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Neue Rheinische Zeitung. Nr. 235. Köln, 2. März 1849.

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lienische Constituante, dieses magische Wort, welches nach dem Unglücke in der Lombardei allein das heilige Feuer unterhalten hat, wird unser beständiges Feldgeschrei sein. In dieser Constituante vereinigen wir alle unsere Kräfte, damit Rom, dem eine Regeneration in glücklichen Zeiten vorbehalten ist, in Kurzem alle die edlen Söhne aufnehmen kann, die alle Theile der theuren Halbinsel ihm zusenden werde.

Indem wir für die Constituante sind, sprechen wir uns zugleich für den Krieg aus, und wir werden eher nicht ruhen, als bis der Krieg zu einem glücklichen Ausgange geführt ist.

Um dem großen Kampfe gewachsen zu sein, der sich vorbereitet und zu dem uns die Wehklagen auffordern und das Blut in allen Gegenden der Lombardei, werden wir vor allen Dingen bestrebt sein, die Streitkräfte unserer Miliz in größter Masse zusammenzurufen. Wir reorganisiren aufs Neue die Phalangen, die mit den übrigen italienischen Brüdern sich aufmachen werden zu einem zweiten Kreuzzuge, damit der Staat, der zuerst den ruhmvollen Namen der Republik hat ertönen lassen, mit allen Staaten wetteifern kann in der Bekundigung jener Kriegstugenden, die in allen republikanischen Ländern so glänzende Geltung genießen."

Die Regierung versichert sodann, nach Wiederherstellung des Friedens und schon vorher, soweit möglich, Künste und Wissenschaften begünstigen und den vom Einfluß der Geistlichkeit befreiten Unterricht (so spricht man in Rom!) heben zu wollen. Endlich auf die soziale Frage übergehend, macht das Programm die schönsten Versprechungen: "die Freiheit, die die Lage der zahlreichsten Klasse nicht hebt, ist eine Bastardfreiheit. Eine Freiheit, gegen die der Ruf von Tausenden Unglücklichen protestirt, wollen wir nicht. Die Armen, diese zahllose Klasse unserer Brüder, denen die alte Gesellschaft alle Annehmlichkeiten des Lebens verweigert, werden der Gegenstand unserer emsigsten Sorge sein. Unsre gewissenhaftesten Berathungen werden zum Zweck haben, ihre Uebel zu heilen und ihre sociale Regeneration vorzubereiten."

"Das Eigenthum wird unter den Schutz der Republik gestellt. Die ganze Staatsverwaltung wird reorganisirt werden. Die Republik wird die sichtbare Vorsehung des Volkes sein... Die Wohlthätigkeit wird so eine Pflicht und eine organisirte Institution. Allen Privilegien entsagend, und das Verdienst allein ehrend, wird unser Land einen großen Schritt vorwärts machen und die Schranken der Unwissenheit und des Aberglaubens niedertreten. Die Freiheit der Kulte, die Achtung vor den Meinungen, die Toleranz... werden Hauptgegenstand unserer Studien sein, und alle unsere Aufmerksamkeit wird sich auf den Schutz der Person und des Eigenthums selbst Derer richten, deren politische Meinung der unsern widerspricht."

Das Programm schließt: "Italien und Europa sehen auf uns. Nun wohl! mögen sie unsere Thaten in ihrer Gesammtheit überblicken, und dann, wenn es ihnen noch möglich ist, mögen sie die Reinheit unserer Wünsche, die unverletzliche Aufrichtigkeit unserer Seelen mißkennen!"

* Florenz, 21. Febr.

Die Republik von Toskana hat folgendes Circular an den Gouverneur von Livorno ergehen lassen:

De Laugier, durch einen schwarzen Verrath, hat in einer Proklamation bekannt gemacht: 1) daß Leopold Toskana nicht verlassen, da er sich nach San-Ildefonso zurückgezogen habe, 2) daß er bei seiner Abreise von Siena eine provisorische Regierung ernannt habe, 3) daß er der Miliz den Befehl ertheilt habe, ihrem Eide treu zu bleiben, 4) daß er mit 20,000 Piemontesen käme, um die Monarchie wieder einzusetzen.

Die Provinzen, durch diese Lügen in Aufregung gesetzt, haben in aller Eile Deputirte nach Florenz gesandt, und auf dem Platze della Signoria ist 1) de Laugier als Verräther, 2) Leopold von Oestreich der Regierung verlustig erklärt und 3) die Republik und die Vereinigung mit Rom proklamirt worden, mit Vorbehalt, später durch die Nationalversammlung sanktionirt zu werden. 4) Das Vaterland ist in Gefahr erklärt und jeder waffenfähige Mann berufen, sich nach Lucca und Pietra Santa zu begeben, um gegen de Laugier zu kämpfen.

Der englische Gesandte, im höchsten Grade empört durch das tadelnswerthe Betragen Leopold's von Oestreich hat sich eiligst nach der Gränze aufgemacht, um die Piemontesen zurückzuhalten, wenn sie es versuchen sollten, die Gränzen zu überschreiten. Er hat selbst erklärt, daß er fortfahre, Toskana seinen Schutz angedeihen zu lassen, sollte man selbst die Republik proklamiren, wenn sie nur die Ordnung, das Leben und Eigenthum der Bürger in Schutz nähme.

307 Turin, 22. Febr.

Die Sitzung der Deputirtenkammer vom 21. war eine Feierlichkeit, ein Fest: eine ungeheure Volksmasse umgab den Palazzo-Nazionale; die Tribüne war mit Zuschauern angefüllt. Der Justiz-Minister hat die Anzeige von der Veränderung des Ministeriums gemacht. Vincenz Gioberti gehört nicht mehr zu diesem Ministerium. Der General Chiodo, Kriegsminister, ist provisorischer Minister der äußern Angelegenheiten. Im Augenblicke wo Gioberti in den Saal tritt, ertönte von allen Seiten der Ruf: Es lebe Italien! es lebe der Krieg! Gioberti nimmt Platz auf den Bänken der Rechten. Es herrscht eine ungeheure Aufregung im Saale. Zwei Deputirte erheben sich, um über die Ursache des Austritts Gioberti's aus dem Ministerium Rechenschaft zu verlangen: ob dieser Austritt mit einer beabsichtigten Intervention in Toskana zusammenhänge. Der General Chiodo weiß von einem solchen Entschlusse nichts ab; nur soviel weiß er, daß das jetzige Ministerium eine solche Intervention fern von sich weise. - Wenn wir indessen auf die Unruhen hinsehen, die dem Austritt Gioberti's vorangehn, und auf die Aeußerungen der reaktionären Blätter, wie Debats und Constitutionel, die in ihren Privat-Correspondenzen ein Freudengeschrei ausstießen über die feste Haltung Gioberti's, und die bevorstehende Wiedereinsetzung des Herzogs von Toscana, so ist kein Zweifel mehr daran zu hegen, daß Gioberti, ohne Mitwissen seines Collegen, dem General la Marmora, der ein Observationskorps zu Sarzana aufgestellt, Ordre zum Einrücken gegeben hatte.

In der heutigen Sitzung also suchen die Minister den wahren Grund des Austritts Gioberti's mit Stillschweigen zu übergehen. Aber der Abbe Gioberti nimmt dieses großmüthige Schweigen seiner Collegen nicht an. Der schlaue Mann sucht die ganze Geschichte in ein diplomatisches Dunkel zu verwickeln; er spricht von Verläumdung und von Enthüllungen, die er machen könnte, um seine Gegner zu beschämen. Die Absicht Gioberti's ist, seine Gegner zu verdächtigen. Da betritt der Minister des Innern Ratazzi die Tribüne. - Um auf die vorgeblichen Enthüllungen des Abbe's zu antworten, enthüllt er seinerseits, was Gioberti beabsichtigte. Gioberti wollte wirklich in Toskana interveniren, wenn er, Ratazzi, sich nicht energisch widersetzt und mit seiner Entlassung gedroht hätte.

Gioberti stammelt Entschuldigung in pfäffischer Manier, er sei es nicht allein, welcher die Intervention gewollt habe; der größte Theil seiner Collegen sei mit dieser Maßregel einverstanden gewesen: Wer das Gegentheil behauptet, endet er, ist ein Lügner.

Jetzt erhebt sich der Justizminister Sineo und straft den verschmitzten Gioberto abermals Lügen. Keiner der Minister, mit Ausnahme Gioberti's, habe die Intervention gewollt, und sie alle hätten Gioberti gezwungen auszutreten.

Ein ungeheures Bravogeschrei ertönt von allen Seiten des Saales. "Es lebe Italien! es lebe die Republik!" wurde auf der Tribünen gerufen. Zum Schluße adoptirt die Kammer der Deputirten von Piemont eine folgendermaßen abgefaßte Tagesordnung:

Die Kammer, nach Anhörung der Erklärungen der Minister erklärt, daß letztere den Wunsch der Nation wohl gedeutet haben, und schreitet zur Tagesordnung.

- Am 22. Febr. hat die Deputirtenkammer mit 111 gegen 12 Stimmen die Minister autorisirt die Steuern provisorisch bis Ende April zu erheben.

Schweiz.
* Bern, 23. Febr.

Der Bundesrath hat heute rücksichtlich der Kapitulation beschlossen, in dieser Frage keinen Antrag an die Bundesversammlung zu bringen, weil die Verträge in den Bereich der Kantonalsouveränetät fallen.

Bezüglich des von würtembergischen Soldaten an einem Schweizerbürger verübten Attentats ist nach einer Mittheilung des Repräsentanten des deutschen Reichs an den Bundesrath eine Untersuchung angeordnet. Die Auslieferung des Angeklagten ist abgelehnt worden.

Französische Republik.
17 Paris, 27. Febr.

Gegenüber einem sich täglich mehr verständigenden und kräftigenden Proletariat rafft die Reaktion ihr letztes Gift zusammen; das Ministerium befiehlt den Präfekten, die Emissäre, welche die Bauern zur Zurückforderung der Milliarde ermahnen, mit Gensd'armen und in Ketten nach Paris zu senden, wodurch der Bauer natürlich erst recht nachdenklich werden wird. Ueber das wahnsinnige Benehmen Bonaparte's sagt Charles Paya sehr richtig in einem seiner pariser Briefe an die Provinzblätter: "Quos vult perdere Jupiteri dementat. So ist es, der liebe Gott scheint es auf den Ruin Bonaparte's abgesehen zu haben. Seine Freunde selber haben ihm bis jetzt noch nicht die tiefe Bedeutung seiner Erwählung klar machen können, und er bildet sich steif und fest ein, das Votum der sechs Millionen Franzosen sei ein Beweis rein persönlicher Anerkennung. Ja in einem südlichen Wahldistrict sagten die Bauern zu einem der Hauptanreger dieser bonapartischen Wahl: ""Wir geben ihm gern unsere Stimme, weil er gewiß der allerrotheste der Kandidaten ist."" Man denke sich, was diese Freunde der rothen Farbe für einen Zorn gegen ihn heute fühlen müssen." Von Paris, Lyon, Toulouse und Metz aus strömen wieder viele Bauernkalender aufs Land, in deren einem ich folgende faßliche Darstellung des Bauernelends finde und der Kuriosität wegen citire: "Es sind jetzt von Ackerländereien 25,000,000 Hektaren vorhanden. Wiesen 4,834,000, Weinland 2,133,000 und Forste 1,135,000, Summa 39,104,000 Hektaren; setzen wir die Hektare zu 500 Franken im Durchschnitt (was viel ist, da manche nur 50 Franken den Arpent kostet), so haben wir einen Werth von etwa zwanzigtausend Millionen Franken, als den des gesammten produktiven Bodens. Das ist wenig. Im Durchschnitt ist ein Nettoertrag auf die Hektare von 50 Frs. zu rechnen, oder zweitausend Millionen im Ganzen. Das Entsetzliche liegt nun eben darin, daß die 39 oder 40 Millionen, welche zwei Milliarden Werth erzeugen, durch Anleihen mit 12 Milliarden Hypotheken mindestens, beladen sind, und dem Gläubiger zu 5% die Riesensumme von 600 Millionen jährliche Zinsen als Tribut darbringen; d. h. fast 1/3 des Ertrages. Dadurch entsteht grenzenloses Elend und nur einige nicht producirende Privatleute jubeln; der Staat verarmt dabei. Das ist Verschwendung. Und wahrhaftig: Frankreich hat große innere Kräfte! Freilich, so lange auf ihm noch Arme herumstreichen, wird es nicht unrichtig sein zu behaupten, daß die Regierung aus Schuften, oder aus dummen Narren besteht, aus Verschleudern und Parademachern.

Und diesem Jammer machen wir Social-Demokraten uns anheischig in vier Jahren ein Ende zu setzen. Nur darf man uns nicht die Hände binden. Wie im Jahre 1837 waren von den 52.780,703 Hectaren Frankreichs nicht mehr als 25.000,000, das heißt die Hälfte, beackert? und dazu elendiglich beackert. Diese miserable Agrikultur schafft daher nur 14 Millionen in Getreide. Wüstes Land waren - es ist empörend! - 7,790,000. Und die Bevölkerung steigt; in unsern 86 Departements, 363 Arrondissements und 37,000 Gemeinden haben wir heute fünf und dreißig Millionen Einwohner. Und um nicht weit auszuholen, geben wir dem Volke nur zu bedenken, daß in seiner Hauptstadt Paris, wo alle Glorie zusammenströmt, der dritte Theil der Einwohner im Hospital sterben muß: 12276 von 32,825 Sterbenden, auf eine Million Menschen. Es stirbt daselbst etwa Einer von 33. Wünscht der Arbeiter es schwarz auf weiß, welche schöne Fortschritte sein Zustand seit sechszig Jahren gemacht, so lese er was im J. 1786 der glaubwürdige englische Reisende Young schrieb: Ich habe aus den Tabellen ersehen, daß die 550,800 Seelen betragende pariser Bevölkerung 75088 Rinder im Jahre verzehrt, 89,577 Kälber, 388,699 Hämmel, 39,572 Schweine, an Mehl 480,000 Pfund, und an Wein 256,000 Muid. Hieneben stellen wir die 1848ger Statistik: Paris hat 945,721 Einwohner (also fast eine halbe Million mehr als im J. 1786) und konsumirt: 80,255 Rinder, 84,444 Kälber, 487,644 Hämmel, 93,502 Schweine, 474,000 Pf. Mehl, 1,019,445 Hektoliter Wein; folglich ist fast alles geblieben, d. h. die Leute bekommen heute um die Hälfte weniger zu essen wie 1786. Versteht sich die Armen, denn die Nichtarmen amüsiren sich an der Tafel 1848 wie 1786. Nur das Schweinefleisch wird heute im Belaufe von 93,502 verspeist und damals von 39,572; das unselige Schweinfleisch dient also heute mehr als je zur Nahrung des Arbeiters. Die Herren und Damen reichern Standes wissen das gut, sie enthalten sich des Schweinefleisches für gewöhnlich, sie wollen nicht krank werden; sie meinen aber, das sei gut genug für das Lumpenpack, das ihnen Kleider und Holz, Möbeln und Häuser schafft.

"Soll man sich nun unter solchen Umständen wundern (ruft der mehrerwähnte, geistreiche u. sehr wohl unterrichtete Autor der "pariser Briefe"), wenn, wie ich von einem der Skrutinirenden weiß, über 20,000 Bauernvota bei der Nationalversammlung damals aus einem Distrikt einliefen, deren jedes die Worte: nieder die Reichen! zu den Worten: Louis Napoleon hinzugefügt enthielt. Und über diesen Liebling des revolutionären Theils der Bauern sind heute royalistische Minister so Herr, daß sie ihn zur Ernennung von Beamten in Korsika gezwungen haben, welche selbst seiner Person feindselig sind. Wer sollte dies für möglich halten? und doch ist dem so: Bonaparte hat die Stellen auf jener für ihn jüngst noch schwärmenden Insel mit der Clique Sebastiani und Pozzo di Borgo zu besetzen geruht, direkten Königthümlern, Orleanisten und Henricinquisten. Er wird, so heißt es, immer absorbirter in die sublime Idee, wenn diese Republik nicht weiter bestehn kann, einen stolzen Kaiserthron zu errichten. Ich bleibe aber dabei: Alles dies ist Tollheit und Abgeschmacktheit, und wird ihm zu keinem Heile gereichen."

(Republicain de l'Allier in Moulins.)

12 Paris, 27. Febr.

Die französische Republik weigert sich, den Gesandten der römischen Republik zu empfangen. Ich irre mich: Napoleon und sein Ministerium haben gestern Abend nach langer, tiefer Berathung beschlossen, die zwei Abgeordneten der römischen Republik nicht vorzulassen. Die konstituirende Versammlung zu Rom hatte in ihrer Sitzung vom 12. beschlossen, daß zwei Abgeordnete in der Eigenschaft von Repräsentanten der römischen Republik sich zu der französischen Regierung verfügen sollten; die römische Republik hatte vergessen, daß Faucher, Barrot, Fallour und Napoleon an der Spitze der französischen Regierung standen, denen die römische Revolution nur als die Insurrektion einer Partei erscheint: freilich als eine siegreiche Insurrektion. Wie kann auch die französische Republik alle Republiken der Welt anerkennen? Man höre nur das Journal "La Patrie:" Es gibt Republiken verschiedner Art, wie es Monarchien verschiedner Art gibt. Es gibt keine Solidarität unter den Revolutionen. Das wagt die Patrie auszusprechen: Und sie räumt noch dabei ein, daß sie die Frage nur vom politischen Standpunkt auffasse. Wollte sie sich auf den katholischen Standpunkt stellen, ja dann würde sie vielleicht auf Intervention von Seiten der katholischen Regierung Fallour's und Napoleon's drängen. In einem Punkte hat die Patrie Recht: die römische Republik, das ist in den Augen der Franzosen die siegreiche Juni-Revolution. So fassen die französischen Proletarier sie auf; so faßt sie das italienische Ministerium auf: Die soziale Frage ist's, welche unsere ganze Aufmerksamkeit in der römischen Republik in Anspruch nimmt. Die Freiheit, welche nicht der Noth der arbeitenden Klasse Abhülfe thut, ist keine Freiheit. Wir wollen nichts von einer Freiheit wissen, gegen welche Tausende von Unglücklichen protestiren könnten. Die zahllose Klasse der Armen, denen die alte Gesellschaft Alles genommen, - diese ist's, deren Schutz wir sein wollen. Keine Privilegien - keine Kasten - das sei unser Wahlspruch. Das ist das Programm des römischen Ministeriums, wie es in der Sitzung vom 16. Februar verlesen worden. Und was thut das Ministerium Barrot? es erkennt eine Republik mit diesem Programm nicht an; es weigert sich, die Abgeordneten dieser Republik zu empfangen; und Napoleon ist vollkommen damit einverstanden. Wie könnte aber auch Napoleon anders handeln? Hat er nicht die größten Verpflichtungen gegen Oesterreich? Oesterreich ist der einzige Staat, der Napoleon zu würdigen und zu behandeln versteht. Oesterreich verfährt beinahe so schlau, wie England im Jahre 1840, als letzteres an Frankreich die Leiche Napoleon's zurückgab, um unter dem Vorwande der Freundschaft Saint-Jean-d'Acre bombardiren zu können. Oesterreich bewahrt auch eine Leiche, und zwar auch eine napoleonische Leiche, die Leiche des Herzogs von Reichstadt, wahrer Sohn des wahren, ächten Napoleons, und Oesterreich will nach England's Beispiel die Leiche an den Mann bringen. Der Mann ist gefunden; der Käufer ist Louis Napoleon, der eifrige Sammler aller napoleonischen Antiquitäten. Und der Gimpel greift zu, und Fallour auch, und Barrot auch, und die ganze offizielle Welt auch, und Faucher vielleicht auch! Und während der Zeit betreibt Thiers in Komp. mit A. Fould und der legitimistischen Clique seine Wahlangelegenheiten für die neue Kammer, organisirt sein neues Wahl-Comite, Alles mit der größten Bourgeois-Schlauigkeit. Napoleon seinerseits hat ebenfalls ein Wahl-Comite gebildet, um lauter Napoleoniden und Napoleonophilen in die Kammer zu bringen. Anfangs wollte er mit Thiers und den andern Elementen ein gemeinsames Comite errichten: aber als Thiers die Herrschaft mit Napoleon in diesem Wahl-Comite theilen wollte, als er offen erklärte: so viel Mann von meiner Partei gehen auf einen Mann von deiner Partei, da trat Napoleon zurück. Und wie seine äußern Angelegenheiten sich nur auf die Wiedererlangung der Leiche Reichstadts beschränken, so dehnen sich seine innern nicht über die Rekrutirung von Napoleoniden hinaus. Die Leiche seines Vetters soll ebenfalls in diesem Comite figuriren, zur Herbeilockung von napoleonischen Wählern.

Mitten in dieser Komödie tritt uns das von den Proletariern gefeierte Jahresfest der französischen Revolution mit seinem ganzen Ernste entgegen. Alle Deputirten von dem Berge wohnten diesem Feste bei. Bei ihrem Eintritt in den Saal erscholl es von allen Seiten: Vive la Montagne! Dann nahm Leporte das Wort und sprach: "Bürger, wir haben geglaubt, unsere Pflichten gegen Euch in vollem Maße dadurch zu erfüllen, daß wir feierliche Einladungen ergehen ließen an Madame Blanqui, Mad. Und Madem. Raspail." Bei diesen Namen erscholl ein allgemeines Bravo. "Wir bitten diese Damen, fuhr Leporte fort, gütigst die Hand der Kommissäre anzunehmen, die sie zu den ihnen bestimmten Plätzen führen werden. Wir haben bedauert, daß die Schwester des Herrn Barbes augenblicklich sich nicht in Paris befindet, sonst würde sie gewiß die an sie ergangene Einladung angenommen haben. Wir haben den Platz offen gelassen, neben der Gemahlin Ledru-Rollin's. Wirklich befand sich neben Madame Ledru-Rollin ein offner Sitz, worauf ein Veilchenstrauß lag. An Caussidiere und Louis Blanc waren ebenfalls Einladungen ergangen. Das Fest beginnt mit der Marseillaise. Wir werden morgen das Verzeichniß der Redner und Toaste bringen.

Paris, 27. Februar.

Man höre wie jetzt der National über die österreichische Intervention jammert:

"Der Ton, mit welchem die Patrie gestern Abend den Eintritt (?) der Oesterreicher in die Stadt Ferrara verkündete, beweist nur zu klar, welche Freude diese Nachricht in den Herzen ihrer Freunde hervorruft. Das Selbstvergnügen, mit dem sich das halbministerielle Abendblatt schon im Voraus über die Einnahme Rom's durch die Oesterreicher ergießt, erfüllt uns mit großem Bedenken. Großer Gott, wo sind wir hingekommen? Hätten wir die Zeiten Casimir Perrier's zu bedauern? Wäre die Februar-Republik weniger muthig als die Juli-Regierung? Auf die Depesche, welche der Regierung das Einrücken der Oesterreicher in das Gebiet der römischen Republik anzeigt, hat die Regierung nicht anders als mit einem Heere und einer Flotte vor Civita-Vecchia und in das Adriatische Meer zu antworten. Die Okkupation der Oesterreicher scheint übrigens mit einem allgemeinen Plane der Reaktion zusammen zu hängen. Am 19. Februar sollten die Giobertischen Truppen in Toscana einfallen; am 19. Februar überschreiten die Oesterreicher bei Ferrara den Po und morgen wird uns die Post wahrscheinlich die Nachricht bringen, daß ein neapolitanisches Corps von dem Süden her einrückte. Das verräth eine förmliche Verschwörung der Reaktion gegen die Revolution. Hierfür genügen keine bloßen Interpellationen. Die Republikanische Majorität muß vielmehr dem Ministerium den Weg vorzeichnen, den es zu befolgen. Sofortige Räumung der Legationen, Garantie gegen die Rückkehr der Oesterreicher; vollständige Entschädigung für die einem unter französischem Schutz stehenden Brudervolk angethanen Verletzungen..... Oder Krieg! Wir sind stark; denn wir sprechen im Namen des Rechts und haben die Sympathieen der Völker für uns; ihre Sache ist unsere Sache und die der ganzen Welt."

- Das Journal des Debats hält noch hinter dem Berge; es knüpft für heute nur folgende Aeußerungen an das Eindringen der Oesterreicher:

"Wir sahen neulich einen Brief Mazzini's an die Römer, in welchem er ihnen empfiehlt, den Oesterreichern die Citadelle von Ferrara, koste es was es wolle, zu entreißen. Ein unglücklicherer Rath als dieser konnte den Römern nicht gegeben werden; er ist den Republikanern höchst gefährlich, weil er die Oesterreicher in das Herz Italiens lockt. Die Geschichte wird eines Tages vielleicht den Herrn Mazzini anklagen, durch den Wahnsinn seiner Ideen, den Ruin und die Sklaverei seines Vaterlandes herbeigeführt zu haben."

In ähnlichem Sinne lassen Univers, Courrier, Assemblee und Opinion ihre Zügel schießen. Die Sprache der demokratischen [Fortsetzung] Hierzu eine Beilage.

lienische Constituante, dieses magische Wort, welches nach dem Unglücke in der Lombardei allein das heilige Feuer unterhalten hat, wird unser beständiges Feldgeschrei sein. In dieser Constituante vereinigen wir alle unsere Kräfte, damit Rom, dem eine Regeneration in glücklichen Zeiten vorbehalten ist, in Kurzem alle die edlen Söhne aufnehmen kann, die alle Theile der theuren Halbinsel ihm zusenden werde.

Indem wir für die Constituante sind, sprechen wir uns zugleich für den Krieg aus, und wir werden eher nicht ruhen, als bis der Krieg zu einem glücklichen Ausgange geführt ist.

Um dem großen Kampfe gewachsen zu sein, der sich vorbereitet und zu dem uns die Wehklagen auffordern und das Blut in allen Gegenden der Lombardei, werden wir vor allen Dingen bestrebt sein, die Streitkräfte unserer Miliz in größter Masse zusammenzurufen. Wir reorganisiren aufs Neue die Phalangen, die mit den übrigen italienischen Brüdern sich aufmachen werden zu einem zweiten Kreuzzuge, damit der Staat, der zuerst den ruhmvollen Namen der Republik hat ertönen lassen, mit allen Staaten wetteifern kann in der Bekundigung jener Kriegstugenden, die in allen republikanischen Ländern so glänzende Geltung genießen.“

Die Regierung versichert sodann, nach Wiederherstellung des Friedens und schon vorher, soweit möglich, Künste und Wissenschaften begünstigen und den vom Einfluß der Geistlichkeit befreiten Unterricht (so spricht man in Rom!) heben zu wollen. Endlich auf die soziale Frage übergehend, macht das Programm die schönsten Versprechungen: „die Freiheit, die die Lage der zahlreichsten Klasse nicht hebt, ist eine Bastardfreiheit. Eine Freiheit, gegen die der Ruf von Tausenden Unglücklichen protestirt, wollen wir nicht. Die Armen, diese zahllose Klasse unserer Brüder, denen die alte Gesellschaft alle Annehmlichkeiten des Lebens verweigert, werden der Gegenstand unserer emsigsten Sorge sein. Unsre gewissenhaftesten Berathungen werden zum Zweck haben, ihre Uebel zu heilen und ihre sociale Regeneration vorzubereiten.“

„Das Eigenthum wird unter den Schutz der Republik gestellt. Die ganze Staatsverwaltung wird reorganisirt werden. Die Republik wird die sichtbare Vorsehung des Volkes sein… Die Wohlthätigkeit wird so eine Pflicht und eine organisirte Institution. Allen Privilegien entsagend, und das Verdienst allein ehrend, wird unser Land einen großen Schritt vorwärts machen und die Schranken der Unwissenheit und des Aberglaubens niedertreten. Die Freiheit der Kulte, die Achtung vor den Meinungen, die Toleranz… werden Hauptgegenstand unserer Studien sein, und alle unsere Aufmerksamkeit wird sich auf den Schutz der Person und des Eigenthums selbst Derer richten, deren politische Meinung der unsern widerspricht.“

Das Programm schließt: „Italien und Europa sehen auf uns. Nun wohl! mögen sie unsere Thaten in ihrer Gesammtheit überblicken, und dann, wenn es ihnen noch möglich ist, mögen sie die Reinheit unserer Wünsche, die unverletzliche Aufrichtigkeit unserer Seelen mißkennen!“

* Florenz, 21. Febr.

Die Republik von Toskana hat folgendes Circular an den Gouverneur von Livorno ergehen lassen:

De Laugier, durch einen schwarzen Verrath, hat in einer Proklamation bekannt gemacht: 1) daß Leopold Toskana nicht verlassen, da er sich nach San-Ildefonso zurückgezogen habe, 2) daß er bei seiner Abreise von Siena eine provisorische Regierung ernannt habe, 3) daß er der Miliz den Befehl ertheilt habe, ihrem Eide treu zu bleiben, 4) daß er mit 20,000 Piemontesen käme, um die Monarchie wieder einzusetzen.

Die Provinzen, durch diese Lügen in Aufregung gesetzt, haben in aller Eile Deputirte nach Florenz gesandt, und auf dem Platze della Signoria ist 1) de Laugier als Verräther, 2) Leopold von Oestreich der Regierung verlustig erklärt und 3) die Republik und die Vereinigung mit Rom proklamirt worden, mit Vorbehalt, später durch die Nationalversammlung sanktionirt zu werden. 4) Das Vaterland ist in Gefahr erklärt und jeder waffenfähige Mann berufen, sich nach Lucca und Pietra Santa zu begeben, um gegen de Laugier zu kämpfen.

Der englische Gesandte, im höchsten Grade empört durch das tadelnswerthe Betragen Leopold's von Oestreich hat sich eiligst nach der Gränze aufgemacht, um die Piemontesen zurückzuhalten, wenn sie es versuchen sollten, die Gränzen zu überschreiten. Er hat selbst erklärt, daß er fortfahre, Toskana seinen Schutz angedeihen zu lassen, sollte man selbst die Republik proklamiren, wenn sie nur die Ordnung, das Leben und Eigenthum der Bürger in Schutz nähme.

307 Turin, 22. Febr.

Die Sitzung der Deputirtenkammer vom 21. war eine Feierlichkeit, ein Fest: eine ungeheure Volksmasse umgab den Palazzo-Nazionale; die Tribüne war mit Zuschauern angefüllt. Der Justiz-Minister hat die Anzeige von der Veränderung des Ministeriums gemacht. Vincenz Gioberti gehört nicht mehr zu diesem Ministerium. Der General Chiodo, Kriegsminister, ist provisorischer Minister der äußern Angelegenheiten. Im Augenblicke wo Gioberti in den Saal tritt, ertönte von allen Seiten der Ruf: Es lebe Italien! es lebe der Krieg! Gioberti nimmt Platz auf den Bänken der Rechten. Es herrscht eine ungeheure Aufregung im Saale. Zwei Deputirte erheben sich, um über die Ursache des Austritts Gioberti's aus dem Ministerium Rechenschaft zu verlangen: ob dieser Austritt mit einer beabsichtigten Intervention in Toskana zusammenhänge. Der General Chiodo weiß von einem solchen Entschlusse nichts ab; nur soviel weiß er, daß das jetzige Ministerium eine solche Intervention fern von sich weise. ‒ Wenn wir indessen auf die Unruhen hinsehen, die dem Austritt Gioberti's vorangehn, und auf die Aeußerungen der reaktionären Blätter, wie Debats und Constitutionel, die in ihren Privat-Correspondenzen ein Freudengeschrei ausstießen über die feste Haltung Gioberti's, und die bevorstehende Wiedereinsetzung des Herzogs von Toscana, so ist kein Zweifel mehr daran zu hegen, daß Gioberti, ohne Mitwissen seines Collegen, dem General la Marmora, der ein Observationskorps zu Sarzana aufgestellt, Ordre zum Einrücken gegeben hatte.

In der heutigen Sitzung also suchen die Minister den wahren Grund des Austritts Gioberti's mit Stillschweigen zu übergehen. Aber der Abbé Gioberti nimmt dieses großmüthige Schweigen seiner Collegen nicht an. Der schlaue Mann sucht die ganze Geschichte in ein diplomatisches Dunkel zu verwickeln; er spricht von Verläumdung und von Enthüllungen, die er machen könnte, um seine Gegner zu beschämen. Die Absicht Gioberti's ist, seine Gegner zu verdächtigen. Da betritt der Minister des Innern Ratazzi die Tribüne. ‒ Um auf die vorgeblichen Enthüllungen des Abbé's zu antworten, enthüllt er seinerseits, was Gioberti beabsichtigte. Gioberti wollte wirklich in Toskana interveniren, wenn er, Ratazzi, sich nicht energisch widersetzt und mit seiner Entlassung gedroht hätte.

Gioberti stammelt Entschuldigung in pfäffischer Manier, er sei es nicht allein, welcher die Intervention gewollt habe; der größte Theil seiner Collegen sei mit dieser Maßregel einverstanden gewesen: Wer das Gegentheil behauptet, endet er, ist ein Lügner.

Jetzt erhebt sich der Justizminister Sineo und straft den verschmitzten Gioberto abermals Lügen. Keiner der Minister, mit Ausnahme Gioberti's, habe die Intervention gewollt, und sie alle hätten Gioberti gezwungen auszutreten.

Ein ungeheures Bravogeschrei ertönt von allen Seiten des Saales. „Es lebe Italien! es lebe die Republik!“ wurde auf der Tribünen gerufen. Zum Schluße adoptirt die Kammer der Deputirten von Piemont eine folgendermaßen abgefaßte Tagesordnung:

Die Kammer, nach Anhörung der Erklärungen der Minister erklärt, daß letztere den Wunsch der Nation wohl gedeutet haben, und schreitet zur Tagesordnung.

‒ Am 22. Febr. hat die Deputirtenkammer mit 111 gegen 12 Stimmen die Minister autorisirt die Steuern provisorisch bis Ende April zu erheben.

Schweiz.
* Bern, 23. Febr.

Der Bundesrath hat heute rücksichtlich der Kapitulation beschlossen, in dieser Frage keinen Antrag an die Bundesversammlung zu bringen, weil die Verträge in den Bereich der Kantonalsouveränetät fallen.

Bezüglich des von würtembergischen Soldaten an einem Schweizerbürger verübten Attentats ist nach einer Mittheilung des Repräsentanten des deutschen Reichs an den Bundesrath eine Untersuchung angeordnet. Die Auslieferung des Angeklagten ist abgelehnt worden.

Französische Republik.
17 Paris, 27. Febr.

Gegenüber einem sich täglich mehr verständigenden und kräftigenden Proletariat rafft die Reaktion ihr letztes Gift zusammen; das Ministerium befiehlt den Präfekten, die Emissäre, welche die Bauern zur Zurückforderung der Milliarde ermahnen, mit Gensd'armen und in Ketten nach Paris zu senden, wodurch der Bauer natürlich erst recht nachdenklich werden wird. Ueber das wahnsinnige Benehmen Bonaparte's sagt Charles Paya sehr richtig in einem seiner pariser Briefe an die Provinzblätter: „Quos vult perdere Jupiteri dementat. So ist es, der liebe Gott scheint es auf den Ruin Bonaparte's abgesehen zu haben. Seine Freunde selber haben ihm bis jetzt noch nicht die tiefe Bedeutung seiner Erwählung klar machen können, und er bildet sich steif und fest ein, das Votum der sechs Millionen Franzosen sei ein Beweis rein persönlicher Anerkennung. Ja in einem südlichen Wahldistrict sagten die Bauern zu einem der Hauptanreger dieser bonapartischen Wahl: „„Wir geben ihm gern unsere Stimme, weil er gewiß der allerrotheste der Kandidaten ist.““ Man denke sich, was diese Freunde der rothen Farbe für einen Zorn gegen ihn heute fühlen müssen.“ Von Paris, Lyon, Toulouse und Metz aus strömen wieder viele Bauernkalender aufs Land, in deren einem ich folgende faßliche Darstellung des Bauernelends finde und der Kuriosität wegen citire: „Es sind jetzt von Ackerländereien 25,000,000 Hektaren vorhanden. Wiesen 4,834,000, Weinland 2,133,000 und Forste 1,135,000, Summa 39,104,000 Hektaren; setzen wir die Hektare zu 500 Franken im Durchschnitt (was viel ist, da manche nur 50 Franken den Arpent kostet), so haben wir einen Werth von etwa zwanzigtausend Millionen Franken, als den des gesammten produktiven Bodens. Das ist wenig. Im Durchschnitt ist ein Nettoertrag auf die Hektare von 50 Frs. zu rechnen, oder zweitausend Millionen im Ganzen. Das Entsetzliche liegt nun eben darin, daß die 39 oder 40 Millionen, welche zwei Milliarden Werth erzeugen, durch Anleihen mit 12 Milliarden Hypotheken mindestens, beladen sind, und dem Gläubiger zu 5% die Riesensumme von 600 Millionen jährliche Zinsen als Tribut darbringen; d. h. fast 1/3 des Ertrages. Dadurch entsteht grenzenloses Elend und nur einige nicht producirende Privatleute jubeln; der Staat verarmt dabei. Das ist Verschwendung. Und wahrhaftig: Frankreich hat große innere Kräfte! Freilich, so lange auf ihm noch Arme herumstreichen, wird es nicht unrichtig sein zu behaupten, daß die Regierung aus Schuften, oder aus dummen Narren besteht, aus Verschleudern und Parademachern.

Und diesem Jammer machen wir Social-Demokraten uns anheischig in vier Jahren ein Ende zu setzen. Nur darf man uns nicht die Hände binden. Wie im Jahre 1837 waren von den 52.780,703 Hectaren Frankreichs nicht mehr als 25.000,000, das heißt die Hälfte, beackert? und dazu elendiglich beackert. Diese miserable Agrikultur schafft daher nur 14 Millionen in Getreide. Wüstes Land waren ‒ es ist empörend! ‒ 7,790,000. Und die Bevölkerung steigt; in unsern 86 Departements, 363 Arrondissements und 37,000 Gemeinden haben wir heute fünf und dreißig Millionen Einwohner. Und um nicht weit auszuholen, geben wir dem Volke nur zu bedenken, daß in seiner Hauptstadt Paris, wo alle Glorie zusammenströmt, der dritte Theil der Einwohner im Hospital sterben muß: 12276 von 32,825 Sterbenden, auf eine Million Menschen. Es stirbt daselbst etwa Einer von 33. Wünscht der Arbeiter es schwarz auf weiß, welche schöne Fortschritte sein Zustand seit sechszig Jahren gemacht, so lese er was im J. 1786 der glaubwürdige englische Reisende Young schrieb: Ich habe aus den Tabellen ersehen, daß die 550,800 Seelen betragende pariser Bevölkerung 75088 Rinder im Jahre verzehrt, 89,577 Kälber, 388,699 Hämmel, 39,572 Schweine, an Mehl 480,000 Pfund, und an Wein 256,000 Muid. Hieneben stellen wir die 1848ger Statistik: Paris hat 945,721 Einwohner (also fast eine halbe Million mehr als im J. 1786) und konsumirt: 80,255 Rinder, 84,444 Kälber, 487,644 Hämmel, 93,502 Schweine, 474,000 Pf. Mehl, 1,019,445 Hektoliter Wein; folglich ist fast alles geblieben, d. h. die Leute bekommen heute um die Hälfte weniger zu essen wie 1786. Versteht sich die Armen, denn die Nichtarmen amüsiren sich an der Tafel 1848 wie 1786. Nur das Schweinefleisch wird heute im Belaufe von 93,502 verspeist und damals von 39,572; das unselige Schweinfleisch dient also heute mehr als je zur Nahrung des Arbeiters. Die Herren und Damen reichern Standes wissen das gut, sie enthalten sich des Schweinefleisches für gewöhnlich, sie wollen nicht krank werden; sie meinen aber, das sei gut genug für das Lumpenpack, das ihnen Kleider und Holz, Möbeln und Häuser schafft.

„Soll man sich nun unter solchen Umständen wundern (ruft der mehrerwähnte, geistreiche u. sehr wohl unterrichtete Autor der „pariser Briefe“), wenn, wie ich von einem der Skrutinirenden weiß, über 20,000 Bauernvota bei der Nationalversammlung damals aus einem Distrikt einliefen, deren jedes die Worte: nieder die Reichen! zu den Worten: Louis Napoleon hinzugefügt enthielt. Und über diesen Liebling des revolutionären Theils der Bauern sind heute royalistische Minister so Herr, daß sie ihn zur Ernennung von Beamten in Korsika gezwungen haben, welche selbst seiner Person feindselig sind. Wer sollte dies für möglich halten? und doch ist dem so: Bonaparte hat die Stellen auf jener für ihn jüngst noch schwärmenden Insel mit der Clique Sebastiani und Pozzo di Borgo zu besetzen geruht, direkten Königthümlern, Orleanisten und Henricinquisten. Er wird, so heißt es, immer absorbirter in die sublime Idee, wenn diese Republik nicht weiter bestehn kann, einen stolzen Kaiserthron zu errichten. Ich bleibe aber dabei: Alles dies ist Tollheit und Abgeschmacktheit, und wird ihm zu keinem Heile gereichen.“

(Republicain de l'Allier in Moulins.)

12 Paris, 27. Febr.

Die französische Republik weigert sich, den Gesandten der römischen Republik zu empfangen. Ich irre mich: Napoleon und sein Ministerium haben gestern Abend nach langer, tiefer Berathung beschlossen, die zwei Abgeordneten der römischen Republik nicht vorzulassen. Die konstituirende Versammlung zu Rom hatte in ihrer Sitzung vom 12. beschlossen, daß zwei Abgeordnete in der Eigenschaft von Repräsentanten der römischen Republik sich zu der französischen Regierung verfügen sollten; die römische Republik hatte vergessen, daß Faucher, Barrot, Fallour und Napoleon an der Spitze der französischen Regierung standen, denen die römische Revolution nur als die Insurrektion einer Partei erscheint: freilich als eine siegreiche Insurrektion. Wie kann auch die französische Republik alle Republiken der Welt anerkennen? Man höre nur das Journal „La Patrie:“ Es gibt Republiken verschiedner Art, wie es Monarchien verschiedner Art gibt. Es gibt keine Solidarität unter den Revolutionen. Das wagt die Patrie auszusprechen: Und sie räumt noch dabei ein, daß sie die Frage nur vom politischen Standpunkt auffasse. Wollte sie sich auf den katholischen Standpunkt stellen, ja dann würde sie vielleicht auf Intervention von Seiten der katholischen Regierung Fallour's und Napoleon's drängen. In einem Punkte hat die Patrie Recht: die römische Republik, das ist in den Augen der Franzosen die siegreiche Juni-Revolution. So fassen die französischen Proletarier sie auf; so faßt sie das italienische Ministerium auf: Die soziale Frage ist's, welche unsere ganze Aufmerksamkeit in der römischen Republik in Anspruch nimmt. Die Freiheit, welche nicht der Noth der arbeitenden Klasse Abhülfe thut, ist keine Freiheit. Wir wollen nichts von einer Freiheit wissen, gegen welche Tausende von Unglücklichen protestiren könnten. Die zahllose Klasse der Armen, denen die alte Gesellschaft Alles genommen, ‒ diese ist's, deren Schutz wir sein wollen. Keine Privilegien ‒ keine Kasten ‒ das sei unser Wahlspruch. Das ist das Programm des römischen Ministeriums, wie es in der Sitzung vom 16. Februar verlesen worden. Und was thut das Ministerium Barrot? es erkennt eine Republik mit diesem Programm nicht an; es weigert sich, die Abgeordneten dieser Republik zu empfangen; und Napoleon ist vollkommen damit einverstanden. Wie könnte aber auch Napoleon anders handeln? Hat er nicht die größten Verpflichtungen gegen Oesterreich? Oesterreich ist der einzige Staat, der Napoleon zu würdigen und zu behandeln versteht. Oesterreich verfährt beinahe so schlau, wie England im Jahre 1840, als letzteres an Frankreich die Leiche Napoleon's zurückgab, um unter dem Vorwande der Freundschaft Saint-Jean-d'Acre bombardiren zu können. Oesterreich bewahrt auch eine Leiche, und zwar auch eine napoleonische Leiche, die Leiche des Herzogs von Reichstadt, wahrer Sohn des wahren, ächten Napoleons, und Oesterreich will nach England's Beispiel die Leiche an den Mann bringen. Der Mann ist gefunden; der Käufer ist Louis Napoleon, der eifrige Sammler aller napoleonischen Antiquitäten. Und der Gimpel greift zu, und Fallour auch, und Barrot auch, und die ganze offizielle Welt auch, und Faucher vielleicht auch! Und während der Zeit betreibt Thiers in Komp. mit A. Fould und der legitimistischen Clique seine Wahlangelegenheiten für die neue Kammer, organisirt sein neues Wahl-Comité, Alles mit der größten Bourgeois-Schlauigkeit. Napoleon seinerseits hat ebenfalls ein Wahl-Comité gebildet, um lauter Napoleoniden und Napoleonophilen in die Kammer zu bringen. Anfangs wollte er mit Thiers und den andern Elementen ein gemeinsames Comité errichten: aber als Thiers die Herrschaft mit Napoleon in diesem Wahl-Comité theilen wollte, als er offen erklärte: so viel Mann von meiner Partei gehen auf einen Mann von deiner Partei, da trat Napoleon zurück. Und wie seine äußern Angelegenheiten sich nur auf die Wiedererlangung der Leiche Reichstadts beschränken, so dehnen sich seine innern nicht über die Rekrutirung von Napoleoniden hinaus. Die Leiche seines Vetters soll ebenfalls in diesem Comité figuriren, zur Herbeilockung von napoleonischen Wählern.

Mitten in dieser Komödie tritt uns das von den Proletariern gefeierte Jahresfest der französischen Revolution mit seinem ganzen Ernste entgegen. Alle Deputirten von dem Berge wohnten diesem Feste bei. Bei ihrem Eintritt in den Saal erscholl es von allen Seiten: Vive la Montagne! Dann nahm Leporte das Wort und sprach: „Bürger, wir haben geglaubt, unsere Pflichten gegen Euch in vollem Maße dadurch zu erfüllen, daß wir feierliche Einladungen ergehen ließen an Madame Blanqui, Mad. Und Madem. Raspail.“ Bei diesen Namen erscholl ein allgemeines Bravo. „Wir bitten diese Damen, fuhr Leporte fort, gütigst die Hand der Kommissäre anzunehmen, die sie zu den ihnen bestimmten Plätzen führen werden. Wir haben bedauert, daß die Schwester des Herrn Barbes augenblicklich sich nicht in Paris befindet, sonst würde sie gewiß die an sie ergangene Einladung angenommen haben. Wir haben den Platz offen gelassen, neben der Gemahlin Ledru-Rollin's. Wirklich befand sich neben Madame Ledru-Rollin ein offner Sitz, worauf ein Veilchenstrauß lag. An Caussidière und Louis Blanc waren ebenfalls Einladungen ergangen. Das Fest beginnt mit der Marseillaise. Wir werden morgen das Verzeichniß der Redner und Toaste bringen.

Paris, 27. Februar.

Man höre wie jetzt der National über die österreichische Intervention jammert:

„Der Ton, mit welchem die Patrie gestern Abend den Eintritt (?) der Oesterreicher in die Stadt Ferrara verkündete, beweist nur zu klar, welche Freude diese Nachricht in den Herzen ihrer Freunde hervorruft. Das Selbstvergnügen, mit dem sich das halbministerielle Abendblatt schon im Voraus über die Einnahme Rom's durch die Oesterreicher ergießt, erfüllt uns mit großem Bedenken. Großer Gott, wo sind wir hingekommen? Hätten wir die Zeiten Casimir Perrier's zu bedauern? Wäre die Februar-Republik weniger muthig als die Juli-Regierung? Auf die Depesche, welche der Regierung das Einrücken der Oesterreicher in das Gebiet der römischen Republik anzeigt, hat die Regierung nicht anders als mit einem Heere und einer Flotte vor Civita-Vecchia und in das Adriatische Meer zu antworten. Die Okkupation der Oesterreicher scheint übrigens mit einem allgemeinen Plane der Reaktion zusammen zu hängen. Am 19. Februar sollten die Giobertischen Truppen in Toscana einfallen; am 19. Februar überschreiten die Oesterreicher bei Ferrara den Po und morgen wird uns die Post wahrscheinlich die Nachricht bringen, daß ein neapolitanisches Corps von dem Süden her einrückte. Das verräth eine förmliche Verschwörung der Reaktion gegen die Revolution. Hierfür genügen keine bloßen Interpellationen. Die Republikanische Majorität muß vielmehr dem Ministerium den Weg vorzeichnen, den es zu befolgen. Sofortige Räumung der Legationen, Garantie gegen die Rückkehr der Oesterreicher; vollständige Entschädigung für die einem unter französischem Schutz stehenden Brudervolk angethanen Verletzungen.‥‥ Oder Krieg! Wir sind stark; denn wir sprechen im Namen des Rechts und haben die Sympathieen der Völker für uns; ihre Sache ist unsere Sache und die der ganzen Welt.“

‒ Das Journal des Debats hält noch hinter dem Berge; es knüpft für heute nur folgende Aeußerungen an das Eindringen der Oesterreicher:

„Wir sahen neulich einen Brief Mazzini's an die Römer, in welchem er ihnen empfiehlt, den Oesterreichern die Citadelle von Ferrara, koste es was es wolle, zu entreißen. Ein unglücklicherer Rath als dieser konnte den Römern nicht gegeben werden; er ist den Republikanern höchst gefährlich, weil er die Oesterreicher in das Herz Italiens lockt. Die Geschichte wird eines Tages vielleicht den Herrn Mazzini anklagen, durch den Wahnsinn seiner Ideen, den Ruin und die Sklaverei seines Vaterlandes herbeigeführt zu haben.“

In ähnlichem Sinne lassen Univers, Courrier, Assemblée und Opinion ihre Zügel schießen. Die Sprache der demokratischen [Fortsetzung] Hierzu eine Beilage.

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lienische Constituante, dieses magische Wort, welches nach dem Unglücke in der Lombardei allein das heilige Feuer unterhalten hat, wird unser beständiges Feldgeschrei sein. In dieser Constituante vereinigen wir alle unsere Kräfte, damit Rom, dem eine Regeneration in glücklichen Zeiten vorbehalten ist, in Kurzem alle die edlen Söhne aufnehmen kann, die alle Theile der theuren Halbinsel ihm zusenden werde.</p>
          <p>Indem wir für die Constituante sind, sprechen wir uns zugleich für den Krieg aus, und wir werden eher nicht ruhen, als bis der Krieg zu einem glücklichen Ausgange geführt ist.</p>
          <p>Um dem großen Kampfe gewachsen zu sein, der sich vorbereitet und zu dem uns die Wehklagen auffordern und das Blut in allen Gegenden der Lombardei, werden wir vor allen Dingen bestrebt sein, die Streitkräfte unserer Miliz in größter Masse zusammenzurufen. Wir reorganisiren aufs Neue die Phalangen, die mit den übrigen italienischen Brüdern sich aufmachen werden zu einem zweiten Kreuzzuge, damit der Staat, der zuerst den ruhmvollen Namen der Republik hat ertönen lassen, mit allen Staaten wetteifern kann in der Bekundigung jener Kriegstugenden, die in allen republikanischen Ländern so glänzende Geltung genießen.&#x201C;</p>
          <p>Die Regierung versichert sodann, nach Wiederherstellung des Friedens und schon vorher, soweit möglich, Künste und Wissenschaften begünstigen und den <hi rendition="#g">vom Einfluß der Geistlichkeit befreiten Unterricht</hi> (so spricht man in Rom!) heben zu wollen. Endlich auf die soziale Frage übergehend, macht das Programm die schönsten Versprechungen: &#x201E;die Freiheit, die die Lage der zahlreichsten Klasse nicht hebt, ist eine Bastardfreiheit. Eine Freiheit, gegen die der Ruf von Tausenden Unglücklichen protestirt, wollen wir nicht. Die Armen, diese zahllose Klasse unserer Brüder, denen die alte Gesellschaft alle Annehmlichkeiten des Lebens verweigert, werden der Gegenstand unserer emsigsten Sorge sein. Unsre gewissenhaftesten Berathungen werden zum Zweck haben, ihre Uebel zu heilen und ihre sociale Regeneration vorzubereiten.&#x201C;</p>
          <p>&#x201E;Das Eigenthum wird unter den Schutz der Republik gestellt. Die ganze Staatsverwaltung wird reorganisirt werden. Die Republik wird die sichtbare Vorsehung des Volkes sein&#x2026; Die Wohlthätigkeit wird so eine Pflicht und eine organisirte Institution. Allen Privilegien entsagend, und das Verdienst allein ehrend, wird unser Land einen großen Schritt vorwärts machen und die Schranken der Unwissenheit und des Aberglaubens niedertreten. Die Freiheit der Kulte, die Achtung vor den Meinungen, die Toleranz&#x2026; werden Hauptgegenstand unserer Studien sein, und alle unsere Aufmerksamkeit wird sich auf den Schutz der Person und des Eigenthums selbst Derer richten, deren politische Meinung der unsern widerspricht.&#x201C;</p>
          <p>Das Programm schließt: &#x201E;Italien und Europa sehen auf uns. Nun wohl! mögen sie unsere Thaten in ihrer Gesammtheit überblicken, und dann, wenn es ihnen noch möglich ist, mögen sie die Reinheit unserer Wünsche, die unverletzliche Aufrichtigkeit unserer Seelen mißkennen!&#x201C;</p>
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          <head><bibl><author>*</author></bibl> Florenz, 21. Febr.</head>
          <p>Die Republik von Toskana hat folgendes Circular an den Gouverneur von Livorno ergehen lassen:</p>
          <p>De Laugier, durch einen schwarzen Verrath, hat in einer Proklamation bekannt gemacht: 1) daß Leopold Toskana nicht verlassen, da er sich nach San-Ildefonso zurückgezogen habe, 2) daß er bei seiner Abreise von Siena eine provisorische Regierung ernannt habe, 3) daß er der Miliz den Befehl ertheilt habe, ihrem Eide treu zu bleiben, 4) daß er mit 20,000 Piemontesen käme, um die Monarchie wieder einzusetzen.</p>
          <p>Die Provinzen, durch diese Lügen in Aufregung gesetzt, haben in aller Eile Deputirte nach Florenz gesandt, und auf dem Platze della Signoria ist 1) de Laugier als Verräther, 2) Leopold von Oestreich der Regierung verlustig erklärt und 3) die Republik und die Vereinigung mit Rom proklamirt worden, mit Vorbehalt, später durch die Nationalversammlung sanktionirt zu werden. 4) Das Vaterland ist in Gefahr erklärt und jeder waffenfähige Mann berufen, sich nach Lucca und Pietra Santa zu begeben, um gegen de Laugier zu kämpfen.</p>
          <p>Der englische Gesandte, im höchsten Grade empört durch das tadelnswerthe Betragen Leopold's von Oestreich hat sich eiligst nach der Gränze aufgemacht, um die Piemontesen zurückzuhalten, wenn sie es versuchen sollten, die Gränzen zu überschreiten. Er hat selbst erklärt, daß er fortfahre, Toskana seinen Schutz angedeihen zu lassen, sollte man selbst die Republik proklamiren, wenn sie nur die Ordnung, das Leben und Eigenthum der Bürger in Schutz nähme.</p>
        </div>
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          <head><bibl><author>307</author></bibl> Turin, 22. Febr.</head>
          <p>Die Sitzung der Deputirtenkammer vom 21. war eine Feierlichkeit, ein Fest: eine ungeheure Volksmasse umgab den Palazzo-Nazionale; die Tribüne war mit Zuschauern angefüllt. Der Justiz-Minister hat die Anzeige von der Veränderung des Ministeriums gemacht. Vincenz Gioberti gehört nicht mehr zu diesem Ministerium. Der General Chiodo, Kriegsminister, ist provisorischer Minister der äußern Angelegenheiten. Im Augenblicke wo Gioberti in den Saal tritt, ertönte von allen Seiten der Ruf: Es lebe Italien! es lebe der Krieg! Gioberti nimmt Platz auf den Bänken der Rechten. Es herrscht eine ungeheure Aufregung im Saale. Zwei Deputirte erheben sich, um über die Ursache des Austritts Gioberti's aus dem Ministerium Rechenschaft zu verlangen: ob dieser Austritt mit einer beabsichtigten Intervention in Toskana zusammenhänge. Der General Chiodo weiß von einem solchen Entschlusse nichts ab; nur soviel weiß er, daß das jetzige Ministerium eine solche Intervention fern von sich weise. &#x2012; Wenn wir indessen auf die Unruhen hinsehen, die dem Austritt Gioberti's vorangehn, und auf die Aeußerungen der reaktionären Blätter, wie Debats und Constitutionel, die in ihren Privat-Correspondenzen ein Freudengeschrei ausstießen über die feste Haltung Gioberti's, und die bevorstehende Wiedereinsetzung des Herzogs von Toscana, so ist kein Zweifel mehr daran zu hegen, daß Gioberti, ohne Mitwissen seines Collegen, dem General la Marmora, der ein Observationskorps zu Sarzana aufgestellt, Ordre zum Einrücken gegeben hatte.</p>
          <p>In der heutigen Sitzung also suchen die Minister den wahren Grund des Austritts Gioberti's mit Stillschweigen zu übergehen. Aber der Abbé Gioberti nimmt dieses großmüthige Schweigen seiner Collegen nicht an. Der schlaue Mann sucht die ganze Geschichte in ein diplomatisches Dunkel zu verwickeln; er spricht von Verläumdung und von Enthüllungen, die er machen könnte, um seine Gegner zu beschämen. Die Absicht Gioberti's ist, seine Gegner zu verdächtigen. Da betritt der Minister des Innern Ratazzi die Tribüne. &#x2012; Um auf die vorgeblichen Enthüllungen des Abbé's zu antworten, enthüllt er seinerseits, was Gioberti beabsichtigte. Gioberti wollte wirklich in Toskana interveniren, wenn er, Ratazzi, sich nicht energisch widersetzt und mit seiner Entlassung gedroht hätte.</p>
          <p>Gioberti stammelt Entschuldigung in pfäffischer Manier, er sei es nicht allein, welcher die Intervention gewollt habe; der größte Theil seiner Collegen sei mit dieser Maßregel einverstanden gewesen: Wer das Gegentheil behauptet, endet er, ist ein Lügner.</p>
          <p>Jetzt erhebt sich der Justizminister Sineo und straft den verschmitzten Gioberto abermals Lügen. Keiner der Minister, mit Ausnahme Gioberti's, habe die Intervention gewollt, und sie alle hätten Gioberti gezwungen auszutreten.</p>
          <p>Ein ungeheures Bravogeschrei ertönt von allen Seiten des Saales. &#x201E;Es lebe Italien! es lebe die Republik!&#x201C; wurde auf der Tribünen gerufen. Zum Schluße adoptirt die Kammer der Deputirten von Piemont eine folgendermaßen abgefaßte Tagesordnung:</p>
          <p>Die Kammer, nach Anhörung der Erklärungen der Minister erklärt, daß letztere den Wunsch der Nation wohl gedeutet haben, und schreitet zur Tagesordnung.</p>
          <p>&#x2012; Am 22. Febr. hat die Deputirtenkammer mit 111 gegen 12 Stimmen die Minister autorisirt die Steuern provisorisch bis Ende April zu erheben.</p>
        </div>
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        <head>Schweiz.</head>
        <div xml:id="ar235_020" type="jArticle">
          <head><bibl><author>*</author></bibl> Bern, 23. Febr.</head>
          <p>Der Bundesrath hat heute rücksichtlich der Kapitulation beschlossen, in dieser Frage keinen Antrag an die Bundesversammlung zu bringen, weil die Verträge in den Bereich der Kantonalsouveränetät fallen.</p>
          <p>Bezüglich des von würtembergischen Soldaten an einem Schweizerbürger verübten Attentats ist nach einer Mittheilung des Repräsentanten des deutschen Reichs an den Bundesrath eine Untersuchung angeordnet. Die Auslieferung des Angeklagten ist abgelehnt worden.</p>
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        <head>Französische Republik.</head>
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          <head><bibl><author>17</author></bibl> Paris, 27. Febr.</head>
          <p>Gegenüber einem sich täglich mehr verständigenden und kräftigenden Proletariat rafft die Reaktion ihr letztes Gift zusammen; das Ministerium befiehlt den Präfekten, die Emissäre, welche die Bauern zur Zurückforderung der Milliarde ermahnen, mit Gensd'armen und in Ketten nach Paris zu senden, wodurch der Bauer natürlich erst recht nachdenklich werden wird. Ueber das wahnsinnige Benehmen Bonaparte's sagt Charles Paya sehr richtig in einem seiner pariser Briefe an die Provinzblätter: &#x201E;Quos vult perdere Jupiteri dementat. So ist es, der liebe Gott scheint es auf den Ruin Bonaparte's abgesehen zu haben. Seine Freunde selber haben ihm bis jetzt noch nicht die tiefe Bedeutung seiner Erwählung klar machen können, und er bildet sich steif und fest ein, das Votum der sechs Millionen Franzosen sei ein Beweis rein persönlicher Anerkennung. Ja in einem südlichen Wahldistrict sagten die Bauern zu einem der Hauptanreger dieser bonapartischen Wahl: &#x201E;&#x201E;Wir geben ihm gern unsere Stimme, weil er gewiß der allerrotheste der Kandidaten ist.&#x201C;&#x201C; Man denke sich, was diese Freunde der rothen Farbe für einen Zorn gegen ihn heute fühlen müssen.&#x201C; Von Paris, Lyon, Toulouse und Metz aus strömen wieder viele Bauernkalender aufs Land, in deren einem ich folgende faßliche Darstellung des Bauernelends finde und der Kuriosität wegen citire: &#x201E;Es sind jetzt von Ackerländereien 25,000,000 Hektaren vorhanden. Wiesen 4,834,000, Weinland 2,133,000 und Forste 1,135,000, Summa 39,104,000 Hektaren; setzen wir die Hektare zu 500 Franken im Durchschnitt (was viel ist, da manche nur 50 Franken den Arpent kostet), so haben wir einen Werth von etwa zwanzigtausend Millionen Franken, als den des gesammten produktiven Bodens. Das ist wenig. Im Durchschnitt ist ein Nettoertrag auf die Hektare von 50 Frs. zu rechnen, oder zweitausend Millionen im Ganzen. Das Entsetzliche liegt nun eben darin, daß die 39 oder 40 Millionen, welche zwei Milliarden Werth erzeugen, durch Anleihen mit 12 Milliarden Hypotheken mindestens, beladen sind, und dem Gläubiger zu 5% die Riesensumme von 600 Millionen jährliche Zinsen als Tribut darbringen; d. h. fast 1/3 des Ertrages. Dadurch entsteht grenzenloses Elend und nur einige nicht producirende Privatleute jubeln; der Staat verarmt dabei. Das ist Verschwendung. Und wahrhaftig: Frankreich hat große innere Kräfte! Freilich, so lange auf ihm noch Arme herumstreichen, wird es nicht unrichtig sein zu behaupten, daß die Regierung aus Schuften, oder aus dummen Narren besteht, aus Verschleudern und Parademachern.</p>
          <p>Und diesem Jammer machen wir Social-Demokraten uns anheischig in vier Jahren ein Ende zu setzen. Nur darf man uns nicht die Hände binden. Wie im Jahre 1837 waren von den 52.780,703 Hectaren Frankreichs nicht mehr als 25.000,000, das heißt die Hälfte, beackert? und dazu elendiglich beackert. Diese miserable Agrikultur schafft daher nur 14 Millionen in Getreide. Wüstes Land waren &#x2012; es ist empörend! &#x2012; 7,790,000. Und die Bevölkerung steigt; in unsern 86 Departements, 363 Arrondissements und 37,000 Gemeinden haben wir heute fünf und dreißig Millionen Einwohner. Und um nicht weit auszuholen, geben wir dem Volke nur zu bedenken, daß in seiner Hauptstadt Paris, wo alle Glorie zusammenströmt, der dritte Theil der Einwohner im Hospital sterben muß: 12276 von 32,825 Sterbenden, auf eine Million Menschen. Es stirbt daselbst etwa Einer von 33. Wünscht der Arbeiter es schwarz auf weiß, welche schöne Fortschritte sein Zustand seit sechszig Jahren gemacht, so lese er was im J. 1786 der glaubwürdige englische Reisende Young schrieb: Ich habe aus den Tabellen ersehen, daß die 550,800 Seelen betragende pariser Bevölkerung 75088 Rinder im Jahre verzehrt, 89,577 Kälber, 388,699 Hämmel, 39,572 Schweine, an Mehl 480,000 Pfund, und an Wein 256,000 Muid. Hieneben stellen wir die 1848ger Statistik: Paris hat 945,721 Einwohner (also fast eine halbe Million mehr als im J. 1786) und konsumirt: 80,255 Rinder, 84,444 Kälber, 487,644 Hämmel, 93,502 Schweine, 474,000 Pf. Mehl, 1,019,445 Hektoliter Wein; folglich ist fast <hi rendition="#g">alles</hi> geblieben, d. h. die Leute bekommen heute um die Hälfte weniger zu essen wie 1786. Versteht sich die Armen, denn die Nichtarmen amüsiren sich an der Tafel 1848 wie 1786. Nur das Schweinefleisch wird heute im Belaufe von 93,502 verspeist und damals von 39,572; das unselige Schweinfleisch dient also heute mehr als je zur Nahrung des Arbeiters. Die Herren und Damen reichern Standes wissen das gut, sie enthalten sich des Schweinefleisches für gewöhnlich, sie wollen nicht krank werden; sie meinen aber, das sei gut genug für das Lumpenpack, das ihnen Kleider und Holz, Möbeln und Häuser schafft.</p>
          <p>&#x201E;Soll man sich nun unter solchen Umständen wundern (ruft der mehrerwähnte, geistreiche u. sehr wohl unterrichtete Autor der &#x201E;pariser Briefe&#x201C;), wenn, wie ich von einem der Skrutinirenden weiß, über 20,000 Bauernvota bei der Nationalversammlung damals aus <hi rendition="#g">einem</hi> Distrikt einliefen, deren jedes die Worte: <hi rendition="#g">nieder die Reichen!</hi> zu den Worten: <hi rendition="#g">Louis Napoleon</hi> hinzugefügt enthielt. Und über diesen Liebling des <hi rendition="#g">revolutionären</hi> Theils der Bauern sind heute <hi rendition="#g">royalistische</hi> Minister so Herr, daß sie ihn zur Ernennung von Beamten in Korsika gezwungen haben, welche <hi rendition="#g">selbst seiner Person</hi> feindselig sind. Wer sollte dies für möglich halten? und doch ist dem so: Bonaparte hat die Stellen auf jener für ihn jüngst noch schwärmenden Insel mit der Clique Sebastiani und Pozzo di Borgo zu besetzen geruht, direkten Königthümlern, Orleanisten und Henricinquisten. Er wird, so heißt es, immer absorbirter in die sublime Idee, wenn <hi rendition="#g">diese</hi> Republik nicht weiter bestehn kann, einen stolzen Kaiserthron zu errichten. Ich bleibe aber dabei: Alles dies ist Tollheit und Abgeschmacktheit, und wird ihm zu keinem Heile gereichen.&#x201C;</p>
          <p>(Republicain de l'Allier in Moulins.)</p>
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          <head><bibl><author>12</author></bibl> Paris, 27. Febr.</head>
          <p>Die französische Republik weigert sich, den Gesandten der römischen Republik zu empfangen. Ich irre mich: Napoleon und sein Ministerium haben gestern Abend nach langer, tiefer Berathung beschlossen, die zwei Abgeordneten der römischen Republik nicht vorzulassen. Die konstituirende Versammlung zu Rom hatte in ihrer Sitzung vom 12. beschlossen, daß zwei Abgeordnete in der Eigenschaft von Repräsentanten der römischen Republik sich zu der französischen Regierung verfügen sollten; die römische Republik hatte vergessen, daß Faucher, Barrot, Fallour und Napoleon an der Spitze der französischen Regierung standen, denen die römische Revolution nur als die Insurrektion einer Partei erscheint: freilich als eine siegreiche Insurrektion. Wie kann auch die französische Republik alle Republiken der Welt anerkennen? Man höre nur das Journal &#x201E;La Patrie:&#x201C; Es gibt Republiken verschiedner Art, wie es Monarchien verschiedner Art gibt. Es gibt keine Solidarität unter den Revolutionen. Das wagt die Patrie auszusprechen: Und sie räumt noch dabei ein, daß sie die Frage nur vom politischen Standpunkt auffasse. Wollte sie sich auf den katholischen Standpunkt stellen, ja dann würde sie vielleicht auf Intervention von Seiten der katholischen Regierung Fallour's und Napoleon's drängen. In einem Punkte hat die Patrie Recht: die römische Republik, das ist in den Augen der Franzosen die siegreiche Juni-Revolution. So fassen die französischen Proletarier sie auf; so faßt sie das italienische Ministerium auf: Die soziale Frage ist's, welche unsere ganze Aufmerksamkeit in der römischen Republik in Anspruch nimmt. Die Freiheit, welche nicht der Noth der arbeitenden Klasse Abhülfe thut, ist keine Freiheit. Wir wollen nichts von einer Freiheit wissen, gegen welche Tausende von Unglücklichen protestiren könnten. Die zahllose Klasse der Armen, denen die alte Gesellschaft Alles genommen, &#x2012; diese ist's, deren Schutz wir sein wollen. Keine Privilegien &#x2012; keine Kasten &#x2012; das sei unser Wahlspruch. Das ist das Programm des römischen Ministeriums, wie es in der Sitzung vom 16. Februar verlesen worden. Und was thut das Ministerium Barrot? es erkennt eine Republik mit diesem Programm <hi rendition="#g">nicht</hi> an; es weigert sich, die Abgeordneten dieser Republik zu empfangen; und Napoleon ist vollkommen damit einverstanden. Wie könnte aber auch Napoleon anders handeln? Hat er nicht die größten Verpflichtungen gegen Oesterreich? Oesterreich ist der einzige Staat, der Napoleon zu würdigen und zu behandeln versteht. Oesterreich verfährt beinahe so schlau, wie England im Jahre 1840, als letzteres an Frankreich die Leiche Napoleon's zurückgab, um unter dem Vorwande der Freundschaft Saint-Jean-d'Acre bombardiren zu können. Oesterreich bewahrt auch eine Leiche, und zwar auch eine napoleonische Leiche, die Leiche des Herzogs von Reichstadt, wahrer Sohn des wahren, ächten Napoleons, und Oesterreich will nach England's Beispiel die Leiche an den Mann bringen. Der Mann ist gefunden; der Käufer ist Louis Napoleon, der eifrige Sammler aller napoleonischen Antiquitäten. Und der Gimpel greift zu, und Fallour auch, und Barrot auch, und die ganze offizielle Welt auch, und Faucher vielleicht auch! Und während der Zeit betreibt Thiers in Komp. mit A. Fould und der legitimistischen Clique seine Wahlangelegenheiten für die neue Kammer, organisirt sein neues Wahl-Comité, Alles mit der größten Bourgeois-Schlauigkeit. Napoleon seinerseits hat ebenfalls ein Wahl-Comité gebildet, um lauter Napoleoniden und Napoleonophilen in die Kammer zu bringen. Anfangs wollte er mit Thiers und den andern Elementen ein gemeinsames Comité errichten: aber als Thiers die Herrschaft mit Napoleon in diesem Wahl-Comité theilen wollte, als er offen erklärte: so viel Mann von meiner Partei gehen auf einen Mann von deiner Partei, da trat Napoleon zurück. Und wie seine äußern Angelegenheiten sich nur auf die Wiedererlangung der Leiche Reichstadts beschränken, so dehnen sich seine innern nicht über die Rekrutirung von Napoleoniden hinaus. Die Leiche seines Vetters soll ebenfalls in diesem Comité figuriren, zur Herbeilockung von napoleonischen Wählern.</p>
          <p>Mitten in dieser Komödie tritt uns das von den Proletariern gefeierte Jahresfest der französischen Revolution mit seinem ganzen Ernste entgegen. Alle Deputirten von dem Berge wohnten diesem Feste bei. Bei ihrem Eintritt in den Saal erscholl es von allen Seiten: Vive la Montagne! Dann nahm Leporte das Wort und sprach: &#x201E;Bürger, wir haben geglaubt, unsere Pflichten gegen Euch in vollem Maße dadurch zu erfüllen, daß wir feierliche Einladungen ergehen ließen an Madame Blanqui, Mad. Und Madem. Raspail.&#x201C; Bei diesen Namen erscholl ein allgemeines Bravo. &#x201E;Wir bitten diese Damen, fuhr Leporte fort, gütigst die Hand der Kommissäre anzunehmen, die sie zu den ihnen bestimmten Plätzen führen werden. Wir haben bedauert, daß die Schwester des Herrn Barbes augenblicklich sich nicht in Paris befindet, sonst würde sie gewiß die an sie ergangene Einladung angenommen haben. Wir haben den Platz offen gelassen, neben der Gemahlin Ledru-Rollin's. Wirklich befand sich neben Madame Ledru-Rollin ein offner Sitz, worauf ein Veilchenstrauß lag. An Caussidière und Louis Blanc waren ebenfalls Einladungen ergangen. Das Fest beginnt mit der Marseillaise. Wir werden morgen das Verzeichniß der Redner und Toaste bringen.</p>
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          <head>Paris, 27. Februar.</head>
          <p>Man höre wie jetzt der National über die österreichische Intervention jammert:</p>
          <p>&#x201E;Der Ton, mit welchem die <hi rendition="#g">Patrie</hi> gestern Abend den Eintritt (?) der Oesterreicher in die Stadt Ferrara verkündete, beweist nur zu klar, welche Freude diese Nachricht in den Herzen ihrer Freunde hervorruft. Das Selbstvergnügen, mit dem sich das halbministerielle Abendblatt schon im Voraus über die Einnahme Rom's durch die Oesterreicher ergießt, erfüllt uns mit großem Bedenken. Großer Gott, wo sind wir hingekommen? Hätten wir die Zeiten Casimir Perrier's zu bedauern? Wäre die Februar-Republik weniger muthig als die Juli-Regierung? Auf die Depesche, welche der Regierung das Einrücken der Oesterreicher in das Gebiet der römischen Republik anzeigt, hat die Regierung nicht anders als mit einem Heere und einer Flotte vor Civita-Vecchia und in das Adriatische Meer zu antworten. Die Okkupation der Oesterreicher scheint übrigens mit einem allgemeinen Plane der Reaktion zusammen zu hängen. Am 19. Februar sollten die Giobertischen Truppen in Toscana einfallen; am 19. Februar überschreiten die Oesterreicher bei Ferrara den Po und morgen wird uns die Post wahrscheinlich die Nachricht bringen, daß ein neapolitanisches Corps von dem Süden her einrückte. Das verräth eine förmliche Verschwörung der Reaktion gegen die Revolution. Hierfür genügen keine bloßen Interpellationen. Die Republikanische Majorität muß vielmehr dem Ministerium den Weg vorzeichnen, den es zu befolgen. Sofortige Räumung der Legationen, Garantie gegen die Rückkehr der Oesterreicher; vollständige Entschädigung für die einem unter französischem Schutz stehenden Brudervolk angethanen Verletzungen.&#x2025;&#x2025; Oder Krieg! Wir sind stark; denn wir sprechen im Namen des Rechts und haben die Sympathieen der Völker für uns; ihre Sache ist unsere Sache und die der ganzen Welt.&#x201C;</p>
          <p>&#x2012; Das Journal des Debats hält noch hinter dem Berge; es knüpft für heute nur folgende Aeußerungen an das Eindringen der Oesterreicher:</p>
          <p>&#x201E;Wir sahen neulich einen Brief Mazzini's an die Römer, in welchem er ihnen empfiehlt, den Oesterreichern die Citadelle von Ferrara, koste es was es wolle, zu entreißen. Ein unglücklicherer Rath als dieser konnte den Römern nicht gegeben werden; er ist den Republikanern höchst gefährlich, weil er die Oesterreicher in das Herz Italiens lockt. Die Geschichte wird eines Tages vielleicht den Herrn Mazzini anklagen, durch den Wahnsinn seiner Ideen, den Ruin und die Sklaverei seines Vaterlandes herbeigeführt zu haben.&#x201C;</p>
          <p>In ähnlichem Sinne lassen Univers, Courrier, Assemblée und Opinion ihre Zügel schießen. Die Sprache der demokratischen <ref type="link_fsg">[Fortsetzung]</ref>                   <ref type="link">Hierzu eine Beilage.</ref>                </p>
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[1296/0004] lienische Constituante, dieses magische Wort, welches nach dem Unglücke in der Lombardei allein das heilige Feuer unterhalten hat, wird unser beständiges Feldgeschrei sein. In dieser Constituante vereinigen wir alle unsere Kräfte, damit Rom, dem eine Regeneration in glücklichen Zeiten vorbehalten ist, in Kurzem alle die edlen Söhne aufnehmen kann, die alle Theile der theuren Halbinsel ihm zusenden werde. Indem wir für die Constituante sind, sprechen wir uns zugleich für den Krieg aus, und wir werden eher nicht ruhen, als bis der Krieg zu einem glücklichen Ausgange geführt ist. Um dem großen Kampfe gewachsen zu sein, der sich vorbereitet und zu dem uns die Wehklagen auffordern und das Blut in allen Gegenden der Lombardei, werden wir vor allen Dingen bestrebt sein, die Streitkräfte unserer Miliz in größter Masse zusammenzurufen. Wir reorganisiren aufs Neue die Phalangen, die mit den übrigen italienischen Brüdern sich aufmachen werden zu einem zweiten Kreuzzuge, damit der Staat, der zuerst den ruhmvollen Namen der Republik hat ertönen lassen, mit allen Staaten wetteifern kann in der Bekundigung jener Kriegstugenden, die in allen republikanischen Ländern so glänzende Geltung genießen.“ Die Regierung versichert sodann, nach Wiederherstellung des Friedens und schon vorher, soweit möglich, Künste und Wissenschaften begünstigen und den vom Einfluß der Geistlichkeit befreiten Unterricht (so spricht man in Rom!) heben zu wollen. Endlich auf die soziale Frage übergehend, macht das Programm die schönsten Versprechungen: „die Freiheit, die die Lage der zahlreichsten Klasse nicht hebt, ist eine Bastardfreiheit. Eine Freiheit, gegen die der Ruf von Tausenden Unglücklichen protestirt, wollen wir nicht. Die Armen, diese zahllose Klasse unserer Brüder, denen die alte Gesellschaft alle Annehmlichkeiten des Lebens verweigert, werden der Gegenstand unserer emsigsten Sorge sein. Unsre gewissenhaftesten Berathungen werden zum Zweck haben, ihre Uebel zu heilen und ihre sociale Regeneration vorzubereiten.“ „Das Eigenthum wird unter den Schutz der Republik gestellt. Die ganze Staatsverwaltung wird reorganisirt werden. Die Republik wird die sichtbare Vorsehung des Volkes sein… Die Wohlthätigkeit wird so eine Pflicht und eine organisirte Institution. Allen Privilegien entsagend, und das Verdienst allein ehrend, wird unser Land einen großen Schritt vorwärts machen und die Schranken der Unwissenheit und des Aberglaubens niedertreten. Die Freiheit der Kulte, die Achtung vor den Meinungen, die Toleranz… werden Hauptgegenstand unserer Studien sein, und alle unsere Aufmerksamkeit wird sich auf den Schutz der Person und des Eigenthums selbst Derer richten, deren politische Meinung der unsern widerspricht.“ Das Programm schließt: „Italien und Europa sehen auf uns. Nun wohl! mögen sie unsere Thaten in ihrer Gesammtheit überblicken, und dann, wenn es ihnen noch möglich ist, mögen sie die Reinheit unserer Wünsche, die unverletzliche Aufrichtigkeit unserer Seelen mißkennen!“ * Florenz, 21. Febr. Die Republik von Toskana hat folgendes Circular an den Gouverneur von Livorno ergehen lassen: De Laugier, durch einen schwarzen Verrath, hat in einer Proklamation bekannt gemacht: 1) daß Leopold Toskana nicht verlassen, da er sich nach San-Ildefonso zurückgezogen habe, 2) daß er bei seiner Abreise von Siena eine provisorische Regierung ernannt habe, 3) daß er der Miliz den Befehl ertheilt habe, ihrem Eide treu zu bleiben, 4) daß er mit 20,000 Piemontesen käme, um die Monarchie wieder einzusetzen. Die Provinzen, durch diese Lügen in Aufregung gesetzt, haben in aller Eile Deputirte nach Florenz gesandt, und auf dem Platze della Signoria ist 1) de Laugier als Verräther, 2) Leopold von Oestreich der Regierung verlustig erklärt und 3) die Republik und die Vereinigung mit Rom proklamirt worden, mit Vorbehalt, später durch die Nationalversammlung sanktionirt zu werden. 4) Das Vaterland ist in Gefahr erklärt und jeder waffenfähige Mann berufen, sich nach Lucca und Pietra Santa zu begeben, um gegen de Laugier zu kämpfen. Der englische Gesandte, im höchsten Grade empört durch das tadelnswerthe Betragen Leopold's von Oestreich hat sich eiligst nach der Gränze aufgemacht, um die Piemontesen zurückzuhalten, wenn sie es versuchen sollten, die Gränzen zu überschreiten. Er hat selbst erklärt, daß er fortfahre, Toskana seinen Schutz angedeihen zu lassen, sollte man selbst die Republik proklamiren, wenn sie nur die Ordnung, das Leben und Eigenthum der Bürger in Schutz nähme. 307 Turin, 22. Febr. Die Sitzung der Deputirtenkammer vom 21. war eine Feierlichkeit, ein Fest: eine ungeheure Volksmasse umgab den Palazzo-Nazionale; die Tribüne war mit Zuschauern angefüllt. Der Justiz-Minister hat die Anzeige von der Veränderung des Ministeriums gemacht. Vincenz Gioberti gehört nicht mehr zu diesem Ministerium. Der General Chiodo, Kriegsminister, ist provisorischer Minister der äußern Angelegenheiten. Im Augenblicke wo Gioberti in den Saal tritt, ertönte von allen Seiten der Ruf: Es lebe Italien! es lebe der Krieg! Gioberti nimmt Platz auf den Bänken der Rechten. Es herrscht eine ungeheure Aufregung im Saale. Zwei Deputirte erheben sich, um über die Ursache des Austritts Gioberti's aus dem Ministerium Rechenschaft zu verlangen: ob dieser Austritt mit einer beabsichtigten Intervention in Toskana zusammenhänge. Der General Chiodo weiß von einem solchen Entschlusse nichts ab; nur soviel weiß er, daß das jetzige Ministerium eine solche Intervention fern von sich weise. ‒ Wenn wir indessen auf die Unruhen hinsehen, die dem Austritt Gioberti's vorangehn, und auf die Aeußerungen der reaktionären Blätter, wie Debats und Constitutionel, die in ihren Privat-Correspondenzen ein Freudengeschrei ausstießen über die feste Haltung Gioberti's, und die bevorstehende Wiedereinsetzung des Herzogs von Toscana, so ist kein Zweifel mehr daran zu hegen, daß Gioberti, ohne Mitwissen seines Collegen, dem General la Marmora, der ein Observationskorps zu Sarzana aufgestellt, Ordre zum Einrücken gegeben hatte. In der heutigen Sitzung also suchen die Minister den wahren Grund des Austritts Gioberti's mit Stillschweigen zu übergehen. Aber der Abbé Gioberti nimmt dieses großmüthige Schweigen seiner Collegen nicht an. Der schlaue Mann sucht die ganze Geschichte in ein diplomatisches Dunkel zu verwickeln; er spricht von Verläumdung und von Enthüllungen, die er machen könnte, um seine Gegner zu beschämen. Die Absicht Gioberti's ist, seine Gegner zu verdächtigen. Da betritt der Minister des Innern Ratazzi die Tribüne. ‒ Um auf die vorgeblichen Enthüllungen des Abbé's zu antworten, enthüllt er seinerseits, was Gioberti beabsichtigte. Gioberti wollte wirklich in Toskana interveniren, wenn er, Ratazzi, sich nicht energisch widersetzt und mit seiner Entlassung gedroht hätte. Gioberti stammelt Entschuldigung in pfäffischer Manier, er sei es nicht allein, welcher die Intervention gewollt habe; der größte Theil seiner Collegen sei mit dieser Maßregel einverstanden gewesen: Wer das Gegentheil behauptet, endet er, ist ein Lügner. Jetzt erhebt sich der Justizminister Sineo und straft den verschmitzten Gioberto abermals Lügen. Keiner der Minister, mit Ausnahme Gioberti's, habe die Intervention gewollt, und sie alle hätten Gioberti gezwungen auszutreten. Ein ungeheures Bravogeschrei ertönt von allen Seiten des Saales. „Es lebe Italien! es lebe die Republik!“ wurde auf der Tribünen gerufen. Zum Schluße adoptirt die Kammer der Deputirten von Piemont eine folgendermaßen abgefaßte Tagesordnung: Die Kammer, nach Anhörung der Erklärungen der Minister erklärt, daß letztere den Wunsch der Nation wohl gedeutet haben, und schreitet zur Tagesordnung. ‒ Am 22. Febr. hat die Deputirtenkammer mit 111 gegen 12 Stimmen die Minister autorisirt die Steuern provisorisch bis Ende April zu erheben. Schweiz. * Bern, 23. Febr. Der Bundesrath hat heute rücksichtlich der Kapitulation beschlossen, in dieser Frage keinen Antrag an die Bundesversammlung zu bringen, weil die Verträge in den Bereich der Kantonalsouveränetät fallen. Bezüglich des von würtembergischen Soldaten an einem Schweizerbürger verübten Attentats ist nach einer Mittheilung des Repräsentanten des deutschen Reichs an den Bundesrath eine Untersuchung angeordnet. Die Auslieferung des Angeklagten ist abgelehnt worden. Französische Republik. 17 Paris, 27. Febr. Gegenüber einem sich täglich mehr verständigenden und kräftigenden Proletariat rafft die Reaktion ihr letztes Gift zusammen; das Ministerium befiehlt den Präfekten, die Emissäre, welche die Bauern zur Zurückforderung der Milliarde ermahnen, mit Gensd'armen und in Ketten nach Paris zu senden, wodurch der Bauer natürlich erst recht nachdenklich werden wird. Ueber das wahnsinnige Benehmen Bonaparte's sagt Charles Paya sehr richtig in einem seiner pariser Briefe an die Provinzblätter: „Quos vult perdere Jupiteri dementat. So ist es, der liebe Gott scheint es auf den Ruin Bonaparte's abgesehen zu haben. Seine Freunde selber haben ihm bis jetzt noch nicht die tiefe Bedeutung seiner Erwählung klar machen können, und er bildet sich steif und fest ein, das Votum der sechs Millionen Franzosen sei ein Beweis rein persönlicher Anerkennung. Ja in einem südlichen Wahldistrict sagten die Bauern zu einem der Hauptanreger dieser bonapartischen Wahl: „„Wir geben ihm gern unsere Stimme, weil er gewiß der allerrotheste der Kandidaten ist.““ Man denke sich, was diese Freunde der rothen Farbe für einen Zorn gegen ihn heute fühlen müssen.“ Von Paris, Lyon, Toulouse und Metz aus strömen wieder viele Bauernkalender aufs Land, in deren einem ich folgende faßliche Darstellung des Bauernelends finde und der Kuriosität wegen citire: „Es sind jetzt von Ackerländereien 25,000,000 Hektaren vorhanden. Wiesen 4,834,000, Weinland 2,133,000 und Forste 1,135,000, Summa 39,104,000 Hektaren; setzen wir die Hektare zu 500 Franken im Durchschnitt (was viel ist, da manche nur 50 Franken den Arpent kostet), so haben wir einen Werth von etwa zwanzigtausend Millionen Franken, als den des gesammten produktiven Bodens. Das ist wenig. Im Durchschnitt ist ein Nettoertrag auf die Hektare von 50 Frs. zu rechnen, oder zweitausend Millionen im Ganzen. Das Entsetzliche liegt nun eben darin, daß die 39 oder 40 Millionen, welche zwei Milliarden Werth erzeugen, durch Anleihen mit 12 Milliarden Hypotheken mindestens, beladen sind, und dem Gläubiger zu 5% die Riesensumme von 600 Millionen jährliche Zinsen als Tribut darbringen; d. h. fast 1/3 des Ertrages. Dadurch entsteht grenzenloses Elend und nur einige nicht producirende Privatleute jubeln; der Staat verarmt dabei. Das ist Verschwendung. Und wahrhaftig: Frankreich hat große innere Kräfte! Freilich, so lange auf ihm noch Arme herumstreichen, wird es nicht unrichtig sein zu behaupten, daß die Regierung aus Schuften, oder aus dummen Narren besteht, aus Verschleudern und Parademachern. Und diesem Jammer machen wir Social-Demokraten uns anheischig in vier Jahren ein Ende zu setzen. Nur darf man uns nicht die Hände binden. Wie im Jahre 1837 waren von den 52.780,703 Hectaren Frankreichs nicht mehr als 25.000,000, das heißt die Hälfte, beackert? und dazu elendiglich beackert. Diese miserable Agrikultur schafft daher nur 14 Millionen in Getreide. Wüstes Land waren ‒ es ist empörend! ‒ 7,790,000. Und die Bevölkerung steigt; in unsern 86 Departements, 363 Arrondissements und 37,000 Gemeinden haben wir heute fünf und dreißig Millionen Einwohner. Und um nicht weit auszuholen, geben wir dem Volke nur zu bedenken, daß in seiner Hauptstadt Paris, wo alle Glorie zusammenströmt, der dritte Theil der Einwohner im Hospital sterben muß: 12276 von 32,825 Sterbenden, auf eine Million Menschen. Es stirbt daselbst etwa Einer von 33. Wünscht der Arbeiter es schwarz auf weiß, welche schöne Fortschritte sein Zustand seit sechszig Jahren gemacht, so lese er was im J. 1786 der glaubwürdige englische Reisende Young schrieb: Ich habe aus den Tabellen ersehen, daß die 550,800 Seelen betragende pariser Bevölkerung 75088 Rinder im Jahre verzehrt, 89,577 Kälber, 388,699 Hämmel, 39,572 Schweine, an Mehl 480,000 Pfund, und an Wein 256,000 Muid. Hieneben stellen wir die 1848ger Statistik: Paris hat 945,721 Einwohner (also fast eine halbe Million mehr als im J. 1786) und konsumirt: 80,255 Rinder, 84,444 Kälber, 487,644 Hämmel, 93,502 Schweine, 474,000 Pf. Mehl, 1,019,445 Hektoliter Wein; folglich ist fast alles geblieben, d. h. die Leute bekommen heute um die Hälfte weniger zu essen wie 1786. Versteht sich die Armen, denn die Nichtarmen amüsiren sich an der Tafel 1848 wie 1786. Nur das Schweinefleisch wird heute im Belaufe von 93,502 verspeist und damals von 39,572; das unselige Schweinfleisch dient also heute mehr als je zur Nahrung des Arbeiters. Die Herren und Damen reichern Standes wissen das gut, sie enthalten sich des Schweinefleisches für gewöhnlich, sie wollen nicht krank werden; sie meinen aber, das sei gut genug für das Lumpenpack, das ihnen Kleider und Holz, Möbeln und Häuser schafft. „Soll man sich nun unter solchen Umständen wundern (ruft der mehrerwähnte, geistreiche u. sehr wohl unterrichtete Autor der „pariser Briefe“), wenn, wie ich von einem der Skrutinirenden weiß, über 20,000 Bauernvota bei der Nationalversammlung damals aus einem Distrikt einliefen, deren jedes die Worte: nieder die Reichen! zu den Worten: Louis Napoleon hinzugefügt enthielt. Und über diesen Liebling des revolutionären Theils der Bauern sind heute royalistische Minister so Herr, daß sie ihn zur Ernennung von Beamten in Korsika gezwungen haben, welche selbst seiner Person feindselig sind. Wer sollte dies für möglich halten? und doch ist dem so: Bonaparte hat die Stellen auf jener für ihn jüngst noch schwärmenden Insel mit der Clique Sebastiani und Pozzo di Borgo zu besetzen geruht, direkten Königthümlern, Orleanisten und Henricinquisten. Er wird, so heißt es, immer absorbirter in die sublime Idee, wenn diese Republik nicht weiter bestehn kann, einen stolzen Kaiserthron zu errichten. Ich bleibe aber dabei: Alles dies ist Tollheit und Abgeschmacktheit, und wird ihm zu keinem Heile gereichen.“ (Republicain de l'Allier in Moulins.) 12 Paris, 27. Febr. Die französische Republik weigert sich, den Gesandten der römischen Republik zu empfangen. Ich irre mich: Napoleon und sein Ministerium haben gestern Abend nach langer, tiefer Berathung beschlossen, die zwei Abgeordneten der römischen Republik nicht vorzulassen. Die konstituirende Versammlung zu Rom hatte in ihrer Sitzung vom 12. beschlossen, daß zwei Abgeordnete in der Eigenschaft von Repräsentanten der römischen Republik sich zu der französischen Regierung verfügen sollten; die römische Republik hatte vergessen, daß Faucher, Barrot, Fallour und Napoleon an der Spitze der französischen Regierung standen, denen die römische Revolution nur als die Insurrektion einer Partei erscheint: freilich als eine siegreiche Insurrektion. Wie kann auch die französische Republik alle Republiken der Welt anerkennen? Man höre nur das Journal „La Patrie:“ Es gibt Republiken verschiedner Art, wie es Monarchien verschiedner Art gibt. Es gibt keine Solidarität unter den Revolutionen. Das wagt die Patrie auszusprechen: Und sie räumt noch dabei ein, daß sie die Frage nur vom politischen Standpunkt auffasse. Wollte sie sich auf den katholischen Standpunkt stellen, ja dann würde sie vielleicht auf Intervention von Seiten der katholischen Regierung Fallour's und Napoleon's drängen. In einem Punkte hat die Patrie Recht: die römische Republik, das ist in den Augen der Franzosen die siegreiche Juni-Revolution. So fassen die französischen Proletarier sie auf; so faßt sie das italienische Ministerium auf: Die soziale Frage ist's, welche unsere ganze Aufmerksamkeit in der römischen Republik in Anspruch nimmt. Die Freiheit, welche nicht der Noth der arbeitenden Klasse Abhülfe thut, ist keine Freiheit. Wir wollen nichts von einer Freiheit wissen, gegen welche Tausende von Unglücklichen protestiren könnten. Die zahllose Klasse der Armen, denen die alte Gesellschaft Alles genommen, ‒ diese ist's, deren Schutz wir sein wollen. Keine Privilegien ‒ keine Kasten ‒ das sei unser Wahlspruch. Das ist das Programm des römischen Ministeriums, wie es in der Sitzung vom 16. Februar verlesen worden. Und was thut das Ministerium Barrot? es erkennt eine Republik mit diesem Programm nicht an; es weigert sich, die Abgeordneten dieser Republik zu empfangen; und Napoleon ist vollkommen damit einverstanden. Wie könnte aber auch Napoleon anders handeln? Hat er nicht die größten Verpflichtungen gegen Oesterreich? Oesterreich ist der einzige Staat, der Napoleon zu würdigen und zu behandeln versteht. Oesterreich verfährt beinahe so schlau, wie England im Jahre 1840, als letzteres an Frankreich die Leiche Napoleon's zurückgab, um unter dem Vorwande der Freundschaft Saint-Jean-d'Acre bombardiren zu können. Oesterreich bewahrt auch eine Leiche, und zwar auch eine napoleonische Leiche, die Leiche des Herzogs von Reichstadt, wahrer Sohn des wahren, ächten Napoleons, und Oesterreich will nach England's Beispiel die Leiche an den Mann bringen. Der Mann ist gefunden; der Käufer ist Louis Napoleon, der eifrige Sammler aller napoleonischen Antiquitäten. Und der Gimpel greift zu, und Fallour auch, und Barrot auch, und die ganze offizielle Welt auch, und Faucher vielleicht auch! Und während der Zeit betreibt Thiers in Komp. mit A. Fould und der legitimistischen Clique seine Wahlangelegenheiten für die neue Kammer, organisirt sein neues Wahl-Comité, Alles mit der größten Bourgeois-Schlauigkeit. Napoleon seinerseits hat ebenfalls ein Wahl-Comité gebildet, um lauter Napoleoniden und Napoleonophilen in die Kammer zu bringen. Anfangs wollte er mit Thiers und den andern Elementen ein gemeinsames Comité errichten: aber als Thiers die Herrschaft mit Napoleon in diesem Wahl-Comité theilen wollte, als er offen erklärte: so viel Mann von meiner Partei gehen auf einen Mann von deiner Partei, da trat Napoleon zurück. Und wie seine äußern Angelegenheiten sich nur auf die Wiedererlangung der Leiche Reichstadts beschränken, so dehnen sich seine innern nicht über die Rekrutirung von Napoleoniden hinaus. Die Leiche seines Vetters soll ebenfalls in diesem Comité figuriren, zur Herbeilockung von napoleonischen Wählern. Mitten in dieser Komödie tritt uns das von den Proletariern gefeierte Jahresfest der französischen Revolution mit seinem ganzen Ernste entgegen. Alle Deputirten von dem Berge wohnten diesem Feste bei. Bei ihrem Eintritt in den Saal erscholl es von allen Seiten: Vive la Montagne! Dann nahm Leporte das Wort und sprach: „Bürger, wir haben geglaubt, unsere Pflichten gegen Euch in vollem Maße dadurch zu erfüllen, daß wir feierliche Einladungen ergehen ließen an Madame Blanqui, Mad. Und Madem. Raspail.“ Bei diesen Namen erscholl ein allgemeines Bravo. „Wir bitten diese Damen, fuhr Leporte fort, gütigst die Hand der Kommissäre anzunehmen, die sie zu den ihnen bestimmten Plätzen führen werden. Wir haben bedauert, daß die Schwester des Herrn Barbes augenblicklich sich nicht in Paris befindet, sonst würde sie gewiß die an sie ergangene Einladung angenommen haben. Wir haben den Platz offen gelassen, neben der Gemahlin Ledru-Rollin's. Wirklich befand sich neben Madame Ledru-Rollin ein offner Sitz, worauf ein Veilchenstrauß lag. An Caussidière und Louis Blanc waren ebenfalls Einladungen ergangen. Das Fest beginnt mit der Marseillaise. Wir werden morgen das Verzeichniß der Redner und Toaste bringen. Paris, 27. Februar. Man höre wie jetzt der National über die österreichische Intervention jammert: „Der Ton, mit welchem die Patrie gestern Abend den Eintritt (?) der Oesterreicher in die Stadt Ferrara verkündete, beweist nur zu klar, welche Freude diese Nachricht in den Herzen ihrer Freunde hervorruft. Das Selbstvergnügen, mit dem sich das halbministerielle Abendblatt schon im Voraus über die Einnahme Rom's durch die Oesterreicher ergießt, erfüllt uns mit großem Bedenken. Großer Gott, wo sind wir hingekommen? Hätten wir die Zeiten Casimir Perrier's zu bedauern? Wäre die Februar-Republik weniger muthig als die Juli-Regierung? Auf die Depesche, welche der Regierung das Einrücken der Oesterreicher in das Gebiet der römischen Republik anzeigt, hat die Regierung nicht anders als mit einem Heere und einer Flotte vor Civita-Vecchia und in das Adriatische Meer zu antworten. Die Okkupation der Oesterreicher scheint übrigens mit einem allgemeinen Plane der Reaktion zusammen zu hängen. Am 19. Februar sollten die Giobertischen Truppen in Toscana einfallen; am 19. Februar überschreiten die Oesterreicher bei Ferrara den Po und morgen wird uns die Post wahrscheinlich die Nachricht bringen, daß ein neapolitanisches Corps von dem Süden her einrückte. Das verräth eine förmliche Verschwörung der Reaktion gegen die Revolution. Hierfür genügen keine bloßen Interpellationen. Die Republikanische Majorität muß vielmehr dem Ministerium den Weg vorzeichnen, den es zu befolgen. Sofortige Räumung der Legationen, Garantie gegen die Rückkehr der Oesterreicher; vollständige Entschädigung für die einem unter französischem Schutz stehenden Brudervolk angethanen Verletzungen.‥‥ Oder Krieg! Wir sind stark; denn wir sprechen im Namen des Rechts und haben die Sympathieen der Völker für uns; ihre Sache ist unsere Sache und die der ganzen Welt.“ ‒ Das Journal des Debats hält noch hinter dem Berge; es knüpft für heute nur folgende Aeußerungen an das Eindringen der Oesterreicher: „Wir sahen neulich einen Brief Mazzini's an die Römer, in welchem er ihnen empfiehlt, den Oesterreichern die Citadelle von Ferrara, koste es was es wolle, zu entreißen. Ein unglücklicherer Rath als dieser konnte den Römern nicht gegeben werden; er ist den Republikanern höchst gefährlich, weil er die Oesterreicher in das Herz Italiens lockt. Die Geschichte wird eines Tages vielleicht den Herrn Mazzini anklagen, durch den Wahnsinn seiner Ideen, den Ruin und die Sklaverei seines Vaterlandes herbeigeführt zu haben.“ In ähnlichem Sinne lassen Univers, Courrier, Assemblée und Opinion ihre Zügel schießen. Die Sprache der demokratischen [Fortsetzung] Hierzu eine Beilage.

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Marx-Engels-Gesamtausgabe: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-20T13:08:10Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jürgen Herres: Konvertierung TUSTEP nach XML (2017-03-20T13:08:10Z)
Maria Ermakova, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Frank Wiegand: Konvertierung XML nach DTA-Basisformat (2017-03-20T13:08:10Z)

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Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 2 (Nummer 184 bis Nummer 301) Köln, 1. Januar 1849 bis 19. Mai 1849. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




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Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 235. Köln, 2. März 1849, S. 1296. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz235_1849/4>, abgerufen am 27.04.2024.