Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Neue Rheinische Zeitung. Nr. 239. Köln, 7. März 1849.

Bild:
erste Seite
Neue Rheinische Zeitung
Organ der Demokratie.
No 239. Köln, Mittwoch, den 7. März. 1849.

Vierteljähriger Abonnementspreis in Köln 1 Thlr. 7 1/2 Sgr., bei allen preußischen Postanstalten 1 Thlr. 17 Sgr. -- Im Auslande wende man sich: in Belgien an die betreffenden Postanstalten; in London an W. Thomas, 21 Catherine-Street, Strand; in Paris an W. Thomas, 38 Rue Vivienne, und an A. Havas, 3 Rue Jean Jacques Reusseau.

Insertionen werden mit 18 Pf. die Petitzeile oder deren Raum berechnet.

Auskunft, Annahme und Abgabe chiffrirter Briefe gratis.

Nur frankirte Briefe werden angenommen.

Expedition Unter Hutmacher Nro. 17.

Uebersicht.

Deutschland. Köln. (Die Handelslage.) Aachen. (Die Nachwahl zur 2. Kammer.) Münster. (Nachwahlen.) Berlin. (Vermischtes. -- Ausweisungen.) Leipzig. (Bürgers. -- Februarrevolutionsfeier. -- Das neue Ministerium. -- Hexamer. -- Eine Erwiderung.) Wien. (Eine Kundmachung. -- Die Gelderpressungen in Ferrara. -- Einrücken von Kroaten. -- Gerüchte über russische Interrention in Italien.) Heidelberg. (Ein neues Spioniersystem und Minister Bekk.)

Ungarn. (Vom Kriegsschauplatz.)

Italien. Rom. (Der östreichische Einfall in Ferrara.) Florenz. (Verbindung von Rom und Florenz gegen die Oestreicher in Ferrara.) Turin. (Kammersitzung.) Mailand. (Die öffentlichen Zustände.) Massa. (Laugier. -- Guerazzi's Bericht. -- Die Piemontesen in Massa - Carrara.)

Franz. Republik. Paris. (Die römische Angelegenheit. -- Barrot, Faucher, Falloux. -- Die Reactionsjournale. -- Coetlogon. -- Rep. Studentenbankett und Polizei. -- Die deutschen Bankette. -- Die demokratische Presse über die magyarische Angelegenheit. -- Vermischtes.)

Asien. (Multan erobert. -- Schlacht am Jehlum)

Deutschland.
* Köln, 6. März.

Ein Engländer ist nie unglücklicher, als wenn er nicht weiß, was er mit seinem Gelde anfangen soll. Dies ist das Geheimniß aller großartigen Spekulationen, aller gewinnbringenden Unternehmungen; aber auch das Geheimniß aller Falliten, aller Geldkrisen und aller Handelsmisere.

In den Jahren 1840, 41 u. s. w. waren es die neuen asiatischen Märkte, welche außer dem gewöhnlichen Verkehr mit dem europäischen Kontinent, den englischen Exporthandel namentlich in Anspruch nahmen. Die Fabrikanten und die Exporteure hatten alle Ursache Sir Henry Pottinger auf der Manchester Börse mit lautem Hurrah zu begrüßen. Aber die schönen Zeiten gingen schnell vorüber. Canton, Bombay und Calcutta waren bald von unverkäuflichen Waaren überfüllt, und das Kapital, das nach jener Seite keinen Ausweg mehr fand, suchte zur Veränderung wieder einmal Beschäftigung im Inlande, indem es sich auf den Eisenbahnbau warf und dadurch der Spekulation ein Feld eröffnete, auf dem sie sich bald bis zum Unerhörten herumtummeln konnte.

Nach einer mäßigen Berechnung darf man die Gesammtsumme der Unternehmungen auf 600 Millionen anschlagen, und man würde vielleicht noch weiter gegangen sein, wenn nicht das Mißrathen der Kartoffel-Erndte in England, in Irland und auf manchen Strecken des Kontinents, ferner der hohe Preis der Baumwolle und der durch beides verringerte Absatz an Manufakturartikeln, sowie schließlich die übertriebene Eisenbahn-Spekulation selbst, die Bank von England veranlaßt hätte, am 16. Okt. 1845 den Disconto um ein halb Prozent zu erhöhen.

Bei der abergläubischen Furcht, die der Brite vor der Allgewalt seiner Bank hat, brachte diese geringfügige Erhöhung des Disconto's, oder mit andern Worten, dieses Mißtrauen der Bankdirektoren, sofort eine Reaktion der bisherigen Thätigkeit mit sich, so daß eine allgemeine Muthlosigkeit eintrat und eine Einschränkung des Kredits und zahlreiche Falliten der scheinbaren Prosperität auf dem Fuße folgten. Eine jener großen Handelskrisen, wie die von 1825 und 1836 würde sich daher sofort entwickelt haben, wenn nicht die bald darauf erfolgende Abschaffung der Korngesetze, dem sinkenden Vertrauen plötzlich unter die Arme gegriffen, und den Unternehmungsgeist auf's Neue emporgestachelt hätte.

Die Handelswelt versprach sich nämlich zu viel von den augenblicklichen Folgen der großen Maßregel, als daß es ihr nicht leicht geworden wäre, die kaum hereingebrochene Misere darüber zu vergessen. Die Beilegung des Oregonstreites, welche eine Fortsetzung des bisher im höchsten Grade blühenden amerikanischen Geschäftes verhieß, und die britischen Siege im Punjab, welche die Ruhe Hindostan's sicherten, thaten natürlich das ihrige, um die Kurage wieder zu heben, und wenn man auch der Miß-Erndte von 1845 eine ähnliche im Jahre 1846 folgen sah, wenn man auch allerorts noch an den Vorräthen vergangener Zeiten laborirte, und das Geld für den Geschäftsbetrieb mit 12 bis 15 Prozent bezahlen mußte, so setzte man doch nichtsdestoweniger alle Spinnereien von Lancashire und Yorkshire in so unaufhaltsame Bewegung, als seien Miß-Erndten, Eisenbahnspekulationen und überfüllte Märkte jetzt plötzlich reine Kleinigkeiten, über die man sich im Nu hinwegsetzen könne.

Die ganze Herrlichkeit sollte indeß nicht lange mehr dauern, denn während noch im September 1847 der Dr. Bowring auf dem Brüsseler Freihandels-Kongreß die wunderbaren Folgen der Abschaffung der Korngesetze, in so hoch komischem Pathos auseinandersetzte, bemerkte man in London schon, daß auch "die allmächtige Maßregel Sir Robert Peel's " nicht mehr im Stande sei, das Land vor der lang gefürchteten Katastrophe zu retten. Man mußte den Nacken beugen und die Londoner Häuser, die, wie Reid Irving et Comp., fast für eine Million Pfund Sterling Grundbesitz auf Mauritius hatten, eröffneten bei dem zerrütteten Zustande jenes Theils der englischen Kolonieen, den Reigen der Falliten und stürzten, indem sie rechts und links mehrere kleinere ost- und westindische Häuser mit sich zu Boden rissen.

Die Matadore der Fabrikdistrikte sahen zu gleicher Zeit ein, daß sie sich in den Folgen der Abschaffung der Korngesetze geirrt hatten. Das Geschäft stockte nach allen Theilen der Welt und Schrecken verbreitete sich in demselben Momente durch die City von London, wie auf den Börsen von Liverpool, Manchester, Leeds u. s. w.

Die durch allerlei Ereignisse aufgehaltene Krise des Oktober 1845 kam daher endlich im September 1847 zum Ausbruch. Das Vertrauen war zu Ende. Der Muth war aus. Die Bank von England ließ die Banken im Innern des Landes fallen; die Banken des Inland's entzogen Händlern und Fabrikanten den Kredit. Banquiers und Exporteure schränkten ihr Geschäft mit dem Kontinente ein, und der Händler des Kontinents drückte wieder den ihm tributären Fabrikanten, Der Fabrikant erholte sich natürlich am Großist und der Großist fiel zurück auf den Boutiquier. Einer schlug den Andern und die Noth der Handelskrise durchzuckte nach und nach die Welt von den Riesen der Londoner City bis herab zu dem letzten deutschen Krämer.

Dies war vor dem 24. Februar 1848! England hatte die schlimmsten Tage in den vier letzten Monaten von 1847 gesehen. Mit den Eisenbahn-Spekulanten war tabula rasa gemacht; im Kolonialwaarenhandel fallirten vom 10. Aug. bis zum 15. Okt. 20 der ersten Londoner Häuser, mit einer Masse von 5 Millionen und etwa 50 Prozent Dividende und in den Fabrikdistrikten erreichte die Noth ihren Gipfel, als in Manchester am 15. Nov. von 175 Spinnereien nur 78 die volle Zeit beschäftigt waren und 11,000 Arbeiter auf den Straßen standen.

So schloß das Jahr 1847. Dem Kontinent war es vorbehalten, im Laufe des Jahres 1848 die Nachwehen dieser englischen Krise zu spüren -- Nachwehen, die natürlich diesmal um so empfindlicher waren, als die politischen Umwälzungen eben nicht dazu beitrugen, die Konsequenzen der englischen Extravaganz wieder gut zu machen.

Wir kommen jetzt zu dem interessantesten Punkt in der neuern Handelsgeschichte, zu dem Einflusse nämlich, den die Revolutionen auf den Kommerz hatten.

Die Ausfuhrlisten des englischen Handels liefern uns hierfür die besten Illustrationen, denn der Inhalt dieser Listen ist, bei der dominirenden Stellung, welche England im Welthandel einnimmt, weiter nichts, als der in Zahlen ausgedrückte politischkommerzielle Zustand, oder besser: die in Zahlen ausgedrückte Zahlungsfähigkeit der verschiedenen Nationen.

Wenn wir daher den Export im April 1848 um 1,467,117 Pfd. Sterl. und im Mai um 1,122,009 Pfd. Sterl. fallen sehen und die Totalsumme des Exports von 1847: 51,005,798 Pfd. Sterl. und im Jahre 1848 nur 46,407,939 Pfd. Sterl. beträgt, so möchte man daraus allerdings sehr zum Nachtheil der Revolutionen schließen, und könnte um so leichter auf diesen Gedanken kommen, als sich die Ausfuhr im Januar und Februar 1848, also unmittelbar vor dem Ausbruch der Revolution, wirklich um 294,763 Pfd. Sterl. günstiger stellte als in 1847.

Nichtsdestoweniger würde diese Ansicht durchaus irrig sein; denn erstens läßt sich der gestiegene Export des Januar und des Februar, gerade der zwei Monate; die zwischen dem Höhepunkt der Krise und der Revolution liegen, leicht daraus erklären, daß die Amerikaner als Gegensatz für ihre enormen Kornsendungen nach England damals mehr britische Manufakturwaaren bezogen als je vorher, und auf diese Weise den sonst wohlentstandenen Ausfall wenigstens momentan deckten. Außerdem finden wir aber in der englischen Handelsgeschichte die schlagendsten Beweise dafür, daß der Export sich nicht unmittelbar nach der Krise, sondern erst dann verringert, wenn die Krise Zeit gehabt hat, sich auch über den Kontinent zu verbreiten.

Der gestiegene Export der zwei ersten Monate des Jahres 1848 darf uns daher - keineswegs irre machen, und ruhig können wir uns dem Totalausfall des ganzen Jahres zuwenden.

Dieser betrug, wie wir bereits bemerkten, im Vergleich mit 1847: 4,597,859 Pfd. Sterl., eine allerdings bedeutende Verminderung, die in den Händen der Reaktionäre, welche sich in der Politik wie kläffende Hunde, und im Handel wie alte Weiber gebärden, zu einem Argumente gegen die Revolution geworden ist, von dem man allen Uneingeweihten gegenüber nur gar zu wirksam Gebrauch macht.

Nichts ist indeß leichter als die trügerischen Aufstellungen jener Partei über den Haufen zu werfen, denn man braucht nur die Listen des Exportes seit den letzten 30 Jahren nachzuschlagen, um darzuthun, daß die aus den vereinigten Einflüssen einer Handelskrise und einer Revolution entsprungene Verminderung der Ausfuhr von 1848 in gar keinem Verhältniß, zu den Exportausfällen früherer Jahre steht.

Nach der Handelskrise von 1825, wo die Summe der Ausfuhr 38,870,851 Pfd. St. betrug, fiel der Export im Jahre 1826 auf 31,536,724 Pfd. St. Er verringerte sich also um 7,334,127 Pfd. St. Nach der Krise von 1836, wo man für 53,368,572 Pfd. Sterl. exportirte, sank die Ausfuhr im Jahre 1837 auf 42,070,744 Pfd. St. Sie war also um 11,297,828 Pfd. St. kleiner. Nichts kann schlagender sein als dies!

Nach zwei Handelskrisen, die freilich ausschließlicher aus der Ueberproduktion von Manufakturwaaren hervorgingen, die aber ihrem Umfange nach gar nicht mit der letztverflossenen zu vergleichen sind, verringerte sich also der Export um das Doppelte des Ausfalls von 1848, eines Jahres, dem eine Ueberfüllung der asiatischen Märkte, dem zwei schlechte Aerndten, dem eine Spekulation vorherging, wie sie noch nie die Welt gesehen hat, und das mit seinen Revolutionen das alte Europa erschütterte bis in den letzten Winkel!

Wahrlich, das Jahr 1848 ist noch ein sehr gnädiges für den Handel gewesen! Die Revolutionen haben dazu beigetragen, daß hin und wieder der Verkehr stockte, daß der Verkauf schwierig und gefährlich war und daß Mancher unter der Last seiner Verbindlichkeiten zusammenbrach -- aber man würde im Laufe des vergangenen Jahres unter Louis Philippe dieselben Schwierigkeiten angetroffen haben, in Paris lumpige 20 oder 30 Tausend Frs. zu diskontiren, als unter der Republik; wir würden in Süddeutschland, am Rhein, in Hamburg und in Berlin eben so gut ohne als mit Revolutionen unsere Falliten gehabt haben; und das italienische Geschäft würde gerade sowohl unter Pius gedrückt gewesen sein, als unter den Helden von Mailand, Rom und Palermo.

Lächerlich ist es daher auch, wenn man das Wiederaufblühen des Handels dem augenblicklichen Siege der Contrerevolution zuschreibt. Die Franzosen bezahlen nicht deswegen auf den Londoner Woll-Auktionen die Wolle 25 Proz. höher, weil wieder einige Minister Louis Philippe's am Ruder sind -- nein, sie müssen deswegen mehr bezahlen, weil sie der Wolle bedürfen, und sie bedürfen derselben mehr, ihre Nachfrage wächst, eben weil sie in den letzten Jahren unter Louis Philippe sehr gefallen war. Dies Bewegung der Nachfrage zeigt sich in der ganzen Handelsgeschichte

Und die Engländer arbeiten nicht deswegen aufs Neue den ganzen Tag, in allen Bergwerken, in allen Schmieden, in allen Spinnereien, in all ihren Häfen, weil ein Fürst Windischgrätz die Wiener standrechtlich erschießen läßt -- nein, sie arbeiten deswegen, weil die Märkte von Canton, von New-York und von St. Petersburg mit Fabrikaten versehen sein wollen, weil Californien einen neuen, der Spekulation unerschöpflich scheinenden Markt eröffnet, weil den schlechten Erndten von 1845 und 1846 zwei gute Erndten in 1847 und 48 folgten, weil sie die Eisenbahnspekulationen an den Nagel hingen, weil das Geld wieder in seine regulären Kanäle zurückkehrte und arbeiten werden sie, bis zu einer neuen -- Handelskrise.

Vor allen Dingen dürfen wir nicht vergessen, daß es keineswegs die monarchischen Länder waren, welche der englischen Industrie in den letzten Jahren die Hauptbeschäftigung gaben. Das Land, welches fast ununterbrochen mit den kolossalsten Aufträgen auf englische Artikel herankam und welches auch in diesem Augenblick die Märkte von Manchester, von Leeds, von Halifax, von Nottingham, von Rochdale, und aller jener großen Stapelplätze der modernen Industrie durch seine Bestellungen zu räumen und die Meere mit seinen Schiffen zu beleben weiß, es ist ein republikanisches Land, es sind die Vereinigten Staaten von Nordamerika. Und diese Staaten blühen gerade jetzt am meisten, wo alle monarchischen Staaten der Welt zusammen krachen.

Wenn aber einige deutsche Industriezweige in letzter Zeit sich einigermaßen hoben, so verdanken sie dies nur der englischen Prosperity Periode. Aus der ganzen Handelsgeschichte könnten die Deutschen wissen, wie sie keine eigene Handelsgeschichte besitzen, wie sie die englischen Krisen ausbaden müssen, während ihnen in den englischen Ueberproduktionsperioden ein paar Procentenspäne zufallen. Ihren chriftlich-germanischen Regierungen aber verdanken sie nichts als beschleunigten Bankerutt.

067 Aachen, 5. März.

Bei der, am vorigen Sonntage vorgenommenen, Wahl eines Abgeordneten an die Stelle des Herrn v. Berg, für den Stadt und Landkreis Aachen und Eupen, trug die demokratische Partei den vollständigsten Sieg über die konstitutionelle davon. Ihr Kandidat, der Landgerichtsrath Rambs, erhielt 254 Stimmen, der Kandidat der Gegenpartei, Herr Fabrikant Franz Stellessen, 227 Stimmen. Die Konstitutionellen hatten alle irgend erdenklichen Mittel aufgeboten, um zu ihrem Ziele zu gelangen. In allen Dörfern und Städten wurde gepredigt, es sei durchaus die Vertretung der Industrie nothwendig, es seien schon zu viele Juristen gewählt, und dergleichen mehr. Die Wahlmänner ließen sich jedoch nicht täuschen, sie wußten recht gut, daß die Wahl eines Aachener Industriellen nur eine Vertretung der Interessen der Industriellen und nicht der Industrie zur Folge gehabt hätte. Es klang in der That wie Hohn in dem gedruckten Circular, das den Herrn Stellessen empfahl, daß "gerade die Industriellen dort am rechten Platze seien, wo es heiße, die Noth der arbeitenden Klassen zu erleichtern!!" -- Herr Rambs ist schon gestern nach Berlin abgereist.

Zum Schlusse müssen wir noch einer Ungezogenheit des Wahlkommissarius, des Herrn Stellvertreters des stellvertretenden Oberbürgermeisters Pelzer, des Herrn Assessors Conzen erwähnen. Als Herr Rambs die absolute Majorität erreicht hatte, erscholl auf einmal ein lautes Hurrah. Herr Conzen erklärte, er müsse sich eine solche Demonstration verbitten, die nicht hierher (in den Saal der Redoute) , sondern auf die Gasse gehöre. Hat denn Herr Conzen nicht auch in Berlin zu der Klasse der Trampelthiere gehört, oder war das Trampeln offiziel geboten?

24 Münster, 5. März.

In der heutigen, noch nicht beendigten Nachwahl für die hier in die zweite Kammer gewählten Deputirten Temme und Gierse, erkämpfte die Opposition abermals den ersten Sieg in der Wahl des Justizkommissar Thüssing von Warendorf, zur Zeit Stellvertreter in Frankfurt, mit 206 Stimmen, über den Schulze Hobbeling, welcher nur 120 Stimmen erhielt.

Der zweite Kandidat scheint ebenso sicher in der Person des Lieutenants a. D. Caspary von Trier (früherer Concurrent des v. Vincke zur Nationalversammlung in Frankfurt in Hagen) , da derselbe bereits 66 Stimmen zählt, während der Gegenkandidat kaum 20 aufzuweisen hat.

Nachschrift. Caspari ist gewählt.

* Berlin, 4. März.

In der gestrigen Parteiversammlung der Linken wurden die Vorberathungen über die Adresse fortgesetzt. Es giebt indeß immer noch eine große Zahl Mitglieder in dieser Opposition, welche consequent gegen die Erlassung einer Adresse sind und nicht geneigt scheinen der Majorität ihrer Partei Concessionen zu machen. Diese Frage möchte also vielleicht die Absonderung einer äußersten Linken bewirken. Man er-

Neue Rheinische Zeitung
Organ der Demokratie.
No 239. Köln, Mittwoch, den 7. März. 1849.

Vierteljähriger Abonnementspreis in Köln 1 Thlr. 7 1/2 Sgr., bei allen preußischen Postanstalten 1 Thlr. 17 Sgr. — Im Auslande wende man sich: in Belgien an die betreffenden Postanstalten; in London an W. Thomas, 21 Catherine-Street, Strand; in Paris an W. Thomas, 38 Rue Vivienne, und an A. Havas, 3 Rue Jean Jacques Reusseau.

Insertionen werden mit 18 Pf. die Petitzeile oder deren Raum berechnet.

Auskunft, Annahme und Abgabe chiffrirter Briefe gratis.

Nur frankirte Briefe werden angenommen.

Expedition Unter Hutmacher Nro. 17.

Uebersicht.

Deutschland. Köln. (Die Handelslage.) Aachen. (Die Nachwahl zur 2. Kammer.) Münster. (Nachwahlen.) Berlin. (Vermischtes. — Ausweisungen.) Leipzig. (Bürgers. — Februarrevolutionsfeier. — Das neue Ministerium. — Hexamer. — Eine Erwiderung.) Wien. (Eine Kundmachung. — Die Gelderpressungen in Ferrara. — Einrücken von Kroaten. — Gerüchte über russische Interrention in Italien.) Heidelberg. (Ein neues Spioniersystem und Minister Bekk.)

Ungarn. (Vom Kriegsschauplatz.)

Italien. Rom. (Der östreichische Einfall in Ferrara.) Florenz. (Verbindung von Rom und Florenz gegen die Oestreicher in Ferrara.) Turin. (Kammersitzung.) Mailand. (Die öffentlichen Zustände.) Massa. (Laugier. — Guerazzi's Bericht. — Die Piemontesen in Massa - Carrara.)

Franz. Republik. Paris. (Die römische Angelegenheit. — Barrot, Faucher, Falloux. — Die Reactionsjournale. — Coëtlogon. — Rep. Studentenbankett und Polizei. — Die deutschen Bankette. — Die demokratische Presse über die magyarische Angelegenheit. — Vermischtes.)

Asien. (Multan erobert. — Schlacht am Jehlum)

Deutschland.
* Köln, 6. März.

Ein Engländer ist nie unglücklicher, als wenn er nicht weiß, was er mit seinem Gelde anfangen soll. Dies ist das Geheimniß aller großartigen Spekulationen, aller gewinnbringenden Unternehmungen; aber auch das Geheimniß aller Falliten, aller Geldkrisen und aller Handelsmisere.

In den Jahren 1840, 41 u. s. w. waren es die neuen asiatischen Märkte, welche außer dem gewöhnlichen Verkehr mit dem europäischen Kontinent, den englischen Exporthandel namentlich in Anspruch nahmen. Die Fabrikanten und die Exporteure hatten alle Ursache Sir Henry Pottinger auf der Manchester Börse mit lautem Hurrah zu begrüßen. Aber die schönen Zeiten gingen schnell vorüber. Canton, Bombay und Calcutta waren bald von unverkäuflichen Waaren überfüllt, und das Kapital, das nach jener Seite keinen Ausweg mehr fand, suchte zur Veränderung wieder einmal Beschäftigung im Inlande, indem es sich auf den Eisenbahnbau warf und dadurch der Spekulation ein Feld eröffnete, auf dem sie sich bald bis zum Unerhörten herumtummeln konnte.

Nach einer mäßigen Berechnung darf man die Gesammtsumme der Unternehmungen auf 600 Millionen anschlagen, und man würde vielleicht noch weiter gegangen sein, wenn nicht das Mißrathen der Kartoffel-Erndte in England, in Irland und auf manchen Strecken des Kontinents, ferner der hohe Preis der Baumwolle und der durch beides verringerte Absatz an Manufakturartikeln, sowie schließlich die übertriebene Eisenbahn-Spekulation selbst, die Bank von England veranlaßt hätte, am 16. Okt. 1845 den Disconto um ein halb Prozent zu erhöhen.

Bei der abergläubischen Furcht, die der Brite vor der Allgewalt seiner Bank hat, brachte diese geringfügige Erhöhung des Disconto's, oder mit andern Worten, dieses Mißtrauen der Bankdirektoren, sofort eine Reaktion der bisherigen Thätigkeit mit sich, so daß eine allgemeine Muthlosigkeit eintrat und eine Einschränkung des Kredits und zahlreiche Falliten der scheinbaren Prosperität auf dem Fuße folgten. Eine jener großen Handelskrisen, wie die von 1825 und 1836 würde sich daher sofort entwickelt haben, wenn nicht die bald darauf erfolgende Abschaffung der Korngesetze, dem sinkenden Vertrauen plötzlich unter die Arme gegriffen, und den Unternehmungsgeist auf's Neue emporgestachelt hätte.

Die Handelswelt versprach sich nämlich zu viel von den augenblicklichen Folgen der großen Maßregel, als daß es ihr nicht leicht geworden wäre, die kaum hereingebrochene Misere darüber zu vergessen. Die Beilegung des Oregonstreites, welche eine Fortsetzung des bisher im höchsten Grade blühenden amerikanischen Geschäftes verhieß, und die britischen Siege im Punjab, welche die Ruhe Hindostan's sicherten, thaten natürlich das ihrige, um die Kurage wieder zu heben, und wenn man auch der Miß-Erndte von 1845 eine ähnliche im Jahre 1846 folgen sah, wenn man auch allerorts noch an den Vorräthen vergangener Zeiten laborirte, und das Geld für den Geschäftsbetrieb mit 12 bis 15 Prozent bezahlen mußte, so setzte man doch nichtsdestoweniger alle Spinnereien von Lancashire und Yorkshire in so unaufhaltsame Bewegung, als seien Miß-Erndten, Eisenbahnspekulationen und überfüllte Märkte jetzt plötzlich reine Kleinigkeiten, über die man sich im Nu hinwegsetzen könne.

Die ganze Herrlichkeit sollte indeß nicht lange mehr dauern, denn während noch im September 1847 der Dr. Bowring auf dem Brüsseler Freihandels-Kongreß die wunderbaren Folgen der Abschaffung der Korngesetze, in so hoch komischem Pathos auseinandersetzte, bemerkte man in London schon, daß auch „die allmächtige Maßregel Sir Robert Peel's “ nicht mehr im Stande sei, das Land vor der lang gefürchteten Katastrophe zu retten. Man mußte den Nacken beugen und die Londoner Häuser, die, wie Reid Irving et Comp., fast für eine Million Pfund Sterling Grundbesitz auf Mauritius hatten, eröffneten bei dem zerrütteten Zustande jenes Theils der englischen Kolonieen, den Reigen der Falliten und stürzten, indem sie rechts und links mehrere kleinere ost- und westindische Häuser mit sich zu Boden rissen.

Die Matadore der Fabrikdistrikte sahen zu gleicher Zeit ein, daß sie sich in den Folgen der Abschaffung der Korngesetze geirrt hatten. Das Geschäft stockte nach allen Theilen der Welt und Schrecken verbreitete sich in demselben Momente durch die City von London, wie auf den Börsen von Liverpool, Manchester, Leeds u. s. w.

Die durch allerlei Ereignisse aufgehaltene Krise des Oktober 1845 kam daher endlich im September 1847 zum Ausbruch. Das Vertrauen war zu Ende. Der Muth war aus. Die Bank von England ließ die Banken im Innern des Landes fallen; die Banken des Inland's entzogen Händlern und Fabrikanten den Kredit. Banquiers und Exporteure schränkten ihr Geschäft mit dem Kontinente ein, und der Händler des Kontinents drückte wieder den ihm tributären Fabrikanten, Der Fabrikant erholte sich natürlich am Großist und der Großist fiel zurück auf den Boutiquier. Einer schlug den Andern und die Noth der Handelskrise durchzuckte nach und nach die Welt von den Riesen der Londoner City bis herab zu dem letzten deutschen Krämer.

Dies war vor dem 24. Februar 1848! England hatte die schlimmsten Tage in den vier letzten Monaten von 1847 gesehen. Mit den Eisenbahn-Spekulanten war tabula rasa gemacht; im Kolonialwaarenhandel fallirten vom 10. Aug. bis zum 15. Okt. 20 der ersten Londoner Häuser, mit einer Masse von 5 Millionen und etwa 50 Prozent Dividende und in den Fabrikdistrikten erreichte die Noth ihren Gipfel, als in Manchester am 15. Nov. von 175 Spinnereien nur 78 die volle Zeit beschäftigt waren und 11,000 Arbeiter auf den Straßen standen.

So schloß das Jahr 1847. Dem Kontinent war es vorbehalten, im Laufe des Jahres 1848 die Nachwehen dieser englischen Krise zu spüren — Nachwehen, die natürlich diesmal um so empfindlicher waren, als die politischen Umwälzungen eben nicht dazu beitrugen, die Konsequenzen der englischen Extravaganz wieder gut zu machen.

Wir kommen jetzt zu dem interessantesten Punkt in der neuern Handelsgeschichte, zu dem Einflusse nämlich, den die Revolutionen auf den Kommerz hatten.

Die Ausfuhrlisten des englischen Handels liefern uns hierfür die besten Illustrationen, denn der Inhalt dieser Listen ist, bei der dominirenden Stellung, welche England im Welthandel einnimmt, weiter nichts, als der in Zahlen ausgedrückte politischkommerzielle Zustand, oder besser: die in Zahlen ausgedrückte Zahlungsfähigkeit der verschiedenen Nationen.

Wenn wir daher den Export im April 1848 um 1,467,117 Pfd. Sterl. und im Mai um 1,122,009 Pfd. Sterl. fallen sehen und die Totalsumme des Exports von 1847: 51,005,798 Pfd. Sterl. und im Jahre 1848 nur 46,407,939 Pfd. Sterl. beträgt, so möchte man daraus allerdings sehr zum Nachtheil der Revolutionen schließen, und könnte um so leichter auf diesen Gedanken kommen, als sich die Ausfuhr im Januar und Februar 1848, also unmittelbar vor dem Ausbruch der Revolution, wirklich um 294,763 Pfd. Sterl. günstiger stellte als in 1847.

Nichtsdestoweniger würde diese Ansicht durchaus irrig sein; denn erstens läßt sich der gestiegene Export des Januar und des Februar, gerade der zwei Monate; die zwischen dem Höhepunkt der Krise und der Revolution liegen, leicht daraus erklären, daß die Amerikaner als Gegensatz für ihre enormen Kornsendungen nach England damals mehr britische Manufakturwaaren bezogen als je vorher, und auf diese Weise den sonst wohlentstandenen Ausfall wenigstens momentan deckten. Außerdem finden wir aber in der englischen Handelsgeschichte die schlagendsten Beweise dafür, daß der Export sich nicht unmittelbar nach der Krise, sondern erst dann verringert, wenn die Krise Zeit gehabt hat, sich auch über den Kontinent zu verbreiten.

Der gestiegene Export der zwei ersten Monate des Jahres 1848 darf uns daher - keineswegs irre machen, und ruhig können wir uns dem Totalausfall des ganzen Jahres zuwenden.

Dieser betrug, wie wir bereits bemerkten, im Vergleich mit 1847: 4,597,859 Pfd. Sterl., eine allerdings bedeutende Verminderung, die in den Händen der Reaktionäre, welche sich in der Politik wie kläffende Hunde, und im Handel wie alte Weiber gebärden, zu einem Argumente gegen die Revolution geworden ist, von dem man allen Uneingeweihten gegenüber nur gar zu wirksam Gebrauch macht.

Nichts ist indeß leichter als die trügerischen Aufstellungen jener Partei über den Haufen zu werfen, denn man braucht nur die Listen des Exportes seit den letzten 30 Jahren nachzuschlagen, um darzuthun, daß die aus den vereinigten Einflüssen einer Handelskrise und einer Revolution entsprungene Verminderung der Ausfuhr von 1848 in gar keinem Verhältniß, zu den Exportausfällen früherer Jahre steht.

Nach der Handelskrise von 1825, wo die Summe der Ausfuhr 38,870,851 Pfd. St. betrug, fiel der Export im Jahre 1826 auf 31,536,724 Pfd. St. Er verringerte sich also um 7,334,127 Pfd. St. Nach der Krise von 1836, wo man für 53,368,572 Pfd. Sterl. exportirte, sank die Ausfuhr im Jahre 1837 auf 42,070,744 Pfd. St. Sie war also um 11,297,828 Pfd. St. kleiner. Nichts kann schlagender sein als dies!

Nach zwei Handelskrisen, die freilich ausschließlicher aus der Ueberproduktion von Manufakturwaaren hervorgingen, die aber ihrem Umfange nach gar nicht mit der letztverflossenen zu vergleichen sind, verringerte sich also der Export um das Doppelte des Ausfalls von 1848, eines Jahres, dem eine Ueberfüllung der asiatischen Märkte, dem zwei schlechte Aerndten, dem eine Spekulation vorherging, wie sie noch nie die Welt gesehen hat, und das mit seinen Revolutionen das alte Europa erschütterte bis in den letzten Winkel!

Wahrlich, das Jahr 1848 ist noch ein sehr gnädiges für den Handel gewesen! Die Revolutionen haben dazu beigetragen, daß hin und wieder der Verkehr stockte, daß der Verkauf schwierig und gefährlich war und daß Mancher unter der Last seiner Verbindlichkeiten zusammenbrach — aber man würde im Laufe des vergangenen Jahres unter Louis Philippe dieselben Schwierigkeiten angetroffen haben, in Paris lumpige 20 oder 30 Tausend Frs. zu diskontiren, als unter der Republik; wir würden in Süddeutschland, am Rhein, in Hamburg und in Berlin eben so gut ohne als mit Revolutionen unsere Falliten gehabt haben; und das italienische Geschäft würde gerade sowohl unter Pius gedrückt gewesen sein, als unter den Helden von Mailand, Rom und Palermo.

Lächerlich ist es daher auch, wenn man das Wiederaufblühen des Handels dem augenblicklichen Siege der Contrerevolution zuschreibt. Die Franzosen bezahlen nicht deswegen auf den Londoner Woll-Auktionen die Wolle 25 Proz. höher, weil wieder einige Minister Louis Philippe's am Ruder sind — nein, sie müssen deswegen mehr bezahlen, weil sie der Wolle bedürfen, und sie bedürfen derselben mehr, ihre Nachfrage wächst, eben weil sie in den letzten Jahren unter Louis Philippe sehr gefallen war. Dies Bewegung der Nachfrage zeigt sich in der ganzen Handelsgeschichte

Und die Engländer arbeiten nicht deswegen aufs Neue den ganzen Tag, in allen Bergwerken, in allen Schmieden, in allen Spinnereien, in all ihren Häfen, weil ein Fürst Windischgrätz die Wiener standrechtlich erschießen läßt — nein, sie arbeiten deswegen, weil die Märkte von Canton, von New-York und von St. Petersburg mit Fabrikaten versehen sein wollen, weil Californien einen neuen, der Spekulation unerschöpflich scheinenden Markt eröffnet, weil den schlechten Erndten von 1845 und 1846 zwei gute Erndten in 1847 und 48 folgten, weil sie die Eisenbahnspekulationen an den Nagel hingen, weil das Geld wieder in seine regulären Kanäle zurückkehrte und arbeiten werden sie, bis zu einer neuen — Handelskrise.

Vor allen Dingen dürfen wir nicht vergessen, daß es keineswegs die monarchischen Länder waren, welche der englischen Industrie in den letzten Jahren die Hauptbeschäftigung gaben. Das Land, welches fast ununterbrochen mit den kolossalsten Aufträgen auf englische Artikel herankam und welches auch in diesem Augenblick die Märkte von Manchester, von Leeds, von Halifax, von Nottingham, von Rochdale, und aller jener großen Stapelplätze der modernen Industrie durch seine Bestellungen zu räumen und die Meere mit seinen Schiffen zu beleben weiß, es ist ein republikanisches Land, es sind die Vereinigten Staaten von Nordamerika. Und diese Staaten blühen gerade jetzt am meisten, wo alle monarchischen Staaten der Welt zusammen krachen.

Wenn aber einige deutsche Industriezweige in letzter Zeit sich einigermaßen hoben, so verdanken sie dies nur der englischen Prosperity Periode. Aus der ganzen Handelsgeschichte könnten die Deutschen wissen, wie sie keine eigene Handelsgeschichte besitzen, wie sie die englischen Krisen ausbaden müssen, während ihnen in den englischen Ueberproduktionsperioden ein paar Procentenspäne zufallen. Ihren chriftlich-germanischen Regierungen aber verdanken sie nichts als beschleunigten Bankerutt.

067 Aachen, 5. März.

Bei der, am vorigen Sonntage vorgenommenen, Wahl eines Abgeordneten an die Stelle des Herrn v. Berg, für den Stadt und Landkreis Aachen und Eupen, trug die demokratische Partei den vollständigsten Sieg über die konstitutionelle davon. Ihr Kandidat, der Landgerichtsrath Rambs, erhielt 254 Stimmen, der Kandidat der Gegenpartei, Herr Fabrikant Franz Stellessen, 227 Stimmen. Die Konstitutionellen hatten alle irgend erdenklichen Mittel aufgeboten, um zu ihrem Ziele zu gelangen. In allen Dörfern und Städten wurde gepredigt, es sei durchaus die Vertretung der Industrie nothwendig, es seien schon zu viele Juristen gewählt, und dergleichen mehr. Die Wahlmänner ließen sich jedoch nicht täuschen, sie wußten recht gut, daß die Wahl eines Aachener Industriellen nur eine Vertretung der Interessen der Industriellen und nicht der Industrie zur Folge gehabt hätte. Es klang in der That wie Hohn in dem gedruckten Circular, das den Herrn Stellessen empfahl, daß „gerade die Industriellen dort am rechten Platze seien, wo es heiße, die Noth der arbeitenden Klassen zu erleichtern!!“ — Herr Rambs ist schon gestern nach Berlin abgereist.

Zum Schlusse müssen wir noch einer Ungezogenheit des Wahlkommissarius, des Herrn Stellvertreters des stellvertretenden Oberbürgermeisters Pelzer, des Herrn Assessors Conzen erwähnen. Als Herr Rambs die absolute Majorität erreicht hatte, erscholl auf einmal ein lautes Hurrah. Herr Conzen erklärte, er müsse sich eine solche Demonstration verbitten, die nicht hierher (in den Saal der Redoute) , sondern auf die Gasse gehöre. Hat denn Herr Conzen nicht auch in Berlin zu der Klasse der Trampelthiere gehört, oder war das Trampeln offiziel geboten?

24 Münster, 5. März.

In der heutigen, noch nicht beendigten Nachwahl für die hier in die zweite Kammer gewählten Deputirten Temme und Gierse, erkämpfte die Opposition abermals den ersten Sieg in der Wahl des Justizkommissar Thüssing von Warendorf, zur Zeit Stellvertreter in Frankfurt, mit 206 Stimmen, über den Schulze Hobbeling, welcher nur 120 Stimmen erhielt.

Der zweite Kandidat scheint ebenso sicher in der Person des Lieutenants a. D. Caspary von Trier (früherer Concurrent des v. Vincke zur Nationalversammlung in Frankfurt in Hagen) , da derselbe bereits 66 Stimmen zählt, während der Gegenkandidat kaum 20 aufzuweisen hat.

Nachschrift. Caspari ist gewählt.

* Berlin, 4. März.

In der gestrigen Parteiversammlung der Linken wurden die Vorberathungen über die Adresse fortgesetzt. Es giebt indeß immer noch eine große Zahl Mitglieder in dieser Opposition, welche consequent gegen die Erlassung einer Adresse sind und nicht geneigt scheinen der Majorität ihrer Partei Concessionen zu machen. Diese Frage möchte also vielleicht die Absonderung einer äußersten Linken bewirken. Man er-

<TEI>
  <text>
    <pb facs="#f0001" n="1321"/>
    <front>
      <titlePage type="heading">
        <titlePart type="main">Neue Rheinische Zeitung</titlePart>
        <titlePart type="sub">Organ der Demokratie.</titlePart>
        <docImprint>
          <docDate>No 239. Köln, Mittwoch, den 7. März. 1849.</docDate>
        </docImprint>
      </titlePage>
    </front>
    <body>
      <div type="jExpedition">
        <p>Vierteljähriger Abonnementspreis in Köln 1 Thlr. 7 1/2 Sgr., bei allen preußischen Postanstalten 1 Thlr. 17 Sgr. &#x2014; Im Auslande wende man sich: in Belgien an die betreffenden Postanstalten; in London an W. Thomas, 21 Catherine-Street, Strand; in Paris an W. Thomas, 38 Rue Vivienne, und an A. Havas, 3 Rue Jean Jacques Reusseau.</p>
        <p>Insertionen werden mit 18 Pf. die Petitzeile oder deren Raum berechnet.</p>
        <p>Auskunft, Annahme und Abgabe chiffrirter Briefe gratis.</p>
        <p>Nur frankirte Briefe werden angenommen.</p>
        <p>Expedition Unter Hutmacher Nro. 17.</p>
      </div>
      <div type="contents" n="1">
        <head>Uebersicht.</head>
        <p><hi rendition="#g">Deutschland.</hi> Köln. (Die Handelslage.) Aachen. (Die Nachwahl zur 2. Kammer.) Münster. (Nachwahlen.) Berlin. (Vermischtes. &#x2014; Ausweisungen.) Leipzig. (Bürgers. &#x2014; Februarrevolutionsfeier. &#x2014; Das neue Ministerium. &#x2014; Hexamer. &#x2014; Eine Erwiderung.) Wien. (Eine Kundmachung. &#x2014; Die Gelderpressungen in Ferrara. &#x2014; Einrücken von Kroaten. &#x2014; Gerüchte über russische Interrention in Italien.) Heidelberg. (Ein neues Spioniersystem und Minister Bekk.)</p>
        <p><hi rendition="#g">Ungarn.</hi> (Vom Kriegsschauplatz.)</p>
        <p><hi rendition="#g">Italien.</hi> Rom. (Der östreichische Einfall in Ferrara.) Florenz. (Verbindung von Rom und Florenz gegen die Oestreicher in Ferrara.) Turin. (Kammersitzung.) Mailand. (Die öffentlichen Zustände.) Massa. (Laugier. &#x2014; Guerazzi's Bericht. &#x2014; Die Piemontesen in Massa - Carrara.)</p>
        <p><hi rendition="#g">Franz. Republik.</hi> Paris. (Die römische Angelegenheit. &#x2014; Barrot, Faucher, Falloux. &#x2014; Die Reactionsjournale. &#x2014; Coëtlogon. &#x2014; Rep. Studentenbankett und Polizei. &#x2014; Die deutschen Bankette. &#x2014; Die demokratische Presse über die magyarische Angelegenheit. &#x2014; Vermischtes.)</p>
        <p><hi rendition="#g">Asien.</hi> (Multan erobert. &#x2014; Schlacht am Jehlum)</p>
      </div>
      <div n="1">
        <head>Deutschland.</head>
        <div xml:id="ar239_001" type="jArticle">
          <head><bibl><author>*</author></bibl> Köln, 6. März.</head>
          <p><hi rendition="#g">Ein Engländer ist nie unglücklicher, als wenn er nicht weiß, was er mit seinem Gelde anfangen soll.</hi> Dies ist das Geheimniß aller großartigen Spekulationen, aller gewinnbringenden Unternehmungen; aber auch das Geheimniß aller Falliten, aller Geldkrisen und aller Handelsmisere.</p>
          <p>In den Jahren 1840, 41 u. s. w. waren es die neuen asiatischen Märkte, welche außer dem gewöhnlichen Verkehr mit dem europäischen Kontinent, den englischen Exporthandel namentlich in Anspruch nahmen. Die Fabrikanten und die Exporteure hatten alle Ursache Sir Henry Pottinger auf der Manchester Börse mit lautem Hurrah zu begrüßen. Aber die schönen Zeiten gingen schnell vorüber. Canton, Bombay und Calcutta waren bald von unverkäuflichen Waaren überfüllt, und das Kapital, das nach jener Seite keinen Ausweg mehr fand, suchte zur Veränderung wieder einmal Beschäftigung im Inlande, indem es sich auf den Eisenbahnbau warf und dadurch der Spekulation ein Feld eröffnete, auf dem sie sich bald bis zum Unerhörten herumtummeln konnte.</p>
          <p>Nach einer mäßigen Berechnung darf man die Gesammtsumme der Unternehmungen auf 600 Millionen anschlagen, und man würde vielleicht noch weiter gegangen sein, wenn nicht das Mißrathen der Kartoffel-Erndte in England, in Irland und auf manchen Strecken des Kontinents, ferner der hohe Preis der Baumwolle und der durch beides verringerte Absatz an Manufakturartikeln, sowie schließlich die übertriebene Eisenbahn-Spekulation selbst, die Bank von England veranlaßt hätte, am 16. Okt. 1845 den Disconto um ein halb Prozent zu erhöhen.</p>
          <p>Bei der abergläubischen Furcht, die der Brite vor der Allgewalt seiner Bank hat, brachte diese geringfügige Erhöhung des Disconto's, oder mit andern Worten, dieses Mißtrauen der Bankdirektoren, sofort eine Reaktion der bisherigen Thätigkeit mit sich, so daß eine allgemeine Muthlosigkeit eintrat und eine Einschränkung des Kredits und zahlreiche Falliten der scheinbaren Prosperität auf dem Fuße folgten. Eine jener großen Handelskrisen, wie die von 1825 und 1836 würde sich daher sofort entwickelt haben, wenn nicht die bald darauf erfolgende Abschaffung der Korngesetze, dem sinkenden Vertrauen plötzlich unter die Arme gegriffen, und den Unternehmungsgeist auf's Neue emporgestachelt hätte.</p>
          <p>Die Handelswelt versprach sich nämlich zu viel von den augenblicklichen Folgen der großen Maßregel, als daß es ihr nicht leicht geworden wäre, die kaum hereingebrochene Misere darüber zu vergessen. Die Beilegung des Oregonstreites, welche eine Fortsetzung des bisher im höchsten Grade blühenden amerikanischen Geschäftes verhieß, und die britischen Siege im Punjab, welche die Ruhe Hindostan's sicherten, thaten natürlich das ihrige, um die Kurage wieder zu heben, und wenn man auch der Miß-Erndte von 1845 eine ähnliche im Jahre 1846 folgen sah, wenn man auch allerorts noch an den Vorräthen vergangener Zeiten laborirte, und das Geld für den Geschäftsbetrieb mit 12 bis 15 Prozent bezahlen mußte, so setzte man doch nichtsdestoweniger alle Spinnereien von Lancashire und Yorkshire in so unaufhaltsame Bewegung, als seien Miß-Erndten, Eisenbahnspekulationen und überfüllte Märkte jetzt plötzlich reine Kleinigkeiten, über die man sich im Nu hinwegsetzen könne.</p>
          <p>Die ganze Herrlichkeit sollte indeß nicht lange mehr dauern, denn während noch im September 1847 der Dr. Bowring auf dem Brüsseler Freihandels-Kongreß die wunderbaren Folgen der Abschaffung der Korngesetze, in so hoch komischem Pathos auseinandersetzte, bemerkte man in London schon, daß auch &#x201E;die allmächtige Maßregel Sir Robert Peel's &#x201C; nicht mehr im Stande sei, das Land vor der lang gefürchteten Katastrophe zu retten. Man mußte den Nacken beugen und die Londoner Häuser, die, wie Reid Irving et Comp., fast für eine Million Pfund Sterling Grundbesitz auf Mauritius hatten, eröffneten bei dem zerrütteten Zustande jenes Theils der englischen Kolonieen, den Reigen der Falliten und stürzten, indem sie rechts und links mehrere kleinere ost- und westindische Häuser mit sich zu Boden rissen.</p>
          <p>Die Matadore der Fabrikdistrikte sahen zu gleicher Zeit ein, daß sie sich in den Folgen der Abschaffung der Korngesetze geirrt hatten. Das Geschäft stockte nach allen Theilen der Welt und Schrecken verbreitete sich in demselben Momente durch die City von London, wie auf den Börsen von Liverpool, Manchester, Leeds u. s. w.</p>
          <p>Die durch allerlei Ereignisse aufgehaltene Krise des Oktober 1845 kam daher endlich im September 1847 zum Ausbruch. Das Vertrauen war zu Ende. Der Muth war aus. Die Bank von England ließ die Banken im Innern des Landes fallen; die Banken des Inland's entzogen Händlern und Fabrikanten den Kredit. Banquiers und Exporteure schränkten ihr Geschäft mit dem Kontinente ein, und der Händler des Kontinents drückte wieder den ihm tributären Fabrikanten, Der Fabrikant erholte sich natürlich am Großist und der Großist fiel zurück auf den Boutiquier. Einer schlug den Andern und die Noth der Handelskrise durchzuckte nach und nach die Welt von den Riesen der Londoner City bis herab zu dem letzten deutschen Krämer.</p>
          <p>Dies war <hi rendition="#g">vor</hi> dem 24. Februar 1848! England hatte die schlimmsten Tage in den vier letzten Monaten von 1847 gesehen. Mit den Eisenbahn-Spekulanten war tabula rasa gemacht; im Kolonialwaarenhandel fallirten vom 10. Aug. bis zum 15. Okt. 20 der ersten Londoner Häuser, mit einer Masse von 5 Millionen und etwa 50 Prozent Dividende und in den Fabrikdistrikten erreichte die Noth ihren Gipfel, als in Manchester am 15. Nov. von 175 Spinnereien nur 78 die volle Zeit beschäftigt waren und 11,000 Arbeiter auf den Straßen standen.</p>
          <p>So schloß das Jahr 1847. Dem Kontinent war es vorbehalten, im Laufe des Jahres 1848 die Nachwehen dieser englischen Krise zu spüren &#x2014; Nachwehen, die natürlich diesmal um so empfindlicher waren, als die politischen Umwälzungen eben nicht dazu beitrugen, die Konsequenzen der englischen Extravaganz wieder gut zu machen.</p>
          <p>Wir kommen jetzt zu dem interessantesten Punkt in der neuern Handelsgeschichte, zu dem Einflusse nämlich, den die Revolutionen auf den Kommerz hatten.</p>
          <p>Die Ausfuhrlisten des englischen Handels liefern uns hierfür die besten Illustrationen, denn der Inhalt dieser Listen ist, bei der dominirenden Stellung, welche England im Welthandel einnimmt, weiter nichts, als der in Zahlen ausgedrückte politischkommerzielle Zustand, oder besser: die in Zahlen ausgedrückte Zahlungsfähigkeit der verschiedenen Nationen.</p>
          <p>Wenn wir daher den Export im April 1848 um 1,467,117 Pfd. Sterl. und im Mai um 1,122,009 Pfd. Sterl. fallen sehen und die Totalsumme des Exports von 1847: 51,005,798 Pfd. Sterl. und im Jahre 1848 nur 46,407,939 Pfd. Sterl. beträgt, so möchte man daraus allerdings sehr zum Nachtheil der Revolutionen schließen, und könnte um so leichter auf diesen Gedanken kommen, als sich die Ausfuhr im Januar und Februar 1848, also unmittelbar vor dem Ausbruch der Revolution, wirklich um 294,763 Pfd. Sterl. günstiger stellte als in 1847.</p>
          <p>Nichtsdestoweniger würde diese Ansicht durchaus irrig sein; denn erstens läßt sich der gestiegene Export des Januar und des Februar, gerade der zwei Monate; die zwischen dem Höhepunkt der Krise und der Revolution liegen, leicht daraus erklären, daß die Amerikaner als Gegensatz für ihre enormen Kornsendungen nach England damals mehr britische Manufakturwaaren bezogen als je vorher, und auf diese Weise den sonst wohlentstandenen Ausfall wenigstens momentan deckten. Außerdem finden wir aber in der englischen Handelsgeschichte die schlagendsten Beweise dafür, daß der Export sich nicht unmittelbar nach der Krise, sondern erst dann verringert, wenn die Krise Zeit gehabt hat, sich auch über den Kontinent zu verbreiten.</p>
          <p>Der gestiegene Export der zwei ersten Monate des Jahres 1848 darf uns daher - keineswegs irre machen, und ruhig können wir uns dem Totalausfall des ganzen Jahres zuwenden.</p>
          <p>Dieser betrug, wie wir bereits bemerkten, im Vergleich mit 1847: 4,597,859 Pfd. Sterl., eine allerdings bedeutende Verminderung, die in den Händen der Reaktionäre, welche sich in der Politik wie kläffende Hunde, und im Handel wie alte Weiber gebärden, zu einem Argumente gegen die Revolution geworden ist, von dem man allen Uneingeweihten gegenüber nur gar zu wirksam Gebrauch macht.</p>
          <p>Nichts ist indeß leichter als die trügerischen Aufstellungen jener Partei über den Haufen zu werfen, denn man braucht nur die Listen des Exportes seit den letzten 30 Jahren nachzuschlagen, um darzuthun, daß die aus den vereinigten Einflüssen einer Handelskrise und einer Revolution entsprungene Verminderung der Ausfuhr von 1848 in gar keinem Verhältniß, zu den Exportausfällen früherer Jahre steht.</p>
          <p>Nach der Handelskrise von 1825, wo die Summe der Ausfuhr 38,870,851 Pfd. St. betrug, fiel der Export im Jahre 1826 auf 31,536,724 Pfd. St. Er verringerte sich also um 7,334,127 Pfd. St. Nach der Krise von 1836, wo man für 53,368,572 Pfd. Sterl. exportirte, sank die Ausfuhr im Jahre 1837 auf 42,070,744 Pfd. St. Sie war also um 11,297,828 Pfd. St. kleiner. Nichts kann schlagender sein als dies!</p>
          <p>Nach zwei Handelskrisen, die freilich ausschließlicher aus der Ueberproduktion von Manufakturwaaren hervorgingen, die aber ihrem Umfange nach gar nicht mit der letztverflossenen zu vergleichen sind, verringerte sich also der Export um das Doppelte des Ausfalls von 1848, eines Jahres, dem eine Ueberfüllung der asiatischen Märkte, dem zwei schlechte Aerndten, dem eine Spekulation vorherging, wie sie noch nie die Welt gesehen hat, und das mit seinen Revolutionen das alte Europa erschütterte bis in den letzten Winkel!</p>
          <p>Wahrlich, das Jahr 1848 ist noch ein sehr gnädiges für den Handel gewesen! Die Revolutionen haben dazu beigetragen, daß hin und wieder der Verkehr stockte, daß der Verkauf schwierig und gefährlich war und daß Mancher unter der Last seiner Verbindlichkeiten zusammenbrach &#x2014; aber man würde im Laufe des vergangenen Jahres unter Louis Philippe dieselben Schwierigkeiten angetroffen haben, in Paris lumpige 20 oder 30 Tausend Frs. zu diskontiren, als unter der Republik; wir würden in Süddeutschland, am Rhein, in Hamburg und in Berlin eben so gut ohne als mit Revolutionen unsere Falliten gehabt haben; und das italienische Geschäft würde gerade sowohl unter Pius gedrückt gewesen sein, als unter den Helden von Mailand, Rom und Palermo.</p>
          <p>Lächerlich ist es daher auch, wenn man das Wiederaufblühen des Handels dem augenblicklichen Siege der Contrerevolution zuschreibt. Die Franzosen bezahlen nicht deswegen auf den Londoner Woll-Auktionen die Wolle 25 Proz. höher, weil wieder einige Minister Louis Philippe's am Ruder sind &#x2014; nein, sie müssen deswegen mehr bezahlen, weil sie der Wolle bedürfen, und sie bedürfen derselben mehr, ihre Nachfrage wächst, eben weil sie in den letzten Jahren unter Louis Philippe sehr gefallen war. Dies Bewegung der Nachfrage zeigt sich in der ganzen Handelsgeschichte</p>
          <p>Und die Engländer arbeiten nicht deswegen aufs Neue den ganzen Tag, in allen Bergwerken, in allen Schmieden, in allen Spinnereien, in all ihren Häfen, weil ein Fürst Windischgrätz die Wiener standrechtlich erschießen läßt &#x2014; nein, sie arbeiten deswegen, weil die Märkte von Canton, von New-York und von St. Petersburg mit Fabrikaten versehen sein wollen, weil Californien einen neuen, der Spekulation unerschöpflich scheinenden Markt eröffnet, weil den schlechten Erndten von 1845 und 1846 zwei gute Erndten in 1847 und 48 folgten, weil sie die Eisenbahnspekulationen an den Nagel hingen, weil das Geld wieder in seine regulären Kanäle zurückkehrte und arbeiten werden sie, bis zu einer neuen &#x2014; Handelskrise.</p>
          <p>Vor allen Dingen dürfen wir nicht vergessen, daß es keineswegs die monarchischen Länder waren, welche der englischen Industrie in den letzten Jahren die Hauptbeschäftigung gaben. Das Land, welches fast ununterbrochen mit den kolossalsten Aufträgen auf englische Artikel herankam und welches auch in diesem Augenblick die Märkte von Manchester, von Leeds, von Halifax, von Nottingham, von Rochdale, und aller jener großen Stapelplätze der modernen Industrie durch seine Bestellungen zu räumen und die Meere mit seinen Schiffen zu beleben weiß, es ist ein republikanisches Land, es sind die Vereinigten Staaten von Nordamerika. Und diese Staaten blühen gerade jetzt am meisten, wo alle monarchischen Staaten der Welt zusammen krachen.</p>
          <p>Wenn aber einige <hi rendition="#g">deutsche</hi> Industriezweige in letzter Zeit sich einigermaßen hoben, so verdanken sie dies nur der <hi rendition="#g">englischen</hi> Prosperity Periode. Aus der ganzen Handelsgeschichte könnten die Deutschen wissen, wie sie keine eigene Handelsgeschichte besitzen, wie sie die englischen Krisen ausbaden müssen, während ihnen in den englischen Ueberproduktionsperioden ein paar Procentenspäne zufallen. Ihren chriftlich-germanischen Regierungen aber verdanken sie nichts als beschleunigten Bankerutt.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar239_002" type="jArticle">
          <head><bibl><author>067</author></bibl> Aachen, 5. März.</head>
          <p>Bei der, am vorigen Sonntage vorgenommenen, Wahl eines Abgeordneten an die Stelle des Herrn v. Berg, für den Stadt und Landkreis Aachen und Eupen, trug die demokratische Partei den vollständigsten Sieg über die konstitutionelle davon. Ihr Kandidat, der Landgerichtsrath Rambs, erhielt 254 Stimmen, der Kandidat der Gegenpartei, Herr Fabrikant Franz Stellessen, 227 Stimmen. Die Konstitutionellen hatten alle irgend erdenklichen Mittel aufgeboten, um zu ihrem Ziele zu gelangen. In allen Dörfern und Städten wurde gepredigt, es sei durchaus die Vertretung der Industrie nothwendig, es seien schon zu viele Juristen gewählt, und dergleichen mehr. Die Wahlmänner ließen sich jedoch nicht täuschen, sie wußten recht gut, daß die Wahl eines Aachener Industriellen nur eine Vertretung der Interessen der Industriellen und nicht der Industrie zur Folge gehabt hätte. Es klang in der That wie Hohn in dem gedruckten Circular, das den Herrn Stellessen empfahl, daß &#x201E;gerade die Industriellen dort am rechten Platze seien, wo es heiße, die Noth der arbeitenden Klassen zu erleichtern!!&#x201C; &#x2014; Herr Rambs ist schon gestern nach Berlin abgereist.</p>
          <p>Zum Schlusse müssen wir noch einer Ungezogenheit des Wahlkommissarius, des Herrn Stellvertreters des stellvertretenden Oberbürgermeisters Pelzer, des Herrn Assessors Conzen erwähnen. Als Herr Rambs die absolute Majorität erreicht hatte, erscholl auf einmal ein lautes Hurrah. Herr Conzen erklärte, er müsse sich eine solche Demonstration verbitten, die nicht hierher (in den Saal der Redoute) , sondern auf die Gasse gehöre. Hat denn Herr Conzen nicht auch in Berlin zu der Klasse der Trampelthiere gehört, oder war das Trampeln offiziel geboten?</p>
        </div>
        <div xml:id="ar239_003" type="jArticle">
          <head><bibl><author>24</author></bibl> Münster, 5. März.</head>
          <p>In der heutigen, noch nicht beendigten Nachwahl für die hier in die zweite Kammer gewählten Deputirten Temme und Gierse, erkämpfte die Opposition abermals den ersten Sieg in der Wahl des Justizkommissar Thüssing von Warendorf, zur Zeit Stellvertreter in Frankfurt, mit 206 Stimmen, über den Schulze Hobbeling, welcher nur 120 Stimmen erhielt.</p>
          <p>Der zweite Kandidat scheint ebenso sicher in der Person des Lieutenants a. D. Caspary von Trier (früherer Concurrent des v. Vincke zur Nationalversammlung in Frankfurt in Hagen) , da derselbe bereits 66 Stimmen zählt, während der Gegenkandidat kaum 20 aufzuweisen hat.</p>
          <p><hi rendition="#g">Nachschrift.</hi> Caspari ist gewählt.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar239_004" type="jArticle">
          <head><bibl><author>*</author></bibl> Berlin, 4. März.</head>
          <p>In der gestrigen Parteiversammlung der Linken wurden die Vorberathungen über die Adresse fortgesetzt. Es giebt indeß immer noch eine große Zahl Mitglieder in dieser Opposition, welche consequent gegen die Erlassung einer Adresse sind und nicht geneigt scheinen der Majorität ihrer Partei Concessionen zu machen. Diese Frage möchte also vielleicht die Absonderung einer <hi rendition="#g">äußersten Linken</hi> bewirken. Man er-
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[1321/0001] Neue Rheinische Zeitung Organ der Demokratie. No 239. Köln, Mittwoch, den 7. März. 1849. Vierteljähriger Abonnementspreis in Köln 1 Thlr. 7 1/2 Sgr., bei allen preußischen Postanstalten 1 Thlr. 17 Sgr. — Im Auslande wende man sich: in Belgien an die betreffenden Postanstalten; in London an W. Thomas, 21 Catherine-Street, Strand; in Paris an W. Thomas, 38 Rue Vivienne, und an A. Havas, 3 Rue Jean Jacques Reusseau. Insertionen werden mit 18 Pf. die Petitzeile oder deren Raum berechnet. Auskunft, Annahme und Abgabe chiffrirter Briefe gratis. Nur frankirte Briefe werden angenommen. Expedition Unter Hutmacher Nro. 17. Uebersicht. Deutschland. Köln. (Die Handelslage.) Aachen. (Die Nachwahl zur 2. Kammer.) Münster. (Nachwahlen.) Berlin. (Vermischtes. — Ausweisungen.) Leipzig. (Bürgers. — Februarrevolutionsfeier. — Das neue Ministerium. — Hexamer. — Eine Erwiderung.) Wien. (Eine Kundmachung. — Die Gelderpressungen in Ferrara. — Einrücken von Kroaten. — Gerüchte über russische Interrention in Italien.) Heidelberg. (Ein neues Spioniersystem und Minister Bekk.) Ungarn. (Vom Kriegsschauplatz.) Italien. Rom. (Der östreichische Einfall in Ferrara.) Florenz. (Verbindung von Rom und Florenz gegen die Oestreicher in Ferrara.) Turin. (Kammersitzung.) Mailand. (Die öffentlichen Zustände.) Massa. (Laugier. — Guerazzi's Bericht. — Die Piemontesen in Massa - Carrara.) Franz. Republik. Paris. (Die römische Angelegenheit. — Barrot, Faucher, Falloux. — Die Reactionsjournale. — Coëtlogon. — Rep. Studentenbankett und Polizei. — Die deutschen Bankette. — Die demokratische Presse über die magyarische Angelegenheit. — Vermischtes.) Asien. (Multan erobert. — Schlacht am Jehlum) Deutschland. * Köln, 6. März. Ein Engländer ist nie unglücklicher, als wenn er nicht weiß, was er mit seinem Gelde anfangen soll. Dies ist das Geheimniß aller großartigen Spekulationen, aller gewinnbringenden Unternehmungen; aber auch das Geheimniß aller Falliten, aller Geldkrisen und aller Handelsmisere. In den Jahren 1840, 41 u. s. w. waren es die neuen asiatischen Märkte, welche außer dem gewöhnlichen Verkehr mit dem europäischen Kontinent, den englischen Exporthandel namentlich in Anspruch nahmen. Die Fabrikanten und die Exporteure hatten alle Ursache Sir Henry Pottinger auf der Manchester Börse mit lautem Hurrah zu begrüßen. Aber die schönen Zeiten gingen schnell vorüber. Canton, Bombay und Calcutta waren bald von unverkäuflichen Waaren überfüllt, und das Kapital, das nach jener Seite keinen Ausweg mehr fand, suchte zur Veränderung wieder einmal Beschäftigung im Inlande, indem es sich auf den Eisenbahnbau warf und dadurch der Spekulation ein Feld eröffnete, auf dem sie sich bald bis zum Unerhörten herumtummeln konnte. Nach einer mäßigen Berechnung darf man die Gesammtsumme der Unternehmungen auf 600 Millionen anschlagen, und man würde vielleicht noch weiter gegangen sein, wenn nicht das Mißrathen der Kartoffel-Erndte in England, in Irland und auf manchen Strecken des Kontinents, ferner der hohe Preis der Baumwolle und der durch beides verringerte Absatz an Manufakturartikeln, sowie schließlich die übertriebene Eisenbahn-Spekulation selbst, die Bank von England veranlaßt hätte, am 16. Okt. 1845 den Disconto um ein halb Prozent zu erhöhen. Bei der abergläubischen Furcht, die der Brite vor der Allgewalt seiner Bank hat, brachte diese geringfügige Erhöhung des Disconto's, oder mit andern Worten, dieses Mißtrauen der Bankdirektoren, sofort eine Reaktion der bisherigen Thätigkeit mit sich, so daß eine allgemeine Muthlosigkeit eintrat und eine Einschränkung des Kredits und zahlreiche Falliten der scheinbaren Prosperität auf dem Fuße folgten. Eine jener großen Handelskrisen, wie die von 1825 und 1836 würde sich daher sofort entwickelt haben, wenn nicht die bald darauf erfolgende Abschaffung der Korngesetze, dem sinkenden Vertrauen plötzlich unter die Arme gegriffen, und den Unternehmungsgeist auf's Neue emporgestachelt hätte. Die Handelswelt versprach sich nämlich zu viel von den augenblicklichen Folgen der großen Maßregel, als daß es ihr nicht leicht geworden wäre, die kaum hereingebrochene Misere darüber zu vergessen. Die Beilegung des Oregonstreites, welche eine Fortsetzung des bisher im höchsten Grade blühenden amerikanischen Geschäftes verhieß, und die britischen Siege im Punjab, welche die Ruhe Hindostan's sicherten, thaten natürlich das ihrige, um die Kurage wieder zu heben, und wenn man auch der Miß-Erndte von 1845 eine ähnliche im Jahre 1846 folgen sah, wenn man auch allerorts noch an den Vorräthen vergangener Zeiten laborirte, und das Geld für den Geschäftsbetrieb mit 12 bis 15 Prozent bezahlen mußte, so setzte man doch nichtsdestoweniger alle Spinnereien von Lancashire und Yorkshire in so unaufhaltsame Bewegung, als seien Miß-Erndten, Eisenbahnspekulationen und überfüllte Märkte jetzt plötzlich reine Kleinigkeiten, über die man sich im Nu hinwegsetzen könne. Die ganze Herrlichkeit sollte indeß nicht lange mehr dauern, denn während noch im September 1847 der Dr. Bowring auf dem Brüsseler Freihandels-Kongreß die wunderbaren Folgen der Abschaffung der Korngesetze, in so hoch komischem Pathos auseinandersetzte, bemerkte man in London schon, daß auch „die allmächtige Maßregel Sir Robert Peel's “ nicht mehr im Stande sei, das Land vor der lang gefürchteten Katastrophe zu retten. Man mußte den Nacken beugen und die Londoner Häuser, die, wie Reid Irving et Comp., fast für eine Million Pfund Sterling Grundbesitz auf Mauritius hatten, eröffneten bei dem zerrütteten Zustande jenes Theils der englischen Kolonieen, den Reigen der Falliten und stürzten, indem sie rechts und links mehrere kleinere ost- und westindische Häuser mit sich zu Boden rissen. Die Matadore der Fabrikdistrikte sahen zu gleicher Zeit ein, daß sie sich in den Folgen der Abschaffung der Korngesetze geirrt hatten. Das Geschäft stockte nach allen Theilen der Welt und Schrecken verbreitete sich in demselben Momente durch die City von London, wie auf den Börsen von Liverpool, Manchester, Leeds u. s. w. Die durch allerlei Ereignisse aufgehaltene Krise des Oktober 1845 kam daher endlich im September 1847 zum Ausbruch. Das Vertrauen war zu Ende. Der Muth war aus. Die Bank von England ließ die Banken im Innern des Landes fallen; die Banken des Inland's entzogen Händlern und Fabrikanten den Kredit. Banquiers und Exporteure schränkten ihr Geschäft mit dem Kontinente ein, und der Händler des Kontinents drückte wieder den ihm tributären Fabrikanten, Der Fabrikant erholte sich natürlich am Großist und der Großist fiel zurück auf den Boutiquier. Einer schlug den Andern und die Noth der Handelskrise durchzuckte nach und nach die Welt von den Riesen der Londoner City bis herab zu dem letzten deutschen Krämer. Dies war vor dem 24. Februar 1848! England hatte die schlimmsten Tage in den vier letzten Monaten von 1847 gesehen. Mit den Eisenbahn-Spekulanten war tabula rasa gemacht; im Kolonialwaarenhandel fallirten vom 10. Aug. bis zum 15. Okt. 20 der ersten Londoner Häuser, mit einer Masse von 5 Millionen und etwa 50 Prozent Dividende und in den Fabrikdistrikten erreichte die Noth ihren Gipfel, als in Manchester am 15. Nov. von 175 Spinnereien nur 78 die volle Zeit beschäftigt waren und 11,000 Arbeiter auf den Straßen standen. So schloß das Jahr 1847. Dem Kontinent war es vorbehalten, im Laufe des Jahres 1848 die Nachwehen dieser englischen Krise zu spüren — Nachwehen, die natürlich diesmal um so empfindlicher waren, als die politischen Umwälzungen eben nicht dazu beitrugen, die Konsequenzen der englischen Extravaganz wieder gut zu machen. Wir kommen jetzt zu dem interessantesten Punkt in der neuern Handelsgeschichte, zu dem Einflusse nämlich, den die Revolutionen auf den Kommerz hatten. Die Ausfuhrlisten des englischen Handels liefern uns hierfür die besten Illustrationen, denn der Inhalt dieser Listen ist, bei der dominirenden Stellung, welche England im Welthandel einnimmt, weiter nichts, als der in Zahlen ausgedrückte politischkommerzielle Zustand, oder besser: die in Zahlen ausgedrückte Zahlungsfähigkeit der verschiedenen Nationen. Wenn wir daher den Export im April 1848 um 1,467,117 Pfd. Sterl. und im Mai um 1,122,009 Pfd. Sterl. fallen sehen und die Totalsumme des Exports von 1847: 51,005,798 Pfd. Sterl. und im Jahre 1848 nur 46,407,939 Pfd. Sterl. beträgt, so möchte man daraus allerdings sehr zum Nachtheil der Revolutionen schließen, und könnte um so leichter auf diesen Gedanken kommen, als sich die Ausfuhr im Januar und Februar 1848, also unmittelbar vor dem Ausbruch der Revolution, wirklich um 294,763 Pfd. Sterl. günstiger stellte als in 1847. Nichtsdestoweniger würde diese Ansicht durchaus irrig sein; denn erstens läßt sich der gestiegene Export des Januar und des Februar, gerade der zwei Monate; die zwischen dem Höhepunkt der Krise und der Revolution liegen, leicht daraus erklären, daß die Amerikaner als Gegensatz für ihre enormen Kornsendungen nach England damals mehr britische Manufakturwaaren bezogen als je vorher, und auf diese Weise den sonst wohlentstandenen Ausfall wenigstens momentan deckten. Außerdem finden wir aber in der englischen Handelsgeschichte die schlagendsten Beweise dafür, daß der Export sich nicht unmittelbar nach der Krise, sondern erst dann verringert, wenn die Krise Zeit gehabt hat, sich auch über den Kontinent zu verbreiten. Der gestiegene Export der zwei ersten Monate des Jahres 1848 darf uns daher - keineswegs irre machen, und ruhig können wir uns dem Totalausfall des ganzen Jahres zuwenden. Dieser betrug, wie wir bereits bemerkten, im Vergleich mit 1847: 4,597,859 Pfd. Sterl., eine allerdings bedeutende Verminderung, die in den Händen der Reaktionäre, welche sich in der Politik wie kläffende Hunde, und im Handel wie alte Weiber gebärden, zu einem Argumente gegen die Revolution geworden ist, von dem man allen Uneingeweihten gegenüber nur gar zu wirksam Gebrauch macht. Nichts ist indeß leichter als die trügerischen Aufstellungen jener Partei über den Haufen zu werfen, denn man braucht nur die Listen des Exportes seit den letzten 30 Jahren nachzuschlagen, um darzuthun, daß die aus den vereinigten Einflüssen einer Handelskrise und einer Revolution entsprungene Verminderung der Ausfuhr von 1848 in gar keinem Verhältniß, zu den Exportausfällen früherer Jahre steht. Nach der Handelskrise von 1825, wo die Summe der Ausfuhr 38,870,851 Pfd. St. betrug, fiel der Export im Jahre 1826 auf 31,536,724 Pfd. St. Er verringerte sich also um 7,334,127 Pfd. St. Nach der Krise von 1836, wo man für 53,368,572 Pfd. Sterl. exportirte, sank die Ausfuhr im Jahre 1837 auf 42,070,744 Pfd. St. Sie war also um 11,297,828 Pfd. St. kleiner. Nichts kann schlagender sein als dies! Nach zwei Handelskrisen, die freilich ausschließlicher aus der Ueberproduktion von Manufakturwaaren hervorgingen, die aber ihrem Umfange nach gar nicht mit der letztverflossenen zu vergleichen sind, verringerte sich also der Export um das Doppelte des Ausfalls von 1848, eines Jahres, dem eine Ueberfüllung der asiatischen Märkte, dem zwei schlechte Aerndten, dem eine Spekulation vorherging, wie sie noch nie die Welt gesehen hat, und das mit seinen Revolutionen das alte Europa erschütterte bis in den letzten Winkel! Wahrlich, das Jahr 1848 ist noch ein sehr gnädiges für den Handel gewesen! Die Revolutionen haben dazu beigetragen, daß hin und wieder der Verkehr stockte, daß der Verkauf schwierig und gefährlich war und daß Mancher unter der Last seiner Verbindlichkeiten zusammenbrach — aber man würde im Laufe des vergangenen Jahres unter Louis Philippe dieselben Schwierigkeiten angetroffen haben, in Paris lumpige 20 oder 30 Tausend Frs. zu diskontiren, als unter der Republik; wir würden in Süddeutschland, am Rhein, in Hamburg und in Berlin eben so gut ohne als mit Revolutionen unsere Falliten gehabt haben; und das italienische Geschäft würde gerade sowohl unter Pius gedrückt gewesen sein, als unter den Helden von Mailand, Rom und Palermo. Lächerlich ist es daher auch, wenn man das Wiederaufblühen des Handels dem augenblicklichen Siege der Contrerevolution zuschreibt. Die Franzosen bezahlen nicht deswegen auf den Londoner Woll-Auktionen die Wolle 25 Proz. höher, weil wieder einige Minister Louis Philippe's am Ruder sind — nein, sie müssen deswegen mehr bezahlen, weil sie der Wolle bedürfen, und sie bedürfen derselben mehr, ihre Nachfrage wächst, eben weil sie in den letzten Jahren unter Louis Philippe sehr gefallen war. Dies Bewegung der Nachfrage zeigt sich in der ganzen Handelsgeschichte Und die Engländer arbeiten nicht deswegen aufs Neue den ganzen Tag, in allen Bergwerken, in allen Schmieden, in allen Spinnereien, in all ihren Häfen, weil ein Fürst Windischgrätz die Wiener standrechtlich erschießen läßt — nein, sie arbeiten deswegen, weil die Märkte von Canton, von New-York und von St. Petersburg mit Fabrikaten versehen sein wollen, weil Californien einen neuen, der Spekulation unerschöpflich scheinenden Markt eröffnet, weil den schlechten Erndten von 1845 und 1846 zwei gute Erndten in 1847 und 48 folgten, weil sie die Eisenbahnspekulationen an den Nagel hingen, weil das Geld wieder in seine regulären Kanäle zurückkehrte und arbeiten werden sie, bis zu einer neuen — Handelskrise. Vor allen Dingen dürfen wir nicht vergessen, daß es keineswegs die monarchischen Länder waren, welche der englischen Industrie in den letzten Jahren die Hauptbeschäftigung gaben. Das Land, welches fast ununterbrochen mit den kolossalsten Aufträgen auf englische Artikel herankam und welches auch in diesem Augenblick die Märkte von Manchester, von Leeds, von Halifax, von Nottingham, von Rochdale, und aller jener großen Stapelplätze der modernen Industrie durch seine Bestellungen zu räumen und die Meere mit seinen Schiffen zu beleben weiß, es ist ein republikanisches Land, es sind die Vereinigten Staaten von Nordamerika. Und diese Staaten blühen gerade jetzt am meisten, wo alle monarchischen Staaten der Welt zusammen krachen. Wenn aber einige deutsche Industriezweige in letzter Zeit sich einigermaßen hoben, so verdanken sie dies nur der englischen Prosperity Periode. Aus der ganzen Handelsgeschichte könnten die Deutschen wissen, wie sie keine eigene Handelsgeschichte besitzen, wie sie die englischen Krisen ausbaden müssen, während ihnen in den englischen Ueberproduktionsperioden ein paar Procentenspäne zufallen. Ihren chriftlich-germanischen Regierungen aber verdanken sie nichts als beschleunigten Bankerutt. 067 Aachen, 5. März. Bei der, am vorigen Sonntage vorgenommenen, Wahl eines Abgeordneten an die Stelle des Herrn v. Berg, für den Stadt und Landkreis Aachen und Eupen, trug die demokratische Partei den vollständigsten Sieg über die konstitutionelle davon. Ihr Kandidat, der Landgerichtsrath Rambs, erhielt 254 Stimmen, der Kandidat der Gegenpartei, Herr Fabrikant Franz Stellessen, 227 Stimmen. Die Konstitutionellen hatten alle irgend erdenklichen Mittel aufgeboten, um zu ihrem Ziele zu gelangen. In allen Dörfern und Städten wurde gepredigt, es sei durchaus die Vertretung der Industrie nothwendig, es seien schon zu viele Juristen gewählt, und dergleichen mehr. Die Wahlmänner ließen sich jedoch nicht täuschen, sie wußten recht gut, daß die Wahl eines Aachener Industriellen nur eine Vertretung der Interessen der Industriellen und nicht der Industrie zur Folge gehabt hätte. Es klang in der That wie Hohn in dem gedruckten Circular, das den Herrn Stellessen empfahl, daß „gerade die Industriellen dort am rechten Platze seien, wo es heiße, die Noth der arbeitenden Klassen zu erleichtern!!“ — Herr Rambs ist schon gestern nach Berlin abgereist. Zum Schlusse müssen wir noch einer Ungezogenheit des Wahlkommissarius, des Herrn Stellvertreters des stellvertretenden Oberbürgermeisters Pelzer, des Herrn Assessors Conzen erwähnen. Als Herr Rambs die absolute Majorität erreicht hatte, erscholl auf einmal ein lautes Hurrah. Herr Conzen erklärte, er müsse sich eine solche Demonstration verbitten, die nicht hierher (in den Saal der Redoute) , sondern auf die Gasse gehöre. Hat denn Herr Conzen nicht auch in Berlin zu der Klasse der Trampelthiere gehört, oder war das Trampeln offiziel geboten? 24 Münster, 5. März. In der heutigen, noch nicht beendigten Nachwahl für die hier in die zweite Kammer gewählten Deputirten Temme und Gierse, erkämpfte die Opposition abermals den ersten Sieg in der Wahl des Justizkommissar Thüssing von Warendorf, zur Zeit Stellvertreter in Frankfurt, mit 206 Stimmen, über den Schulze Hobbeling, welcher nur 120 Stimmen erhielt. Der zweite Kandidat scheint ebenso sicher in der Person des Lieutenants a. D. Caspary von Trier (früherer Concurrent des v. Vincke zur Nationalversammlung in Frankfurt in Hagen) , da derselbe bereits 66 Stimmen zählt, während der Gegenkandidat kaum 20 aufzuweisen hat. Nachschrift. Caspari ist gewählt. * Berlin, 4. März. In der gestrigen Parteiversammlung der Linken wurden die Vorberathungen über die Adresse fortgesetzt. Es giebt indeß immer noch eine große Zahl Mitglieder in dieser Opposition, welche consequent gegen die Erlassung einer Adresse sind und nicht geneigt scheinen der Majorität ihrer Partei Concessionen zu machen. Diese Frage möchte also vielleicht die Absonderung einer äußersten Linken bewirken. Man er-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Marx-Engels-Gesamtausgabe: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-20T13:08:10Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jürgen Herres: Konvertierung TUSTEP nach XML (2017-03-20T13:08:10Z)
Maria Ermakova, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Frank Wiegand: Konvertierung XML nach DTA-Basisformat (2017-03-20T13:08:10Z)

Weitere Informationen:

Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 2 (Nummer 184 bis Nummer 301) Köln, 1. Januar 1849 bis 19. Mai 1849. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz239_1849
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz239_1849/1
Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 239. Köln, 7. März 1849, S. 1321. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz239_1849/1>, abgerufen am 28.03.2024.