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Neue Rheinische Zeitung. Nr. 271. Köln, 13. April 1849. Zweite Ausgabe.

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Neue Rheinische Zeitung
Organ der Demokratie.
No 271. Köln, Freitag, den 13. April 1849.

Vierteljähriger Abonnementspreis in Köln 1 Thlr. 7 1/2 Sgr., bei allen preußischen Postanstalten 1 Thlr. 17 Sgr. - Im Auslande wende man sich: in Belgien an die betreffenden Postanstalten; in London an W. Thomas, 21 Catherine-Street, Strand; in Paris an W. Thomas, 38 Rue Vivienne, und an A. Hovas, 3 Rue Jean Jacques Rcusseau.

Insertionen werden mit 18 Pf. die Petitzeile oder deren Raum berechnet. - Auskunft, Annahme und Abgabe chiffrirter Briefe gratis. - Nur frankirte Briefe werden angenommen. - Expedition in Aachen bei Ernst ter Meer; in Düsseldorf bei F. W. Schmitz, Burgplatz; in Köln Unter Hutmacher Nro. 17.

Zweite Ausgabe.

Deutschland.
* Köln, 12. April.
Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden.
* Köln, 12. April.
Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden.
X Berlin, 10. April.

Aus Schleswig war bekanntlich auch eine Deputation hier angekommen, welche unter dem Vortritt des Advokaten Bargun, Präsidenten der Schleswig-Holstein'schen Landesversammlung, dem Könige Glück wünschen sollte zur Kaiserwahl, und ihn allerunterthänigst ersuchen, die Krone zum Nutz und Frommen des heiligen römischen Reichs anzunehmen. Die Deputation kam leider erst nach den Eingebungen, welche Se. Maj. in Freienwalde erhalten hatten, sie kam, nachdem die famose Antwort die Frankfurter Professoren in die gebührende Schranken zurückgewiesen hatte. Bargun bemühte sich nun vergeblich um eine Audienz. Man suchte ihn durch allerlei Versprechungen hinzuhalten, und endlich wurde ihm durch den Minister eröffnet, Se. Maj. könne die Herren Schleswig-Holsteiner als Deputation nicht empfangen, Sie würden aber sehr gern geneigt sein, dieselbe einzeln zu empfangen, wolle die Deputation darauf eingehen, so wäre sie hiermit zum Diner bei Se. Maj. am Montag eingeladen. Bargun erwiderte, sie seien als Deputation gekommen, und fühlten sich nicht befugt, als Privatleute dieser Einladung Folge zu leisten. Die Schleswig-Holsteiner sind demgemäß auch gestern abgereist, wahrscheinlich um einer eventuellen Ausweisung zu entgehen.

Wir gaben vor Kurzem die Nachricht, daß der General Wrangel in das Schützenhaus, ein Privateigenthum der hiesigen Gilde, eine Kompagnie Soldaten hineingelegt habe, ohne die Besitzer um Erlaubniß zu fragen. Diese Nachricht ging über in die meisten Zeitungen und erregte bei dem Diktator und seinen Freunden einen solchen Aerger, daß sie sich herabließen, dem servilen Vorstand eine Untersuchung anzubefehlen, um den Verbreiter und Urheber des Gerüchts zu erfahren. Der Vorstand säumte natürlich nicht sogleich mehrere als oppositionell bekannte Mitglieder vor sein Forum zu fordern, weil er glaubte, daß diese an dem Aerger Schuld seien, welche ihr allergnädigster Wrangel über die betreffende Nachricht empfunden hat. Wir können also nächstens eine offizielle Widerlegung unserer Nachricht erwarten, weisen aber darauf hin, auf welche Weise solche Berichtigungen entstehen.

Nach Frankfurt a. d. O. waren, wie wir meldeten, mehrere Abgeordnete der zweiten Kammer von der äußersten Linken gereist, um sich von den parlamentarischen Strapazen zu erholen. Die Ankunft dieser Herren erregte dort die Furcht der Reaktionäre und ihrer Freunde der Beamten in solchem Maße, daß man nichts Geringeres als eine Revolution und Proklamirung der rothen Republik befürchtete. Die Soldaten erhielten also, um die Demokratie in Zaum zu halten, scharfe Patronen, die Wachen wurden verdoppelt und man erreichte nichts, als daß man sich wie gewöhnlich lächerlich machte.

In Calau, einem Städtchen in der Niederlausitz, bekannt durch seine rein demokratische Gesinnung, ist heute Kongreß der demokratischen Vereine der ganzen Niederlausitz. In diesem Theile der Provinz Brandenburg ist die Reaktion überhaupt ganz in der Minorität, nur die Zusammenlegung der Wahlkreise und Wahlumtriebe haben es durchzusetzen vermocht, daß z. B. der Minister Manteuffel in Luckau mit einer Stimme Majorität gewählt wurde. Wenn man bei Gelegenheit der Kaiserfrage selbst unsern armen Göthe nicht mit Einschiebseln verschont hat, so entging der alte Shakespeare einer Censur der hohen preußischen General-Intendantur noch viel weniger. Bei der Aufführung seines Hamlet wurde gestern Abend das bekannte "es ist etwas faul im Staate Dänemark" gestrichen.

Bekanntlich wird der Militäretat in den Finanzvorlagen jährlich mit circa 28 Millionen aufgeführt. In diesem Jahre finden wir in den Finanzvorlagen, wie sie der Kammer gemacht wurden, nur einen extraordinären Zuschuß von 1 1/2 Mill. berechnet. In der That gehört nicht geringe Naivetät dazu, um ungescheut mit einer solchen Angabe hervorzutreten, welche erst dann in ihrer vollen Lächerlichkeit da steht, wenn man hinzunimmt, daß in keiner der Finanzvorlagen irgendwie eine Mehrausgabe für das Jahr 1848 erwähnt wird. Jedermann weiß, daß vom März bis Ende Juni sämmtliche Linien-Infanterie-Regimenter auf die Kriegsstärke und damit auf den doppelten Etat gesetzt waren. Jedermann weiß, daß von Anfang Mai bis Ende August in gleicher Stärke fast alle Landwehr-Bataillons zusammengezogen worden sind, daß sich ferner seit Anfang November und bis zur Gegenwart alle Landwehr-Bataillons (mit einzelnen Ausnahmen) unter den Fahnen befinden und wir würden hiernach schon eine Ausgabe nachweisen können, die beinahe das Doppelte des gewöhnlichen Bedarfs erreicht.

Es kommt hinzu, daß den Unteroffizieren und Soldaten seit dem März v. J. eine tägliche Zulage von 1 Sgr. 2 Pf. gewährt wird, daß die Offiziere ganze und resp. halbe Feldzulage beziehen, daß einem großen Theil der Infanterie-Regimenter die Mobilmachungs-Pferde (circa 80 per Regiment) überwiesen sind, diese also angekauft und seit jener Zeit verpflegt werden mußten, daß der Pferdebestand der Artillerie sehr bedeutend vermehrt worden ist, daß die vielfachen Truppenmärsche und Beförderung derselben auf den Eisenbahnen immense Summen gekostet haben und daß zur Instandsetzung der Festungen Millionen verwandt werden mußten. Wir würden in der Lage sein, noch sehr lange fortzufahren, wollten wir alle die außergewöhnlichen Ausgaben hier speciell aufführen, wir wollen vielmehr nur noch daran erinnern, daß um die Bekleidung und Ausrüstung der Landwehr zu vervollständigen, sehr bedeutende Ausgaben nöthig wurden, daß die Bekleidung der Landwehr, auf welcher eigentlich eine Tragezeit von 10 und resp. 20 Jahren haftet, jetzt in einem Jahre abgetragen sind und daß endlich die außergewöhnlich vielfachen Pensionirungen von Offizieren, theils wegen Unfähigkeit, theils weil sie nicht geeignet befunden wurden, dem Absolutismus als blinde Werkzeuge zu dienen, den Pensionsetat wesentlich in Anspruch genommen haben. Diese Angaben dürften mehr als genügend erscheinen, um die Behauptung vollständig zu rechtfertigen, daß vom März v. J. bis jetzt mindestens 50 Millionen für das Militär ausgegeben worden sind, also die ganz kleine Differenz von 21 bis 22 Millionen gegen den Etat.

Man erwartet jeden Abend die Entlassung des Grafen Arnim, Ministers des Auswärtigen, und die seines Kollegen Rintelen im Staatsanzeiger zu lesen. Es scheint aber, daß sich Herr Arnim in seinem Fauteuil so wohl befindet, daß er nicht daran denkt, einem andern diesen gloriosen Sitz zu überlassen.

Die Revolution soll verwischt werden bis auf das letzte Zeichen, welches die Menschen an einen 18. März erinnern könnte. Das Rauchen auf offener Straße war den feinen Nasen unserer Aristokraten längst unangenehm gewesen, man weiß aber, daß gerade das Verbieten solcher Kleinigkeiten die Wuth des Volkes zumeist erregt. Endlich hatte man sich entschlossen, "die letzte Märzerrungenschaft zu eskamotiren und dem Oberkonstabler die geeigneten Befehle gegeben. Auf der Polizei sah man das Gefährliche solcher Maßregel noch besser ein, rekurrirte zurück und stellte das Ungeeignete des Verbots vor. So schwebt die Sache noch, das Damoklesschwert hängt zum Schrecken, besonders der Philister, noch über der getreuen Stadt Berlin.

* Aus Preußen, 8. April.

Unter diesem Datum theilt die Ostsee-Zeitung folgenden ergötzlichen Brief eines preußischen Landwehrmannes mit, nach welchem am Besten der Zustand "Meines herrlichen Kriegheeres" beurtheilt werden mag:

Marienburg, den 6. April. Wir werden am zweiten Festtage von hier abmarschiren und am 11. d. M. in Danzig ankommen. Das Einkleiden und Ordnen des Bataillons hat unverhältnißmäßig lange gedauert, einestheils, weil es nicht mit der gehörigen Ordnung angefangen ist, anderntheils, weil die Leute sich sehr widerspenstig gezeigt haben. Unsere Kompagnie hat sich mit Gewalt der Arretirung einiger Raisonneurs widersetzt und ihren Widerstand bis zur Gränze von Thätlichkeiten durchgeführt. Da haben die Offiziere denn für jetzt nachgegeben. Mir ist bei diesen Geschichten nicht ganz wohl; die Leute wissen Gesetz und Willkür, Ordnung und sclavische Disciplin nicht zu unterscheiden. Doch immer ist es erfreulich, daß der starre Knechtssinn gebrochen ist, und daß die Leute das Gefühl, wenn auch nur dunkel haben, daß ihnen durch Willkür und reinen Despotismus nur ein Unrecht geschieht.

Uebrigens sind die Leute keinesweges so schwarz-weiß, wie ich geglaubt hatte, und trotz einer sogenannten patriotischen Anrede des Herrn Majors, eines fanatischen Preußenvereiners, wie man sagt, hat sich selbst der erwartete Ruf: "Es lebe der König!" aus keinem Munde hören lassen. Allgemein ist die Ansicht verbreitet, daß wir nur kurze Zeit in Danzig bleiben werden; ein Offizier meinte, wir würden in einigen Wochen weiter marschiren. Zu unserem großen Leidwesen bekommen wir keine Kriegszulage, sondern nur einen Achthalber (2 1/2 Sgr.) täglich. Auch sind die mitgebrachten Stiefel und Hemden nicht, wie es doch in der Ordnung wäre, bezahlt worden. Wir müssen uns deshalb sehr knapp behelfen, und die Unzufriedenheit wird bei Vielen dadurch noch gesteigert.

Swinemünde, 9. April.

Gestern waren wieder 3 Dänische Kreuzer, weit abwärts, sichtbar.

224 Aus Franken, 6. April.

Würzburg, unsere zweite fränkische Hochschule, hatte sich noch bei dem Abtreten des Herrn von Beisler vom Ministerposten einer besonderen Gnade, wenn man will, auch eines besonders gnädigen Fußtritts dieses hohen Herrn zu erfreuen. Durch ihn nämlich wurde der Ultramontane Philipps (der in Frankfurt ewig verlachte Doppelgänger seines Kollegen Buß) an obiger Universität reaktivirt. Beisler, der in Frankfurt durch sein unvorsichtiges und unchristliches Poltern gegen den Jesuitismus sich den Haß aller Strenggläubigen und Ultramontanen a la Gomorrhianer-Lassaulx zugezogen, merkte gleichwohl noch bei Zeiten, durch seine ihm eigene Spürnase, die Lunte des Herrn v. Abel, und um sich auch für eine zukünftige Kombination Abel möglich zu machen, erwieß er jenem diesen Liebesdienst. Sehr charakterfest dieser wassermännische Biedermann! Vor einigen Tagen nun hat das Plenum der Universität Würzburg einen einstimmigen Protest eingeschickt gegen diese anrüchige Kollegenschaft. Wird viel helfen! Gleichwohl dürfte Herr Philipps dadurch in eine unangenehme Lage kommen, ähnlich der mancher preußischer Steuerverweigerer. - Von unsern Assisen erwarten sie ja keine Nachricht mehr. Sie sind verschollen wie der süßlichekelhafte Gomorrhianer Ernst Lassaulx aus Koblenz in dem Parlament verschwunden ist. Man verschiebt sie von einem Monat zum andern, und jetzt hat man sie wieder weit in den April hineinverlegt, um ihre ganze (politische) Wirksamkeit auf Null reduziren zu können. Dadurch ist unterdessen Zeit gewonnen, bald hier einem Unglücklichen die Thore des Kerkers öffnen zu können, bald dort einen Hochverrathsprozeß niederzuschlagen, und wohl möchte es kommen, daß für die nächste politische Assisensitzung keine drei politischen Prozesse zur Aburtheilung vorliegen. Dazu hat ein solches Verfahren noch überdies den wichtigen Vortheil für jene Herren, daß gleichzeitig das Interesse des Publikums völlig abgespannt und abgemattet wird. Sat sapienti!

Bei dieser Gelegenheit darf ich nicht unterlassen, Ihnen einen charakteristischen Zwischenfall mitzutheilen, den unser neugebackenes öffentliches Gerichtsverfahren - wenn anders bei einem winzigen Aktenstübchen von Oeffentlichkeit die Rede sein kann, dessen Raum kaum 50 Mann "erlesenen Publikums" zu fassen im Stande ist - zu Tage gefördert hat; er wird Ihnen wieder einen schlagenden Beweis liefern, welche feige volksfeindliche Kreaturen unsere vormärzlichen burschenschaftlichen Liberalen nach dem Märzwinde geworden sind. Einige verthierte Reichspolizeisoldaten hatten in würdiger Erkennung ihrer Spionen- und Denunciantenbestimmung, aller Wahrscheinlichkeit nach auch von Oben influirt, einen Handwerker denuncirt, gegen die "Unantastbarkeit" (süddeutscher Bierbeamtenstyl!) Sr. bairischen Majestät beleidigende Worte ausgestoßen zu haben! Die Anklage kam am 29. März vor dem oberfränkischen Kreisgerichte zur öffentlichen Schlußverhandlung. Anstatt nun eine so verächtliche Mouchardgeschichte nach Gebühr zurückzuweisen und einige in der Trunkenheit ausgestoßene, die königliche Würde nicht im mindesten kompromittirenden Worte nicht hochnothpeinlich zu verfolgen, beantragte der geschmeidige Staatsanwalt halbjährige Zuchthausstrafe. Und dieser Mensch, ein Burschenschaftler pur sang, hatte an sich selbst einst die Wirkungen elender Denunciationen erfahren, als er wegen eines Pereat auf den [unleserliches Material] König von Preußen in einen Hochverrathsprozeß verwickelt worden. Dennoch wurde dieser eitle Phrasenmacher selbst in dem absolutistischen Metternichschen Polizeistaate der Anklage entbunden.

Neue Rheinische Zeitung
Organ der Demokratie.
No 271. Köln, Freitag, den 13. April 1849.

Vierteljähriger Abonnementspreis in Köln 1 Thlr. 7 1/2 Sgr., bei allen preußischen Postanstalten 1 Thlr. 17 Sgr. ‒ Im Auslande wende man sich: in Belgien an die betreffenden Postanstalten; in London an W. Thomas, 21 Catherine-Street, Strand; in Paris an W. Thomas, 38 Rue Vivienne, und an A. Hovas, 3 Rue Jean Jacques Rcusseau.

Insertionen werden mit 18 Pf. die Petitzeile oder deren Raum berechnet. ‒ Auskunft, Annahme und Abgabe chiffrirter Briefe gratis. ‒ Nur frankirte Briefe werden angenommen. ‒ Expedition in Aachen bei Ernst ter Meer; in Düsseldorf bei F. W. Schmitz, Burgplatz; in Köln Unter Hutmacher Nro. 17.

Zweite Ausgabe.

Deutschland.
* Köln, 12. April.
Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden.
* Köln, 12. April.
Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden.
X Berlin, 10. April.

Aus Schleswig war bekanntlich auch eine Deputation hier angekommen, welche unter dem Vortritt des Advokaten Bargun, Präsidenten der Schleswig-Holstein'schen Landesversammlung, dem Könige Glück wünschen sollte zur Kaiserwahl, und ihn allerunterthänigst ersuchen, die Krone zum Nutz und Frommen des heiligen römischen Reichs anzunehmen. Die Deputation kam leider erst nach den Eingebungen, welche Se. Maj. in Freienwalde erhalten hatten, sie kam, nachdem die famose Antwort die Frankfurter Professoren in die gebührende Schranken zurückgewiesen hatte. Bargun bemühte sich nun vergeblich um eine Audienz. Man suchte ihn durch allerlei Versprechungen hinzuhalten, und endlich wurde ihm durch den Minister eröffnet, Se. Maj. könne die Herren Schleswig-Holsteiner als Deputation nicht empfangen, Sie würden aber sehr gern geneigt sein, dieselbe einzeln zu empfangen, wolle die Deputation darauf eingehen, so wäre sie hiermit zum Diner bei Se. Maj. am Montag eingeladen. Bargun erwiderte, sie seien als Deputation gekommen, und fühlten sich nicht befugt, als Privatleute dieser Einladung Folge zu leisten. Die Schleswig-Holsteiner sind demgemäß auch gestern abgereist, wahrscheinlich um einer eventuellen Ausweisung zu entgehen.

Wir gaben vor Kurzem die Nachricht, daß der General Wrangel in das Schützenhaus, ein Privateigenthum der hiesigen Gilde, eine Kompagnie Soldaten hineingelegt habe, ohne die Besitzer um Erlaubniß zu fragen. Diese Nachricht ging über in die meisten Zeitungen und erregte bei dem Diktator und seinen Freunden einen solchen Aerger, daß sie sich herabließen, dem servilen Vorstand eine Untersuchung anzubefehlen, um den Verbreiter und Urheber des Gerüchts zu erfahren. Der Vorstand säumte natürlich nicht sogleich mehrere als oppositionell bekannte Mitglieder vor sein Forum zu fordern, weil er glaubte, daß diese an dem Aerger Schuld seien, welche ihr allergnädigster Wrangel über die betreffende Nachricht empfunden hat. Wir können also nächstens eine offizielle Widerlegung unserer Nachricht erwarten, weisen aber darauf hin, auf welche Weise solche Berichtigungen entstehen.

Nach Frankfurt a. d. O. waren, wie wir meldeten, mehrere Abgeordnete der zweiten Kammer von der äußersten Linken gereist, um sich von den parlamentarischen Strapazen zu erholen. Die Ankunft dieser Herren erregte dort die Furcht der Reaktionäre und ihrer Freunde der Beamten in solchem Maße, daß man nichts Geringeres als eine Revolution und Proklamirung der rothen Republik befürchtete. Die Soldaten erhielten also, um die Demokratie in Zaum zu halten, scharfe Patronen, die Wachen wurden verdoppelt und man erreichte nichts, als daß man sich wie gewöhnlich lächerlich machte.

In Calau, einem Städtchen in der Niederlausitz, bekannt durch seine rein demokratische Gesinnung, ist heute Kongreß der demokratischen Vereine der ganzen Niederlausitz. In diesem Theile der Provinz Brandenburg ist die Reaktion überhaupt ganz in der Minorität, nur die Zusammenlegung der Wahlkreise und Wahlumtriebe haben es durchzusetzen vermocht, daß z. B. der Minister Manteuffel in Luckau mit einer Stimme Majorität gewählt wurde. Wenn man bei Gelegenheit der Kaiserfrage selbst unsern armen Göthe nicht mit Einschiebseln verschont hat, so entging der alte Shakespeare einer Censur der hohen preußischen General-Intendantur noch viel weniger. Bei der Aufführung seines Hamlet wurde gestern Abend das bekannte „es ist etwas faul im Staate Dänemark“ gestrichen.

Bekanntlich wird der Militäretat in den Finanzvorlagen jährlich mit circa 28 Millionen aufgeführt. In diesem Jahre finden wir in den Finanzvorlagen, wie sie der Kammer gemacht wurden, nur einen extraordinären Zuschuß von 1 1/2 Mill. berechnet. In der That gehört nicht geringe Naivetät dazu, um ungescheut mit einer solchen Angabe hervorzutreten, welche erst dann in ihrer vollen Lächerlichkeit da steht, wenn man hinzunimmt, daß in keiner der Finanzvorlagen irgendwie eine Mehrausgabe für das Jahr 1848 erwähnt wird. Jedermann weiß, daß vom März bis Ende Juni sämmtliche Linien-Infanterie-Regimenter auf die Kriegsstärke und damit auf den doppelten Etat gesetzt waren. Jedermann weiß, daß von Anfang Mai bis Ende August in gleicher Stärke fast alle Landwehr-Bataillons zusammengezogen worden sind, daß sich ferner seit Anfang November und bis zur Gegenwart alle Landwehr-Bataillons (mit einzelnen Ausnahmen) unter den Fahnen befinden und wir würden hiernach schon eine Ausgabe nachweisen können, die beinahe das Doppelte des gewöhnlichen Bedarfs erreicht.

Es kommt hinzu, daß den Unteroffizieren und Soldaten seit dem März v. J. eine tägliche Zulage von 1 Sgr. 2 Pf. gewährt wird, daß die Offiziere ganze und resp. halbe Feldzulage beziehen, daß einem großen Theil der Infanterie-Regimenter die Mobilmachungs-Pferde (circa 80 per Regiment) überwiesen sind, diese also angekauft und seit jener Zeit verpflegt werden mußten, daß der Pferdebestand der Artillerie sehr bedeutend vermehrt worden ist, daß die vielfachen Truppenmärsche und Beförderung derselben auf den Eisenbahnen immense Summen gekostet haben und daß zur Instandsetzung der Festungen Millionen verwandt werden mußten. Wir würden in der Lage sein, noch sehr lange fortzufahren, wollten wir alle die außergewöhnlichen Ausgaben hier speciell aufführen, wir wollen vielmehr nur noch daran erinnern, daß um die Bekleidung und Ausrüstung der Landwehr zu vervollständigen, sehr bedeutende Ausgaben nöthig wurden, daß die Bekleidung der Landwehr, auf welcher eigentlich eine Tragezeit von 10 und resp. 20 Jahren haftet, jetzt in einem Jahre abgetragen sind und daß endlich die außergewöhnlich vielfachen Pensionirungen von Offizieren, theils wegen Unfähigkeit, theils weil sie nicht geeignet befunden wurden, dem Absolutismus als blinde Werkzeuge zu dienen, den Pensionsetat wesentlich in Anspruch genommen haben. Diese Angaben dürften mehr als genügend erscheinen, um die Behauptung vollständig zu rechtfertigen, daß vom März v. J. bis jetzt mindestens 50 Millionen für das Militär ausgegeben worden sind, also die ganz kleine Differenz von 21 bis 22 Millionen gegen den Etat.

Man erwartet jeden Abend die Entlassung des Grafen Arnim, Ministers des Auswärtigen, und die seines Kollegen Rintelen im Staatsanzeiger zu lesen. Es scheint aber, daß sich Herr Arnim in seinem Fauteuil so wohl befindet, daß er nicht daran denkt, einem andern diesen gloriosen Sitz zu überlassen.

Die Revolution soll verwischt werden bis auf das letzte Zeichen, welches die Menschen an einen 18. März erinnern könnte. Das Rauchen auf offener Straße war den feinen Nasen unserer Aristokraten längst unangenehm gewesen, man weiß aber, daß gerade das Verbieten solcher Kleinigkeiten die Wuth des Volkes zumeist erregt. Endlich hatte man sich entschlossen, „die letzte Märzerrungenschaft zu eskamotiren und dem Oberkonstabler die geeigneten Befehle gegeben. Auf der Polizei sah man das Gefährliche solcher Maßregel noch besser ein, rekurrirte zurück und stellte das Ungeeignete des Verbots vor. So schwebt die Sache noch, das Damoklesschwert hängt zum Schrecken, besonders der Philister, noch über der getreuen Stadt Berlin.

* Aus Preußen, 8. April.

Unter diesem Datum theilt die Ostsee-Zeitung folgenden ergötzlichen Brief eines preußischen Landwehrmannes mit, nach welchem am Besten der Zustand „Meines herrlichen Kriegheeres“ beurtheilt werden mag:

Marienburg, den 6. April. Wir werden am zweiten Festtage von hier abmarschiren und am 11. d. M. in Danzig ankommen. Das Einkleiden und Ordnen des Bataillons hat unverhältnißmäßig lange gedauert, einestheils, weil es nicht mit der gehörigen Ordnung angefangen ist, anderntheils, weil die Leute sich sehr widerspenstig gezeigt haben. Unsere Kompagnie hat sich mit Gewalt der Arretirung einiger Raisonneurs widersetzt und ihren Widerstand bis zur Gränze von Thätlichkeiten durchgeführt. Da haben die Offiziere denn für jetzt nachgegeben. Mir ist bei diesen Geschichten nicht ganz wohl; die Leute wissen Gesetz und Willkür, Ordnung und sclavische Disciplin nicht zu unterscheiden. Doch immer ist es erfreulich, daß der starre Knechtssinn gebrochen ist, und daß die Leute das Gefühl, wenn auch nur dunkel haben, daß ihnen durch Willkür und reinen Despotismus nur ein Unrecht geschieht.

Uebrigens sind die Leute keinesweges so schwarz-weiß, wie ich geglaubt hatte, und trotz einer sogenannten patriotischen Anrede des Herrn Majors, eines fanatischen Preußenvereiners, wie man sagt, hat sich selbst der erwartete Ruf: „Es lebe der König!“ aus keinem Munde hören lassen. Allgemein ist die Ansicht verbreitet, daß wir nur kurze Zeit in Danzig bleiben werden; ein Offizier meinte, wir würden in einigen Wochen weiter marschiren. Zu unserem großen Leidwesen bekommen wir keine Kriegszulage, sondern nur einen Achthalber (2 1/2 Sgr.) täglich. Auch sind die mitgebrachten Stiefel und Hemden nicht, wie es doch in der Ordnung wäre, bezahlt worden. Wir müssen uns deshalb sehr knapp behelfen, und die Unzufriedenheit wird bei Vielen dadurch noch gesteigert.

Swinemünde, 9. April.

Gestern waren wieder 3 Dänische Kreuzer, weit abwärts, sichtbar.

224 Aus Franken, 6. April.

Würzburg, unsere zweite fränkische Hochschule, hatte sich noch bei dem Abtreten des Herrn von Beisler vom Ministerposten einer besonderen Gnade, wenn man will, auch eines besonders gnädigen Fußtritts dieses hohen Herrn zu erfreuen. Durch ihn nämlich wurde der Ultramontane Philipps (der in Frankfurt ewig verlachte Doppelgänger seines Kollegen Buß) an obiger Universität reaktivirt. Beisler, der in Frankfurt durch sein unvorsichtiges und unchristliches Poltern gegen den Jesuitismus sich den Haß aller Strenggläubigen und Ultramontanen à la Gomorrhianer-Lassaulx zugezogen, merkte gleichwohl noch bei Zeiten, durch seine ihm eigene Spürnase, die Lunte des Herrn v. Abel, und um sich auch für eine zukünftige Kombination Abel möglich zu machen, erwieß er jenem diesen Liebesdienst. Sehr charakterfest dieser wassermännische Biedermann! Vor einigen Tagen nun hat das Plenum der Universität Würzburg einen einstimmigen Protest eingeschickt gegen diese anrüchige Kollegenschaft. Wird viel helfen! Gleichwohl dürfte Herr Philipps dadurch in eine unangenehme Lage kommen, ähnlich der mancher preußischer Steuerverweigerer. ‒ Von unsern Assisen erwarten sie ja keine Nachricht mehr. Sie sind verschollen wie der süßlichekelhafte Gomorrhianer Ernst Lassaulx aus Koblenz in dem Parlament verschwunden ist. Man verschiebt sie von einem Monat zum andern, und jetzt hat man sie wieder weit in den April hineinverlegt, um ihre ganze (politische) Wirksamkeit auf Null reduziren zu können. Dadurch ist unterdessen Zeit gewonnen, bald hier einem Unglücklichen die Thore des Kerkers öffnen zu können, bald dort einen Hochverrathsprozeß niederzuschlagen, und wohl möchte es kommen, daß für die nächste politische Assisensitzung keine drei politischen Prozesse zur Aburtheilung vorliegen. Dazu hat ein solches Verfahren noch überdies den wichtigen Vortheil für jene Herren, daß gleichzeitig das Interesse des Publikums völlig abgespannt und abgemattet wird. Sat sapienti!

Bei dieser Gelegenheit darf ich nicht unterlassen, Ihnen einen charakteristischen Zwischenfall mitzutheilen, den unser neugebackenes öffentliches Gerichtsverfahren ‒ wenn anders bei einem winzigen Aktenstübchen von Oeffentlichkeit die Rede sein kann, dessen Raum kaum 50 Mann „erlesenen Publikums“ zu fassen im Stande ist ‒ zu Tage gefördert hat; er wird Ihnen wieder einen schlagenden Beweis liefern, welche feige volksfeindliche Kreaturen unsere vormärzlichen burschenschaftlichen Liberalen nach dem Märzwinde geworden sind. Einige verthierte Reichspolizeisoldaten hatten in würdiger Erkennung ihrer Spionen- und Denunciantenbestimmung, aller Wahrscheinlichkeit nach auch von Oben influirt, einen Handwerker denuncirt, gegen die „Unantastbarkeit“ (süddeutscher Bierbeamtenstyl!) Sr. bairischen Majestät beleidigende Worte ausgestoßen zu haben! Die Anklage kam am 29. März vor dem oberfränkischen Kreisgerichte zur öffentlichen Schlußverhandlung. Anstatt nun eine so verächtliche Mouchardgeschichte nach Gebühr zurückzuweisen und einige in der Trunkenheit ausgestoßene, die königliche Würde nicht im mindesten kompromittirenden Worte nicht hochnothpeinlich zu verfolgen, beantragte der geschmeidige Staatsanwalt halbjährige Zuchthausstrafe. Und dieser Mensch, ein Burschenschaftler pur sang, hatte an sich selbst einst die Wirkungen elender Denunciationen erfahren, als er wegen eines Pereat auf den [unleserliches Material] König von Preußen in einen Hochverrathsprozeß verwickelt worden. Dennoch wurde dieser eitle Phrasenmacher selbst in dem absolutistischen Metternichschen Polizeistaate der Anklage entbunden.

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          <p>Wir gaben vor Kurzem die Nachricht, daß der General Wrangel in das Schützenhaus, ein Privateigenthum der hiesigen Gilde, eine Kompagnie Soldaten hineingelegt habe, ohne die Besitzer um Erlaubniß zu fragen. Diese Nachricht ging über in die meisten Zeitungen und erregte bei dem Diktator und seinen Freunden einen solchen Aerger, daß sie sich herabließen, dem servilen Vorstand eine Untersuchung anzubefehlen, um den Verbreiter und Urheber des Gerüchts zu erfahren. Der Vorstand säumte natürlich nicht sogleich mehrere als oppositionell bekannte Mitglieder vor sein Forum zu fordern, weil er glaubte, daß diese an dem Aerger Schuld seien, welche ihr allergnädigster Wrangel über die betreffende Nachricht empfunden hat. Wir können also nächstens eine offizielle Widerlegung unserer Nachricht erwarten, weisen aber darauf hin, auf welche Weise solche Berichtigungen entstehen.</p>
          <p>Nach Frankfurt a. d. O. waren, wie wir meldeten, mehrere Abgeordnete der zweiten Kammer von der äußersten Linken gereist, um sich von den parlamentarischen Strapazen zu erholen. Die Ankunft dieser Herren erregte dort die Furcht der Reaktionäre und ihrer Freunde der Beamten in solchem Maße, daß man nichts Geringeres als eine Revolution und Proklamirung der rothen Republik befürchtete. Die Soldaten erhielten also, um die Demokratie in Zaum zu halten, scharfe Patronen, die Wachen wurden verdoppelt und man erreichte nichts, als daß man sich wie gewöhnlich lächerlich machte.</p>
          <p>In Calau, einem Städtchen in der Niederlausitz, bekannt durch seine rein demokratische Gesinnung, ist heute Kongreß der demokratischen Vereine der ganzen Niederlausitz. In diesem Theile der Provinz Brandenburg ist die Reaktion überhaupt ganz in der Minorität, nur die Zusammenlegung der Wahlkreise und Wahlumtriebe haben es durchzusetzen vermocht, daß z. B. der Minister Manteuffel in Luckau mit einer Stimme Majorität gewählt wurde. Wenn man bei Gelegenheit der Kaiserfrage selbst unsern armen Göthe nicht mit Einschiebseln verschont hat, so entging der alte Shakespeare einer Censur der hohen preußischen General-Intendantur noch viel weniger. Bei der Aufführung seines Hamlet wurde gestern Abend das bekannte &#x201E;es ist etwas faul im Staate Dänemark&#x201C; gestrichen.</p>
          <p>Bekanntlich wird der Militäretat in den Finanzvorlagen jährlich mit circa 28 Millionen aufgeführt. In diesem Jahre finden wir in den Finanzvorlagen, wie sie der Kammer gemacht wurden, nur einen extraordinären Zuschuß von 1 1/2 Mill. berechnet. In der That gehört nicht geringe Naivetät dazu, um ungescheut mit einer solchen Angabe hervorzutreten, welche erst dann in ihrer vollen Lächerlichkeit da steht, wenn man hinzunimmt, daß in keiner der Finanzvorlagen irgendwie eine Mehrausgabe für das Jahr 1848 erwähnt wird. Jedermann weiß, daß vom März bis Ende Juni sämmtliche Linien-Infanterie-Regimenter auf die Kriegsstärke und damit auf den doppelten Etat gesetzt waren. Jedermann weiß, daß von Anfang Mai bis Ende August in gleicher Stärke fast alle Landwehr-Bataillons zusammengezogen worden sind, daß sich ferner seit Anfang November und bis zur Gegenwart alle Landwehr-Bataillons (mit einzelnen Ausnahmen) unter den Fahnen befinden und wir würden hiernach schon eine Ausgabe nachweisen können, die beinahe das Doppelte des gewöhnlichen Bedarfs erreicht.</p>
          <p>Es kommt hinzu, daß den Unteroffizieren und Soldaten seit dem März v. J. eine tägliche Zulage von 1 Sgr. 2 Pf. gewährt wird, daß die Offiziere ganze und resp. halbe Feldzulage beziehen, daß einem großen Theil der Infanterie-Regimenter die Mobilmachungs-Pferde (circa 80 per Regiment) überwiesen sind, diese also angekauft und seit jener Zeit verpflegt werden mußten, daß der Pferdebestand der Artillerie sehr bedeutend vermehrt worden ist, daß die vielfachen Truppenmärsche und Beförderung derselben auf den Eisenbahnen immense Summen gekostet haben und daß zur Instandsetzung der Festungen Millionen verwandt werden mußten. Wir würden in der Lage sein, noch sehr lange fortzufahren, wollten wir alle die außergewöhnlichen Ausgaben hier speciell aufführen, wir wollen vielmehr nur noch daran erinnern, daß um die Bekleidung und Ausrüstung der Landwehr zu vervollständigen, sehr bedeutende Ausgaben nöthig wurden, daß die Bekleidung der Landwehr, auf welcher eigentlich eine Tragezeit von 10 und resp. 20 Jahren haftet, jetzt in einem Jahre abgetragen sind und daß endlich die außergewöhnlich vielfachen Pensionirungen von Offizieren, theils wegen Unfähigkeit, theils weil sie nicht geeignet befunden wurden, dem Absolutismus als blinde Werkzeuge zu dienen, den Pensionsetat wesentlich in Anspruch genommen haben. Diese Angaben dürften mehr als genügend erscheinen, um die Behauptung vollständig zu rechtfertigen, daß vom März v. J. bis jetzt mindestens 50 Millionen für das Militär ausgegeben worden sind, also die ganz kleine Differenz von 21 bis 22 Millionen gegen den Etat.</p>
          <p>Man erwartet jeden Abend die Entlassung des Grafen Arnim, Ministers des Auswärtigen, und die seines Kollegen Rintelen im Staatsanzeiger zu lesen. Es scheint aber, daß sich Herr Arnim in seinem Fauteuil so wohl befindet, daß er nicht daran denkt, einem andern diesen gloriosen Sitz zu überlassen.</p>
          <p>Die Revolution soll verwischt werden bis auf das letzte Zeichen, welches die Menschen an einen 18. März erinnern könnte. Das Rauchen auf offener Straße war den feinen Nasen unserer Aristokraten längst unangenehm gewesen, man weiß aber, daß gerade das Verbieten solcher Kleinigkeiten die Wuth des Volkes zumeist erregt. Endlich hatte man sich entschlossen, &#x201E;die letzte Märzerrungenschaft zu eskamotiren und dem Oberkonstabler die geeigneten Befehle gegeben. Auf der Polizei sah man das Gefährliche solcher Maßregel noch besser ein, rekurrirte zurück und stellte das Ungeeignete des Verbots vor. So schwebt die Sache noch, das Damoklesschwert hängt zum Schrecken, besonders der Philister, noch über der getreuen Stadt Berlin.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar271-2_004" type="jArticle">
          <head><bibl><author>*</author></bibl> Aus Preußen, 8. April.</head>
          <p>Unter diesem Datum theilt die Ostsee-Zeitung folgenden ergötzlichen Brief eines preußischen Landwehrmannes mit, nach welchem am Besten der Zustand &#x201E;Meines herrlichen Kriegheeres&#x201C; beurtheilt werden mag:</p>
          <p><hi rendition="#g">Marienburg,</hi> den 6. April. Wir werden am zweiten Festtage von hier abmarschiren und am 11. d. M. in Danzig ankommen. Das Einkleiden und Ordnen des Bataillons hat unverhältnißmäßig lange gedauert, einestheils, weil es nicht mit der gehörigen Ordnung angefangen ist, anderntheils, weil die Leute sich sehr widerspenstig gezeigt haben. Unsere Kompagnie hat sich mit Gewalt der Arretirung einiger Raisonneurs widersetzt und ihren Widerstand bis zur Gränze von Thätlichkeiten durchgeführt. Da haben die Offiziere denn für jetzt nachgegeben. Mir ist bei diesen Geschichten nicht ganz wohl; die Leute wissen Gesetz und Willkür, Ordnung und sclavische Disciplin nicht zu unterscheiden. Doch immer ist es erfreulich, daß der starre Knechtssinn gebrochen ist, und daß die Leute das Gefühl, wenn auch nur dunkel haben, daß ihnen durch Willkür und reinen Despotismus nur ein Unrecht geschieht.</p>
          <p>Uebrigens sind die Leute keinesweges so schwarz-weiß, wie ich geglaubt hatte, und trotz einer sogenannten patriotischen Anrede des Herrn Majors, eines fanatischen Preußenvereiners, wie man sagt, hat sich selbst der erwartete Ruf: &#x201E;Es lebe der König!&#x201C; aus keinem Munde hören lassen. Allgemein ist die Ansicht verbreitet, daß wir nur kurze Zeit in Danzig bleiben werden; ein Offizier meinte, wir würden in einigen Wochen weiter marschiren. Zu unserem großen Leidwesen bekommen wir keine Kriegszulage, sondern nur einen Achthalber (2 1/2 Sgr.) täglich. Auch sind die mitgebrachten Stiefel und Hemden nicht, wie es doch in der Ordnung wäre, bezahlt worden. Wir müssen uns deshalb sehr knapp behelfen, und die Unzufriedenheit wird bei Vielen dadurch noch gesteigert.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar271-2_005" type="jArticle">
          <head>Swinemünde, 9. April.</head>
          <p>Gestern waren wieder 3 Dänische Kreuzer, weit abwärts, sichtbar.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar271-2_006" type="jArticle">
          <head><bibl><author>224</author></bibl> Aus Franken, 6. April.</head>
          <p>Würzburg, unsere zweite fränkische Hochschule, hatte sich noch bei dem Abtreten des Herrn von Beisler vom Ministerposten einer besonderen Gnade, wenn man will, auch eines besonders gnädigen Fußtritts dieses hohen Herrn zu erfreuen. Durch ihn nämlich wurde der Ultramontane Philipps (der in Frankfurt ewig verlachte Doppelgänger seines Kollegen Buß) an obiger Universität reaktivirt. Beisler, der in Frankfurt durch sein unvorsichtiges und unchristliches Poltern gegen den Jesuitismus sich den Haß aller Strenggläubigen und Ultramontanen à la Gomorrhianer-Lassaulx zugezogen, merkte gleichwohl noch bei Zeiten, durch seine ihm eigene Spürnase, die Lunte des Herrn v. Abel, und um sich auch für eine zukünftige Kombination Abel möglich zu machen, erwieß er jenem diesen Liebesdienst. Sehr charakterfest dieser wassermännische Biedermann! Vor einigen Tagen nun hat das Plenum der Universität Würzburg einen einstimmigen Protest eingeschickt gegen diese anrüchige Kollegenschaft. Wird viel helfen! Gleichwohl dürfte Herr Philipps dadurch in eine unangenehme Lage kommen, ähnlich der mancher preußischer Steuerverweigerer. &#x2012; Von unsern Assisen erwarten sie ja keine Nachricht mehr. Sie sind verschollen wie der süßlichekelhafte Gomorrhianer Ernst Lassaulx aus Koblenz in dem Parlament verschwunden ist. Man verschiebt sie von einem Monat zum andern, und jetzt hat man sie wieder weit in den April hineinverlegt, um ihre ganze (politische) Wirksamkeit auf Null reduziren zu können. Dadurch ist unterdessen Zeit gewonnen, bald hier einem Unglücklichen die Thore des Kerkers öffnen zu können, bald dort einen Hochverrathsprozeß niederzuschlagen, und wohl möchte es kommen, daß für die nächste politische Assisensitzung keine drei politischen Prozesse zur Aburtheilung vorliegen. Dazu hat ein solches Verfahren noch überdies den wichtigen Vortheil für jene Herren, daß gleichzeitig das Interesse des Publikums völlig abgespannt und abgemattet wird. Sat sapienti!</p>
          <p>Bei dieser Gelegenheit darf ich nicht unterlassen, Ihnen einen charakteristischen Zwischenfall mitzutheilen, den unser neugebackenes öffentliches Gerichtsverfahren &#x2012; wenn anders bei einem winzigen Aktenstübchen von Oeffentlichkeit die Rede sein kann, dessen Raum kaum 50 Mann &#x201E;erlesenen Publikums&#x201C; zu fassen im Stande ist &#x2012; zu Tage gefördert hat; er wird Ihnen wieder einen schlagenden Beweis liefern, welche feige volksfeindliche Kreaturen unsere vormärzlichen burschenschaftlichen Liberalen nach dem Märzwinde geworden sind. Einige verthierte Reichspolizeisoldaten hatten in würdiger Erkennung ihrer Spionen- und Denunciantenbestimmung, aller Wahrscheinlichkeit nach auch von Oben influirt, einen Handwerker denuncirt, gegen die &#x201E;Unantastbarkeit&#x201C; (süddeutscher Bierbeamtenstyl!) Sr. bairischen Majestät beleidigende Worte ausgestoßen zu haben! Die Anklage kam am 29. März vor dem oberfränkischen Kreisgerichte zur öffentlichen Schlußverhandlung. Anstatt nun eine so verächtliche Mouchardgeschichte nach Gebühr zurückzuweisen und einige in der Trunkenheit ausgestoßene, die königliche Würde nicht im mindesten kompromittirenden Worte nicht hochnothpeinlich zu verfolgen, beantragte der geschmeidige Staatsanwalt halbjährige Zuchthausstrafe. Und dieser Mensch, ein Burschenschaftler pur sang, hatte an sich selbst einst die Wirkungen elender Denunciationen erfahren, als er wegen eines Pereat auf den <gap reason="illegible"/> König von Preußen in einen Hochverrathsprozeß verwickelt worden. Dennoch wurde dieser eitle Phrasenmacher selbst in dem absolutistischen Metternichschen Polizeistaate der Anklage entbunden.
</p>
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[1531/0001] Neue Rheinische Zeitung Organ der Demokratie. No 271. Köln, Freitag, den 13. April 1849. Vierteljähriger Abonnementspreis in Köln 1 Thlr. 7 1/2 Sgr., bei allen preußischen Postanstalten 1 Thlr. 17 Sgr. ‒ Im Auslande wende man sich: in Belgien an die betreffenden Postanstalten; in London an W. Thomas, 21 Catherine-Street, Strand; in Paris an W. Thomas, 38 Rue Vivienne, und an A. Hovas, 3 Rue Jean Jacques Rcusseau. Insertionen werden mit 18 Pf. die Petitzeile oder deren Raum berechnet. ‒ Auskunft, Annahme und Abgabe chiffrirter Briefe gratis. ‒ Nur frankirte Briefe werden angenommen. ‒ Expedition in Aachen bei Ernst ter Meer; in Düsseldorf bei F. W. Schmitz, Burgplatz; in Köln Unter Hutmacher Nro. 17. Zweite Ausgabe. Deutschland. * Köln, 12. April. _ * Köln, 12. April. _ X Berlin, 10. April. Aus Schleswig war bekanntlich auch eine Deputation hier angekommen, welche unter dem Vortritt des Advokaten Bargun, Präsidenten der Schleswig-Holstein'schen Landesversammlung, dem Könige Glück wünschen sollte zur Kaiserwahl, und ihn allerunterthänigst ersuchen, die Krone zum Nutz und Frommen des heiligen römischen Reichs anzunehmen. Die Deputation kam leider erst nach den Eingebungen, welche Se. Maj. in Freienwalde erhalten hatten, sie kam, nachdem die famose Antwort die Frankfurter Professoren in die gebührende Schranken zurückgewiesen hatte. Bargun bemühte sich nun vergeblich um eine Audienz. Man suchte ihn durch allerlei Versprechungen hinzuhalten, und endlich wurde ihm durch den Minister eröffnet, Se. Maj. könne die Herren Schleswig-Holsteiner als Deputation nicht empfangen, Sie würden aber sehr gern geneigt sein, dieselbe einzeln zu empfangen, wolle die Deputation darauf eingehen, so wäre sie hiermit zum Diner bei Se. Maj. am Montag eingeladen. Bargun erwiderte, sie seien als Deputation gekommen, und fühlten sich nicht befugt, als Privatleute dieser Einladung Folge zu leisten. Die Schleswig-Holsteiner sind demgemäß auch gestern abgereist, wahrscheinlich um einer eventuellen Ausweisung zu entgehen. Wir gaben vor Kurzem die Nachricht, daß der General Wrangel in das Schützenhaus, ein Privateigenthum der hiesigen Gilde, eine Kompagnie Soldaten hineingelegt habe, ohne die Besitzer um Erlaubniß zu fragen. Diese Nachricht ging über in die meisten Zeitungen und erregte bei dem Diktator und seinen Freunden einen solchen Aerger, daß sie sich herabließen, dem servilen Vorstand eine Untersuchung anzubefehlen, um den Verbreiter und Urheber des Gerüchts zu erfahren. Der Vorstand säumte natürlich nicht sogleich mehrere als oppositionell bekannte Mitglieder vor sein Forum zu fordern, weil er glaubte, daß diese an dem Aerger Schuld seien, welche ihr allergnädigster Wrangel über die betreffende Nachricht empfunden hat. Wir können also nächstens eine offizielle Widerlegung unserer Nachricht erwarten, weisen aber darauf hin, auf welche Weise solche Berichtigungen entstehen. Nach Frankfurt a. d. O. waren, wie wir meldeten, mehrere Abgeordnete der zweiten Kammer von der äußersten Linken gereist, um sich von den parlamentarischen Strapazen zu erholen. Die Ankunft dieser Herren erregte dort die Furcht der Reaktionäre und ihrer Freunde der Beamten in solchem Maße, daß man nichts Geringeres als eine Revolution und Proklamirung der rothen Republik befürchtete. Die Soldaten erhielten also, um die Demokratie in Zaum zu halten, scharfe Patronen, die Wachen wurden verdoppelt und man erreichte nichts, als daß man sich wie gewöhnlich lächerlich machte. In Calau, einem Städtchen in der Niederlausitz, bekannt durch seine rein demokratische Gesinnung, ist heute Kongreß der demokratischen Vereine der ganzen Niederlausitz. In diesem Theile der Provinz Brandenburg ist die Reaktion überhaupt ganz in der Minorität, nur die Zusammenlegung der Wahlkreise und Wahlumtriebe haben es durchzusetzen vermocht, daß z. B. der Minister Manteuffel in Luckau mit einer Stimme Majorität gewählt wurde. Wenn man bei Gelegenheit der Kaiserfrage selbst unsern armen Göthe nicht mit Einschiebseln verschont hat, so entging der alte Shakespeare einer Censur der hohen preußischen General-Intendantur noch viel weniger. Bei der Aufführung seines Hamlet wurde gestern Abend das bekannte „es ist etwas faul im Staate Dänemark“ gestrichen. Bekanntlich wird der Militäretat in den Finanzvorlagen jährlich mit circa 28 Millionen aufgeführt. In diesem Jahre finden wir in den Finanzvorlagen, wie sie der Kammer gemacht wurden, nur einen extraordinären Zuschuß von 1 1/2 Mill. berechnet. In der That gehört nicht geringe Naivetät dazu, um ungescheut mit einer solchen Angabe hervorzutreten, welche erst dann in ihrer vollen Lächerlichkeit da steht, wenn man hinzunimmt, daß in keiner der Finanzvorlagen irgendwie eine Mehrausgabe für das Jahr 1848 erwähnt wird. Jedermann weiß, daß vom März bis Ende Juni sämmtliche Linien-Infanterie-Regimenter auf die Kriegsstärke und damit auf den doppelten Etat gesetzt waren. Jedermann weiß, daß von Anfang Mai bis Ende August in gleicher Stärke fast alle Landwehr-Bataillons zusammengezogen worden sind, daß sich ferner seit Anfang November und bis zur Gegenwart alle Landwehr-Bataillons (mit einzelnen Ausnahmen) unter den Fahnen befinden und wir würden hiernach schon eine Ausgabe nachweisen können, die beinahe das Doppelte des gewöhnlichen Bedarfs erreicht. Es kommt hinzu, daß den Unteroffizieren und Soldaten seit dem März v. J. eine tägliche Zulage von 1 Sgr. 2 Pf. gewährt wird, daß die Offiziere ganze und resp. halbe Feldzulage beziehen, daß einem großen Theil der Infanterie-Regimenter die Mobilmachungs-Pferde (circa 80 per Regiment) überwiesen sind, diese also angekauft und seit jener Zeit verpflegt werden mußten, daß der Pferdebestand der Artillerie sehr bedeutend vermehrt worden ist, daß die vielfachen Truppenmärsche und Beförderung derselben auf den Eisenbahnen immense Summen gekostet haben und daß zur Instandsetzung der Festungen Millionen verwandt werden mußten. Wir würden in der Lage sein, noch sehr lange fortzufahren, wollten wir alle die außergewöhnlichen Ausgaben hier speciell aufführen, wir wollen vielmehr nur noch daran erinnern, daß um die Bekleidung und Ausrüstung der Landwehr zu vervollständigen, sehr bedeutende Ausgaben nöthig wurden, daß die Bekleidung der Landwehr, auf welcher eigentlich eine Tragezeit von 10 und resp. 20 Jahren haftet, jetzt in einem Jahre abgetragen sind und daß endlich die außergewöhnlich vielfachen Pensionirungen von Offizieren, theils wegen Unfähigkeit, theils weil sie nicht geeignet befunden wurden, dem Absolutismus als blinde Werkzeuge zu dienen, den Pensionsetat wesentlich in Anspruch genommen haben. Diese Angaben dürften mehr als genügend erscheinen, um die Behauptung vollständig zu rechtfertigen, daß vom März v. J. bis jetzt mindestens 50 Millionen für das Militär ausgegeben worden sind, also die ganz kleine Differenz von 21 bis 22 Millionen gegen den Etat. Man erwartet jeden Abend die Entlassung des Grafen Arnim, Ministers des Auswärtigen, und die seines Kollegen Rintelen im Staatsanzeiger zu lesen. Es scheint aber, daß sich Herr Arnim in seinem Fauteuil so wohl befindet, daß er nicht daran denkt, einem andern diesen gloriosen Sitz zu überlassen. Die Revolution soll verwischt werden bis auf das letzte Zeichen, welches die Menschen an einen 18. März erinnern könnte. Das Rauchen auf offener Straße war den feinen Nasen unserer Aristokraten längst unangenehm gewesen, man weiß aber, daß gerade das Verbieten solcher Kleinigkeiten die Wuth des Volkes zumeist erregt. Endlich hatte man sich entschlossen, „die letzte Märzerrungenschaft zu eskamotiren und dem Oberkonstabler die geeigneten Befehle gegeben. Auf der Polizei sah man das Gefährliche solcher Maßregel noch besser ein, rekurrirte zurück und stellte das Ungeeignete des Verbots vor. So schwebt die Sache noch, das Damoklesschwert hängt zum Schrecken, besonders der Philister, noch über der getreuen Stadt Berlin. * Aus Preußen, 8. April. Unter diesem Datum theilt die Ostsee-Zeitung folgenden ergötzlichen Brief eines preußischen Landwehrmannes mit, nach welchem am Besten der Zustand „Meines herrlichen Kriegheeres“ beurtheilt werden mag: Marienburg, den 6. April. Wir werden am zweiten Festtage von hier abmarschiren und am 11. d. M. in Danzig ankommen. Das Einkleiden und Ordnen des Bataillons hat unverhältnißmäßig lange gedauert, einestheils, weil es nicht mit der gehörigen Ordnung angefangen ist, anderntheils, weil die Leute sich sehr widerspenstig gezeigt haben. Unsere Kompagnie hat sich mit Gewalt der Arretirung einiger Raisonneurs widersetzt und ihren Widerstand bis zur Gränze von Thätlichkeiten durchgeführt. Da haben die Offiziere denn für jetzt nachgegeben. Mir ist bei diesen Geschichten nicht ganz wohl; die Leute wissen Gesetz und Willkür, Ordnung und sclavische Disciplin nicht zu unterscheiden. Doch immer ist es erfreulich, daß der starre Knechtssinn gebrochen ist, und daß die Leute das Gefühl, wenn auch nur dunkel haben, daß ihnen durch Willkür und reinen Despotismus nur ein Unrecht geschieht. Uebrigens sind die Leute keinesweges so schwarz-weiß, wie ich geglaubt hatte, und trotz einer sogenannten patriotischen Anrede des Herrn Majors, eines fanatischen Preußenvereiners, wie man sagt, hat sich selbst der erwartete Ruf: „Es lebe der König!“ aus keinem Munde hören lassen. Allgemein ist die Ansicht verbreitet, daß wir nur kurze Zeit in Danzig bleiben werden; ein Offizier meinte, wir würden in einigen Wochen weiter marschiren. Zu unserem großen Leidwesen bekommen wir keine Kriegszulage, sondern nur einen Achthalber (2 1/2 Sgr.) täglich. Auch sind die mitgebrachten Stiefel und Hemden nicht, wie es doch in der Ordnung wäre, bezahlt worden. Wir müssen uns deshalb sehr knapp behelfen, und die Unzufriedenheit wird bei Vielen dadurch noch gesteigert. Swinemünde, 9. April. Gestern waren wieder 3 Dänische Kreuzer, weit abwärts, sichtbar. 224 Aus Franken, 6. April. Würzburg, unsere zweite fränkische Hochschule, hatte sich noch bei dem Abtreten des Herrn von Beisler vom Ministerposten einer besonderen Gnade, wenn man will, auch eines besonders gnädigen Fußtritts dieses hohen Herrn zu erfreuen. Durch ihn nämlich wurde der Ultramontane Philipps (der in Frankfurt ewig verlachte Doppelgänger seines Kollegen Buß) an obiger Universität reaktivirt. Beisler, der in Frankfurt durch sein unvorsichtiges und unchristliches Poltern gegen den Jesuitismus sich den Haß aller Strenggläubigen und Ultramontanen à la Gomorrhianer-Lassaulx zugezogen, merkte gleichwohl noch bei Zeiten, durch seine ihm eigene Spürnase, die Lunte des Herrn v. Abel, und um sich auch für eine zukünftige Kombination Abel möglich zu machen, erwieß er jenem diesen Liebesdienst. Sehr charakterfest dieser wassermännische Biedermann! Vor einigen Tagen nun hat das Plenum der Universität Würzburg einen einstimmigen Protest eingeschickt gegen diese anrüchige Kollegenschaft. Wird viel helfen! Gleichwohl dürfte Herr Philipps dadurch in eine unangenehme Lage kommen, ähnlich der mancher preußischer Steuerverweigerer. ‒ Von unsern Assisen erwarten sie ja keine Nachricht mehr. Sie sind verschollen wie der süßlichekelhafte Gomorrhianer Ernst Lassaulx aus Koblenz in dem Parlament verschwunden ist. Man verschiebt sie von einem Monat zum andern, und jetzt hat man sie wieder weit in den April hineinverlegt, um ihre ganze (politische) Wirksamkeit auf Null reduziren zu können. Dadurch ist unterdessen Zeit gewonnen, bald hier einem Unglücklichen die Thore des Kerkers öffnen zu können, bald dort einen Hochverrathsprozeß niederzuschlagen, und wohl möchte es kommen, daß für die nächste politische Assisensitzung keine drei politischen Prozesse zur Aburtheilung vorliegen. Dazu hat ein solches Verfahren noch überdies den wichtigen Vortheil für jene Herren, daß gleichzeitig das Interesse des Publikums völlig abgespannt und abgemattet wird. Sat sapienti! Bei dieser Gelegenheit darf ich nicht unterlassen, Ihnen einen charakteristischen Zwischenfall mitzutheilen, den unser neugebackenes öffentliches Gerichtsverfahren ‒ wenn anders bei einem winzigen Aktenstübchen von Oeffentlichkeit die Rede sein kann, dessen Raum kaum 50 Mann „erlesenen Publikums“ zu fassen im Stande ist ‒ zu Tage gefördert hat; er wird Ihnen wieder einen schlagenden Beweis liefern, welche feige volksfeindliche Kreaturen unsere vormärzlichen burschenschaftlichen Liberalen nach dem Märzwinde geworden sind. Einige verthierte Reichspolizeisoldaten hatten in würdiger Erkennung ihrer Spionen- und Denunciantenbestimmung, aller Wahrscheinlichkeit nach auch von Oben influirt, einen Handwerker denuncirt, gegen die „Unantastbarkeit“ (süddeutscher Bierbeamtenstyl!) Sr. bairischen Majestät beleidigende Worte ausgestoßen zu haben! Die Anklage kam am 29. März vor dem oberfränkischen Kreisgerichte zur öffentlichen Schlußverhandlung. Anstatt nun eine so verächtliche Mouchardgeschichte nach Gebühr zurückzuweisen und einige in der Trunkenheit ausgestoßene, die königliche Würde nicht im mindesten kompromittirenden Worte nicht hochnothpeinlich zu verfolgen, beantragte der geschmeidige Staatsanwalt halbjährige Zuchthausstrafe. Und dieser Mensch, ein Burschenschaftler pur sang, hatte an sich selbst einst die Wirkungen elender Denunciationen erfahren, als er wegen eines Pereat auf den _ König von Preußen in einen Hochverrathsprozeß verwickelt worden. Dennoch wurde dieser eitle Phrasenmacher selbst in dem absolutistischen Metternichschen Polizeistaate der Anklage entbunden.

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Marx-Engels-Gesamtausgabe: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-20T13:08:10Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jürgen Herres: Konvertierung TUSTEP nach XML (2017-03-20T13:08:10Z)
Maria Ermakova, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Frank Wiegand: Konvertierung XML nach DTA-Basisformat (2017-03-20T13:08:10Z)

Weitere Informationen:

Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 2 (Nummer 184 bis Nummer 301) Köln, 1. Januar 1849 bis 19. Mai 1849. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




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Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 271. Köln, 13. April 1849. Zweite Ausgabe, S. 1531. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz271ii_1849/1>, abgerufen am 21.11.2024.