Neue Rheinische Zeitung. Nr. 262. Köln, 3. April 1849.Neue Rheinische Zeitung Organ der Demokratie. No 262. Köln, Dienstag, den 3 April. 1849. Vierteljähriger Abonnementspreis in Köln 1 Thlr. 7 1/2 Sgr., bei allen preußischen Postanstalten 1 Thlr. 17 Sgr. - Im Auslande wende man sich: in Belgien an die betreffenden Postanstalten; in London an W. Thomas, 21 Catherine-Street, Strand; in Paris an W. Thomas, 38 Rue Vivienne, und an A. Havas, 3 Rue Jean Jacques Rousseau. Insertionen werden mit 18 Pf. die Petitzeile oder deren Raum berechnet. Auskunft, Annahme und Abgabe chiffrirter Briefe gratis. Nur frankirte Briefe werden angenommen. Expedition Unter Hutmacher Nro. 17. Uebersicht. Deutschland. Elberfeld, Barmen. (Eine kaiserliche Enttäuschung). Münster. (Groneweg frei. - Neuer Bescheid an die Dezember-Gefangenen.) Berlin. (Vermischtes. - Kammer. - Polizei-Direktor Dunker.) Wien. (Vermischtes.) Prag. (Gerichtliche Verfolgungen gegen das Organ der Slovanska lipa.) Dresden. (v. Könneritz bleibt Gesandter.) Gotha. (Das Staatsgrundgesetz und der liebe Landesvater.) Mainz. (Prozeß wegen Menschenraub.) Freiburg. (Verurtheilung). Polen. Polnische Gränze. (Die Russen. - Aus Siebenbürgen.) Ungarn. Vom Kriegsschauplatze. Pesth. (Hinrichtung.) Italien. Friedensschluß. Franz. Republik. Paris. (Vermischtes. - National-Versammlung.) Bourges. (Prozeß der Maigefangnen.) Großbritannien. London. (Parlament. - Die westindische Post.) Dänemark. Kopenhagen. (Kriegsministerielle Proklamation.) Deutschland. 9 Elberfeld, 31. März. Der neue preußische Kaiser mundet unsern Herren Fubrikanten vortrefflich. Gestern Nachmittag schon wurden die deutschen und preußischen Fahnen aus vielen "vornehmen" Fenstern gehangen, und Böllerschüsse von den umliegenden Höhen verkündeten unsern elenden Proletariern das freudige Ereigniß. Jetzt, meinen die Herren, nachdem Deutschland in Preußen aufgegangen, werde der Handel erst recht blühen, da es keinem Zweifel untertiege, daß der Gottbegnadete recht bald "Alles in Ordnung" bringen werde. Ihre einzige Angst ist, der König möge die Wahl nicht annehmen, doch hoffen sie, daß, wenn auch formelle Hindernisse die definitive Annahme vor der Hand verbieten sollten, Se. Majestät sich doch jedenfalls den edlen Vorkämpfer Gagern als Minister verschreiben werde. Heute Morgen mußten sich die Elberfelder im Datum geirrt haben. Die ganze Stadt wurde gegen 10 Uhr mit Fahnen, Kränzen etc. geschmückt, 24 der nobelsten Equipagen rollten leer nach dem Bahnhofe und ihnen folgte eine Kompagnie Schützenbürgerwehr sowie zwei hochberittene Gensdarmen. Man erwartete zum festlichen Empfange mit dem Zuge von Düsseldorf die Deputirten Frankfurts, weil man vernommen, daß diese Herren sich schmeichelten, den Umweg über hier zu nehmen. Gegen halb 11 Uhr kam der Zug, die Böller krachten und die Glocken der Kirchen läuteten, aber - die Deputirten kamen nicht. So wurden die loyalen Spießbürger schon am 31. März in den April geschickt. Ein böses Omen. Unser Gemeinderath hat sich beeilt, eine Adresse an Se. Majestät zu richten, worin es heißt, daß die Vertreter des deutschen Volkes nun zu dem Baue der vom ganzen deutschen Volke so heiß ersehnten Einheit den Schlußstein gelegt, und daß nun in den Händen der preußischen Majestät das Geschick des deutschen Volkes liege etc. 309 Barmen, 31. März. Irgend ein Schelm machte sich das Vergnügen schon am 31. März unsere kaiserduselige Städtväter mit dem Gerücht in den "April" zu schicken, die Kaiser-Deputation käme heute mit dem Erzherzog an der Spitze nach Berlin hier durch. - Um 9 Uhr diesen Morgen rannten bereits Stadtverordnete rath- und kopflos ob des wichtigen Tages durch die Stadt. Aufforderungen zum Jubel und zum Schmücken der Häuser wurden angeklebt und die Jünger der heiligen Hermandad befahlen jedem Hauseigenthümer irgend welche Fahne auszustecken. Das Philisterium parirte natürlich ordre, wenn auch mit zweideutigem Bemerken "vie mötten jo van den Kooplüden leven." Um den Blödsinn vollständig zu machen, lassen die Pfaffen wieder feierlichst läuten, Kanonen donnern und die Väter der Stadt fahren in Galla und großer Würde zum Bahnhof. - Bald darauf wirds lebendig auf den Straßen, alles wogt dem Rathhause zu, und hinter der Menge her die Carrossen mit den langgewordenen Gesichtern und Ohren der Stadträthe. Mit wahrem Feuereifer läßt der schwarzweiße heilige Stadtschuldirektor jetzt seine mit dem ganzen Pfaffenthum auf dem Rathhause versammelte Schuljugend das diesen Morgen noch schnell eingepauckte "Was ist des deutschen Vaterland" ableiern, und dann hält der wegen der Nachtstuhlexpedition "von Gottes Gnaden" bekannte und mit dem "unvermeidlichen" dekorirte Beigeordnete Kebel eine demosthenische Rede, worin er blumenreich entwickelt, daß sie in den "April" geschickt und die Deputirten des Froschteichs über Duisburg zum Gottbegnadeten gefahren seien. 115 Münster, 30. März. Der Schwan singt vor seinem Ende - das Münster'sche Gericht ist vor seinem Ende einmal noble. Der Dezembergefangene Justizrath Groneweg ist gestern Mittag entlassen worden, obgleich seine Einberufung noch nicht amtlich verfügt worden. Sieben Dezembergefangene haben nochmals den Antrag auf Freilassung gestellt, weil den 1. April die neue Gerichtsorganisaton eintritt, und erboten sich zur Erlegung einer Kaution. Am Mittwoch wurde darüber ballotirt. Assessor Druffel, der stets für Freilassung gestimmt, wurde zu einer Leichenschau nach Boesensell kommandirt, und Herr Stockhausen hat zu viel Charakter, als daß er sich der Abstimmung enthalten sollte, und so kam denn folgender Wechselbach zur Welt: "Auf das heutige, den Erlaß der Untersuchungshaft wiederholt beantragende Gesuch eröffnen wir Ihnen, daß die Voraussetzung desselben, als wenn wegen der Abwesenheit einiger zur zweiten Kammer berufenen Mitangeschuldigten der Abschluß des Untersuchungsverfahrens einen Aufenthalt erleiden müsse, nicht begründet erscheint, keinen Falls aber darin Veranlassung liegen würde, von dem auf geführte Beschwerde auch von dem Kriminalsenat bestätigten Verhaftungsbeschlusse abzugehen und damit dem Staatsanwalt vorzugreifen, dessen Wirksamkeit mit dem 1. k. M. beginnen wird. - Münster, den 28. März 1849. Königliches Land- und Stadtgericht. Abtheilung für Untersuchungssachen: Giese. An die Herren: Hamacher, Reinhard, Jacobi, v. Mirbach, Graumann, v. Schmitz, Blu- menfeld." Doch ich prophezeie, daß ich Ihnen den 2. April die Freilassung der noch eingesperrten Dezembergefangenen melde; denn der Oberlandesgerichtsrath Sethe wird Oberstaatsanwalt, und da dieser Mann, obgleich stark schwarz-weiß, einen Ruf als honetter und tüchtiger Jurist zu verlieren hat, so wird er sofort die Freilassung verfügen. Der Referendar von Vincke, Bruder des "berühmten", reist dieser Tage nach Amerika zum Ankauf von Gütern. Ob die Schweine in Amerika eben so fett werden als auf Ickern, darüber erhalten wir gewiß später Aufschluß. Per Estaffette kam gestern der Befehl an, daß heute 2 Kompagnieen des 13. Infanterieregiments nach Minden abmarschiren. Man sagt, der Kriegsminister habe die Einberufung des Mindener Landwehrbataillons befohlen, General Groeben aber davon abgerathen, weil es böses Blut machen würde, wenn nun noch ein 4. Landwehrbataillon mobil gemacht würde. * Berlin, 31. März. Zu der Kommission für die Entwerfung einer Adresse, welche die Gefühle und Erwartungen der zweiten Kammer in Betreff der Frankfurter Ereignisse aussprechen solle, sind gewählt: v. Vinke, Ludwig (Mühlhausen), v. Berg, Berends, Pape (Münsterberg), Schramm, Elsner, v. Merckel, Müller (Siegen), Urlichs, Menzel, Sauber, Dahne, Ziegler, Grün, Arnim-Boitzenburg, v. Unruh, Wiethorst, v. Auerswald, Lensing, Ulrich. Es gehören also 11 Mitglieder der Linken und 10 der Rechten an. Da aber Grabow bei jeder Adreßkommission den Vorsitz führt und nach der neuen Geschäftsordnung mitstimmt, ist Stimmengleichheit vorhanden. Die Kommission ist heute um 5 Uhr Nachmittags zusammengetreten und wird die Adresse sogleich entwerfen, damit sie morgen gedruckt in den Händen der Abgeordneten sein und Dienstag oder Mittwoch zur Verhandlung kommen kann. In die Kommission für die Belagerungszustände in Erfurt, Kreuzburg und Posen sind gewählt in der 3. Abtheilung: Breithaupt, Ebert; in der 5.: Cibulski, Liebelt; in der 7.: Wallmuth, Görz-Wriesberg. Die andern Abtheilungen haben noch nicht gewählt. In der Verfassungskommission erklärte sich die eigentliche Rechte, Vinke etc., gegen die Wahl der Lehrer durch die Gemeinden. Die äußerste Rechte aber stimmte aus religiösen Gründen mit der Linken dafür. Graf Arnim-Boitzenburg erklärte offen, die ministerielle Gemeindeordnung müsse zur Anarchie führen, und gerade ihn hat die Rechte in die Gemeindekommission gewählt. Bei dem Diner, welches der Graf Brandenburg vorgestern gab, erschienen merkwürdigerweise nur die Männer der konstitutionellen eigentlichen Rechten. Kleist-Retzow, Bismark,, Bodelschwingh, Arnim-Boitzenburg waren nicht eingeladen, während Vinke, Auerswald etc. durch eine Einladung beehrt wurden. In der Fraktionsversammlung der Partei Rodbertus wurde der Antrag auf eine Adresse, um den König zur Annahme der Kaiserkrone zu bewegen, mit einer Majorität von fünf Stimmen, nach langer Debatte abgelehnt. Herr v. Unruh nahm ihn heute demungeachtet auf und erfreute sich der Unterstützung der Fraktionen Rodbertus, Kosch und Immermann!! Der hiesige Verlagsbuchhändler Hofmann wurde dieser Tage auf die Polizei gerufen, und ihm dort Folgendes zu Protokoll erklärt: "Das Polizeipräsidium hat in Erfahrung gebracht, daß die Buchhandlung A. Hofmann und Komp. das Journal "Münchener Leuchtkugeln" hier vertreibt. Diese Blätter enthalten täglich Artikel in Schrift und Bild, welche nahe an Hochverrath und Majestätsbeleidigung streifen. Wenn er daher fortfahren sollte, diese Blätter zu vertreiben, so würde das Oberkommando der Truppen in den Marken sich genöthigt sehen, ihm das Geschäft zu schließen." Das Füsilierbataillon des 12. Regiments hat heute Vormittag Befehl erhalten, binnen zwei Stunden nach Schleswig-Holstein zu marschiren. Trotz der österreichischen Siegesberichte aus Italien, trotz der Abdankung Karl Alberts und trotz der Kaiserdeputationen war unsere Börse heute wieder sehr flau gestimmt. Man hatte Briefe aus Hamburg bekommen, welche den Friedensabschluß mit Dänemark entfernter als je schildern. Dänemark hat seine Ansprüche jetzt so hoch gestellt, daß selbst das Ministerium Manteuffel es nicht wagen will, unter solchen Bedingungen den Frieden abzuschließen. Diese gewisse Aussicht auf einen neuen dänischen Feldzug hat die Haussiers an unserer Börse von Neuem entmuthigt. * Berlin, 31. März. Sitzung der zweiten Kammer. Eröffnung 11 1/4 Uhr. Präsident Grabow erstattet Bericht über die Ueberreichung der Adresse unter Vorlesung der vom Könige gesprochenen Erwiderung. Es wird beschlossen, diese Erwiderung wörtlich ins Protokoll aufzunehmen. Der Präsident theilt ferner mit, daß das Ministerium drei Denkschriften über den Belagerungszustand in Erfurt, in Posen und in dem Kreise Kreuzberg überreicht habe. Eine besondere Kommission von 14 Mitgliedern soll nach dem Vorschlage des Präsidenten für die gesammte Angelegenheit aus den Abtheilungen gewählt werden. Die Versammlung nimmt den Vorschlag des Präsidenten an. Der Ministerpräsident erhebt sich: Meine Herren! Es sind in den jüngst verflossenen Tagen von der Frankfurter National-Versammlung Beschlüsse gefaßt worden von unverkennbar hoher Wichtigkeit für Preußen, für Deutschland, für das Haus Hohenzollern. Amtliche Eröffnungen hat die Regierung indeß noch nicht erhalten. Sie glaubt jedoch schon jetzt versichern zu müssen, daß der Weg, den sie einzuschlagen denkt, der bereits vorgezeichnete ist und der sich des Beifalls beider Kammern zu erfreuen gehabt hat. Präsident Grabow: Es sind zwei diese vom Herrn Ministerpräsidenten so eben berührte Angelegenheit betreffende Anträge eingegangen. Der eine vom Abg. Unruh: "Eine Adresse an des Königs Majestät zu erlassen, mit der Bitte, die von der deutschen National-Versammlung in Frankfurt Sr. Maj. angetragene Kaiserwürde anzunehmen, und sofort eine Kommission zur Abfassung der Adresse zu ernennen." 120 Stimmen sind nach der Geschäftsordnung zur Begründung der Dringlichkeit des Antrages erforderlich. Wiederholte Zählungen ergeben 111 für die Dringlichkeit. Der zweite Antrag, durch Vinke gestellt, lautet: "Die Kammer wolle beschließen, eine Kommission zur Entwerfung einer Adresse zu ernennen, in welcher die Versammlung ihre Gefühle und Erwartungen in Beziehung auf die erfolgte Wahl Sr. Majestät zum Kaiser von Deutschland ausspreche." Die Dringlichkeit wird unterstützt. Die Majorität entscheidet sich für sofortige Ernennung der Kommission Auch die Minister v. Manteuffel und v. d. Heydt erhoben sich für diesen Antrag. Tagesordnung: Interpellation des Abg. v. Möller an den Minister des Innern: "ob er von einem Erlaß der Regierung zu Minden Kenntniß habe, ob er denselben billige, und wo nicht, welche Maßregeln er dagegen zu ergreifen denke?" Der Erlaß betrifft das Versammlungsrecht. Die Regierung zu Minden will, daß die Unterbehörden den Versammlungen nicht durch Anbietung von Gemeindelokalen oder sonst Vorschub leisten. Minister v. Manteuffel erklärt sich bereit, die Interpellation heute noch zu beantworten. v. Möller bemerkt, die Interpellation sei schon in der Reichsversammlung zu Frankfurt angebracht, aber zur Erledigung an die Landesministerien zurückgewiesen worden. Der Erlaß sei kurz vor den Wahlen ergangen, unmittelbar nach dem Rundschreiben des Ministers über die Einwirkung der Behörden auf die Wahlen. Er glaube nicht, daß Unterbehörden berechtigt seien, die Gesetze nach Willkür zur Beschränkung der Freiheit auszulegen. Jener Erlaß nenne es eine Ungehörigkeit, daß Versammlungen im Namen des Volkes Beschlüsse fassen oder Wünsche aussprechen. Es sei ihm kein Gesetz bekannt, das dergleichen verbiete, die Gesetze geben vielmehr Jedem das Recht zu Petitionen. Minister des Innern: Er sei noch nicht in der Lage gewesen, über diesen Erlaß die Regierung in Minden zu horen, dennoch glaube er die geforderten Aufschlusse geben zu können. In vielen Gegenden sei das Versammlungsrecht falsch aufgefaßt worden, indem man, auf dasselbe gestützt, Rechte, die den Gemeindebehörden zustehen, zu usurpiren suchte. Versammlungen seien nie verboten worden, wohl aber habe er veranlaßt, daß Versammlungen nicht im Namen der Gemeinden abgehalten und Namens der Behörden Beschlüsse gefaßt werden. Er billige daher den Erlaß allerdings. Pape (Münsterberg) interpellirt das Staatsministerium über die Ausführung der von der National-Versammlung zu Gunsten der Invaliden gefaßten Beschlüsse. Minister v. Strotha erklärt, in diesem besondern Falle die Interpellation noch heute beantworten zu wollen. Pape begründet seine Interpellation. Nach einer Mittheilung des damaligen Kommissars des Kriegsministers, Hrn. v. Griesheim, würden jetzt 25,000 Invaliden mit 400,000 Thlr. unterstützt; nach der Angabe des damaligen Unterstaatssekretärs im Kriegsministerium betragen die Unterstützungen 1,100,000 Thlr. Er macht darauf aufmerksam, daß ein Invalide in Berlin Hunges gestorben sei. Dieser Zeitungsnachricht, die damals auch von der Tribüne herab erwähnt worden, sei nicht widersprochen worden. Während Invaliden verhungern, erhalten Personen, die ein großes Kapitalvermögen besitzen, wegen ihrer im Kriege geleisteten Dienste 4-800 Thlr. an Pensionen. Der Staat sei reich genug, um zu verhindern, daß die in seinem Dienste verarmten Krieger betteln. Minister v. Strotha: Nach dem Beschlusse der National-Versammlung erschien eine Kabinetsordre, welche diese Beschlüsse genehmigte und in Folge dersrlben ergingen Bekanntmachungen an alle Regierungen und Polizeibehörden, welche eine möglichst schleunige Ermittlung veranlaßten. Die beschlossene Klassensteuerbefreiung ist verfügt, die Verzichtleistungen auf Invalidenansprüche sind für nicht geschehen erklärt. Zum Beweise der Anspruchsqualität auf Invalidenunterstützung ist der Nachweis der Dürftigkeit und der Invalidität für genügend erklärt und als Prinzip jede Erleichterung bei Führung dieses Nachweses zugelassen worden. Ob es übrigens einem Arzte möglich ist. körperliche Gebrechen immer als Folgen der Kriegsstrapazen zu attestiren, steht zu bezweifeln. Ueber die angestellten Ermittelungen liegen übrigens bis jetzt erst 5 Berichte von Regierungen vor. Der Minister macht noch bemerklich, daß die gedachten Ermittelungen zweckmäßig der Civilverwaltung zu überlassen und von dem Militärressort allzuschneiden sein würden. Wolle die Kammer übrigens die ausreichede Unterstützung aller Krieger als Prinzip aufnehmen und dazu die nöthigen Gelder bewilligen, so werde er der Erste sein, der im Namen aller preußischen Veteranen der Versammlung seinen wärmsten Dank aussprechen werde. Bis jetzt wurden 32,000 Invaliden unterstützt, und sein Vorgänger im Amte habe darin eine dankenswerthe Thätigkeit entwickelt. Uebrigens sei die Aaflösung der Invalidenkompagnien im Werke, da die Erfahrung gelehrt habe, daß die Invaliden in ihrer Heimath besser zu leben im Stande seien, als an den Garnisonsorten. Finanzminister v. Raabe bemerkt, es sei in Betreff der verfügten Kopfsteuerbefreiung keine Beschwerde darüber eingegangen, daß die Regierungen die Verfügung unausgeführt gelassen hätten. Fortsetzung der Berichte über die Wahlprüfungen. Man beschließt, wegen der bei einer Wahl vorgekommenen Unregelmäßigkeiten die Akten dem Min. des Innern zugehen zu lassen. Ein dringender Antrag des Abg. Kinkel und Genossen findet Unterstützung. Er lautet: Die Kammer wolle beschließen, die beiden Strafprozesse, in welchen der Abg. Kinkel in zweiter Instanz auf den 18.April d J. vor das Landgericht zu Köln geladen ist, vorläufig zu sistiren und die Einforderung der Akten zu verlangen. Der Antrag geht an die Petitions-Kommission, welcher Beschleunigung empfohlen wird, weil noch vor dem Osterfest über den Antrag Beschluß gefaßt werden müsse, wenn dem Interesse des Antrages genügt werden solle. Reuter (Tilsit) erstattet Namens des Centralausschusses Bericht über den Antrag des Staatsanwalts Sethe, die gegen den Abg. Jung wegen Beleidigung des Magistrats zu Berlin einzuleitende Untersuchung zu ge- Neue Rheinische Zeitung Organ der Demokratie. No 262. Köln, Dienstag, den 3 April. 1849. Vierteljähriger Abonnementspreis in Köln 1 Thlr. 7 1/2 Sgr., bei allen preußischen Postanstalten 1 Thlr. 17 Sgr. ‒ Im Auslande wende man sich: in Belgien an die betreffenden Postanstalten; in London an W. Thomas, 21 Catherine-Street, Strand; in Paris an W. Thomas, 38 Rue Vivienne, und an A. Havas, 3 Rue Jean Jacques Rousseau. Insertionen werden mit 18 Pf. die Petitzeile oder deren Raum berechnet. Auskunft, Annahme und Abgabe chiffrirter Briefe gratis. Nur frankirte Briefe werden angenommen. Expedition Unter Hutmacher Nro. 17. Uebersicht. Deutschland. Elberfeld, Barmen. (Eine kaiserliche Enttäuschung). Münster. (Groneweg frei. ‒ Neuer Bescheid an die Dezember-Gefangenen.) Berlin. (Vermischtes. ‒ Kammer. ‒ Polizei-Direktor Dunker.) Wien. (Vermischtes.) Prag. (Gerichtliche Verfolgungen gegen das Organ der Slovanska lipa.) Dresden. (v. Könneritz bleibt Gesandter.) Gotha. (Das Staatsgrundgesetz und der liebe Landesvater.) Mainz. (Prozeß wegen Menschenraub.) Freiburg. (Verurtheilung). Polen. Polnische Gränze. (Die Russen. ‒ Aus Siebenbürgen.) Ungarn. Vom Kriegsschauplatze. Pesth. (Hinrichtung.) Italien. Friedensschluß. Franz. Republik. Paris. (Vermischtes. ‒ National-Versammlung.) Bourges. (Prozeß der Maigefangnen.) Großbritannien. London. (Parlament. ‒ Die westindische Post.) Dänemark. Kopenhagen. (Kriegsministerielle Proklamation.) Deutschland. 9 Elberfeld, 31. März. Der neue preußische Kaiser mundet unsern Herren Fubrikanten vortrefflich. Gestern Nachmittag schon wurden die deutschen und preußischen Fahnen aus vielen „vornehmen“ Fenstern gehangen, und Böllerschüsse von den umliegenden Höhen verkündeten unsern elenden Proletariern das freudige Ereigniß. Jetzt, meinen die Herren, nachdem Deutschland in Preußen aufgegangen, werde der Handel erst recht blühen, da es keinem Zweifel untertiege, daß der Gottbegnadete recht bald „Alles in Ordnung“ bringen werde. Ihre einzige Angst ist, der König möge die Wahl nicht annehmen, doch hoffen sie, daß, wenn auch formelle Hindernisse die definitive Annahme vor der Hand verbieten sollten, Se. Majestät sich doch jedenfalls den edlen Vorkämpfer Gagern als Minister verschreiben werde. Heute Morgen mußten sich die Elberfelder im Datum geirrt haben. Die ganze Stadt wurde gegen 10 Uhr mit Fahnen, Kränzen etc. geschmückt, 24 der nobelsten Equipagen rollten leer nach dem Bahnhofe und ihnen folgte eine Kompagnie Schützenbürgerwehr sowie zwei hochberittene Gensdarmen. Man erwartete zum festlichen Empfange mit dem Zuge von Düsseldorf die Deputirten Frankfurts, weil man vernommen, daß diese Herren sich schmeichelten, den Umweg über hier zu nehmen. Gegen halb 11 Uhr kam der Zug, die Böller krachten und die Glocken der Kirchen läuteten, aber ‒ die Deputirten kamen nicht. So wurden die loyalen Spießbürger schon am 31. März in den April geschickt. Ein böses Omen. Unser Gemeinderath hat sich beeilt, eine Adresse an Se. Majestät zu richten, worin es heißt, daß die Vertreter des deutschen Volkes nun zu dem Baue der vom ganzen deutschen Volke so heiß ersehnten Einheit den Schlußstein gelegt, und daß nun in den Händen der preußischen Majestät das Geschick des deutschen Volkes liege etc. 309 Barmen, 31. März. Irgend ein Schelm machte sich das Vergnügen schon am 31. März unsere kaiserduselige Städtväter mit dem Gerücht in den „April“ zu schicken, die Kaiser-Deputation käme heute mit dem Erzherzog an der Spitze nach Berlin hier durch. ‒ Um 9 Uhr diesen Morgen rannten bereits Stadtverordnete rath- und kopflos ob des wichtigen Tages durch die Stadt. Aufforderungen zum Jubel und zum Schmücken der Häuser wurden angeklebt und die Jünger der heiligen Hermandad befahlen jedem Hauseigenthümer irgend welche Fahne auszustecken. Das Philisterium parirte natürlich ordre, wenn auch mit zweideutigem Bemerken „vie mötten jo van den Kooplüden leven.“ Um den Blödsinn vollständig zu machen, lassen die Pfaffen wieder feierlichst läuten, Kanonen donnern und die Väter der Stadt fahren in Galla und großer Würde zum Bahnhof. ‒ Bald darauf wirds lebendig auf den Straßen, alles wogt dem Rathhause zu, und hinter der Menge her die Carrossen mit den langgewordenen Gesichtern und Ohren der Stadträthe. Mit wahrem Feuereifer läßt der schwarzweiße heilige Stadtschuldirektor jetzt seine mit dem ganzen Pfaffenthum auf dem Rathhause versammelte Schuljugend das diesen Morgen noch schnell eingepauckte „Was ist des deutschen Vaterland“ ableiern, und dann hält der wegen der Nachtstuhlexpedition „von Gottes Gnaden“ bekannte und mit dem „unvermeidlichen“ dekorirte Beigeordnete Kebel eine demosthenische Rede, worin er blumenreich entwickelt, daß sie in den „April“ geschickt und die Deputirten des Froschteichs über Duisburg zum Gottbegnadeten gefahren seien. 115 Münster, 30. März. Der Schwan singt vor seinem Ende ‒ das Münster'sche Gericht ist vor seinem Ende einmal noble. Der Dezembergefangene Justizrath Groneweg ist gestern Mittag entlassen worden, obgleich seine Einberufung noch nicht amtlich verfügt worden. Sieben Dezembergefangene haben nochmals den Antrag auf Freilassung gestellt, weil den 1. April die neue Gerichtsorganisaton eintritt, und erboten sich zur Erlegung einer Kaution. Am Mittwoch wurde darüber ballotirt. Assessor Druffel, der stets für Freilassung gestimmt, wurde zu einer Leichenschau nach Boesensell kommandirt, und Herr Stockhausen hat zu viel Charakter, als daß er sich der Abstimmung enthalten sollte, und so kam denn folgender Wechselbach zur Welt: „Auf das heutige, den Erlaß der Untersuchungshaft wiederholt beantragende Gesuch eröffnen wir Ihnen, daß die Voraussetzung desselben, als wenn wegen der Abwesenheit einiger zur zweiten Kammer berufenen Mitangeschuldigten der Abschluß des Untersuchungsverfahrens einen Aufenthalt erleiden müsse, nicht begründet erscheint, keinen Falls aber darin Veranlassung liegen würde, von dem auf geführte Beschwerde auch von dem Kriminalsenat bestätigten Verhaftungsbeschlusse abzugehen und damit dem Staatsanwalt vorzugreifen, dessen Wirksamkeit mit dem 1. k. M. beginnen wird. ‒ Münster, den 28. März 1849. Königliches Land- und Stadtgericht. Abtheilung für Untersuchungssachen: Giese. An die Herren: Hamacher, Reinhard, Jacobi, v. Mirbach, Graumann, v. Schmitz, Blu- menfeld.“ Doch ich prophezeie, daß ich Ihnen den 2. April die Freilassung der noch eingesperrten Dezembergefangenen melde; denn der Oberlandesgerichtsrath Sethe wird Oberstaatsanwalt, und da dieser Mann, obgleich stark schwarz-weiß, einen Ruf als honetter und tüchtiger Jurist zu verlieren hat, so wird er sofort die Freilassung verfügen. Der Referendar von Vincke, Bruder des „berühmten“, reist dieser Tage nach Amerika zum Ankauf von Gütern. Ob die Schweine in Amerika eben so fett werden als auf Ickern, darüber erhalten wir gewiß später Aufschluß. Per Estaffette kam gestern der Befehl an, daß heute 2 Kompagnieen des 13. Infanterieregiments nach Minden abmarschiren. Man sagt, der Kriegsminister habe die Einberufung des Mindener Landwehrbataillons befohlen, General Groeben aber davon abgerathen, weil es böses Blut machen würde, wenn nun noch ein 4. Landwehrbataillon mobil gemacht würde. * Berlin, 31. März. Zu der Kommission für die Entwerfung einer Adresse, welche die Gefühle und Erwartungen der zweiten Kammer in Betreff der Frankfurter Ereignisse aussprechen solle, sind gewählt: v. Vinke, Ludwig (Mühlhausen), v. Berg, Berends, Pape (Münsterberg), Schramm, Elsner, v. Merckel, Müller (Siegen), Urlichs, Menzel, Sauber, Dahne, Ziegler, Grün, Arnim-Boitzenburg, v. Unruh, Wiethorst, v. Auerswald, Lensing, Ulrich. Es gehören also 11 Mitglieder der Linken und 10 der Rechten an. Da aber Grabow bei jeder Adreßkommission den Vorsitz führt und nach der neuen Geschäftsordnung mitstimmt, ist Stimmengleichheit vorhanden. Die Kommission ist heute um 5 Uhr Nachmittags zusammengetreten und wird die Adresse sogleich entwerfen, damit sie morgen gedruckt in den Händen der Abgeordneten sein und Dienstag oder Mittwoch zur Verhandlung kommen kann. In die Kommission für die Belagerungszustände in Erfurt, Kreuzburg und Posen sind gewählt in der 3. Abtheilung: Breithaupt, Ebert; in der 5.: Cibulski, Liebelt; in der 7.: Wallmuth, Görz-Wriesberg. Die andern Abtheilungen haben noch nicht gewählt. In der Verfassungskommission erklärte sich die eigentliche Rechte, Vinke etc., gegen die Wahl der Lehrer durch die Gemeinden. Die äußerste Rechte aber stimmte aus religiösen Gründen mit der Linken dafür. Graf Arnim-Boitzenburg erklärte offen, die ministerielle Gemeindeordnung müsse zur Anarchie führen, und gerade ihn hat die Rechte in die Gemeindekommission gewählt. Bei dem Diner, welches der Graf Brandenburg vorgestern gab, erschienen merkwürdigerweise nur die Männer der konstitutionellen eigentlichen Rechten. Kleist-Retzow, Bismark,, Bodelschwingh, Arnim-Boitzenburg waren nicht eingeladen, während Vinke, Auerswald etc. durch eine Einladung beehrt wurden. In der Fraktionsversammlung der Partei Rodbertus wurde der Antrag auf eine Adresse, um den König zur Annahme der Kaiserkrone zu bewegen, mit einer Majorität von fünf Stimmen, nach langer Debatte abgelehnt. Herr v. Unruh nahm ihn heute demungeachtet auf und erfreute sich der Unterstützung der Fraktionen Rodbertus, Kosch und Immermann!! Der hiesige Verlagsbuchhändler Hofmann wurde dieser Tage auf die Polizei gerufen, und ihm dort Folgendes zu Protokoll erklärt: „Das Polizeipräsidium hat in Erfahrung gebracht, daß die Buchhandlung A. Hofmann und Komp. das Journal „Münchener Leuchtkugeln“ hier vertreibt. Diese Blätter enthalten täglich Artikel in Schrift und Bild, welche nahe an Hochverrath und Majestätsbeleidigung streifen. Wenn er daher fortfahren sollte, diese Blätter zu vertreiben, so würde das Oberkommando der Truppen in den Marken sich genöthigt sehen, ihm das Geschäft zu schließen.“ Das Füsilierbataillon des 12. Regiments hat heute Vormittag Befehl erhalten, binnen zwei Stunden nach Schleswig-Holstein zu marschiren. Trotz der österreichischen Siegesberichte aus Italien, trotz der Abdankung Karl Alberts und trotz der Kaiserdeputationen war unsere Börse heute wieder sehr flau gestimmt. Man hatte Briefe aus Hamburg bekommen, welche den Friedensabschluß mit Dänemark entfernter als je schildern. Dänemark hat seine Ansprüche jetzt so hoch gestellt, daß selbst das Ministerium Manteuffel es nicht wagen will, unter solchen Bedingungen den Frieden abzuschließen. Diese gewisse Aussicht auf einen neuen dänischen Feldzug hat die Haussiers an unserer Börse von Neuem entmuthigt. * Berlin, 31. März. Sitzung der zweiten Kammer. Eröffnung 11 1/4 Uhr. Präsident Grabow erstattet Bericht über die Ueberreichung der Adresse unter Vorlesung der vom Könige gesprochenen Erwiderung. Es wird beschlossen, diese Erwiderung wörtlich ins Protokoll aufzunehmen. Der Präsident theilt ferner mit, daß das Ministerium drei Denkschriften über den Belagerungszustand in Erfurt, in Posen und in dem Kreise Kreuzberg überreicht habe. Eine besondere Kommission von 14 Mitgliedern soll nach dem Vorschlage des Präsidenten für die gesammte Angelegenheit aus den Abtheilungen gewählt werden. Die Versammlung nimmt den Vorschlag des Präsidenten an. Der Ministerpräsident erhebt sich: Meine Herren! Es sind in den jüngst verflossenen Tagen von der Frankfurter National-Versammlung Beschlüsse gefaßt worden von unverkennbar hoher Wichtigkeit für Preußen, für Deutschland, für das Haus Hohenzollern. Amtliche Eröffnungen hat die Regierung indeß noch nicht erhalten. Sie glaubt jedoch schon jetzt versichern zu müssen, daß der Weg, den sie einzuschlagen denkt, der bereits vorgezeichnete ist und der sich des Beifalls beider Kammern zu erfreuen gehabt hat. Präsident Grabow: Es sind zwei diese vom Herrn Ministerpräsidenten so eben berührte Angelegenheit betreffende Anträge eingegangen. Der eine vom Abg. Unruh: „Eine Adresse an des Königs Majestät zu erlassen, mit der Bitte, die von der deutschen National-Versammlung in Frankfurt Sr. Maj. angetragene Kaiserwürde anzunehmen, und sofort eine Kommission zur Abfassung der Adresse zu ernennen.“ 120 Stimmen sind nach der Geschäftsordnung zur Begründung der Dringlichkeit des Antrages erforderlich. Wiederholte Zählungen ergeben 111 für die Dringlichkeit. Der zweite Antrag, durch Vinke gestellt, lautet: „Die Kammer wolle beschließen, eine Kommission zur Entwerfung einer Adresse zu ernennen, in welcher die Versammlung ihre Gefühle und Erwartungen in Beziehung auf die erfolgte Wahl Sr. Majestät zum Kaiser von Deutschland ausspreche.“ Die Dringlichkeit wird unterstützt. Die Majorität entscheidet sich für sofortige Ernennung der Kommission Auch die Minister v. Manteuffel und v. d. Heydt erhoben sich für diesen Antrag. Tagesordnung: Interpellation des Abg. v. Möller an den Minister des Innern: „ob er von einem Erlaß der Regierung zu Minden Kenntniß habe, ob er denselben billige, und wo nicht, welche Maßregeln er dagegen zu ergreifen denke?“ Der Erlaß betrifft das Versammlungsrecht. Die Regierung zu Minden will, daß die Unterbehörden den Versammlungen nicht durch Anbietung von Gemeindelokalen oder sonst Vorschub leisten. Minister v. Manteuffel erklärt sich bereit, die Interpellation heute noch zu beantworten. v. Möller bemerkt, die Interpellation sei schon in der Reichsversammlung zu Frankfurt angebracht, aber zur Erledigung an die Landesministerien zurückgewiesen worden. Der Erlaß sei kurz vor den Wahlen ergangen, unmittelbar nach dem Rundschreiben des Ministers über die Einwirkung der Behörden auf die Wahlen. Er glaube nicht, daß Unterbehörden berechtigt seien, die Gesetze nach Willkür zur Beschränkung der Freiheit auszulegen. Jener Erlaß nenne es eine Ungehörigkeit, daß Versammlungen im Namen des Volkes Beschlüsse fassen oder Wünsche aussprechen. Es sei ihm kein Gesetz bekannt, das dergleichen verbiete, die Gesetze geben vielmehr Jedem das Recht zu Petitionen. Minister des Innern: Er sei noch nicht in der Lage gewesen, über diesen Erlaß die Regierung in Minden zu horen, dennoch glaube er die geforderten Aufschlusse geben zu können. In vielen Gegenden sei das Versammlungsrecht falsch aufgefaßt worden, indem man, auf dasselbe gestützt, Rechte, die den Gemeindebehörden zustehen, zu usurpiren suchte. Versammlungen seien nie verboten worden, wohl aber habe er veranlaßt, daß Versammlungen nicht im Namen der Gemeinden abgehalten und Namens der Behörden Beschlüsse gefaßt werden. Er billige daher den Erlaß allerdings. Pape (Münsterberg) interpellirt das Staatsministerium über die Ausführung der von der National-Versammlung zu Gunsten der Invaliden gefaßten Beschlüsse. Minister v. Strotha erklärt, in diesem besondern Falle die Interpellation noch heute beantworten zu wollen. Pape begründet seine Interpellation. Nach einer Mittheilung des damaligen Kommissars des Kriegsministers, Hrn. v. Griesheim, würden jetzt 25,000 Invaliden mit 400,000 Thlr. unterstützt; nach der Angabe des damaligen Unterstaatssekretärs im Kriegsministerium betragen die Unterstützungen 1,100,000 Thlr. Er macht darauf aufmerksam, daß ein Invalide in Berlin Hunges gestorben sei. Dieser Zeitungsnachricht, die damals auch von der Tribüne herab erwähnt worden, sei nicht widersprochen worden. Während Invaliden verhungern, erhalten Personen, die ein großes Kapitalvermögen besitzen, wegen ihrer im Kriege geleisteten Dienste 4-800 Thlr. an Pensionen. Der Staat sei reich genug, um zu verhindern, daß die in seinem Dienste verarmten Krieger betteln. Minister v. Strotha: Nach dem Beschlusse der National-Versammlung erschien eine Kabinetsordre, welche diese Beschlüsse genehmigte und in Folge dersrlben ergingen Bekanntmachungen an alle Regierungen und Polizeibehörden, welche eine möglichst schleunige Ermittlung veranlaßten. Die beschlossene Klassensteuerbefreiung ist verfügt, die Verzichtleistungen auf Invalidenansprüche sind für nicht geschehen erklärt. Zum Beweise der Anspruchsqualität auf Invalidenunterstützung ist der Nachweis der Dürftigkeit und der Invalidität für genügend erklärt und als Prinzip jede Erleichterung bei Führung dieses Nachweses zugelassen worden. Ob es übrigens einem Arzte möglich ist. körperliche Gebrechen immer als Folgen der Kriegsstrapazen zu attestiren, steht zu bezweifeln. Ueber die angestellten Ermittelungen liegen übrigens bis jetzt erst 5 Berichte von Regierungen vor. Der Minister macht noch bemerklich, daß die gedachten Ermittelungen zweckmäßig der Civilverwaltung zu überlassen und von dem Militärressort allzuschneiden sein würden. Wolle die Kammer übrigens die ausreichede Unterstützung aller Krieger als Prinzip aufnehmen und dazu die nöthigen Gelder bewilligen, so werde er der Erste sein, der im Namen aller preußischen Veteranen der Versammlung seinen wärmsten Dank aussprechen werde. Bis jetzt wurden 32,000 Invaliden unterstützt, und sein Vorgänger im Amte habe darin eine dankenswerthe Thätigkeit entwickelt. Uebrigens sei die Aaflösung der Invalidenkompagnien im Werke, da die Erfahrung gelehrt habe, daß die Invaliden in ihrer Heimath besser zu leben im Stande seien, als an den Garnisonsorten. Finanzminister v. Raabe bemerkt, es sei in Betreff der verfügten Kopfsteuerbefreiung keine Beschwerde darüber eingegangen, daß die Regierungen die Verfügung unausgeführt gelassen hätten. Fortsetzung der Berichte über die Wahlprüfungen. Man beschließt, wegen der bei einer Wahl vorgekommenen Unregelmäßigkeiten die Akten dem Min. des Innern zugehen zu lassen. Ein dringender Antrag des Abg. Kinkel und Genossen findet Unterstützung. Er lautet: Die Kammer wolle beschließen, die beiden Strafprozesse, in welchen der Abg. Kinkel in zweiter Instanz auf den 18.April d J. vor das Landgericht zu Köln geladen ist, vorläufig zu sistiren und die Einforderung der Akten zu verlangen. Der Antrag geht an die Petitions-Kommission, welcher Beschleunigung empfohlen wird, weil noch vor dem Osterfest über den Antrag Beschluß gefaßt werden müsse, wenn dem Interesse des Antrages genügt werden solle. Reuter (Tilsit) erstattet Namens des Centralausschusses Bericht über den Antrag des Staatsanwalts Sethe, die gegen den Abg. Jung wegen Beleidigung des Magistrats zu Berlin einzuleitende Untersuchung zu ge- <TEI> <text> <pb facs="#f0001" n="1475"/> <front> <titlePage type="heading"> <titlePart type="main">Neue Rheinische Zeitung</titlePart> <titlePart type="sub">Organ der Demokratie.</titlePart> <docImprint> <docDate>No 262. Köln, Dienstag, den 3 April. 1849.</docDate> </docImprint> </titlePage> </front> <body> <div type="jExpedition"> <p>Vierteljähriger Abonnementspreis in Köln 1 Thlr. 7 1/2 Sgr., bei allen preußischen Postanstalten 1 Thlr. 17 Sgr. ‒ Im Auslande wende man sich: in Belgien an die betreffenden Postanstalten; in London an W. Thomas, 21 Catherine-Street, Strand; in Paris an W. Thomas, 38 Rue Vivienne, und an A. Havas, 3 Rue Jean Jacques Rousseau.</p> <p>Insertionen werden mit 18 Pf. die Petitzeile oder deren Raum berechnet.</p> <p>Auskunft, Annahme und Abgabe chiffrirter Briefe gratis.</p> <p>Nur frankirte Briefe werden angenommen.</p> <p>Expedition Unter Hutmacher Nro. 17.</p> </div> <div type="contents" n="1"> <head>Uebersicht.</head> <p><hi rendition="#g">Deutschland.</hi> Elberfeld, Barmen. (Eine kaiserliche Enttäuschung). Münster. (Groneweg frei. ‒ Neuer Bescheid an die Dezember-Gefangenen.) Berlin. (Vermischtes. ‒ Kammer. ‒ Polizei-Direktor Dunker.) Wien. (Vermischtes.) Prag. (Gerichtliche Verfolgungen gegen das Organ der Slovanska lipa.) Dresden. (v. Könneritz bleibt Gesandter.) Gotha. (Das Staatsgrundgesetz und der liebe Landesvater.) Mainz. (Prozeß wegen Menschenraub.) Freiburg. (Verurtheilung).</p> <p><hi rendition="#g">Polen.</hi> Polnische Gränze. (Die Russen. ‒ Aus Siebenbürgen.)</p> <p><hi rendition="#g">Ungarn.</hi> Vom Kriegsschauplatze. Pesth. (Hinrichtung.)</p> <p><hi rendition="#g">Italien.</hi> Friedensschluß.</p> <p><hi rendition="#g">Franz. Republik.</hi> Paris. (Vermischtes. ‒ National-Versammlung.) Bourges. (Prozeß der Maigefangnen.)</p> <p><hi rendition="#g">Großbritannien.</hi> London. (Parlament. ‒ Die westindische Post.)</p> <p><hi rendition="#g">Dänemark.</hi> Kopenhagen. (Kriegsministerielle Proklamation.)</p> </div> <div n="1"> <head>Deutschland.</head> <div xml:id="ar262_001" type="jArticle"> <head><bibl><author>9</author></bibl> Elberfeld, 31. März.</head> <p>Der neue preußische Kaiser mundet unsern Herren Fubrikanten vortrefflich. Gestern Nachmittag schon wurden die deutschen und preußischen Fahnen aus vielen „vornehmen“ Fenstern gehangen, und Böllerschüsse von den umliegenden Höhen verkündeten unsern elenden Proletariern das freudige Ereigniß. Jetzt, meinen die Herren, nachdem Deutschland in Preußen aufgegangen, werde der Handel erst recht blühen, da es keinem Zweifel untertiege, daß der Gottbegnadete recht bald „Alles in Ordnung“ bringen werde. Ihre einzige Angst ist, der König möge die Wahl nicht annehmen, doch hoffen sie, daß, wenn auch formelle Hindernisse die definitive Annahme vor der Hand verbieten sollten, Se. Majestät sich doch jedenfalls den edlen Vorkämpfer Gagern als Minister verschreiben werde.</p> <p>Heute Morgen mußten sich die Elberfelder im Datum geirrt haben. Die ganze Stadt wurde gegen 10 Uhr mit Fahnen, Kränzen etc. geschmückt, 24 der nobelsten Equipagen rollten leer nach dem Bahnhofe und ihnen folgte eine Kompagnie Schützenbürgerwehr sowie zwei hochberittene Gensdarmen. Man erwartete zum festlichen Empfange mit dem Zuge von Düsseldorf die Deputirten Frankfurts, weil man vernommen, daß diese Herren sich schmeichelten, den Umweg über hier zu nehmen. Gegen halb 11 Uhr kam der Zug, die Böller krachten und die Glocken der Kirchen läuteten, aber ‒ die Deputirten kamen nicht. So wurden die loyalen Spießbürger schon am 31. März in den April geschickt. Ein böses Omen. Unser Gemeinderath hat sich beeilt, eine Adresse an Se. Majestät zu richten, worin es heißt, daß die Vertreter des deutschen Volkes nun zu dem Baue der vom ganzen deutschen Volke so heiß ersehnten Einheit den Schlußstein gelegt, und daß nun in den Händen der preußischen Majestät das Geschick des deutschen Volkes liege etc.</p> </div> <div xml:id="ar262_002" type="jArticle"> <head><bibl><author>309</author></bibl> Barmen, 31. März.</head> <p>Irgend ein Schelm machte sich das Vergnügen schon am 31. März unsere kaiserduselige Städtväter mit dem Gerücht in den „April“ zu schicken, die Kaiser-Deputation käme heute mit dem Erzherzog an der Spitze nach Berlin hier durch. ‒ Um 9 Uhr diesen Morgen rannten bereits Stadtverordnete rath- und kopflos ob des wichtigen Tages durch die Stadt. Aufforderungen zum Jubel und zum Schmücken der Häuser wurden angeklebt und die Jünger der heiligen Hermandad befahlen jedem Hauseigenthümer irgend welche Fahne auszustecken. Das Philisterium parirte natürlich ordre, wenn auch mit zweideutigem Bemerken „vie mötten jo van den Kooplüden leven.“</p> <p>Um den Blödsinn vollständig zu machen, lassen die Pfaffen wieder feierlichst läuten, Kanonen donnern und die Väter der Stadt fahren in Galla und großer Würde zum Bahnhof. ‒ Bald darauf wirds lebendig auf den Straßen, alles wogt dem Rathhause zu, und hinter der Menge her die Carrossen mit den langgewordenen Gesichtern und Ohren der Stadträthe. Mit wahrem Feuereifer läßt der schwarzweiße heilige Stadtschuldirektor jetzt seine mit dem ganzen Pfaffenthum auf dem Rathhause versammelte Schuljugend das diesen Morgen noch schnell eingepauckte „Was ist des deutschen Vaterland“ ableiern, und dann hält der wegen der Nachtstuhlexpedition „von Gottes Gnaden“ bekannte und mit dem „unvermeidlichen“ dekorirte Beigeordnete Kebel eine demosthenische Rede, worin er blumenreich entwickelt, daß sie in den „April“ geschickt und die Deputirten des Froschteichs über Duisburg zum Gottbegnadeten gefahren seien.</p> </div> <div xml:id="ar262_003" type="jArticle"> <head><bibl><author>115</author></bibl> Münster, 30. März.</head> <p>Der Schwan singt vor seinem Ende ‒ das Münster'sche Gericht ist vor seinem Ende einmal noble. Der Dezembergefangene Justizrath Groneweg ist gestern Mittag entlassen worden, obgleich seine Einberufung noch nicht amtlich verfügt worden.</p> <p>Sieben Dezembergefangene haben nochmals den Antrag auf Freilassung gestellt, weil den 1. April die neue Gerichtsorganisaton eintritt, und erboten sich zur Erlegung einer Kaution. Am Mittwoch wurde darüber ballotirt.</p> <p>Assessor Druffel, der stets für Freilassung gestimmt, wurde zu einer Leichenschau nach Boesensell kommandirt, und Herr Stockhausen hat zu viel Charakter, als daß er sich der Abstimmung enthalten sollte, und so kam denn folgender Wechselbach zur Welt:</p> <p>„Auf das heutige, den Erlaß der Untersuchungshaft wiederholt beantragende Gesuch eröffnen wir Ihnen, daß die Voraussetzung desselben, als wenn wegen der Abwesenheit einiger zur zweiten Kammer berufenen Mitangeschuldigten der Abschluß des Untersuchungsverfahrens einen Aufenthalt erleiden müsse, nicht begründet erscheint, keinen Falls aber darin Veranlassung liegen würde, von dem auf geführte Beschwerde auch von dem Kriminalsenat bestätigten Verhaftungsbeschlusse abzugehen und damit dem Staatsanwalt vorzugreifen, dessen Wirksamkeit mit dem 1. k. M. beginnen wird. ‒ Münster, den 28. März 1849. Königliches Land- und Stadtgericht. Abtheilung für Untersuchungssachen: Giese.</p> <p>An die Herren: Hamacher,</p> <p>Reinhard, Jacobi, v. Mirbach,</p> <p>Graumann, v. Schmitz, Blu-</p> <p>menfeld.“</p> <p>Doch ich prophezeie, daß ich Ihnen den 2. April die Freilassung der noch eingesperrten Dezembergefangenen melde; denn der Oberlandesgerichtsrath Sethe wird Oberstaatsanwalt, und da dieser Mann, obgleich stark schwarz-weiß, einen Ruf als honetter und tüchtiger Jurist zu verlieren hat, so wird er sofort die Freilassung verfügen.</p> <p>Der Referendar von Vincke, Bruder des „berühmten“, reist dieser Tage nach Amerika zum Ankauf von Gütern. Ob die Schweine in Amerika eben so fett werden als auf Ickern, darüber erhalten wir gewiß später Aufschluß.</p> <p>Per Estaffette kam gestern der Befehl an, daß heute 2 Kompagnieen des 13. Infanterieregiments nach Minden abmarschiren. Man sagt, der Kriegsminister habe die Einberufung des Mindener Landwehrbataillons befohlen, General Groeben aber davon abgerathen, weil es böses Blut machen würde, wenn nun noch ein 4. Landwehrbataillon mobil gemacht würde.</p> </div> <div xml:id="ar262_004" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl> Berlin, 31. März.</head> <p>Zu der Kommission für die Entwerfung einer Adresse, welche die Gefühle und Erwartungen der zweiten Kammer in Betreff der Frankfurter Ereignisse aussprechen solle, sind gewählt: v. Vinke, Ludwig (Mühlhausen), v. Berg, Berends, Pape (Münsterberg), Schramm, Elsner, v. Merckel, Müller (Siegen), Urlichs, Menzel, Sauber, Dahne, Ziegler, Grün, Arnim-Boitzenburg, v. Unruh, Wiethorst, v. Auerswald, Lensing, Ulrich. Es gehören also 11 Mitglieder der Linken und 10 der Rechten an. Da aber Grabow bei jeder Adreßkommission den Vorsitz führt und nach der neuen Geschäftsordnung mitstimmt, ist Stimmengleichheit vorhanden. Die Kommission ist heute um 5 Uhr Nachmittags zusammengetreten und wird die Adresse sogleich entwerfen, damit sie morgen gedruckt in den Händen der Abgeordneten sein und Dienstag oder Mittwoch zur Verhandlung kommen kann.</p> <p>In die Kommission für die Belagerungszustände in Erfurt, Kreuzburg und Posen sind gewählt in der 3. Abtheilung: Breithaupt, Ebert; in der 5.: Cibulski, Liebelt; in der 7.: Wallmuth, Görz-Wriesberg. Die andern Abtheilungen haben noch nicht gewählt.</p> <p>In der Verfassungskommission erklärte sich die eigentliche Rechte, Vinke etc., gegen die Wahl der Lehrer durch die Gemeinden. Die äußerste Rechte aber stimmte aus religiösen Gründen mit der Linken dafür.</p> <p>Graf Arnim-Boitzenburg erklärte offen, die ministerielle Gemeindeordnung müsse zur Anarchie führen, und gerade ihn hat die Rechte in die Gemeindekommission gewählt.</p> <p>Bei dem Diner, welches der Graf Brandenburg vorgestern gab, erschienen merkwürdigerweise nur die Männer der konstitutionellen eigentlichen Rechten. Kleist-Retzow, Bismark,, Bodelschwingh, Arnim-Boitzenburg waren nicht eingeladen, während Vinke, Auerswald etc. durch eine Einladung beehrt wurden.</p> <p>In der Fraktionsversammlung der Partei Rodbertus wurde der Antrag auf eine Adresse, um den König zur Annahme der Kaiserkrone zu bewegen, mit einer Majorität von fünf Stimmen, nach langer Debatte abgelehnt. Herr v. Unruh nahm ihn heute demungeachtet auf und erfreute sich der Unterstützung der Fraktionen Rodbertus, Kosch und Immermann!!</p> <p>Der hiesige Verlagsbuchhändler Hofmann wurde dieser Tage auf die Polizei gerufen, und ihm dort Folgendes zu Protokoll erklärt: „Das Polizeipräsidium hat in Erfahrung gebracht, daß die Buchhandlung A. Hofmann und Komp. das Journal „Münchener Leuchtkugeln“ hier vertreibt. Diese Blätter enthalten täglich Artikel in Schrift und Bild, welche nahe an Hochverrath und Majestätsbeleidigung streifen. Wenn er daher fortfahren sollte, diese Blätter zu vertreiben, so würde das Oberkommando der Truppen in den Marken sich genöthigt sehen, ihm das Geschäft zu schließen.“</p> <p>Das Füsilierbataillon des 12. Regiments hat heute Vormittag Befehl erhalten, binnen zwei Stunden nach Schleswig-Holstein zu marschiren.</p> <p>Trotz der österreichischen Siegesberichte aus Italien, trotz der Abdankung Karl Alberts und trotz der Kaiserdeputationen war unsere Börse heute wieder sehr flau gestimmt. Man hatte Briefe aus Hamburg bekommen, welche den Friedensabschluß mit Dänemark entfernter als je schildern. Dänemark hat seine Ansprüche jetzt so hoch gestellt, daß selbst das Ministerium Manteuffel es nicht wagen will, unter solchen Bedingungen den Frieden abzuschließen. Diese gewisse Aussicht auf einen neuen dänischen Feldzug hat die Haussiers an unserer Börse von Neuem entmuthigt.</p> </div> <div xml:id="ar262_005" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl> Berlin, 31. März.</head> <p> <hi rendition="#b">Sitzung der zweiten Kammer.</hi> </p> <p>Eröffnung 11 1/4 Uhr.</p> <p>Präsident <hi rendition="#g">Grabow</hi> erstattet Bericht über die Ueberreichung der Adresse unter Vorlesung der vom Könige gesprochenen Erwiderung.</p> <p>Es wird beschlossen, diese Erwiderung wörtlich ins Protokoll aufzunehmen.</p> <p>Der Präsident theilt ferner mit, daß das Ministerium drei Denkschriften über den Belagerungszustand in Erfurt, in Posen und in dem Kreise Kreuzberg überreicht habe.</p> <p>Eine besondere Kommission von 14 Mitgliedern soll nach dem Vorschlage des Präsidenten für die gesammte Angelegenheit aus den Abtheilungen gewählt werden.</p> <p>Die Versammlung nimmt den Vorschlag des Präsidenten an.</p> <p>Der <hi rendition="#g">Ministerpräsident</hi> erhebt sich: Meine Herren! Es sind in den jüngst verflossenen Tagen von der Frankfurter National-Versammlung Beschlüsse gefaßt worden von unverkennbar hoher Wichtigkeit für Preußen, für Deutschland, für das Haus Hohenzollern. Amtliche Eröffnungen hat die Regierung indeß noch nicht erhalten. Sie glaubt jedoch schon jetzt versichern zu müssen, daß der Weg, den sie einzuschlagen denkt, der bereits vorgezeichnete ist und der sich des Beifalls beider Kammern zu erfreuen gehabt hat.</p> <p>Präsident <hi rendition="#g">Grabow:</hi> Es sind zwei diese vom Herrn Ministerpräsidenten so eben berührte Angelegenheit betreffende Anträge eingegangen. Der eine vom Abg. Unruh:</p> <p>„Eine Adresse an des Königs Majestät zu erlassen, mit der Bitte, die von der deutschen National-Versammlung in Frankfurt Sr. Maj. angetragene Kaiserwürde anzunehmen, und sofort eine Kommission zur Abfassung der Adresse zu ernennen.“</p> <p>120 Stimmen sind nach der Geschäftsordnung zur Begründung der Dringlichkeit des Antrages erforderlich.</p> <p>Wiederholte Zählungen ergeben 111 für die Dringlichkeit.</p> <p>Der zweite Antrag, durch Vinke gestellt, lautet:</p> <p>„Die Kammer wolle beschließen, eine Kommission zur Entwerfung einer Adresse zu ernennen, in welcher die Versammlung ihre Gefühle und Erwartungen in Beziehung auf die erfolgte Wahl Sr. Majestät zum Kaiser von Deutschland ausspreche.“</p> <p>Die Dringlichkeit wird unterstützt.</p> <p>Die Majorität entscheidet sich für sofortige Ernennung der Kommission Auch die Minister v. Manteuffel und v. d. Heydt erhoben sich für diesen Antrag.</p> <p>Tagesordnung: Interpellation des Abg. v. <hi rendition="#g">Möller</hi> an den Minister des Innern:</p> <p>„ob er von einem Erlaß der Regierung zu Minden Kenntniß habe, ob er denselben billige, und wo nicht, welche Maßregeln er dagegen zu ergreifen denke?“</p> <p>Der Erlaß betrifft das Versammlungsrecht. Die Regierung zu Minden will, daß die Unterbehörden den Versammlungen nicht durch Anbietung von Gemeindelokalen oder sonst Vorschub leisten.</p> <p>Minister <hi rendition="#g">v. Manteuffel</hi> erklärt sich bereit, die Interpellation heute noch zu beantworten.</p> <p><hi rendition="#g">v. Möller</hi> bemerkt, die Interpellation sei schon in der Reichsversammlung zu Frankfurt angebracht, aber zur Erledigung an die Landesministerien zurückgewiesen worden. Der Erlaß sei kurz vor den Wahlen ergangen, unmittelbar nach dem Rundschreiben des Ministers über die Einwirkung der Behörden auf die Wahlen. Er glaube nicht, daß Unterbehörden berechtigt seien, die Gesetze nach Willkür zur Beschränkung der Freiheit auszulegen. Jener Erlaß nenne es eine Ungehörigkeit, daß Versammlungen im Namen des Volkes Beschlüsse fassen oder Wünsche aussprechen. Es sei ihm kein Gesetz bekannt, das dergleichen verbiete, die Gesetze geben vielmehr Jedem das Recht zu Petitionen.</p> <p><hi rendition="#g">Minister</hi> des Innern: Er sei noch nicht in der Lage gewesen, über diesen Erlaß die Regierung in Minden zu horen, dennoch glaube er die geforderten Aufschlusse geben zu können. In vielen Gegenden sei das Versammlungsrecht falsch aufgefaßt worden, indem man, auf dasselbe gestützt, Rechte, die den Gemeindebehörden zustehen, zu usurpiren suchte. Versammlungen seien nie verboten worden, wohl aber habe er veranlaßt, daß Versammlungen nicht im Namen der Gemeinden abgehalten und Namens der Behörden Beschlüsse gefaßt werden. Er billige daher den Erlaß allerdings.</p> <p><hi rendition="#g">Pape</hi> (Münsterberg) interpellirt das Staatsministerium über die Ausführung der von der National-Versammlung zu Gunsten der Invaliden gefaßten Beschlüsse.</p> <p>Minister <hi rendition="#g">v. Strotha</hi> erklärt, in diesem besondern Falle die Interpellation noch heute beantworten zu wollen.</p> <p><hi rendition="#g">Pape</hi> begründet seine Interpellation. Nach einer Mittheilung des damaligen Kommissars des Kriegsministers, Hrn. v. Griesheim, würden jetzt 25,000 Invaliden mit 400,000 Thlr. unterstützt; nach der Angabe des damaligen Unterstaatssekretärs im Kriegsministerium betragen die Unterstützungen 1,100,000 Thlr. Er macht darauf aufmerksam, daß ein Invalide in Berlin Hunges gestorben sei. Dieser Zeitungsnachricht, die damals auch von der Tribüne herab erwähnt worden, sei nicht widersprochen worden. Während Invaliden verhungern, erhalten Personen, die ein großes Kapitalvermögen besitzen, wegen ihrer im Kriege geleisteten Dienste 4-800 Thlr. an Pensionen. Der Staat sei reich genug, um zu verhindern, daß die in seinem Dienste verarmten Krieger betteln.</p> <p>Minister <hi rendition="#g">v. Strotha:</hi> Nach dem Beschlusse der National-Versammlung erschien eine Kabinetsordre, welche diese Beschlüsse genehmigte und in Folge dersrlben ergingen Bekanntmachungen an alle Regierungen und Polizeibehörden, welche eine möglichst schleunige Ermittlung veranlaßten. Die beschlossene Klassensteuerbefreiung ist verfügt, die Verzichtleistungen auf Invalidenansprüche sind für nicht geschehen erklärt. Zum Beweise der Anspruchsqualität auf Invalidenunterstützung ist der Nachweis der Dürftigkeit und der Invalidität für genügend erklärt und als Prinzip jede Erleichterung bei Führung dieses Nachweses zugelassen worden. Ob es übrigens einem Arzte möglich ist. körperliche Gebrechen immer als Folgen der Kriegsstrapazen zu attestiren, steht zu bezweifeln. Ueber die angestellten Ermittelungen liegen übrigens bis jetzt erst 5 Berichte von Regierungen vor. Der Minister macht noch bemerklich, daß die gedachten Ermittelungen zweckmäßig der Civilverwaltung zu überlassen und von dem Militärressort allzuschneiden sein würden. Wolle die Kammer übrigens die ausreichede Unterstützung aller Krieger als Prinzip aufnehmen und dazu die nöthigen Gelder bewilligen, so werde er der Erste sein, der im Namen aller preußischen Veteranen der Versammlung seinen wärmsten Dank aussprechen werde. Bis jetzt wurden 32,000 Invaliden unterstützt, und sein Vorgänger im Amte habe darin eine dankenswerthe Thätigkeit entwickelt. Uebrigens sei die Aaflösung der Invalidenkompagnien im Werke, da die Erfahrung gelehrt habe, daß die Invaliden in ihrer Heimath besser zu leben im Stande seien, als an den Garnisonsorten.</p> <p>Finanzminister <hi rendition="#g">v. Raabe</hi> bemerkt, es sei in Betreff der verfügten Kopfsteuerbefreiung keine Beschwerde darüber eingegangen, daß die Regierungen die Verfügung unausgeführt gelassen hätten.</p> <p>Fortsetzung der Berichte über die Wahlprüfungen. Man beschließt, wegen der bei einer Wahl vorgekommenen Unregelmäßigkeiten die Akten dem Min. des Innern zugehen zu lassen.</p> <p>Ein dringender Antrag des Abg. <hi rendition="#g">Kinkel</hi> und Genossen findet Unterstützung. Er lautet:</p> <p>Die Kammer wolle beschließen, die beiden Strafprozesse, in welchen der Abg. Kinkel in zweiter Instanz auf den 18.April d J. vor das Landgericht zu Köln geladen ist, vorläufig zu sistiren und die Einforderung der Akten zu verlangen.</p> <p>Der Antrag geht an die Petitions-Kommission, welcher Beschleunigung empfohlen wird, weil noch vor dem Osterfest über den Antrag Beschluß gefaßt werden müsse, wenn dem Interesse des Antrages genügt werden solle.</p> <p><hi rendition="#g">Reuter</hi> (Tilsit) erstattet Namens des Centralausschusses Bericht über den Antrag des Staatsanwalts Sethe, die gegen den Abg. Jung wegen Beleidigung des Magistrats zu Berlin einzuleitende Untersuchung zu ge- </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [1475/0001]
Neue Rheinische Zeitung Organ der Demokratie. No 262. Köln, Dienstag, den 3 April. 1849. Vierteljähriger Abonnementspreis in Köln 1 Thlr. 7 1/2 Sgr., bei allen preußischen Postanstalten 1 Thlr. 17 Sgr. ‒ Im Auslande wende man sich: in Belgien an die betreffenden Postanstalten; in London an W. Thomas, 21 Catherine-Street, Strand; in Paris an W. Thomas, 38 Rue Vivienne, und an A. Havas, 3 Rue Jean Jacques Rousseau.
Insertionen werden mit 18 Pf. die Petitzeile oder deren Raum berechnet.
Auskunft, Annahme und Abgabe chiffrirter Briefe gratis.
Nur frankirte Briefe werden angenommen.
Expedition Unter Hutmacher Nro. 17.
Uebersicht. Deutschland. Elberfeld, Barmen. (Eine kaiserliche Enttäuschung). Münster. (Groneweg frei. ‒ Neuer Bescheid an die Dezember-Gefangenen.) Berlin. (Vermischtes. ‒ Kammer. ‒ Polizei-Direktor Dunker.) Wien. (Vermischtes.) Prag. (Gerichtliche Verfolgungen gegen das Organ der Slovanska lipa.) Dresden. (v. Könneritz bleibt Gesandter.) Gotha. (Das Staatsgrundgesetz und der liebe Landesvater.) Mainz. (Prozeß wegen Menschenraub.) Freiburg. (Verurtheilung).
Polen. Polnische Gränze. (Die Russen. ‒ Aus Siebenbürgen.)
Ungarn. Vom Kriegsschauplatze. Pesth. (Hinrichtung.)
Italien. Friedensschluß.
Franz. Republik. Paris. (Vermischtes. ‒ National-Versammlung.) Bourges. (Prozeß der Maigefangnen.)
Großbritannien. London. (Parlament. ‒ Die westindische Post.)
Dänemark. Kopenhagen. (Kriegsministerielle Proklamation.)
Deutschland. 9 Elberfeld, 31. März. Der neue preußische Kaiser mundet unsern Herren Fubrikanten vortrefflich. Gestern Nachmittag schon wurden die deutschen und preußischen Fahnen aus vielen „vornehmen“ Fenstern gehangen, und Böllerschüsse von den umliegenden Höhen verkündeten unsern elenden Proletariern das freudige Ereigniß. Jetzt, meinen die Herren, nachdem Deutschland in Preußen aufgegangen, werde der Handel erst recht blühen, da es keinem Zweifel untertiege, daß der Gottbegnadete recht bald „Alles in Ordnung“ bringen werde. Ihre einzige Angst ist, der König möge die Wahl nicht annehmen, doch hoffen sie, daß, wenn auch formelle Hindernisse die definitive Annahme vor der Hand verbieten sollten, Se. Majestät sich doch jedenfalls den edlen Vorkämpfer Gagern als Minister verschreiben werde.
Heute Morgen mußten sich die Elberfelder im Datum geirrt haben. Die ganze Stadt wurde gegen 10 Uhr mit Fahnen, Kränzen etc. geschmückt, 24 der nobelsten Equipagen rollten leer nach dem Bahnhofe und ihnen folgte eine Kompagnie Schützenbürgerwehr sowie zwei hochberittene Gensdarmen. Man erwartete zum festlichen Empfange mit dem Zuge von Düsseldorf die Deputirten Frankfurts, weil man vernommen, daß diese Herren sich schmeichelten, den Umweg über hier zu nehmen. Gegen halb 11 Uhr kam der Zug, die Böller krachten und die Glocken der Kirchen läuteten, aber ‒ die Deputirten kamen nicht. So wurden die loyalen Spießbürger schon am 31. März in den April geschickt. Ein böses Omen. Unser Gemeinderath hat sich beeilt, eine Adresse an Se. Majestät zu richten, worin es heißt, daß die Vertreter des deutschen Volkes nun zu dem Baue der vom ganzen deutschen Volke so heiß ersehnten Einheit den Schlußstein gelegt, und daß nun in den Händen der preußischen Majestät das Geschick des deutschen Volkes liege etc.
309 Barmen, 31. März. Irgend ein Schelm machte sich das Vergnügen schon am 31. März unsere kaiserduselige Städtväter mit dem Gerücht in den „April“ zu schicken, die Kaiser-Deputation käme heute mit dem Erzherzog an der Spitze nach Berlin hier durch. ‒ Um 9 Uhr diesen Morgen rannten bereits Stadtverordnete rath- und kopflos ob des wichtigen Tages durch die Stadt. Aufforderungen zum Jubel und zum Schmücken der Häuser wurden angeklebt und die Jünger der heiligen Hermandad befahlen jedem Hauseigenthümer irgend welche Fahne auszustecken. Das Philisterium parirte natürlich ordre, wenn auch mit zweideutigem Bemerken „vie mötten jo van den Kooplüden leven.“
Um den Blödsinn vollständig zu machen, lassen die Pfaffen wieder feierlichst läuten, Kanonen donnern und die Väter der Stadt fahren in Galla und großer Würde zum Bahnhof. ‒ Bald darauf wirds lebendig auf den Straßen, alles wogt dem Rathhause zu, und hinter der Menge her die Carrossen mit den langgewordenen Gesichtern und Ohren der Stadträthe. Mit wahrem Feuereifer läßt der schwarzweiße heilige Stadtschuldirektor jetzt seine mit dem ganzen Pfaffenthum auf dem Rathhause versammelte Schuljugend das diesen Morgen noch schnell eingepauckte „Was ist des deutschen Vaterland“ ableiern, und dann hält der wegen der Nachtstuhlexpedition „von Gottes Gnaden“ bekannte und mit dem „unvermeidlichen“ dekorirte Beigeordnete Kebel eine demosthenische Rede, worin er blumenreich entwickelt, daß sie in den „April“ geschickt und die Deputirten des Froschteichs über Duisburg zum Gottbegnadeten gefahren seien.
115 Münster, 30. März. Der Schwan singt vor seinem Ende ‒ das Münster'sche Gericht ist vor seinem Ende einmal noble. Der Dezembergefangene Justizrath Groneweg ist gestern Mittag entlassen worden, obgleich seine Einberufung noch nicht amtlich verfügt worden.
Sieben Dezembergefangene haben nochmals den Antrag auf Freilassung gestellt, weil den 1. April die neue Gerichtsorganisaton eintritt, und erboten sich zur Erlegung einer Kaution. Am Mittwoch wurde darüber ballotirt.
Assessor Druffel, der stets für Freilassung gestimmt, wurde zu einer Leichenschau nach Boesensell kommandirt, und Herr Stockhausen hat zu viel Charakter, als daß er sich der Abstimmung enthalten sollte, und so kam denn folgender Wechselbach zur Welt:
„Auf das heutige, den Erlaß der Untersuchungshaft wiederholt beantragende Gesuch eröffnen wir Ihnen, daß die Voraussetzung desselben, als wenn wegen der Abwesenheit einiger zur zweiten Kammer berufenen Mitangeschuldigten der Abschluß des Untersuchungsverfahrens einen Aufenthalt erleiden müsse, nicht begründet erscheint, keinen Falls aber darin Veranlassung liegen würde, von dem auf geführte Beschwerde auch von dem Kriminalsenat bestätigten Verhaftungsbeschlusse abzugehen und damit dem Staatsanwalt vorzugreifen, dessen Wirksamkeit mit dem 1. k. M. beginnen wird. ‒ Münster, den 28. März 1849. Königliches Land- und Stadtgericht. Abtheilung für Untersuchungssachen: Giese.
An die Herren: Hamacher,
Reinhard, Jacobi, v. Mirbach,
Graumann, v. Schmitz, Blu-
menfeld.“
Doch ich prophezeie, daß ich Ihnen den 2. April die Freilassung der noch eingesperrten Dezembergefangenen melde; denn der Oberlandesgerichtsrath Sethe wird Oberstaatsanwalt, und da dieser Mann, obgleich stark schwarz-weiß, einen Ruf als honetter und tüchtiger Jurist zu verlieren hat, so wird er sofort die Freilassung verfügen.
Der Referendar von Vincke, Bruder des „berühmten“, reist dieser Tage nach Amerika zum Ankauf von Gütern. Ob die Schweine in Amerika eben so fett werden als auf Ickern, darüber erhalten wir gewiß später Aufschluß.
Per Estaffette kam gestern der Befehl an, daß heute 2 Kompagnieen des 13. Infanterieregiments nach Minden abmarschiren. Man sagt, der Kriegsminister habe die Einberufung des Mindener Landwehrbataillons befohlen, General Groeben aber davon abgerathen, weil es böses Blut machen würde, wenn nun noch ein 4. Landwehrbataillon mobil gemacht würde.
* Berlin, 31. März. Zu der Kommission für die Entwerfung einer Adresse, welche die Gefühle und Erwartungen der zweiten Kammer in Betreff der Frankfurter Ereignisse aussprechen solle, sind gewählt: v. Vinke, Ludwig (Mühlhausen), v. Berg, Berends, Pape (Münsterberg), Schramm, Elsner, v. Merckel, Müller (Siegen), Urlichs, Menzel, Sauber, Dahne, Ziegler, Grün, Arnim-Boitzenburg, v. Unruh, Wiethorst, v. Auerswald, Lensing, Ulrich. Es gehören also 11 Mitglieder der Linken und 10 der Rechten an. Da aber Grabow bei jeder Adreßkommission den Vorsitz führt und nach der neuen Geschäftsordnung mitstimmt, ist Stimmengleichheit vorhanden. Die Kommission ist heute um 5 Uhr Nachmittags zusammengetreten und wird die Adresse sogleich entwerfen, damit sie morgen gedruckt in den Händen der Abgeordneten sein und Dienstag oder Mittwoch zur Verhandlung kommen kann.
In die Kommission für die Belagerungszustände in Erfurt, Kreuzburg und Posen sind gewählt in der 3. Abtheilung: Breithaupt, Ebert; in der 5.: Cibulski, Liebelt; in der 7.: Wallmuth, Görz-Wriesberg. Die andern Abtheilungen haben noch nicht gewählt.
In der Verfassungskommission erklärte sich die eigentliche Rechte, Vinke etc., gegen die Wahl der Lehrer durch die Gemeinden. Die äußerste Rechte aber stimmte aus religiösen Gründen mit der Linken dafür.
Graf Arnim-Boitzenburg erklärte offen, die ministerielle Gemeindeordnung müsse zur Anarchie führen, und gerade ihn hat die Rechte in die Gemeindekommission gewählt.
Bei dem Diner, welches der Graf Brandenburg vorgestern gab, erschienen merkwürdigerweise nur die Männer der konstitutionellen eigentlichen Rechten. Kleist-Retzow, Bismark,, Bodelschwingh, Arnim-Boitzenburg waren nicht eingeladen, während Vinke, Auerswald etc. durch eine Einladung beehrt wurden.
In der Fraktionsversammlung der Partei Rodbertus wurde der Antrag auf eine Adresse, um den König zur Annahme der Kaiserkrone zu bewegen, mit einer Majorität von fünf Stimmen, nach langer Debatte abgelehnt. Herr v. Unruh nahm ihn heute demungeachtet auf und erfreute sich der Unterstützung der Fraktionen Rodbertus, Kosch und Immermann!!
Der hiesige Verlagsbuchhändler Hofmann wurde dieser Tage auf die Polizei gerufen, und ihm dort Folgendes zu Protokoll erklärt: „Das Polizeipräsidium hat in Erfahrung gebracht, daß die Buchhandlung A. Hofmann und Komp. das Journal „Münchener Leuchtkugeln“ hier vertreibt. Diese Blätter enthalten täglich Artikel in Schrift und Bild, welche nahe an Hochverrath und Majestätsbeleidigung streifen. Wenn er daher fortfahren sollte, diese Blätter zu vertreiben, so würde das Oberkommando der Truppen in den Marken sich genöthigt sehen, ihm das Geschäft zu schließen.“
Das Füsilierbataillon des 12. Regiments hat heute Vormittag Befehl erhalten, binnen zwei Stunden nach Schleswig-Holstein zu marschiren.
Trotz der österreichischen Siegesberichte aus Italien, trotz der Abdankung Karl Alberts und trotz der Kaiserdeputationen war unsere Börse heute wieder sehr flau gestimmt. Man hatte Briefe aus Hamburg bekommen, welche den Friedensabschluß mit Dänemark entfernter als je schildern. Dänemark hat seine Ansprüche jetzt so hoch gestellt, daß selbst das Ministerium Manteuffel es nicht wagen will, unter solchen Bedingungen den Frieden abzuschließen. Diese gewisse Aussicht auf einen neuen dänischen Feldzug hat die Haussiers an unserer Börse von Neuem entmuthigt.
* Berlin, 31. März. Sitzung der zweiten Kammer.
Eröffnung 11 1/4 Uhr.
Präsident Grabow erstattet Bericht über die Ueberreichung der Adresse unter Vorlesung der vom Könige gesprochenen Erwiderung.
Es wird beschlossen, diese Erwiderung wörtlich ins Protokoll aufzunehmen.
Der Präsident theilt ferner mit, daß das Ministerium drei Denkschriften über den Belagerungszustand in Erfurt, in Posen und in dem Kreise Kreuzberg überreicht habe.
Eine besondere Kommission von 14 Mitgliedern soll nach dem Vorschlage des Präsidenten für die gesammte Angelegenheit aus den Abtheilungen gewählt werden.
Die Versammlung nimmt den Vorschlag des Präsidenten an.
Der Ministerpräsident erhebt sich: Meine Herren! Es sind in den jüngst verflossenen Tagen von der Frankfurter National-Versammlung Beschlüsse gefaßt worden von unverkennbar hoher Wichtigkeit für Preußen, für Deutschland, für das Haus Hohenzollern. Amtliche Eröffnungen hat die Regierung indeß noch nicht erhalten. Sie glaubt jedoch schon jetzt versichern zu müssen, daß der Weg, den sie einzuschlagen denkt, der bereits vorgezeichnete ist und der sich des Beifalls beider Kammern zu erfreuen gehabt hat.
Präsident Grabow: Es sind zwei diese vom Herrn Ministerpräsidenten so eben berührte Angelegenheit betreffende Anträge eingegangen. Der eine vom Abg. Unruh:
„Eine Adresse an des Königs Majestät zu erlassen, mit der Bitte, die von der deutschen National-Versammlung in Frankfurt Sr. Maj. angetragene Kaiserwürde anzunehmen, und sofort eine Kommission zur Abfassung der Adresse zu ernennen.“
120 Stimmen sind nach der Geschäftsordnung zur Begründung der Dringlichkeit des Antrages erforderlich.
Wiederholte Zählungen ergeben 111 für die Dringlichkeit.
Der zweite Antrag, durch Vinke gestellt, lautet:
„Die Kammer wolle beschließen, eine Kommission zur Entwerfung einer Adresse zu ernennen, in welcher die Versammlung ihre Gefühle und Erwartungen in Beziehung auf die erfolgte Wahl Sr. Majestät zum Kaiser von Deutschland ausspreche.“
Die Dringlichkeit wird unterstützt.
Die Majorität entscheidet sich für sofortige Ernennung der Kommission Auch die Minister v. Manteuffel und v. d. Heydt erhoben sich für diesen Antrag.
Tagesordnung: Interpellation des Abg. v. Möller an den Minister des Innern:
„ob er von einem Erlaß der Regierung zu Minden Kenntniß habe, ob er denselben billige, und wo nicht, welche Maßregeln er dagegen zu ergreifen denke?“
Der Erlaß betrifft das Versammlungsrecht. Die Regierung zu Minden will, daß die Unterbehörden den Versammlungen nicht durch Anbietung von Gemeindelokalen oder sonst Vorschub leisten.
Minister v. Manteuffel erklärt sich bereit, die Interpellation heute noch zu beantworten.
v. Möller bemerkt, die Interpellation sei schon in der Reichsversammlung zu Frankfurt angebracht, aber zur Erledigung an die Landesministerien zurückgewiesen worden. Der Erlaß sei kurz vor den Wahlen ergangen, unmittelbar nach dem Rundschreiben des Ministers über die Einwirkung der Behörden auf die Wahlen. Er glaube nicht, daß Unterbehörden berechtigt seien, die Gesetze nach Willkür zur Beschränkung der Freiheit auszulegen. Jener Erlaß nenne es eine Ungehörigkeit, daß Versammlungen im Namen des Volkes Beschlüsse fassen oder Wünsche aussprechen. Es sei ihm kein Gesetz bekannt, das dergleichen verbiete, die Gesetze geben vielmehr Jedem das Recht zu Petitionen.
Minister des Innern: Er sei noch nicht in der Lage gewesen, über diesen Erlaß die Regierung in Minden zu horen, dennoch glaube er die geforderten Aufschlusse geben zu können. In vielen Gegenden sei das Versammlungsrecht falsch aufgefaßt worden, indem man, auf dasselbe gestützt, Rechte, die den Gemeindebehörden zustehen, zu usurpiren suchte. Versammlungen seien nie verboten worden, wohl aber habe er veranlaßt, daß Versammlungen nicht im Namen der Gemeinden abgehalten und Namens der Behörden Beschlüsse gefaßt werden. Er billige daher den Erlaß allerdings.
Pape (Münsterberg) interpellirt das Staatsministerium über die Ausführung der von der National-Versammlung zu Gunsten der Invaliden gefaßten Beschlüsse.
Minister v. Strotha erklärt, in diesem besondern Falle die Interpellation noch heute beantworten zu wollen.
Pape begründet seine Interpellation. Nach einer Mittheilung des damaligen Kommissars des Kriegsministers, Hrn. v. Griesheim, würden jetzt 25,000 Invaliden mit 400,000 Thlr. unterstützt; nach der Angabe des damaligen Unterstaatssekretärs im Kriegsministerium betragen die Unterstützungen 1,100,000 Thlr. Er macht darauf aufmerksam, daß ein Invalide in Berlin Hunges gestorben sei. Dieser Zeitungsnachricht, die damals auch von der Tribüne herab erwähnt worden, sei nicht widersprochen worden. Während Invaliden verhungern, erhalten Personen, die ein großes Kapitalvermögen besitzen, wegen ihrer im Kriege geleisteten Dienste 4-800 Thlr. an Pensionen. Der Staat sei reich genug, um zu verhindern, daß die in seinem Dienste verarmten Krieger betteln.
Minister v. Strotha: Nach dem Beschlusse der National-Versammlung erschien eine Kabinetsordre, welche diese Beschlüsse genehmigte und in Folge dersrlben ergingen Bekanntmachungen an alle Regierungen und Polizeibehörden, welche eine möglichst schleunige Ermittlung veranlaßten. Die beschlossene Klassensteuerbefreiung ist verfügt, die Verzichtleistungen auf Invalidenansprüche sind für nicht geschehen erklärt. Zum Beweise der Anspruchsqualität auf Invalidenunterstützung ist der Nachweis der Dürftigkeit und der Invalidität für genügend erklärt und als Prinzip jede Erleichterung bei Führung dieses Nachweses zugelassen worden. Ob es übrigens einem Arzte möglich ist. körperliche Gebrechen immer als Folgen der Kriegsstrapazen zu attestiren, steht zu bezweifeln. Ueber die angestellten Ermittelungen liegen übrigens bis jetzt erst 5 Berichte von Regierungen vor. Der Minister macht noch bemerklich, daß die gedachten Ermittelungen zweckmäßig der Civilverwaltung zu überlassen und von dem Militärressort allzuschneiden sein würden. Wolle die Kammer übrigens die ausreichede Unterstützung aller Krieger als Prinzip aufnehmen und dazu die nöthigen Gelder bewilligen, so werde er der Erste sein, der im Namen aller preußischen Veteranen der Versammlung seinen wärmsten Dank aussprechen werde. Bis jetzt wurden 32,000 Invaliden unterstützt, und sein Vorgänger im Amte habe darin eine dankenswerthe Thätigkeit entwickelt. Uebrigens sei die Aaflösung der Invalidenkompagnien im Werke, da die Erfahrung gelehrt habe, daß die Invaliden in ihrer Heimath besser zu leben im Stande seien, als an den Garnisonsorten.
Finanzminister v. Raabe bemerkt, es sei in Betreff der verfügten Kopfsteuerbefreiung keine Beschwerde darüber eingegangen, daß die Regierungen die Verfügung unausgeführt gelassen hätten.
Fortsetzung der Berichte über die Wahlprüfungen. Man beschließt, wegen der bei einer Wahl vorgekommenen Unregelmäßigkeiten die Akten dem Min. des Innern zugehen zu lassen.
Ein dringender Antrag des Abg. Kinkel und Genossen findet Unterstützung. Er lautet:
Die Kammer wolle beschließen, die beiden Strafprozesse, in welchen der Abg. Kinkel in zweiter Instanz auf den 18.April d J. vor das Landgericht zu Köln geladen ist, vorläufig zu sistiren und die Einforderung der Akten zu verlangen.
Der Antrag geht an die Petitions-Kommission, welcher Beschleunigung empfohlen wird, weil noch vor dem Osterfest über den Antrag Beschluß gefaßt werden müsse, wenn dem Interesse des Antrages genügt werden solle.
Reuter (Tilsit) erstattet Namens des Centralausschusses Bericht über den Antrag des Staatsanwalts Sethe, die gegen den Abg. Jung wegen Beleidigung des Magistrats zu Berlin einzuleitende Untersuchung zu ge-
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Weitere Informationen:Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 2 (Nummer 184 bis Nummer 301) Köln, 1. Januar 1849 bis 19. Mai 1849. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.
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