wesen verletzt haben. Ein Hinweggehen über diese ernsten Bedenken um des Dranges augenblicklicher Schwierigkeiten und Gefahren willen, würde um so weniger zu rechtfertigen sein, als es sich nicht allein um die Befriedigung eines augenblicklichen Bedürfnisses, sondern um die Schaffung eines Werkes handelt, welches durch sein eigenes Wesen Dauer verbürgen und die Zukunft Deutschlands sicher stellen soll. Se. Majestät der König hat sich demnach nicht verhehlen können, daß die Vorbedingungen fehlen, welche allein Ihm eine Annahme der auf Ihn gefallenen Wahl möglich machen konnten; und in ernster Erwägung der Pflichten, welche Ihm gegen Deutschland und gegen Sein eignes Land obliegen, so wie der Verantwortlichkeit, welche auf Ihm persönlich dabei ruhen würde, hat er sich in Seinem Gewissen nicht für berechtigt halten können, an Sein Land und Volk diejenigen Anforderungen zu machen, welche diese neue Stellung bedingt haben würde, und hat Sich daher mit dem Rath Seines Staats-Ministeriums entschlossen, die auf Grund der in Frankfurt beschlossenen Verfassung Ihm dargebotene Kaiserwürde abzulehnen. Es sind nicht die schweren Pflichten, es sind nicht die Opfer, welche dieselbe Ihm auflegen würde, vor denen der König zurückscheut. Deutschland hat von seinen Fürsten jedes Opfer zu fordern, außer dem des Rechtes, der Wahrheit und der Treue; ein solches Opfer würde niemals zum Heile des gemeinsamen Vaterlandes gereichen, Se. Majestät hegt daher auch das feste Vertrauen, daß sowohl die Nationalversammlung, wie die ganze deutsche Nation die Gesinnung anerkennen werden, aus welcher Sein Entschluß hervorgegangen ist. Wie der König selbst unter den Ersten gewesen ist, aus freier Entschließung zu der Neugestaltung Deutschlands zu einem kräftigen Bundesstaat die Hand zu bieten, so wird Er auch der Letzte sein, an dem Gelingen dieses großen Werkes zu verzweifeln. Preußen wird sich unter keinen Umständen von dem Werke der deutschen Einigung zurückziehen, vielmehr auch jetzt alle Kraft aufbieten, um dasselbe zu fördern. Die Königliche Regierung hat zuerst den Weg der Verständigung eingeschlagen, und wenngleich ihre bisherigen Bemühungen ohne ihre Schuld fruchtlos geblieben sind, so will sie doch denselben nicht aufgeben und erklärt daher ihre fortwährende Bereitwilligkeit, auf jede Verständigung einzugehen. Wie wir schon am 23. Januar die Ansicht ausgesprochen haben, daß die Aufrichtung einer neuen deutschen Kaiserwürde zu der Erlangung einer wirklichen und umfassenden deutschen Einheit nicht nothwendig sei: so können wir auch jetzt nur an der Ueberzeugung festhalten, daß die Ablehnung derselben durch Se. Majestät den König keine Gefährdung, vielmehr eine Förderung dieser Einheit sein werde. Wenn die Nationalversammlung uns wirklich in gleichem patriotischen Sinne entgegenkommen will, so liegt es noch immer in ihrer Hand, der Verfassungs-Angelegenheit eine solche Wendung zu geben, daß die Regierungen sich mit ihr verständigen und unter ihrer Mitwirkung und auf dem Wege der Vereinbarung die von einer ruhigen Erwägung der deutschen Verhältnisse geforderten Modifikationen zu Stande kommen können. 315 Elberfeld, 30. April. Das fromme Wupperthal ist durch die Nachrichten aus Berlin förmlich in (eine „schwarzweiße“) Bewegung gerathen: Volksversammlungen, Reden, Beschlüsse etc. folgen aufeinander. Diesen Nachmittag geht eine Deputation nach Düsseldorf von der Landwehr und Bürgerwehr, man spricht von vielen Hunderten. Der „Constitutionelle Verein“ ist bis auf 31 Mitglieder zusammengeschmolzen und hat sich, als nicht beschlußfähig, vertagen müssen. Die Gegenpartei hat beschlossen, wenn wieder Sitzung gehalten werden sollte, diesen Verein mit Bajonetten der Bürgerwehr auseinander zu treiben. * Berlin, 29 April. Was wir gestern vorausgesagt hatten, ist geschehen. Die Attrouppements auf dem Döhnhofsplatz nahmen zu, hatten aber einen durchaus friedlichen Charakter, da sich die Leute nur über das Vorgefallene zu unterhalten schienen. Natürlich war den Constablern das außerordentlich unangenehm und sie sehnten sich nach erneuten Vergnügungen. Sie fingen deshalb auch wie gewöhnlich mit Aufreizungen an, es wurden mehrere kleine Krawalle, so daß immer wieder die Dragoner geholt werden mußten, um einzuhauen. Gegen Abend wogten neue Massen Volks in der Nähe des Dönhofsplatzes. Bis 7 1/2 Uhr ließ man die Menge auf dem Platz. Da kamen Dragoner und Infanterie und räumten den Platz. Am Spittelmarkt wurde gegen 9 Uhr wieder geschossen und es sind zwei Menschen todt geblieben, Mehrere sind verwundet. Das Bestialische bei der Execution war aber, daß die Soldaten nicht auf Commando schossen, sondern förmlich tiraillirten und das Volk wie wilde Thiere zu erlegen suchten. Der Döhnhofsplatz wurde nun abgesperrt und kriegsmäßige Vorposten aufgestellt. Ein sanfter Regen verscheuchte die Menge. Die Aufregung Berlins ist im wechsen. Bleibt das Wetter so schön wie bisher, so werden wir bald von ernsteren Geschichten zu erzählen haben. ‒ Ueber die Mordthaten von Freitag erfährt man immer mehr Einzelnheiten. So waren zwei der Getödteten durch Kugeln im Hinterkopf getroffen, woraus hervorgeht, daß die Soldaten auf die fliehende Menge geschossen haben. Die Konversationshalle wurde durch Constabler und Soldaten geräumt, und dabei mit beispielloser Rohheit verfahren. Die friedlichen Gäste wurden mit Faustschlägen und Kolbenstößen gemißhandelt und die Treppe hinuntergeworfen. Dem Abgeordneten Z‥‥l rief der Offizier zu: „Will der Hund wohl gleich runter.“ Die Kugeln schlugen in das Haus ein, an dessen Thür der Eine der Gemordeten niedersank. Sollte man es vielleicht wie in Bernburg auf die Conversationshalle selbst abgesehen haben, wo man die Abgeordneten verwundete? Das Weib wurde so gemordet: die Salve war schon vorbei, da sprang noch ein Unteroffizier vor, zielte und schoß sie nieder. Als man die Verwundeten nach einem Militär-Lazareth bringen wollte, wies man sie anfangs zurück, weil das gegen das Reglement sei. In Berlin hat jetzt die roheste Herrschaft der Soldateska ihren Sitz aufgeschlagen. Der Neujahrsgruß „An mein herrliches Kriegsheer“ trägt seine Früchte!! Mehrere hiesige Zeitungen enthalten heute einen „amtlichen“ Bericht über die vorgestrigen Ereignisse, wonach die Menge durch Reden der Gäste der Conversationshalle aufgereizt, und aus diesem Hause geschossen sein soll. Das Kriminalgericht hat gestern und heute eine Menge Zeugen vorgeladen, um diese Thatsachen zu konstatiren, aber noch kein einziger Zeuge konnte dieselbe bestätigen. Ein neuer Beweis, welcher Werth amtlichen Berichten beizulegen ist. Die Abgeordneten sind bis heute Abend größtentheils in ihre Wahlkreise zurückgegangen. Der letzte Gesetz-Entwurf, welcher kurz vor der Auflösung in dem Büreau der zweiten Kammer eingereicht worden, lautete wie folgt: „Die Kammer wolle ‒ nach vorgängiger Erwagung durch die Justiz-Kommission ‒ folgendes Gesetz beschließen: § 1. Der noch bestehende besondere Gerichtsstand des Militärs für gemeine Verbrechen und Vergehen, so wie die für solche Verbrechen und Vergehen noch gültigen besonderen Strafgesetze, werden hierdurch aufgehoben. §. 2. Unter gemeinen Verbrechen und Vergehen (§. 1.) werden solche verstanden, welche nicht zu den ‒ in den Kriegs-Artikeln vom 27. Juni 1844 Art. 6. bis einschließlich 58, und in dem Strafgesetzbuche für das Heer vom 3. April 1845 §§. 87 bis einschließlich 191 ‒ als militärische aufgeführten Verbrechen und Vergehen gehören. §. 3. Der im § 1 aufgehobene besondere Militär-Gerichtsstand tritt wieder ein, sobald durch einen königl. Befehl die Mobilmachung der Armee oder eines Theiles derselben ausgesprochen worden und zwar für den mobil gemachten Theil und bis dahin, wo ein königl. Befehl die Armee oder den betreffenden Theil für demobil erklärt. §. 4. Alle den vorstehenden Bestimmungen zuwiderlaufenden Gesetze und Verordnungen, insbesondere die „Kriegs-Art. für das preußische Heer“ vom 3. April 1845, insofern sie sich auf die nicht milite Verbrechen und Vergehen beziehen, werden hierdurch außer Kraft gesetzt. Motive. Niemand wird verkennen, daß in Zeiten des Krieges für das Militär ein besonderer (eximirter) Gerichtsstand durch die dann eintretenden außergewöhnlichen Verhaltnisse bedingt wird, dagegen läßt sich ein besonderer Gerichtsstand, unter gewöhnlichen Verhältnissen, in Zeiten des Friedens und für nicht militärische Vergehen auf keine Weise rechtfertigen. Der eximirte Militär-Gerichtsstand führt häufig bei gleichen Vergehen zu ganz abweichenden Strafen, welche oft die Militärs, oft die Civilpersonen harter treffen, auch giebt der Ausschuß jeder Oeffentlichkeit zu Verdächtigungen aller Art Veranlassung. Temme, Görtz-Wrisberg, Stein, Waldeck, D'Ester, Jacobi, Hildenhagen, Phillips, Schornbaum, Esser, Kyll, Elsner, Beynsch, Berends, Schneider Schönebeck), John, Caspary, Schmiedecke (Neisse). Knauth, Bauer, (Krotochin) Zunderer. Jung. Parrisius. Reuter (Berlin). Um den Eintritt des Ex-Ministers Rintelen als Chefpräsident des Oberappellationsgerichts in Münster möglich zu machen, wird gegen dessen eigene Verwandte gemaßregelt, wie früher gegen seine ältern Freunde. Sein Schwager Regier.-Rath Stahrknecht ist unfreiwilligerweise nach Hamm versetzt, sein Bruder, Justizkommissar in Münster, ebenfalls von dort weggeschickt. Als Jacobi am 26. d. in seiner Rede von der Ministerialconferenz im Schlosse Bellevue Anf. September erzählte, in der die nothwendige Auflösung der National-Versammlung besprochen wurde und der König in die Worte ausbrach: „Wie Friedrich Barbarossa liege ich zu Ihren Füßen und flehe Sie an, retten Sie die Monarchie!“ entstand in der zweiten Kammer eine tiefe Sensation. Vinke eilte sogleich zu Auerswald und wollte ihn bewegen, den Worten Jacobi's zu widersprechen. Dieser verweigerte das aber, weil er sehr wohl wußte, daß Jacobi die gewichtigsten Beweise in seinen Händen hat. Berlin, 28. April. Ueber die gestern Abend auf dem Dönhofsplatz vorgefallenen Bestialitäten der christlich-germanischen Kroaten theilt die „R.-Z.“ folgenden Bericht dreier Augenzeugen mit, welcher also lautet: „Schon seit Mittag hatte sich nach der Auflösung der zweiten Kammer eine größere Menge vor dem Kammergebäude zusammengeschart, ohne daß ein Versuch gemacht worden wäre, sie auseinander zu treiben. Nur einige wenige Menschen, die sich durch lautes Sprechen besonders bemerkbar gemacht hatten, waren im Laufe des Nachmittags von Schutzmännern verhaftet worden. Nachdem aber gegen 8 Uhr Abends bei der Schutzmännerwache mehrere Offiziere, die in einem Trupp, wie es schien, gedrängt und gestoßen wurden, den Degen zogen und um sich hieben, verlief sich sehr schnell eine große Menge der auf dem Platze Anwesenden. Wenige Minuten nachher rückte Militär in 2 Abtheilungen auf den Dönhofsplatz und stellte sich in drei Posten, an der Ecke der Jerusalemer-, der Ecke der Kommandantenstraße und auf der Mitte des Dönhofsplatzes auf. Bei der an der Ecke der Kommandantenstraße stehenden Abtheilung war dreimal getrommelt worden, ehe sich dieselbe theilte; kurze Zeit nachher sah man sie laden. Hierauf wurde zwei Mal getrommelt, dann eine kurze Pause, nach welcher ein Pelotonfeuer in der Richtung nach der Leipzigerstraße hin gegeben wurde, durch welches ganz dicht am Thorwege der Konversationshalle mehrere Menschen getroffen niedersanken. Nach wenigen Augenblicken wurden 2 Sterbende, von denen einer mit 2 Kugeln in den Kopf getroffen war, in den obern Raum der Conversationshalle getragen. Einer der Heraufkommenden hatte eine Patrone im Hute, einem andern war der Mützenrand weggeschossen. Erzählt wurde von mehreren Verwundungen. Während der mitunterzeichnete Arzt den einen Sterbenden untersuchte, drang Militär ein und forderte sämmtliche Anwesende barsch auf, sofort die Conversationshalle zu verlassen. Ein mit eingetretener höherer Polizei-Beamter sagte unter Anderem zu einigen Anwesenden: Sie sind an dem Unglück Schuld, durch Sie sind die Menschen aufgewiegelt worden. Einige Anwesende remonstrirten, daß man die Sterbenden nicht so in ihrem Blute liegen lassen könne, worauf jedoch nicht Rücksicht genommen wurde. Uebrigens muß bemerkt werden, daß die Abgeordneten der Linken sich noch einmal in der Conversationshalle, in der sie bekanntlich jeden Abend ihre Parteisitzungen gehalten hatten ‒ versammeln wollten, aber in bester Absicht, um den Auflauf durch ihre Anwesenheit nicht zu vermehren, sich eine halbe Stunde vorher entfernt und die Unterzeichneten mit dem Auftrage zurückgelassen hatten, die etwa später Kommenden hiervon zu benachrichtigen. Die Mitglieder der aufgelösten 2. Kammer. Schellenberg. Dr. Knauth. Pax“ * Berlin, 29. April. Zur Brutalität die Frechheit! So paßt es sich im christlich-germanischen Staate, wie man aus nachstehender Kundmachung ersehen wird: „Aus den gestrigen Vorfällen auf dem Dönhofsplatz und dessen Umgegend, bei denen die Schußwaffe nachdrücklich hat gebraucht werden müssen, scheint hervorzugehen, daß ein Theil der hiesigen Einwohner irrthümlich die Meinung hegt, daß der Belagerungszustand in Berlin und seinem zweimaligen Umkreise nicht mehr bestehe; ich nehme daher Veranlassung, hiermit öffentlich auszusprechen, daß derselbe keineswegs aufgehoben ist, sondern noch in voller Kraft besteht. Berlin, den 28. April 1849. Der Oberbefehlshaber in den Marken, (gez.) von Wrangel.“ Berlin, 29. April.
Die Regierung hat unter gestrigem Datum folgendes Schreiben an den Bevollmächtigten bei der provisorischen Centralgewalt erlassen: „Als Sr. Majestät dem Könige durch die Deputation der deutschen National-Versammlung am 3. d. M die Botschaft von der auf ihn gefallenen Wahl zum deutschen Kaiser überbracht wurde, sprach Se. Majestät, im Gefühle der hohen Bedeutung des Augenblicks für die ganze Zukunft Deutschlands, feierlich aus, daß Er in dem an Ihn ergangenen Rufe die Stimme der Vertreter des deutschen Volkes erkenne und den Werth des Ihm durch dieses Vertrauen gewordenen Anrechts zu schätzen wisse, daß Er aber ohne das freie Einverständniß der Fürsten und der freien Stadte Deutschlands eine Entschließung nicht fassen könne, welche für sie und die von ihnen regierten deutschen Stamme die entscheidendsten Folgen haben müsse. Dieser Antwort des Königs gemäß, hat die Regierung Sr. Majestät an demselben Tage an sämmtliche deutsche Regierungen die Einladung ergehen lassen, sich offen und umfassend über ihre Absichten und Wünsche auszusprechen Sie hat dieselben um bestimmte Erklärungen sowohl über die Sr. Maj. zugedachte Stellung, als über die ganze aus den Berathungen der National-Versammlung hervorgegangene Verfassung ersucht; sie hat es dabei nicht verhehlt, daß sie selbst diese eben erst durch rasche Beschlüsse zur Vollendung gelangte Verfassung einer reiflichen Prüfung und grundlichen Erwägung unterziehen müsse, ehe sie dem Könige ihren Rath über die Annahme derselben vorlegen dürfe. Indem die königl. Regierung diesen Weg einschlug, ist sie den Grundsätzen treu geblieben, welche sie von Anfang an für ihr Verfahren in der großen Angelegenheit der Neugestaltung der deutschen Verfassung sich vergezeichnet hatte, und welche sie eben so offen und klar ausgesprochen, als mit ernster und aufrichtiger Konsequenz festgehalten zu haben, sich bewußt ist. Diese Grundsätze sind in der Note vom 23. Januar d. J. niedergelegt. ‒ Sie beruhen auf der gewissenhaften Achtung aller Rechte der Regierungen, wie der National-Versammlung, und auf der tiefgewurzelten U berzeugung, daß es vorzugsweise Preußens Beruf sei, auf dem Wege des Rechts und Friedens auf die von der Nation geforderte Einheit, Freiheit und Macht Deutschlands hinzuwirken. Aus dieser nie verleugneten Ueberzeugung ging die Erklärung hervor, daß die Verfassung Deutschlands nur auf dem Wege der Verständigung zwischen den Regierungen und der National-Versammlung festgestellt werden müsse, und der Entschluß, zu dieser Verständigung selbst die Initiative zu ergreifen. Indem Preußen sich bereit zeigte, alle im Interesse der Gesammtheit von ihm zu verlangenden Dienste dem deutschen Vaterlande, auch mit eigenen Opfern zu erweisen, und zugleich den festen Entschluß aussprach, keine ihm angebotene Stellung anzunehmen, als mit freier Zustimmung der verbündeten Regierungen, durfte es als Lohn für seine uneigennützigen Bestrebungen hoffen, daß durch ein einträchtiges Zusammenwirken der Regierungen das große Werk der deutschen Verfassung zu Stande kommen werde. Die königl. Regierung betrat daher mit Vertrauen und Zuversicht diesen Weg der Verständigung, auf welchem die Mehrzahl der ubrigen Staaten sich ihr mit demselben Vertrauen anschlossen. Sie erkannte das aus den Berathungen der National-Versammlung in erster Lesung hervorgegangene Werk seiner vollen Bedeutung nach an, indem sie die Ueberzeugung aussprach, daß der Entwurf im Wesentlichen die Grundlagen eines kräftigen und den Anforderungen der Zeit gemäß gestalteten Bundesstaates enthalte; sie mußte aber nach gewissenhafter Prufung desselben auch erklären, daß sie A[unleserliches Material]änderungen desselben für nothwendig und zum Heile des Ganzen wie der Einzelnen, erforderlich halte. Die Gesichtspunkte, von welchen sie bei diesen Abänderungsvorschlägen ausging, sind in der Instruktion vom 16. Februar dahin ausgesprochen, daß es darauf ankomme: 1. die Kompetenz der Bundesgewalt genauer zu begränzen, innerhalb dieser Kompetenz aber ihr eine kräftige Handhabung zu sichern; 2. die Existenz der Einzelstaaten als selbstständige Organismen möglichst zu wahren und sie nicht weiter zu beschränken, als zur Erreichung der wesentlichen Bedingungen des Bundesstaats nothwendig sei. Diese Gesichtspunkte waren nicht auf das augenblickliche Bedürfniß berechnet, sondern liegen so wesentlich in der Natur der Sache und der eigenthümlichen Verhältnisse Deutschlands, daß die königl. Regierung dieselben unter allen Umstanden festhalten mußte und davon nicht abgehen konnte, ohne die Gesammtentwickelung Deutschlands auf das Ernstlichste zu bedrohen. Eine Verfassung, welche diese Grundlagen beseitigte, könnte Deutschland nicht zum Heile gereichen Die meisten deutschen Regierungen schlossen sich den Abänderungsvorschlägen Preußens an, welche sich auf dasjenige beschränkten, was aus den oben aufgestellten Grundsätzen mit unabweisbarer Nothwendigkeit hervorging; andere haben besondere Vorschläge an das Reichsministerium gelangen lassen, welche aber im Wesentlichen von denselben Gesichtspunkten ausgehen. Die Regierungen gaben diese Anträge der National-Versammlung hin, in dem Vertrauen, daß dieselbe sie einer eingehenden, gründlichen Berathung und Berücksichtigung würdigen werde. Wir können noch jetzt die Ansicht nicht aufgeben, daß, wenn dies in der erwarteten Weise geschehen wäre eine Verständigung würde zu erzielen gewesen sein. Es hätte alsdann aus der gemeinsamen Arbeit der Nationalversammlung und der Regierungen der Bau einer Verfassung hervorgehen können, deren deren Schutz alle deutschen Stämme einer gemeinsamen, tüchtigen nerwickelung entgegengegangen wären. Und wenn einzelne deutsche Staa-Ent noch durch ihre eigenthümlichen Verhältnisse an der Theilnahme daran verhindert worden wären so hätte sich doch durch die Mitwirkung der Nationalversammlung und eine redliche Verständigung der Regierungen unter einander auch innerhalb des großen, bestehenden und unter allen Umständen heilig zu achtenden Bundes eine engere Gemeinschaft bilden können, welche tdenen, die sich ihr angeschlossen, die Gelegenheit und die Bedingungen zu einer kräftigeren Entfaltung nach innen und außen dargeboten hätt. Preußen hatte, nach der einen wie nach der anderen Seite hin, gethan, was an ihm war, um die Verständigung herbeizuführen. Es wartete mit Ruhe und Vertrauen die Beschlüsse der Nationalversammlung ab; es hat nicht versucht, irgend welchen weiteren Einfluß auf ihre Berathungen auszuüben, sondern dem Patriotismus und der Weisheit der Vertreter des deutschen Volkes vertraut. Die Königliche Regierung hielt an dem eingeschlagenen Gange ihrer Politik um so freudiger fest, als die allgemeine Stimme des preußischen Volkes sich auf unzweideutige Weise damit einverstanden erklärt hatte. In dieser Stellung fand sich die Königliche Regierung, stark durch die Loyalität und die Treue, mit der sie an den von ihr selbst aufgestellten Grundsätzen des Rechts und der Versöhnung festhielt, als die Beschlusse der Nationalversammlung über die zweite Lesung der Verfassung und die Wahl Sr. Majestät des Königs erfolgten. Diese Beschlüsse bewiesen, daß die Nationalversammlung auf den von uns dargebotenen Weg der Verständigung nicht eingegangen. Die Vorschläge der Königl. Regierung, sowie die der übrigen, waren gar keiner Berathung im Schoße derselben unterzogen; sie hatten selbst nicht in dem Maße, wie sie durch den vorbereitenden Ausschuß aufgenommen waren, bei der Versammlung selbst Berücksichtigung gefunden; dagegen waren wesentliche Bestimmungen des früheren Entwurfs in beeilter Beschlußnahme weggefallen, andere aufgenommen, welche dem ganzen Werke einen durchaus neuen Charakter verliehen. Als der Schlußstein dieses neuen Werks war die Wahl Sr. Majestät des Königs zum Kaiser vorgenommen, und das so vollendete Ganze als ein unantastbarer Organismus zur Annahme hingestellt und Sr. Majestät dem Könige dargeboten. Die Königl. Regierung mußte sich in diesem ernsten Augenblick die Frage vorlegen: ob sie dadurch sich v ranlaßt fühlen dürfe, auch ihrerseits von dem bisherigen Wege abzuweichen und dem Könige zu einer unbedingten Annahme des Dargebotenen zu rathen? Sie hat diese Frage nach Pflicht und Gewissen beantwortet. Der Weg, den sie hätte verlassen sollen, war der Weg des Rechtes und des Friedens, der Konsequenz und der Treue. Se. Majestät der König selbst haben keinen Augenblick daran zweifeln können, daß auf diesem Wege allein für Deutschland, für Preußen, für Ihn selber und Sein Haus Heil und Ehre zu finden sei. Diesen Standpunkt haben daher auch die Antwort des Königs an die Deputation und das Cirkular der Königlichen Regierung von demselben Tage offen und aufrichtig festgehalten. Von eben diesem Standpunkte aus sieht Se. Majestät der König erst jetzt, nachdem die durch jen s Cirkular erbetenen Erklärungen der verbündeten Regierungen erfolgt, und unsererseits die Bestimmungen der in zweiter Lesung beschlossenen Verfassung noch der gründlichsten und sorgsamsten Erwägung unterzogen worden sind, Sich in der Lage, Seinen definitiven Entschluß über den an Ihn ergangenen Ruf der Nationalversammlung auszusprech n. Die Erklärungen der deutschen Fürsten und Regierungen haben gezeigt, wie weit die Ansichten, namentlich in der Oberhauptsfrage, auseinandergehen, und wie wenig Hoffnung auf Erzielung eines umfassenden Einverständnisses vorhanden war. Während einzelne Fürsten mit einem Vertrauen, welches Se. Majestät nur mit hoher Genugthuung anerkennen kann, den Wunsch ausgesprochen haben, der König möge die dargebotene Krone annehmen: haben Andere in der Errichtung eines erblichen Kaiserthums selbst die größte Gefahr für Deutschland erblickt, und ihre Abneigung oder ihren festen Entschluß ausgesprochen, einem anderen deutschen Fürsten als Kaiser sich nicht unterzuordnen. Die bedeutendsten deutschen Regierungen haben die Verfassung in der Form, wie sie vorliegt nicht annehmen zu können erklärt. Dagegen hat eine große Anzahl deutscher Regierungen die Bedenken, welche sie früher mit uns getheilt, jetzt um der Dringlichkeit der Umstände willen aufgeben zu müssen geglaubt, und noch ehe wir die Berathungen mit ihnen eröffnen konnten, sich gegen das Reichs-Ministerium dahin erklärt, daß sie die Verfassung unbedingt anzunehmen und Veränderungen derselben nur auf dem in ihr selbst bestimmten Wege zuzulassen bereit seien. Sie sind dabei von der durch den Erfolg nicht bestätigten Voraussetzung ausgegangen, daß dieselbe durch den Beitritt der übrigen Staaten in ganz Deutschland wirklich zur Geltung kommen werden Es ist schon oben angedeutet worden, daß diese Verfassung bei der zweiten Lesung in ihren Grundlagen wesentlich modifizirt worden sei, und zwar nach einer Richtung hin, welche es der Königlichen Regierung unmöglich machte, Sr. Majestät die Annahme derselben zu rathen. Dies hat das Ministerium schon der eigenen Landes-Vertretung gegenüber erklärt. Die weitgehenden Bestimmungen des ersten Entwurfs über die Befugnisse der Reichsgewalt zum Eingreifen fast in alle inneren Verhältnisse der einzelnen Länder, welche eine selbstständige Verwaltung der letzteren unmöglich machen und sie mit der Zeit absorbiren würden, sind nicht beseitigt worden. Die in die Verfassung aufgenommenen Grundrechte enthalten einzelne, so tief eingreifende und in mancher Hinsicht noch zweifelhafte Grundsätze, daß es bedenklich scheinen muß, dieselben, als für alle Zeiten bindend, den e nzelnen Staaten aufzudrängen. Daneben ist den letzteren durch den Wegfall des ganzen Kapitels vom Reichsrath jede Mitwirkung bei der Ausübung einer sie selbst so vielfach nahe berührenden Exekutivgewalt genommen; und dennoch ist dem so isolirt und in scheinbar einziger Machtvollkommenheit hingestellten Reichs-Oberhaupte durch die Annahme des suspensiven Veto und die Ausdehnung desselben selbst auf Verfassungs-Aenderungen in Wahrheit eine Stellung gegeben, bei der weder die Würde, noch die zum Heile des Ganzen, wie der Einzelnen erforderliche Macht gewahrt werden kann. Das konstitutionell-monarchische Prinzip, an welchem die große Mehrzahl des deutschen Volkes mit Liebe und Vertrauen festhält ist durch diese Stellung in seinem Wesen bedroht; und in Verbindung mit dem alle Schranken niederwerfenden Wahlgesetz erhält die ganze Verfassung dadurch einen Charakter, welcher sie nur als das Mittel erscheinen läßt, um allmälig und auf anscheinend legalem Wege die oberste Gewalt zu beseitigen und die Republik einzuführen. Durch die Annahme einer solchen Verfassung würde die Königliche Regierung nicht nur die oben als maßgebend bezeichneten Gesichtspunkte gänzlich verläugnet, sondern auch die besonnenen, nach wahrer Freiheit strebenden und konservativen Elemente Preußens und Deutschlands in ihrem innersten Wesen verletzt haben. Ein Hinweggehen über diese ernsten Bedenken um des Dranges augenblicklicher Schwierigkeiten und Gefahren willen, würde um so weniger zu rechtfertigen sein, als es sich nicht allein um die Befriedigung eines augenblicklichen Bedürfnisses, sondern um die Schaffung eines Werkes handelt, welches durch sein eigenes Wesen Dauer verbürgen und die Zukunft Deutschlands sicher stellen soll. Se. Majestät der König hat sich demnach nicht verhehlen können, daß die Vorbedingungen fehlen, welche allein Ihm eine Annahme der auf Ihn gefallenen Wahl möglich machen konnten; und in ernster Erwägung der Pflichten, welche Ihm gegen Deutschland und gegen Sein eignes Land obliegen, so wie der Verantwortlichkeit, welche auf Ihm persönlich dabei ruhen würde, hat er sich in Seinem Gewissen nicht für berechtigt halten können, an Sein Land und Volk diejenigen Anforderungen zu machen, welche diese neue Stellung bedingt haben würde, und hat Sich daher mit dem Rath Seines Staats-Ministeriums entschlossen, die auf Grund der in Frankfurt beschlossenen Verfassung Ihm dargebotene Kaiserwürde abzulehnen. Es sind nicht die schweren Pflichten, es sind nicht die Opfer, welche dieselbe Ihm auflegen würde, vor denen der König zurückscheut. Deutschland hat von seinen Fürsten jedes Opfer zu fordern, außer dem des Rechtes, der Wahrheit und der Treue; ein solches Opfer würde niemals zum Heile des gemeinsamen Vaterlandes gereichen, Se. Majestät hegt daher auch das feste Vertrauen, daß sowohl die Nationalversammlung, wie die ganze deutsche Nation die Gesinnung anerkennen werden, aus welcher Sein Entschluß hervorgegangen ist. Wie der König selbst unter den Ersten gewesen ist, aus freier Entschließung zu der Neugestaltung Deutschlands zu einem kräftigen Bundesstaat die Hand zu bieten, so wird Er auch der Letzte sein, an dem Gelingen dieses großen Werkes zu verzweifeln. Preußen wird sich unter keinen Umständen von dem Werke der deutschen Einigung zurückziehen, vielmehr auch jetzt alle Kraft aufbieten, um dasselbe zu fördern. Die Königliche Regierung hat zuerst den Weg der Verständigung eingeschlagen, und wenngleich ihre bisherigen Bemühungen ohne ihre Schuld fruchtlos geblieben sind, so will sie doch denselben nicht aufgeben und erklärt daher ihre fortwährende Bereitwilligkeit, auf jede Verständigung einzugehen. Wie wir schon am 23. Januar die Ansicht ausgesprochen haben, daß die Aufrichtung einer neuen deutschen Kaiserwürde zu der Erlangung einer wirklichen und umfassenden deutschen Einheit nicht nothwendig sei: so können wir auch jetzt nur an der Ueberzeugung festhalten, daß die Ablehnung derselben durch Se. Majestät den König keine Gefährdung, vielmehr eine Förderung dieser Einheit sein werde. Wenn die Nationalversammlung uns wirklich in gleichem patriotischen Sinne entgegenkommen will, so liegt es noch immer in ihrer Hand, der Verfassungs-Angelegenheit eine solche Wendung zu geben, daß die Regierungen sich mit ihr verständigen und unter ihrer Mitwirkung und auf dem Wege der Vereinbarung die von einer ruhigen Erwägung der deutschen Verhältnisse geforderten Modifikationen zu Stande kommen können. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0002" n="1624"/> <div xml:id="ar287_004" type="jArticle"> <head><bibl><author>315</author></bibl> Elberfeld, 30. April.</head> <p>Das fromme Wupperthal ist durch die Nachrichten aus Berlin förmlich in (eine „schwarzweiße“) Bewegung gerathen: Volksversammlungen, Reden, Beschlüsse etc. folgen aufeinander. Diesen Nachmittag geht eine Deputation nach Düsseldorf von der Landwehr und Bürgerwehr, man spricht von vielen Hunderten.</p> <p>Der „Constitutionelle Verein“ ist bis auf 31 Mitglieder zusammengeschmolzen und hat sich, als nicht beschlußfähig, vertagen müssen. Die Gegenpartei hat beschlossen, wenn wieder Sitzung gehalten werden sollte, diesen Verein mit Bajonetten der Bürgerwehr auseinander zu treiben.</p> </div> <div xml:id="ar287_005" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl> Berlin, 29 April.</head> <p>Was wir gestern vorausgesagt hatten, ist geschehen. Die Attrouppements auf dem Döhnhofsplatz nahmen zu, hatten aber einen durchaus friedlichen Charakter, da sich die Leute nur über das Vorgefallene zu unterhalten schienen. Natürlich war den Constablern das außerordentlich unangenehm und sie sehnten sich nach erneuten Vergnügungen. Sie fingen deshalb auch wie gewöhnlich mit Aufreizungen an, es wurden mehrere kleine Krawalle, so daß immer wieder die Dragoner geholt werden mußten, um einzuhauen.</p> <p>Gegen Abend wogten neue Massen Volks in der Nähe des Dönhofsplatzes. Bis 7 1/2 Uhr ließ man die Menge auf dem Platz. Da kamen Dragoner und Infanterie und räumten den Platz. Am Spittelmarkt wurde gegen 9 Uhr wieder geschossen und es sind zwei Menschen todt geblieben, Mehrere sind verwundet.</p> <p>Das Bestialische bei der Execution war aber, daß die Soldaten nicht auf Commando schossen, sondern förmlich tiraillirten und das Volk wie wilde Thiere zu erlegen suchten.</p> <p>Der Döhnhofsplatz wurde nun abgesperrt und kriegsmäßige Vorposten aufgestellt. Ein sanfter Regen verscheuchte die Menge.</p> <p>Die Aufregung Berlins ist im wechsen. Bleibt das Wetter so schön wie bisher, so werden wir bald von ernsteren Geschichten zu erzählen haben. ‒</p> <p>Ueber die Mordthaten von Freitag erfährt man immer mehr Einzelnheiten. So waren zwei der Getödteten durch Kugeln im Hinterkopf getroffen, woraus hervorgeht, daß die Soldaten auf die fliehende Menge geschossen haben.</p> <p>Die Konversationshalle wurde durch Constabler und Soldaten geräumt, und dabei mit beispielloser Rohheit verfahren. Die friedlichen Gäste wurden mit Faustschlägen und Kolbenstößen gemißhandelt und die Treppe hinuntergeworfen. Dem Abgeordneten Z‥‥l rief der Offizier zu: „Will der Hund wohl gleich runter.“</p> <p>Die Kugeln schlugen in das Haus ein, an dessen Thür der Eine der Gemordeten niedersank. Sollte man es vielleicht wie in Bernburg auf die Conversationshalle selbst abgesehen haben, wo man die Abgeordneten verwundete?</p> <p>Das Weib wurde so gemordet: die Salve war schon vorbei, da sprang noch ein Unteroffizier vor, zielte und schoß sie nieder.</p> <p>Als man die Verwundeten nach einem Militär-Lazareth bringen wollte, wies man sie anfangs zurück, weil das gegen das Reglement sei.</p> <p>In Berlin hat jetzt die roheste Herrschaft der Soldateska ihren Sitz aufgeschlagen.</p> <p>Der Neujahrsgruß „An mein herrliches Kriegsheer“ trägt seine Früchte!!</p> <p>Mehrere hiesige Zeitungen enthalten heute einen „amtlichen“ Bericht über die vorgestrigen Ereignisse, wonach die Menge durch Reden der Gäste der Conversationshalle aufgereizt, und aus diesem Hause geschossen sein soll. Das Kriminalgericht hat gestern und heute eine Menge Zeugen vorgeladen, um diese Thatsachen zu konstatiren, aber noch kein einziger Zeuge konnte dieselbe bestätigen. Ein neuer Beweis, welcher Werth amtlichen Berichten beizulegen ist.</p> <p>Die Abgeordneten sind bis heute Abend größtentheils in ihre Wahlkreise zurückgegangen.</p> <p>Der <hi rendition="#g">letzte</hi> Gesetz-Entwurf, welcher kurz vor der Auflösung in dem Büreau der zweiten Kammer eingereicht worden, lautete wie folgt:</p> <p>„Die Kammer wolle ‒ nach vorgängiger Erwagung durch die Justiz-Kommission ‒ folgendes Gesetz beschließen:</p> <p>§ 1. Der noch bestehende besondere Gerichtsstand des Militärs für gemeine Verbrechen und Vergehen, so wie die für solche Verbrechen und Vergehen noch gültigen besonderen Strafgesetze, werden hierdurch aufgehoben.</p> <p>§. 2. Unter gemeinen Verbrechen und Vergehen (§. 1.) werden solche verstanden, welche nicht zu den ‒ in den Kriegs-Artikeln vom 27. Juni 1844 Art. 6. bis einschließlich 58, und in dem Strafgesetzbuche für das Heer vom 3. April 1845 §§. 87 bis einschließlich 191 ‒ als militärische aufgeführten Verbrechen und Vergehen gehören.</p> <p>§. 3. Der im § 1 aufgehobene besondere Militär-Gerichtsstand tritt wieder ein, sobald durch einen königl. Befehl die Mobilmachung der Armee oder eines Theiles derselben ausgesprochen worden und zwar für den mobil gemachten Theil und bis dahin, wo ein königl. Befehl die Armee oder den betreffenden Theil für demobil erklärt.</p> <p>§. 4. Alle den vorstehenden Bestimmungen zuwiderlaufenden Gesetze und Verordnungen, insbesondere die „Kriegs-Art. für das preußische Heer“ vom 3. April 1845, insofern sie sich auf die nicht milite Verbrechen und Vergehen beziehen, werden hierdurch außer Kraft gesetzt.</p> <p>Motive. Niemand wird verkennen, daß in Zeiten des Krieges für das Militär ein besonderer (eximirter) Gerichtsstand durch die dann eintretenden außergewöhnlichen Verhaltnisse bedingt wird, dagegen läßt sich ein besonderer Gerichtsstand, unter gewöhnlichen Verhältnissen, in Zeiten des Friedens und für nicht militärische Vergehen auf keine Weise rechtfertigen. Der eximirte Militär-Gerichtsstand führt häufig bei gleichen Vergehen zu ganz abweichenden Strafen, welche oft die Militärs, oft die Civilpersonen harter treffen, auch giebt der Ausschuß jeder Oeffentlichkeit zu Verdächtigungen aller Art Veranlassung.</p> <p>Temme, Görtz-Wrisberg, Stein, Waldeck, D'Ester, Jacobi, Hildenhagen, Phillips, Schornbaum, Esser, Kyll, Elsner, Beynsch, Berends, Schneider Schönebeck), John, Caspary, Schmiedecke (Neisse). Knauth, Bauer, (Krotochin) Zunderer. Jung. Parrisius. Reuter (Berlin).</p> <p>Um den Eintritt des Ex-Ministers <hi rendition="#g">Rintelen</hi> als Chefpräsident des Oberappellationsgerichts in Münster möglich zu machen, wird gegen dessen eigene Verwandte gemaßregelt, wie früher gegen seine ältern Freunde. Sein Schwager Regier.-Rath <hi rendition="#g">Stahrknecht</hi> ist unfreiwilligerweise nach Hamm versetzt, sein Bruder, Justizkommissar in Münster, ebenfalls von dort weggeschickt.</p> <p>Als <hi rendition="#g">Jacobi</hi> am 26. d. in seiner Rede von der Ministerialconferenz im Schlosse Bellevue Anf. September erzählte, in der die nothwendige Auflösung der National-Versammlung besprochen wurde und der König in die Worte ausbrach: <hi rendition="#b">„Wie Friedrich Barbarossa liege ich zu Ihren Füßen und flehe Sie an, retten Sie die Monarchie!“</hi> entstand in der zweiten Kammer eine tiefe Sensation. <hi rendition="#g">Vinke</hi> eilte sogleich zu Auerswald und wollte ihn bewegen, den Worten Jacobi's zu widersprechen. Dieser verweigerte das aber, weil er sehr <hi rendition="#g">wohl wußte, daß Jacobi die gewichtigsten Beweise in seinen Händen hat.</hi> </p> </div> <div xml:id="ar287_006" type="jArticle"> <head>Berlin, 28. April.</head> <p>Ueber die gestern Abend auf dem Dönhofsplatz vorgefallenen Bestialitäten der christlich-germanischen Kroaten theilt die „R.-Z.“ folgenden Bericht dreier Augenzeugen mit, welcher also lautet:</p> <p>„Schon seit Mittag hatte sich nach der Auflösung der zweiten Kammer eine größere Menge vor dem Kammergebäude zusammengeschart, ohne daß ein Versuch gemacht worden wäre, sie auseinander zu treiben. Nur einige wenige Menschen, die sich durch lautes Sprechen besonders bemerkbar gemacht hatten, waren im Laufe des Nachmittags von Schutzmännern verhaftet worden. Nachdem aber gegen 8 Uhr Abends bei der Schutzmännerwache mehrere Offiziere, die in einem Trupp, wie es schien, gedrängt und gestoßen wurden, den Degen zogen und um sich hieben, verlief sich sehr schnell eine große Menge der auf dem Platze Anwesenden. Wenige Minuten nachher rückte Militär in 2 Abtheilungen auf den Dönhofsplatz und stellte sich in drei Posten, an der Ecke der Jerusalemer-, der Ecke der Kommandantenstraße und auf der Mitte des Dönhofsplatzes auf. Bei der an der Ecke der Kommandantenstraße stehenden Abtheilung war dreimal getrommelt worden, ehe sich dieselbe theilte; kurze Zeit nachher sah man sie laden. Hierauf wurde zwei Mal getrommelt, dann eine kurze Pause, nach welcher ein Pelotonfeuer in der Richtung nach der Leipzigerstraße hin gegeben wurde, durch welches ganz dicht am Thorwege der Konversationshalle mehrere Menschen getroffen niedersanken. Nach wenigen Augenblicken wurden 2 Sterbende, von denen einer mit 2 Kugeln in den Kopf getroffen war, in den obern Raum der Conversationshalle getragen. Einer der Heraufkommenden hatte eine Patrone im Hute, einem andern war der Mützenrand weggeschossen. Erzählt wurde von mehreren Verwundungen. Während der mitunterzeichnete Arzt den einen Sterbenden untersuchte, drang Militär ein und forderte sämmtliche Anwesende barsch auf, sofort die Conversationshalle zu verlassen. Ein mit eingetretener höherer Polizei-Beamter sagte unter Anderem zu einigen Anwesenden: Sie sind an dem Unglück Schuld, durch Sie sind die Menschen aufgewiegelt worden. Einige Anwesende remonstrirten, daß man die Sterbenden nicht so in ihrem Blute liegen lassen könne, worauf jedoch nicht Rücksicht genommen wurde.</p> <p>Uebrigens muß bemerkt werden, daß die Abgeordneten der Linken sich noch einmal in der Conversationshalle, in der sie bekanntlich jeden Abend ihre Parteisitzungen gehalten hatten ‒ versammeln wollten, aber in bester Absicht, um den Auflauf durch ihre Anwesenheit nicht zu vermehren, sich eine halbe Stunde vorher entfernt und die Unterzeichneten mit dem Auftrage zurückgelassen hatten, die etwa später Kommenden hiervon zu benachrichtigen.</p> <p>Die Mitglieder der aufgelösten 2. Kammer.</p> <p><hi rendition="#g">Schellenberg. Dr. Knauth. Pax</hi>“</p> </div> <div xml:id="ar287_007" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl> Berlin, 29. April.</head> <p>Zur Brutalität die Frechheit! So paßt es sich im christlich-germanischen Staate, wie man aus nachstehender Kundmachung ersehen wird:</p> <p>„Aus den gestrigen Vorfällen auf dem Dönhofsplatz und dessen Umgegend, bei denen die Schußwaffe nachdrücklich hat gebraucht werden müssen, scheint hervorzugehen, daß ein Theil der hiesigen Einwohner irrthümlich die Meinung hegt, daß der Belagerungszustand in Berlin und seinem zweimaligen Umkreise nicht mehr bestehe; ich nehme daher Veranlassung, hiermit öffentlich auszusprechen, daß derselbe keineswegs aufgehoben ist, sondern noch in voller Kraft besteht.</p> <p>Berlin, den 28. April 1849.</p> <p>Der Oberbefehlshaber in den Marken,</p> <p>(gez.) von <hi rendition="#g">Wrangel.</hi>“</p> </div> <div xml:id="ar287_008" type="jArticle"> <head>Berlin, 29. April.</head> <p>Die Regierung hat unter gestrigem Datum folgendes Schreiben an den Bevollmächtigten bei der provisorischen Centralgewalt erlassen:</p> <p>„Als Sr. Majestät dem Könige durch die Deputation der deutschen National-Versammlung am 3. d. M die Botschaft von der auf ihn gefallenen Wahl zum deutschen Kaiser überbracht wurde, sprach Se. Majestät, im Gefühle der hohen Bedeutung des Augenblicks für die ganze Zukunft Deutschlands, feierlich aus, daß Er in dem an Ihn ergangenen Rufe die Stimme der Vertreter des deutschen Volkes erkenne und den Werth des Ihm durch dieses Vertrauen gewordenen Anrechts zu schätzen wisse, daß Er aber ohne das freie Einverständniß der Fürsten und der freien Stadte Deutschlands eine Entschließung nicht fassen könne, welche für sie und die von ihnen regierten deutschen Stamme die entscheidendsten Folgen haben müsse.</p> <p>Dieser Antwort des Königs gemäß, hat die Regierung Sr. Majestät an demselben Tage an sämmtliche deutsche Regierungen die Einladung ergehen lassen, sich offen und umfassend über ihre Absichten und Wünsche auszusprechen</p> <p>Sie hat dieselben um bestimmte Erklärungen sowohl über die Sr. Maj. zugedachte Stellung, als über die ganze aus den Berathungen der National-Versammlung hervorgegangene Verfassung ersucht; sie hat es dabei nicht verhehlt, daß sie selbst diese eben erst durch rasche Beschlüsse zur Vollendung gelangte Verfassung einer reiflichen Prüfung und grundlichen Erwägung unterziehen müsse, ehe sie dem Könige ihren Rath über die Annahme derselben vorlegen dürfe.</p> <p>Indem die königl. Regierung diesen Weg einschlug, ist sie den Grundsätzen treu geblieben, welche sie von Anfang an für ihr Verfahren in der großen Angelegenheit der Neugestaltung der deutschen Verfassung sich vergezeichnet hatte, und welche sie eben so offen und klar ausgesprochen, als mit ernster und aufrichtiger Konsequenz festgehalten zu haben, sich bewußt ist.</p> <p>Diese Grundsätze sind in der Note vom 23. Januar d. J. niedergelegt. ‒ Sie beruhen auf der gewissenhaften Achtung aller Rechte der Regierungen, wie der National-Versammlung, und auf der tiefgewurzelten U berzeugung, daß es vorzugsweise Preußens Beruf sei, auf dem Wege des Rechts und Friedens auf die von der Nation geforderte Einheit, Freiheit und Macht Deutschlands hinzuwirken. Aus dieser nie verleugneten Ueberzeugung ging die Erklärung hervor, daß die Verfassung Deutschlands nur auf dem Wege der Verständigung zwischen den Regierungen und der National-Versammlung festgestellt werden müsse, und der Entschluß, zu dieser Verständigung selbst die Initiative zu ergreifen. Indem Preußen sich bereit zeigte, alle im Interesse der Gesammtheit von ihm zu verlangenden Dienste dem deutschen Vaterlande, auch mit eigenen Opfern zu erweisen, und zugleich den festen Entschluß aussprach, keine ihm angebotene Stellung anzunehmen, als mit freier Zustimmung der verbündeten Regierungen, durfte es als Lohn für seine uneigennützigen Bestrebungen hoffen, daß durch ein einträchtiges Zusammenwirken der Regierungen das große Werk der deutschen Verfassung zu Stande kommen werde.</p> <p>Die königl. Regierung betrat daher mit Vertrauen und Zuversicht diesen Weg der Verständigung, auf welchem die Mehrzahl der ubrigen Staaten sich ihr mit demselben Vertrauen anschlossen. Sie erkannte das aus den Berathungen der National-Versammlung in erster Lesung hervorgegangene Werk seiner vollen Bedeutung nach an, indem sie die Ueberzeugung aussprach, daß der Entwurf im Wesentlichen die Grundlagen eines kräftigen und den Anforderungen der Zeit gemäß gestalteten Bundesstaates enthalte; sie mußte aber nach gewissenhafter Prufung desselben auch erklären, daß sie A<gap reason="illegible"/>änderungen desselben für nothwendig und zum Heile des Ganzen wie der Einzelnen, erforderlich halte. Die Gesichtspunkte, von welchen sie bei diesen Abänderungsvorschlägen ausging, sind in der Instruktion vom 16. Februar dahin ausgesprochen, daß es darauf ankomme:</p> <p>1. die Kompetenz der Bundesgewalt genauer zu begränzen, innerhalb dieser Kompetenz aber ihr eine kräftige Handhabung zu sichern;</p> <p>2. die Existenz der Einzelstaaten als selbstständige Organismen möglichst zu wahren und sie nicht weiter zu beschränken, als zur Erreichung der wesentlichen Bedingungen des Bundesstaats nothwendig sei.</p> <p>Diese Gesichtspunkte waren nicht auf das augenblickliche Bedürfniß berechnet, sondern liegen so wesentlich in der Natur der Sache und der eigenthümlichen Verhältnisse Deutschlands, daß die königl. Regierung dieselben unter allen Umstanden festhalten mußte und davon nicht abgehen konnte, ohne die Gesammtentwickelung Deutschlands auf das Ernstlichste zu bedrohen. Eine Verfassung, welche diese Grundlagen beseitigte, könnte Deutschland nicht zum Heile gereichen</p> <p>Die meisten deutschen Regierungen schlossen sich den Abänderungsvorschlägen Preußens an, welche sich auf dasjenige beschränkten, was aus den oben aufgestellten Grundsätzen mit unabweisbarer Nothwendigkeit hervorging; andere haben besondere Vorschläge an das Reichsministerium gelangen lassen, welche aber im Wesentlichen von denselben Gesichtspunkten ausgehen.</p> <p>Die Regierungen gaben diese Anträge der National-Versammlung hin, in dem Vertrauen, daß dieselbe sie einer eingehenden, gründlichen Berathung und Berücksichtigung würdigen werde. Wir können noch jetzt die Ansicht nicht aufgeben, daß, wenn dies in der erwarteten Weise geschehen wäre eine Verständigung würde zu erzielen gewesen sein.</p> <p>Es hätte alsdann aus der gemeinsamen Arbeit der Nationalversammlung und der Regierungen der Bau einer Verfassung hervorgehen können, deren deren Schutz alle deutschen Stämme einer gemeinsamen, tüchtigen nerwickelung entgegengegangen wären. Und wenn einzelne deutsche Staa-Ent noch durch ihre eigenthümlichen Verhältnisse an der Theilnahme daran verhindert worden wären so hätte sich doch durch die Mitwirkung der Nationalversammlung und eine redliche Verständigung der Regierungen unter einander auch innerhalb des großen, bestehenden und unter allen Umständen heilig zu achtenden Bundes eine engere Gemeinschaft bilden können, welche tdenen, die sich ihr angeschlossen, die Gelegenheit und die Bedingungen zu einer kräftigeren Entfaltung nach innen und außen dargeboten hätt.</p> <p>Preußen hatte, nach der einen wie nach der anderen Seite hin, gethan, was an ihm war, um die Verständigung herbeizuführen. Es wartete mit Ruhe und Vertrauen die Beschlüsse der Nationalversammlung ab; es hat nicht versucht, irgend welchen weiteren Einfluß auf ihre Berathungen auszuüben, sondern dem Patriotismus und der Weisheit der Vertreter des deutschen Volkes vertraut. Die Königliche Regierung hielt an dem eingeschlagenen Gange ihrer Politik um so freudiger fest, als die allgemeine Stimme des preußischen Volkes sich auf unzweideutige Weise damit einverstanden erklärt hatte.</p> <p>In dieser Stellung fand sich die Königliche Regierung, stark durch die Loyalität und die Treue, mit der sie an den von ihr selbst aufgestellten Grundsätzen des Rechts und der Versöhnung festhielt, als die Beschlusse der Nationalversammlung über die zweite Lesung der Verfassung und die Wahl Sr. Majestät des Königs erfolgten.</p> <p>Diese Beschlüsse bewiesen, daß die Nationalversammlung auf den von uns dargebotenen Weg der Verständigung nicht eingegangen. Die Vorschläge der Königl. Regierung, sowie die der übrigen, waren gar keiner Berathung im Schoße derselben unterzogen; sie hatten selbst nicht in dem Maße, wie sie durch den vorbereitenden Ausschuß aufgenommen waren, bei der Versammlung selbst Berücksichtigung gefunden; dagegen waren wesentliche Bestimmungen des früheren Entwurfs in beeilter Beschlußnahme weggefallen, andere aufgenommen, welche dem ganzen Werke einen durchaus neuen Charakter verliehen. Als der Schlußstein dieses neuen Werks war die Wahl Sr. Majestät des Königs zum Kaiser vorgenommen, und das so vollendete Ganze als ein unantastbarer Organismus zur Annahme hingestellt und Sr. Majestät dem Könige dargeboten.</p> <p>Die Königl. Regierung mußte sich in diesem ernsten Augenblick die Frage vorlegen: ob sie dadurch sich v ranlaßt fühlen dürfe, auch ihrerseits von dem bisherigen Wege abzuweichen und dem Könige zu einer unbedingten Annahme des Dargebotenen zu rathen?</p> <p>Sie hat diese Frage nach Pflicht und Gewissen beantwortet.</p> <p>Der Weg, den sie hätte verlassen sollen, war der Weg des Rechtes und des Friedens, der Konsequenz und der Treue. Se. Majestät der König selbst haben keinen Augenblick daran zweifeln können, daß auf diesem Wege allein für Deutschland, für Preußen, für Ihn selber und Sein Haus Heil und Ehre zu finden sei. Diesen Standpunkt haben daher auch die Antwort des Königs an die Deputation und das Cirkular der Königlichen Regierung von demselben Tage offen und aufrichtig festgehalten.</p> <p>Von eben diesem Standpunkte aus sieht Se. Majestät der König erst jetzt, nachdem die durch jen s Cirkular erbetenen Erklärungen der verbündeten Regierungen erfolgt, und unsererseits die Bestimmungen der in zweiter Lesung beschlossenen Verfassung noch der gründlichsten und sorgsamsten Erwägung unterzogen worden sind, Sich in der Lage, Seinen definitiven Entschluß über den an Ihn ergangenen Ruf der Nationalversammlung auszusprech n.</p> <p>Die Erklärungen der deutschen Fürsten und Regierungen haben gezeigt, wie weit die Ansichten, namentlich in der Oberhauptsfrage, auseinandergehen, und wie wenig Hoffnung auf Erzielung eines umfassenden Einverständnisses vorhanden war. Während einzelne Fürsten mit einem Vertrauen, welches Se. Majestät nur mit hoher Genugthuung anerkennen kann, den Wunsch ausgesprochen haben, der König möge die dargebotene Krone annehmen: haben Andere in der Errichtung eines erblichen Kaiserthums selbst die größte Gefahr für Deutschland erblickt, und ihre Abneigung oder ihren festen Entschluß ausgesprochen, einem anderen deutschen Fürsten als Kaiser sich nicht unterzuordnen. Die bedeutendsten deutschen Regierungen haben die Verfassung in der Form, wie sie vorliegt nicht annehmen zu können erklärt.</p> <p>Dagegen hat eine große Anzahl deutscher Regierungen die Bedenken, welche sie früher mit uns getheilt, jetzt um der Dringlichkeit der Umstände willen aufgeben zu müssen geglaubt, und noch ehe wir die Berathungen mit ihnen eröffnen konnten, sich gegen das Reichs-Ministerium dahin erklärt, daß sie die Verfassung unbedingt anzunehmen und Veränderungen derselben nur auf dem in ihr selbst bestimmten Wege zuzulassen bereit seien. Sie sind dabei von der durch den Erfolg nicht bestätigten Voraussetzung ausgegangen, daß dieselbe durch den Beitritt der übrigen Staaten in ganz Deutschland wirklich zur Geltung kommen werden</p> <p>Es ist schon oben angedeutet worden, daß diese Verfassung bei der zweiten Lesung in ihren Grundlagen wesentlich modifizirt worden sei, und zwar nach einer Richtung hin, welche es der Königlichen Regierung unmöglich machte, Sr. Majestät die Annahme derselben zu rathen. Dies hat das Ministerium schon der eigenen Landes-Vertretung gegenüber erklärt. Die weitgehenden Bestimmungen des ersten Entwurfs über die Befugnisse der Reichsgewalt zum Eingreifen fast in alle inneren Verhältnisse der einzelnen Länder, welche eine selbstständige Verwaltung der letzteren unmöglich machen und sie mit der Zeit absorbiren würden, sind nicht beseitigt worden. Die in die Verfassung aufgenommenen Grundrechte enthalten einzelne, so tief eingreifende und in mancher Hinsicht noch zweifelhafte Grundsätze, daß es bedenklich scheinen muß, dieselben, als für alle Zeiten bindend, den e nzelnen Staaten aufzudrängen. Daneben ist den letzteren durch den Wegfall des ganzen Kapitels vom Reichsrath jede Mitwirkung bei der Ausübung einer sie selbst so vielfach nahe berührenden Exekutivgewalt genommen; und dennoch ist dem so isolirt und in scheinbar einziger Machtvollkommenheit hingestellten Reichs-Oberhaupte durch die Annahme des suspensiven Veto und die Ausdehnung desselben selbst auf Verfassungs-Aenderungen in Wahrheit eine Stellung gegeben, bei der weder die Würde, noch die zum Heile des Ganzen, wie der Einzelnen erforderliche Macht gewahrt werden kann. Das konstitutionell-monarchische Prinzip, an welchem die große Mehrzahl des deutschen Volkes mit Liebe und Vertrauen festhält ist durch diese Stellung in seinem Wesen bedroht; und in Verbindung mit dem alle Schranken niederwerfenden Wahlgesetz erhält die ganze Verfassung dadurch einen Charakter, welcher sie nur als das Mittel erscheinen läßt, um allmälig und auf anscheinend legalem Wege die oberste Gewalt zu beseitigen und die Republik einzuführen.</p> <p>Durch die Annahme einer solchen Verfassung würde die Königliche Regierung nicht nur die oben als maßgebend bezeichneten Gesichtspunkte gänzlich verläugnet, sondern auch die besonnenen, nach wahrer Freiheit strebenden und konservativen Elemente Preußens und Deutschlands in ihrem innersten Wesen verletzt haben.</p> <p>Ein Hinweggehen über diese ernsten Bedenken um des Dranges augenblicklicher Schwierigkeiten und Gefahren willen, würde um so weniger zu rechtfertigen sein, als es sich nicht allein um die Befriedigung eines augenblicklichen Bedürfnisses, sondern um die Schaffung eines Werkes handelt, welches durch sein eigenes Wesen Dauer verbürgen und die Zukunft Deutschlands sicher stellen soll.</p> <p>Se. Majestät der König hat sich demnach nicht verhehlen können, daß die Vorbedingungen fehlen, welche allein Ihm eine Annahme der auf Ihn gefallenen Wahl möglich machen konnten; und in ernster Erwägung der Pflichten, welche Ihm gegen Deutschland und gegen Sein eignes Land obliegen, so wie der Verantwortlichkeit, welche auf Ihm persönlich dabei ruhen würde, hat er sich in Seinem Gewissen nicht für berechtigt halten können, an Sein Land und Volk diejenigen Anforderungen zu machen, welche diese neue Stellung bedingt haben würde, und hat Sich daher mit dem Rath Seines Staats-Ministeriums entschlossen, die auf Grund der in Frankfurt beschlossenen Verfassung Ihm dargebotene Kaiserwürde abzulehnen.</p> <p>Es sind nicht die schweren Pflichten, es sind nicht die Opfer, welche dieselbe Ihm auflegen würde, vor denen der König zurückscheut. Deutschland hat von seinen Fürsten jedes Opfer zu fordern, außer dem des Rechtes, der Wahrheit und der Treue; ein solches Opfer würde niemals zum Heile des gemeinsamen Vaterlandes gereichen, Se. Majestät hegt daher auch das feste Vertrauen, daß sowohl die Nationalversammlung, wie die ganze deutsche Nation die Gesinnung anerkennen werden, aus welcher Sein Entschluß hervorgegangen ist.</p> <p>Wie der König selbst unter den Ersten gewesen ist, aus freier Entschließung zu der Neugestaltung Deutschlands zu einem kräftigen Bundesstaat die Hand zu bieten, so wird Er auch der Letzte sein, an dem Gelingen dieses großen Werkes zu verzweifeln. Preußen wird sich unter keinen Umständen von dem Werke der deutschen Einigung zurückziehen, vielmehr auch jetzt alle Kraft aufbieten, um dasselbe zu fördern. Die Königliche Regierung hat zuerst den Weg der Verständigung eingeschlagen, und wenngleich ihre bisherigen Bemühungen ohne ihre Schuld fruchtlos geblieben sind, so will sie doch denselben nicht aufgeben und erklärt daher ihre fortwährende Bereitwilligkeit, auf jede Verständigung einzugehen. Wie wir schon am 23. Januar die Ansicht ausgesprochen haben, daß die Aufrichtung einer neuen deutschen Kaiserwürde zu der Erlangung einer wirklichen und umfassenden deutschen Einheit nicht nothwendig sei: so können wir auch jetzt nur an der Ueberzeugung festhalten, daß die Ablehnung derselben durch Se. Majestät den König keine Gefährdung, vielmehr eine Förderung dieser Einheit sein werde. Wenn die Nationalversammlung uns wirklich in gleichem patriotischen Sinne entgegenkommen will, so liegt es noch immer in ihrer Hand, der Verfassungs-Angelegenheit eine solche Wendung zu geben, daß die Regierungen sich mit ihr verständigen und unter ihrer Mitwirkung und auf dem Wege der Vereinbarung die von einer ruhigen Erwägung der deutschen Verhältnisse geforderten Modifikationen zu Stande kommen können.</p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [1624/0002]
315 Elberfeld, 30. April. Das fromme Wupperthal ist durch die Nachrichten aus Berlin förmlich in (eine „schwarzweiße“) Bewegung gerathen: Volksversammlungen, Reden, Beschlüsse etc. folgen aufeinander. Diesen Nachmittag geht eine Deputation nach Düsseldorf von der Landwehr und Bürgerwehr, man spricht von vielen Hunderten.
Der „Constitutionelle Verein“ ist bis auf 31 Mitglieder zusammengeschmolzen und hat sich, als nicht beschlußfähig, vertagen müssen. Die Gegenpartei hat beschlossen, wenn wieder Sitzung gehalten werden sollte, diesen Verein mit Bajonetten der Bürgerwehr auseinander zu treiben.
* Berlin, 29 April. Was wir gestern vorausgesagt hatten, ist geschehen. Die Attrouppements auf dem Döhnhofsplatz nahmen zu, hatten aber einen durchaus friedlichen Charakter, da sich die Leute nur über das Vorgefallene zu unterhalten schienen. Natürlich war den Constablern das außerordentlich unangenehm und sie sehnten sich nach erneuten Vergnügungen. Sie fingen deshalb auch wie gewöhnlich mit Aufreizungen an, es wurden mehrere kleine Krawalle, so daß immer wieder die Dragoner geholt werden mußten, um einzuhauen.
Gegen Abend wogten neue Massen Volks in der Nähe des Dönhofsplatzes. Bis 7 1/2 Uhr ließ man die Menge auf dem Platz. Da kamen Dragoner und Infanterie und räumten den Platz. Am Spittelmarkt wurde gegen 9 Uhr wieder geschossen und es sind zwei Menschen todt geblieben, Mehrere sind verwundet.
Das Bestialische bei der Execution war aber, daß die Soldaten nicht auf Commando schossen, sondern förmlich tiraillirten und das Volk wie wilde Thiere zu erlegen suchten.
Der Döhnhofsplatz wurde nun abgesperrt und kriegsmäßige Vorposten aufgestellt. Ein sanfter Regen verscheuchte die Menge.
Die Aufregung Berlins ist im wechsen. Bleibt das Wetter so schön wie bisher, so werden wir bald von ernsteren Geschichten zu erzählen haben. ‒
Ueber die Mordthaten von Freitag erfährt man immer mehr Einzelnheiten. So waren zwei der Getödteten durch Kugeln im Hinterkopf getroffen, woraus hervorgeht, daß die Soldaten auf die fliehende Menge geschossen haben.
Die Konversationshalle wurde durch Constabler und Soldaten geräumt, und dabei mit beispielloser Rohheit verfahren. Die friedlichen Gäste wurden mit Faustschlägen und Kolbenstößen gemißhandelt und die Treppe hinuntergeworfen. Dem Abgeordneten Z‥‥l rief der Offizier zu: „Will der Hund wohl gleich runter.“
Die Kugeln schlugen in das Haus ein, an dessen Thür der Eine der Gemordeten niedersank. Sollte man es vielleicht wie in Bernburg auf die Conversationshalle selbst abgesehen haben, wo man die Abgeordneten verwundete?
Das Weib wurde so gemordet: die Salve war schon vorbei, da sprang noch ein Unteroffizier vor, zielte und schoß sie nieder.
Als man die Verwundeten nach einem Militär-Lazareth bringen wollte, wies man sie anfangs zurück, weil das gegen das Reglement sei.
In Berlin hat jetzt die roheste Herrschaft der Soldateska ihren Sitz aufgeschlagen.
Der Neujahrsgruß „An mein herrliches Kriegsheer“ trägt seine Früchte!!
Mehrere hiesige Zeitungen enthalten heute einen „amtlichen“ Bericht über die vorgestrigen Ereignisse, wonach die Menge durch Reden der Gäste der Conversationshalle aufgereizt, und aus diesem Hause geschossen sein soll. Das Kriminalgericht hat gestern und heute eine Menge Zeugen vorgeladen, um diese Thatsachen zu konstatiren, aber noch kein einziger Zeuge konnte dieselbe bestätigen. Ein neuer Beweis, welcher Werth amtlichen Berichten beizulegen ist.
Die Abgeordneten sind bis heute Abend größtentheils in ihre Wahlkreise zurückgegangen.
Der letzte Gesetz-Entwurf, welcher kurz vor der Auflösung in dem Büreau der zweiten Kammer eingereicht worden, lautete wie folgt:
„Die Kammer wolle ‒ nach vorgängiger Erwagung durch die Justiz-Kommission ‒ folgendes Gesetz beschließen:
§ 1. Der noch bestehende besondere Gerichtsstand des Militärs für gemeine Verbrechen und Vergehen, so wie die für solche Verbrechen und Vergehen noch gültigen besonderen Strafgesetze, werden hierdurch aufgehoben.
§. 2. Unter gemeinen Verbrechen und Vergehen (§. 1.) werden solche verstanden, welche nicht zu den ‒ in den Kriegs-Artikeln vom 27. Juni 1844 Art. 6. bis einschließlich 58, und in dem Strafgesetzbuche für das Heer vom 3. April 1845 §§. 87 bis einschließlich 191 ‒ als militärische aufgeführten Verbrechen und Vergehen gehören.
§. 3. Der im § 1 aufgehobene besondere Militär-Gerichtsstand tritt wieder ein, sobald durch einen königl. Befehl die Mobilmachung der Armee oder eines Theiles derselben ausgesprochen worden und zwar für den mobil gemachten Theil und bis dahin, wo ein königl. Befehl die Armee oder den betreffenden Theil für demobil erklärt.
§. 4. Alle den vorstehenden Bestimmungen zuwiderlaufenden Gesetze und Verordnungen, insbesondere die „Kriegs-Art. für das preußische Heer“ vom 3. April 1845, insofern sie sich auf die nicht milite Verbrechen und Vergehen beziehen, werden hierdurch außer Kraft gesetzt.
Motive. Niemand wird verkennen, daß in Zeiten des Krieges für das Militär ein besonderer (eximirter) Gerichtsstand durch die dann eintretenden außergewöhnlichen Verhaltnisse bedingt wird, dagegen läßt sich ein besonderer Gerichtsstand, unter gewöhnlichen Verhältnissen, in Zeiten des Friedens und für nicht militärische Vergehen auf keine Weise rechtfertigen. Der eximirte Militär-Gerichtsstand führt häufig bei gleichen Vergehen zu ganz abweichenden Strafen, welche oft die Militärs, oft die Civilpersonen harter treffen, auch giebt der Ausschuß jeder Oeffentlichkeit zu Verdächtigungen aller Art Veranlassung.
Temme, Görtz-Wrisberg, Stein, Waldeck, D'Ester, Jacobi, Hildenhagen, Phillips, Schornbaum, Esser, Kyll, Elsner, Beynsch, Berends, Schneider Schönebeck), John, Caspary, Schmiedecke (Neisse). Knauth, Bauer, (Krotochin) Zunderer. Jung. Parrisius. Reuter (Berlin).
Um den Eintritt des Ex-Ministers Rintelen als Chefpräsident des Oberappellationsgerichts in Münster möglich zu machen, wird gegen dessen eigene Verwandte gemaßregelt, wie früher gegen seine ältern Freunde. Sein Schwager Regier.-Rath Stahrknecht ist unfreiwilligerweise nach Hamm versetzt, sein Bruder, Justizkommissar in Münster, ebenfalls von dort weggeschickt.
Als Jacobi am 26. d. in seiner Rede von der Ministerialconferenz im Schlosse Bellevue Anf. September erzählte, in der die nothwendige Auflösung der National-Versammlung besprochen wurde und der König in die Worte ausbrach: „Wie Friedrich Barbarossa liege ich zu Ihren Füßen und flehe Sie an, retten Sie die Monarchie!“ entstand in der zweiten Kammer eine tiefe Sensation. Vinke eilte sogleich zu Auerswald und wollte ihn bewegen, den Worten Jacobi's zu widersprechen. Dieser verweigerte das aber, weil er sehr wohl wußte, daß Jacobi die gewichtigsten Beweise in seinen Händen hat.
Berlin, 28. April. Ueber die gestern Abend auf dem Dönhofsplatz vorgefallenen Bestialitäten der christlich-germanischen Kroaten theilt die „R.-Z.“ folgenden Bericht dreier Augenzeugen mit, welcher also lautet:
„Schon seit Mittag hatte sich nach der Auflösung der zweiten Kammer eine größere Menge vor dem Kammergebäude zusammengeschart, ohne daß ein Versuch gemacht worden wäre, sie auseinander zu treiben. Nur einige wenige Menschen, die sich durch lautes Sprechen besonders bemerkbar gemacht hatten, waren im Laufe des Nachmittags von Schutzmännern verhaftet worden. Nachdem aber gegen 8 Uhr Abends bei der Schutzmännerwache mehrere Offiziere, die in einem Trupp, wie es schien, gedrängt und gestoßen wurden, den Degen zogen und um sich hieben, verlief sich sehr schnell eine große Menge der auf dem Platze Anwesenden. Wenige Minuten nachher rückte Militär in 2 Abtheilungen auf den Dönhofsplatz und stellte sich in drei Posten, an der Ecke der Jerusalemer-, der Ecke der Kommandantenstraße und auf der Mitte des Dönhofsplatzes auf. Bei der an der Ecke der Kommandantenstraße stehenden Abtheilung war dreimal getrommelt worden, ehe sich dieselbe theilte; kurze Zeit nachher sah man sie laden. Hierauf wurde zwei Mal getrommelt, dann eine kurze Pause, nach welcher ein Pelotonfeuer in der Richtung nach der Leipzigerstraße hin gegeben wurde, durch welches ganz dicht am Thorwege der Konversationshalle mehrere Menschen getroffen niedersanken. Nach wenigen Augenblicken wurden 2 Sterbende, von denen einer mit 2 Kugeln in den Kopf getroffen war, in den obern Raum der Conversationshalle getragen. Einer der Heraufkommenden hatte eine Patrone im Hute, einem andern war der Mützenrand weggeschossen. Erzählt wurde von mehreren Verwundungen. Während der mitunterzeichnete Arzt den einen Sterbenden untersuchte, drang Militär ein und forderte sämmtliche Anwesende barsch auf, sofort die Conversationshalle zu verlassen. Ein mit eingetretener höherer Polizei-Beamter sagte unter Anderem zu einigen Anwesenden: Sie sind an dem Unglück Schuld, durch Sie sind die Menschen aufgewiegelt worden. Einige Anwesende remonstrirten, daß man die Sterbenden nicht so in ihrem Blute liegen lassen könne, worauf jedoch nicht Rücksicht genommen wurde.
Uebrigens muß bemerkt werden, daß die Abgeordneten der Linken sich noch einmal in der Conversationshalle, in der sie bekanntlich jeden Abend ihre Parteisitzungen gehalten hatten ‒ versammeln wollten, aber in bester Absicht, um den Auflauf durch ihre Anwesenheit nicht zu vermehren, sich eine halbe Stunde vorher entfernt und die Unterzeichneten mit dem Auftrage zurückgelassen hatten, die etwa später Kommenden hiervon zu benachrichtigen.
Die Mitglieder der aufgelösten 2. Kammer.
Schellenberg. Dr. Knauth. Pax“
* Berlin, 29. April. Zur Brutalität die Frechheit! So paßt es sich im christlich-germanischen Staate, wie man aus nachstehender Kundmachung ersehen wird:
„Aus den gestrigen Vorfällen auf dem Dönhofsplatz und dessen Umgegend, bei denen die Schußwaffe nachdrücklich hat gebraucht werden müssen, scheint hervorzugehen, daß ein Theil der hiesigen Einwohner irrthümlich die Meinung hegt, daß der Belagerungszustand in Berlin und seinem zweimaligen Umkreise nicht mehr bestehe; ich nehme daher Veranlassung, hiermit öffentlich auszusprechen, daß derselbe keineswegs aufgehoben ist, sondern noch in voller Kraft besteht.
Berlin, den 28. April 1849.
Der Oberbefehlshaber in den Marken,
(gez.) von Wrangel.“
Berlin, 29. April. Die Regierung hat unter gestrigem Datum folgendes Schreiben an den Bevollmächtigten bei der provisorischen Centralgewalt erlassen:
„Als Sr. Majestät dem Könige durch die Deputation der deutschen National-Versammlung am 3. d. M die Botschaft von der auf ihn gefallenen Wahl zum deutschen Kaiser überbracht wurde, sprach Se. Majestät, im Gefühle der hohen Bedeutung des Augenblicks für die ganze Zukunft Deutschlands, feierlich aus, daß Er in dem an Ihn ergangenen Rufe die Stimme der Vertreter des deutschen Volkes erkenne und den Werth des Ihm durch dieses Vertrauen gewordenen Anrechts zu schätzen wisse, daß Er aber ohne das freie Einverständniß der Fürsten und der freien Stadte Deutschlands eine Entschließung nicht fassen könne, welche für sie und die von ihnen regierten deutschen Stamme die entscheidendsten Folgen haben müsse.
Dieser Antwort des Königs gemäß, hat die Regierung Sr. Majestät an demselben Tage an sämmtliche deutsche Regierungen die Einladung ergehen lassen, sich offen und umfassend über ihre Absichten und Wünsche auszusprechen
Sie hat dieselben um bestimmte Erklärungen sowohl über die Sr. Maj. zugedachte Stellung, als über die ganze aus den Berathungen der National-Versammlung hervorgegangene Verfassung ersucht; sie hat es dabei nicht verhehlt, daß sie selbst diese eben erst durch rasche Beschlüsse zur Vollendung gelangte Verfassung einer reiflichen Prüfung und grundlichen Erwägung unterziehen müsse, ehe sie dem Könige ihren Rath über die Annahme derselben vorlegen dürfe.
Indem die königl. Regierung diesen Weg einschlug, ist sie den Grundsätzen treu geblieben, welche sie von Anfang an für ihr Verfahren in der großen Angelegenheit der Neugestaltung der deutschen Verfassung sich vergezeichnet hatte, und welche sie eben so offen und klar ausgesprochen, als mit ernster und aufrichtiger Konsequenz festgehalten zu haben, sich bewußt ist.
Diese Grundsätze sind in der Note vom 23. Januar d. J. niedergelegt. ‒ Sie beruhen auf der gewissenhaften Achtung aller Rechte der Regierungen, wie der National-Versammlung, und auf der tiefgewurzelten U berzeugung, daß es vorzugsweise Preußens Beruf sei, auf dem Wege des Rechts und Friedens auf die von der Nation geforderte Einheit, Freiheit und Macht Deutschlands hinzuwirken. Aus dieser nie verleugneten Ueberzeugung ging die Erklärung hervor, daß die Verfassung Deutschlands nur auf dem Wege der Verständigung zwischen den Regierungen und der National-Versammlung festgestellt werden müsse, und der Entschluß, zu dieser Verständigung selbst die Initiative zu ergreifen. Indem Preußen sich bereit zeigte, alle im Interesse der Gesammtheit von ihm zu verlangenden Dienste dem deutschen Vaterlande, auch mit eigenen Opfern zu erweisen, und zugleich den festen Entschluß aussprach, keine ihm angebotene Stellung anzunehmen, als mit freier Zustimmung der verbündeten Regierungen, durfte es als Lohn für seine uneigennützigen Bestrebungen hoffen, daß durch ein einträchtiges Zusammenwirken der Regierungen das große Werk der deutschen Verfassung zu Stande kommen werde.
Die königl. Regierung betrat daher mit Vertrauen und Zuversicht diesen Weg der Verständigung, auf welchem die Mehrzahl der ubrigen Staaten sich ihr mit demselben Vertrauen anschlossen. Sie erkannte das aus den Berathungen der National-Versammlung in erster Lesung hervorgegangene Werk seiner vollen Bedeutung nach an, indem sie die Ueberzeugung aussprach, daß der Entwurf im Wesentlichen die Grundlagen eines kräftigen und den Anforderungen der Zeit gemäß gestalteten Bundesstaates enthalte; sie mußte aber nach gewissenhafter Prufung desselben auch erklären, daß sie A_ änderungen desselben für nothwendig und zum Heile des Ganzen wie der Einzelnen, erforderlich halte. Die Gesichtspunkte, von welchen sie bei diesen Abänderungsvorschlägen ausging, sind in der Instruktion vom 16. Februar dahin ausgesprochen, daß es darauf ankomme:
1. die Kompetenz der Bundesgewalt genauer zu begränzen, innerhalb dieser Kompetenz aber ihr eine kräftige Handhabung zu sichern;
2. die Existenz der Einzelstaaten als selbstständige Organismen möglichst zu wahren und sie nicht weiter zu beschränken, als zur Erreichung der wesentlichen Bedingungen des Bundesstaats nothwendig sei.
Diese Gesichtspunkte waren nicht auf das augenblickliche Bedürfniß berechnet, sondern liegen so wesentlich in der Natur der Sache und der eigenthümlichen Verhältnisse Deutschlands, daß die königl. Regierung dieselben unter allen Umstanden festhalten mußte und davon nicht abgehen konnte, ohne die Gesammtentwickelung Deutschlands auf das Ernstlichste zu bedrohen. Eine Verfassung, welche diese Grundlagen beseitigte, könnte Deutschland nicht zum Heile gereichen
Die meisten deutschen Regierungen schlossen sich den Abänderungsvorschlägen Preußens an, welche sich auf dasjenige beschränkten, was aus den oben aufgestellten Grundsätzen mit unabweisbarer Nothwendigkeit hervorging; andere haben besondere Vorschläge an das Reichsministerium gelangen lassen, welche aber im Wesentlichen von denselben Gesichtspunkten ausgehen.
Die Regierungen gaben diese Anträge der National-Versammlung hin, in dem Vertrauen, daß dieselbe sie einer eingehenden, gründlichen Berathung und Berücksichtigung würdigen werde. Wir können noch jetzt die Ansicht nicht aufgeben, daß, wenn dies in der erwarteten Weise geschehen wäre eine Verständigung würde zu erzielen gewesen sein.
Es hätte alsdann aus der gemeinsamen Arbeit der Nationalversammlung und der Regierungen der Bau einer Verfassung hervorgehen können, deren deren Schutz alle deutschen Stämme einer gemeinsamen, tüchtigen nerwickelung entgegengegangen wären. Und wenn einzelne deutsche Staa-Ent noch durch ihre eigenthümlichen Verhältnisse an der Theilnahme daran verhindert worden wären so hätte sich doch durch die Mitwirkung der Nationalversammlung und eine redliche Verständigung der Regierungen unter einander auch innerhalb des großen, bestehenden und unter allen Umständen heilig zu achtenden Bundes eine engere Gemeinschaft bilden können, welche tdenen, die sich ihr angeschlossen, die Gelegenheit und die Bedingungen zu einer kräftigeren Entfaltung nach innen und außen dargeboten hätt.
Preußen hatte, nach der einen wie nach der anderen Seite hin, gethan, was an ihm war, um die Verständigung herbeizuführen. Es wartete mit Ruhe und Vertrauen die Beschlüsse der Nationalversammlung ab; es hat nicht versucht, irgend welchen weiteren Einfluß auf ihre Berathungen auszuüben, sondern dem Patriotismus und der Weisheit der Vertreter des deutschen Volkes vertraut. Die Königliche Regierung hielt an dem eingeschlagenen Gange ihrer Politik um so freudiger fest, als die allgemeine Stimme des preußischen Volkes sich auf unzweideutige Weise damit einverstanden erklärt hatte.
In dieser Stellung fand sich die Königliche Regierung, stark durch die Loyalität und die Treue, mit der sie an den von ihr selbst aufgestellten Grundsätzen des Rechts und der Versöhnung festhielt, als die Beschlusse der Nationalversammlung über die zweite Lesung der Verfassung und die Wahl Sr. Majestät des Königs erfolgten.
Diese Beschlüsse bewiesen, daß die Nationalversammlung auf den von uns dargebotenen Weg der Verständigung nicht eingegangen. Die Vorschläge der Königl. Regierung, sowie die der übrigen, waren gar keiner Berathung im Schoße derselben unterzogen; sie hatten selbst nicht in dem Maße, wie sie durch den vorbereitenden Ausschuß aufgenommen waren, bei der Versammlung selbst Berücksichtigung gefunden; dagegen waren wesentliche Bestimmungen des früheren Entwurfs in beeilter Beschlußnahme weggefallen, andere aufgenommen, welche dem ganzen Werke einen durchaus neuen Charakter verliehen. Als der Schlußstein dieses neuen Werks war die Wahl Sr. Majestät des Königs zum Kaiser vorgenommen, und das so vollendete Ganze als ein unantastbarer Organismus zur Annahme hingestellt und Sr. Majestät dem Könige dargeboten.
Die Königl. Regierung mußte sich in diesem ernsten Augenblick die Frage vorlegen: ob sie dadurch sich v ranlaßt fühlen dürfe, auch ihrerseits von dem bisherigen Wege abzuweichen und dem Könige zu einer unbedingten Annahme des Dargebotenen zu rathen?
Sie hat diese Frage nach Pflicht und Gewissen beantwortet.
Der Weg, den sie hätte verlassen sollen, war der Weg des Rechtes und des Friedens, der Konsequenz und der Treue. Se. Majestät der König selbst haben keinen Augenblick daran zweifeln können, daß auf diesem Wege allein für Deutschland, für Preußen, für Ihn selber und Sein Haus Heil und Ehre zu finden sei. Diesen Standpunkt haben daher auch die Antwort des Königs an die Deputation und das Cirkular der Königlichen Regierung von demselben Tage offen und aufrichtig festgehalten.
Von eben diesem Standpunkte aus sieht Se. Majestät der König erst jetzt, nachdem die durch jen s Cirkular erbetenen Erklärungen der verbündeten Regierungen erfolgt, und unsererseits die Bestimmungen der in zweiter Lesung beschlossenen Verfassung noch der gründlichsten und sorgsamsten Erwägung unterzogen worden sind, Sich in der Lage, Seinen definitiven Entschluß über den an Ihn ergangenen Ruf der Nationalversammlung auszusprech n.
Die Erklärungen der deutschen Fürsten und Regierungen haben gezeigt, wie weit die Ansichten, namentlich in der Oberhauptsfrage, auseinandergehen, und wie wenig Hoffnung auf Erzielung eines umfassenden Einverständnisses vorhanden war. Während einzelne Fürsten mit einem Vertrauen, welches Se. Majestät nur mit hoher Genugthuung anerkennen kann, den Wunsch ausgesprochen haben, der König möge die dargebotene Krone annehmen: haben Andere in der Errichtung eines erblichen Kaiserthums selbst die größte Gefahr für Deutschland erblickt, und ihre Abneigung oder ihren festen Entschluß ausgesprochen, einem anderen deutschen Fürsten als Kaiser sich nicht unterzuordnen. Die bedeutendsten deutschen Regierungen haben die Verfassung in der Form, wie sie vorliegt nicht annehmen zu können erklärt.
Dagegen hat eine große Anzahl deutscher Regierungen die Bedenken, welche sie früher mit uns getheilt, jetzt um der Dringlichkeit der Umstände willen aufgeben zu müssen geglaubt, und noch ehe wir die Berathungen mit ihnen eröffnen konnten, sich gegen das Reichs-Ministerium dahin erklärt, daß sie die Verfassung unbedingt anzunehmen und Veränderungen derselben nur auf dem in ihr selbst bestimmten Wege zuzulassen bereit seien. Sie sind dabei von der durch den Erfolg nicht bestätigten Voraussetzung ausgegangen, daß dieselbe durch den Beitritt der übrigen Staaten in ganz Deutschland wirklich zur Geltung kommen werden
Es ist schon oben angedeutet worden, daß diese Verfassung bei der zweiten Lesung in ihren Grundlagen wesentlich modifizirt worden sei, und zwar nach einer Richtung hin, welche es der Königlichen Regierung unmöglich machte, Sr. Majestät die Annahme derselben zu rathen. Dies hat das Ministerium schon der eigenen Landes-Vertretung gegenüber erklärt. Die weitgehenden Bestimmungen des ersten Entwurfs über die Befugnisse der Reichsgewalt zum Eingreifen fast in alle inneren Verhältnisse der einzelnen Länder, welche eine selbstständige Verwaltung der letzteren unmöglich machen und sie mit der Zeit absorbiren würden, sind nicht beseitigt worden. Die in die Verfassung aufgenommenen Grundrechte enthalten einzelne, so tief eingreifende und in mancher Hinsicht noch zweifelhafte Grundsätze, daß es bedenklich scheinen muß, dieselben, als für alle Zeiten bindend, den e nzelnen Staaten aufzudrängen. Daneben ist den letzteren durch den Wegfall des ganzen Kapitels vom Reichsrath jede Mitwirkung bei der Ausübung einer sie selbst so vielfach nahe berührenden Exekutivgewalt genommen; und dennoch ist dem so isolirt und in scheinbar einziger Machtvollkommenheit hingestellten Reichs-Oberhaupte durch die Annahme des suspensiven Veto und die Ausdehnung desselben selbst auf Verfassungs-Aenderungen in Wahrheit eine Stellung gegeben, bei der weder die Würde, noch die zum Heile des Ganzen, wie der Einzelnen erforderliche Macht gewahrt werden kann. Das konstitutionell-monarchische Prinzip, an welchem die große Mehrzahl des deutschen Volkes mit Liebe und Vertrauen festhält ist durch diese Stellung in seinem Wesen bedroht; und in Verbindung mit dem alle Schranken niederwerfenden Wahlgesetz erhält die ganze Verfassung dadurch einen Charakter, welcher sie nur als das Mittel erscheinen läßt, um allmälig und auf anscheinend legalem Wege die oberste Gewalt zu beseitigen und die Republik einzuführen.
Durch die Annahme einer solchen Verfassung würde die Königliche Regierung nicht nur die oben als maßgebend bezeichneten Gesichtspunkte gänzlich verläugnet, sondern auch die besonnenen, nach wahrer Freiheit strebenden und konservativen Elemente Preußens und Deutschlands in ihrem innersten Wesen verletzt haben.
Ein Hinweggehen über diese ernsten Bedenken um des Dranges augenblicklicher Schwierigkeiten und Gefahren willen, würde um so weniger zu rechtfertigen sein, als es sich nicht allein um die Befriedigung eines augenblicklichen Bedürfnisses, sondern um die Schaffung eines Werkes handelt, welches durch sein eigenes Wesen Dauer verbürgen und die Zukunft Deutschlands sicher stellen soll.
Se. Majestät der König hat sich demnach nicht verhehlen können, daß die Vorbedingungen fehlen, welche allein Ihm eine Annahme der auf Ihn gefallenen Wahl möglich machen konnten; und in ernster Erwägung der Pflichten, welche Ihm gegen Deutschland und gegen Sein eignes Land obliegen, so wie der Verantwortlichkeit, welche auf Ihm persönlich dabei ruhen würde, hat er sich in Seinem Gewissen nicht für berechtigt halten können, an Sein Land und Volk diejenigen Anforderungen zu machen, welche diese neue Stellung bedingt haben würde, und hat Sich daher mit dem Rath Seines Staats-Ministeriums entschlossen, die auf Grund der in Frankfurt beschlossenen Verfassung Ihm dargebotene Kaiserwürde abzulehnen.
Es sind nicht die schweren Pflichten, es sind nicht die Opfer, welche dieselbe Ihm auflegen würde, vor denen der König zurückscheut. Deutschland hat von seinen Fürsten jedes Opfer zu fordern, außer dem des Rechtes, der Wahrheit und der Treue; ein solches Opfer würde niemals zum Heile des gemeinsamen Vaterlandes gereichen, Se. Majestät hegt daher auch das feste Vertrauen, daß sowohl die Nationalversammlung, wie die ganze deutsche Nation die Gesinnung anerkennen werden, aus welcher Sein Entschluß hervorgegangen ist.
Wie der König selbst unter den Ersten gewesen ist, aus freier Entschließung zu der Neugestaltung Deutschlands zu einem kräftigen Bundesstaat die Hand zu bieten, so wird Er auch der Letzte sein, an dem Gelingen dieses großen Werkes zu verzweifeln. Preußen wird sich unter keinen Umständen von dem Werke der deutschen Einigung zurückziehen, vielmehr auch jetzt alle Kraft aufbieten, um dasselbe zu fördern. Die Königliche Regierung hat zuerst den Weg der Verständigung eingeschlagen, und wenngleich ihre bisherigen Bemühungen ohne ihre Schuld fruchtlos geblieben sind, so will sie doch denselben nicht aufgeben und erklärt daher ihre fortwährende Bereitwilligkeit, auf jede Verständigung einzugehen. Wie wir schon am 23. Januar die Ansicht ausgesprochen haben, daß die Aufrichtung einer neuen deutschen Kaiserwürde zu der Erlangung einer wirklichen und umfassenden deutschen Einheit nicht nothwendig sei: so können wir auch jetzt nur an der Ueberzeugung festhalten, daß die Ablehnung derselben durch Se. Majestät den König keine Gefährdung, vielmehr eine Förderung dieser Einheit sein werde. Wenn die Nationalversammlung uns wirklich in gleichem patriotischen Sinne entgegenkommen will, so liegt es noch immer in ihrer Hand, der Verfassungs-Angelegenheit eine solche Wendung zu geben, daß die Regierungen sich mit ihr verständigen und unter ihrer Mitwirkung und auf dem Wege der Vereinbarung die von einer ruhigen Erwägung der deutschen Verhältnisse geforderten Modifikationen zu Stande kommen können.
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Maria Ermakova, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Frank Wiegand: Konvertierung XML nach DTA-Basisformat
(2017-03-20T13:08:10Z)
Weitere Informationen:Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 2 (Nummer 184 bis Nummer 301) Köln, 1. Januar 1849 bis 19. Mai 1849. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.
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