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Neue Rheinische Zeitung. Nr. 235. Köln, 2. März 1849.

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zeuge des Unrechts her. Camphausen, der gar keine Veranlassung dazu hatte, that, was er (der Justizminister) thun mußte.

Dieselbe Feigheit zeigt er in Bezug auf Temme's Amtssuspension. Jener hohen Person ist nichts mehr ein Gräuel, als daß Temme noch auf seinem Richterposten ist. Seine Entfernung aus demselben war der eigentliche Zweck des ganzen gegen ihn verübten Verfahrens. Dazu wurden theils wissentlich, theils unwissentlich die in der Sache wirkenden Behörden mißbraucht. Darum steht es auch fest, daß er unter keinen Umständen wieder in sein Amt zurück soll. Vergebens hat er sich um Aufhebung seiner Amtssuspension in vielen Eingaben an den Justizminister gewandt; zuerst gab ihm letzterer gar keine Antwort, zuletzt, unterm 16. Feb. eröffnete er ihm, daß der Staatsanwalt in Berlin, dem er seine Akten zugestellt, einen Bescheid ertheilen würde. Temme hat ihm natürlich erwidert, daß er sich über das Oberlandesgericht zu Münster bei ihm, dem Justizminister, beschwert hätte, daß der Staats-Anwalt in Berlin also hier keinen Bescheid ertheilen könne, da derselbe nicht Vorgesetzter jenes Oberlandesgerichts sei. Temme hat ihm dabei geradezu erklärt, daß er, der Justizminister, den Muth haben müsse, in dieser Sache eine Entscheidung zu geben, daß er verantwortlich für das in der Sache verübte und von ihm schmählich geduldete Unrecht sei, und daß er die Verantwortlichkeit des Staatsanwalts nicht vorschieben dürfe. Einen Bescheid hat Temme darauf noch nicht erhalten.

305 Berlin, 27. Febr.

Nachdem der König die Thronrede geendet, brachte ihm der Friedensrichter Pelzer von Lennep, Abgeordneter der zweiten Kammer, ein Hoch aus, in welches außer den Krautjunkern nur Wenige der anwesenden Deputirten einstimmten. Es darf dabei auch nicht außer Acht gelassen werden, daß die Abgeordneten nur den kleinsten Theil der Versammlung bildeten. Die Mehrzahl bestand aus Generalen, höhern Beamten, Kammerherren und Kammerdienern, die freilich alle ihre Kehlen gehörig anstrengten. Vor dem Schlosse hatten sich einige tausend Bürger, die nach ihren Anzügen zu urtheilen, dem mittlern Bürgerstande anzugehören schienen, eingefunden, und ein Spalier gebildet. Als der König durchfuhr, trat eine wahre Grabesstille ein; die Deputirten der frühern Linken der aufgelösten Nationalversammlung wurden dagegen mit allgemeinem Jubel begrüßt. Als der Abg. v. Vincke kam, vernahm man ein einstimmiges Zischen.

X Berlin, 27. Febr.

Nächst der Thronrede erregten gestern noch zwei andere literarische Erscheinungen große Aufmerksamkeit. Die eine war die bereits angekündigte Zusammenstellung der königl. Thronrede unter dem Titel: "Aus dem weißen Saale!" deren Gesammteindruck frappant ist, die andere die erste Nummer der (Hansemannschen) Constitutionellen Zeitung, welche gestern Abend ausgegeben wurde. Nach Beiden war viel Begehr. Für die constitut. Ztg. scheinen sich namentlich in der Bourgeoisie, aus der sie hervorging, Chancen zu eröffnen; indeß wird die erste Nummer noch zu dürftig an Original-Mittheilungen gefunden.

Das Petersburger Kabinet soll in neuester Zeit fortgesetzte Versuche einer freundlicheren Annäherung an Deutschland und speziell an Preußen machen. Daß das Ausfuhrverbot auf Vieh und Pferde bereits vor längerer Zeit zurückgenommen ward, ist bekannt. Man erfährt aber jetzt, daß in kurzer Zeit auch die russ. Truppen von den preuß. Gränzen zurückgezogen werden würden, wo ihre plötzliche und unmotivirte Anhäufung in den vergangenen Monaten zu vielfachen Bedenken und Besorgnissen veranlaßten.

Eine andere wichtige Mittheilung ist, daß in diesen Tagen von Seiten unserer Regierung ein außerordentlicher Gesandter nach Olmütz abgegangen ist, um den Kaiser der wohlwollendsten Gesinnungen Preußens zu versichern und zugleich das dortige Kabinet zu weiteren Vorschlägen in der deutschen Frage zu veranlassen, denen diesseitig das aufmerksamste Entgegenkommen, so weit es sich nur immer mit dem deutschen Interesse vereine, gezollt werden würde. Dieser Schritt soll hier Orts von Frankfurt aus angebahnt sein.

Bekanntlich sollte hier ein demokratisches Bankett aller demokratischen Wahlmänner und der von ihnen gewählten Abgeordneten stattfinden, zu welchem ursprünglich der 24. Febr. ausersehen war. Da dieser Tag - vermuthlich als der Jahrestag der franz. Revolution - polizeilichen Anstand fand, so wurde das Bankett auf den 2. März verlegt. Jetzt ist es aber ganz und gar verboten, und hat daher das Festkomite den Theilnehmern vorgeschlagen, in den einzelnen Wahlabtheilungen, deren hier vier gebildet sind, unter sich zusammen zu treten. Dies hat aber vielseitigen Widerspruch erfahren und wird daher jetzt vielleicht das ganze Vorhaben unterbleiben. Die Abgeordneten zur zweiten Kammer haben sich nunmehr, nachdem sie sich anfangs in völliges Klikenwesen aufzulösen drohten, in zwei große Hälften geschieden, eine linke und eine rechte Seite, die indeß nach dem eigenen Geständniß einsichtiger Mitglieder eben so wenig Dauer verheißen und nur als erste Grundlage für eine fernere Nüancirung geschlossener Parteien zu erachten sein möchten. Diesem entsprechend soll denn auch Grabow bereits beabsichtigen, mit den Herren Vincke und Bodelschwingh ein rechtes Centrum zu bilden, was aber in dieser Zusammensetzung wenig Haltbarkeit zu versprechen scheint. Eigentliche Beschlüsse sind bis hieran noch von keiner Partei gefaßt, obwohl beide sich fast abendlich versammeln und namentlich die Linke gestern Abend in ihrem Versammlungslokal bei Jaraschowitz in der Markgrafenstr. sehr zahlreich vertreten war. Vermuthlich wird die rechte Seite fürs Erste um einige Stimmen überwiegen, das Weitere wird von den ministeriellen Vorlagen abhängen, theilweise auch von den Führern, die sich aufwerfen, an denen es jetzt noch ganz mangelt. Man bemerkt nur eine gewisse Eifersucht, mit welcher die neueingetretenen Mitglieder auf die Aelteren blicken, um nicht von ihnen bevormundet zu werden. Der erste entscheidende Kampf wird bei der Präsidentenwahl sein, in welcher sich die Kammer zwischen Unruh und Grabow entscheiden wird. - Die erste Kammer läßt bis jetzt noch fast nichts von sich hören.

Die beabsichtigte billige Vergnügungsfahrt per Eisenbahn von hier nach Paris (10 Thlr. a Person hin und zurück) dürfte verschoben werden, da sie gegenwärtig nicht genug Zuspruch gefunden hat. Von einigen Seiten schiebt man dem Unternehmen demokratische Tendenzen unter. (Bravo!)

Die heutige zweite Sitzung der beiden Kammern in ihren Sitzungslokalien gestattete dem Publikum zum ersten Mal den Eintritt in dieselben. Sie befinden sich beide in neu aufgeführten Gebäuden, deren eins hinter der katholischen Kirche, das andere hinter dem Justizministerium am Dönhofsplatz liegt, beide in ehemaligen Gartenräumen und dem Auge durch die davor liegenden Gebäude völlig entzogen, zugleich aber auch gegen jeden Angriff von Volksmassen gesichert. Man gelangt insbesondere zur zweiten Kammer, erst nach dem Durchgange durch ein Wohnhaus, nach einer wahren Reise durch einen hohen und engen, zu beiden Seiten mit Brettern eingeschlossenen Gang, durch mehrere Vorgebäude, über Treppen und Hallen. In ähnlicher Weise passirt man zur ersten Kammer einen Garten und in den Vorräumen Beider befinden sich starke Constablerwachen, so daß für die Sicherheit ausreichend gesorgt erscheint.

X Berlin, 27. Febr.

Die längst erwartete "Constitutionelle Zeitung," das Organ des Hrn. Hansemann, ist gestern Abend endlich erschienen. Fährt sie so fort, so wird sie den andern Zeitungen wenig Concurrenz machen. Sie wird untergehen, an ihrer entsetzlichen Langweiligkeit.

Ein neues Blatt ist heute Abend erschienen: die Tribüne, redigirt durch B. Stein und E. Dohm. Die Tribüne will eine rücksichtslose Kritik gegen alle ausüben, welcher Partei sie auch angehören mögen.

Gegen den Buchdruckereibesitzer Reinhardt ist eine Untersuchung eingeleitet worden, wegen eines Plakates vom 12. Novbr. dessen Verfasser der bekannte Eichler ist. R. wird indessen nachweisen, daß sich Eichler noch 3 Monate später in Berlin befunden hat, und daß also die Nachlässigkeit des Staatsanwalts allein die Schuld trägt, daß der Verfasser nicht zur Untersuchung gezogen werden konnte.

Der Buchdruckereibesitzer Schlesinger ist heute von der Anklage, auf Grund des Preßgesetzes vom 17. März, wegen Hinweglassung des Wohnortes gegen ihn erhoben, freigesprochen worden. Nach reiflicher Ueberlegung wäre man zu der Ueberzeugung gekommen, daß durch die Verf. v. 5. Dez. die Gesetze vom 17. März und 6. April aufgehoben seien.

In einer Vorversammlung zur s. g. ersten Kammer trug der Abg. v. Schleinitz darauf an, daß alle Mitglied er, welche Orden hätten, auch stets mit denselben in den Sitzungen erscheinen möchten. Aber selbst hier erregte dieser Antrag einen Sturm des Unwillens und Saucken- Tarputschen rief aus, er sei eines Deputirten unwürdig.

Die Nachwahlen für Berlin werden am Donnerstag stattfinden. Gestern sind im Teltower Kreise die Herren Griesheim und Geheimrath Stiehl, bei der stattfindenden Nachwahl zur zweiten Kammer gewählt worden.

1. Sitzung der zweiten Kammer am 27. Febr.

(Der Sitzungs-Saal der zweiten Kammer, im ehemaligen Hardenbergschen Palats auf dem Dönhofsplatz, bildet ein längliches Viereck, von dem drei Wände in der oberen Verlängerung, etwa in der Mitte, weiter hinausgerückt sind, und die verschiedenen Tribünen enthalten. Der Saal ist mit demselben Teppich bedeckt, der früher im Weißen Saale und den verschiedenen Sitzungs-Lokalen der National-Versammlung befindlich war; die untere Hälfte der Wände ist grau marmorirt und mit grünen und rothen Streifen bemalt, die obere Hälfte zum Theil mit rothen Gardinen drappirt. Von der mittleren Höhe der Wände aus erheben sich sechszehn bronzirte Säulen, die das Gebäude tragen; die Decke ist eine Art gewölbtes Täfelwerk, gleichfalls durch bronzirte Stangen und Senkel zusammengehalten. Das Licht fällt durch je zwei in der Decke befindliche, stumpfwinklig in der Höhe zusammenstoßende Lichtfenster von mattgeschliffenem Glase, außerdem durch acht, an der Front und rechten Seitenwand oberhalb der Tribüne angebrachte Fenster. Inmitten der vorderen Längewand erhebt sich die Estrade des Präsidiums, in der bekannten früheren Einrichtung, unmittelbar davor die Rednerbühne. Wenige Schritte davon der Stenographentisch. Geradeüber, in der Mitte der Hinterwand, befindet sich die Ministerbank, mit einer festen Brustwehr davor, hinter derselben sind die Tische für die Unterstaatssecretäre. Von hier aus erheben sich, mäßig emporsteigend, die Sitze der Abgeordneten rechts und links; ein Centrum ist räumlich nicht vorhanden. Die Bänke sind in Ecken rund geschweist; in dem dadurch gewonnenen Raum befinden sich die Oefen. Auf den Tribünen sind im Ganzen acht verschiedene Logen, für die königl. Familie, die Diplomaten, die Mitglieder der ersten Kammer, die Journalisten und das Publikum. Das Ganze gewährt einen mehr gefälligen und heiteren als imposanten Anblick.)

Die Parteien nehmen auf beiden Seiten des Hauses, streng unterschieden, ihre Plätze ein. Selbst die neugewählten Mitglieder wußten sich sogleich zu Recht zu finden. Auf den Antrag des Abgeordneten Raumann wird der Kanonikus Lensing zum Alterspräsidenten gewählt. In seiner sentimentalen Antrittsrede spricht er viel von dem Jubel, mit dem die Verfassung begrüßt sei; von ihrer Freisinnigkeit von Ausbau u. s. w.

Geger ihn erhebt sich Herr Grün, der sogleich die Nichtachtung des Präsidenten für die fruhere National-Versammlung tadelt und es ausspricht, daß wenigstens dort, wo er gewählt wurde, dieser Jubel nicht stattgefunden hätte.

(Die vier jüngsten Mitglieder der Versammlung nehmen den Platz der Schriftführer ein; es sind dies die Abgeordneten Herr, Löhr, Grun und Parrisius.)

Der Schriftführer Parrisius liest folgenden eingereichten Antrag vor:

"Die Hohe Kammer wolle beschließen:

eine Kommission zur Ausarbeitung einer Geschäfts-Ordnung durch die zu bildenden Abtheilungen, in der Zahl von zwei Mitgliedern aus jeder Abtheilung, zu erwählen, bis dahin aber, daß diese Kommission eine Ausarbeitung vorgelegt und die Kammer über dieselbe beschlossen haben wird, die beiliegende vorläufige Geschäfts-Ordnung bei Behandlung der Geschäfte für die Fälle, in welchen reglementarische Bestimmungen nicht zu entbehren sind, als maßgebend anzunehmen, von einer zeitraubenden Diskussion der Einzelbestimmungen aber für jetzt Abstand zu nehmen.

(Folgen die Motive.)

Unterzeichnet von: Viehbahn, Abgeordneter für Bielefeld-Halle-Wiedenbrück. Geßler, Abgeordneter für Chodziesen-Czarnikau-Wongrowie. Keller, Abgeordneter für Barnim-Angermünde. Müller, Abgeordneter für Siegen-Wittgenstein-Olpe. Riedel, Abgeordneter für Barnim-Angermünde. Ulrich, Abgeordneter für Soest-Hamm.

Ein zweiter Antrag von dem Abgeordneten v. Unruh eingereicht, geht dahin:

"Sofort die Verloosung der Mitglieder für die 7 Abtheilungen vorzunehmen, deren jede eine möglichst gleiche Anzahl von Mitgliedern enthaltend, ihren Vorsitzenden und Schriftführer, sowie Stellvertreter für beide nach absoluter Majorität zu erwählen hat. Die Vorprüfung der Wahlen geschieht in den Abtheilungen; nach vorgenommener Prüfung ernennt jede Abtheilung einen Berichterstatter. Ueber die Gültigkeit der Wahlen entscheidet die Plenar-Versammlung, bis dahin behalt der Angefochtene seinen Sitz in der Versammlung, stimmt jedoch bei der Entscheidung über die Gultigkeit sein r Wahl nicht mit. Aus den Abtheilungen treten je zwei Mitglieder zu einer Commission zusammen, um ein vorläufiges Geschäfts-Reglement für die Rede Ordnung und die Abstimmungen zu entwerfen, auf Grund deren die Verhandlungen bei den Wahlprüfungen geleitet werden."

Der Abgeordnete v. Viebahn spricht höchst pathetisch von der neuen Zeit, die über das Vaterland gekommen, daß die Augen von ganz Europa auf sie gerichtet seien u. s. w. Er empfiehlt die "von erfahrenen und freiheitsliebenden Männern" ausgearbeitete Geschäftsordnung.

v. Unruh opponirt ihn und ruft die Billigkeit des Hauses an, da man das Reglement noch nicht einmal gelesen habe und es doch nicht ohne Weiteres annehmen könne.

Riedel hat den Vorredner gar nicht verstanden und spricht ungehöriger Weise vom hohen Beruf dieser Versammlung und dergleichen Phrasen, ohne zur Sache zu kommen

Abgeordneter v. Berg: Die Herren, welche dies Geschäfts-Reglement ausgearbeitet haben, sagen, sie wären alle die letzte Zeit in Berlin gewesen; ich hätte gewünscht, daß sie alsdann die Rücksicht genommen hätten, auch uns ihren Entwurf mitzutheilen.

An der sehr unerquicklichen Debatte betheiligen sich Immermann und Waldeck, welche gegen das Reglement sprechen.

Abg. Vincke: Ich kann mich mit den Vorrednern nicht einverstanden erklären. Zur Entscheidung über die vorläufige nothwendige Verhandlung kann das Viebahn'sche Reglement auch zugelassen werden. Wenn man den Grund anführt, daß es erst genau gekannt werden müsse, so bemerke ich, daß wir das von Herrn v. Unruh auch nicht weiter, als vom Vorlesen her, kennen.

Abg. Pflücker (von Breslau) spricht gegen den Viebahn'schen Antrag, ebenso Abg. Haacke.

Abg. Geßler will gleichfalls die Vertagung bis morgen. (Von der Linken: Das ist ein neuer Antrag!)

Abg. Kirchmann: Der Antrag auf Vertagung verlangt, daß wir heute nach Hause gehen, ohne etwas gethan zu haben; das kann unmöglich gebilligt werden, daß wir so viel kostbare Zeit verlieren, nachdem wir gestern schon einen ganzen Tag verloren haben. Jedenfalls müssen heute die Abtheilungen verloost werden. Unsere vorgelegte Geschäfts-Ordnung selbst aber kann unmöglich ohne Debatte angenommen werden. Dagegen spricht schon das Bedenken, das einzelne §§, wie die von der Beschränkung der Interpellation, der Polizei des Hauses u. s. w. erregen.

Abg. Grün spricht für die Gründlichkeit.

Abg. v. Merkel (v. Liegnitz) und Pilet sprechen gegen die Vertagung, die Abgeordneten v. Bismark Schönhausen und Raumann dafür.

Abg. D'Ester bemerkt, er wundere sich, daß das Ministerium, das doch so Vieles ohne die Versammlung gethan, nicht zu dem Uebrigen auch noch eine Geschäftsordnung octroyirt habe.

Nachdem noch Abg. v. Auerswald für die Vertagung nach geschehener Abtheilungsverlosung gesprochen, wird auch der Antrag des Abg. Moritz der Schluß der Debatte einstimmig angenommen.

Ueber die Fragestellung erhebt sich eine neue, ziemlich verworrene Debatte. Der Immermann'sche Antrag wird endlich folgendermaßen formulirt:

1. In der morgenden Sitzung möge sowohl über die Geschäftsordnung des Abg. v. Viebahn und Consorten, als über die des Abg. v. Unruh die Debatte und Abstimmung vorgenommen werden;

2. möge die Bildung der sieben Abtheilungen durch das Loos mit den oben angegebenen Modalitäten heute noch vorgenommen werden.

Ueber die Frage, ob in diesem Antrage zwei theilbare Gegenstände seien, entsteht abermals eine kurze Debatte, es wird zwei Mal abgestimmt. Die ganze Linke erhebt sich für die Theilung, so wie etwa 10 Mitglieder der Rechten. Der Antrag auf Theilung wird mit 161 gegen 155 Stimmen angenommen.

Bei der ferneren Abstimmung wird der erste Theil des Antrages mit geringer Majorität, der zweite Theil einstimmig angenommen.

Es wird zur Verloosung in die sieben Abtheilungen geschritten, welche heute Nachmittag ihre Wahlprüfungsgeschäfte in den Abtheilungslokalen vorzunehmen haben.

Alterspräsident: Unsere Geschäfte wären demnach für heute beendigt. Morgen müssen wir (!) wegen der Begräbnißfeier des Prinzen Waldemar unsere Sitzung später beginnen. Ich schlage um 12 Uhr vor. (Von vielen Seiten: Um 11 Uhr!) So werden wir also um 11 Uhr morgen zusammenkommen. Die heutige Sitzung ist geschlossen.

Schluß der Sitzung 1 3/4 Uhr.

Nächste Sitzung: Mittwoch Vormittags um 11 Uhr.

Die Abstimmung zeigte, daß die Rechte bis jetzt um etwa 10 Stimmen der Linken überlegen ist. Sollte also der provisorische Präsident, wie man beabsichtigt, morgen gewählt werden, so ist die Wahl Unruh's mehr als zweifelhaft. Man erwartet indeß, daß die Nachwahlen das Verhältniß ausgleichen werden.

1. Sitzung der s. g. ersten Kammer.

Die Herren Milde, Hansemann, Baumstark, Wilh. Beer sitzen friedlich neben Zenker, Forkenbeck, Schumann auf den Bänken der Linken.

Bracht hält als Alterspräsident eine Rede.

Ein ottroyirtes Geschäftsreglement wird nach längerer Debatte angenommen.

R. v. Auerswald wird endlich zum provisorischen Präsidenten gewählt mit 94 unter 123 Stimmen und die Versammlung geht heiter auseinander.

Kremsier, 23. Febr.

In der heutigen Sitzung stellte der czechische Urochs, Namens Palacky, folgende Interpellation ans Ministerium: Die Tage des 15. März, des 26. Mai, 1. 3. 6. Juni haben durch die an dieselben geknüpften Erklärungen den Völkern Oestreichs die Bestimmung ihrer Geschicke in die eigenen Hände gegeben, insbesondere habe dies das Constitutionsversprechen vom 8. April in Bezug auf Böhmen gethan. Widersprechend erschiene hiermit eine andere als staatliche Verbindung zwischen einem verjüngten Oestreich und einem verjüngten Deutschland, ein Widerspruch, der durch Ansprüche bekräftigt würde, die, in Frankfurt erhoben, für Oestreichs Völker machtgebend sein sollten. Die Note vom 4. Febr. sei unklar, Oestreich wolle darin eine deutsche Macht sein, wolle es wieder nicht. Die gleiche Berechtigung aller Nationalitäten sänke bei einer derartigen Bevorzugung des deutschen Elements zur hohlen Phrase herab. Völkerrechtliche Verbindungen könnten zwischen Deutschland und Oestreich bestehen, ohne daß dadurch beiderseitige Verhältnisse beeinträchtigt würden. Weit eher aber dürfte man die Slaven hindern, sich bei dem deutschen Parlamente zu betheiligen, als einen panslavischen Kongreß zu beschicken, oder die Italiener eine Constituante. Das Ministerium möge sich erklären: ob sich etwas an dem Sachverhältniß gegen Deutschland seit dem Programm des 27. Nov. geändert habe; ob es dem östreichischen Reichstage die Kompetenz in höchster Staatsgesetzgebung für östreich. Völker zuerkenne; warum fortan in Ländern Wahlen nach Frankfurt ausgeschrieben würden, die ihre entschiedene Abneigung dagegen bezeugt und ob das Ministerium gewilligt sei, die auf das Staatsverhältniß zu Deutschland bezüglichen Akten auf den Tisch des Hauses niederlegen. - Es folgt die Wahl des Präsidenten und der Vizepräsidenten. Beim ersten Scrutinium erhielt Smolka unter 312 Votanten 298 Stimmen; Kudler wurde zum ersten, Brauner zum zweiten Vizepräsidenten gewählt.

* Dresden, 27. Febr.

In der heutigen Sitzung der 2. Kammer interpellirt u. A. Vicepräsident Schaffrath:

In Zeitungen werde gelesen, daß man von Seiten Deutschlands, namentlich Baierns gegen die römische Republik interveniren wolle. Dadurch verletze man den Grundsatz, daß man in die Selbständigkeit eines freien Volks nicht eingreifen dürfe, dem auch die sächsische Regierung huldigen müsse. Er interpellire daher dahin: ist es wahr oder was ist der Regierung hierüber bekannt, und wird die Regierung allen ihren Einfluß anwenden, um dies zu verhindern? Vicepr. Tzschirner fragt endlich auch noch an: ob die Grundrechte morgen publicirt würden. Die heutige Erklärung des Ministerium stehe mit dem gestern mitgetheilten Programme in offenbarem Widerspruche. (Bravo!) Staatsminister v. Ehrenstein: Die Zusicherung einer unverzüglichen Publication schließe wohl nicht aus, daß ein Ministerium, welches erst angetreten, und die Landtagsschriften kaum gelesen hat, eine Erwägung sich vorbehalte über die Ausführung. Ein Hinziehen liege nicht in der Absicht der Regierung. Vicepr. Tzschirner: Das neue Ministerium wird gewiß schon erwogen haben, daß mit der Publication nicht zugleich die Ausführung der Grundrechte zu erfolgen habe. Er bleibe bei seiner Anfrage.

Dresden, 26. Febr.

In der heutigen Sitzung der II. Kammer enthielt die Registraude unter Anderm eine Dankadresse von 154 Soldaten an den Abg. (Oberlieutenant) Müller aus Dresden, welche mit Beifall von der Gallerie begrüßt wird. Nach dem Vortrage der Registrande gibt Staatsminister Dr. Held die (mit der in der I. Kammer gemachten gleichlautende) von der Kammer mit großer Ruhe aufgenommene Erklärung. (Nr. 58.) Auf der Tagesordnung steht der Tzschirner'sche Antrag auf Zurückziehung der sächsischen Truppen aus Thüringen, wozu Abg. Finke noch beantragt hatte daß die Regierung dahin wirken möge, daß alle Reichstruppen aus Thüringen und Altenburg zurückgezogen würden. Abg. Berthold ergreift zuerst das Wort:

In Deutschland herrscht jetzt das Streben, die verschiedenen deutschen Truppen mit einander zu vertauschen und hin und her zu werfen. Das kostet erstens unmenschliches Geld und widerstreitet sodann dem System unsres Kriegswesens, indem die gewöhnlichen, demselben entsprechenden Beurlaubungen jetzt unmöglich sind. Durch dieses Streben wird nicht die Einheit, sondern die Trennung Deutschlands gefördert! Es wird wohl auch Niemand im Ernste daran glauben, daß die Einheit Deutschlands der Zweck jener Maßregel ist. Der Papst war ein kluger Mann, als er die Priester ehelos machte. Sie wurden willenlose Werkzeuge. Ebenso ist der Reichskriegsminister kein dummer Mann, wenn er die Truppen der Heimat entfremdet. Die thüringischen Verhältnisse müssen schon schlimm sein, wenn die Regenten genöthigt sind, sich auf fremde Truppen zu stützen. Abg. Meinel: Wenn durch solche gewaltsame Mittel die Ruhe hergestellt werden soll, so kommt es mir vor, als wenn man ein Gewitter durch das Geläute der Glocken entfernen wolle. Sorge man lieber dafür, daß sich kein Gewitterstoff ansammle. Jene Friedensherstellung ist bereits geschehen. Sind unsere Truppen vielleicht noch dort, weil die Herren Offiziere sich dort wohler befinden? Die Offiziere können dort bleiben wenn sie wollen! In Zeitungen liest man vielfach, daß die Offiziere sich nicht so verhalten, wie man es von humanen Menschen erwarten sollte. Ich interpellire das Kriegsministerium, was es bezüglich der in öffentlichen Blättern verbreiteten Nachrichten über das Verhalten der in Thüringen befindlichen Offiziere zu thun gedenke.

Altona, 27. Febr.

Der hiesige "Merkur" enthält über die dänisch-deutsche Frage nachstehende Mittheilung:

"Nach zuverlässiger Nachricht hat die dänische Regierung, auf

zeuge des Unrechts her. Camphausen, der gar keine Veranlassung dazu hatte, that, was er (der Justizminister) thun mußte.

Dieselbe Feigheit zeigt er in Bezug auf Temme's Amtssuspension. Jener hohen Person ist nichts mehr ein Gräuel, als daß Temme noch auf seinem Richterposten ist. Seine Entfernung aus demselben war der eigentliche Zweck des ganzen gegen ihn verübten Verfahrens. Dazu wurden theils wissentlich, theils unwissentlich die in der Sache wirkenden Behörden mißbraucht. Darum steht es auch fest, daß er unter keinen Umständen wieder in sein Amt zurück soll. Vergebens hat er sich um Aufhebung seiner Amtssuspension in vielen Eingaben an den Justizminister gewandt; zuerst gab ihm letzterer gar keine Antwort, zuletzt, unterm 16. Feb. eröffnete er ihm, daß der Staatsanwalt in Berlin, dem er seine Akten zugestellt, einen Bescheid ertheilen würde. Temme hat ihm natürlich erwidert, daß er sich über das Oberlandesgericht zu Münster bei ihm, dem Justizminister, beschwert hätte, daß der Staats-Anwalt in Berlin also hier keinen Bescheid ertheilen könne, da derselbe nicht Vorgesetzter jenes Oberlandesgerichts sei. Temme hat ihm dabei geradezu erklärt, daß er, der Justizminister, den Muth haben müsse, in dieser Sache eine Entscheidung zu geben, daß er verantwortlich für das in der Sache verübte und von ihm schmählich geduldete Unrecht sei, und daß er die Verantwortlichkeit des Staatsanwalts nicht vorschieben dürfe. Einen Bescheid hat Temme darauf noch nicht erhalten.

305 Berlin, 27. Febr.

Nachdem der König die Thronrede geendet, brachte ihm der Friedensrichter Pelzer von Lennep, Abgeordneter der zweiten Kammer, ein Hoch aus, in welches außer den Krautjunkern nur Wenige der anwesenden Deputirten einstimmten. Es darf dabei auch nicht außer Acht gelassen werden, daß die Abgeordneten nur den kleinsten Theil der Versammlung bildeten. Die Mehrzahl bestand aus Generalen, höhern Beamten, Kammerherren und Kammerdienern, die freilich alle ihre Kehlen gehörig anstrengten. Vor dem Schlosse hatten sich einige tausend Bürger, die nach ihren Anzügen zu urtheilen, dem mittlern Bürgerstande anzugehören schienen, eingefunden, und ein Spalier gebildet. Als der König durchfuhr, trat eine wahre Grabesstille ein; die Deputirten der frühern Linken der aufgelösten Nationalversammlung wurden dagegen mit allgemeinem Jubel begrüßt. Als der Abg. v. Vincke kam, vernahm man ein einstimmiges Zischen.

X Berlin, 27. Febr.

Nächst der Thronrede erregten gestern noch zwei andere literarische Erscheinungen große Aufmerksamkeit. Die eine war die bereits angekündigte Zusammenstellung der königl. Thronrede unter dem Titel: „Aus dem weißen Saale!“ deren Gesammteindruck frappant ist, die andere die erste Nummer der (Hansemannschen) Constitutionellen Zeitung, welche gestern Abend ausgegeben wurde. Nach Beiden war viel Begehr. Für die constitut. Ztg. scheinen sich namentlich in der Bourgeoisie, aus der sie hervorging, Chancen zu eröffnen; indeß wird die erste Nummer noch zu dürftig an Original-Mittheilungen gefunden.

Das Petersburger Kabinet soll in neuester Zeit fortgesetzte Versuche einer freundlicheren Annäherung an Deutschland und speziell an Preußen machen. Daß das Ausfuhrverbot auf Vieh und Pferde bereits vor längerer Zeit zurückgenommen ward, ist bekannt. Man erfährt aber jetzt, daß in kurzer Zeit auch die russ. Truppen von den preuß. Gränzen zurückgezogen werden würden, wo ihre plötzliche und unmotivirte Anhäufung in den vergangenen Monaten zu vielfachen Bedenken und Besorgnissen veranlaßten.

Eine andere wichtige Mittheilung ist, daß in diesen Tagen von Seiten unserer Regierung ein außerordentlicher Gesandter nach Olmütz abgegangen ist, um den Kaiser der wohlwollendsten Gesinnungen Preußens zu versichern und zugleich das dortige Kabinet zu weiteren Vorschlägen in der deutschen Frage zu veranlassen, denen diesseitig das aufmerksamste Entgegenkommen, so weit es sich nur immer mit dem deutschen Interesse vereine, gezollt werden würde. Dieser Schritt soll hier Orts von Frankfurt aus angebahnt sein.

Bekanntlich sollte hier ein demokratisches Bankett aller demokratischen Wahlmänner und der von ihnen gewählten Abgeordneten stattfinden, zu welchem ursprünglich der 24. Febr. ausersehen war. Da dieser Tag ‒ vermuthlich als der Jahrestag der franz. Revolution ‒ polizeilichen Anstand fand, so wurde das Bankett auf den 2. März verlegt. Jetzt ist es aber ganz und gar verboten, und hat daher das Festkomite den Theilnehmern vorgeschlagen, in den einzelnen Wahlabtheilungen, deren hier vier gebildet sind, unter sich zusammen zu treten. Dies hat aber vielseitigen Widerspruch erfahren und wird daher jetzt vielleicht das ganze Vorhaben unterbleiben. Die Abgeordneten zur zweiten Kammer haben sich nunmehr, nachdem sie sich anfangs in völliges Klikenwesen aufzulösen drohten, in zwei große Hälften geschieden, eine linke und eine rechte Seite, die indeß nach dem eigenen Geständniß einsichtiger Mitglieder eben so wenig Dauer verheißen und nur als erste Grundlage für eine fernere Nüancirung geschlossener Parteien zu erachten sein möchten. Diesem entsprechend soll denn auch Grabow bereits beabsichtigen, mit den Herren Vincke und Bodelschwingh ein rechtes Centrum zu bilden, was aber in dieser Zusammensetzung wenig Haltbarkeit zu versprechen scheint. Eigentliche Beschlüsse sind bis hieran noch von keiner Partei gefaßt, obwohl beide sich fast abendlich versammeln und namentlich die Linke gestern Abend in ihrem Versammlungslokal bei Jaraschowitz in der Markgrafenstr. sehr zahlreich vertreten war. Vermuthlich wird die rechte Seite fürs Erste um einige Stimmen überwiegen, das Weitere wird von den ministeriellen Vorlagen abhängen, theilweise auch von den Führern, die sich aufwerfen, an denen es jetzt noch ganz mangelt. Man bemerkt nur eine gewisse Eifersucht, mit welcher die neueingetretenen Mitglieder auf die Aelteren blicken, um nicht von ihnen bevormundet zu werden. Der erste entscheidende Kampf wird bei der Präsidentenwahl sein, in welcher sich die Kammer zwischen Unruh und Grabow entscheiden wird. ‒ Die erste Kammer läßt bis jetzt noch fast nichts von sich hören.

Die beabsichtigte billige Vergnügungsfahrt per Eisenbahn von hier nach Paris (10 Thlr. à Person hin und zurück) dürfte verschoben werden, da sie gegenwärtig nicht genug Zuspruch gefunden hat. Von einigen Seiten schiebt man dem Unternehmen demokratische Tendenzen unter. (Bravo!)

Die heutige zweite Sitzung der beiden Kammern in ihren Sitzungslokalien gestattete dem Publikum zum ersten Mal den Eintritt in dieselben. Sie befinden sich beide in neu aufgeführten Gebäuden, deren eins hinter der katholischen Kirche, das andere hinter dem Justizministerium am Dönhofsplatz liegt, beide in ehemaligen Gartenräumen und dem Auge durch die davor liegenden Gebäude völlig entzogen, zugleich aber auch gegen jeden Angriff von Volksmassen gesichert. Man gelangt insbesondere zur zweiten Kammer, erst nach dem Durchgange durch ein Wohnhaus, nach einer wahren Reise durch einen hohen und engen, zu beiden Seiten mit Brettern eingeschlossenen Gang, durch mehrere Vorgebäude, über Treppen und Hallen. In ähnlicher Weise passirt man zur ersten Kammer einen Garten und in den Vorräumen Beider befinden sich starke Constablerwachen, so daß für die Sicherheit ausreichend gesorgt erscheint.

X Berlin, 27. Febr.

Die längst erwartete „Constitutionelle Zeitung,“ das Organ des Hrn. Hansemann, ist gestern Abend endlich erschienen. Fährt sie so fort, so wird sie den andern Zeitungen wenig Concurrenz machen. Sie wird untergehen, an ihrer entsetzlichen Langweiligkeit.

Ein neues Blatt ist heute Abend erschienen: die Tribüne, redigirt durch B. Stein und E. Dohm. Die Tribüne will eine rücksichtslose Kritik gegen alle ausüben, welcher Partei sie auch angehören mögen.

Gegen den Buchdruckereibesitzer Reinhardt ist eine Untersuchung eingeleitet worden, wegen eines Plakates vom 12. Novbr. dessen Verfasser der bekannte Eichler ist. R. wird indessen nachweisen, daß sich Eichler noch 3 Monate später in Berlin befunden hat, und daß also die Nachlässigkeit des Staatsanwalts allein die Schuld trägt, daß der Verfasser nicht zur Untersuchung gezogen werden konnte.

Der Buchdruckereibesitzer Schlesinger ist heute von der Anklage, auf Grund des Preßgesetzes vom 17. März, wegen Hinweglassung des Wohnortes gegen ihn erhoben, freigesprochen worden. Nach reiflicher Ueberlegung wäre man zu der Ueberzeugung gekommen, daß durch die Verf. v. 5. Dez. die Gesetze vom 17. März und 6. April aufgehoben seien.

In einer Vorversammlung zur s. g. ersten Kammer trug der Abg. v. Schleinitz darauf an, daß alle Mitglied er, welche Orden hätten, auch stets mit denselben in den Sitzungen erscheinen möchten. Aber selbst hier erregte dieser Antrag einen Sturm des Unwillens und Saucken- Tarputschen rief aus, er sei eines Deputirten unwürdig.

Die Nachwahlen für Berlin werden am Donnerstag stattfinden. Gestern sind im Teltower Kreise die Herren Griesheim und Geheimrath Stiehl, bei der stattfindenden Nachwahl zur zweiten Kammer gewählt worden.

1. Sitzung der zweiten Kammer am 27. Febr.

(Der Sitzungs-Saal der zweiten Kammer, im ehemaligen Hardenbergschen Palats auf dem Dönhofsplatz, bildet ein längliches Viereck, von dem drei Wände in der oberen Verlängerung, etwa in der Mitte, weiter hinausgerückt sind, und die verschiedenen Tribünen enthalten. Der Saal ist mit demselben Teppich bedeckt, der früher im Weißen Saale und den verschiedenen Sitzungs-Lokalen der National-Versammlung befindlich war; die untere Hälfte der Wände ist grau marmorirt und mit grünen und rothen Streifen bemalt, die obere Hälfte zum Theil mit rothen Gardinen drappirt. Von der mittleren Höhe der Wände aus erheben sich sechszehn bronzirte Säulen, die das Gebäude tragen; die Decke ist eine Art gewölbtes Täfelwerk, gleichfalls durch bronzirte Stangen und Senkel zusammengehalten. Das Licht fällt durch je zwei in der Decke befindliche, stumpfwinklig in der Höhe zusammenstoßende Lichtfenster von mattgeschliffenem Glase, außerdem durch acht, an der Front und rechten Seitenwand oberhalb der Tribüne angebrachte Fenster. Inmitten der vorderen Längewand erhebt sich die Estrade des Präsidiums, in der bekannten früheren Einrichtung, unmittelbar davor die Rednerbühne. Wenige Schritte davon der Stenographentisch. Geradeüber, in der Mitte der Hinterwand, befindet sich die Ministerbank, mit einer festen Brustwehr davor, hinter derselben sind die Tische für die Unterstaatssecretäre. Von hier aus erheben sich, mäßig emporsteigend, die Sitze der Abgeordneten rechts und links; ein Centrum ist räumlich nicht vorhanden. Die Bänke sind in Ecken rund geschweist; in dem dadurch gewonnenen Raum befinden sich die Oefen. Auf den Tribünen sind im Ganzen acht verschiedene Logen, für die königl. Familie, die Diplomaten, die Mitglieder der ersten Kammer, die Journalisten und das Publikum. Das Ganze gewährt einen mehr gefälligen und heiteren als imposanten Anblick.)

Die Parteien nehmen auf beiden Seiten des Hauses, streng unterschieden, ihre Plätze ein. Selbst die neugewählten Mitglieder wußten sich sogleich zu Recht zu finden. Auf den Antrag des Abgeordneten Raumann wird der Kanonikus Lensing zum Alterspräsidenten gewählt. In seiner sentimentalen Antrittsrede spricht er viel von dem Jubel, mit dem die Verfassung begrüßt sei; von ihrer Freisinnigkeit von Ausbau u. s. w.

Geger ihn erhebt sich Herr Grün, der sogleich die Nichtachtung des Präsidenten für die fruhere National-Versammlung tadelt und es ausspricht, daß wenigstens dort, wo er gewählt wurde, dieser Jubel nicht stattgefunden hätte.

(Die vier jüngsten Mitglieder der Versammlung nehmen den Platz der Schriftführer ein; es sind dies die Abgeordneten Herr, Löhr, Grun und Parrisius.)

Der Schriftführer Parrisius liest folgenden eingereichten Antrag vor:

„Die Hohe Kammer wolle beschließen:

eine Kommission zur Ausarbeitung einer Geschäfts-Ordnung durch die zu bildenden Abtheilungen, in der Zahl von zwei Mitgliedern aus jeder Abtheilung, zu erwählen, bis dahin aber, daß diese Kommission eine Ausarbeitung vorgelegt und die Kammer über dieselbe beschlossen haben wird, die beiliegende vorläufige Geschäfts-Ordnung bei Behandlung der Geschäfte für die Fälle, in welchen reglementarische Bestimmungen nicht zu entbehren sind, als maßgebend anzunehmen, von einer zeitraubenden Diskussion der Einzelbestimmungen aber für jetzt Abstand zu nehmen.

(Folgen die Motive.)

Unterzeichnet von: Viehbahn, Abgeordneter für Bielefeld-Halle-Wiedenbrück. Geßler, Abgeordneter für Chodziesen-Czarnikau-Wongrowie. Keller, Abgeordneter für Barnim-Angermünde. Müller, Abgeordneter für Siegen-Wittgenstein-Olpe. Riedel, Abgeordneter für Barnim-Angermünde. Ulrich, Abgeordneter für Soest-Hamm.

Ein zweiter Antrag von dem Abgeordneten v. Unruh eingereicht, geht dahin:

„Sofort die Verloosung der Mitglieder für die 7 Abtheilungen vorzunehmen, deren jede eine möglichst gleiche Anzahl von Mitgliedern enthaltend, ihren Vorsitzenden und Schriftführer, sowie Stellvertreter für beide nach absoluter Majorität zu erwählen hat. Die Vorprüfung der Wahlen geschieht in den Abtheilungen; nach vorgenommener Prüfung ernennt jede Abtheilung einen Berichterstatter. Ueber die Gültigkeit der Wahlen entscheidet die Plenar-Versammlung, bis dahin behalt der Angefochtene seinen Sitz in der Versammlung, stimmt jedoch bei der Entscheidung über die Gultigkeit sein r Wahl nicht mit. Aus den Abtheilungen treten je zwei Mitglieder zu einer Commission zusammen, um ein vorläufiges Geschäfts-Reglement für die Rede Ordnung und die Abstimmungen zu entwerfen, auf Grund deren die Verhandlungen bei den Wahlprüfungen geleitet werden.“

Der Abgeordnete v. Viebahn spricht höchst pathetisch von der neuen Zeit, die über das Vaterland gekommen, daß die Augen von ganz Europa auf sie gerichtet seien u. s. w. Er empfiehlt die „von erfahrenen und freiheitsliebenden Männern“ ausgearbeitete Geschäftsordnung.

v. Unruh opponirt ihn und ruft die Billigkeit des Hauses an, da man das Reglement noch nicht einmal gelesen habe und es doch nicht ohne Weiteres annehmen könne.

Riedel hat den Vorredner gar nicht verstanden und spricht ungehöriger Weise vom hohen Beruf dieser Versammlung und dergleichen Phrasen, ohne zur Sache zu kommen

Abgeordneter v. Berg: Die Herren, welche dies Geschäfts-Reglement ausgearbeitet haben, sagen, sie wären alle die letzte Zeit in Berlin gewesen; ich hätte gewünscht, daß sie alsdann die Rücksicht genommen hätten, auch uns ihren Entwurf mitzutheilen.

An der sehr unerquicklichen Debatte betheiligen sich Immermann und Waldeck, welche gegen das Reglement sprechen.

Abg. Vincke: Ich kann mich mit den Vorrednern nicht einverstanden erklären. Zur Entscheidung über die vorläufige nothwendige Verhandlung kann das Viebahn'sche Reglement auch zugelassen werden. Wenn man den Grund anführt, daß es erst genau gekannt werden müsse, so bemerke ich, daß wir das von Herrn v. Unruh auch nicht weiter, als vom Vorlesen her, kennen.

Abg. Pflücker (von Breslau) spricht gegen den Viebahn'schen Antrag, ebenso Abg. Haacke.

Abg. Geßler will gleichfalls die Vertagung bis morgen. (Von der Linken: Das ist ein neuer Antrag!)

Abg. Kirchmann: Der Antrag auf Vertagung verlangt, daß wir heute nach Hause gehen, ohne etwas gethan zu haben; das kann unmöglich gebilligt werden, daß wir so viel kostbare Zeit verlieren, nachdem wir gestern schon einen ganzen Tag verloren haben. Jedenfalls müssen heute die Abtheilungen verloost werden. Unsere vorgelegte Geschäfts-Ordnung selbst aber kann unmöglich ohne Debatte angenommen werden. Dagegen spricht schon das Bedenken, das einzelne §§, wie die von der Beschränkung der Interpellation, der Polizei des Hauses u. s. w. erregen.

Abg. Grün spricht für die Gründlichkeit.

Abg. v. Merkel (v. Liegnitz) und Pilet sprechen gegen die Vertagung, die Abgeordneten v. Bismark Schönhausen und Raumann dafür.

Abg. D'Ester bemerkt, er wundere sich, daß das Ministerium, das doch so Vieles ohne die Versammlung gethan, nicht zu dem Uebrigen auch noch eine Geschäftsordnung octroyirt habe.

Nachdem noch Abg. v. Auerswald für die Vertagung nach geschehener Abtheilungsverlosung gesprochen, wird auch der Antrag des Abg. Moritz der Schluß der Debatte einstimmig angenommen.

Ueber die Fragestellung erhebt sich eine neue, ziemlich verworrene Debatte. Der Immermann'sche Antrag wird endlich folgendermaßen formulirt:

1. In der morgenden Sitzung möge sowohl über die Geschäftsordnung des Abg. v. Viebahn und Consorten, als über die des Abg. v. Unruh die Debatte und Abstimmung vorgenommen werden;

2. möge die Bildung der sieben Abtheilungen durch das Loos mit den oben angegebenen Modalitäten heute noch vorgenommen werden.

Ueber die Frage, ob in diesem Antrage zwei theilbare Gegenstände seien, entsteht abermals eine kurze Debatte, es wird zwei Mal abgestimmt. Die ganze Linke erhebt sich für die Theilung, so wie etwa 10 Mitglieder der Rechten. Der Antrag auf Theilung wird mit 161 gegen 155 Stimmen angenommen.

Bei der ferneren Abstimmung wird der erste Theil des Antrages mit geringer Majorität, der zweite Theil einstimmig angenommen.

Es wird zur Verloosung in die sieben Abtheilungen geschritten, welche heute Nachmittag ihre Wahlprüfungsgeschäfte in den Abtheilungslokalen vorzunehmen haben.

Alterspräsident: Unsere Geschäfte wären demnach für heute beendigt. Morgen müssen wir (!) wegen der Begräbnißfeier des Prinzen Waldemar unsere Sitzung später beginnen. Ich schlage um 12 Uhr vor. (Von vielen Seiten: Um 11 Uhr!) So werden wir also um 11 Uhr morgen zusammenkommen. Die heutige Sitzung ist geschlossen.

Schluß der Sitzung 1 3/4 Uhr.

Nächste Sitzung: Mittwoch Vormittags um 11 Uhr.

Die Abstimmung zeigte, daß die Rechte bis jetzt um etwa 10 Stimmen der Linken überlegen ist. Sollte also der provisorische Präsident, wie man beabsichtigt, morgen gewählt werden, so ist die Wahl Unruh's mehr als zweifelhaft. Man erwartet indeß, daß die Nachwahlen das Verhältniß ausgleichen werden.

1. Sitzung der s. g. ersten Kammer.

Die Herren Milde, Hansemann, Baumstark, Wilh. Beer sitzen friedlich neben Zenker, Forkenbeck, Schumann auf den Bänken der Linken.

Bracht hält als Alterspräsident eine Rede.

Ein ottroyirtes Geschäftsreglement wird nach längerer Debatte angenommen.

R. v. Auerswald wird endlich zum provisorischen Präsidenten gewählt mit 94 unter 123 Stimmen und die Versammlung geht heiter auseinander.

Kremsier, 23. Febr.

In der heutigen Sitzung stellte der czechische Urochs, Namens Palacky, folgende Interpellation ans Ministerium: Die Tage des 15. März, des 26. Mai, 1. 3. 6. Juni haben durch die an dieselben geknüpften Erklärungen den Völkern Oestreichs die Bestimmung ihrer Geschicke in die eigenen Hände gegeben, insbesondere habe dies das Constitutionsversprechen vom 8. April in Bezug auf Böhmen gethan. Widersprechend erschiene hiermit eine andere als staatliche Verbindung zwischen einem verjüngten Oestreich und einem verjüngten Deutschland, ein Widerspruch, der durch Ansprüche bekräftigt würde, die, in Frankfurt erhoben, für Oestreichs Völker machtgebend sein sollten. Die Note vom 4. Febr. sei unklar, Oestreich wolle darin eine deutsche Macht sein, wolle es wieder nicht. Die gleiche Berechtigung aller Nationalitäten sänke bei einer derartigen Bevorzugung des deutschen Elements zur hohlen Phrase herab. Völkerrechtliche Verbindungen könnten zwischen Deutschland und Oestreich bestehen, ohne daß dadurch beiderseitige Verhältnisse beeinträchtigt würden. Weit eher aber dürfte man die Slaven hindern, sich bei dem deutschen Parlamente zu betheiligen, als einen panslavischen Kongreß zu beschicken, oder die Italiener eine Constituante. Das Ministerium möge sich erklären: ob sich etwas an dem Sachverhältniß gegen Deutschland seit dem Programm des 27. Nov. geändert habe; ob es dem östreichischen Reichstage die Kompetenz in höchster Staatsgesetzgebung für östreich. Völker zuerkenne; warum fortan in Ländern Wahlen nach Frankfurt ausgeschrieben würden, die ihre entschiedene Abneigung dagegen bezeugt und ob das Ministerium gewilligt sei, die auf das Staatsverhältniß zu Deutschland bezüglichen Akten auf den Tisch des Hauses niederlegen. ‒ Es folgt die Wahl des Präsidenten und der Vizepräsidenten. Beim ersten Scrutinium erhielt Smolka unter 312 Votanten 298 Stimmen; Kudler wurde zum ersten, Brauner zum zweiten Vizepräsidenten gewählt.

* Dresden, 27. Febr.

In der heutigen Sitzung der 2. Kammer interpellirt u. A. Vicepräsident Schaffrath:

In Zeitungen werde gelesen, daß man von Seiten Deutschlands, namentlich Baierns gegen die römische Republik interveniren wolle. Dadurch verletze man den Grundsatz, daß man in die Selbständigkeit eines freien Volks nicht eingreifen dürfe, dem auch die sächsische Regierung huldigen müsse. Er interpellire daher dahin: ist es wahr oder was ist der Regierung hierüber bekannt, und wird die Regierung allen ihren Einfluß anwenden, um dies zu verhindern? Vicepr. Tzschirner fragt endlich auch noch an: ob die Grundrechte morgen publicirt würden. Die heutige Erklärung des Ministerium stehe mit dem gestern mitgetheilten Programme in offenbarem Widerspruche. (Bravo!) Staatsminister v. Ehrenstein: Die Zusicherung einer unverzüglichen Publication schließe wohl nicht aus, daß ein Ministerium, welches erst angetreten, und die Landtagsschriften kaum gelesen hat, eine Erwägung sich vorbehalte über die Ausführung. Ein Hinziehen liege nicht in der Absicht der Regierung. Vicepr. Tzschirner: Das neue Ministerium wird gewiß schon erwogen haben, daß mit der Publication nicht zugleich die Ausführung der Grundrechte zu erfolgen habe. Er bleibe bei seiner Anfrage.

Dresden, 26. Febr.

In der heutigen Sitzung der II. Kammer enthielt die Registraude unter Anderm eine Dankadresse von 154 Soldaten an den Abg. (Oberlieutenant) Müller aus Dresden, welche mit Beifall von der Gallerie begrüßt wird. Nach dem Vortrage der Registrande gibt Staatsminister Dr. Held die (mit der in der I. Kammer gemachten gleichlautende) von der Kammer mit großer Ruhe aufgenommene Erklärung. (Nr. 58.) Auf der Tagesordnung steht der Tzschirner'sche Antrag auf Zurückziehung der sächsischen Truppen aus Thüringen, wozu Abg. Finke noch beantragt hatte daß die Regierung dahin wirken möge, daß alle Reichstruppen aus Thüringen und Altenburg zurückgezogen würden. Abg. Berthold ergreift zuerst das Wort:

In Deutschland herrscht jetzt das Streben, die verschiedenen deutschen Truppen mit einander zu vertauschen und hin und her zu werfen. Das kostet erstens unmenschliches Geld und widerstreitet sodann dem System unsres Kriegswesens, indem die gewöhnlichen, demselben entsprechenden Beurlaubungen jetzt unmöglich sind. Durch dieses Streben wird nicht die Einheit, sondern die Trennung Deutschlands gefördert! Es wird wohl auch Niemand im Ernste daran glauben, daß die Einheit Deutschlands der Zweck jener Maßregel ist. Der Papst war ein kluger Mann, als er die Priester ehelos machte. Sie wurden willenlose Werkzeuge. Ebenso ist der Reichskriegsminister kein dummer Mann, wenn er die Truppen der Heimat entfremdet. Die thüringischen Verhältnisse müssen schon schlimm sein, wenn die Regenten genöthigt sind, sich auf fremde Truppen zu stützen. Abg. Meinel: Wenn durch solche gewaltsame Mittel die Ruhe hergestellt werden soll, so kommt es mir vor, als wenn man ein Gewitter durch das Geläute der Glocken entfernen wolle. Sorge man lieber dafür, daß sich kein Gewitterstoff ansammle. Jene Friedensherstellung ist bereits geschehen. Sind unsere Truppen vielleicht noch dort, weil die Herren Offiziere sich dort wohler befinden? Die Offiziere können dort bleiben wenn sie wollen! In Zeitungen liest man vielfach, daß die Offiziere sich nicht so verhalten, wie man es von humanen Menschen erwarten sollte. Ich interpellire das Kriegsministerium, was es bezüglich der in öffentlichen Blättern verbreiteten Nachrichten über das Verhalten der in Thüringen befindlichen Offiziere zu thun gedenke.

Altona, 27. Febr.

Der hiesige „Merkur“ enthält über die dänisch-deutsche Frage nachstehende Mittheilung:

„Nach zuverlässiger Nachricht hat die dänische Regierung, auf

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zeuge des Unrechts her. Camphausen, der gar keine Veranlassung dazu hatte, that, was <hi rendition="#g">er</hi> (der Justizminister) thun mußte.</p>
          <p>Dieselbe Feigheit zeigt er in Bezug auf Temme's Amtssuspension. Jener hohen Person ist nichts mehr ein Gräuel, als daß Temme noch auf seinem Richterposten ist. Seine Entfernung aus demselben war der eigentliche Zweck des ganzen gegen ihn verübten Verfahrens. Dazu wurden theils wissentlich, theils unwissentlich die in der Sache wirkenden Behörden mißbraucht. Darum steht es auch fest, daß er unter keinen Umständen wieder in sein Amt zurück soll. Vergebens hat er sich um Aufhebung seiner Amtssuspension in <hi rendition="#g">vielen</hi> Eingaben an den Justizminister gewandt; zuerst gab ihm letzterer gar keine Antwort, zuletzt, unterm 16. Feb. eröffnete er ihm, daß der Staatsanwalt in Berlin, dem er seine Akten zugestellt, einen Bescheid ertheilen würde. Temme hat ihm natürlich erwidert, daß er sich über das Oberlandesgericht zu Münster bei ihm, dem Justizminister, beschwert hätte, daß der Staats-Anwalt in Berlin also hier keinen Bescheid ertheilen könne, da derselbe nicht Vorgesetzter jenes Oberlandesgerichts sei. Temme hat ihm dabei geradezu erklärt, daß <hi rendition="#g">er,</hi> der Justizminister, den <hi rendition="#g">Muth</hi> haben müsse, in dieser Sache eine Entscheidung zu geben, daß er verantwortlich für das in der Sache verübte und von ihm schmählich geduldete Unrecht sei, und daß er die Verantwortlichkeit des Staatsanwalts nicht vorschieben dürfe. Einen Bescheid hat Temme darauf noch nicht erhalten.</p>
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          <head><bibl><author>305</author></bibl> Berlin, 27. Febr.</head>
          <p>Nachdem der König die Thronrede geendet, brachte ihm der Friedensrichter Pelzer von Lennep, Abgeordneter der zweiten Kammer, ein Hoch aus, in welches außer den Krautjunkern nur Wenige der anwesenden Deputirten einstimmten. Es darf dabei auch nicht außer Acht gelassen werden, daß die Abgeordneten nur den kleinsten Theil der Versammlung bildeten. Die Mehrzahl bestand aus Generalen, höhern Beamten, Kammerherren und Kammerdienern, die freilich alle ihre Kehlen gehörig anstrengten. Vor dem Schlosse hatten sich einige tausend Bürger, die nach ihren Anzügen zu urtheilen, dem mittlern Bürgerstande anzugehören schienen, eingefunden, und ein Spalier gebildet. Als der König durchfuhr, trat eine wahre Grabesstille ein; die Deputirten der frühern Linken der aufgelösten Nationalversammlung wurden dagegen mit allgemeinem Jubel begrüßt. Als der Abg. v. Vincke kam, vernahm man ein einstimmiges Zischen.</p>
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        <div xml:id="ar235_005" type="jArticle">
          <head><bibl><author>X</author></bibl> Berlin, 27. Febr.</head>
          <p>Nächst der Thronrede erregten gestern noch zwei andere literarische Erscheinungen große Aufmerksamkeit. Die eine war die bereits angekündigte Zusammenstellung der königl. Thronrede unter dem Titel: &#x201E;Aus dem weißen Saale!&#x201C; deren Gesammteindruck frappant ist, die andere die erste Nummer der (Hansemannschen) Constitutionellen Zeitung, welche gestern Abend ausgegeben wurde. Nach Beiden war viel Begehr. Für die constitut. Ztg. scheinen sich namentlich in der Bourgeoisie, aus der sie hervorging, Chancen zu eröffnen; indeß wird die erste Nummer noch zu dürftig an Original-Mittheilungen gefunden.</p>
          <p>Das Petersburger Kabinet soll in neuester Zeit fortgesetzte Versuche einer freundlicheren Annäherung an Deutschland und speziell an Preußen machen. Daß das Ausfuhrverbot auf Vieh und Pferde bereits vor längerer Zeit zurückgenommen ward, ist bekannt. Man erfährt aber jetzt, daß in kurzer Zeit auch die russ. Truppen von den preuß. Gränzen zurückgezogen werden würden, wo ihre plötzliche und unmotivirte Anhäufung in den vergangenen Monaten zu vielfachen Bedenken und Besorgnissen veranlaßten.</p>
          <p>Eine andere wichtige Mittheilung ist, daß in diesen Tagen von Seiten unserer Regierung ein außerordentlicher Gesandter nach Olmütz abgegangen ist, um den Kaiser der wohlwollendsten Gesinnungen Preußens zu versichern und zugleich das dortige Kabinet zu weiteren Vorschlägen in der deutschen Frage zu veranlassen, denen diesseitig das aufmerksamste Entgegenkommen, so weit es sich nur immer mit dem deutschen Interesse vereine, gezollt werden würde. Dieser Schritt soll hier Orts von Frankfurt aus angebahnt sein.</p>
          <p>Bekanntlich sollte hier ein demokratisches Bankett aller demokratischen Wahlmänner und der von ihnen gewählten Abgeordneten stattfinden, zu welchem ursprünglich der 24. Febr. ausersehen war. Da dieser Tag &#x2012; vermuthlich als der Jahrestag der franz. Revolution &#x2012; polizeilichen Anstand fand, so wurde das Bankett auf den 2. März verlegt. Jetzt ist es aber ganz und gar verboten, und hat daher das Festkomite den Theilnehmern vorgeschlagen, in den einzelnen Wahlabtheilungen, deren hier vier gebildet sind, unter sich zusammen zu treten. Dies hat aber vielseitigen Widerspruch erfahren und wird daher jetzt vielleicht das ganze Vorhaben unterbleiben. Die Abgeordneten zur zweiten Kammer haben sich nunmehr, nachdem sie sich anfangs in völliges Klikenwesen aufzulösen drohten, in zwei große Hälften geschieden, eine linke und eine rechte Seite, die indeß nach dem eigenen Geständniß einsichtiger Mitglieder eben so wenig Dauer verheißen und nur als erste Grundlage für eine fernere Nüancirung geschlossener Parteien zu erachten sein möchten. Diesem entsprechend soll denn auch Grabow bereits beabsichtigen, mit den Herren Vincke und Bodelschwingh ein rechtes Centrum zu bilden, was aber in dieser Zusammensetzung wenig Haltbarkeit zu versprechen scheint. Eigentliche Beschlüsse sind bis hieran noch von keiner Partei gefaßt, obwohl beide sich fast abendlich versammeln und namentlich die Linke gestern Abend in ihrem Versammlungslokal bei Jaraschowitz in der Markgrafenstr. sehr zahlreich vertreten war. Vermuthlich wird die rechte Seite fürs Erste um einige Stimmen überwiegen, das Weitere wird von den ministeriellen Vorlagen abhängen, theilweise auch von den Führern, die sich aufwerfen, an denen es jetzt noch ganz mangelt. Man bemerkt nur eine gewisse Eifersucht, mit welcher die neueingetretenen Mitglieder auf die Aelteren blicken, um nicht von ihnen bevormundet zu werden. Der erste entscheidende Kampf wird bei der Präsidentenwahl sein, in welcher sich die Kammer zwischen Unruh und Grabow entscheiden wird. &#x2012; Die erste Kammer läßt bis jetzt noch fast nichts von sich hören.</p>
          <p>Die beabsichtigte billige Vergnügungsfahrt per Eisenbahn von hier nach Paris (10 Thlr. à Person hin und zurück) dürfte verschoben werden, da sie gegenwärtig nicht genug Zuspruch gefunden hat. Von einigen Seiten schiebt man dem Unternehmen demokratische Tendenzen unter. (Bravo!)</p>
          <p>Die heutige zweite Sitzung der beiden Kammern in ihren Sitzungslokalien gestattete dem Publikum zum ersten Mal den Eintritt in dieselben. Sie befinden sich beide in neu aufgeführten Gebäuden, deren eins hinter der katholischen Kirche, das andere hinter dem Justizministerium am Dönhofsplatz liegt, beide in ehemaligen Gartenräumen und dem Auge durch die davor liegenden Gebäude völlig entzogen, zugleich aber auch gegen jeden Angriff von Volksmassen gesichert. Man gelangt insbesondere zur zweiten Kammer, erst nach dem Durchgange durch ein Wohnhaus, nach einer wahren Reise durch einen hohen und engen, zu beiden Seiten mit Brettern eingeschlossenen Gang, durch mehrere Vorgebäude, über Treppen und Hallen. In ähnlicher Weise passirt man zur ersten Kammer einen Garten und in den Vorräumen Beider befinden sich starke Constablerwachen, so daß für die Sicherheit ausreichend gesorgt erscheint.</p>
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          <head><bibl><author>X</author></bibl> Berlin, 27. Febr.</head>
          <p>Die längst erwartete &#x201E;Constitutionelle Zeitung,&#x201C; das Organ des Hrn. Hansemann, ist gestern Abend endlich erschienen. Fährt sie so fort, so wird sie den andern Zeitungen wenig Concurrenz machen. Sie wird untergehen, an ihrer entsetzlichen Langweiligkeit.</p>
          <p>Ein neues Blatt ist heute Abend erschienen: die <hi rendition="#g">Tribüne,</hi> redigirt durch <hi rendition="#g">B. Stein</hi> und <hi rendition="#g">E. Dohm.</hi> Die Tribüne will eine rücksichtslose Kritik gegen alle ausüben, welcher Partei sie auch angehören mögen.</p>
          <p>Gegen den Buchdruckereibesitzer <hi rendition="#g">Reinhardt</hi> ist eine Untersuchung eingeleitet worden, wegen eines Plakates vom 12. Novbr. dessen Verfasser der bekannte <hi rendition="#g">Eichler</hi> ist. R. wird indessen nachweisen, daß sich Eichler noch 3 Monate später in Berlin befunden hat, und daß also die Nachlässigkeit des Staatsanwalts allein die Schuld trägt, daß der Verfasser nicht zur Untersuchung gezogen werden konnte.</p>
          <p>Der Buchdruckereibesitzer <hi rendition="#g">Schlesinger</hi> ist heute von der Anklage, auf Grund des Preßgesetzes vom 17. März, wegen Hinweglassung des Wohnortes gegen ihn erhoben, freigesprochen worden. Nach reiflicher Ueberlegung wäre man zu der Ueberzeugung gekommen, daß durch die Verf. v. 5. Dez. die Gesetze vom 17. März und 6. April aufgehoben seien.</p>
          <p>In einer Vorversammlung zur s. g. ersten Kammer trug der Abg. <hi rendition="#g">v. Schleinitz</hi> darauf an, <hi rendition="#g">daß alle Mitglied er, welche Orden hätten, auch stets mit denselben in den Sitzungen erscheinen möchten.</hi> Aber selbst hier erregte dieser Antrag einen Sturm des Unwillens und <hi rendition="#g">Saucken-</hi> Tarputschen rief aus, er sei eines Deputirten unwürdig.</p>
          <p>Die Nachwahlen für Berlin werden am Donnerstag stattfinden. Gestern sind im Teltower Kreise die Herren <hi rendition="#g">Griesheim</hi> und Geheimrath <hi rendition="#g">Stiehl,</hi> bei der stattfindenden Nachwahl zur zweiten Kammer gewählt worden.</p>
          <p> <hi rendition="#b">1. Sitzung der zweiten Kammer am 27. Febr.</hi> </p>
          <p>(Der Sitzungs-Saal der zweiten Kammer, im ehemaligen Hardenbergschen Palats auf dem Dönhofsplatz, bildet ein längliches Viereck, von dem drei Wände in der oberen Verlängerung, etwa in der Mitte, weiter hinausgerückt sind, und die verschiedenen Tribünen enthalten. Der Saal ist mit demselben Teppich bedeckt, der früher im Weißen Saale und den verschiedenen Sitzungs-Lokalen der National-Versammlung befindlich war; die untere Hälfte der Wände ist grau marmorirt und mit grünen und rothen Streifen bemalt, die obere Hälfte zum Theil mit rothen Gardinen drappirt. Von der mittleren Höhe der Wände aus erheben sich sechszehn bronzirte Säulen, die das Gebäude tragen; die Decke ist eine Art gewölbtes Täfelwerk, gleichfalls durch bronzirte Stangen und Senkel zusammengehalten. Das Licht fällt durch je zwei in der Decke befindliche, stumpfwinklig in der Höhe zusammenstoßende Lichtfenster von mattgeschliffenem Glase, außerdem durch acht, an der Front und rechten Seitenwand oberhalb der Tribüne angebrachte Fenster. Inmitten der vorderen Längewand erhebt sich die Estrade des Präsidiums, in der bekannten früheren Einrichtung, unmittelbar davor die Rednerbühne. Wenige Schritte davon der Stenographentisch. Geradeüber, in der Mitte der Hinterwand, befindet sich die Ministerbank, mit einer festen Brustwehr davor, hinter derselben sind die Tische für die Unterstaatssecretäre. Von hier aus erheben sich, mäßig emporsteigend, die Sitze der Abgeordneten rechts und links; ein Centrum ist räumlich nicht vorhanden. Die Bänke sind in Ecken rund geschweist; in dem dadurch gewonnenen Raum befinden sich die Oefen. Auf den Tribünen sind im Ganzen acht verschiedene Logen, für die königl. Familie, die Diplomaten, die Mitglieder der ersten Kammer, die Journalisten und das Publikum. Das Ganze gewährt einen mehr gefälligen und heiteren als imposanten Anblick.)</p>
          <p>Die Parteien nehmen auf beiden Seiten des Hauses, streng unterschieden, ihre Plätze ein. Selbst die neugewählten Mitglieder wußten sich sogleich zu Recht zu finden. Auf den Antrag des Abgeordneten <hi rendition="#g">Raumann</hi> wird der Kanonikus <hi rendition="#g">Lensing</hi> zum Alterspräsidenten gewählt. In seiner sentimentalen Antrittsrede spricht er viel von dem Jubel, mit dem die Verfassung begrüßt sei; von ihrer Freisinnigkeit von Ausbau u. s. w.</p>
          <p>Geger ihn erhebt sich Herr <hi rendition="#g">Grün,</hi> der sogleich die Nichtachtung des Präsidenten für die fruhere National-Versammlung tadelt und es ausspricht, daß wenigstens dort, wo er gewählt wurde, dieser Jubel nicht stattgefunden hätte.</p>
          <p>(Die vier jüngsten Mitglieder der Versammlung nehmen den Platz der Schriftführer ein; es sind dies die Abgeordneten Herr, Löhr, Grun und Parrisius.)</p>
          <p>Der Schriftführer Parrisius liest folgenden eingereichten Antrag vor:</p>
          <p>&#x201E;Die Hohe Kammer wolle beschließen:</p>
          <p>eine Kommission zur Ausarbeitung einer Geschäfts-Ordnung durch die zu bildenden Abtheilungen, in der Zahl von zwei Mitgliedern aus jeder Abtheilung, zu erwählen, bis dahin aber, daß diese Kommission eine Ausarbeitung vorgelegt und die Kammer über dieselbe beschlossen haben wird, die beiliegende vorläufige Geschäfts-Ordnung bei Behandlung der Geschäfte für die Fälle, in welchen reglementarische Bestimmungen nicht zu entbehren sind, als maßgebend anzunehmen, von einer zeitraubenden Diskussion der Einzelbestimmungen aber für jetzt Abstand zu nehmen.</p>
          <p>(Folgen die Motive.)</p>
          <p>Unterzeichnet von: Viehbahn, Abgeordneter für Bielefeld-Halle-Wiedenbrück. Geßler, Abgeordneter für Chodziesen-Czarnikau-Wongrowie. Keller, Abgeordneter für Barnim-Angermünde. Müller, Abgeordneter für Siegen-Wittgenstein-Olpe. Riedel, Abgeordneter für Barnim-Angermünde. Ulrich, Abgeordneter für Soest-Hamm.</p>
          <p>Ein zweiter Antrag von dem Abgeordneten <hi rendition="#g">v. Unruh</hi> eingereicht, geht dahin:</p>
          <p>&#x201E;Sofort die Verloosung der Mitglieder für die 7 Abtheilungen vorzunehmen, deren jede eine möglichst gleiche Anzahl von Mitgliedern enthaltend, ihren Vorsitzenden und Schriftführer, sowie Stellvertreter für beide nach absoluter Majorität zu erwählen hat. Die Vorprüfung der Wahlen geschieht in den Abtheilungen; nach vorgenommener Prüfung ernennt jede Abtheilung einen Berichterstatter. Ueber die Gültigkeit der Wahlen entscheidet die Plenar-Versammlung, bis dahin behalt der Angefochtene seinen Sitz in der Versammlung, stimmt jedoch bei der Entscheidung über die Gultigkeit sein r Wahl nicht mit. Aus den Abtheilungen treten je zwei Mitglieder zu einer Commission zusammen, um ein vorläufiges Geschäfts-Reglement für die Rede Ordnung und die Abstimmungen zu entwerfen, auf Grund deren die Verhandlungen bei den Wahlprüfungen geleitet werden.&#x201C;</p>
          <p>Der Abgeordnete <hi rendition="#g">v. Viebahn</hi> spricht höchst pathetisch von der neuen Zeit, die über das Vaterland gekommen, daß die Augen von ganz Europa auf sie gerichtet seien u. s. w. Er empfiehlt die &#x201E;von erfahrenen und freiheitsliebenden Männern&#x201C; ausgearbeitete Geschäftsordnung.</p>
          <p><hi rendition="#g">v. Unruh</hi> opponirt ihn und ruft die Billigkeit des Hauses an, da man das Reglement noch nicht einmal gelesen habe und es doch nicht ohne Weiteres annehmen könne.</p>
          <p><hi rendition="#g">Riedel</hi> hat den Vorredner gar nicht verstanden und spricht ungehöriger Weise vom hohen Beruf dieser Versammlung und dergleichen Phrasen, ohne zur Sache zu kommen</p>
          <p>Abgeordneter <hi rendition="#g">v. Berg:</hi> Die Herren, welche dies Geschäfts-Reglement ausgearbeitet haben, sagen, sie wären alle die letzte Zeit in Berlin gewesen; ich hätte gewünscht, daß sie alsdann die Rücksicht genommen hätten, auch uns ihren Entwurf mitzutheilen.</p>
          <p>An der sehr unerquicklichen Debatte betheiligen sich Immermann und Waldeck, welche gegen das Reglement sprechen.</p>
          <p>Abg. <hi rendition="#g">Vincke:</hi> Ich kann mich mit den Vorrednern nicht einverstanden erklären. Zur Entscheidung über die vorläufige nothwendige Verhandlung kann das Viebahn'sche Reglement auch zugelassen werden. Wenn man den Grund anführt, daß es erst genau gekannt werden müsse, so bemerke ich, daß wir das von Herrn v. Unruh auch nicht weiter, als vom Vorlesen her, kennen.</p>
          <p>Abg. <hi rendition="#g">Pflücker</hi> (von Breslau) spricht gegen den Viebahn'schen Antrag, ebenso Abg. <hi rendition="#g">Haacke.</hi> </p>
          <p>Abg. <hi rendition="#g">Geßler</hi> will gleichfalls die Vertagung bis morgen. (Von der Linken: Das ist ein neuer Antrag!)</p>
          <p>Abg. <hi rendition="#g">Kirchmann:</hi> Der Antrag auf Vertagung verlangt, daß wir heute nach Hause gehen, ohne etwas gethan zu haben; das kann unmöglich gebilligt werden, daß wir so viel kostbare Zeit verlieren, nachdem wir gestern schon einen ganzen Tag verloren haben. Jedenfalls müssen heute die Abtheilungen verloost werden. Unsere vorgelegte Geschäfts-Ordnung selbst aber kann unmöglich ohne Debatte angenommen werden. Dagegen spricht schon das Bedenken, das einzelne §§, wie die von der Beschränkung der Interpellation, der Polizei des Hauses u. s. w. erregen.</p>
          <p>Abg. <hi rendition="#g">Grün</hi> spricht für die Gründlichkeit.</p>
          <p>Abg. <hi rendition="#g">v. Merkel</hi> (v. Liegnitz) und <hi rendition="#g">Pilet</hi> sprechen gegen die Vertagung, die Abgeordneten <hi rendition="#g">v. Bismark Schönhausen</hi> und <hi rendition="#g">Raumann</hi> dafür.</p>
          <p>Abg. <hi rendition="#g">D'Ester</hi> bemerkt, er wundere sich, daß das Ministerium, das doch so Vieles ohne die Versammlung gethan, nicht zu dem Uebrigen auch noch eine Geschäftsordnung octroyirt habe.</p>
          <p>Nachdem noch Abg. <hi rendition="#g">v. Auerswald</hi> für die Vertagung nach geschehener Abtheilungsverlosung gesprochen, wird auch der Antrag des Abg. <hi rendition="#g">Moritz</hi> der Schluß der Debatte einstimmig angenommen.</p>
          <p>Ueber die Fragestellung erhebt sich eine neue, ziemlich verworrene Debatte. Der Immermann'sche Antrag wird endlich folgendermaßen formulirt:</p>
          <p>1. In der morgenden Sitzung möge sowohl über die Geschäftsordnung des Abg. v. Viebahn und Consorten, als über die des Abg. v. Unruh die Debatte und Abstimmung vorgenommen werden;</p>
          <p>2. möge die Bildung der sieben Abtheilungen durch das Loos mit den oben angegebenen Modalitäten heute noch vorgenommen werden.</p>
          <p>Ueber die Frage, ob in diesem Antrage zwei theilbare Gegenstände seien, entsteht abermals eine kurze Debatte, es wird zwei Mal abgestimmt. Die ganze Linke erhebt sich für die Theilung, so wie etwa 10 Mitglieder der Rechten. Der Antrag auf Theilung wird mit 161 gegen 155 Stimmen angenommen.</p>
          <p>Bei der ferneren Abstimmung wird der erste Theil des Antrages mit geringer Majorität, der zweite Theil einstimmig angenommen.</p>
          <p>Es wird zur Verloosung in die sieben Abtheilungen geschritten, welche heute Nachmittag ihre Wahlprüfungsgeschäfte in den Abtheilungslokalen vorzunehmen haben.</p>
          <p><hi rendition="#g">Alterspräsident:</hi> Unsere Geschäfte wären demnach für heute beendigt. Morgen müssen wir (!) wegen der Begräbnißfeier des Prinzen Waldemar unsere Sitzung später beginnen. Ich schlage um 12 Uhr vor. (Von vielen Seiten: Um 11 Uhr!) So werden wir also um 11 Uhr morgen zusammenkommen. Die heutige Sitzung ist geschlossen.</p>
          <p>Schluß der Sitzung 1 3/4 Uhr.</p>
          <p>Nächste Sitzung: Mittwoch Vormittags um 11 Uhr.</p>
          <p>Die Abstimmung zeigte, daß die Rechte bis jetzt um etwa 10 Stimmen der Linken überlegen ist. Sollte also der provisorische Präsident, wie man beabsichtigt, morgen gewählt werden, so ist die Wahl <hi rendition="#g">Unruh's</hi> mehr als zweifelhaft. Man erwartet indeß, daß die Nachwahlen das Verhältniß ausgleichen werden.</p>
          <p> <hi rendition="#b">1. Sitzung der s. g. ersten Kammer.</hi> </p>
          <p>Die Herren Milde, Hansemann, Baumstark, Wilh. Beer sitzen friedlich neben Zenker, Forkenbeck, Schumann auf den Bänken der Linken.</p>
          <p><hi rendition="#g">Bracht</hi> hält als Alterspräsident eine Rede.</p>
          <p>Ein ottroyirtes Geschäftsreglement wird nach längerer Debatte angenommen.</p>
          <p>R. v. Auerswald wird endlich zum provisorischen Präsidenten gewählt mit 94 unter 123 Stimmen und die Versammlung geht heiter auseinander.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar235_007" type="jArticle">
          <head>Kremsier, 23. Febr.</head>
          <p>In der heutigen Sitzung stellte der czechische Urochs, Namens Palacky, folgende Interpellation ans Ministerium: Die Tage des 15. März, des 26. Mai, 1. 3. 6. Juni haben durch die an dieselben geknüpften Erklärungen den Völkern Oestreichs die Bestimmung ihrer Geschicke in die eigenen Hände gegeben, insbesondere habe dies das Constitutionsversprechen vom 8. April in Bezug auf Böhmen gethan. Widersprechend erschiene hiermit eine andere als staatliche Verbindung zwischen einem verjüngten Oestreich und einem verjüngten Deutschland, ein Widerspruch, der durch Ansprüche bekräftigt würde, die, in Frankfurt erhoben, für Oestreichs Völker machtgebend sein sollten. Die Note vom 4. Febr. sei unklar, Oestreich wolle darin eine deutsche Macht sein, wolle es wieder nicht. Die gleiche Berechtigung aller Nationalitäten sänke bei einer derartigen Bevorzugung des deutschen Elements zur hohlen Phrase herab. Völkerrechtliche Verbindungen könnten zwischen Deutschland und Oestreich bestehen, ohne daß dadurch beiderseitige Verhältnisse beeinträchtigt würden. Weit eher aber dürfte man die Slaven hindern, sich bei dem deutschen Parlamente zu betheiligen, als einen panslavischen Kongreß zu beschicken, oder die Italiener eine Constituante. Das Ministerium möge sich erklären: ob sich etwas an dem Sachverhältniß gegen Deutschland seit dem Programm des 27. Nov. geändert habe; ob es dem östreichischen Reichstage die Kompetenz in höchster Staatsgesetzgebung für östreich. Völker zuerkenne; warum fortan in Ländern Wahlen nach Frankfurt ausgeschrieben würden, die ihre entschiedene Abneigung dagegen bezeugt und ob das Ministerium gewilligt sei, die auf das Staatsverhältniß zu Deutschland bezüglichen Akten auf den Tisch des Hauses niederlegen. &#x2012; Es folgt die Wahl des Präsidenten und der Vizepräsidenten. Beim ersten Scrutinium erhielt Smolka unter 312 Votanten 298 Stimmen; Kudler wurde zum ersten, Brauner zum zweiten Vizepräsidenten gewählt.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar235_008" type="jArticle">
          <head><bibl><author>*</author></bibl> Dresden, 27. Febr.</head>
          <p>In der heutigen Sitzung der 2. Kammer interpellirt u. A. Vicepräsident Schaffrath:</p>
          <p>In Zeitungen werde gelesen, daß man von Seiten Deutschlands, namentlich Baierns gegen die römische Republik interveniren wolle. Dadurch verletze man den Grundsatz, daß man in die Selbständigkeit eines freien Volks nicht eingreifen dürfe, dem auch die sächsische Regierung huldigen müsse. Er interpellire daher dahin: ist es wahr oder was ist der Regierung hierüber bekannt, und wird die Regierung allen ihren Einfluß anwenden, um dies zu verhindern? Vicepr. Tzschirner fragt endlich auch noch an: ob die Grundrechte morgen publicirt würden. Die heutige Erklärung des Ministerium stehe mit dem gestern mitgetheilten Programme in offenbarem Widerspruche. (Bravo!) Staatsminister v. Ehrenstein: Die Zusicherung einer unverzüglichen Publication schließe wohl nicht aus, daß ein Ministerium, welches erst angetreten, und die Landtagsschriften kaum gelesen hat, eine Erwägung sich vorbehalte über die Ausführung. Ein Hinziehen liege nicht in der Absicht der Regierung. Vicepr. Tzschirner: Das neue Ministerium wird gewiß schon erwogen haben, daß mit der Publication nicht zugleich die Ausführung der Grundrechte zu erfolgen habe. Er bleibe bei seiner Anfrage.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar235_009" type="jArticle">
          <head>Dresden, 26. Febr.</head>
          <p>In der heutigen Sitzung der <hi rendition="#g">II. Kammer</hi> enthielt die Registraude unter Anderm eine Dankadresse von 154 Soldaten an den Abg. (Oberlieutenant) Müller aus Dresden, welche mit Beifall von der Gallerie begrüßt wird. Nach dem Vortrage der Registrande gibt Staatsminister Dr. Held die (mit der in der I. Kammer gemachten gleichlautende) von der Kammer mit großer Ruhe aufgenommene Erklärung. (Nr. 58.) Auf der Tagesordnung steht der Tzschirner'sche Antrag auf Zurückziehung der sächsischen Truppen aus Thüringen, wozu Abg. Finke noch beantragt hatte daß die Regierung dahin wirken möge, daß alle Reichstruppen aus Thüringen und Altenburg zurückgezogen würden. Abg. Berthold ergreift zuerst das Wort:</p>
          <p>In Deutschland herrscht jetzt das Streben, die verschiedenen deutschen Truppen mit einander zu vertauschen und hin und her zu werfen. Das kostet erstens unmenschliches Geld und widerstreitet sodann dem System unsres Kriegswesens, indem die gewöhnlichen, demselben entsprechenden Beurlaubungen jetzt unmöglich sind. Durch dieses Streben wird nicht die Einheit, sondern die Trennung Deutschlands gefördert! Es wird wohl auch Niemand im Ernste daran glauben, daß die Einheit Deutschlands der Zweck jener Maßregel ist. Der Papst war ein kluger Mann, als er die Priester ehelos machte. Sie wurden willenlose Werkzeuge. Ebenso ist der Reichskriegsminister kein dummer Mann, wenn er die Truppen der Heimat entfremdet. Die thüringischen Verhältnisse müssen schon schlimm sein, wenn die Regenten genöthigt sind, sich auf fremde Truppen zu stützen. Abg. Meinel: Wenn durch solche gewaltsame Mittel die Ruhe hergestellt werden soll, so kommt es mir vor, als wenn man ein Gewitter durch das Geläute der Glocken entfernen wolle. Sorge man lieber dafür, daß sich kein Gewitterstoff ansammle. Jene Friedensherstellung ist bereits geschehen. Sind unsere Truppen vielleicht noch dort, weil die Herren Offiziere sich dort wohler befinden? Die Offiziere können dort bleiben wenn sie wollen! In Zeitungen liest man vielfach, daß die Offiziere sich nicht so verhalten, wie man es von humanen Menschen erwarten sollte. Ich interpellire das Kriegsministerium, was es bezüglich der in öffentlichen Blättern verbreiteten Nachrichten über das Verhalten der in Thüringen befindlichen Offiziere zu thun gedenke.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar235_010" type="jArticle">
          <head>Altona, 27. Febr.</head>
          <p>Der hiesige &#x201E;Merkur&#x201C; enthält über die dänisch-deutsche Frage nachstehende Mittheilung:</p>
          <p>&#x201E;Nach zuverlässiger Nachricht hat die dänische Regierung, auf
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[1294/0002] zeuge des Unrechts her. Camphausen, der gar keine Veranlassung dazu hatte, that, was er (der Justizminister) thun mußte. Dieselbe Feigheit zeigt er in Bezug auf Temme's Amtssuspension. Jener hohen Person ist nichts mehr ein Gräuel, als daß Temme noch auf seinem Richterposten ist. Seine Entfernung aus demselben war der eigentliche Zweck des ganzen gegen ihn verübten Verfahrens. Dazu wurden theils wissentlich, theils unwissentlich die in der Sache wirkenden Behörden mißbraucht. Darum steht es auch fest, daß er unter keinen Umständen wieder in sein Amt zurück soll. Vergebens hat er sich um Aufhebung seiner Amtssuspension in vielen Eingaben an den Justizminister gewandt; zuerst gab ihm letzterer gar keine Antwort, zuletzt, unterm 16. Feb. eröffnete er ihm, daß der Staatsanwalt in Berlin, dem er seine Akten zugestellt, einen Bescheid ertheilen würde. Temme hat ihm natürlich erwidert, daß er sich über das Oberlandesgericht zu Münster bei ihm, dem Justizminister, beschwert hätte, daß der Staats-Anwalt in Berlin also hier keinen Bescheid ertheilen könne, da derselbe nicht Vorgesetzter jenes Oberlandesgerichts sei. Temme hat ihm dabei geradezu erklärt, daß er, der Justizminister, den Muth haben müsse, in dieser Sache eine Entscheidung zu geben, daß er verantwortlich für das in der Sache verübte und von ihm schmählich geduldete Unrecht sei, und daß er die Verantwortlichkeit des Staatsanwalts nicht vorschieben dürfe. Einen Bescheid hat Temme darauf noch nicht erhalten. 305 Berlin, 27. Febr. Nachdem der König die Thronrede geendet, brachte ihm der Friedensrichter Pelzer von Lennep, Abgeordneter der zweiten Kammer, ein Hoch aus, in welches außer den Krautjunkern nur Wenige der anwesenden Deputirten einstimmten. Es darf dabei auch nicht außer Acht gelassen werden, daß die Abgeordneten nur den kleinsten Theil der Versammlung bildeten. Die Mehrzahl bestand aus Generalen, höhern Beamten, Kammerherren und Kammerdienern, die freilich alle ihre Kehlen gehörig anstrengten. Vor dem Schlosse hatten sich einige tausend Bürger, die nach ihren Anzügen zu urtheilen, dem mittlern Bürgerstande anzugehören schienen, eingefunden, und ein Spalier gebildet. Als der König durchfuhr, trat eine wahre Grabesstille ein; die Deputirten der frühern Linken der aufgelösten Nationalversammlung wurden dagegen mit allgemeinem Jubel begrüßt. Als der Abg. v. Vincke kam, vernahm man ein einstimmiges Zischen. X Berlin, 27. Febr. Nächst der Thronrede erregten gestern noch zwei andere literarische Erscheinungen große Aufmerksamkeit. Die eine war die bereits angekündigte Zusammenstellung der königl. Thronrede unter dem Titel: „Aus dem weißen Saale!“ deren Gesammteindruck frappant ist, die andere die erste Nummer der (Hansemannschen) Constitutionellen Zeitung, welche gestern Abend ausgegeben wurde. Nach Beiden war viel Begehr. Für die constitut. Ztg. scheinen sich namentlich in der Bourgeoisie, aus der sie hervorging, Chancen zu eröffnen; indeß wird die erste Nummer noch zu dürftig an Original-Mittheilungen gefunden. Das Petersburger Kabinet soll in neuester Zeit fortgesetzte Versuche einer freundlicheren Annäherung an Deutschland und speziell an Preußen machen. Daß das Ausfuhrverbot auf Vieh und Pferde bereits vor längerer Zeit zurückgenommen ward, ist bekannt. Man erfährt aber jetzt, daß in kurzer Zeit auch die russ. Truppen von den preuß. Gränzen zurückgezogen werden würden, wo ihre plötzliche und unmotivirte Anhäufung in den vergangenen Monaten zu vielfachen Bedenken und Besorgnissen veranlaßten. Eine andere wichtige Mittheilung ist, daß in diesen Tagen von Seiten unserer Regierung ein außerordentlicher Gesandter nach Olmütz abgegangen ist, um den Kaiser der wohlwollendsten Gesinnungen Preußens zu versichern und zugleich das dortige Kabinet zu weiteren Vorschlägen in der deutschen Frage zu veranlassen, denen diesseitig das aufmerksamste Entgegenkommen, so weit es sich nur immer mit dem deutschen Interesse vereine, gezollt werden würde. Dieser Schritt soll hier Orts von Frankfurt aus angebahnt sein. Bekanntlich sollte hier ein demokratisches Bankett aller demokratischen Wahlmänner und der von ihnen gewählten Abgeordneten stattfinden, zu welchem ursprünglich der 24. Febr. ausersehen war. Da dieser Tag ‒ vermuthlich als der Jahrestag der franz. Revolution ‒ polizeilichen Anstand fand, so wurde das Bankett auf den 2. März verlegt. Jetzt ist es aber ganz und gar verboten, und hat daher das Festkomite den Theilnehmern vorgeschlagen, in den einzelnen Wahlabtheilungen, deren hier vier gebildet sind, unter sich zusammen zu treten. Dies hat aber vielseitigen Widerspruch erfahren und wird daher jetzt vielleicht das ganze Vorhaben unterbleiben. Die Abgeordneten zur zweiten Kammer haben sich nunmehr, nachdem sie sich anfangs in völliges Klikenwesen aufzulösen drohten, in zwei große Hälften geschieden, eine linke und eine rechte Seite, die indeß nach dem eigenen Geständniß einsichtiger Mitglieder eben so wenig Dauer verheißen und nur als erste Grundlage für eine fernere Nüancirung geschlossener Parteien zu erachten sein möchten. Diesem entsprechend soll denn auch Grabow bereits beabsichtigen, mit den Herren Vincke und Bodelschwingh ein rechtes Centrum zu bilden, was aber in dieser Zusammensetzung wenig Haltbarkeit zu versprechen scheint. Eigentliche Beschlüsse sind bis hieran noch von keiner Partei gefaßt, obwohl beide sich fast abendlich versammeln und namentlich die Linke gestern Abend in ihrem Versammlungslokal bei Jaraschowitz in der Markgrafenstr. sehr zahlreich vertreten war. Vermuthlich wird die rechte Seite fürs Erste um einige Stimmen überwiegen, das Weitere wird von den ministeriellen Vorlagen abhängen, theilweise auch von den Führern, die sich aufwerfen, an denen es jetzt noch ganz mangelt. Man bemerkt nur eine gewisse Eifersucht, mit welcher die neueingetretenen Mitglieder auf die Aelteren blicken, um nicht von ihnen bevormundet zu werden. Der erste entscheidende Kampf wird bei der Präsidentenwahl sein, in welcher sich die Kammer zwischen Unruh und Grabow entscheiden wird. ‒ Die erste Kammer läßt bis jetzt noch fast nichts von sich hören. Die beabsichtigte billige Vergnügungsfahrt per Eisenbahn von hier nach Paris (10 Thlr. à Person hin und zurück) dürfte verschoben werden, da sie gegenwärtig nicht genug Zuspruch gefunden hat. Von einigen Seiten schiebt man dem Unternehmen demokratische Tendenzen unter. (Bravo!) Die heutige zweite Sitzung der beiden Kammern in ihren Sitzungslokalien gestattete dem Publikum zum ersten Mal den Eintritt in dieselben. Sie befinden sich beide in neu aufgeführten Gebäuden, deren eins hinter der katholischen Kirche, das andere hinter dem Justizministerium am Dönhofsplatz liegt, beide in ehemaligen Gartenräumen und dem Auge durch die davor liegenden Gebäude völlig entzogen, zugleich aber auch gegen jeden Angriff von Volksmassen gesichert. Man gelangt insbesondere zur zweiten Kammer, erst nach dem Durchgange durch ein Wohnhaus, nach einer wahren Reise durch einen hohen und engen, zu beiden Seiten mit Brettern eingeschlossenen Gang, durch mehrere Vorgebäude, über Treppen und Hallen. In ähnlicher Weise passirt man zur ersten Kammer einen Garten und in den Vorräumen Beider befinden sich starke Constablerwachen, so daß für die Sicherheit ausreichend gesorgt erscheint. X Berlin, 27. Febr. Die längst erwartete „Constitutionelle Zeitung,“ das Organ des Hrn. Hansemann, ist gestern Abend endlich erschienen. Fährt sie so fort, so wird sie den andern Zeitungen wenig Concurrenz machen. Sie wird untergehen, an ihrer entsetzlichen Langweiligkeit. Ein neues Blatt ist heute Abend erschienen: die Tribüne, redigirt durch B. Stein und E. Dohm. Die Tribüne will eine rücksichtslose Kritik gegen alle ausüben, welcher Partei sie auch angehören mögen. Gegen den Buchdruckereibesitzer Reinhardt ist eine Untersuchung eingeleitet worden, wegen eines Plakates vom 12. Novbr. dessen Verfasser der bekannte Eichler ist. R. wird indessen nachweisen, daß sich Eichler noch 3 Monate später in Berlin befunden hat, und daß also die Nachlässigkeit des Staatsanwalts allein die Schuld trägt, daß der Verfasser nicht zur Untersuchung gezogen werden konnte. Der Buchdruckereibesitzer Schlesinger ist heute von der Anklage, auf Grund des Preßgesetzes vom 17. März, wegen Hinweglassung des Wohnortes gegen ihn erhoben, freigesprochen worden. Nach reiflicher Ueberlegung wäre man zu der Ueberzeugung gekommen, daß durch die Verf. v. 5. Dez. die Gesetze vom 17. März und 6. April aufgehoben seien. In einer Vorversammlung zur s. g. ersten Kammer trug der Abg. v. Schleinitz darauf an, daß alle Mitglied er, welche Orden hätten, auch stets mit denselben in den Sitzungen erscheinen möchten. Aber selbst hier erregte dieser Antrag einen Sturm des Unwillens und Saucken- Tarputschen rief aus, er sei eines Deputirten unwürdig. Die Nachwahlen für Berlin werden am Donnerstag stattfinden. Gestern sind im Teltower Kreise die Herren Griesheim und Geheimrath Stiehl, bei der stattfindenden Nachwahl zur zweiten Kammer gewählt worden. 1. Sitzung der zweiten Kammer am 27. Febr. (Der Sitzungs-Saal der zweiten Kammer, im ehemaligen Hardenbergschen Palats auf dem Dönhofsplatz, bildet ein längliches Viereck, von dem drei Wände in der oberen Verlängerung, etwa in der Mitte, weiter hinausgerückt sind, und die verschiedenen Tribünen enthalten. Der Saal ist mit demselben Teppich bedeckt, der früher im Weißen Saale und den verschiedenen Sitzungs-Lokalen der National-Versammlung befindlich war; die untere Hälfte der Wände ist grau marmorirt und mit grünen und rothen Streifen bemalt, die obere Hälfte zum Theil mit rothen Gardinen drappirt. Von der mittleren Höhe der Wände aus erheben sich sechszehn bronzirte Säulen, die das Gebäude tragen; die Decke ist eine Art gewölbtes Täfelwerk, gleichfalls durch bronzirte Stangen und Senkel zusammengehalten. Das Licht fällt durch je zwei in der Decke befindliche, stumpfwinklig in der Höhe zusammenstoßende Lichtfenster von mattgeschliffenem Glase, außerdem durch acht, an der Front und rechten Seitenwand oberhalb der Tribüne angebrachte Fenster. Inmitten der vorderen Längewand erhebt sich die Estrade des Präsidiums, in der bekannten früheren Einrichtung, unmittelbar davor die Rednerbühne. Wenige Schritte davon der Stenographentisch. Geradeüber, in der Mitte der Hinterwand, befindet sich die Ministerbank, mit einer festen Brustwehr davor, hinter derselben sind die Tische für die Unterstaatssecretäre. Von hier aus erheben sich, mäßig emporsteigend, die Sitze der Abgeordneten rechts und links; ein Centrum ist räumlich nicht vorhanden. Die Bänke sind in Ecken rund geschweist; in dem dadurch gewonnenen Raum befinden sich die Oefen. Auf den Tribünen sind im Ganzen acht verschiedene Logen, für die königl. Familie, die Diplomaten, die Mitglieder der ersten Kammer, die Journalisten und das Publikum. Das Ganze gewährt einen mehr gefälligen und heiteren als imposanten Anblick.) Die Parteien nehmen auf beiden Seiten des Hauses, streng unterschieden, ihre Plätze ein. Selbst die neugewählten Mitglieder wußten sich sogleich zu Recht zu finden. Auf den Antrag des Abgeordneten Raumann wird der Kanonikus Lensing zum Alterspräsidenten gewählt. In seiner sentimentalen Antrittsrede spricht er viel von dem Jubel, mit dem die Verfassung begrüßt sei; von ihrer Freisinnigkeit von Ausbau u. s. w. Geger ihn erhebt sich Herr Grün, der sogleich die Nichtachtung des Präsidenten für die fruhere National-Versammlung tadelt und es ausspricht, daß wenigstens dort, wo er gewählt wurde, dieser Jubel nicht stattgefunden hätte. (Die vier jüngsten Mitglieder der Versammlung nehmen den Platz der Schriftführer ein; es sind dies die Abgeordneten Herr, Löhr, Grun und Parrisius.) Der Schriftführer Parrisius liest folgenden eingereichten Antrag vor: „Die Hohe Kammer wolle beschließen: eine Kommission zur Ausarbeitung einer Geschäfts-Ordnung durch die zu bildenden Abtheilungen, in der Zahl von zwei Mitgliedern aus jeder Abtheilung, zu erwählen, bis dahin aber, daß diese Kommission eine Ausarbeitung vorgelegt und die Kammer über dieselbe beschlossen haben wird, die beiliegende vorläufige Geschäfts-Ordnung bei Behandlung der Geschäfte für die Fälle, in welchen reglementarische Bestimmungen nicht zu entbehren sind, als maßgebend anzunehmen, von einer zeitraubenden Diskussion der Einzelbestimmungen aber für jetzt Abstand zu nehmen. (Folgen die Motive.) Unterzeichnet von: Viehbahn, Abgeordneter für Bielefeld-Halle-Wiedenbrück. Geßler, Abgeordneter für Chodziesen-Czarnikau-Wongrowie. Keller, Abgeordneter für Barnim-Angermünde. Müller, Abgeordneter für Siegen-Wittgenstein-Olpe. Riedel, Abgeordneter für Barnim-Angermünde. Ulrich, Abgeordneter für Soest-Hamm. Ein zweiter Antrag von dem Abgeordneten v. Unruh eingereicht, geht dahin: „Sofort die Verloosung der Mitglieder für die 7 Abtheilungen vorzunehmen, deren jede eine möglichst gleiche Anzahl von Mitgliedern enthaltend, ihren Vorsitzenden und Schriftführer, sowie Stellvertreter für beide nach absoluter Majorität zu erwählen hat. Die Vorprüfung der Wahlen geschieht in den Abtheilungen; nach vorgenommener Prüfung ernennt jede Abtheilung einen Berichterstatter. Ueber die Gültigkeit der Wahlen entscheidet die Plenar-Versammlung, bis dahin behalt der Angefochtene seinen Sitz in der Versammlung, stimmt jedoch bei der Entscheidung über die Gultigkeit sein r Wahl nicht mit. Aus den Abtheilungen treten je zwei Mitglieder zu einer Commission zusammen, um ein vorläufiges Geschäfts-Reglement für die Rede Ordnung und die Abstimmungen zu entwerfen, auf Grund deren die Verhandlungen bei den Wahlprüfungen geleitet werden.“ Der Abgeordnete v. Viebahn spricht höchst pathetisch von der neuen Zeit, die über das Vaterland gekommen, daß die Augen von ganz Europa auf sie gerichtet seien u. s. w. Er empfiehlt die „von erfahrenen und freiheitsliebenden Männern“ ausgearbeitete Geschäftsordnung. v. Unruh opponirt ihn und ruft die Billigkeit des Hauses an, da man das Reglement noch nicht einmal gelesen habe und es doch nicht ohne Weiteres annehmen könne. Riedel hat den Vorredner gar nicht verstanden und spricht ungehöriger Weise vom hohen Beruf dieser Versammlung und dergleichen Phrasen, ohne zur Sache zu kommen Abgeordneter v. Berg: Die Herren, welche dies Geschäfts-Reglement ausgearbeitet haben, sagen, sie wären alle die letzte Zeit in Berlin gewesen; ich hätte gewünscht, daß sie alsdann die Rücksicht genommen hätten, auch uns ihren Entwurf mitzutheilen. An der sehr unerquicklichen Debatte betheiligen sich Immermann und Waldeck, welche gegen das Reglement sprechen. Abg. Vincke: Ich kann mich mit den Vorrednern nicht einverstanden erklären. Zur Entscheidung über die vorläufige nothwendige Verhandlung kann das Viebahn'sche Reglement auch zugelassen werden. Wenn man den Grund anführt, daß es erst genau gekannt werden müsse, so bemerke ich, daß wir das von Herrn v. Unruh auch nicht weiter, als vom Vorlesen her, kennen. Abg. Pflücker (von Breslau) spricht gegen den Viebahn'schen Antrag, ebenso Abg. Haacke. Abg. Geßler will gleichfalls die Vertagung bis morgen. (Von der Linken: Das ist ein neuer Antrag!) Abg. Kirchmann: Der Antrag auf Vertagung verlangt, daß wir heute nach Hause gehen, ohne etwas gethan zu haben; das kann unmöglich gebilligt werden, daß wir so viel kostbare Zeit verlieren, nachdem wir gestern schon einen ganzen Tag verloren haben. Jedenfalls müssen heute die Abtheilungen verloost werden. Unsere vorgelegte Geschäfts-Ordnung selbst aber kann unmöglich ohne Debatte angenommen werden. Dagegen spricht schon das Bedenken, das einzelne §§, wie die von der Beschränkung der Interpellation, der Polizei des Hauses u. s. w. erregen. Abg. Grün spricht für die Gründlichkeit. Abg. v. Merkel (v. Liegnitz) und Pilet sprechen gegen die Vertagung, die Abgeordneten v. Bismark Schönhausen und Raumann dafür. Abg. D'Ester bemerkt, er wundere sich, daß das Ministerium, das doch so Vieles ohne die Versammlung gethan, nicht zu dem Uebrigen auch noch eine Geschäftsordnung octroyirt habe. Nachdem noch Abg. v. Auerswald für die Vertagung nach geschehener Abtheilungsverlosung gesprochen, wird auch der Antrag des Abg. Moritz der Schluß der Debatte einstimmig angenommen. Ueber die Fragestellung erhebt sich eine neue, ziemlich verworrene Debatte. Der Immermann'sche Antrag wird endlich folgendermaßen formulirt: 1. In der morgenden Sitzung möge sowohl über die Geschäftsordnung des Abg. v. Viebahn und Consorten, als über die des Abg. v. Unruh die Debatte und Abstimmung vorgenommen werden; 2. möge die Bildung der sieben Abtheilungen durch das Loos mit den oben angegebenen Modalitäten heute noch vorgenommen werden. Ueber die Frage, ob in diesem Antrage zwei theilbare Gegenstände seien, entsteht abermals eine kurze Debatte, es wird zwei Mal abgestimmt. Die ganze Linke erhebt sich für die Theilung, so wie etwa 10 Mitglieder der Rechten. Der Antrag auf Theilung wird mit 161 gegen 155 Stimmen angenommen. Bei der ferneren Abstimmung wird der erste Theil des Antrages mit geringer Majorität, der zweite Theil einstimmig angenommen. Es wird zur Verloosung in die sieben Abtheilungen geschritten, welche heute Nachmittag ihre Wahlprüfungsgeschäfte in den Abtheilungslokalen vorzunehmen haben. Alterspräsident: Unsere Geschäfte wären demnach für heute beendigt. Morgen müssen wir (!) wegen der Begräbnißfeier des Prinzen Waldemar unsere Sitzung später beginnen. Ich schlage um 12 Uhr vor. (Von vielen Seiten: Um 11 Uhr!) So werden wir also um 11 Uhr morgen zusammenkommen. Die heutige Sitzung ist geschlossen. Schluß der Sitzung 1 3/4 Uhr. Nächste Sitzung: Mittwoch Vormittags um 11 Uhr. Die Abstimmung zeigte, daß die Rechte bis jetzt um etwa 10 Stimmen der Linken überlegen ist. Sollte also der provisorische Präsident, wie man beabsichtigt, morgen gewählt werden, so ist die Wahl Unruh's mehr als zweifelhaft. Man erwartet indeß, daß die Nachwahlen das Verhältniß ausgleichen werden. 1. Sitzung der s. g. ersten Kammer. Die Herren Milde, Hansemann, Baumstark, Wilh. Beer sitzen friedlich neben Zenker, Forkenbeck, Schumann auf den Bänken der Linken. Bracht hält als Alterspräsident eine Rede. Ein ottroyirtes Geschäftsreglement wird nach längerer Debatte angenommen. R. v. Auerswald wird endlich zum provisorischen Präsidenten gewählt mit 94 unter 123 Stimmen und die Versammlung geht heiter auseinander. Kremsier, 23. Febr. In der heutigen Sitzung stellte der czechische Urochs, Namens Palacky, folgende Interpellation ans Ministerium: Die Tage des 15. März, des 26. Mai, 1. 3. 6. Juni haben durch die an dieselben geknüpften Erklärungen den Völkern Oestreichs die Bestimmung ihrer Geschicke in die eigenen Hände gegeben, insbesondere habe dies das Constitutionsversprechen vom 8. April in Bezug auf Böhmen gethan. Widersprechend erschiene hiermit eine andere als staatliche Verbindung zwischen einem verjüngten Oestreich und einem verjüngten Deutschland, ein Widerspruch, der durch Ansprüche bekräftigt würde, die, in Frankfurt erhoben, für Oestreichs Völker machtgebend sein sollten. Die Note vom 4. Febr. sei unklar, Oestreich wolle darin eine deutsche Macht sein, wolle es wieder nicht. Die gleiche Berechtigung aller Nationalitäten sänke bei einer derartigen Bevorzugung des deutschen Elements zur hohlen Phrase herab. Völkerrechtliche Verbindungen könnten zwischen Deutschland und Oestreich bestehen, ohne daß dadurch beiderseitige Verhältnisse beeinträchtigt würden. Weit eher aber dürfte man die Slaven hindern, sich bei dem deutschen Parlamente zu betheiligen, als einen panslavischen Kongreß zu beschicken, oder die Italiener eine Constituante. Das Ministerium möge sich erklären: ob sich etwas an dem Sachverhältniß gegen Deutschland seit dem Programm des 27. Nov. geändert habe; ob es dem östreichischen Reichstage die Kompetenz in höchster Staatsgesetzgebung für östreich. Völker zuerkenne; warum fortan in Ländern Wahlen nach Frankfurt ausgeschrieben würden, die ihre entschiedene Abneigung dagegen bezeugt und ob das Ministerium gewilligt sei, die auf das Staatsverhältniß zu Deutschland bezüglichen Akten auf den Tisch des Hauses niederlegen. ‒ Es folgt die Wahl des Präsidenten und der Vizepräsidenten. Beim ersten Scrutinium erhielt Smolka unter 312 Votanten 298 Stimmen; Kudler wurde zum ersten, Brauner zum zweiten Vizepräsidenten gewählt. * Dresden, 27. Febr. In der heutigen Sitzung der 2. Kammer interpellirt u. A. Vicepräsident Schaffrath: In Zeitungen werde gelesen, daß man von Seiten Deutschlands, namentlich Baierns gegen die römische Republik interveniren wolle. Dadurch verletze man den Grundsatz, daß man in die Selbständigkeit eines freien Volks nicht eingreifen dürfe, dem auch die sächsische Regierung huldigen müsse. Er interpellire daher dahin: ist es wahr oder was ist der Regierung hierüber bekannt, und wird die Regierung allen ihren Einfluß anwenden, um dies zu verhindern? Vicepr. Tzschirner fragt endlich auch noch an: ob die Grundrechte morgen publicirt würden. Die heutige Erklärung des Ministerium stehe mit dem gestern mitgetheilten Programme in offenbarem Widerspruche. (Bravo!) Staatsminister v. Ehrenstein: Die Zusicherung einer unverzüglichen Publication schließe wohl nicht aus, daß ein Ministerium, welches erst angetreten, und die Landtagsschriften kaum gelesen hat, eine Erwägung sich vorbehalte über die Ausführung. Ein Hinziehen liege nicht in der Absicht der Regierung. Vicepr. Tzschirner: Das neue Ministerium wird gewiß schon erwogen haben, daß mit der Publication nicht zugleich die Ausführung der Grundrechte zu erfolgen habe. Er bleibe bei seiner Anfrage. Dresden, 26. Febr. In der heutigen Sitzung der II. Kammer enthielt die Registraude unter Anderm eine Dankadresse von 154 Soldaten an den Abg. (Oberlieutenant) Müller aus Dresden, welche mit Beifall von der Gallerie begrüßt wird. Nach dem Vortrage der Registrande gibt Staatsminister Dr. Held die (mit der in der I. Kammer gemachten gleichlautende) von der Kammer mit großer Ruhe aufgenommene Erklärung. (Nr. 58.) Auf der Tagesordnung steht der Tzschirner'sche Antrag auf Zurückziehung der sächsischen Truppen aus Thüringen, wozu Abg. Finke noch beantragt hatte daß die Regierung dahin wirken möge, daß alle Reichstruppen aus Thüringen und Altenburg zurückgezogen würden. Abg. Berthold ergreift zuerst das Wort: In Deutschland herrscht jetzt das Streben, die verschiedenen deutschen Truppen mit einander zu vertauschen und hin und her zu werfen. Das kostet erstens unmenschliches Geld und widerstreitet sodann dem System unsres Kriegswesens, indem die gewöhnlichen, demselben entsprechenden Beurlaubungen jetzt unmöglich sind. Durch dieses Streben wird nicht die Einheit, sondern die Trennung Deutschlands gefördert! Es wird wohl auch Niemand im Ernste daran glauben, daß die Einheit Deutschlands der Zweck jener Maßregel ist. Der Papst war ein kluger Mann, als er die Priester ehelos machte. Sie wurden willenlose Werkzeuge. Ebenso ist der Reichskriegsminister kein dummer Mann, wenn er die Truppen der Heimat entfremdet. Die thüringischen Verhältnisse müssen schon schlimm sein, wenn die Regenten genöthigt sind, sich auf fremde Truppen zu stützen. Abg. Meinel: Wenn durch solche gewaltsame Mittel die Ruhe hergestellt werden soll, so kommt es mir vor, als wenn man ein Gewitter durch das Geläute der Glocken entfernen wolle. Sorge man lieber dafür, daß sich kein Gewitterstoff ansammle. Jene Friedensherstellung ist bereits geschehen. Sind unsere Truppen vielleicht noch dort, weil die Herren Offiziere sich dort wohler befinden? Die Offiziere können dort bleiben wenn sie wollen! In Zeitungen liest man vielfach, daß die Offiziere sich nicht so verhalten, wie man es von humanen Menschen erwarten sollte. Ich interpellire das Kriegsministerium, was es bezüglich der in öffentlichen Blättern verbreiteten Nachrichten über das Verhalten der in Thüringen befindlichen Offiziere zu thun gedenke. Altona, 27. Febr. Der hiesige „Merkur“ enthält über die dänisch-deutsche Frage nachstehende Mittheilung: „Nach zuverlässiger Nachricht hat die dänische Regierung, auf

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Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 2 (Nummer 184 bis Nummer 301) Köln, 1. Januar 1849 bis 19. Mai 1849. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




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Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 235. Köln, 2. März 1849, S. 1294. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz235_1849/2>, abgerufen am 27.04.2024.