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Neue Rheinische Zeitung. Nr. 285. Köln, 29. April 1849.

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Wähler wahrlich ausgezeichnet. Daß er durch ein erbärmliches, schwankendes Benehmen in den Hafen der Ministerialgunst einlaufen will, wir tadeln es nicht, es mag seiner Persönlichkeit eigenthümlich sein. Aber durch den Schein der Demokratie noch andere Abgeordneten bewegen gegen die Linke zu stimmen, geht weiter. Die Mißtrauensvoten seiner Wahlmänner werden ihm in kurzer Zeit beweisen, wie man in seinem Kreise solche Apostasie beurtheilt. Gestern stimmte er mit folgendenden Abg. gegen die Linke: Dane, v. Möller (Minden), Olawski, Pape (Marburg), Freund, Piper, Preuß, Sperling. Wir machen die Wähler dieser Herren darauf aufmerksam, wie schlecht ihre Hoffnungen erfüllt werden.

Hr. v. Bismark beabsichtigt in den nächsten Tagen eine Volksversammlung zu halten, weil er die demokratischen Einwirkungen nur allzusehr fürchtet. Man ist in der Churstadt mit den absolutistischen Gesinnungen des ehrenwerthen Havelländers denn doch nicht so ganz zufrieden.

An eine Anzahl Abgeordneter ist folgende Zuschrift heute Nachmittag per Post zugesandt und auch in der Kammer vertheilt worden. Wir geben dieselbe der Kuriosität wegen. Wir wissen übrigens, daß die Partei der Neuen Preuß. Zeitung dies Aktenstück vertheilt hat; die so eben ausgegebene Nummer dieser Zeitung ist von dieser Vertheilung schon unterrichtet und bringt in ihrem Feuilleton das Programm.

"An die Herren der zweiten Kammer. Eine äußerste rothe Fraktion der Linken hat in diesen Tagen folgendes Programm für ihre Thätigkeit aufgestellt:

1) Die höchste Gewalt im Staat geht vom souverainen Volk aus.
2) Wir stützen unsere Berechtigung auf die Barrikaden vom 18. und 19. März in Berlin und werden darauf fortbauen.
3) Einem einigen Deutschland schließen wir uns nur in so weit an, daß Eine Kammer besteht und aus dieser eine Kommission von 3 Personen gewählt wird, welche die oberste Behörde im Staat bildet.
4) Wir erstreben eine große polnische Republik.
5) Alle diejenigen, welche sich an der Contrerevolution betheiligt haben, sind der Volksbestrafung Preis gegeben.

Dies Programm ist unterzeichnet von den Abgeordneten Kinkel, D'Ester, Schneider (Köln), Grün, Schramm (Langensalza), Jung, Caspari, Lisiecki, Lipski und mehreren Anderen. Dies Programm enthält somit die offene Empörung, den reinen Convent, die rothe Republik! Wird die Kammer, wird das Land dazu schweigen? Wir fordern sofort die Anklage der genannten Hochverräther. Die gestrige Sitzung der zweiten Kammer hat gezeigt, was das Land von dieser Kammer zu erwarten hat. Die Linke hat sich darin wiederum betragen, wie die gemeinsten Gassenbuben. Die meisten Mitglieder der Rechten, wie erbärmliche Feiglinge und Verräther an ihren Mandanten! Würde die Rechte der Kammer ihre Pflicht erfüllen, so könnte die Brutalität der Linken nicht wagen, ihr Haupt so frech und schamlos zu erheben. Diese Rechte aber wagt nicht einmal, eines ihrer Mitglieder vor dem schmachvollen Terrorismus jener Rotte von Gassenbuben zu schützen und duldet es, daß ein notorischer Hochverräther und eidbrüchiger Beamter sich erfrecht, einem Ehrenmanne das Recht der Rede zu verweigern, und zu sagen, daß jener die Tribüne entehre, während er und seine Genossen die Schandflecken des Staates sind! Das Land ist müde dieser Balgereien und Schlechtigkeiten, die es um sein Geld und seine Ehre bringen. Wir wollen uns nicht länger von Gassenbuben noch von Feiglingen düpiren lassen, darum fort mit der ganzen faulen Gesellschaft, in der die wenigen Guten untergehen müssen, wie der Waizen unter der Spreu! - Wenn das Vaterland gesunden soll, müssen die Pestbeulen ausgeschnitten werden. Berlin, 25. April 1849. Viele Bürger der Hauptstadt."

Das Preßgesetz liegt in der Form, in die es von der Kommission gebracht worden, vor uns. Es weicht nur wenig von der ministeriellen Vorlage ab, und ist fast ebenso perfide. Nun, mögen die Herren der Kommission sich an ihren Manteufeleien und belagerungszuständlichen Bestialitätsgelüsten noch eine kleine Weile erlustigen. Aber sie mögen sich sputen, und was sie noch an Infamien vorräthig haben, ans Tageslicht geben. Denn die Stunde der Abrechnung und Vergeltung wird schneller über sie hereinbrechen, als sie vermuthen, und bei dem Donnerruf: "Mein ist die Rache! Ich will vergelten! spricht das Volk," werden Manteufel'sche Preßknebelungs- und andere gottbegnadete Pläne ihrem Hirnkasten für immer verleidet und mit einem gründlich-rothen Strich durchkreuzt werden.

Einem amtlichen Nachweis des hiesigen Magistrats über die Operationen der Berliner Sparkasse im Jahre 1848 entnehmen wir folgende Data. Am Schluß des Jahres 1847 betrug das Guthaben der Interessenten bei der Sparkasse 1,239,260 Thaler 23 Sgr. 7 Pfg. Im Jahre 1848 sind theils auf neue Bücher ein-, theils auf alte zugezahlt 453,429 Thlr. 23 Sgr. 8 Pfg. An Zinsen sind den Interessenten theils bei Rücknahme ihrer Einlage gezahlt, theils am Schlusse des Jahres 1848 auf die einzelnen Conto's zugeschrieben 26,602 Thlr. 9 Sgr. 3 Pfg. Macht in allem 1,719,292 Thlr. 26 Sgr. 6 Pfg. Dagegen sind im Laufe des Jahres zurückgezahlt 895,503 Thlr. 13 Sgr., so daß am Schluß des Jahres 1848 das Guthaben der Interessenten bei der Sparkasse 823,789 Thlr. 13 Sgr. 6 Pfg. betrug. Dasselbe hat sich hiernach gegen 1847 vermindert um 415,471 Thlr. 10 Sgr. 1 Pfennig.

Die §§. 1-7 enthalten Formbestimmungen, daß der Name des Druckers etc. genannt sein muß. - §. 8 wie im Regierungsentwurf, wonach für den Inhalt Alle, vom Verfasser bis zum fliegenden Buchhändler herab, verantwortlich sind, wenn der Vordermann nicht vom Arm des Gesetzes erreicht werden kann. - §. 9. Oeffentliche Aufforderung zu Verbrechen, ohne Erfolg: 100 Thlr. oder sechs Monate. - (§. 10 des Entwurfs fällt weg.) §. 10. Angriffe auf Staatseinrichtungen mittelst Lüge und Entstellung, um Haß und Verachtung zu verbreiten (Erregung von Mißvergnügen) bis zu 1 Jahr. - §. 11. Ehrfurchtverletzung gegen König und König und Königin: 2 Monat - 5 Jahr; gegen Thronfolger oder Regent bis zu 2 Jahr. - §. 12. Beleidigung von Beamten im Beruf: bis 6 Monat; Verläumdung bis 15 Monat; an öffentlichen Orten, durch Schriften etc. bis zu 2 Jahr. - §. 13. Verletzung guter Sitten: bis zu 100 Thlr. oder 1 Jahr. - §. 14. Definition von Verläumdung. - §. 15. über den Beweis der Wahrheit. - §. 16. Beleidigende Absicht bei wahren Thatsachen. - §§. 17 und 18. Einfache Verläumdung bis 1 Jahr; öffentliche bis zu 18 Monaten; unter mildernden Umständen: Geldstrafe bis zu 300 Thlr. - §. 19. Privatbeleidigungen nach den gewöhnlichen Gesetzen. - §. 20. Das Urtheil gegen Verläumder oder Beleidiger wird veröffentlicht. - §. 21. Befugniß, Druckschriften mit Beschlag zu belegen, 24 Stunden nachher muß die gerichtliche Verfolgung beantragt werden; Schadenersatz. - §. 22. Bei strafbaren Schriften Vernichtung mit Platten und Formen. - §. 23. Die §§. 9-11 gehören zur Kompetenz der Schwurgerichte. Bei den §§. 12-19 verbleibt es bei §. 3 der Verordnung vom 5. April 1848 über das Verfahren bei Preß- und politischen Prozessen in der Rheinprovinz. - §. 24. Alle entgegenstehenden Gesetze sind hiermit aufgehoben.

Seit längerer Zeit schon wurden hier die Soldaten den ganzen Tag in der Kaserne festgehalten und ihnen gesagt, man erwarte eine Emeute, zu deren Dämpfung sie bereit sein müßten. Es ist ein treffliches Mittel, um die Soldaten zur Wuth zu reizen, ein Mittel, welches man vor dem 18. März 1848 gebraucht und dadurch die schauderhaften Scenen von Brutalität erreicht hat, an welchen die Geschichte jener wenigen Märztage so reich ist. - Besondere Vorsichtsmaßregeln hatte man am grünen Donnerstag getroffen, als in der zweiten Kammer die deutsche Frage behandelt wurde. Jedoch ist auch in die Kasernen schon mancher Lichtstrahl gefallen, selbst in der des Königsregiments, welches fast ganz aus Pommern besteht, wagte man, sich über diese strenge Maßregel zu beklagen. "Denkt Euch Kinder", sagte ein Unteroffizier, "in der Kammer wollen sie heute den Belagerungszustand aufheben und unser Ministerium stürzen, unser gutes Ministerium, das uns alle gerettet hat, und das wollen wir nicht leiden." - Der Soldat H. (wir waren ermächtigt, den Namen zu nennen, der arme freimüthige Soldat hat aber seine Dienstzeit noch nicht überstanden) erwiderte in seinem Dialekt: "Na, die dat Ministerium noch loben, dat möten (müssen) Dickköpfe sind!" Auf diese Aeußerung wurde der unloyale Soldat natürlich sogleich zur Untersuchung gezogen. Er ist wegen Insubordination zu einer Strafe verurtheilt, weil der Unteroffizier es besser verstehen müsse, ob das Ministerium gut sei, als der gemeine Soldat.

Aus den Gefängnissen der Kasernen dringen selten dergleichen Lebenszeichen zu uns, mit eiserner Hand wird jede freie Regung unterdrückt. Alle schlechten Leidenschaften benutzt man, um nur das Gift der Politik fern zu halten. Was früher als Kapitalverbrechen galt, daß betrunkene Soldaten singend durch die Straßen ziehen, wir sehen es jetzt täglich; in der Nachgiebigkeit gegen Exzesse besteht die Errungenschaft des Heeres, das ist seine moderne Volksthümlichkeit. Aber sie werden es doch nicht hindern. Innerhalb der Kasernenmauern gährt es dumpf, auch der Boden ist schon "unterwühlt".

* Berlin, 26. April.

Sitzung der zweiten Kammer.

Auf die schon vor acht Tagen angekündigte Interpellation des Abgeordneten Bleibtreu wegen Versetzung der bestraften Garde-Landwehrmänner in die Provinziallandwehr antwortet der Kriegsminister Strotha, daß bereits eine Verfügung erlassen sei, wonach künftig die bestraften Garde-Landwehrmänner in eine besondere Strafsektion bei ihren bisherigen Regimentern bleiben sollen.

Hierauf wird die Debatte über den Belagerungszustand fortgesetzt.

Keller spricht gegen den Kommissionsantrag und meint, daß es auch einen Absolutismus der Demokratie gäbe. Er und seine Freunde wollen auch den Belagerungszustand so bald wie möglich beendet wissen, aber nicht fruher wie als Gesetz, welches Versammlungen unter freiem Himmel im zweimeiligen Umkreis vom Sitz der Volksvertretung verbietet, Gesetzeskraft erlangt hat. Und um zu zeigen, wie ehrlich wir es hiermit meinen, haben wir bereits einen dringlichen Antrag auf sofortige Emanirung dieses Gesetzes erlassen.

Jacoby: Wenn uns eine Anklage gegen das Ministerium vorläge, so müßten wir darüber berathen, ob die Novemberereignisse das Ministerium berechtigten, den Belagerungszustand zu verhängen. Diese Frage liegt aber nicht vor, sonden nur der Antrag auf Aufhebung des Belagerungszustandes. Um zu beweisen, daß derselbe nicht fortbestehen dürfe, habe ich nicht nöthig, auf frühere Thatsachen zurückzukommen. Eine Thatsache jedoch kann ich der Geschichte und dem Lande nicht vorenthalten, welche beweisen mag, daß man nicht erst im November an die Verhängung des Belagerungszustandes dachte und daß die Ereignisse im Oktober nicht allein die Ursache dazu waren. Im Anfang des Monats September, gleich nach Abschluß des Waffenstillstandes von Malmoe, wurde das damalige Ministerium Auerswald-Hansemann nach Schloß Bellevue zu einem Ministerrath vom Könige berufen, in welchem die Frage vorgelegt wurde, welche Schritte gegen die National-Versammlung gethan werden dürfen, die nothwendig zur Auflösung derselben führen mussen. Das Ministerium ging auf solche Vorschläge ein. Die Entschließung der Krone wurde daher noch vertagt. (Allgemeine Sensation.)

Meine Herren! Es wäre an dem Ministerium gewesen, uns Gründe für die Fortdauer des Belagerungszustandes anzugeben. Sie sollen enthalten sein in der bekannten Denkschrift. Diese hat nur einen Grund angeführt, den einer zukünftigen möglichen Revolution und der ist nicht haltbar. Der Minister hat ferner zur Begründung der Fortdauer des Belagerungszustandes angeführt: 1. einen Brief Dowiats vom 26. Febr. v. J. aus New-York; 2. eine Adresse von Deutschen in Nordamerika; 3. den demokratische Kongreß; 4. den Märzverein zu Frankfurt; 5. sieben Granaten, welche man mit Beschlag belegt hat; 6. eine Kiste mit Papieren, welche dem Abg. D'Ester gehören, endlich 7. Petitionen für das Einkammersystem etc. Das sind die Gründe, deshalb soll der Belagerungszustand noch länger auf Berlin lasten, deshalb soll diese Stadt der Willkürherrschaft eines Mannes noch länger unterworfen bleiben, der als Feldherr recht tüchtig sein mag, aber für die Leitung der öffentlichen Angelegenheiten gänzlich unfähig ist.

Meine Herren! Wir wissen, unser Beschluß wird keinen Erfolg haben. Das Ministerium wird, wie die deutsche Frage zeigt, sich nicht daran kehren. Das kann uns nicht hindern, deshalb davon abzustehen. Das Land muß wissen, wie das Ministerium die Volksvertretung achtet. Mag seine Stirn noch so voll Trotz sein, endlich muß es doch dem allgemeinen Unwillen weichen. (Beifall).

Minister Manteuffel: Der Mann, welchem die Führung der Angelegenheiten Berlins übertragen wurde, ist dafur unfähig genannt worden. Ich war jüngst in einer Gesellschaft von Bürgern, wo man mich versicherte, General Wrangel sei der populärste Mann in Berlin. Ich lege zwar kein Gewicht auf die Popularität, aber wer sie besitzt, kann nicht unfähig genannt werden. ... Auf den letzten Satz des Redners muß ich erwidern, daß wir die Absicht haben, ehrlich, constitutionell zu regieren, aber freilich niemals mit dem Lindenclub.

Vincke zur Geschäftsordnung: Der vorletzte Redner (Jacoby) hat von Entschließungen der Krone gesprochen. Das ist unconstitutionell und hätte vom Präsidenten gerügt werden müssen.

Grabow: Ich würde das gethan haben, wenn sich Herr v. Vincke nicht schon zum Worte gemeldet hätte Ich glaubte das abwarten zu müssen

Jacoby: Ich habe nur eine einfache Thatsache vorgetragen, ich glaube, ich war sowohl verpflichtet als berechtigt dazu. Ich bemerke übrigens, daß wir ja im vorigen Jahre, wie der Herr Minister selbst gesagt hat, noch nicht in einem constitutionellen Staate lebten. Auch heute sind wir noch nicht aus dem Absolutismus herausgekommen, da die Rechtsgultigkeit der Verfassung von einer großen Partei in diesem Hause noch nicht anerkannt worden.

Vincke: Das sei noch unconstitutioneller; man müsse sich stets der Majorität fügen.

Griesheim gegen den Kommissionsantrag.

Pape (Warburg) für denselben.

Justizminister Simons vertheidigt die von ihm ausgesprochenen Ansichten, welche der letzte Redner angegriffen hatte.

Graf Arnim spricht in längerer Rede gegen den Kommissionsantrag. Er sucht das Benehmen des General Wrangels und des Ministeriums unter den Beifall seiner Partei zu rechtfertigen.

Der Schluß der Debatte wird hierauf von der Majorität beliebt und es folgen die durch die Enthüllungen des Ministers hervorgerufenen persönlichen Bemerkungen.

Schramm: Der Herr Minister hat auch mich in seinen Enthüllungen genannt, ich will selbst dem Ministerium neue Eröffnungen machen. Er liest die gestern unter den Abgeordneten vertheilte Schmähschrift vor (von uns wörtlich mitgetheilt.) Da hat ja der Herr Minister neue Gründe für die Beibehaltung des Belagerungszustandes.

D'Ester: Man hat eine Kiste mit meinen Papieren eine Rolle spielen lassen, daß man sie sehr wichtig halten muß, ja diese Papiere waren sehr, sehr gefährlich, es waren die stenographischen Berichte der Nationalversammlungen von Berlin und Frankfurt. Auf die vom Herrn Minister vorgelesene Rede, welche ich im demokratischen Congreß gehalten haben soll, komme ich nur deshalb zurück, um mich meinen Wählern gegenüber, welche mich zur National-Versammlung gewählt haben, zu rechtfertigen. Der Herr Minister hat diese Rede in einer erbärmlichen Verfälschung vorgelesen. Ich habe auf dem Congreß gerade das Gegentheil gesprochen. Meine übrige Wirksamkeit liegt dem Lande vor, es mag über mich urtheilen.

Kinkel: Man hat auch die Rede vorgebracht, welche ich auf dem demokratischen Congreß gehalten. Ja, meine Herren! der demokratische Verein in Bonn hat sich unter dem Donner der Junischlacht für die demokratische Republik ausgesprochen. Er hat sie für die in Deutschland einzig mögliche Staatsform erklärt. Ob wir Recht, ob Unrecht hatten, das wird auf dieser Tribüne nicht entschieden werden.

Jung: Natürlich bin auch ich in das Gewebe des Herrn Ministers verwickelt worden. Ich muß darauf hinweisen, daß man unbeglaubigte Zeugnisse vorgebracht hat, um damit seine Maßregeln zu rechtfertigen.

Reuter (Berlin) erzählt die Vorgänge in der Nacht vom 11.-12. November. Die Haare des Herrn Ministers würden sich nicht gesträubt haben, wenn er sich dabei befunden und die Ansichten der Bürgerwehrmajore gehört hätte, er würde sich vielmehr vergnügt die Hände gerieben haben. Im Laufe seiner Rede, in der er die Minister scharf geißelt, wird er verschiedene Male zur Ordnung gerufen.

Berends erklärt ebenfalls das gegen ihn Vorgebrachte für elende Verdächtigungen.

Wollheim desgleichen; gerade einer seiner Freunde habe das ihn betreffende Zeugniß vorgebracht, wohlweislich habe man aber das Wichtigste verschwiegen.

Wesendonk; Herr v. Griesheim hat die Schuld der edlen Opfer des 18. September in Frankfurt, den Rednern der Pfingstweide zugeschoben. Ich, einer dieser Redner, muß das als eine elende Verdächtigung zurückweisen. Unsere Reden liegen gedruckt vor, die Verantwortlichkeit jener Excesse hat aber die Majorität der Frankfurter National-Versammlung und die Centralgewalt durch ihre volksfeindlichen Beschlüsse zu tragen.

Jacobi: Ebensowenig wie die Majorität schwarz in weiß verwandeln kann, ist es ihr möglich, die Rechtsgültigkeit einer Verfassung zu beschließen, welche die wichtigsten Bestimmungen noch nicht enthält und noch nicht beschworen ist.

Dierschke erregt allgemeine Heiterkeit.

Merckel übergibt eine Petition, welche sich für die Aufhebung des Belagerungszustandes erklärt.

Graf Poninski (Löwenberg) entblödet sich nicht zu erkläben, daß diese Petition mit falschen Unterschriften versehen sei.

Waldeck (als Antragsteller): Als wir unsern Antrag stellten gingen wir 1. von der Ansicht aus, die Kammer auf die Höhe zu erheben, welche sie nach unserer Meinung bedarf, um ihre Wirksamkeit mit Würde beginnen zu können; 2. weil zu einem gedeihlichen Zustande gehört, daß dies Ministerium mit dem System gestürzt werde. Es ist gesagt worden, es würden alle unsere Beschlüsse nichts helfen, man werde sich ministerieller Seits nicht daran kehren. Das darf kein Grund sein uns in unserer Wirksamkeit zu hindern. - Es klingt schon wie eine alte Sage, daß die Verhängung des Belagerungszustandes eine rettende That gewesen sei für Ordnung und Gesetz Es giebt Niemand der es noch glaubt. Um die Auflösung der Nat. Vers. durchzusetzen hat man den Belagerungszustand verhängt. Man wollte aber diese Nat. Vers. nicht mehr, weil sie fleißig und treu an der Durchführung der demokratischen Staatsformen arbeitete. Einst wird die Geschichte über sie urtheilen und sie des meisten Lobes für würdig halten. - M. H.! Möchten Sie dem Volke durch die Annahme meines Antrages ein Vertrauens-, dem Ministerium ein Mißtrauensvotum ertheilen; möchten Sie alsdann auf einem so würdigen Wege fortschreiten und dem Volke energische Gesetze geben, unter denen es sich frei bewegen kann. Möchten Sie endlich wo möglich auch eine Verfassung schaffen, welche diesen Anforderungen nicht widerspricht. (Beifall.)

Buchner als Referent. Wir können aus seiner überaus glänzenden und klaren Rede leider nur wenige Bruchstücke geben. Mit geistvoller Beredsamkeit wandte er sich gegen alle Gegner des Waldeckschen Antrages und wußte einem Jeden wenigstens einige Pfeile seines Witzes zuzuwerfen. - Die wichtigste und interessanteste Enthüllung des Herrn Ministers ist wohl die gewesen, daß Preußen vor dem 5. Dez. kein constitutioneller Staat war. Hat doch Hr Graf Schwerin im März selbst erklärt er sei ein verantwortlicher Minister und das Ministerium Camphausen übernahm alle Verantwortlichkeit für die Reden des Königs, und die Ministerverantwortlichkeit ist meiner Ansicht nach, eines der wichtigsten constitutionellen Rechte. - Der Justizminister hat Anhaltspunkte in andern Gesetzgebungen gesucht - ich muß freilich den bedauern der sich daran klammern will - er hat auf den Belagerungszustand in Paris nach dem Aufruhr bei Lamarques Begräbniß hingewiesen er hat vergessen, daß der Cassationshof den Ausnahmezustand für ungültig erklärte. In England würde man Minister, welche Aehnliches wagten wie die unsern, nicht in den Tower, sondern nach Bedlam schicken. - Das Recht der Revolution hat das Volk, wenn die gesetzlichen Wege ihm verschlossen sind, aber wo ist das contrerevolutionäre Recht einer Regierung aus dem Volke gegen das Volk? - Das Ministerium vertröstete uns mit seiner Rechenschaftsablegung immer auf diese Debatte; wo sind nun die Gründe seiner Handlungen? Es weiß nicht, daß die constitutionellen Rechte, daß die Autorität eines Blackstone das Widerstandsrecht der Bürger heiligt. - Er erklärt sich gegen alle Amendements.

Großer Beifall.)

Um die Fragestellung entsteht großer Lärm und wird viel gesprochen. Endlich kommt man zur Abstimmung. Das Amendement Aldenhofen (Rechte) wird mit 178 gegen 159 Stimmen verworfen. Das Amendement Wentzel (Centrum) wird mit 168 gegen 165 Stimmen verworfen.

Das Amendement Unruh: "Die Kammer wolle erklären,

1) "daß die Fortdauer des Belagerungszustandes ohne Zustimmung der Kammer ungesetzlich ist;

2) daß die Kammer diese Zustimmung zur Fortdauer nicht ertheilt." wird mit 184 gegen 139 Stimmen angenommen. Grabow stimmte mit der Linken für dies Amendement, das Centrum stimmt nicht.

Hierauf kommt der letzte Theil des Unruhschen Amendements gleichlautend mit dem Antrage:

"Das Ministerium aufzufordern: den am 12. Nov. über Berlin und dessen 2meiligen Umkreis verhängten Belagerungszustand sofort aufzuheben,"

wird mit 177 gegen 153 Stimmen angenommen.

(Schluß der Sitzung.)

X Breslau, 24. April.

Auf das jüngste Schreiben des Frankfurter "Märzbier-Vereins" hat der hiesige demokratische Verein folgende Antwort angenommen und abgesandt:

"Bürger!

Ihr empfehlt uns am Ende Eures Schreibens vom 8. April wohl zu bedenken, "daß die Freiheit in den Einzelstaaten dann am schwersten gefährdet ist, wenn die Regierungen siegreich aus dem Kampfe gegen die Freiheit des Gesammtstaates hervorgehen sollten." Wir haben diesen Satz in unseren Berathungen wohl erwogen, wir müssen jedoch gestehen, wenn wir diesen Satz, im Allgemeinen genommen, auch als wahr anerkannt haben, so drängte sich uns die Ueberzeugung auf, daß wir trotz des deutschen Parlaments noch keinen Gesammtstaat besitzen, sondern daß derselbe erst geschaffen werden soll.

Allerdings wissen wir auch, daß die Verfassung des erst zu gründenden Gesammtstaates eine freie sein muß, damit die Freiheit des Einzelstaates garantirt sei; wir wissen aber noch bestimmter, daß der Gesammtstaat sowohl als auch dessen Freiheit schon längst gegründet und gesichert wäre, wenn Ihr, Vertreter des deutschen Volkes, damit Euer Werk begonnen hättet, die Freiheit den verschiedenen deutschen Volksstämmen zu geben. Hättet Ihr im Anfange Eurer Thätigkeit diese Pflicht erfüllt, gewiß würden jetzt die freien deutschen Volksstämme für ganz Deutschland und Euch einstehen und Ihr brauchtet nicht - - mit den Fürsten zu unterhandeln.

Hätte jene Koalition, die jetzt die Verfassung und das Kaiserreich beschlossen hat, damals sich thatkräftig und lebensfähig gezeigt, als Wien bombardirt wurde, als Preußens König die Volksvertreter auseinander jagte, Ihr hättet jetzt Millionen Arme gefunden, die Euren Willen durchgesetzt hätten. Damals jedoch, als diese beiden Stämme von Euch, Vertreter des deutschen Volkes, Hülfe und Rettung verlangten, damals gingt Ihr zur Tagesordnung über; Ihr mußtet ja - - die Verfassung berathen.

Die Majorität des deutschen Parlaments, die diese beiden Thaten geschehen ließ und zur Tagesordnung überging, hat jetzt die Verfassung beschlossen und verlangt, das deutsche Volk solle dieselbe mit "Vertrauen" annehmen, damit seine "Freiheit garantirt werde."

Wir wollen absehen von dem Inhalte der Verfassung, wir wollen absehen von dem Kaiserthum, das wir übrigens mit Entrüstung von uns weisen, weil durch jeden erblichen Fürsten die Volkssouveränetät verrathen wird, wir wollen absehen selbst davon, daß dieser Verrath ausgeübt wurde von Männern, die nur kraft der Volkssouveränetät in Frankfurt sitzen und die dieselbe schon als einzige Basis eines Staates anerkannt haben: wir wollen nur das Eine betrachten, daß die Ausübung der Verfassung, "welche die Freiheit garantiren soll," einem Fürsten angeboten wurde, der die Volksvertreter seines Landes vertrieb.

Wahrlich dieser eine Punkt belehrt gewiß jeden darüber, was für Freiheiten die jetzige Majorität des deutschen Parlaments dem deutschen Volke geben will; es ist die Freiheit der Bajonette und Kanonen, es ist die Freiheit eines Wrangel, eines Hinkeldey.

Wir müssen es endlich als einen Spott und Hohn bezeichnen,

Wähler wahrlich ausgezeichnet. Daß er durch ein erbärmliches, schwankendes Benehmen in den Hafen der Ministerialgunst einlaufen will, wir tadeln es nicht, es mag seiner Persönlichkeit eigenthümlich sein. Aber durch den Schein der Demokratie noch andere Abgeordneten bewegen gegen die Linke zu stimmen, geht weiter. Die Mißtrauensvoten seiner Wahlmänner werden ihm in kurzer Zeit beweisen, wie man in seinem Kreise solche Apostasie beurtheilt. Gestern stimmte er mit folgendenden Abg. gegen die Linke: Dane, v. Möller (Minden), Olawski, Pape (Marburg), Freund, Piper, Preuß, Sperling. Wir machen die Wähler dieser Herren darauf aufmerksam, wie schlecht ihre Hoffnungen erfüllt werden.

Hr. v. Bismark beabsichtigt in den nächsten Tagen eine Volksversammlung zu halten, weil er die demokratischen Einwirkungen nur allzusehr fürchtet. Man ist in der Churstadt mit den absolutistischen Gesinnungen des ehrenwerthen Havelländers denn doch nicht so ganz zufrieden.

An eine Anzahl Abgeordneter ist folgende Zuschrift heute Nachmittag per Post zugesandt und auch in der Kammer vertheilt worden. Wir geben dieselbe der Kuriosität wegen. Wir wissen übrigens, daß die Partei der Neuen Preuß. Zeitung dies Aktenstück vertheilt hat; die so eben ausgegebene Nummer dieser Zeitung ist von dieser Vertheilung schon unterrichtet und bringt in ihrem Feuilleton das Programm.

„An die Herren der zweiten Kammer. Eine äußerste rothe Fraktion der Linken hat in diesen Tagen folgendes Programm für ihre Thätigkeit aufgestellt:

1) Die höchste Gewalt im Staat geht vom souverainen Volk aus.
2) Wir stützen unsere Berechtigung auf die Barrikaden vom 18. und 19. März in Berlin und werden darauf fortbauen.
3) Einem einigen Deutschland schließen wir uns nur in so weit an, daß Eine Kammer besteht und aus dieser eine Kommission von 3 Personen gewählt wird, welche die oberste Behörde im Staat bildet.
4) Wir erstreben eine große polnische Republik.
5) Alle diejenigen, welche sich an der Contrerevolution betheiligt haben, sind der Volksbestrafung Preis gegeben.

Dies Programm ist unterzeichnet von den Abgeordneten Kinkel, D'Ester, Schneider (Köln), Grün, Schramm (Langensalza), Jung, Caspari, Lisiecki, Lipski und mehreren Anderen. Dies Programm enthält somit die offene Empörung, den reinen Convent, die rothe Republik! Wird die Kammer, wird das Land dazu schweigen? Wir fordern sofort die Anklage der genannten Hochverräther. Die gestrige Sitzung der zweiten Kammer hat gezeigt, was das Land von dieser Kammer zu erwarten hat. Die Linke hat sich darin wiederum betragen, wie die gemeinsten Gassenbuben. Die meisten Mitglieder der Rechten, wie erbärmliche Feiglinge und Verräther an ihren Mandanten! Würde die Rechte der Kammer ihre Pflicht erfüllen, so könnte die Brutalität der Linken nicht wagen, ihr Haupt so frech und schamlos zu erheben. Diese Rechte aber wagt nicht einmal, eines ihrer Mitglieder vor dem schmachvollen Terrorismus jener Rotte von Gassenbuben zu schützen und duldet es, daß ein notorischer Hochverräther und eidbrüchiger Beamter sich erfrecht, einem Ehrenmanne das Recht der Rede zu verweigern, und zu sagen, daß jener die Tribüne entehre, während er und seine Genossen die Schandflecken des Staates sind! Das Land ist müde dieser Balgereien und Schlechtigkeiten, die es um sein Geld und seine Ehre bringen. Wir wollen uns nicht länger von Gassenbuben noch von Feiglingen düpiren lassen, darum fort mit der ganzen faulen Gesellschaft, in der die wenigen Guten untergehen müssen, wie der Waizen unter der Spreu! ‒ Wenn das Vaterland gesunden soll, müssen die Pestbeulen ausgeschnitten werden. Berlin, 25. April 1849. Viele Bürger der Hauptstadt.“

Das Preßgesetz liegt in der Form, in die es von der Kommission gebracht worden, vor uns. Es weicht nur wenig von der ministeriellen Vorlage ab, und ist fast ebenso perfide. Nun, mögen die Herren der Kommission sich an ihren Manteufeleien und belagerungszuständlichen Bestialitätsgelüsten noch eine kleine Weile erlustigen. Aber sie mögen sich sputen, und was sie noch an Infamien vorräthig haben, ans Tageslicht geben. Denn die Stunde der Abrechnung und Vergeltung wird schneller über sie hereinbrechen, als sie vermuthen, und bei dem Donnerruf: „Mein ist die Rache! Ich will vergelten! spricht das Volk,“ werden Manteufel'sche Preßknebelungs- und andere gottbegnadete Pläne ihrem Hirnkasten für immer verleidet und mit einem gründlich-rothen Strich durchkreuzt werden.

Einem amtlichen Nachweis des hiesigen Magistrats über die Operationen der Berliner Sparkasse im Jahre 1848 entnehmen wir folgende Data. Am Schluß des Jahres 1847 betrug das Guthaben der Interessenten bei der Sparkasse 1,239,260 Thaler 23 Sgr. 7 Pfg. Im Jahre 1848 sind theils auf neue Bücher ein-, theils auf alte zugezahlt 453,429 Thlr. 23 Sgr. 8 Pfg. An Zinsen sind den Interessenten theils bei Rücknahme ihrer Einlage gezahlt, theils am Schlusse des Jahres 1848 auf die einzelnen Conto's zugeschrieben 26,602 Thlr. 9 Sgr. 3 Pfg. Macht in allem 1,719,292 Thlr. 26 Sgr. 6 Pfg. Dagegen sind im Laufe des Jahres zurückgezahlt 895,503 Thlr. 13 Sgr., so daß am Schluß des Jahres 1848 das Guthaben der Interessenten bei der Sparkasse 823,789 Thlr. 13 Sgr. 6 Pfg. betrug. Dasselbe hat sich hiernach gegen 1847 vermindert um 415,471 Thlr. 10 Sgr. 1 Pfennig.

Die §§. 1-7 enthalten Formbestimmungen, daß der Name des Druckers etc. genannt sein muß. ‒ §. 8 wie im Regierungsentwurf, wonach für den Inhalt Alle, vom Verfasser bis zum fliegenden Buchhändler herab, verantwortlich sind, wenn der Vordermann nicht vom Arm des Gesetzes erreicht werden kann. ‒ §. 9. Oeffentliche Aufforderung zu Verbrechen, ohne Erfolg: 100 Thlr. oder sechs Monate. ‒ (§. 10 des Entwurfs fällt weg.) §. 10. Angriffe auf Staatseinrichtungen mittelst Lüge und Entstellung, um Haß und Verachtung zu verbreiten (Erregung von Mißvergnügen) bis zu 1 Jahr. ‒ §. 11. Ehrfurchtverletzung gegen König und König und Königin: 2 Monat - 5 Jahr; gegen Thronfolger oder Regent bis zu 2 Jahr. ‒ §. 12. Beleidigung von Beamten im Beruf: bis 6 Monat; Verläumdung bis 15 Monat; an öffentlichen Orten, durch Schriften etc. bis zu 2 Jahr. ‒ §. 13. Verletzung guter Sitten: bis zu 100 Thlr. oder 1 Jahr. ‒ §. 14. Definition von Verläumdung. ‒ §. 15. über den Beweis der Wahrheit. ‒ §. 16. Beleidigende Absicht bei wahren Thatsachen. ‒ §§. 17 und 18. Einfache Verläumdung bis 1 Jahr; öffentliche bis zu 18 Monaten; unter mildernden Umständen: Geldstrafe bis zu 300 Thlr. ‒ §. 19. Privatbeleidigungen nach den gewöhnlichen Gesetzen. ‒ §. 20. Das Urtheil gegen Verläumder oder Beleidiger wird veröffentlicht. ‒ §. 21. Befugniß, Druckschriften mit Beschlag zu belegen, 24 Stunden nachher muß die gerichtliche Verfolgung beantragt werden; Schadenersatz. ‒ §. 22. Bei strafbaren Schriften Vernichtung mit Platten und Formen. ‒ §. 23. Die §§. 9-11 gehören zur Kompetenz der Schwurgerichte. Bei den §§. 12-19 verbleibt es bei §. 3 der Verordnung vom 5. April 1848 über das Verfahren bei Preß- und politischen Prozessen in der Rheinprovinz. ‒ §. 24. Alle entgegenstehenden Gesetze sind hiermit aufgehoben.

Seit längerer Zeit schon wurden hier die Soldaten den ganzen Tag in der Kaserne festgehalten und ihnen gesagt, man erwarte eine Emeute, zu deren Dämpfung sie bereit sein müßten. Es ist ein treffliches Mittel, um die Soldaten zur Wuth zu reizen, ein Mittel, welches man vor dem 18. März 1848 gebraucht und dadurch die schauderhaften Scenen von Brutalität erreicht hat, an welchen die Geschichte jener wenigen Märztage so reich ist. ‒ Besondere Vorsichtsmaßregeln hatte man am grünen Donnerstag getroffen, als in der zweiten Kammer die deutsche Frage behandelt wurde. Jedoch ist auch in die Kasernen schon mancher Lichtstrahl gefallen, selbst in der des Königsregiments, welches fast ganz aus Pommern besteht, wagte man, sich über diese strenge Maßregel zu beklagen. „Denkt Euch Kinder“, sagte ein Unteroffizier, „in der Kammer wollen sie heute den Belagerungszustand aufheben und unser Ministerium stürzen, unser gutes Ministerium, das uns alle gerettet hat, und das wollen wir nicht leiden.“ ‒ Der Soldat H. (wir waren ermächtigt, den Namen zu nennen, der arme freimüthige Soldat hat aber seine Dienstzeit noch nicht überstanden) erwiderte in seinem Dialekt: „Na, die dat Ministerium noch loben, dat möten (müssen) Dickköpfe sind!“ Auf diese Aeußerung wurde der unloyale Soldat natürlich sogleich zur Untersuchung gezogen. Er ist wegen Insubordination zu einer Strafe verurtheilt, weil der Unteroffizier es besser verstehen müsse, ob das Ministerium gut sei, als der gemeine Soldat.

Aus den Gefängnissen der Kasernen dringen selten dergleichen Lebenszeichen zu uns, mit eiserner Hand wird jede freie Regung unterdrückt. Alle schlechten Leidenschaften benutzt man, um nur das Gift der Politik fern zu halten. Was früher als Kapitalverbrechen galt, daß betrunkene Soldaten singend durch die Straßen ziehen, wir sehen es jetzt täglich; in der Nachgiebigkeit gegen Exzesse besteht die Errungenschaft des Heeres, das ist seine moderne Volksthümlichkeit. Aber sie werden es doch nicht hindern. Innerhalb der Kasernenmauern gährt es dumpf, auch der Boden ist schon „unterwühlt“.

* Berlin, 26. April.

Sitzung der zweiten Kammer.

Auf die schon vor acht Tagen angekündigte Interpellation des Abgeordneten Bleibtreu wegen Versetzung der bestraften Garde-Landwehrmänner in die Provinziallandwehr antwortet der Kriegsminister Strotha, daß bereits eine Verfügung erlassen sei, wonach künftig die bestraften Garde-Landwehrmänner in eine besondere Strafsektion bei ihren bisherigen Regimentern bleiben sollen.

Hierauf wird die Debatte über den Belagerungszustand fortgesetzt.

Keller spricht gegen den Kommissionsantrag und meint, daß es auch einen Absolutismus der Demokratie gäbe. Er und seine Freunde wollen auch den Belagerungszustand so bald wie möglich beendet wissen, aber nicht fruher wie als Gesetz, welches Versammlungen unter freiem Himmel im zweimeiligen Umkreis vom Sitz der Volksvertretung verbietet, Gesetzeskraft erlangt hat. Und um zu zeigen, wie ehrlich wir es hiermit meinen, haben wir bereits einen dringlichen Antrag auf sofortige Emanirung dieses Gesetzes erlassen.

Jacoby: Wenn uns eine Anklage gegen das Ministerium vorläge, so müßten wir darüber berathen, ob die Novemberereignisse das Ministerium berechtigten, den Belagerungszustand zu verhängen. Diese Frage liegt aber nicht vor, sonden nur der Antrag auf Aufhebung des Belagerungszustandes. Um zu beweisen, daß derselbe nicht fortbestehen dürfe, habe ich nicht nöthig, auf frühere Thatsachen zurückzukommen. Eine Thatsache jedoch kann ich der Geschichte und dem Lande nicht vorenthalten, welche beweisen mag, daß man nicht erst im November an die Verhängung des Belagerungszustandes dachte und daß die Ereignisse im Oktober nicht allein die Ursache dazu waren. Im Anfang des Monats September, gleich nach Abschluß des Waffenstillstandes von Malmoe, wurde das damalige Ministerium Auerswald-Hansemann nach Schloß Bellevue zu einem Ministerrath vom Könige berufen, in welchem die Frage vorgelegt wurde, welche Schritte gegen die National-Versammlung gethan werden dürfen, die nothwendig zur Auflösung derselben führen mussen. Das Ministerium ging auf solche Vorschläge ein. Die Entschließung der Krone wurde daher noch vertagt. (Allgemeine Sensation.)

Meine Herren! Es wäre an dem Ministerium gewesen, uns Gründe für die Fortdauer des Belagerungszustandes anzugeben. Sie sollen enthalten sein in der bekannten Denkschrift. Diese hat nur einen Grund angeführt, den einer zukünftigen möglichen Revolution und der ist nicht haltbar. Der Minister hat ferner zur Begründung der Fortdauer des Belagerungszustandes angeführt: 1. einen Brief Dowiats vom 26. Febr. v. J. aus New-York; 2. eine Adresse von Deutschen in Nordamerika; 3. den demokratische Kongreß; 4. den Märzverein zu Frankfurt; 5. sieben Granaten, welche man mit Beschlag belegt hat; 6. eine Kiste mit Papieren, welche dem Abg. D'Ester gehören, endlich 7. Petitionen für das Einkammersystem etc. Das sind die Gründe, deshalb soll der Belagerungszustand noch länger auf Berlin lasten, deshalb soll diese Stadt der Willkürherrschaft eines Mannes noch länger unterworfen bleiben, der als Feldherr recht tüchtig sein mag, aber für die Leitung der öffentlichen Angelegenheiten gänzlich unfähig ist.

Meine Herren! Wir wissen, unser Beschluß wird keinen Erfolg haben. Das Ministerium wird, wie die deutsche Frage zeigt, sich nicht daran kehren. Das kann uns nicht hindern, deshalb davon abzustehen. Das Land muß wissen, wie das Ministerium die Volksvertretung achtet. Mag seine Stirn noch so voll Trotz sein, endlich muß es doch dem allgemeinen Unwillen weichen. (Beifall).

Minister Manteuffel: Der Mann, welchem die Führung der Angelegenheiten Berlins übertragen wurde, ist dafur unfähig genannt worden. Ich war jüngst in einer Gesellschaft von Bürgern, wo man mich versicherte, General Wrangel sei der populärste Mann in Berlin. Ich lege zwar kein Gewicht auf die Popularität, aber wer sie besitzt, kann nicht unfähig genannt werden. … Auf den letzten Satz des Redners muß ich erwidern, daß wir die Absicht haben, ehrlich, constitutionell zu regieren, aber freilich niemals mit dem Lindenclub.

Vincke zur Geschäftsordnung: Der vorletzte Redner (Jacoby) hat von Entschließungen der Krone gesprochen. Das ist unconstitutionell und hätte vom Präsidenten gerügt werden müssen.

Grabow: Ich würde das gethan haben, wenn sich Herr v. Vincke nicht schon zum Worte gemeldet hätte Ich glaubte das abwarten zu müssen

Jacoby: Ich habe nur eine einfache Thatsache vorgetragen, ich glaube, ich war sowohl verpflichtet als berechtigt dazu. Ich bemerke übrigens, daß wir ja im vorigen Jahre, wie der Herr Minister selbst gesagt hat, noch nicht in einem constitutionellen Staate lebten. Auch heute sind wir noch nicht aus dem Absolutismus herausgekommen, da die Rechtsgultigkeit der Verfassung von einer großen Partei in diesem Hause noch nicht anerkannt worden.

Vincke: Das sei noch unconstitutioneller; man müsse sich stets der Majorität fügen.

Griesheim gegen den Kommissionsantrag.

Pape (Warburg) für denselben.

Justizminister Simons vertheidigt die von ihm ausgesprochenen Ansichten, welche der letzte Redner angegriffen hatte.

Graf Arnim spricht in längerer Rede gegen den Kommissionsantrag. Er sucht das Benehmen des General Wrangels und des Ministeriums unter den Beifall seiner Partei zu rechtfertigen.

Der Schluß der Debatte wird hierauf von der Majorität beliebt und es folgen die durch die Enthüllungen des Ministers hervorgerufenen persönlichen Bemerkungen.

Schramm: Der Herr Minister hat auch mich in seinen Enthüllungen genannt, ich will selbst dem Ministerium neue Eröffnungen machen. Er liest die gestern unter den Abgeordneten vertheilte Schmähschrift vor (von uns wörtlich mitgetheilt.) Da hat ja der Herr Minister neue Gründe für die Beibehaltung des Belagerungszustandes.

D'Ester: Man hat eine Kiste mit meinen Papieren eine Rolle spielen lassen, daß man sie sehr wichtig halten muß, ja diese Papiere waren sehr, sehr gefährlich, es waren die stenographischen Berichte der Nationalversammlungen von Berlin und Frankfurt. Auf die vom Herrn Minister vorgelesene Rede, welche ich im demokratischen Congreß gehalten haben soll, komme ich nur deshalb zurück, um mich meinen Wählern gegenüber, welche mich zur National-Versammlung gewählt haben, zu rechtfertigen. Der Herr Minister hat diese Rede in einer erbärmlichen Verfälschung vorgelesen. Ich habe auf dem Congreß gerade das Gegentheil gesprochen. Meine übrige Wirksamkeit liegt dem Lande vor, es mag über mich urtheilen.

Kinkel: Man hat auch die Rede vorgebracht, welche ich auf dem demokratischen Congreß gehalten. Ja, meine Herren! der demokratische Verein in Bonn hat sich unter dem Donner der Junischlacht für die demokratische Republik ausgesprochen. Er hat sie für die in Deutschland einzig mögliche Staatsform erklärt. Ob wir Recht, ob Unrecht hatten, das wird auf dieser Tribüne nicht entschieden werden.

Jung: Natürlich bin auch ich in das Gewebe des Herrn Ministers verwickelt worden. Ich muß darauf hinweisen, daß man unbeglaubigte Zeugnisse vorgebracht hat, um damit seine Maßregeln zu rechtfertigen.

Reuter (Berlin) erzählt die Vorgänge in der Nacht vom 11.-12. November. Die Haare des Herrn Ministers würden sich nicht gesträubt haben, wenn er sich dabei befunden und die Ansichten der Bürgerwehrmajore gehört hätte, er würde sich vielmehr vergnügt die Hände gerieben haben. Im Laufe seiner Rede, in der er die Minister scharf geißelt, wird er verschiedene Male zur Ordnung gerufen.

Berends erklärt ebenfalls das gegen ihn Vorgebrachte für elende Verdächtigungen.

Wollheim desgleichen; gerade einer seiner Freunde habe das ihn betreffende Zeugniß vorgebracht, wohlweislich habe man aber das Wichtigste verschwiegen.

Wesendonk; Herr v. Griesheim hat die Schuld der edlen Opfer des 18. September in Frankfurt, den Rednern der Pfingstweide zugeschoben. Ich, einer dieser Redner, muß das als eine elende Verdächtigung zurückweisen. Unsere Reden liegen gedruckt vor, die Verantwortlichkeit jener Excesse hat aber die Majorität der Frankfurter National-Versammlung und die Centralgewalt durch ihre volksfeindlichen Beschlüsse zu tragen.

Jacobi: Ebensowenig wie die Majorität schwarz in weiß verwandeln kann, ist es ihr möglich, die Rechtsgültigkeit einer Verfassung zu beschließen, welche die wichtigsten Bestimmungen noch nicht enthält und noch nicht beschworen ist.

Dierschke erregt allgemeine Heiterkeit.

Merckel übergibt eine Petition, welche sich für die Aufhebung des Belagerungszustandes erklärt.

Graf Poninski (Löwenberg) entblödet sich nicht zu erkläben, daß diese Petition mit falschen Unterschriften versehen sei.

Waldeck (als Antragsteller): Als wir unsern Antrag stellten gingen wir 1. von der Ansicht aus, die Kammer auf die Höhe zu erheben, welche sie nach unserer Meinung bedarf, um ihre Wirksamkeit mit Würde beginnen zu können; 2. weil zu einem gedeihlichen Zustande gehört, daß dies Ministerium mit dem System gestürzt werde. Es ist gesagt worden, es würden alle unsere Beschlüsse nichts helfen, man werde sich ministerieller Seits nicht daran kehren. Das darf kein Grund sein uns in unserer Wirksamkeit zu hindern. ‒ Es klingt schon wie eine alte Sage, daß die Verhängung des Belagerungszustandes eine rettende That gewesen sei für Ordnung und Gesetz Es giebt Niemand der es noch glaubt. Um die Auflösung der Nat. Vers. durchzusetzen hat man den Belagerungszustand verhängt. Man wollte aber diese Nat. Vers. nicht mehr, weil sie fleißig und treu an der Durchführung der demokratischen Staatsformen arbeitete. Einst wird die Geschichte über sie urtheilen und sie des meisten Lobes für würdig halten. ‒ M. H.! Möchten Sie dem Volke durch die Annahme meines Antrages ein Vertrauens-, dem Ministerium ein Mißtrauensvotum ertheilen; möchten Sie alsdann auf einem so würdigen Wege fortschreiten und dem Volke energische Gesetze geben, unter denen es sich frei bewegen kann. Möchten Sie endlich wo möglich auch eine Verfassung schaffen, welche diesen Anforderungen nicht widerspricht. (Beifall.)

Buchner als Referent. Wir können aus seiner überaus glänzenden und klaren Rede leider nur wenige Bruchstücke geben. Mit geistvoller Beredsamkeit wandte er sich gegen alle Gegner des Waldeckschen Antrages und wußte einem Jeden wenigstens einige Pfeile seines Witzes zuzuwerfen. ‒ Die wichtigste und interessanteste Enthüllung des Herrn Ministers ist wohl die gewesen, daß Preußen vor dem 5. Dez. kein constitutioneller Staat war. Hat doch Hr Graf Schwerin im März selbst erklärt er sei ein verantwortlicher Minister und das Ministerium Camphausen übernahm alle Verantwortlichkeit für die Reden des Königs, und die Ministerverantwortlichkeit ist meiner Ansicht nach, eines der wichtigsten constitutionellen Rechte. ‒ Der Justizminister hat Anhaltspunkte in andern Gesetzgebungen gesucht ‒ ich muß freilich den bedauern der sich daran klammern will ‒ er hat auf den Belagerungszustand in Paris nach dem Aufruhr bei Lamarques Begräbniß hingewiesen er hat vergessen, daß der Cassationshof den Ausnahmezustand für ungültig erklärte. In England würde man Minister, welche Aehnliches wagten wie die unsern, nicht in den Tower, sondern nach Bedlam schicken. ‒ Das Recht der Revolution hat das Volk, wenn die gesetzlichen Wege ihm verschlossen sind, aber wo ist das contrerevolutionäre Recht einer Regierung aus dem Volke gegen das Volk? ‒ Das Ministerium vertröstete uns mit seiner Rechenschaftsablegung immer auf diese Debatte; wo sind nun die Gründe seiner Handlungen? Es weiß nicht, daß die constitutionellen Rechte, daß die Autorität eines Blackstone das Widerstandsrecht der Bürger heiligt. ‒ Er erklärt sich gegen alle Amendements.

Großer Beifall.)

Um die Fragestellung entsteht großer Lärm und wird viel gesprochen. Endlich kommt man zur Abstimmung. Das Amendement Aldenhofen (Rechte) wird mit 178 gegen 159 Stimmen verworfen. Das Amendement Wentzel (Centrum) wird mit 168 gegen 165 Stimmen verworfen.

Das Amendement Unruh: „Die Kammer wolle erklären,

1) „daß die Fortdauer des Belagerungszustandes ohne Zustimmung der Kammer ungesetzlich ist;

2) daß die Kammer diese Zustimmung zur Fortdauer nicht ertheilt.“ wird mit 184 gegen 139 Stimmen angenommen. Grabow stimmte mit der Linken für dies Amendement, das Centrum stimmt nicht.

Hierauf kommt der letzte Theil des Unruhschen Amendements gleichlautend mit dem Antrage:

„Das Ministerium aufzufordern: den am 12. Nov. über Berlin und dessen 2meiligen Umkreis verhängten Belagerungszustand sofort aufzuheben,“

wird mit 177 gegen 153 Stimmen angenommen.

(Schluß der Sitzung.)

X Breslau, 24. April.

Auf das jüngste Schreiben des Frankfurter „Märzbier-Vereins“ hat der hiesige demokratische Verein folgende Antwort angenommen und abgesandt:

„Bürger!

Ihr empfehlt uns am Ende Eures Schreibens vom 8. April wohl zu bedenken, „daß die Freiheit in den Einzelstaaten dann am schwersten gefährdet ist, wenn die Regierungen siegreich aus dem Kampfe gegen die Freiheit des Gesammtstaates hervorgehen sollten.“ Wir haben diesen Satz in unseren Berathungen wohl erwogen, wir müssen jedoch gestehen, wenn wir diesen Satz, im Allgemeinen genommen, auch als wahr anerkannt haben, so drängte sich uns die Ueberzeugung auf, daß wir trotz des deutschen Parlaments noch keinen Gesammtstaat besitzen, sondern daß derselbe erst geschaffen werden soll.

Allerdings wissen wir auch, daß die Verfassung des erst zu gründenden Gesammtstaates eine freie sein muß, damit die Freiheit des Einzelstaates garantirt sei; wir wissen aber noch bestimmter, daß der Gesammtstaat sowohl als auch dessen Freiheit schon längst gegründet und gesichert wäre, wenn Ihr, Vertreter des deutschen Volkes, damit Euer Werk begonnen hättet, die Freiheit den verschiedenen deutschen Volksstämmen zu geben. Hättet Ihr im Anfange Eurer Thätigkeit diese Pflicht erfüllt, gewiß würden jetzt die freien deutschen Volksstämme für ganz Deutschland und Euch einstehen und Ihr brauchtet nicht ‒ ‒ mit den Fürsten zu unterhandeln.

Hätte jene Koalition, die jetzt die Verfassung und das Kaiserreich beschlossen hat, damals sich thatkräftig und lebensfähig gezeigt, als Wien bombardirt wurde, als Preußens König die Volksvertreter auseinander jagte, Ihr hättet jetzt Millionen Arme gefunden, die Euren Willen durchgesetzt hätten. Damals jedoch, als diese beiden Stämme von Euch, Vertreter des deutschen Volkes, Hülfe und Rettung verlangten, damals gingt Ihr zur Tagesordnung über; Ihr mußtet ja ‒ ‒ die Verfassung berathen.

Die Majorität des deutschen Parlaments, die diese beiden Thaten geschehen ließ und zur Tagesordnung überging, hat jetzt die Verfassung beschlossen und verlangt, das deutsche Volk solle dieselbe mit „Vertrauen“ annehmen, damit seine „Freiheit garantirt werde.“

Wir wollen absehen von dem Inhalte der Verfassung, wir wollen absehen von dem Kaiserthum, das wir übrigens mit Entrüstung von uns weisen, weil durch jeden erblichen Fürsten die Volkssouveränetät verrathen wird, wir wollen absehen selbst davon, daß dieser Verrath ausgeübt wurde von Männern, die nur kraft der Volkssouveränetät in Frankfurt sitzen und die dieselbe schon als einzige Basis eines Staates anerkannt haben: wir wollen nur das Eine betrachten, daß die Ausübung der Verfassung, „welche die Freiheit garantiren soll,“ einem Fürsten angeboten wurde, der die Volksvertreter seines Landes vertrieb.

Wahrlich dieser eine Punkt belehrt gewiß jeden darüber, was für Freiheiten die jetzige Majorität des deutschen Parlaments dem deutschen Volke geben will; es ist die Freiheit der Bajonette und Kanonen, es ist die Freiheit eines Wrangel, eines Hinkeldey.

Wir müssen es endlich als einen Spott und Hohn bezeichnen,

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Wähler wahrlich ausgezeichnet. Daß er durch ein erbärmliches, schwankendes Benehmen in den Hafen der Ministerialgunst einlaufen will, wir tadeln es nicht, es mag seiner Persönlichkeit eigenthümlich sein. Aber durch den Schein der Demokratie noch andere Abgeordneten bewegen gegen die Linke zu stimmen, geht weiter. Die Mißtrauensvoten seiner Wahlmänner werden ihm in kurzer Zeit beweisen, wie man in seinem Kreise solche Apostasie beurtheilt. Gestern stimmte er mit folgendenden Abg. gegen die Linke: Dane, v. Möller (Minden), Olawski, Pape (Marburg), Freund, Piper, Preuß, Sperling. Wir machen die Wähler dieser Herren darauf aufmerksam, wie schlecht ihre Hoffnungen erfüllt werden.</p>
          <p>Hr. v. Bismark beabsichtigt in den nächsten Tagen eine Volksversammlung zu halten, weil er die demokratischen Einwirkungen nur allzusehr fürchtet. Man ist in der Churstadt mit den absolutistischen Gesinnungen des ehrenwerthen Havelländers denn doch nicht so ganz zufrieden.</p>
          <p>An eine Anzahl Abgeordneter ist folgende Zuschrift heute Nachmittag per Post zugesandt und auch in der Kammer vertheilt worden. Wir geben dieselbe der Kuriosität wegen. Wir wissen übrigens, daß die Partei der Neuen Preuß. Zeitung dies Aktenstück vertheilt hat; die so eben ausgegebene Nummer dieser Zeitung ist von dieser Vertheilung schon unterrichtet und bringt in ihrem Feuilleton das Programm.</p>
          <p>&#x201E;An die Herren der zweiten Kammer. Eine äußerste rothe Fraktion der Linken hat in diesen Tagen folgendes Programm für ihre Thätigkeit aufgestellt:</p>
          <p>1) Die höchste Gewalt im Staat geht vom souverainen Volk aus.<lb/>
2) Wir stützen unsere Berechtigung auf die Barrikaden vom 18. und 19. März in Berlin und werden darauf fortbauen.<lb/>
3) Einem einigen Deutschland schließen wir uns nur in so weit an, daß Eine Kammer besteht und aus dieser eine Kommission von 3 Personen gewählt wird, welche die oberste Behörde im Staat bildet.<lb/>
4) Wir erstreben eine große polnische Republik.<lb/>
5) Alle diejenigen, welche sich an der Contrerevolution betheiligt haben, sind der Volksbestrafung Preis gegeben.</p>
          <p>Dies Programm ist unterzeichnet von den Abgeordneten Kinkel, D'Ester, Schneider (Köln), Grün, Schramm (Langensalza), Jung, Caspari, Lisiecki, Lipski und mehreren Anderen. Dies Programm enthält somit die offene Empörung, den reinen Convent, die rothe Republik! Wird die Kammer, wird das Land dazu schweigen? Wir fordern sofort die Anklage der genannten Hochverräther. Die gestrige Sitzung der zweiten Kammer hat gezeigt, was das Land von dieser Kammer zu erwarten hat. Die Linke hat sich darin wiederum betragen, wie die gemeinsten Gassenbuben. Die meisten Mitglieder der Rechten, wie erbärmliche Feiglinge und Verräther an ihren Mandanten! Würde die Rechte der Kammer ihre Pflicht erfüllen, so könnte die Brutalität der Linken nicht wagen, ihr Haupt so frech und schamlos zu erheben. Diese Rechte aber wagt nicht einmal, eines ihrer Mitglieder vor dem schmachvollen Terrorismus jener Rotte von Gassenbuben zu schützen und duldet es, daß ein notorischer Hochverräther und eidbrüchiger Beamter sich erfrecht, einem Ehrenmanne das Recht der Rede zu verweigern, und zu sagen, daß jener die Tribüne entehre, während er und seine Genossen die Schandflecken des Staates sind! Das Land ist müde dieser Balgereien und Schlechtigkeiten, die es um sein Geld und seine Ehre bringen. Wir wollen uns nicht länger von Gassenbuben noch von Feiglingen düpiren lassen, darum fort mit der ganzen faulen Gesellschaft, in der die wenigen Guten untergehen müssen, wie der Waizen unter der Spreu! &#x2012; Wenn das Vaterland gesunden soll, müssen die Pestbeulen ausgeschnitten werden. Berlin, 25. April 1849. Viele Bürger der Hauptstadt.&#x201C;</p>
          <p>Das <hi rendition="#g">Preßgesetz</hi> liegt in der Form, in die es von der Kommission gebracht worden, vor uns. Es weicht nur wenig von der ministeriellen Vorlage ab, und ist fast ebenso perfide. Nun, mögen die Herren der Kommission sich an ihren Manteufeleien und belagerungszuständlichen Bestialitätsgelüsten noch eine kleine Weile erlustigen. Aber sie mögen sich sputen, und was sie noch an Infamien vorräthig haben, ans Tageslicht geben. Denn die Stunde der Abrechnung und Vergeltung wird schneller über sie hereinbrechen, als sie vermuthen, und bei dem Donnerruf: &#x201E;<hi rendition="#b">Mein</hi> ist die Rache! <hi rendition="#b">Ich</hi> will vergelten! spricht das Volk,&#x201C; werden Manteufel'sche Preßknebelungs- und andere gottbegnadete Pläne ihrem Hirnkasten für immer verleidet und mit einem gründlich-<hi rendition="#b">rothen</hi> Strich durchkreuzt werden.</p>
          <p>Einem amtlichen Nachweis des hiesigen Magistrats über die Operationen der Berliner Sparkasse im Jahre 1848 entnehmen wir folgende Data. Am Schluß des Jahres 1847 betrug das Guthaben der Interessenten bei der Sparkasse 1,239,260 Thaler 23 Sgr. 7 Pfg. Im Jahre 1848 sind theils auf neue Bücher ein-, theils auf alte zugezahlt 453,429 Thlr. 23 Sgr. 8 Pfg. An Zinsen sind den Interessenten theils bei Rücknahme ihrer Einlage gezahlt, theils am Schlusse des Jahres 1848 auf die einzelnen Conto's zugeschrieben 26,602 Thlr. 9 Sgr. 3 Pfg. Macht in allem 1,719,292 Thlr. 26 Sgr. 6 Pfg. Dagegen sind im Laufe des Jahres zurückgezahlt 895,503 Thlr. 13 Sgr., so daß am Schluß des Jahres 1848 das Guthaben der Interessenten bei der Sparkasse 823,789 Thlr. 13 Sgr. 6 Pfg. betrug. Dasselbe hat sich hiernach gegen 1847 <hi rendition="#g">vermindert</hi> um 415,471 Thlr. 10 Sgr. 1 Pfennig.</p>
          <p>Die §§. 1-7 enthalten Formbestimmungen, daß der Name des Druckers etc. genannt sein muß. &#x2012; §. 8 wie im Regierungsentwurf, wonach für den Inhalt Alle, vom Verfasser bis zum fliegenden Buchhändler herab, verantwortlich sind, wenn der Vordermann nicht vom Arm des Gesetzes erreicht werden kann. &#x2012; §. 9. Oeffentliche Aufforderung zu Verbrechen, ohne Erfolg: 100 Thlr. oder sechs Monate. &#x2012; (§. 10 des Entwurfs fällt weg.) §. 10. Angriffe auf Staatseinrichtungen mittelst Lüge und Entstellung, um Haß und Verachtung zu verbreiten (Erregung von Mißvergnügen) bis zu 1 Jahr. &#x2012; §. 11. Ehrfurchtverletzung gegen König und König und Königin: 2 Monat - 5 Jahr; gegen Thronfolger oder Regent bis zu 2 Jahr. &#x2012; §. 12. Beleidigung von Beamten im Beruf: bis 6 Monat; Verläumdung bis 15 Monat; an öffentlichen Orten, durch Schriften etc. bis zu 2 Jahr. &#x2012; §. 13. Verletzung guter Sitten: bis zu 100 Thlr. oder 1 Jahr. &#x2012; §. 14. Definition von Verläumdung. &#x2012; §. 15. über den Beweis der Wahrheit. &#x2012; §. 16. Beleidigende Absicht bei wahren Thatsachen. &#x2012; §§. 17 und 18. Einfache Verläumdung bis 1 Jahr; öffentliche bis zu 18 Monaten; unter mildernden Umständen: Geldstrafe bis zu 300 Thlr. &#x2012; §. 19. Privatbeleidigungen nach den gewöhnlichen Gesetzen. &#x2012; §. 20. Das Urtheil gegen Verläumder oder Beleidiger wird veröffentlicht. &#x2012; §. 21. Befugniß, Druckschriften mit Beschlag zu belegen, 24 Stunden nachher muß die gerichtliche Verfolgung beantragt werden; Schadenersatz. &#x2012; §. 22. Bei strafbaren Schriften Vernichtung mit Platten und Formen. &#x2012; §. 23. Die §§. 9-11 gehören zur Kompetenz der Schwurgerichte. Bei den §§. 12-19 verbleibt es bei §. 3 der Verordnung vom 5. April 1848 über das Verfahren bei Preß- und politischen Prozessen in der Rheinprovinz. &#x2012; §. 24. Alle entgegenstehenden Gesetze sind hiermit aufgehoben.</p>
          <p>Seit längerer Zeit schon wurden hier die Soldaten den ganzen Tag in der Kaserne festgehalten und ihnen gesagt, man erwarte eine Emeute, zu deren Dämpfung sie bereit sein müßten. Es ist ein treffliches Mittel, um die Soldaten zur Wuth zu reizen, ein Mittel, welches man vor dem 18. März 1848 gebraucht und dadurch die schauderhaften Scenen von Brutalität erreicht hat, an welchen die Geschichte jener wenigen Märztage so reich ist. &#x2012; Besondere Vorsichtsmaßregeln hatte man am grünen Donnerstag getroffen, als in der zweiten Kammer die deutsche Frage behandelt wurde. Jedoch ist auch in die Kasernen schon mancher Lichtstrahl gefallen, selbst in der des Königsregiments, welches fast ganz aus Pommern besteht, wagte man, sich über diese strenge Maßregel zu beklagen. &#x201E;Denkt Euch Kinder&#x201C;, sagte ein Unteroffizier, &#x201E;in der Kammer wollen sie heute den Belagerungszustand aufheben und unser Ministerium stürzen, unser gutes Ministerium, das uns alle gerettet hat, und das wollen wir nicht leiden.&#x201C; &#x2012; Der Soldat H. (wir waren ermächtigt, den Namen zu nennen, der arme freimüthige Soldat hat aber seine Dienstzeit noch nicht überstanden) erwiderte in seinem Dialekt: &#x201E;Na, die dat Ministerium noch loben, dat möten (müssen) Dickköpfe sind!&#x201C; Auf diese Aeußerung wurde der unloyale Soldat natürlich sogleich zur Untersuchung gezogen. Er ist wegen Insubordination zu einer Strafe verurtheilt, weil der Unteroffizier es besser verstehen müsse, ob das Ministerium gut sei, als der gemeine Soldat.</p>
          <p>Aus den Gefängnissen der Kasernen dringen selten dergleichen Lebenszeichen zu uns, mit eiserner Hand wird jede freie Regung unterdrückt. Alle schlechten Leidenschaften benutzt man, um nur das Gift der Politik fern zu halten. Was früher als Kapitalverbrechen galt, daß betrunkene Soldaten singend durch die Straßen ziehen, wir sehen es jetzt täglich; in der Nachgiebigkeit gegen Exzesse besteht die Errungenschaft des Heeres, das ist seine moderne Volksthümlichkeit. Aber sie werden es doch nicht hindern. Innerhalb der Kasernenmauern gährt es dumpf, auch <hi rendition="#g">der</hi> Boden ist schon &#x201E;unterwühlt&#x201C;.</p>
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          <p>Hierauf wird die Debatte über den Belagerungszustand fortgesetzt.</p>
          <p><hi rendition="#g">Keller</hi> spricht gegen den Kommissionsantrag und meint, daß es auch einen Absolutismus der Demokratie gäbe. Er und seine Freunde wollen auch den Belagerungszustand so bald wie möglich beendet wissen, aber nicht fruher wie als Gesetz, welches Versammlungen unter freiem Himmel im zweimeiligen Umkreis vom Sitz der Volksvertretung verbietet, Gesetzeskraft erlangt hat. Und um zu zeigen, wie ehrlich wir es hiermit meinen, haben wir bereits einen dringlichen Antrag auf sofortige Emanirung dieses Gesetzes erlassen.</p>
          <p><hi rendition="#g">Jacoby:</hi> Wenn uns eine Anklage gegen das Ministerium vorläge, so müßten wir darüber berathen, ob die Novemberereignisse das Ministerium berechtigten, den Belagerungszustand zu verhängen. Diese Frage liegt aber nicht vor, sonden nur der Antrag auf Aufhebung des Belagerungszustandes. Um zu beweisen, daß derselbe nicht fortbestehen dürfe, habe ich nicht nöthig, auf frühere Thatsachen zurückzukommen. Eine Thatsache jedoch kann ich der Geschichte und dem Lande nicht vorenthalten, welche beweisen mag, daß man nicht erst im November an die Verhängung des Belagerungszustandes dachte und daß die Ereignisse im Oktober nicht allein die Ursache dazu waren. Im Anfang des Monats September, gleich nach Abschluß des Waffenstillstandes von Malmoe, wurde das damalige Ministerium Auerswald-Hansemann nach Schloß Bellevue zu einem Ministerrath vom Könige berufen, in welchem die Frage vorgelegt wurde, welche Schritte gegen die National-Versammlung gethan werden dürfen, die nothwendig zur Auflösung derselben führen mussen. Das Ministerium ging auf solche Vorschläge ein. Die Entschließung der Krone wurde daher noch vertagt. (Allgemeine Sensation.)</p>
          <p>Meine Herren! Es wäre an dem Ministerium gewesen, uns Gründe für die Fortdauer des Belagerungszustandes anzugeben. Sie sollen enthalten sein in der bekannten Denkschrift. Diese hat nur einen Grund angeführt, den einer zukünftigen möglichen Revolution und der ist nicht haltbar. Der Minister hat ferner zur Begründung der Fortdauer des Belagerungszustandes angeführt: 1. einen Brief Dowiats vom 26. Febr. v. J. aus New-York; 2. eine Adresse von Deutschen in Nordamerika; 3. den demokratische Kongreß; 4. den Märzverein zu Frankfurt; 5. sieben Granaten, welche man mit Beschlag belegt hat; 6. eine Kiste mit Papieren, welche dem Abg. D'Ester gehören, endlich 7. Petitionen für das Einkammersystem etc. Das sind die Gründe, deshalb soll der Belagerungszustand noch länger auf Berlin lasten, deshalb soll diese Stadt der Willkürherrschaft eines Mannes noch länger unterworfen bleiben, der als Feldherr recht tüchtig sein mag, aber für die Leitung der öffentlichen Angelegenheiten gänzlich unfähig ist.</p>
          <p>Meine Herren! Wir wissen, unser Beschluß wird keinen Erfolg haben. Das Ministerium wird, wie die deutsche Frage zeigt, sich nicht daran kehren. Das kann uns nicht hindern, deshalb davon abzustehen. Das Land muß wissen, wie das Ministerium die Volksvertretung achtet. Mag seine Stirn noch so voll Trotz sein, endlich muß es doch dem allgemeinen Unwillen weichen. (Beifall).</p>
          <p>Minister <hi rendition="#g">Manteuffel:</hi> Der Mann, welchem die Führung der Angelegenheiten Berlins übertragen wurde, ist dafur unfähig genannt worden. Ich war jüngst in einer Gesellschaft von Bürgern, wo man mich versicherte, General Wrangel sei der populärste Mann in Berlin. Ich lege zwar kein Gewicht auf die Popularität, aber wer sie besitzt, kann nicht unfähig genannt werden. &#x2026; Auf den letzten Satz des Redners muß ich erwidern, daß wir die Absicht haben, ehrlich, constitutionell zu regieren, aber freilich niemals mit dem Lindenclub.</p>
          <p><hi rendition="#g">Vincke</hi> zur Geschäftsordnung: Der vorletzte Redner (Jacoby) hat von Entschließungen der Krone gesprochen. Das ist unconstitutionell und hätte vom Präsidenten gerügt werden müssen.</p>
          <p><hi rendition="#g">Grabow:</hi> Ich würde das gethan haben, wenn sich Herr v. Vincke nicht schon zum Worte gemeldet hätte Ich glaubte das abwarten zu müssen</p>
          <p><hi rendition="#g">Jacoby:</hi> Ich habe nur eine einfache Thatsache vorgetragen, ich glaube, ich war sowohl verpflichtet als berechtigt dazu. Ich bemerke übrigens, daß wir ja im vorigen Jahre, wie der Herr Minister selbst gesagt hat, noch nicht in einem constitutionellen Staate lebten. Auch heute sind wir noch nicht aus dem Absolutismus herausgekommen, da die Rechtsgultigkeit der Verfassung von einer großen Partei in diesem Hause noch nicht anerkannt worden.</p>
          <p><hi rendition="#g">Vincke:</hi> Das sei noch unconstitutioneller; man müsse sich stets der Majorität fügen.</p>
          <p><hi rendition="#g">Griesheim</hi> gegen den Kommissionsantrag.</p>
          <p><hi rendition="#g">Pape</hi> (Warburg) für denselben.</p>
          <p>Justizminister <hi rendition="#g">Simons</hi> vertheidigt die von ihm ausgesprochenen Ansichten, welche der letzte Redner angegriffen hatte.</p>
          <p>Graf <hi rendition="#g">Arnim</hi> spricht in längerer Rede gegen den Kommissionsantrag. Er sucht das Benehmen des General Wrangels und des Ministeriums unter den Beifall seiner Partei zu rechtfertigen.</p>
          <p>Der Schluß der Debatte wird hierauf von der Majorität beliebt und es folgen die durch die Enthüllungen des Ministers hervorgerufenen persönlichen Bemerkungen.</p>
          <p><hi rendition="#g">Schramm:</hi> Der Herr Minister hat auch mich in seinen Enthüllungen genannt, ich will selbst dem Ministerium neue Eröffnungen machen. Er liest die gestern unter den Abgeordneten vertheilte Schmähschrift vor (von uns wörtlich mitgetheilt.) Da hat ja der Herr Minister neue Gründe für die Beibehaltung des Belagerungszustandes.</p>
          <p><hi rendition="#g">D'Ester:</hi> Man hat eine Kiste mit meinen Papieren eine Rolle spielen lassen, daß man sie sehr wichtig halten muß, ja diese Papiere waren sehr, sehr gefährlich, es waren die stenographischen Berichte der Nationalversammlungen von Berlin und Frankfurt. Auf die vom Herrn Minister vorgelesene Rede, welche ich im demokratischen Congreß gehalten haben soll, komme ich nur deshalb zurück, um mich meinen Wählern gegenüber, welche mich zur National-Versammlung gewählt haben, zu rechtfertigen. Der Herr Minister hat diese Rede in einer erbärmlichen Verfälschung vorgelesen. Ich habe auf dem Congreß gerade das Gegentheil gesprochen. Meine übrige Wirksamkeit liegt dem Lande vor, es mag über mich urtheilen.</p>
          <p><hi rendition="#g">Kinkel:</hi> Man hat auch die Rede vorgebracht, welche ich auf dem demokratischen Congreß gehalten. Ja, meine Herren! der demokratische Verein in Bonn hat sich unter dem Donner der Junischlacht für die demokratische Republik ausgesprochen. Er hat sie für die in Deutschland einzig mögliche Staatsform erklärt. Ob wir Recht, ob Unrecht hatten, das wird auf dieser Tribüne nicht entschieden werden.</p>
          <p><hi rendition="#g">Jung:</hi> Natürlich bin auch ich in das Gewebe des Herrn Ministers verwickelt worden. Ich muß darauf hinweisen, daß man unbeglaubigte Zeugnisse vorgebracht hat, um damit seine Maßregeln zu rechtfertigen.</p>
          <p><hi rendition="#g">Reuter</hi> (Berlin) erzählt die Vorgänge in der Nacht vom 11.-12. November. Die Haare des Herrn Ministers würden sich nicht gesträubt haben, wenn er sich dabei befunden und die Ansichten der Bürgerwehrmajore gehört hätte, er würde sich vielmehr vergnügt die Hände gerieben haben. Im Laufe seiner Rede, in der er die Minister scharf geißelt, wird er verschiedene Male zur Ordnung gerufen.</p>
          <p><hi rendition="#g">Berends</hi> erklärt ebenfalls das gegen ihn Vorgebrachte für elende Verdächtigungen.</p>
          <p><hi rendition="#g">Wollheim</hi> desgleichen; gerade einer seiner Freunde habe das ihn betreffende Zeugniß vorgebracht, wohlweislich habe man aber das Wichtigste verschwiegen.</p>
          <p><hi rendition="#g">Wesendonk;</hi> Herr v. Griesheim hat die Schuld der edlen Opfer des 18. September in Frankfurt, den Rednern der Pfingstweide zugeschoben. Ich, einer dieser Redner, muß das als eine elende Verdächtigung zurückweisen. Unsere Reden liegen gedruckt vor, die Verantwortlichkeit jener Excesse hat aber die Majorität der Frankfurter National-Versammlung und die Centralgewalt durch ihre volksfeindlichen Beschlüsse zu tragen.</p>
          <p><hi rendition="#g">Jacobi:</hi> Ebensowenig wie die Majorität schwarz in weiß verwandeln kann, ist es ihr möglich, die Rechtsgültigkeit einer Verfassung zu beschließen, welche die wichtigsten Bestimmungen noch nicht enthält und noch nicht beschworen ist.</p>
          <p><hi rendition="#g">Dierschke</hi> erregt allgemeine Heiterkeit.</p>
          <p><hi rendition="#g">Merckel</hi> übergibt eine Petition, welche sich für die Aufhebung des Belagerungszustandes erklärt.</p>
          <p>Graf <hi rendition="#g">Poninski</hi> (Löwenberg) entblödet sich nicht zu erkläben, daß diese Petition mit falschen Unterschriften versehen sei.</p>
          <p><hi rendition="#g">Waldeck</hi> (als Antragsteller): Als wir unsern Antrag stellten gingen wir 1. von der Ansicht aus, die Kammer auf die Höhe zu erheben, welche sie nach unserer Meinung bedarf, um ihre Wirksamkeit mit Würde beginnen zu können; 2. weil zu einem gedeihlichen Zustande gehört, daß dies Ministerium mit dem System gestürzt werde. Es ist gesagt worden, es würden alle unsere Beschlüsse nichts helfen, man werde sich ministerieller Seits nicht daran kehren. Das darf kein Grund sein uns in unserer Wirksamkeit zu hindern. &#x2012; Es klingt schon wie eine alte Sage, daß die Verhängung des Belagerungszustandes eine rettende That gewesen sei für Ordnung und Gesetz Es giebt Niemand der es noch glaubt. Um die Auflösung der Nat. Vers. durchzusetzen hat man den Belagerungszustand verhängt. Man wollte aber diese Nat. Vers. nicht mehr, weil sie fleißig und treu an der Durchführung der demokratischen Staatsformen arbeitete. Einst wird die Geschichte über sie urtheilen und sie des meisten Lobes für würdig halten. &#x2012; M. H.! Möchten Sie dem Volke durch die Annahme meines Antrages ein Vertrauens-, dem Ministerium ein Mißtrauensvotum ertheilen; möchten Sie alsdann auf einem so würdigen Wege fortschreiten und dem Volke energische Gesetze geben, unter denen es sich frei bewegen kann. Möchten Sie endlich wo möglich auch eine Verfassung schaffen, welche diesen Anforderungen nicht widerspricht. (Beifall.)</p>
          <p><hi rendition="#g">Buchner</hi> als Referent. Wir können aus seiner überaus glänzenden und klaren Rede leider nur wenige Bruchstücke geben. Mit geistvoller Beredsamkeit wandte er sich gegen alle Gegner des Waldeckschen Antrages und wußte einem Jeden wenigstens einige Pfeile seines Witzes zuzuwerfen. &#x2012; Die wichtigste und interessanteste Enthüllung des Herrn Ministers ist wohl die gewesen, daß Preußen vor dem 5. Dez. kein constitutioneller Staat war. Hat doch Hr Graf Schwerin im März selbst erklärt er sei ein verantwortlicher Minister und das Ministerium Camphausen übernahm alle Verantwortlichkeit für die Reden des Königs, und die Ministerverantwortlichkeit ist meiner Ansicht nach, eines der wichtigsten constitutionellen Rechte. &#x2012; Der Justizminister hat Anhaltspunkte in andern Gesetzgebungen gesucht &#x2012; ich muß freilich den bedauern der sich daran klammern will &#x2012; er hat auf den Belagerungszustand in Paris nach dem Aufruhr bei Lamarques Begräbniß hingewiesen er hat vergessen, daß der Cassationshof den Ausnahmezustand für ungültig erklärte. In England würde man Minister, welche Aehnliches wagten wie die unsern, nicht in den Tower, sondern nach Bedlam schicken. &#x2012; Das Recht der Revolution hat das Volk, wenn die gesetzlichen Wege ihm verschlossen sind, aber wo ist das contrerevolutionäre Recht einer Regierung aus dem Volke gegen das Volk? &#x2012; Das Ministerium vertröstete uns mit seiner Rechenschaftsablegung immer auf diese Debatte; wo sind nun die Gründe seiner Handlungen? Es weiß nicht, daß die constitutionellen Rechte, daß die Autorität eines Blackstone das Widerstandsrecht der Bürger heiligt. &#x2012; Er erklärt sich gegen alle Amendements.</p>
          <p>Großer Beifall.)</p>
          <p>Um die Fragestellung entsteht großer Lärm und wird viel gesprochen. Endlich kommt man zur Abstimmung. Das Amendement Aldenhofen (Rechte) wird mit 178 gegen 159 Stimmen verworfen. Das Amendement Wentzel (Centrum) wird mit 168 gegen 165 Stimmen verworfen.</p>
          <p>Das Amendement Unruh: &#x201E;Die Kammer wolle erklären,</p>
          <p>1) &#x201E;daß die Fortdauer des Belagerungszustandes ohne Zustimmung der Kammer ungesetzlich ist;</p>
          <p>2) daß die Kammer diese Zustimmung zur Fortdauer nicht ertheilt.&#x201C; wird mit 184 gegen 139 Stimmen angenommen. Grabow stimmte mit der Linken für dies Amendement, das Centrum stimmt nicht.</p>
          <p>Hierauf kommt der letzte Theil des Unruhschen Amendements gleichlautend mit dem Antrage:</p>
          <p>&#x201E;Das Ministerium aufzufordern: den am 12. Nov. über Berlin und dessen 2meiligen Umkreis verhängten Belagerungszustand sofort aufzuheben,&#x201C;</p>
          <p>wird mit 177 gegen 153 Stimmen angenommen.</p>
          <p>(Schluß der Sitzung.)</p>
        </div>
        <div xml:id="ar285-1_006" type="jArticle">
          <head><bibl><author>X</author></bibl> Breslau, 24. April.</head>
          <p>Auf das jüngste Schreiben des Frankfurter &#x201E;Märzbier-Vereins&#x201C; hat der hiesige demokratische Verein folgende Antwort angenommen und abgesandt:</p>
          <p>&#x201E;Bürger!</p>
          <p>Ihr empfehlt uns am Ende Eures Schreibens vom 8. April wohl zu bedenken, &#x201E;daß die Freiheit in den Einzelstaaten dann am schwersten gefährdet ist, wenn die Regierungen siegreich aus dem Kampfe gegen die Freiheit des Gesammtstaates hervorgehen sollten.&#x201C; Wir haben diesen Satz in unseren Berathungen wohl erwogen, wir müssen jedoch gestehen, wenn wir diesen Satz, im Allgemeinen genommen, auch als wahr anerkannt haben, so drängte sich uns die Ueberzeugung auf, daß wir trotz des deutschen Parlaments noch keinen Gesammtstaat besitzen, sondern daß derselbe erst geschaffen werden soll.</p>
          <p>Allerdings wissen wir auch, daß die Verfassung des erst zu gründenden Gesammtstaates eine freie sein muß, damit die Freiheit des Einzelstaates garantirt sei; wir wissen aber noch bestimmter, daß der Gesammtstaat sowohl als auch dessen Freiheit schon längst gegründet und gesichert wäre, wenn Ihr, Vertreter des deutschen Volkes, damit Euer Werk begonnen hättet, die Freiheit den verschiedenen deutschen Volksstämmen zu geben. Hättet Ihr im Anfange Eurer Thätigkeit diese Pflicht erfüllt, gewiß würden jetzt die freien deutschen Volksstämme für ganz Deutschland und Euch einstehen und Ihr brauchtet nicht &#x2012; &#x2012; mit den Fürsten zu unterhandeln.</p>
          <p>Hätte jene Koalition, die jetzt die Verfassung und das Kaiserreich beschlossen hat, damals sich thatkräftig und lebensfähig gezeigt, als Wien bombardirt wurde, als Preußens König die Volksvertreter auseinander jagte, Ihr hättet jetzt Millionen Arme gefunden, die Euren Willen durchgesetzt hätten. Damals jedoch, als diese beiden Stämme von Euch, Vertreter des deutschen Volkes, Hülfe und Rettung verlangten, damals gingt Ihr zur Tagesordnung über; Ihr mußtet ja &#x2012; &#x2012; die Verfassung berathen.</p>
          <p>Die Majorität des deutschen Parlaments, die diese beiden Thaten geschehen ließ und zur Tagesordnung überging, hat jetzt die Verfassung beschlossen und verlangt, das deutsche Volk solle dieselbe mit &#x201E;Vertrauen&#x201C; annehmen, damit seine &#x201E;Freiheit garantirt werde.&#x201C;</p>
          <p>Wir wollen absehen von dem Inhalte der Verfassung, wir wollen absehen von dem Kaiserthum, das wir übrigens mit Entrüstung von uns weisen, weil durch jeden erblichen Fürsten die Volkssouveränetät verrathen wird, wir wollen absehen selbst davon, daß dieser Verrath ausgeübt wurde von Männern, die nur kraft der Volkssouveränetät in Frankfurt sitzen und die dieselbe schon als einzige Basis eines Staates anerkannt haben: wir wollen nur das Eine betrachten, daß die Ausübung der Verfassung, &#x201E;welche die Freiheit garantiren soll,&#x201C; einem Fürsten angeboten wurde, der die Volksvertreter seines Landes vertrieb.</p>
          <p>Wahrlich dieser eine Punkt belehrt gewiß jeden darüber, was für Freiheiten die jetzige Majorität des deutschen Parlaments dem deutschen Volke geben will; es ist die Freiheit der Bajonette und Kanonen, es ist die Freiheit eines Wrangel, eines Hinkeldey.</p>
          <p>Wir müssen es endlich als einen Spott und Hohn bezeichnen,
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[1610/0002] Wähler wahrlich ausgezeichnet. Daß er durch ein erbärmliches, schwankendes Benehmen in den Hafen der Ministerialgunst einlaufen will, wir tadeln es nicht, es mag seiner Persönlichkeit eigenthümlich sein. Aber durch den Schein der Demokratie noch andere Abgeordneten bewegen gegen die Linke zu stimmen, geht weiter. Die Mißtrauensvoten seiner Wahlmänner werden ihm in kurzer Zeit beweisen, wie man in seinem Kreise solche Apostasie beurtheilt. Gestern stimmte er mit folgendenden Abg. gegen die Linke: Dane, v. Möller (Minden), Olawski, Pape (Marburg), Freund, Piper, Preuß, Sperling. Wir machen die Wähler dieser Herren darauf aufmerksam, wie schlecht ihre Hoffnungen erfüllt werden. Hr. v. Bismark beabsichtigt in den nächsten Tagen eine Volksversammlung zu halten, weil er die demokratischen Einwirkungen nur allzusehr fürchtet. Man ist in der Churstadt mit den absolutistischen Gesinnungen des ehrenwerthen Havelländers denn doch nicht so ganz zufrieden. An eine Anzahl Abgeordneter ist folgende Zuschrift heute Nachmittag per Post zugesandt und auch in der Kammer vertheilt worden. Wir geben dieselbe der Kuriosität wegen. Wir wissen übrigens, daß die Partei der Neuen Preuß. Zeitung dies Aktenstück vertheilt hat; die so eben ausgegebene Nummer dieser Zeitung ist von dieser Vertheilung schon unterrichtet und bringt in ihrem Feuilleton das Programm. „An die Herren der zweiten Kammer. Eine äußerste rothe Fraktion der Linken hat in diesen Tagen folgendes Programm für ihre Thätigkeit aufgestellt: 1) Die höchste Gewalt im Staat geht vom souverainen Volk aus. 2) Wir stützen unsere Berechtigung auf die Barrikaden vom 18. und 19. März in Berlin und werden darauf fortbauen. 3) Einem einigen Deutschland schließen wir uns nur in so weit an, daß Eine Kammer besteht und aus dieser eine Kommission von 3 Personen gewählt wird, welche die oberste Behörde im Staat bildet. 4) Wir erstreben eine große polnische Republik. 5) Alle diejenigen, welche sich an der Contrerevolution betheiligt haben, sind der Volksbestrafung Preis gegeben. Dies Programm ist unterzeichnet von den Abgeordneten Kinkel, D'Ester, Schneider (Köln), Grün, Schramm (Langensalza), Jung, Caspari, Lisiecki, Lipski und mehreren Anderen. Dies Programm enthält somit die offene Empörung, den reinen Convent, die rothe Republik! Wird die Kammer, wird das Land dazu schweigen? Wir fordern sofort die Anklage der genannten Hochverräther. Die gestrige Sitzung der zweiten Kammer hat gezeigt, was das Land von dieser Kammer zu erwarten hat. Die Linke hat sich darin wiederum betragen, wie die gemeinsten Gassenbuben. Die meisten Mitglieder der Rechten, wie erbärmliche Feiglinge und Verräther an ihren Mandanten! Würde die Rechte der Kammer ihre Pflicht erfüllen, so könnte die Brutalität der Linken nicht wagen, ihr Haupt so frech und schamlos zu erheben. Diese Rechte aber wagt nicht einmal, eines ihrer Mitglieder vor dem schmachvollen Terrorismus jener Rotte von Gassenbuben zu schützen und duldet es, daß ein notorischer Hochverräther und eidbrüchiger Beamter sich erfrecht, einem Ehrenmanne das Recht der Rede zu verweigern, und zu sagen, daß jener die Tribüne entehre, während er und seine Genossen die Schandflecken des Staates sind! Das Land ist müde dieser Balgereien und Schlechtigkeiten, die es um sein Geld und seine Ehre bringen. Wir wollen uns nicht länger von Gassenbuben noch von Feiglingen düpiren lassen, darum fort mit der ganzen faulen Gesellschaft, in der die wenigen Guten untergehen müssen, wie der Waizen unter der Spreu! ‒ Wenn das Vaterland gesunden soll, müssen die Pestbeulen ausgeschnitten werden. Berlin, 25. April 1849. Viele Bürger der Hauptstadt.“ Das Preßgesetz liegt in der Form, in die es von der Kommission gebracht worden, vor uns. Es weicht nur wenig von der ministeriellen Vorlage ab, und ist fast ebenso perfide. Nun, mögen die Herren der Kommission sich an ihren Manteufeleien und belagerungszuständlichen Bestialitätsgelüsten noch eine kleine Weile erlustigen. Aber sie mögen sich sputen, und was sie noch an Infamien vorräthig haben, ans Tageslicht geben. Denn die Stunde der Abrechnung und Vergeltung wird schneller über sie hereinbrechen, als sie vermuthen, und bei dem Donnerruf: „Mein ist die Rache! Ich will vergelten! spricht das Volk,“ werden Manteufel'sche Preßknebelungs- und andere gottbegnadete Pläne ihrem Hirnkasten für immer verleidet und mit einem gründlich-rothen Strich durchkreuzt werden. Einem amtlichen Nachweis des hiesigen Magistrats über die Operationen der Berliner Sparkasse im Jahre 1848 entnehmen wir folgende Data. Am Schluß des Jahres 1847 betrug das Guthaben der Interessenten bei der Sparkasse 1,239,260 Thaler 23 Sgr. 7 Pfg. Im Jahre 1848 sind theils auf neue Bücher ein-, theils auf alte zugezahlt 453,429 Thlr. 23 Sgr. 8 Pfg. An Zinsen sind den Interessenten theils bei Rücknahme ihrer Einlage gezahlt, theils am Schlusse des Jahres 1848 auf die einzelnen Conto's zugeschrieben 26,602 Thlr. 9 Sgr. 3 Pfg. Macht in allem 1,719,292 Thlr. 26 Sgr. 6 Pfg. Dagegen sind im Laufe des Jahres zurückgezahlt 895,503 Thlr. 13 Sgr., so daß am Schluß des Jahres 1848 das Guthaben der Interessenten bei der Sparkasse 823,789 Thlr. 13 Sgr. 6 Pfg. betrug. Dasselbe hat sich hiernach gegen 1847 vermindert um 415,471 Thlr. 10 Sgr. 1 Pfennig. Die §§. 1-7 enthalten Formbestimmungen, daß der Name des Druckers etc. genannt sein muß. ‒ §. 8 wie im Regierungsentwurf, wonach für den Inhalt Alle, vom Verfasser bis zum fliegenden Buchhändler herab, verantwortlich sind, wenn der Vordermann nicht vom Arm des Gesetzes erreicht werden kann. ‒ §. 9. Oeffentliche Aufforderung zu Verbrechen, ohne Erfolg: 100 Thlr. oder sechs Monate. ‒ (§. 10 des Entwurfs fällt weg.) §. 10. Angriffe auf Staatseinrichtungen mittelst Lüge und Entstellung, um Haß und Verachtung zu verbreiten (Erregung von Mißvergnügen) bis zu 1 Jahr. ‒ §. 11. Ehrfurchtverletzung gegen König und König und Königin: 2 Monat - 5 Jahr; gegen Thronfolger oder Regent bis zu 2 Jahr. ‒ §. 12. Beleidigung von Beamten im Beruf: bis 6 Monat; Verläumdung bis 15 Monat; an öffentlichen Orten, durch Schriften etc. bis zu 2 Jahr. ‒ §. 13. Verletzung guter Sitten: bis zu 100 Thlr. oder 1 Jahr. ‒ §. 14. Definition von Verläumdung. ‒ §. 15. über den Beweis der Wahrheit. ‒ §. 16. Beleidigende Absicht bei wahren Thatsachen. ‒ §§. 17 und 18. Einfache Verläumdung bis 1 Jahr; öffentliche bis zu 18 Monaten; unter mildernden Umständen: Geldstrafe bis zu 300 Thlr. ‒ §. 19. Privatbeleidigungen nach den gewöhnlichen Gesetzen. ‒ §. 20. Das Urtheil gegen Verläumder oder Beleidiger wird veröffentlicht. ‒ §. 21. Befugniß, Druckschriften mit Beschlag zu belegen, 24 Stunden nachher muß die gerichtliche Verfolgung beantragt werden; Schadenersatz. ‒ §. 22. Bei strafbaren Schriften Vernichtung mit Platten und Formen. ‒ §. 23. Die §§. 9-11 gehören zur Kompetenz der Schwurgerichte. Bei den §§. 12-19 verbleibt es bei §. 3 der Verordnung vom 5. April 1848 über das Verfahren bei Preß- und politischen Prozessen in der Rheinprovinz. ‒ §. 24. Alle entgegenstehenden Gesetze sind hiermit aufgehoben. Seit längerer Zeit schon wurden hier die Soldaten den ganzen Tag in der Kaserne festgehalten und ihnen gesagt, man erwarte eine Emeute, zu deren Dämpfung sie bereit sein müßten. Es ist ein treffliches Mittel, um die Soldaten zur Wuth zu reizen, ein Mittel, welches man vor dem 18. März 1848 gebraucht und dadurch die schauderhaften Scenen von Brutalität erreicht hat, an welchen die Geschichte jener wenigen Märztage so reich ist. ‒ Besondere Vorsichtsmaßregeln hatte man am grünen Donnerstag getroffen, als in der zweiten Kammer die deutsche Frage behandelt wurde. Jedoch ist auch in die Kasernen schon mancher Lichtstrahl gefallen, selbst in der des Königsregiments, welches fast ganz aus Pommern besteht, wagte man, sich über diese strenge Maßregel zu beklagen. „Denkt Euch Kinder“, sagte ein Unteroffizier, „in der Kammer wollen sie heute den Belagerungszustand aufheben und unser Ministerium stürzen, unser gutes Ministerium, das uns alle gerettet hat, und das wollen wir nicht leiden.“ ‒ Der Soldat H. (wir waren ermächtigt, den Namen zu nennen, der arme freimüthige Soldat hat aber seine Dienstzeit noch nicht überstanden) erwiderte in seinem Dialekt: „Na, die dat Ministerium noch loben, dat möten (müssen) Dickköpfe sind!“ Auf diese Aeußerung wurde der unloyale Soldat natürlich sogleich zur Untersuchung gezogen. Er ist wegen Insubordination zu einer Strafe verurtheilt, weil der Unteroffizier es besser verstehen müsse, ob das Ministerium gut sei, als der gemeine Soldat. Aus den Gefängnissen der Kasernen dringen selten dergleichen Lebenszeichen zu uns, mit eiserner Hand wird jede freie Regung unterdrückt. Alle schlechten Leidenschaften benutzt man, um nur das Gift der Politik fern zu halten. Was früher als Kapitalverbrechen galt, daß betrunkene Soldaten singend durch die Straßen ziehen, wir sehen es jetzt täglich; in der Nachgiebigkeit gegen Exzesse besteht die Errungenschaft des Heeres, das ist seine moderne Volksthümlichkeit. Aber sie werden es doch nicht hindern. Innerhalb der Kasernenmauern gährt es dumpf, auch der Boden ist schon „unterwühlt“. * Berlin, 26. April. Sitzung der zweiten Kammer. Auf die schon vor acht Tagen angekündigte Interpellation des Abgeordneten Bleibtreu wegen Versetzung der bestraften Garde-Landwehrmänner in die Provinziallandwehr antwortet der Kriegsminister Strotha, daß bereits eine Verfügung erlassen sei, wonach künftig die bestraften Garde-Landwehrmänner in eine besondere Strafsektion bei ihren bisherigen Regimentern bleiben sollen. Hierauf wird die Debatte über den Belagerungszustand fortgesetzt. Keller spricht gegen den Kommissionsantrag und meint, daß es auch einen Absolutismus der Demokratie gäbe. Er und seine Freunde wollen auch den Belagerungszustand so bald wie möglich beendet wissen, aber nicht fruher wie als Gesetz, welches Versammlungen unter freiem Himmel im zweimeiligen Umkreis vom Sitz der Volksvertretung verbietet, Gesetzeskraft erlangt hat. Und um zu zeigen, wie ehrlich wir es hiermit meinen, haben wir bereits einen dringlichen Antrag auf sofortige Emanirung dieses Gesetzes erlassen. Jacoby: Wenn uns eine Anklage gegen das Ministerium vorläge, so müßten wir darüber berathen, ob die Novemberereignisse das Ministerium berechtigten, den Belagerungszustand zu verhängen. Diese Frage liegt aber nicht vor, sonden nur der Antrag auf Aufhebung des Belagerungszustandes. Um zu beweisen, daß derselbe nicht fortbestehen dürfe, habe ich nicht nöthig, auf frühere Thatsachen zurückzukommen. Eine Thatsache jedoch kann ich der Geschichte und dem Lande nicht vorenthalten, welche beweisen mag, daß man nicht erst im November an die Verhängung des Belagerungszustandes dachte und daß die Ereignisse im Oktober nicht allein die Ursache dazu waren. Im Anfang des Monats September, gleich nach Abschluß des Waffenstillstandes von Malmoe, wurde das damalige Ministerium Auerswald-Hansemann nach Schloß Bellevue zu einem Ministerrath vom Könige berufen, in welchem die Frage vorgelegt wurde, welche Schritte gegen die National-Versammlung gethan werden dürfen, die nothwendig zur Auflösung derselben führen mussen. Das Ministerium ging auf solche Vorschläge ein. Die Entschließung der Krone wurde daher noch vertagt. (Allgemeine Sensation.) Meine Herren! Es wäre an dem Ministerium gewesen, uns Gründe für die Fortdauer des Belagerungszustandes anzugeben. Sie sollen enthalten sein in der bekannten Denkschrift. Diese hat nur einen Grund angeführt, den einer zukünftigen möglichen Revolution und der ist nicht haltbar. Der Minister hat ferner zur Begründung der Fortdauer des Belagerungszustandes angeführt: 1. einen Brief Dowiats vom 26. Febr. v. J. aus New-York; 2. eine Adresse von Deutschen in Nordamerika; 3. den demokratische Kongreß; 4. den Märzverein zu Frankfurt; 5. sieben Granaten, welche man mit Beschlag belegt hat; 6. eine Kiste mit Papieren, welche dem Abg. D'Ester gehören, endlich 7. Petitionen für das Einkammersystem etc. Das sind die Gründe, deshalb soll der Belagerungszustand noch länger auf Berlin lasten, deshalb soll diese Stadt der Willkürherrschaft eines Mannes noch länger unterworfen bleiben, der als Feldherr recht tüchtig sein mag, aber für die Leitung der öffentlichen Angelegenheiten gänzlich unfähig ist. Meine Herren! Wir wissen, unser Beschluß wird keinen Erfolg haben. Das Ministerium wird, wie die deutsche Frage zeigt, sich nicht daran kehren. Das kann uns nicht hindern, deshalb davon abzustehen. Das Land muß wissen, wie das Ministerium die Volksvertretung achtet. Mag seine Stirn noch so voll Trotz sein, endlich muß es doch dem allgemeinen Unwillen weichen. (Beifall). Minister Manteuffel: Der Mann, welchem die Führung der Angelegenheiten Berlins übertragen wurde, ist dafur unfähig genannt worden. Ich war jüngst in einer Gesellschaft von Bürgern, wo man mich versicherte, General Wrangel sei der populärste Mann in Berlin. Ich lege zwar kein Gewicht auf die Popularität, aber wer sie besitzt, kann nicht unfähig genannt werden. … Auf den letzten Satz des Redners muß ich erwidern, daß wir die Absicht haben, ehrlich, constitutionell zu regieren, aber freilich niemals mit dem Lindenclub. Vincke zur Geschäftsordnung: Der vorletzte Redner (Jacoby) hat von Entschließungen der Krone gesprochen. Das ist unconstitutionell und hätte vom Präsidenten gerügt werden müssen. Grabow: Ich würde das gethan haben, wenn sich Herr v. Vincke nicht schon zum Worte gemeldet hätte Ich glaubte das abwarten zu müssen Jacoby: Ich habe nur eine einfache Thatsache vorgetragen, ich glaube, ich war sowohl verpflichtet als berechtigt dazu. Ich bemerke übrigens, daß wir ja im vorigen Jahre, wie der Herr Minister selbst gesagt hat, noch nicht in einem constitutionellen Staate lebten. Auch heute sind wir noch nicht aus dem Absolutismus herausgekommen, da die Rechtsgultigkeit der Verfassung von einer großen Partei in diesem Hause noch nicht anerkannt worden. Vincke: Das sei noch unconstitutioneller; man müsse sich stets der Majorität fügen. Griesheim gegen den Kommissionsantrag. Pape (Warburg) für denselben. Justizminister Simons vertheidigt die von ihm ausgesprochenen Ansichten, welche der letzte Redner angegriffen hatte. Graf Arnim spricht in längerer Rede gegen den Kommissionsantrag. Er sucht das Benehmen des General Wrangels und des Ministeriums unter den Beifall seiner Partei zu rechtfertigen. Der Schluß der Debatte wird hierauf von der Majorität beliebt und es folgen die durch die Enthüllungen des Ministers hervorgerufenen persönlichen Bemerkungen. Schramm: Der Herr Minister hat auch mich in seinen Enthüllungen genannt, ich will selbst dem Ministerium neue Eröffnungen machen. Er liest die gestern unter den Abgeordneten vertheilte Schmähschrift vor (von uns wörtlich mitgetheilt.) Da hat ja der Herr Minister neue Gründe für die Beibehaltung des Belagerungszustandes. D'Ester: Man hat eine Kiste mit meinen Papieren eine Rolle spielen lassen, daß man sie sehr wichtig halten muß, ja diese Papiere waren sehr, sehr gefährlich, es waren die stenographischen Berichte der Nationalversammlungen von Berlin und Frankfurt. Auf die vom Herrn Minister vorgelesene Rede, welche ich im demokratischen Congreß gehalten haben soll, komme ich nur deshalb zurück, um mich meinen Wählern gegenüber, welche mich zur National-Versammlung gewählt haben, zu rechtfertigen. Der Herr Minister hat diese Rede in einer erbärmlichen Verfälschung vorgelesen. Ich habe auf dem Congreß gerade das Gegentheil gesprochen. Meine übrige Wirksamkeit liegt dem Lande vor, es mag über mich urtheilen. Kinkel: Man hat auch die Rede vorgebracht, welche ich auf dem demokratischen Congreß gehalten. Ja, meine Herren! der demokratische Verein in Bonn hat sich unter dem Donner der Junischlacht für die demokratische Republik ausgesprochen. Er hat sie für die in Deutschland einzig mögliche Staatsform erklärt. Ob wir Recht, ob Unrecht hatten, das wird auf dieser Tribüne nicht entschieden werden. Jung: Natürlich bin auch ich in das Gewebe des Herrn Ministers verwickelt worden. Ich muß darauf hinweisen, daß man unbeglaubigte Zeugnisse vorgebracht hat, um damit seine Maßregeln zu rechtfertigen. Reuter (Berlin) erzählt die Vorgänge in der Nacht vom 11.-12. November. Die Haare des Herrn Ministers würden sich nicht gesträubt haben, wenn er sich dabei befunden und die Ansichten der Bürgerwehrmajore gehört hätte, er würde sich vielmehr vergnügt die Hände gerieben haben. Im Laufe seiner Rede, in der er die Minister scharf geißelt, wird er verschiedene Male zur Ordnung gerufen. Berends erklärt ebenfalls das gegen ihn Vorgebrachte für elende Verdächtigungen. Wollheim desgleichen; gerade einer seiner Freunde habe das ihn betreffende Zeugniß vorgebracht, wohlweislich habe man aber das Wichtigste verschwiegen. Wesendonk; Herr v. Griesheim hat die Schuld der edlen Opfer des 18. September in Frankfurt, den Rednern der Pfingstweide zugeschoben. Ich, einer dieser Redner, muß das als eine elende Verdächtigung zurückweisen. Unsere Reden liegen gedruckt vor, die Verantwortlichkeit jener Excesse hat aber die Majorität der Frankfurter National-Versammlung und die Centralgewalt durch ihre volksfeindlichen Beschlüsse zu tragen. Jacobi: Ebensowenig wie die Majorität schwarz in weiß verwandeln kann, ist es ihr möglich, die Rechtsgültigkeit einer Verfassung zu beschließen, welche die wichtigsten Bestimmungen noch nicht enthält und noch nicht beschworen ist. Dierschke erregt allgemeine Heiterkeit. Merckel übergibt eine Petition, welche sich für die Aufhebung des Belagerungszustandes erklärt. Graf Poninski (Löwenberg) entblödet sich nicht zu erkläben, daß diese Petition mit falschen Unterschriften versehen sei. Waldeck (als Antragsteller): Als wir unsern Antrag stellten gingen wir 1. von der Ansicht aus, die Kammer auf die Höhe zu erheben, welche sie nach unserer Meinung bedarf, um ihre Wirksamkeit mit Würde beginnen zu können; 2. weil zu einem gedeihlichen Zustande gehört, daß dies Ministerium mit dem System gestürzt werde. Es ist gesagt worden, es würden alle unsere Beschlüsse nichts helfen, man werde sich ministerieller Seits nicht daran kehren. Das darf kein Grund sein uns in unserer Wirksamkeit zu hindern. ‒ Es klingt schon wie eine alte Sage, daß die Verhängung des Belagerungszustandes eine rettende That gewesen sei für Ordnung und Gesetz Es giebt Niemand der es noch glaubt. Um die Auflösung der Nat. Vers. durchzusetzen hat man den Belagerungszustand verhängt. Man wollte aber diese Nat. Vers. nicht mehr, weil sie fleißig und treu an der Durchführung der demokratischen Staatsformen arbeitete. Einst wird die Geschichte über sie urtheilen und sie des meisten Lobes für würdig halten. ‒ M. H.! Möchten Sie dem Volke durch die Annahme meines Antrages ein Vertrauens-, dem Ministerium ein Mißtrauensvotum ertheilen; möchten Sie alsdann auf einem so würdigen Wege fortschreiten und dem Volke energische Gesetze geben, unter denen es sich frei bewegen kann. Möchten Sie endlich wo möglich auch eine Verfassung schaffen, welche diesen Anforderungen nicht widerspricht. (Beifall.) Buchner als Referent. Wir können aus seiner überaus glänzenden und klaren Rede leider nur wenige Bruchstücke geben. Mit geistvoller Beredsamkeit wandte er sich gegen alle Gegner des Waldeckschen Antrages und wußte einem Jeden wenigstens einige Pfeile seines Witzes zuzuwerfen. ‒ Die wichtigste und interessanteste Enthüllung des Herrn Ministers ist wohl die gewesen, daß Preußen vor dem 5. Dez. kein constitutioneller Staat war. Hat doch Hr Graf Schwerin im März selbst erklärt er sei ein verantwortlicher Minister und das Ministerium Camphausen übernahm alle Verantwortlichkeit für die Reden des Königs, und die Ministerverantwortlichkeit ist meiner Ansicht nach, eines der wichtigsten constitutionellen Rechte. ‒ Der Justizminister hat Anhaltspunkte in andern Gesetzgebungen gesucht ‒ ich muß freilich den bedauern der sich daran klammern will ‒ er hat auf den Belagerungszustand in Paris nach dem Aufruhr bei Lamarques Begräbniß hingewiesen er hat vergessen, daß der Cassationshof den Ausnahmezustand für ungültig erklärte. In England würde man Minister, welche Aehnliches wagten wie die unsern, nicht in den Tower, sondern nach Bedlam schicken. ‒ Das Recht der Revolution hat das Volk, wenn die gesetzlichen Wege ihm verschlossen sind, aber wo ist das contrerevolutionäre Recht einer Regierung aus dem Volke gegen das Volk? ‒ Das Ministerium vertröstete uns mit seiner Rechenschaftsablegung immer auf diese Debatte; wo sind nun die Gründe seiner Handlungen? Es weiß nicht, daß die constitutionellen Rechte, daß die Autorität eines Blackstone das Widerstandsrecht der Bürger heiligt. ‒ Er erklärt sich gegen alle Amendements. Großer Beifall.) Um die Fragestellung entsteht großer Lärm und wird viel gesprochen. Endlich kommt man zur Abstimmung. Das Amendement Aldenhofen (Rechte) wird mit 178 gegen 159 Stimmen verworfen. Das Amendement Wentzel (Centrum) wird mit 168 gegen 165 Stimmen verworfen. Das Amendement Unruh: „Die Kammer wolle erklären, 1) „daß die Fortdauer des Belagerungszustandes ohne Zustimmung der Kammer ungesetzlich ist; 2) daß die Kammer diese Zustimmung zur Fortdauer nicht ertheilt.“ wird mit 184 gegen 139 Stimmen angenommen. Grabow stimmte mit der Linken für dies Amendement, das Centrum stimmt nicht. Hierauf kommt der letzte Theil des Unruhschen Amendements gleichlautend mit dem Antrage: „Das Ministerium aufzufordern: den am 12. Nov. über Berlin und dessen 2meiligen Umkreis verhängten Belagerungszustand sofort aufzuheben,“ wird mit 177 gegen 153 Stimmen angenommen. (Schluß der Sitzung.) X Breslau, 24. April. Auf das jüngste Schreiben des Frankfurter „Märzbier-Vereins“ hat der hiesige demokratische Verein folgende Antwort angenommen und abgesandt: „Bürger! Ihr empfehlt uns am Ende Eures Schreibens vom 8. April wohl zu bedenken, „daß die Freiheit in den Einzelstaaten dann am schwersten gefährdet ist, wenn die Regierungen siegreich aus dem Kampfe gegen die Freiheit des Gesammtstaates hervorgehen sollten.“ Wir haben diesen Satz in unseren Berathungen wohl erwogen, wir müssen jedoch gestehen, wenn wir diesen Satz, im Allgemeinen genommen, auch als wahr anerkannt haben, so drängte sich uns die Ueberzeugung auf, daß wir trotz des deutschen Parlaments noch keinen Gesammtstaat besitzen, sondern daß derselbe erst geschaffen werden soll. Allerdings wissen wir auch, daß die Verfassung des erst zu gründenden Gesammtstaates eine freie sein muß, damit die Freiheit des Einzelstaates garantirt sei; wir wissen aber noch bestimmter, daß der Gesammtstaat sowohl als auch dessen Freiheit schon längst gegründet und gesichert wäre, wenn Ihr, Vertreter des deutschen Volkes, damit Euer Werk begonnen hättet, die Freiheit den verschiedenen deutschen Volksstämmen zu geben. Hättet Ihr im Anfange Eurer Thätigkeit diese Pflicht erfüllt, gewiß würden jetzt die freien deutschen Volksstämme für ganz Deutschland und Euch einstehen und Ihr brauchtet nicht ‒ ‒ mit den Fürsten zu unterhandeln. Hätte jene Koalition, die jetzt die Verfassung und das Kaiserreich beschlossen hat, damals sich thatkräftig und lebensfähig gezeigt, als Wien bombardirt wurde, als Preußens König die Volksvertreter auseinander jagte, Ihr hättet jetzt Millionen Arme gefunden, die Euren Willen durchgesetzt hätten. Damals jedoch, als diese beiden Stämme von Euch, Vertreter des deutschen Volkes, Hülfe und Rettung verlangten, damals gingt Ihr zur Tagesordnung über; Ihr mußtet ja ‒ ‒ die Verfassung berathen. Die Majorität des deutschen Parlaments, die diese beiden Thaten geschehen ließ und zur Tagesordnung überging, hat jetzt die Verfassung beschlossen und verlangt, das deutsche Volk solle dieselbe mit „Vertrauen“ annehmen, damit seine „Freiheit garantirt werde.“ Wir wollen absehen von dem Inhalte der Verfassung, wir wollen absehen von dem Kaiserthum, das wir übrigens mit Entrüstung von uns weisen, weil durch jeden erblichen Fürsten die Volkssouveränetät verrathen wird, wir wollen absehen selbst davon, daß dieser Verrath ausgeübt wurde von Männern, die nur kraft der Volkssouveränetät in Frankfurt sitzen und die dieselbe schon als einzige Basis eines Staates anerkannt haben: wir wollen nur das Eine betrachten, daß die Ausübung der Verfassung, „welche die Freiheit garantiren soll,“ einem Fürsten angeboten wurde, der die Volksvertreter seines Landes vertrieb. Wahrlich dieser eine Punkt belehrt gewiß jeden darüber, was für Freiheiten die jetzige Majorität des deutschen Parlaments dem deutschen Volke geben will; es ist die Freiheit der Bajonette und Kanonen, es ist die Freiheit eines Wrangel, eines Hinkeldey. Wir müssen es endlich als einen Spott und Hohn bezeichnen,

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Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 2 (Nummer 184 bis Nummer 301) Köln, 1. Januar 1849 bis 19. Mai 1849. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




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Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 285. Köln, 29. April 1849, S. 1610. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz285i_1849/2>, abgerufen am 24.11.2024.