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Neue Rheinische Zeitung. Nr. 245. Köln, 14. März 1849. Beilage.

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Beilage zu Nr. 245 der Neuen Rheinischen Zeitung.
Organ der Demokratie.
Mittwoch 14. März 1849.
Französische Republik.
Paris, 11. März.

Der Moniteur fährt mit einer wahrhaft bewundernswerthen Ausdauer fort, dem Lande Schrecken vor der "Rothen Republik" einzuflößen:

"Mit jedem Tage, sagt er, machen Arbeit und Kredit neue Fortschritte. Das Zutrauen, welches die Regierung dem Lande einflößt, gibt den Geschäften ihren Aufschwung wieder. Die Ordnung erhält selbst durch Besiegung der Hindernisse, die man ihr in den Weg stellt, neue Stärke. Indessen laufen von den Präfekten Depeschen ein, welche melden, daß auf mehreren Punkten Unruhen ausgebrochen, welche zum Glück keine große Bedeutung hatten [unleserliches Material]."

Nun erzählt der Moniteur, daß die Rekruten-Aushebung überall mit Enthusiasmus vor sich gegangen, nur in Nozay habe man rothe Tücher geschwungen und gerufen: Es lebe die demokratisch-soziale Republik! In Chateaurenard habe eine Raufferei stattgefunden. In Saint Girons sei der Maire abgesetzt worden, weil er dem dortigen rothen Jubel nicht bei Zeiten gesteuert; im Ariegedepartement habe der Präfekt den Hals gebrochen, indem er mit seinem Wagen von einer steilen Höhe stürzte; in Toulouse sei eine Eskorte, welche Gefangene abführte, überfallen und zerstreut worden; in Bondues (Nord) habe man aus vollem Halse geschrieen: Es lebe Barbes! Es lebe Raspail! Es lebe die Guillotine etc. Auch in den Cher- und Allier-Departements hätten Gährungen stattgefunden, die auf Lohnstreitigkeiten zwischen Arbeitern und Fabrikherren beruhten, jedoch nahe daran wären, beigelegt zu werden.

Man sieht, Herr Leon Faucher rächt sich noch immer für die Verkennung seines Premier-Paris im Courrier Francais.

-- Dem Ministerium sind, wie es scheint, wichtige Nachrichten aus den Donaufürstenthümern zugegangen. Cronstadt, Clausenburg, Carlsburg und Hermannstadt haben, heißt es, bereits russische Besatzungen und andere sollen folgen. Auf diese Weise könne Oestreich seine Truppen aus Ungarn ziehen und nach Italien werfen, wo die Contrerevolution ihren großen Schlag zu thun gedenkt. Wir wissen nicht, ob diese Depeschen Grund zu dem außergewöhnlichen Courrierwechsel sind, der heute stattfindet, aber die Opinion publique meldet, daß man die ganze verflossene Nacht im Kriegsministerium arbeitete.

-- Ein, freilich nicht immer zuverlässiges Morgenblatt behauptet, daß die Feindseligkeiten zwischen Sardinien (Piemont) und Radetzki losgebrochen.

Wir halten diese Nachricht für voreilig.

-- Mehrere Bischöfe fahren fleißig fort, Beiträge für Seine Heiligkeit zu sammeln. Außer den Geldsendungen, die wir gestern meldeten, gingen heute wieder
1) 5000 frc. vom Bischof v. Lucon
2) 3000 frc. vom Bischof v. Sens
nach Gaeta ab.

(Univers.)

-- (Ein neuer Concurrent des Königs von Preußen.) Der berüchtigte Herzog Karl von Braunschweig leidet im Exil an der fixen Idee, man werde den Präsidenten Bonaparte nächstens zum demokratischen Kaiser von Frankreich und ihn (den Herzog) zum Kaiser von Deutschland in Frankfurt ausrufen. Um diesem Ereigniß näher zu sein, hat derselbe beschlossen, mit Sack und Pack von London nach Paris überzusideln. Ein Haus ist bereits gemiethet.

068 Paris, 11 März.

Der s. g. General en chef Changarnier hat so eben ein Schreiben oder vielmehr einen Befehl an die Pariser Divisionscommandeure erlassen. Der Inhalt ist folgender: "Verschiedene Unteroffiziere eines hiesigen Regiments haben, wie es scheint, schriftlich gegen das s. g. sozialistische Unteroffizier-Banquett protestiren wollen. Changarnier, der über diesen Protest sehr frohist, ist aber in dieser Beziehung durchaus mit Marschall Soult einverstanden und mißbilligt die Fassung. Wenn Changarnier Recht hat, so darf kein Soldat für eine Zeitung schreiben, bei Strafe der Ausstoßung aus der Armee. "Einen Streit in solchen Dingen beginnen oder fortführen, heißt, sich selbst der Verachtung aussetzen." Man sieht, daß Changarnier sich sehr um die Presse bekümmert; hierüber beklagen wir uns keineswegs. Die Ansicht des Oberkommandeurs ist in dieser Beziehung frei, und zwar eben so frei, wie wir über dergleichen Aeußerungen gleichgültig sind.

Wir wollen blos eine Aeußerung Changarniers wiederholen. "Uebersehen sie nicht, sagte er, indem er auf die untersten Stufen der Hierarchie zurückging, die wesentlich schützende Aufgabe des Heeres, nämlich daß das Heer nicht in Politik sondern nur in Ordnung macht." --

Wir bitten den Hrn. Oberkommandeur um Verzeihung, aber derselbe glaubt, es sei noch der Januar des vorigen Jahres unter der Orleans'schen Monarchie, oder der Juni 1830 unter den Bourbons. Wir sind nicht mehr, oder wir sind noch nicht auf diesem Standpunkte. Seit dem Februar hat sich das Heer emanzipirt und seine Thätigkeit Epoche gemacht hat im politischen Leben des Volkes, verzichten unsre Söhne und Brüder nicht mehr auf die Rechte eines Bürgers und begeben sich nicht mehr des Rechts zu denken und der Gedankenfreiheit selbst unter der Fahne.

Wenn übrigens Changarnier das Gewicht seiner Worte kennte, so würde er wissen, daß "in Ordnung machen" so viel heißt wie "in Politik machen", wenigstens ebenso oft als die Aufgabe des Heeres sich in den Augen des Oberkommandeurs darauf beschränkt, die Ordnung in der Art der Stadtsergeanten zu hüten. Wenn er dieses voraussetzt, so wird das Heer ohne Zweifel stolz sein auf den Beruf, den er ihm anweist und auf den er dasselbe beschränken will.

Der gesunde Sinn und die Vernunft legen gegen die Changarnier'schen Anmaßungen Verwahrung ein; aber solche Autoritäten genügen vielleicht Herrn Changarnier nicht. Wir berufen uns auf eine andere Autorität, vor der man sich wohl wird beugen müssen: die Verfassung, wir wiederholen es, die Verfassung, kraft derer das Heer Theil hat an der wichtigsten Handlung im Staatsleben, nämlich an den Wahlen. Das Wahlgesetz, welches die Nationalversammlung in diesem Augenblicke zum dritten Male prüft, verfügt wörtlich: "Das Heer hat im Inlande eben so gut das Recht, Abgeordnete zu wählen, wie jeder Bürger." Fassen wir das Gesagte zusammen: bis dahin, daß eine weiße oder blaue Restauration die Volkssouveränetät vernichtet und aufs Neue die Herrschaft der Vorrechte und Exemtionen einführt, so muß man die nothwendigen Folgesatze unserer Einrichtungen anerkennen.

Heutiges Tages haben alle Bürger, ohne Unterschied ob sie Soldaten sind oder nicht, auf Grund desselben Rechtes Theil am Staatsleben. Sie sind nicht allein berechtigt, sondern, wir legen Gewicht darauf, verpflichtet, sich aufzuklären, zu unterrichten durch Rede und Schrift und durch Alles, was nur immerhin geschickt und tauglich machen kann zum Genusse ihrer Gerechtsame.

Changarnier würde geduldige und stumme Werkzeuge lieber haben; wir begreifen ihn durchaus. Aber möge er denken, thun und vor allen Dingen schreiben, was er will, so wird sich das Heer doch nicht mehr als einen besonderen Theil des Volks betrachten, welcher, dem Befehle der Offiziere blosgestellt, so zu sagen zu einer steten Feindschaft mit seinen Mitbürgern verdammt ist. Das Heer ist republikanisch! Der Obergeneral Changarnier muß sich danach richten.

-- Unsere beiden Freihandelsschüler F. Bastiat und L. Faucher gerathen im "Courrier" hart an einander, weil Ersterer bei der Nationalversammlung darauf angetragen:

"Kein Mitglied der National-Versammlung darf ein besoldetes Staatsamt, selbst nicht das eines Ministers, bekleiden."

Auch das Journal des Debats zeigt sich über eine solche Neuerung höchlichst entrüstet. Wir unterlassen nicht, auf dieses Geheul der heutigen Journale aufmerksam zu machen.

-- Im Peuple und im Bureau der Propogande socialiste liegen seit gestern mehrere hundert Zeitungsnummern aus, welche dem Militär gratis verabreicht werden.

Diese Maßregel versetzt den Pascha Changarnier in den Tuilerien in eine wahre Berserkerwuth. Es steht für morgen ein neuer geharnischter Tagesbefehl an alle seine Vessire des Seine-Departements in Aussicht.

-- Die Sitzung der Haute-Cour in Bourges vom 10 März macht das größte Aufsehen. Erstens denuncirte Blanqui den Hrn. Carlier, die Seele unsrer Polizeiwehr, der geflissentlichen Uebertreibung in seinen Berichten ans Ministerium und entlarvte ihn vollständig. Zweitens deponirte der Zeuge Saniewski, 47 Jahr alt, polnischer Flüchtling:

"... Am 11. Mai stand ich als Neugierger auf dem Place de Bourgogne, um die Eingänge der Nationalversammlung zu beschauen. Unter der Menge, die mich umgab, sah ich mehrere Männer in Blousen, die unter ihrer Verkleidung leicht als Nichtproletarier zu erkennen. Zwei derselben erkannte ich sogar als diejenigen wieder, welche in die Nationalwerkstätten der Batignolles kamen, um die Arbeiter aufzuwiegeln. Der Eine trug eine alte Blouse und sagte zu mir: "Indem Sie mich so angekleidet sehen, glauben Sie vielleicht, daß ich Arbeiter bin? Nein, mein Freund, ich lebe von meinen Zinsen (j'ai des rentes)." Ich antwortete ihm nichts. Schon früher, entsann ich mich, hatte ich diesen Menschen mit den Arbeitern trinken und lustig leben sehen. Ich war Zeuge, daß er eines Tags 50 Frk. für Essen und Trinken bezahlte; selbst Champagner wurde getrunken ... Denselben Mann sah ich bald darauf im Hause der russischen Gesandtschaft."

068 Bourges, 8. März.

(Gerichtsverhandlung vom 8. -- Schluß.)

Präsident. Was hat sich in dem Club der Volksfreunde vor dem 15. Mai zugetragen?

Raspail erklärt, daß es kein Club, sondern eine belehrende Zusammenkunft gewesen sei, die er jeden Samstag abgehalten habe; es habe kein Bureau existirt und er, Raspail, die Versammlung allein und nach Gutdünken dirigirt. Zu der polnischen Petition sei er durch persönliche Sympathieen veranlaßt worden. Am Tage nach Abfassung und Verlesung der Petition im Club habe er vernommen, daß man eine große, friedliche Manifestation vorbereite, für welche er aus Vorliebe für Polen, aber unter der Bedingung am Ende des Zuges zu bleiben, seine und seiner Freunde Theilnahme zugesagt habe. Es geschah wie verlangt. Nachdem sich der Zug einige Zeit bereits in Marsch gesetzt, seien die Führer zu ihm gekommen, um ihn zu ersuchen, mit an die Spitze zu treten, weil die Colonne keine Petition habe; er habe dies angenommen und sei nach einer halben Stunde an der Spitze des Zugs angelangt, welcher bereits an der Madeleine war.

Präsident. Was haben Sie gethan, um in den Versammlungssaal einzutreten?

Raspail. Ueber den Revolutionsplatz, wo man sich sehr drängte, gelangte ich an das Gitter der Nationalversammlung. Hier herrschte der furchtbarste Tumult. Eine Menge agents provocateurs, die ich vollständig erkannt habe, trieben sich umher und suchten Verwirrung und Unordnung anzurichten. Vergebens bemühte ich mich sie zur Ruhe zu ermahnen, und wendete mich an mehrere anwesende Mobil-Offiziere; das Volk wurde durch die systematischen Aufreizungen fortgerissen.

Als ich in den seit einer Stunde bereits gestürmten Saal kam, wurde ich von Hrn. Buchez aufgefordert, die Petition zu lesen. Ich habe sie gelesen, und glaube, dadurch eine Pflicht erfüllt zu haben.

Präsident. Was haben Sie nach Ihrer Entfernung aus der Versammlung gethan?

Raspail. Ich kam zu der, dem Revolutionsplatz entgegengesetzten Seite aus der Versammlung. Man sagte mir, daß ich Mitglied einer neuen provisorischen Regierung sei, und ich wurde mit dem Ruf: Es lebe Raspail! umringt. Ich glaube, ich hatte das Recht, stolz darauf zu sein, diesen Ruf von den Lippen der Leidenden und Gedrückten zu vernehmen.

Ich erreichte einen Wagen, und wollte mich nach Hause begeben. Aber Männer aus dem Volk stiegen auf den Wagen und schrieen: "Nach dem Hotel-de-Ville!" Ich antwortete, daß ich die Republik liebe, daß ich mein ganzes Leben lang für sie gekämpft habe, daß ich aber nichts für mich von ihr profitiren wolle. Es gelang mir, das Hotel-de-Ville zu vermeiden, und wenn ich wie die Anklage sagt, ein Verbrechen begangen habe, so ist es, weil ich mich statt zu mir, zu meinem Sohne begab, den man schurkischer Weise mit mir verhaftete. Diese Infamie gehört der Geschichte an.

Generalprokurator Baroche. Kann der Angeklagte Raspail den Namen der Repräsentanten sagen, die ihn einluden, in den Saal zu treten?

Raspail. Wenn Hr. Baroche an meinem Platze wäre, würde er sagen, er kenne sie nicht.

Blanqui. Ich kenne sie.

Ein Geschworner. Der Angeklagte Raspail möge uns sagen, ob es wahr ist, daß der General Courtais eingeladen, in das Gitter zu treten.

Raspail. Der General Courtais hat mich nach Mittheilung des Zwecks eintreten lassen, er wußte, daß ich Raspail sei.

Blanqui. Der Repräsentant, welcher die Delegirten der Clubs zum Eintritt in den Sitzungssaal einlud, ist der Bürger Xavier Durrieu, (Ex-Redakteur des legitimistischen Courrier francais.)

Präsident. Hr. Durrieu ist Zeuge. Man wird ihn hören. Angeklagter Flotte, erheben Sie sich.

Flotte bleibt sitzen und antwortet nicht.

Der Präsident fordert den Angeklagten Quentin auf.

Quentin. Am 15. Mai war ich auf dem Boulevard, und sah die Manifestation mit an. Da sie mir vollkommen gesetzlich vorkam und ich den Ruf: "Es lebe Polen!" vernahm, mischte ich mich als Neugieriger in die Prozession. Die Menge drang in den Saal und ich folgte ihr. An der Thür des Sitzungssaales sah ich Hrn. Francois Arago, einen der Haupt-Belastungszeugen, Leute von gewaltthätigem Aussehen in die Versammlung führen. Als ich mich vor ihm präsentirte, sagte er mir: "Mit welchem Recht wollen Sie hier eintreten?" Ich antwortete: "Mit demselben Recht, welches Sie diesen Menschen zugestehen."

Präsident. Wie und warum sind sie in's Luxemburg gegangen?

Quentin. Ich bin hingegangen, weil es mir so convenirte; ich wollte mich der Exekutiv-Kommission zur Verfügung stellen für den Fall, daß sie bedroht wäre. Als ich eben eintrat, begegnete mir der Bürger Arago und rief: "Ah, da ist einer der Aufrührer; verhaftet ihn!" Die Gardiens stürzten sich auf mich, -- verhafteten mich und nahmen mir meine Pistolen ab, die ich seit 1830 trage.

General-Prokurator Baroche. Der General Courtais hat erklärt, daß sie gerufen haben: A bas cette Assemblee des canailles!

Quentin. Ich habe diese Worte nicht gerufen. Der General Courtais hat übrigens vorgestern in der ersten Sitzung erklärt, daß ich nicht der Mann sei, den man ihm unter meinem Namen bezeichnet.

Baroche. Haben sie nicht den Präsidenten insultirt?

Quentin. Ich habe ihn beschützt und die Erstürmung des Bureaux verhindert.

Baroche. Sie sollen dem Präsidenten zugerufen haben: "Sie sind ein Verräther. Louis Blanc auf den Präsidentenstuhl!"

Quentin. Ich habe nicht daran gedacht.

Der Präsident ruft den Angeklagten Degre auf.

Degre gibt zu, daß er Präsident eines Clubs zu Montargis gewesen sei, der aber nur zum Zweck der Wahlen gebildet worden. Am 15. Mai habe er sich nach dem Faubourg St. Antoine begeben, um ein Portrait zu malen. Unterwegs habe er den Zug gesehen, der eine Petition in die Versammlung bringen sollte; er sei aus Neugierde gefolgt, dann nach Hause gegangen und in Uniform zurückgekehrt. Die Frage, ob er nicht mehrere Repräsentanten im Sitzungssaal beleidigt, verneint der Angeklagte. Ein Mann an der Tribüne habe ihn aufgefordert, den Säbel zu ziehen, und er habe diesem Befehl sofort gehorcht.

Baroche. Haben Sie nicht beim Eintritt in die Versammlung, gerufen: "Man soll diese Revolution nicht eskamotiren wie die Februar-Revolution!"

Degre. Ich dachte nicht daran. Uebrigens hat man denselben Vorwurf schon Quentin gemacht, ohne bessere Beweise dafür zu haben.

Der Präsident ruft den Angeklagten Larger, Bataillonschef der Mobilgarde von Passy, auf. Derselbe erklärt, aus Neugierde dem Zuge gefolgt zu sein. Er habe in Passy am Abend die Bildung einer neuen provisorischen Regierung verkündigt, weil er die Proklamation in dem Versammlungssaal mit angehört.

Der Angeklagte Borme erklärt auf die Fragen des Präsidenten, daß er Marinesoldat gewesen, wegen Tragens eines Kreuzes der Ehrenlegion verurtheilt worden, und mit dem berüchtigten Vidocq bekannt sei. Als er darüber Aufschluß geben soll, ob er vor dem 15. Mai oft ins Hotel de Ville gekommen sei, ruft Raspail, daß man nichts verstehe. Der Generalprokurator nimmt den Angeklagten Borme in Schutz und bemerkt, daß Barbes mit seinem Beistand, dem Repräsentanten Bernard plaudere. Raspail antwortet, daß nicht Barbes ihn am Hören verhindere, und Barbes erklärt dem Generalprokurator, daß er kein Geräusch machen werde, wenn man ihn in seiner Zelle ließe. Borme wird unter die Angeklagtenbank, vor die Richter gestellt.

Raspail. Ich frage den Angeklagten Borme, ob er nicht Sekretär von Marrast gewesen, mit Hrn. Flottard gearbeitet?

Borme stellt Beides in Abrede.

Präsident. Wer hat Ihre Reisen nach Marseille bezahlt?

Borme. Im Anfang die Regierung.

Raspail Hat Borme nicht seine Mitangeklagten in einem Brief denunzirt, den er in der Conciergerie, als er mit uns zusammengesperrt war, an die Polizei schrieb?

Borme: Ich habe einige Mal Maßregeln gegen meine Mitangeklagten genommen; ich habe selbst von der Juni-Insurrektion Kenntniß gegeben, von der sich in dem Gefängniß Spuren zeigten, und Lacambre als Haupt-Chef bezeichnete. (Lärm im Auditorium und unter den Gefangenen) Ich habe das gethan, weil ich Feind der rothen Republik bin. Am 20. Juni habe ich Lacambre denunzirt und auch seinen Plan von den Hauptbarrikaden mitgetheilt. Am 22. schrieb ich von Neuem und verlangte zum Polizei-Chef ernannt zu werden; am 25., als ich die Füssillade hörte, schrieb ich zum drittenmal. Erst am 2. Juli wurde ich vor Hrn. Trouve-Chauvel geführt, der mir sagte: "Wenn ich mich nicht früher mit Ihnen beschäftigt habe, so war es, weil General Cavaignac seinen Plan hatte, und Sie von Hr. Lamartine als ein gefährlicher Mensch bezeichnet waren. (Langer und stürmischer Aufruhr im Publikum. Borme wird in der weiteren Verhandlung immer befangener und stottert.)

Raspail: Hat nicht Borme einen Brief an seine Mitgefangenen geschrieben, worin er seine Denunziationen gegen sie zurücknahm und erklärte, vom Instruktionsrichter verführt zu sein?

Borme: Niemals.

Flotte (heftig): Dieser Brief existirt.

Raspail: Und man wird ihn wiederfinden. Sie sehen, Herr Präsident, dieser Mensch ist zu honett, um neben uns Räubern sitzen zu dürfen -- die Justiz sollte roth werden.

Blanqui: Hr. Präsident, wollen Sie Borme fragen, warum er in dem Zeitraum vom 25. Februar bis 15. Mai in meinen Club gekommen?

Borme. Vidocq schickte mich hin, indem er sagte, daß man diese rothen Republikaner überwachen müsse. Ich fand indeß wenig Interesse dabei. Nur daß sie gegen L. Bonaparte konspirirten, interessirte mich, für dessen Unterstützung eine Legion von 4000 Freiwillige sich bildete.

Raispail. Hat nicht Vidocq das Geld dazu gegeben, und sich zum General ernennen lassen.

Beilage zu Nr. 245 der Neuen Rheinischen Zeitung.
Organ der Demokratie.
Mittwoch 14. März 1849.
Französische Republik.
Paris, 11. März.

Der Moniteur fährt mit einer wahrhaft bewundernswerthen Ausdauer fort, dem Lande Schrecken vor der „Rothen Republik“ einzuflößen:

„Mit jedem Tage, sagt er, machen Arbeit und Kredit neue Fortschritte. Das Zutrauen, welches die Regierung dem Lande einflößt, gibt den Geschäften ihren Aufschwung wieder. Die Ordnung erhält selbst durch Besiegung der Hindernisse, die man ihr in den Weg stellt, neue Stärke. Indessen laufen von den Präfekten Depeschen ein, welche melden, daß auf mehreren Punkten Unruhen ausgebrochen, welche zum Glück keine große Bedeutung hatten [unleserliches Material].“

Nun erzählt der Moniteur, daß die Rekruten-Aushebung überall mit Enthusiasmus vor sich gegangen, nur in Nozay habe man rothe Tücher geschwungen und gerufen: Es lebe die demokratisch-soziale Republik! In Chateaurenard habe eine Raufferei stattgefunden. In Saint Girons sei der Maire abgesetzt worden, weil er dem dortigen rothen Jubel nicht bei Zeiten gesteuert; im Ariegedepartement habe der Präfekt den Hals gebrochen, indem er mit seinem Wagen von einer steilen Höhe stürzte; in Toulouse sei eine Eskorte, welche Gefangene abführte, überfallen und zerstreut worden; in Bondues (Nord) habe man aus vollem Halse geschrieen: Es lebe Barbes! Es lebe Raspail! Es lebe die Guillotine etc. Auch in den Cher- und Allier-Departements hätten Gährungen stattgefunden, die auf Lohnstreitigkeiten zwischen Arbeitern und Fabrikherren beruhten, jedoch nahe daran wären, beigelegt zu werden.

Man sieht, Herr Leon Faucher rächt sich noch immer für die Verkennung seines Premier-Paris im Courrier Français.

— Dem Ministerium sind, wie es scheint, wichtige Nachrichten aus den Donaufürstenthümern zugegangen. Cronstadt, Clausenburg, Carlsburg und Hermannstadt haben, heißt es, bereits russische Besatzungen und andere sollen folgen. Auf diese Weise könne Oestreich seine Truppen aus Ungarn ziehen und nach Italien werfen, wo die Contrerevolution ihren großen Schlag zu thun gedenkt. Wir wissen nicht, ob diese Depeschen Grund zu dem außergewöhnlichen Courrierwechsel sind, der heute stattfindet, aber die Opinion publique meldet, daß man die ganze verflossene Nacht im Kriegsministerium arbeitete.

— Ein, freilich nicht immer zuverlässiges Morgenblatt behauptet, daß die Feindseligkeiten zwischen Sardinien (Piemont) und Radetzki losgebrochen.

Wir halten diese Nachricht für voreilig.

— Mehrere Bischöfe fahren fleißig fort, Beiträge für Seine Heiligkeit zu sammeln. Außer den Geldsendungen, die wir gestern meldeten, gingen heute wieder
1) 5000 frc. vom Bischof v. Luçon
2) 3000 frc. vom Bischof v. Sens
nach Gaëta ab.

(Univers.)

— (Ein neuer Concurrent des Königs von Preußen.) Der berüchtigte Herzog Karl von Braunschweig leidet im Exil an der fixen Idee, man werde den Präsidenten Bonaparte nächstens zum demokratischen Kaiser von Frankreich und ihn (den Herzog) zum Kaiser von Deutschland in Frankfurt ausrufen. Um diesem Ereigniß näher zu sein, hat derselbe beschlossen, mit Sack und Pack von London nach Paris überzusideln. Ein Haus ist bereits gemiethet.

068 Paris, 11 März.

Der s. g. General en chef Changarnier hat so eben ein Schreiben oder vielmehr einen Befehl an die Pariser Divisionscommandeure erlassen. Der Inhalt ist folgender: „Verschiedene Unteroffiziere eines hiesigen Regiments haben, wie es scheint, schriftlich gegen das s. g. sozialistische Unteroffizier-Banquett protestiren wollen. Changarnier, der über diesen Protest sehr frohist, ist aber in dieser Beziehung durchaus mit Marschall Soult einverstanden und mißbilligt die Fassung. Wenn Changarnier Recht hat, so darf kein Soldat für eine Zeitung schreiben, bei Strafe der Ausstoßung aus der Armee. „Einen Streit in solchen Dingen beginnen oder fortführen, heißt, sich selbst der Verachtung aussetzen.“ Man sieht, daß Changarnier sich sehr um die Presse bekümmert; hierüber beklagen wir uns keineswegs. Die Ansicht des Oberkommandeurs ist in dieser Beziehung frei, und zwar eben so frei, wie wir über dergleichen Aeußerungen gleichgültig sind.

Wir wollen blos eine Aeußerung Changarniers wiederholen. „Uebersehen sie nicht, sagte er, indem er auf die untersten Stufen der Hierarchie zurückging, die wesentlich schützende Aufgabe des Heeres, nämlich daß das Heer nicht in Politik sondern nur in Ordnung macht.“ —

Wir bitten den Hrn. Oberkommandeur um Verzeihung, aber derselbe glaubt, es sei noch der Januar des vorigen Jahres unter der Orleans'schen Monarchie, oder der Juni 1830 unter den Bourbons. Wir sind nicht mehr, oder wir sind noch nicht auf diesem Standpunkte. Seit dem Februar hat sich das Heer emanzipirt und seine Thätigkeit Epoche gemacht hat im politischen Leben des Volkes, verzichten unsre Söhne und Brüder nicht mehr auf die Rechte eines Bürgers und begeben sich nicht mehr des Rechts zu denken und der Gedankenfreiheit selbst unter der Fahne.

Wenn übrigens Changarnier das Gewicht seiner Worte kennte, so würde er wissen, daß „in Ordnung machen“ so viel heißt wie „in Politik machen“, wenigstens ebenso oft als die Aufgabe des Heeres sich in den Augen des Oberkommandeurs darauf beschränkt, die Ordnung in der Art der Stadtsergeanten zu hüten. Wenn er dieses voraussetzt, so wird das Heer ohne Zweifel stolz sein auf den Beruf, den er ihm anweist und auf den er dasselbe beschränken will.

Der gesunde Sinn und die Vernunft legen gegen die Changarnier'schen Anmaßungen Verwahrung ein; aber solche Autoritäten genügen vielleicht Herrn Changarnier nicht. Wir berufen uns auf eine andere Autorität, vor der man sich wohl wird beugen müssen: die Verfassung, wir wiederholen es, die Verfassung, kraft derer das Heer Theil hat an der wichtigsten Handlung im Staatsleben, nämlich an den Wahlen. Das Wahlgesetz, welches die Nationalversammlung in diesem Augenblicke zum dritten Male prüft, verfügt wörtlich: „Das Heer hat im Inlande eben so gut das Recht, Abgeordnete zu wählen, wie jeder Bürger.“ Fassen wir das Gesagte zusammen: bis dahin, daß eine weiße oder blaue Restauration die Volkssouveränetät vernichtet und aufs Neue die Herrschaft der Vorrechte und Exemtionen einführt, so muß man die nothwendigen Folgesatze unserer Einrichtungen anerkennen.

Heutiges Tages haben alle Bürger, ohne Unterschied ob sie Soldaten sind oder nicht, auf Grund desselben Rechtes Theil am Staatsleben. Sie sind nicht allein berechtigt, sondern, wir legen Gewicht darauf, verpflichtet, sich aufzuklären, zu unterrichten durch Rede und Schrift und durch Alles, was nur immerhin geschickt und tauglich machen kann zum Genusse ihrer Gerechtsame.

Changarnier würde geduldige und stumme Werkzeuge lieber haben; wir begreifen ihn durchaus. Aber möge er denken, thun und vor allen Dingen schreiben, was er will, so wird sich das Heer doch nicht mehr als einen besonderen Theil des Volks betrachten, welcher, dem Befehle der Offiziere blosgestellt, so zu sagen zu einer steten Feindschaft mit seinen Mitbürgern verdammt ist. Das Heer ist republikanisch! Der Obergeneral Changarnier muß sich danach richten.

— Unsere beiden Freihandelsschüler F. Bastiat und L. Faucher gerathen im „Courrier“ hart an einander, weil Ersterer bei der Nationalversammlung darauf angetragen:

„Kein Mitglied der National-Versammlung darf ein besoldetes Staatsamt, selbst nicht das eines Ministers, bekleiden.“

Auch das Journal des Debats zeigt sich über eine solche Neuerung höchlichst entrüstet. Wir unterlassen nicht, auf dieses Geheul der heutigen Journale aufmerksam zu machen.

— Im Peuple und im Bureau der Propogande socialiste liegen seit gestern mehrere hundert Zeitungsnummern aus, welche dem Militär gratis verabreicht werden.

Diese Maßregel versetzt den Pascha Changarnier in den Tuilerien in eine wahre Berserkerwuth. Es steht für morgen ein neuer geharnischter Tagesbefehl an alle seine Vessire des Seine-Departements in Aussicht.

— Die Sitzung der Haute-Cour in Bourges vom 10 März macht das größte Aufsehen. Erstens denuncirte Blanqui den Hrn. Carlier, die Seele unsrer Polizeiwehr, der geflissentlichen Uebertreibung in seinen Berichten ans Ministerium und entlarvte ihn vollständig. Zweitens deponirte der Zeuge Saniewski, 47 Jahr alt, polnischer Flüchtling:

„… Am 11. Mai stand ich als Neugierger auf dem Place de Bourgogne, um die Eingänge der Nationalversammlung zu beschauen. Unter der Menge, die mich umgab, sah ich mehrere Männer in Blousen, die unter ihrer Verkleidung leicht als Nichtproletarier zu erkennen. Zwei derselben erkannte ich sogar als diejenigen wieder, welche in die Nationalwerkstätten der Batignolles kamen, um die Arbeiter aufzuwiegeln. Der Eine trug eine alte Blouse und sagte zu mir: „Indem Sie mich so angekleidet sehen, glauben Sie vielleicht, daß ich Arbeiter bin? Nein, mein Freund, ich lebe von meinen Zinsen (j'ai des rentes).“ Ich antwortete ihm nichts. Schon früher, entsann ich mich, hatte ich diesen Menschen mit den Arbeitern trinken und lustig leben sehen. Ich war Zeuge, daß er eines Tags 50 Frk. für Essen und Trinken bezahlte; selbst Champagner wurde getrunken … Denselben Mann sah ich bald darauf im Hause der russischen Gesandtschaft.“

068 Bourges, 8. März.

(Gerichtsverhandlung vom 8. — Schluß.)

Präsident. Was hat sich in dem Club der Volksfreunde vor dem 15. Mai zugetragen?

Raspail erklärt, daß es kein Club, sondern eine belehrende Zusammenkunft gewesen sei, die er jeden Samstag abgehalten habe; es habe kein Bureau existirt und er, Raspail, die Versammlung allein und nach Gutdünken dirigirt. Zu der polnischen Petition sei er durch persönliche Sympathieen veranlaßt worden. Am Tage nach Abfassung und Verlesung der Petition im Club habe er vernommen, daß man eine große, friedliche Manifestation vorbereite, für welche er aus Vorliebe für Polen, aber unter der Bedingung am Ende des Zuges zu bleiben, seine und seiner Freunde Theilnahme zugesagt habe. Es geschah wie verlangt. Nachdem sich der Zug einige Zeit bereits in Marsch gesetzt, seien die Führer zu ihm gekommen, um ihn zu ersuchen, mit an die Spitze zu treten, weil die Colonne keine Petition habe; er habe dies angenommen und sei nach einer halben Stunde an der Spitze des Zugs angelangt, welcher bereits an der Madeleine war.

Präsident. Was haben Sie gethan, um in den Versammlungssaal einzutreten?

Raspail. Ueber den Revolutionsplatz, wo man sich sehr drängte, gelangte ich an das Gitter der Nationalversammlung. Hier herrschte der furchtbarste Tumult. Eine Menge agents provocateurs, die ich vollständig erkannt habe, trieben sich umher und suchten Verwirrung und Unordnung anzurichten. Vergebens bemühte ich mich sie zur Ruhe zu ermahnen, und wendete mich an mehrere anwesende Mobil-Offiziere; das Volk wurde durch die systematischen Aufreizungen fortgerissen.

Als ich in den seit einer Stunde bereits gestürmten Saal kam, wurde ich von Hrn. Buchez aufgefordert, die Petition zu lesen. Ich habe sie gelesen, und glaube, dadurch eine Pflicht erfüllt zu haben.

Präsident. Was haben Sie nach Ihrer Entfernung aus der Versammlung gethan?

Raspail. Ich kam zu der, dem Revolutionsplatz entgegengesetzten Seite aus der Versammlung. Man sagte mir, daß ich Mitglied einer neuen provisorischen Regierung sei, und ich wurde mit dem Ruf: Es lebe Raspail! umringt. Ich glaube, ich hatte das Recht, stolz darauf zu sein, diesen Ruf von den Lippen der Leidenden und Gedrückten zu vernehmen.

Ich erreichte einen Wagen, und wollte mich nach Hause begeben. Aber Männer aus dem Volk stiegen auf den Wagen und schrieen: „Nach dem Hotel-de-Ville!“ Ich antwortete, daß ich die Republik liebe, daß ich mein ganzes Leben lang für sie gekämpft habe, daß ich aber nichts für mich von ihr profitiren wolle. Es gelang mir, das Hotel-de-Ville zu vermeiden, und wenn ich wie die Anklage sagt, ein Verbrechen begangen habe, so ist es, weil ich mich statt zu mir, zu meinem Sohne begab, den man schurkischer Weise mit mir verhaftete. Diese Infamie gehört der Geschichte an.

Generalprokurator Baroche. Kann der Angeklagte Raspail den Namen der Repräsentanten sagen, die ihn einluden, in den Saal zu treten?

Raspail. Wenn Hr. Baroche an meinem Platze wäre, würde er sagen, er kenne sie nicht.

Blanqui. Ich kenne sie.

Ein Geschworner. Der Angeklagte Raspail möge uns sagen, ob es wahr ist, daß der General Courtais eingeladen, in das Gitter zu treten.

Raspail. Der General Courtais hat mich nach Mittheilung des Zwecks eintreten lassen, er wußte, daß ich Raspail sei.

Blanqui. Der Repräsentant, welcher die Delegirten der Clubs zum Eintritt in den Sitzungssaal einlud, ist der Bürger Xavier Durrieu, (Ex-Redakteur des legitimistischen Courrier français.)

Präsident. Hr. Durrieu ist Zeuge. Man wird ihn hören. Angeklagter Flotte, erheben Sie sich.

Flotte bleibt sitzen und antwortet nicht.

Der Präsident fordert den Angeklagten Quentin auf.

Quentin. Am 15. Mai war ich auf dem Boulevard, und sah die Manifestation mit an. Da sie mir vollkommen gesetzlich vorkam und ich den Ruf: „Es lebe Polen!“ vernahm, mischte ich mich als Neugieriger in die Prozession. Die Menge drang in den Saal und ich folgte ihr. An der Thür des Sitzungssaales sah ich Hrn. François Arago, einen der Haupt-Belastungszeugen, Leute von gewaltthätigem Aussehen in die Versammlung führen. Als ich mich vor ihm präsentirte, sagte er mir: „Mit welchem Recht wollen Sie hier eintreten?“ Ich antwortete: „Mit demselben Recht, welches Sie diesen Menschen zugestehen.“

Präsident. Wie und warum sind sie in's Luxemburg gegangen?

Quentin. Ich bin hingegangen, weil es mir so convenirte; ich wollte mich der Exekutiv-Kommission zur Verfügung stellen für den Fall, daß sie bedroht wäre. Als ich eben eintrat, begegnete mir der Bürger Arago und rief: „Ah, da ist einer der Aufrührer; verhaftet ihn!“ Die Gardiens stürzten sich auf mich, — verhafteten mich und nahmen mir meine Pistolen ab, die ich seit 1830 trage.

General-Prokurator Baroche. Der General Courtais hat erklärt, daß sie gerufen haben: A bas cette Assemblée des canailles!

Quentin. Ich habe diese Worte nicht gerufen. Der General Courtais hat übrigens vorgestern in der ersten Sitzung erklärt, daß ich nicht der Mann sei, den man ihm unter meinem Namen bezeichnet.

Baroche. Haben sie nicht den Präsidenten insultirt?

Quentin. Ich habe ihn beschützt und die Erstürmung des Bureaux verhindert.

Baroche. Sie sollen dem Präsidenten zugerufen haben: „Sie sind ein Verräther. Louis Blanc auf den Präsidentenstuhl!“

Quentin. Ich habe nicht daran gedacht.

Der Präsident ruft den Angeklagten Degré auf.

Degré gibt zu, daß er Präsident eines Clubs zu Montargis gewesen sei, der aber nur zum Zweck der Wahlen gebildet worden. Am 15. Mai habe er sich nach dem Faubourg St. Antoine begeben, um ein Portrait zu malen. Unterwegs habe er den Zug gesehen, der eine Petition in die Versammlung bringen sollte; er sei aus Neugierde gefolgt, dann nach Hause gegangen und in Uniform zurückgekehrt. Die Frage, ob er nicht mehrere Repräsentanten im Sitzungssaal beleidigt, verneint der Angeklagte. Ein Mann an der Tribüne habe ihn aufgefordert, den Säbel zu ziehen, und er habe diesem Befehl sofort gehorcht.

Baroche. Haben Sie nicht beim Eintritt in die Versammlung, gerufen: „Man soll diese Revolution nicht eskamotiren wie die Februar-Revolution!“

Degré. Ich dachte nicht daran. Uebrigens hat man denselben Vorwurf schon Quentin gemacht, ohne bessere Beweise dafür zu haben.

Der Präsident ruft den Angeklagten Larger, Bataillonschef der Mobilgarde von Passy, auf. Derselbe erklärt, aus Neugierde dem Zuge gefolgt zu sein. Er habe in Passy am Abend die Bildung einer neuen provisorischen Regierung verkündigt, weil er die Proklamation in dem Versammlungssaal mit angehört.

Der Angeklagte Borme erklärt auf die Fragen des Präsidenten, daß er Marinesoldat gewesen, wegen Tragens eines Kreuzes der Ehrenlegion verurtheilt worden, und mit dem berüchtigten Vidocq bekannt sei. Als er darüber Aufschluß geben soll, ob er vor dem 15. Mai oft ins Hotel de Ville gekommen sei, ruft Raspail, daß man nichts verstehe. Der Generalprokurator nimmt den Angeklagten Borme in Schutz und bemerkt, daß Barbés mit seinem Beistand, dem Repräsentanten Bernard plaudere. Raspail antwortet, daß nicht Barbés ihn am Hören verhindere, und Barbés erklärt dem Generalprokurator, daß er kein Geräusch machen werde, wenn man ihn in seiner Zelle ließe. Borme wird unter die Angeklagtenbank, vor die Richter gestellt.

Raspail. Ich frage den Angeklagten Borme, ob er nicht Sekretär von Marrast gewesen, mit Hrn. Flottard gearbeitet?

Borme stellt Beides in Abrede.

Präsident. Wer hat Ihre Reisen nach Marseille bezahlt?

Borme. Im Anfang die Regierung.

Raspail Hat Borme nicht seine Mitangeklagten in einem Brief denunzirt, den er in der Conciergerie, als er mit uns zusammengesperrt war, an die Polizei schrieb?

Borme: Ich habe einige Mal Maßregeln gegen meine Mitangeklagten genommen; ich habe selbst von der Juni-Insurrektion Kenntniß gegeben, von der sich in dem Gefängniß Spuren zeigten, und Lacambre als Haupt-Chef bezeichnete. (Lärm im Auditorium und unter den Gefangenen) Ich habe das gethan, weil ich Feind der rothen Republik bin. Am 20. Juni habe ich Lacambre denunzirt und auch seinen Plan von den Hauptbarrikaden mitgetheilt. Am 22. schrieb ich von Neuem und verlangte zum Polizei-Chef ernannt zu werden; am 25., als ich die Füssillade hörte, schrieb ich zum drittenmal. Erst am 2. Juli wurde ich vor Hrn. Trouvé-Chauvel geführt, der mir sagte: „Wenn ich mich nicht früher mit Ihnen beschäftigt habe, so war es, weil General Cavaignac seinen Plan hatte, und Sie von Hr. Lamartine als ein gefährlicher Mensch bezeichnet waren. (Langer und stürmischer Aufruhr im Publikum. Borme wird in der weiteren Verhandlung immer befangener und stottert.)

Raspail: Hat nicht Borme einen Brief an seine Mitgefangenen geschrieben, worin er seine Denunziationen gegen sie zurücknahm und erklärte, vom Instruktionsrichter verführt zu sein?

Borme: Niemals.

Flotte (heftig): Dieser Brief existirt.

Raspail: Und man wird ihn wiederfinden. Sie sehen, Herr Präsident, dieser Mensch ist zu honett, um neben uns Räubern sitzen zu dürfen — die Justiz sollte roth werden.

Blanqui: Hr. Präsident, wollen Sie Borme fragen, warum er in dem Zeitraum vom 25. Februar bis 15. Mai in meinen Club gekommen?

Borme. Vidocq schickte mich hin, indem er sagte, daß man diese rothen Republikaner überwachen müsse. Ich fand indeß wenig Interesse dabei. Nur daß sie gegen L. Bonaparte konspirirten, interessirte mich, für dessen Unterstützung eine Legion von 4000 Freiwillige sich bildete.

Raispail. Hat nicht Vidocq das Geld dazu gegeben, und sich zum General ernennen lassen.

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      <titlePage type="heading">
        <titlePart type="main">Beilage zu Nr. 245 der Neuen Rheinischen Zeitung.</titlePart>
        <titlePart type="sub">Organ der Demokratie.</titlePart>
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          <docDate>Mittwoch 14. März 1849.</docDate>
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        <head>Französische Republik.</head>
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          <head>Paris, 11. März.</head>
          <p>Der Moniteur fährt mit einer wahrhaft bewundernswerthen Ausdauer fort, dem Lande Schrecken vor der &#x201E;Rothen Republik&#x201C; einzuflößen:</p>
          <p rendition="#et">&#x201E;Mit jedem Tage, sagt er, machen Arbeit und Kredit neue Fortschritte. Das Zutrauen, welches die Regierung dem Lande einflößt, gibt den Geschäften ihren Aufschwung wieder. Die Ordnung erhält selbst durch Besiegung der Hindernisse, die man ihr in den Weg stellt, neue Stärke. Indessen laufen von den Präfekten Depeschen ein, welche melden, daß auf mehreren Punkten Unruhen ausgebrochen, welche zum Glück keine große Bedeutung hatten <gap reason="illegible"/>.&#x201C;</p>
          <p>Nun erzählt der Moniteur, daß die Rekruten-Aushebung überall mit Enthusiasmus vor sich gegangen, nur in Nozay habe man rothe Tücher geschwungen und gerufen: Es lebe die demokratisch-soziale Republik! In Chateaurenard habe eine Raufferei stattgefunden. In Saint Girons sei der Maire abgesetzt worden, weil er dem dortigen rothen Jubel nicht bei Zeiten gesteuert; im Ariegedepartement habe der Präfekt den Hals gebrochen, indem er mit seinem Wagen von einer steilen Höhe stürzte; in Toulouse sei eine Eskorte, welche Gefangene abführte, überfallen und zerstreut worden; in Bondues (Nord) habe man aus vollem Halse geschrieen: Es lebe Barbes! Es lebe Raspail! Es lebe die Guillotine etc. Auch in den Cher- und Allier-Departements hätten Gährungen stattgefunden, die auf Lohnstreitigkeiten zwischen Arbeitern und Fabrikherren beruhten, jedoch nahe daran wären, beigelegt zu werden.</p>
          <p>Man sieht, Herr Leon Faucher rächt sich noch immer für die Verkennung seines Premier-Paris im Courrier Français.</p>
          <p>&#x2014; Dem Ministerium sind, wie es scheint, wichtige Nachrichten aus den Donaufürstenthümern zugegangen. Cronstadt, Clausenburg, Carlsburg und Hermannstadt haben, heißt es, bereits russische Besatzungen und andere sollen folgen. Auf diese Weise könne Oestreich seine Truppen aus Ungarn ziehen und nach Italien werfen, wo die Contrerevolution ihren großen Schlag zu thun gedenkt. Wir wissen nicht, ob diese Depeschen Grund zu dem außergewöhnlichen Courrierwechsel sind, der heute stattfindet, aber die Opinion publique meldet, daß man die ganze verflossene Nacht im Kriegsministerium arbeitete.</p>
          <p>&#x2014; Ein, freilich nicht immer zuverlässiges Morgenblatt behauptet, daß die Feindseligkeiten zwischen Sardinien (Piemont) und Radetzki losgebrochen.</p>
          <p>Wir halten diese Nachricht für voreilig.</p>
          <p>&#x2014; Mehrere Bischöfe fahren fleißig fort, Beiträge für Seine Heiligkeit zu sammeln. Außer den Geldsendungen, die wir gestern meldeten, gingen heute wieder<lb/>
1) 5000 frc. vom Bischof v. Luçon<lb/>
2) 3000 frc. vom Bischof v. Sens<lb/>
nach Gaëta ab.</p>
          <bibl>(Univers.)</bibl>
          <p>&#x2014; (Ein neuer Concurrent des Königs von Preußen.) Der berüchtigte Herzog Karl von Braunschweig leidet im Exil an der fixen Idee, man werde den Präsidenten Bonaparte nächstens zum demokratischen Kaiser von Frankreich und ihn (den Herzog) zum Kaiser von Deutschland in Frankfurt ausrufen. Um diesem Ereigniß näher zu sein, hat derselbe beschlossen, mit Sack und Pack von London nach Paris überzusideln. Ein Haus ist bereits gemiethet.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar245b_002" type="jArticle">
          <head><bibl><author>068</author></bibl> Paris, 11 März.</head>
          <p>Der s. g. General en chef Changarnier hat so eben ein Schreiben oder vielmehr einen Befehl an die Pariser Divisionscommandeure erlassen. Der Inhalt ist folgender: &#x201E;Verschiedene Unteroffiziere eines hiesigen Regiments haben, wie es scheint, schriftlich gegen das s. g. sozialistische Unteroffizier-Banquett protestiren wollen. Changarnier, der über diesen Protest sehr frohist, ist aber in dieser Beziehung durchaus mit Marschall Soult einverstanden und mißbilligt die Fassung. Wenn Changarnier Recht hat, so darf kein Soldat für eine Zeitung schreiben, bei Strafe der Ausstoßung aus der Armee. &#x201E;Einen Streit in solchen Dingen beginnen oder fortführen, heißt, sich selbst der Verachtung aussetzen.&#x201C; Man sieht, daß Changarnier sich sehr um die Presse bekümmert; hierüber beklagen wir uns keineswegs. Die Ansicht des Oberkommandeurs ist in dieser Beziehung frei, und zwar eben so frei, wie wir über dergleichen Aeußerungen gleichgültig sind.</p>
          <p>Wir wollen blos eine Aeußerung Changarniers wiederholen. &#x201E;Uebersehen sie nicht, sagte er, indem er auf die untersten Stufen der Hierarchie zurückging, die wesentlich schützende Aufgabe des Heeres, nämlich daß das Heer nicht in Politik sondern nur in Ordnung macht.&#x201C; &#x2014;</p>
          <p>Wir bitten den Hrn. Oberkommandeur um Verzeihung, aber derselbe glaubt, es sei noch der Januar des vorigen Jahres unter der Orleans'schen Monarchie, oder der Juni 1830 unter den Bourbons. Wir sind nicht mehr, oder wir sind noch nicht auf diesem Standpunkte. Seit dem Februar hat sich das Heer emanzipirt und seine Thätigkeit Epoche gemacht hat im politischen Leben des Volkes, verzichten unsre Söhne und Brüder nicht mehr auf die Rechte eines Bürgers und begeben sich nicht mehr des Rechts zu denken und der Gedankenfreiheit selbst unter der Fahne.</p>
          <p>Wenn übrigens Changarnier das Gewicht seiner Worte kennte, so würde er wissen, daß &#x201E;in Ordnung machen&#x201C; so viel heißt wie &#x201E;in Politik machen&#x201C;, wenigstens ebenso oft als die Aufgabe des Heeres sich in den Augen des Oberkommandeurs darauf beschränkt, die Ordnung in der Art der Stadtsergeanten zu hüten. Wenn er dieses voraussetzt, so wird das Heer ohne Zweifel stolz sein auf den Beruf, den er ihm anweist und auf den er dasselbe beschränken will.</p>
          <p>Der gesunde Sinn und die Vernunft legen gegen die Changarnier'schen Anmaßungen Verwahrung ein; aber solche Autoritäten genügen vielleicht Herrn Changarnier nicht. Wir berufen uns auf eine andere Autorität, vor der man sich wohl wird beugen müssen: die Verfassung, wir wiederholen es, die Verfassung, kraft derer das Heer Theil hat an der wichtigsten Handlung im Staatsleben, nämlich an den Wahlen. Das Wahlgesetz, welches die Nationalversammlung in diesem Augenblicke zum dritten Male prüft, verfügt wörtlich: &#x201E;Das Heer hat im Inlande eben so gut das Recht, Abgeordnete zu wählen, wie jeder Bürger.&#x201C; Fassen wir das Gesagte zusammen: bis dahin, daß eine weiße oder blaue Restauration die Volkssouveränetät vernichtet und aufs Neue die Herrschaft der Vorrechte und Exemtionen einführt, so muß man die nothwendigen Folgesatze unserer Einrichtungen anerkennen.</p>
          <p>Heutiges Tages haben alle Bürger, ohne Unterschied ob sie Soldaten sind oder nicht, auf Grund desselben Rechtes Theil am Staatsleben. Sie sind nicht allein berechtigt, sondern, wir legen Gewicht darauf, verpflichtet, sich aufzuklären, zu unterrichten durch Rede und Schrift und durch Alles, was nur immerhin geschickt und tauglich machen kann zum Genusse ihrer Gerechtsame.</p>
          <p>Changarnier würde geduldige und stumme Werkzeuge lieber haben; wir begreifen ihn durchaus. Aber möge er denken, thun und vor allen Dingen schreiben, was er will, so wird sich das Heer doch nicht mehr als einen besonderen Theil des Volks betrachten, welcher, dem Befehle der Offiziere blosgestellt, so zu sagen zu einer steten Feindschaft mit seinen Mitbürgern verdammt ist. Das Heer ist republikanisch! Der Obergeneral Changarnier muß sich danach richten.</p>
          <p>&#x2014; Unsere beiden Freihandelsschüler F. Bastiat und L. Faucher gerathen im &#x201E;Courrier&#x201C; hart an einander, weil Ersterer bei der Nationalversammlung darauf angetragen:</p>
          <p rendition="#et">&#x201E;Kein Mitglied der National-Versammlung darf ein besoldetes Staatsamt, selbst nicht das eines Ministers, bekleiden.&#x201C;</p>
          <p>Auch das Journal des Debats zeigt sich über eine solche Neuerung höchlichst entrüstet. Wir unterlassen nicht, auf dieses Geheul der heutigen Journale aufmerksam zu machen.</p>
          <p>&#x2014; Im Peuple und im Bureau der Propogande socialiste liegen seit gestern mehrere hundert Zeitungsnummern aus, welche dem Militär gratis verabreicht werden.</p>
          <p>Diese Maßregel versetzt den Pascha Changarnier in den Tuilerien in eine wahre Berserkerwuth. Es steht für morgen ein neuer geharnischter Tagesbefehl an alle seine Vessire des Seine-Departements in Aussicht.</p>
          <p>&#x2014; Die Sitzung der Haute-Cour in Bourges vom 10 März macht das größte Aufsehen. Erstens denuncirte Blanqui den Hrn. Carlier, die Seele unsrer Polizeiwehr, der geflissentlichen Uebertreibung in seinen Berichten ans Ministerium und entlarvte ihn vollständig. Zweitens deponirte der Zeuge Saniewski, 47 Jahr alt, polnischer Flüchtling:</p>
          <p>&#x201E;&#x2026; Am 11. Mai stand ich als Neugierger auf dem Place de Bourgogne, um die Eingänge der Nationalversammlung zu beschauen. Unter der Menge, die mich umgab, sah ich mehrere Männer in Blousen, die unter ihrer Verkleidung leicht als Nichtproletarier zu erkennen. Zwei derselben erkannte ich sogar als diejenigen wieder, welche in die Nationalwerkstätten der Batignolles kamen, um die Arbeiter aufzuwiegeln. Der Eine trug eine alte Blouse und sagte zu mir: &#x201E;Indem Sie mich so angekleidet sehen, glauben Sie vielleicht, daß ich Arbeiter bin? Nein, mein Freund, ich lebe von meinen Zinsen (j'ai des rentes).&#x201C; Ich antwortete ihm nichts. Schon früher, entsann ich mich, hatte ich diesen Menschen mit den Arbeitern trinken und lustig leben sehen. Ich war Zeuge, daß er eines Tags 50 Frk. für Essen und Trinken bezahlte; selbst Champagner wurde getrunken &#x2026; Denselben Mann sah ich bald darauf im Hause der <hi rendition="#g">russischen</hi> Gesandtschaft.&#x201C;</p>
        </div>
        <div xml:id="ar245b_003" type="jArticle">
          <head><bibl><author>068</author></bibl> Bourges, 8. März.</head>
          <p>(Gerichtsverhandlung vom 8. &#x2014; Schluß.)</p>
          <p>Präsident. Was hat sich in dem Club der Volksfreunde vor dem 15. Mai zugetragen?</p>
          <p>Raspail erklärt, daß es kein Club, sondern eine belehrende Zusammenkunft gewesen sei, die er jeden Samstag abgehalten habe; es habe kein Bureau existirt und er, Raspail, die Versammlung allein und nach Gutdünken dirigirt. Zu der polnischen Petition sei er durch persönliche Sympathieen veranlaßt worden. Am Tage nach Abfassung und Verlesung der Petition im Club habe er vernommen, daß man eine große, friedliche Manifestation vorbereite, für welche er aus Vorliebe für Polen, aber unter der Bedingung am Ende des Zuges zu bleiben, seine und seiner Freunde Theilnahme zugesagt habe. Es geschah wie verlangt. Nachdem sich der Zug einige Zeit bereits in Marsch gesetzt, seien die Führer zu ihm gekommen, um ihn zu ersuchen, mit an die Spitze zu treten, weil die Colonne keine Petition habe; er habe dies angenommen und sei nach einer halben Stunde an der Spitze des Zugs angelangt, welcher bereits an der Madeleine war.</p>
          <p>Präsident. Was haben Sie gethan, um in den Versammlungssaal einzutreten?</p>
          <p>Raspail. Ueber den Revolutionsplatz, wo man sich sehr drängte, gelangte ich an das Gitter der Nationalversammlung. Hier herrschte der furchtbarste Tumult. Eine Menge agents provocateurs, die ich vollständig erkannt habe, trieben sich umher und suchten Verwirrung und Unordnung anzurichten. Vergebens bemühte ich mich sie zur Ruhe zu ermahnen, und wendete mich an mehrere anwesende Mobil-Offiziere; das Volk wurde durch die systematischen Aufreizungen fortgerissen.</p>
          <p>Als ich in den seit einer Stunde bereits gestürmten Saal kam, wurde ich von Hrn. Buchez aufgefordert, die Petition zu lesen. Ich habe sie gelesen, und glaube, dadurch eine Pflicht erfüllt zu haben.</p>
          <p>Präsident. Was haben Sie nach Ihrer Entfernung aus der Versammlung gethan?</p>
          <p>Raspail. Ich kam zu der, dem Revolutionsplatz entgegengesetzten Seite aus der Versammlung. Man sagte mir, daß ich Mitglied einer neuen provisorischen Regierung sei, und ich wurde mit dem Ruf: Es lebe Raspail! umringt. Ich glaube, ich hatte das Recht, stolz darauf zu sein, diesen Ruf von den Lippen der Leidenden und Gedrückten zu vernehmen.</p>
          <p>Ich erreichte einen Wagen, und wollte mich nach Hause begeben. Aber Männer aus dem Volk stiegen auf den Wagen und schrieen: &#x201E;Nach dem Hotel-de-Ville!&#x201C; Ich antwortete, daß ich die Republik liebe, daß ich mein ganzes Leben lang für sie gekämpft habe, daß ich aber nichts für mich von ihr profitiren wolle. Es gelang mir, das Hotel-de-Ville zu vermeiden, und wenn ich wie die Anklage sagt, ein Verbrechen begangen habe, so ist es, weil ich mich statt zu mir, zu meinem Sohne begab, den man schurkischer Weise mit mir verhaftete. Diese Infamie gehört der Geschichte an.</p>
          <p>Generalprokurator Baroche. Kann der Angeklagte Raspail den Namen der Repräsentanten sagen, die ihn einluden, in den Saal zu treten?</p>
          <p>Raspail. Wenn Hr. Baroche an meinem Platze wäre, würde er sagen, er kenne sie nicht.</p>
          <p>Blanqui. Ich kenne sie.</p>
          <p>Ein Geschworner. Der Angeklagte Raspail möge uns sagen, ob es wahr ist, daß der General Courtais eingeladen, in das Gitter zu treten.</p>
          <p>Raspail. Der General Courtais hat mich nach Mittheilung des Zwecks eintreten lassen, er wußte, daß ich Raspail sei.</p>
          <p>Blanqui. Der Repräsentant, welcher die Delegirten der Clubs zum Eintritt in den Sitzungssaal einlud, ist der Bürger Xavier Durrieu, (Ex-Redakteur des legitimistischen Courrier français.)</p>
          <p>Präsident. Hr. Durrieu ist Zeuge. Man wird ihn hören. Angeklagter Flotte, erheben Sie sich.</p>
          <p>Flotte bleibt sitzen und antwortet nicht.</p>
          <p>Der Präsident fordert den Angeklagten Quentin auf.</p>
          <p>Quentin. Am 15. Mai war ich auf dem Boulevard, und sah die Manifestation mit an. Da sie mir vollkommen gesetzlich vorkam und ich den Ruf: &#x201E;Es lebe Polen!&#x201C; vernahm, mischte ich mich als Neugieriger in die Prozession. Die Menge drang in den Saal und ich folgte ihr. An der Thür des Sitzungssaales sah ich Hrn. François Arago, einen der Haupt-Belastungszeugen, Leute von gewaltthätigem Aussehen in die Versammlung führen. Als ich mich vor ihm präsentirte, sagte er mir: &#x201E;Mit welchem Recht wollen Sie hier eintreten?&#x201C; Ich antwortete: &#x201E;Mit demselben Recht, welches Sie diesen Menschen zugestehen.&#x201C;</p>
          <p>Präsident. Wie und warum sind sie in's Luxemburg gegangen?</p>
          <p>Quentin. Ich bin hingegangen, weil es mir so convenirte; ich wollte mich der Exekutiv-Kommission zur Verfügung stellen für den Fall, daß sie bedroht wäre. Als ich eben eintrat, begegnete mir der Bürger Arago und rief: &#x201E;Ah, da ist einer der Aufrührer; verhaftet ihn!&#x201C; Die Gardiens stürzten sich auf mich, &#x2014; verhafteten mich und nahmen mir meine Pistolen ab, die ich seit 1830 trage.</p>
          <p>General-Prokurator Baroche. Der General Courtais hat erklärt, daß sie gerufen haben: A bas cette Assemblée des canailles!</p>
          <p>Quentin. Ich habe diese Worte nicht gerufen. Der General Courtais hat übrigens vorgestern in der ersten Sitzung erklärt, daß ich nicht der Mann sei, den man ihm unter meinem Namen bezeichnet.</p>
          <p>Baroche. Haben sie nicht den Präsidenten insultirt?</p>
          <p>Quentin. Ich habe ihn beschützt und die Erstürmung des Bureaux verhindert.</p>
          <p>Baroche. Sie sollen dem Präsidenten zugerufen haben: &#x201E;Sie sind ein Verräther. Louis Blanc auf den Präsidentenstuhl!&#x201C;</p>
          <p>Quentin. Ich habe nicht daran gedacht.</p>
          <p>Der Präsident ruft den Angeklagten Degré auf.</p>
          <p>Degré gibt zu, daß er Präsident eines Clubs zu Montargis gewesen sei, der aber nur zum Zweck der Wahlen gebildet worden. Am 15. Mai habe er sich nach dem Faubourg St. Antoine begeben, um ein Portrait zu malen. Unterwegs habe er den Zug gesehen, der eine Petition in die Versammlung bringen sollte; er sei aus Neugierde gefolgt, dann nach Hause gegangen und in Uniform zurückgekehrt. Die Frage, ob er nicht mehrere Repräsentanten im Sitzungssaal beleidigt, verneint der Angeklagte. Ein Mann an der Tribüne habe ihn aufgefordert, den Säbel zu ziehen, und er habe diesem Befehl sofort gehorcht.</p>
          <p>Baroche. Haben Sie nicht beim Eintritt in die Versammlung, gerufen: &#x201E;Man soll diese Revolution nicht eskamotiren wie die Februar-Revolution!&#x201C;</p>
          <p>Degré. Ich dachte nicht daran. Uebrigens hat man denselben Vorwurf schon Quentin gemacht, ohne bessere Beweise dafür zu haben.</p>
          <p>Der Präsident ruft den Angeklagten Larger, Bataillonschef der Mobilgarde von Passy, auf. Derselbe erklärt, aus Neugierde dem Zuge gefolgt zu sein. Er habe in Passy am Abend die Bildung einer neuen provisorischen Regierung verkündigt, weil er die Proklamation in dem Versammlungssaal mit angehört.</p>
          <p>Der Angeklagte Borme erklärt auf die Fragen des Präsidenten, daß er Marinesoldat gewesen, wegen Tragens eines Kreuzes der Ehrenlegion verurtheilt worden, und mit dem berüchtigten Vidocq bekannt sei. Als er darüber Aufschluß geben soll, ob er vor dem 15. Mai oft ins Hotel de Ville gekommen sei, ruft Raspail, daß man nichts verstehe. Der Generalprokurator nimmt den Angeklagten Borme in Schutz und bemerkt, daß Barbés mit seinem Beistand, dem Repräsentanten Bernard plaudere. Raspail antwortet, daß nicht Barbés ihn am Hören verhindere, und Barbés erklärt dem Generalprokurator, daß er kein Geräusch machen werde, wenn man ihn in seiner Zelle ließe. Borme wird unter die Angeklagtenbank, vor die Richter gestellt.</p>
          <p>Raspail. Ich frage den Angeklagten Borme, ob er nicht Sekretär von Marrast gewesen, mit Hrn. Flottard gearbeitet?</p>
          <p>Borme stellt Beides in Abrede.</p>
          <p>Präsident. Wer hat Ihre Reisen nach Marseille bezahlt?</p>
          <p>Borme. Im Anfang die Regierung.</p>
          <p>Raspail Hat Borme nicht seine Mitangeklagten in einem Brief denunzirt, den er in der Conciergerie, als er mit uns zusammengesperrt war, an die Polizei schrieb?</p>
          <p>Borme: Ich habe einige Mal Maßregeln gegen meine Mitangeklagten genommen; ich habe selbst von der Juni-Insurrektion Kenntniß gegeben, von der sich in dem Gefängniß Spuren zeigten, und Lacambre als Haupt-Chef bezeichnete. (Lärm im Auditorium und unter den Gefangenen) Ich habe das gethan, weil ich Feind der rothen Republik bin. Am 20. Juni habe ich Lacambre denunzirt und auch seinen Plan von den Hauptbarrikaden mitgetheilt. Am 22. schrieb ich von Neuem und verlangte zum Polizei-Chef ernannt zu werden; am 25., als ich die Füssillade hörte, schrieb ich zum drittenmal. Erst am 2. Juli wurde ich vor Hrn. Trouvé-Chauvel geführt, der mir sagte: &#x201E;Wenn ich mich nicht früher mit Ihnen beschäftigt habe, so war es, weil <hi rendition="#g">General Cavaignac seinen Plan hatte,</hi> und Sie von Hr. <hi rendition="#g">Lamartine</hi> als ein gefährlicher Mensch bezeichnet waren. (Langer und stürmischer Aufruhr im Publikum. Borme wird in der weiteren Verhandlung immer befangener und stottert.)</p>
          <p>Raspail: Hat nicht Borme einen Brief an seine Mitgefangenen geschrieben, worin er seine Denunziationen gegen sie zurücknahm und erklärte, vom Instruktionsrichter verführt zu sein?</p>
          <p>Borme: Niemals.</p>
          <p>Flotte (heftig): Dieser Brief existirt.</p>
          <p>Raspail: Und man wird ihn wiederfinden. Sie sehen, Herr Präsident, dieser Mensch ist zu <hi rendition="#g">honett,</hi> um neben uns Räubern sitzen zu dürfen &#x2014; die Justiz sollte roth werden.</p>
          <p>Blanqui: Hr. Präsident, wollen Sie Borme fragen, warum er in dem Zeitraum vom 25. Februar bis 15. Mai in meinen Club gekommen?</p>
          <p>Borme. Vidocq schickte mich hin, indem er sagte, daß man diese rothen Republikaner überwachen müsse. Ich fand indeß wenig Interesse dabei. Nur daß sie gegen L. Bonaparte konspirirten, interessirte mich, für dessen Unterstützung eine Legion von 4000 Freiwillige sich bildete.</p>
          <p>Raispail. Hat nicht Vidocq das Geld dazu gegeben, und sich zum General ernennen lassen.</p>
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[1365/0001] Beilage zu Nr. 245 der Neuen Rheinischen Zeitung. Organ der Demokratie. Mittwoch 14. März 1849. Französische Republik. Paris, 11. März. Der Moniteur fährt mit einer wahrhaft bewundernswerthen Ausdauer fort, dem Lande Schrecken vor der „Rothen Republik“ einzuflößen: „Mit jedem Tage, sagt er, machen Arbeit und Kredit neue Fortschritte. Das Zutrauen, welches die Regierung dem Lande einflößt, gibt den Geschäften ihren Aufschwung wieder. Die Ordnung erhält selbst durch Besiegung der Hindernisse, die man ihr in den Weg stellt, neue Stärke. Indessen laufen von den Präfekten Depeschen ein, welche melden, daß auf mehreren Punkten Unruhen ausgebrochen, welche zum Glück keine große Bedeutung hatten _ .“ Nun erzählt der Moniteur, daß die Rekruten-Aushebung überall mit Enthusiasmus vor sich gegangen, nur in Nozay habe man rothe Tücher geschwungen und gerufen: Es lebe die demokratisch-soziale Republik! In Chateaurenard habe eine Raufferei stattgefunden. In Saint Girons sei der Maire abgesetzt worden, weil er dem dortigen rothen Jubel nicht bei Zeiten gesteuert; im Ariegedepartement habe der Präfekt den Hals gebrochen, indem er mit seinem Wagen von einer steilen Höhe stürzte; in Toulouse sei eine Eskorte, welche Gefangene abführte, überfallen und zerstreut worden; in Bondues (Nord) habe man aus vollem Halse geschrieen: Es lebe Barbes! Es lebe Raspail! Es lebe die Guillotine etc. Auch in den Cher- und Allier-Departements hätten Gährungen stattgefunden, die auf Lohnstreitigkeiten zwischen Arbeitern und Fabrikherren beruhten, jedoch nahe daran wären, beigelegt zu werden. Man sieht, Herr Leon Faucher rächt sich noch immer für die Verkennung seines Premier-Paris im Courrier Français. — Dem Ministerium sind, wie es scheint, wichtige Nachrichten aus den Donaufürstenthümern zugegangen. Cronstadt, Clausenburg, Carlsburg und Hermannstadt haben, heißt es, bereits russische Besatzungen und andere sollen folgen. Auf diese Weise könne Oestreich seine Truppen aus Ungarn ziehen und nach Italien werfen, wo die Contrerevolution ihren großen Schlag zu thun gedenkt. Wir wissen nicht, ob diese Depeschen Grund zu dem außergewöhnlichen Courrierwechsel sind, der heute stattfindet, aber die Opinion publique meldet, daß man die ganze verflossene Nacht im Kriegsministerium arbeitete. — Ein, freilich nicht immer zuverlässiges Morgenblatt behauptet, daß die Feindseligkeiten zwischen Sardinien (Piemont) und Radetzki losgebrochen. Wir halten diese Nachricht für voreilig. — Mehrere Bischöfe fahren fleißig fort, Beiträge für Seine Heiligkeit zu sammeln. Außer den Geldsendungen, die wir gestern meldeten, gingen heute wieder 1) 5000 frc. vom Bischof v. Luçon 2) 3000 frc. vom Bischof v. Sens nach Gaëta ab. (Univers.) — (Ein neuer Concurrent des Königs von Preußen.) Der berüchtigte Herzog Karl von Braunschweig leidet im Exil an der fixen Idee, man werde den Präsidenten Bonaparte nächstens zum demokratischen Kaiser von Frankreich und ihn (den Herzog) zum Kaiser von Deutschland in Frankfurt ausrufen. Um diesem Ereigniß näher zu sein, hat derselbe beschlossen, mit Sack und Pack von London nach Paris überzusideln. Ein Haus ist bereits gemiethet. 068 Paris, 11 März. Der s. g. General en chef Changarnier hat so eben ein Schreiben oder vielmehr einen Befehl an die Pariser Divisionscommandeure erlassen. Der Inhalt ist folgender: „Verschiedene Unteroffiziere eines hiesigen Regiments haben, wie es scheint, schriftlich gegen das s. g. sozialistische Unteroffizier-Banquett protestiren wollen. Changarnier, der über diesen Protest sehr frohist, ist aber in dieser Beziehung durchaus mit Marschall Soult einverstanden und mißbilligt die Fassung. Wenn Changarnier Recht hat, so darf kein Soldat für eine Zeitung schreiben, bei Strafe der Ausstoßung aus der Armee. „Einen Streit in solchen Dingen beginnen oder fortführen, heißt, sich selbst der Verachtung aussetzen.“ Man sieht, daß Changarnier sich sehr um die Presse bekümmert; hierüber beklagen wir uns keineswegs. Die Ansicht des Oberkommandeurs ist in dieser Beziehung frei, und zwar eben so frei, wie wir über dergleichen Aeußerungen gleichgültig sind. Wir wollen blos eine Aeußerung Changarniers wiederholen. „Uebersehen sie nicht, sagte er, indem er auf die untersten Stufen der Hierarchie zurückging, die wesentlich schützende Aufgabe des Heeres, nämlich daß das Heer nicht in Politik sondern nur in Ordnung macht.“ — Wir bitten den Hrn. Oberkommandeur um Verzeihung, aber derselbe glaubt, es sei noch der Januar des vorigen Jahres unter der Orleans'schen Monarchie, oder der Juni 1830 unter den Bourbons. Wir sind nicht mehr, oder wir sind noch nicht auf diesem Standpunkte. Seit dem Februar hat sich das Heer emanzipirt und seine Thätigkeit Epoche gemacht hat im politischen Leben des Volkes, verzichten unsre Söhne und Brüder nicht mehr auf die Rechte eines Bürgers und begeben sich nicht mehr des Rechts zu denken und der Gedankenfreiheit selbst unter der Fahne. Wenn übrigens Changarnier das Gewicht seiner Worte kennte, so würde er wissen, daß „in Ordnung machen“ so viel heißt wie „in Politik machen“, wenigstens ebenso oft als die Aufgabe des Heeres sich in den Augen des Oberkommandeurs darauf beschränkt, die Ordnung in der Art der Stadtsergeanten zu hüten. Wenn er dieses voraussetzt, so wird das Heer ohne Zweifel stolz sein auf den Beruf, den er ihm anweist und auf den er dasselbe beschränken will. Der gesunde Sinn und die Vernunft legen gegen die Changarnier'schen Anmaßungen Verwahrung ein; aber solche Autoritäten genügen vielleicht Herrn Changarnier nicht. Wir berufen uns auf eine andere Autorität, vor der man sich wohl wird beugen müssen: die Verfassung, wir wiederholen es, die Verfassung, kraft derer das Heer Theil hat an der wichtigsten Handlung im Staatsleben, nämlich an den Wahlen. Das Wahlgesetz, welches die Nationalversammlung in diesem Augenblicke zum dritten Male prüft, verfügt wörtlich: „Das Heer hat im Inlande eben so gut das Recht, Abgeordnete zu wählen, wie jeder Bürger.“ Fassen wir das Gesagte zusammen: bis dahin, daß eine weiße oder blaue Restauration die Volkssouveränetät vernichtet und aufs Neue die Herrschaft der Vorrechte und Exemtionen einführt, so muß man die nothwendigen Folgesatze unserer Einrichtungen anerkennen. Heutiges Tages haben alle Bürger, ohne Unterschied ob sie Soldaten sind oder nicht, auf Grund desselben Rechtes Theil am Staatsleben. Sie sind nicht allein berechtigt, sondern, wir legen Gewicht darauf, verpflichtet, sich aufzuklären, zu unterrichten durch Rede und Schrift und durch Alles, was nur immerhin geschickt und tauglich machen kann zum Genusse ihrer Gerechtsame. Changarnier würde geduldige und stumme Werkzeuge lieber haben; wir begreifen ihn durchaus. Aber möge er denken, thun und vor allen Dingen schreiben, was er will, so wird sich das Heer doch nicht mehr als einen besonderen Theil des Volks betrachten, welcher, dem Befehle der Offiziere blosgestellt, so zu sagen zu einer steten Feindschaft mit seinen Mitbürgern verdammt ist. Das Heer ist republikanisch! Der Obergeneral Changarnier muß sich danach richten. — Unsere beiden Freihandelsschüler F. Bastiat und L. Faucher gerathen im „Courrier“ hart an einander, weil Ersterer bei der Nationalversammlung darauf angetragen: „Kein Mitglied der National-Versammlung darf ein besoldetes Staatsamt, selbst nicht das eines Ministers, bekleiden.“ Auch das Journal des Debats zeigt sich über eine solche Neuerung höchlichst entrüstet. Wir unterlassen nicht, auf dieses Geheul der heutigen Journale aufmerksam zu machen. — Im Peuple und im Bureau der Propogande socialiste liegen seit gestern mehrere hundert Zeitungsnummern aus, welche dem Militär gratis verabreicht werden. Diese Maßregel versetzt den Pascha Changarnier in den Tuilerien in eine wahre Berserkerwuth. Es steht für morgen ein neuer geharnischter Tagesbefehl an alle seine Vessire des Seine-Departements in Aussicht. — Die Sitzung der Haute-Cour in Bourges vom 10 März macht das größte Aufsehen. Erstens denuncirte Blanqui den Hrn. Carlier, die Seele unsrer Polizeiwehr, der geflissentlichen Uebertreibung in seinen Berichten ans Ministerium und entlarvte ihn vollständig. Zweitens deponirte der Zeuge Saniewski, 47 Jahr alt, polnischer Flüchtling: „… Am 11. Mai stand ich als Neugierger auf dem Place de Bourgogne, um die Eingänge der Nationalversammlung zu beschauen. Unter der Menge, die mich umgab, sah ich mehrere Männer in Blousen, die unter ihrer Verkleidung leicht als Nichtproletarier zu erkennen. Zwei derselben erkannte ich sogar als diejenigen wieder, welche in die Nationalwerkstätten der Batignolles kamen, um die Arbeiter aufzuwiegeln. Der Eine trug eine alte Blouse und sagte zu mir: „Indem Sie mich so angekleidet sehen, glauben Sie vielleicht, daß ich Arbeiter bin? Nein, mein Freund, ich lebe von meinen Zinsen (j'ai des rentes).“ Ich antwortete ihm nichts. Schon früher, entsann ich mich, hatte ich diesen Menschen mit den Arbeitern trinken und lustig leben sehen. Ich war Zeuge, daß er eines Tags 50 Frk. für Essen und Trinken bezahlte; selbst Champagner wurde getrunken … Denselben Mann sah ich bald darauf im Hause der russischen Gesandtschaft.“ 068 Bourges, 8. März. (Gerichtsverhandlung vom 8. — Schluß.) Präsident. Was hat sich in dem Club der Volksfreunde vor dem 15. Mai zugetragen? Raspail erklärt, daß es kein Club, sondern eine belehrende Zusammenkunft gewesen sei, die er jeden Samstag abgehalten habe; es habe kein Bureau existirt und er, Raspail, die Versammlung allein und nach Gutdünken dirigirt. Zu der polnischen Petition sei er durch persönliche Sympathieen veranlaßt worden. Am Tage nach Abfassung und Verlesung der Petition im Club habe er vernommen, daß man eine große, friedliche Manifestation vorbereite, für welche er aus Vorliebe für Polen, aber unter der Bedingung am Ende des Zuges zu bleiben, seine und seiner Freunde Theilnahme zugesagt habe. Es geschah wie verlangt. Nachdem sich der Zug einige Zeit bereits in Marsch gesetzt, seien die Führer zu ihm gekommen, um ihn zu ersuchen, mit an die Spitze zu treten, weil die Colonne keine Petition habe; er habe dies angenommen und sei nach einer halben Stunde an der Spitze des Zugs angelangt, welcher bereits an der Madeleine war. Präsident. Was haben Sie gethan, um in den Versammlungssaal einzutreten? Raspail. Ueber den Revolutionsplatz, wo man sich sehr drängte, gelangte ich an das Gitter der Nationalversammlung. Hier herrschte der furchtbarste Tumult. Eine Menge agents provocateurs, die ich vollständig erkannt habe, trieben sich umher und suchten Verwirrung und Unordnung anzurichten. Vergebens bemühte ich mich sie zur Ruhe zu ermahnen, und wendete mich an mehrere anwesende Mobil-Offiziere; das Volk wurde durch die systematischen Aufreizungen fortgerissen. Als ich in den seit einer Stunde bereits gestürmten Saal kam, wurde ich von Hrn. Buchez aufgefordert, die Petition zu lesen. Ich habe sie gelesen, und glaube, dadurch eine Pflicht erfüllt zu haben. Präsident. Was haben Sie nach Ihrer Entfernung aus der Versammlung gethan? Raspail. Ich kam zu der, dem Revolutionsplatz entgegengesetzten Seite aus der Versammlung. Man sagte mir, daß ich Mitglied einer neuen provisorischen Regierung sei, und ich wurde mit dem Ruf: Es lebe Raspail! umringt. Ich glaube, ich hatte das Recht, stolz darauf zu sein, diesen Ruf von den Lippen der Leidenden und Gedrückten zu vernehmen. Ich erreichte einen Wagen, und wollte mich nach Hause begeben. Aber Männer aus dem Volk stiegen auf den Wagen und schrieen: „Nach dem Hotel-de-Ville!“ Ich antwortete, daß ich die Republik liebe, daß ich mein ganzes Leben lang für sie gekämpft habe, daß ich aber nichts für mich von ihr profitiren wolle. Es gelang mir, das Hotel-de-Ville zu vermeiden, und wenn ich wie die Anklage sagt, ein Verbrechen begangen habe, so ist es, weil ich mich statt zu mir, zu meinem Sohne begab, den man schurkischer Weise mit mir verhaftete. Diese Infamie gehört der Geschichte an. Generalprokurator Baroche. Kann der Angeklagte Raspail den Namen der Repräsentanten sagen, die ihn einluden, in den Saal zu treten? Raspail. Wenn Hr. Baroche an meinem Platze wäre, würde er sagen, er kenne sie nicht. Blanqui. Ich kenne sie. Ein Geschworner. Der Angeklagte Raspail möge uns sagen, ob es wahr ist, daß der General Courtais eingeladen, in das Gitter zu treten. Raspail. Der General Courtais hat mich nach Mittheilung des Zwecks eintreten lassen, er wußte, daß ich Raspail sei. Blanqui. Der Repräsentant, welcher die Delegirten der Clubs zum Eintritt in den Sitzungssaal einlud, ist der Bürger Xavier Durrieu, (Ex-Redakteur des legitimistischen Courrier français.) Präsident. Hr. Durrieu ist Zeuge. Man wird ihn hören. Angeklagter Flotte, erheben Sie sich. Flotte bleibt sitzen und antwortet nicht. Der Präsident fordert den Angeklagten Quentin auf. Quentin. Am 15. Mai war ich auf dem Boulevard, und sah die Manifestation mit an. Da sie mir vollkommen gesetzlich vorkam und ich den Ruf: „Es lebe Polen!“ vernahm, mischte ich mich als Neugieriger in die Prozession. Die Menge drang in den Saal und ich folgte ihr. An der Thür des Sitzungssaales sah ich Hrn. François Arago, einen der Haupt-Belastungszeugen, Leute von gewaltthätigem Aussehen in die Versammlung führen. Als ich mich vor ihm präsentirte, sagte er mir: „Mit welchem Recht wollen Sie hier eintreten?“ Ich antwortete: „Mit demselben Recht, welches Sie diesen Menschen zugestehen.“ Präsident. Wie und warum sind sie in's Luxemburg gegangen? Quentin. Ich bin hingegangen, weil es mir so convenirte; ich wollte mich der Exekutiv-Kommission zur Verfügung stellen für den Fall, daß sie bedroht wäre. Als ich eben eintrat, begegnete mir der Bürger Arago und rief: „Ah, da ist einer der Aufrührer; verhaftet ihn!“ Die Gardiens stürzten sich auf mich, — verhafteten mich und nahmen mir meine Pistolen ab, die ich seit 1830 trage. General-Prokurator Baroche. Der General Courtais hat erklärt, daß sie gerufen haben: A bas cette Assemblée des canailles! Quentin. Ich habe diese Worte nicht gerufen. Der General Courtais hat übrigens vorgestern in der ersten Sitzung erklärt, daß ich nicht der Mann sei, den man ihm unter meinem Namen bezeichnet. Baroche. Haben sie nicht den Präsidenten insultirt? Quentin. Ich habe ihn beschützt und die Erstürmung des Bureaux verhindert. Baroche. Sie sollen dem Präsidenten zugerufen haben: „Sie sind ein Verräther. Louis Blanc auf den Präsidentenstuhl!“ Quentin. Ich habe nicht daran gedacht. Der Präsident ruft den Angeklagten Degré auf. Degré gibt zu, daß er Präsident eines Clubs zu Montargis gewesen sei, der aber nur zum Zweck der Wahlen gebildet worden. Am 15. Mai habe er sich nach dem Faubourg St. Antoine begeben, um ein Portrait zu malen. Unterwegs habe er den Zug gesehen, der eine Petition in die Versammlung bringen sollte; er sei aus Neugierde gefolgt, dann nach Hause gegangen und in Uniform zurückgekehrt. Die Frage, ob er nicht mehrere Repräsentanten im Sitzungssaal beleidigt, verneint der Angeklagte. Ein Mann an der Tribüne habe ihn aufgefordert, den Säbel zu ziehen, und er habe diesem Befehl sofort gehorcht. Baroche. Haben Sie nicht beim Eintritt in die Versammlung, gerufen: „Man soll diese Revolution nicht eskamotiren wie die Februar-Revolution!“ Degré. Ich dachte nicht daran. Uebrigens hat man denselben Vorwurf schon Quentin gemacht, ohne bessere Beweise dafür zu haben. Der Präsident ruft den Angeklagten Larger, Bataillonschef der Mobilgarde von Passy, auf. Derselbe erklärt, aus Neugierde dem Zuge gefolgt zu sein. Er habe in Passy am Abend die Bildung einer neuen provisorischen Regierung verkündigt, weil er die Proklamation in dem Versammlungssaal mit angehört. Der Angeklagte Borme erklärt auf die Fragen des Präsidenten, daß er Marinesoldat gewesen, wegen Tragens eines Kreuzes der Ehrenlegion verurtheilt worden, und mit dem berüchtigten Vidocq bekannt sei. Als er darüber Aufschluß geben soll, ob er vor dem 15. Mai oft ins Hotel de Ville gekommen sei, ruft Raspail, daß man nichts verstehe. Der Generalprokurator nimmt den Angeklagten Borme in Schutz und bemerkt, daß Barbés mit seinem Beistand, dem Repräsentanten Bernard plaudere. Raspail antwortet, daß nicht Barbés ihn am Hören verhindere, und Barbés erklärt dem Generalprokurator, daß er kein Geräusch machen werde, wenn man ihn in seiner Zelle ließe. Borme wird unter die Angeklagtenbank, vor die Richter gestellt. Raspail. Ich frage den Angeklagten Borme, ob er nicht Sekretär von Marrast gewesen, mit Hrn. Flottard gearbeitet? Borme stellt Beides in Abrede. Präsident. Wer hat Ihre Reisen nach Marseille bezahlt? Borme. Im Anfang die Regierung. Raspail Hat Borme nicht seine Mitangeklagten in einem Brief denunzirt, den er in der Conciergerie, als er mit uns zusammengesperrt war, an die Polizei schrieb? Borme: Ich habe einige Mal Maßregeln gegen meine Mitangeklagten genommen; ich habe selbst von der Juni-Insurrektion Kenntniß gegeben, von der sich in dem Gefängniß Spuren zeigten, und Lacambre als Haupt-Chef bezeichnete. (Lärm im Auditorium und unter den Gefangenen) Ich habe das gethan, weil ich Feind der rothen Republik bin. Am 20. Juni habe ich Lacambre denunzirt und auch seinen Plan von den Hauptbarrikaden mitgetheilt. Am 22. schrieb ich von Neuem und verlangte zum Polizei-Chef ernannt zu werden; am 25., als ich die Füssillade hörte, schrieb ich zum drittenmal. Erst am 2. Juli wurde ich vor Hrn. Trouvé-Chauvel geführt, der mir sagte: „Wenn ich mich nicht früher mit Ihnen beschäftigt habe, so war es, weil General Cavaignac seinen Plan hatte, und Sie von Hr. Lamartine als ein gefährlicher Mensch bezeichnet waren. (Langer und stürmischer Aufruhr im Publikum. Borme wird in der weiteren Verhandlung immer befangener und stottert.) Raspail: Hat nicht Borme einen Brief an seine Mitgefangenen geschrieben, worin er seine Denunziationen gegen sie zurücknahm und erklärte, vom Instruktionsrichter verführt zu sein? Borme: Niemals. Flotte (heftig): Dieser Brief existirt. Raspail: Und man wird ihn wiederfinden. Sie sehen, Herr Präsident, dieser Mensch ist zu honett, um neben uns Räubern sitzen zu dürfen — die Justiz sollte roth werden. Blanqui: Hr. Präsident, wollen Sie Borme fragen, warum er in dem Zeitraum vom 25. Februar bis 15. Mai in meinen Club gekommen? Borme. Vidocq schickte mich hin, indem er sagte, daß man diese rothen Republikaner überwachen müsse. Ich fand indeß wenig Interesse dabei. Nur daß sie gegen L. Bonaparte konspirirten, interessirte mich, für dessen Unterstützung eine Legion von 4000 Freiwillige sich bildete. Raispail. Hat nicht Vidocq das Geld dazu gegeben, und sich zum General ernennen lassen.

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Marx-Engels-Gesamtausgabe: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-20T13:08:10Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
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Maria Ermakova, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Frank Wiegand: Konvertierung XML nach DTA-Basisformat (2017-03-20T13:08:10Z)

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Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 2 (Nummer 184 bis Nummer 301) Köln, 1. Januar 1849 bis 19. Mai 1849. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




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Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 245. Köln, 14. März 1849. Beilage, S. 1365. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz245b_1849/1>, abgerufen am 03.12.2024.