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Neue Rheinische Zeitung. Nr. 232. Köln, 26. Februar 1849. Beilage.

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Beilage zu Nr. 232 der Neuen Rheinischen Zeitung.
Organ der Demokratie.
Dienstag 26. Februar 1849.
[Italien]
* Florenz, 16. Febr.

Die provisorische Regierung hat in Anbetracht der Dringlichkeit, die italienische Constituante zu beschicken, verordnet, daß Toskana 37 Deputirte nach Rom sendet, die in den auf den 5. März zusammenberufenen Kommunalversammlungen zu ernennen sind. Jeder italienische Bürger ist wählbar. Mazzini ist heute hier enthusiastisch vom Volke empfangen und mit donnernden Lebehochs aufgenommen worden. Er empfahl alsbaldige und unbedingte Vereinigung mit Rom. Das Volk antwortete wie aus einem Munde: Es lebe Mazzini! Vereinigung mit Rom! Es lebe die italienische Republik!

Der hiesige "Nazionale" enthält folgende Zeilen: Eine diesen Morgen von Pisa angelangte glaubwürdige Person berichtet, daß eine große Kolonne bewaffneter Livornesen mit einer zahlreichen Artillerie sich gegen San Stefano in Bewegung gesetzt hat. Ein englisches Dampfboot hat das Geld des östreichischen Leopold an Bord genommen und zum Herrn Vetter in Neapel in Verwahrung gebracht.

Schweiz.
Bern, 21. Februar.

Heute stand Herr Buchhändler Jenni, Herausgeber des "Guckkastens", wegen der (vom Großen Rathe für religionsgefährlich taxirten) Nummer 2 dieses Blattes (1849) vor dem Bezirksgerichte Bern. Er wurde zu 35 Fr. Buße, zu 8 Tagen Gefangenschaft und zur Bezahlung der Kosten verurtheilt. Die gefährliche Stelle in der fraglichen Nummer 2 des Jenni'schen Blattes ist folgende:

Theater in Bern.

Münst., Mittwoch3 Uhr:Hr. Pfarrer Bay.
Münst., Freitag3 Uhr:Hr. Helfer Gaudard.
Rydegg, Donnst.8 Uhr:Hr. Pfarrer Zyro.
H. Geist, Donnst.9 Uhr:Hr. Vikar Dür.

Egl. franc. Jeudi 10 heur.: Mr. le Past. Schaff[unleserliches Material]er.

- Am 18. d. sind auf dem hiesigen Markte von Turiner Juden eine Menge Pferde aufgekauft worden. Es heißt, sie hätten einige Tausend für die piemontesische Armee zu liefern. Ein Zeichen des Krieges.

Großbritannien.
* London, 24. Februar.

Unterhaus von gestern.

Lord I. Russell kündigt eine Bill zur Festsetzung einer außerordentlichen Armensteuer in Irland an. Das Haus bildet sich sodann zum Comite über die Eidesleistung der Parlamentsmitglieder.

Vernon Smith beantragt die Aufhebung jeden Eides, den der Unterthanen-Treue ausgenommen. Wenn die Zulassung der Juden ins Parlament nützlich sei, so gäbe es keinen passendern Weg, als den von ihm bezeichneten. Lord I. Russel dringt dagegen auf Beibehaltung des 1829 für römische Katholiken festgestellten Eides.

Hume tritt der Smith'schen Ansicht bei. Die wahre Politik des gesetzgebenden Körpers erfordere Abschaffung aller unnöthigen Eide. Der Smithsche Antrag wird indeß mit 140 gegen 67 Stimmen verworfen.

Es wurde namentlich noch wegen des die katholischen Parlaments-Mitglieder betreffenden Eides ein Langes und Breites hin und hergeschwatzt und endlich die ursprüngliche Resolution genehmigt, auf deren Basis hin noch vor Schluß der Sitzung die Juden-Emancipationsbill vorgelegt und zum ersten Mal gelesen wurde.

Hierauf kam die zweite Lesung der Bill wegen Erleichterung irischer Noth an die Reihe. Die Bill passirte dieses Stadium. Irland war aber noch nicht zu Ende.

Somerville brachte noch drei irische Bills ein, die ihre erste Lesung erhielten. Der Premier-Minister kündigte für den 16. April die zweite Lesung der ebengedachten Juden-Emancipationsbill an. Das Haus vertagt sich gegen 7 Uhr Abends.

Oberhaus von gestern. Ministerieller Seits wird zweite Lesung der Bill wegen weiterer Suspension der Habeas-Corpus-Acte in Irland beantragt. Der dem Frankfurter "Edlen" sinnverwandte Brougham bedauert nur, daß die Suspension nicht für längere Zeit gefordert werde! Die zweite Lesung wird natürlich mit zuvorkommendster Bereitwilligkeit genehmigt und nach diesem saubern, aber nicht sauern Stück Arbeit vertagen sich Ihre Lordschaften.

* London, 24. Februar.

Die "Fraternal Democrats" zu London übersandten gestern an die zur Feier der Februar-Revolution sich in Paris versammelnden "wahren" Republikaner nachstehende Adresse:

"Brüder!

In Voraussicht, daß Ihr den glorreichen 24. Februar in würdiger Weise feiern werdet, senden wir Euch diesen freundlichen Gruß unter Versicherung unserer brüderlichen Gefühle und unseres innigsten Verlangens nach dem Siege der wahren - der sozialdemokratischen Republik.

Wir richten diese Worte an die "wahren" Republikaner, weil wir zwichen Heuchlern und Ehrenmännern, zwischen verkappten Royalisten und wahrhaften Demokraten, politischen Schwätzern und sozialen Reformern, zwischen den Verfolgern der Republikaner und den Verfolgten, zwischen den Verschwörern zu Gunsten einer Wiederherstellung der Monarchie und zwischen Jenen unterscheiden müssen, die für die Republik zu leben und zu sterben geschworen haben. Auf Seiten der Letztern ist unser Stand. Indem wir uns an die "wahren" Republikaner wenden, sprechen wir zu den Schaaren der "Rothen Republik", zu unsern Brüdern der sozialdemokratischen Republik!

Euch, Brüder, dem heldenmüthigen Pariser Volke, ist die Welt auf immer verpflichtet für den unwiderstehlichen Impuls, den Ihr mittelst Eures Sieges in den drei Februartagen der Sache der universellen Freiheit gegeben habt.... Doch während wir uns mit Euch in der Erinnerung an den Februarsieg freuen, trauern wir mit Euch über das schreckliche Unheil, das nur allzubald auf jenen Tag des Triumphes folgte. Die Verbannten, die in unserem Lande eine Zufluchtsstätte gesucht - die Gefangenen in Vincennes - die Opfer der Kriegsgerichte - die heroischen Märtyrer der Juni-Barrikaden: sie Alle nehmen unsere Sympathie und unsere Thränen in Anspruch. Vor Allem betrauern wir den Verlust der Prinzipien, welche das siegreiche Volk am 24. Februar einweihte. Die von der Provisorischen Regierung dem Proletariat gemachten Versprechungen sind schnöde gebrochen worden. Statt des ersehnten Reichs der "Gleichheit, Freiheit und Brüderlichkeit" wurde die Herrschaft der Ungerechtigkeit, der brutalen Gewalt und Verfolgung eingesetzt. Und - o beispiellose Lästerung! - eben im Namen der Republik werden die Begründer und Vertheidiger derselben zum Exil, zu Ketten und Tod verurtheilt.

Dies Unheil ist über Frankreich gekommen, weil die Sieger des Februar die verderbliche Politik der "Mäßigung" annahmen, weil Schein-Republikanern, Intriganten und Schwätzern gestattet wurde, das Ruder der Staatsgewalt zu ergreifen. Von jetzt an, Brüder, sei die erste politische Lehre, die Ihr Euern Kindern gebt, jener Ausspruch des unsterblichen St. Just: "Wer halbe Revolutionen macht, gräbt sich nur sein eignes Grab!"

Doch wir wollen an der Republik nicht verzweifeln. Haben gleich Eure "Gemäßigten" eine wahre Schreckensherrschaft errichtet, so wird doch, wofern Ihr nur einig dasteht, ihre Macht zerbröckelt und vernichtet werden. Ihr habt Vertrauen, Ihr habt Energie: fügt Einigkeit hinzu, und Ihr werdet abermals und für immer siegreich sein.

Bei Gelegenheit der neulichen Präsidentenwahl schmerzte uns die Theilung, welche wir in Euern Reihen erblickten. Bei dem nächsten Wahlkampf hoffen wir nur Eine Partei - Eine Fahne Ein Ziel zu sehen: die Erwählung von erprobten Verfechtern der sozialdemokratischen Republik. Dies, so vertrauen wir, wird Eure Politik, und die Eurer Brüder, der "wahren" Republikaner durch ganz Frankreich sein.

Bei dem Blute der Märtyrer, bei dem Leiden Eurer geächteten Brüder, bei den Hoffnungen der unterdrückten und kämpfenden Völker jedes Namens und Klimas beschwören wir Euch: Vereinigt Euch und bildet eine unbezwingbare, unwiderstehliche Phalanx!

Empfangt unsre heißen Wünsche für Frankreichs Glück. Heil dem "Berge", Heil den Gefangenen von Vincennes, Heil allen unsern leidenden Brüdern! Sieg der "Rothen Republik"! Vive la Republique Democratique et Sociale!

Gruß und Brüderschaft!

Das Comite:

William Shute, Vorsitzender,

Henry Roff, James Graßby, Thom: Grey, John Simpson, Samuel Kydd, Edmund Stallwood, Edwin Gill, John Arnott, John Milne, Charles Keen,

G. Julian Harney, Sekretär.

* Dublin, 23. Febr.

Die Jury, vor welcher Duffy's Prozeß diesmal verhandelt wurde, mußte ebenfalls unverrichteter Sache entlassen werden, nachdem man sie die Nacht über in ihrem Berathungszimmer eingesperrt hatte. Unter den Geschwornen fand ein merkwürdiges Hin- und Herschwanken statt. Zuerst waren fast Alle für gänzliche Freisprechung; später waren 8 von den 12 Geschwornen für Verurtheilung in Betreff sämmtlicher Anklagepunkte; 3 wollten blos in Betreff Eines Punktes das "Schuldig" erklärt wissen. Der zwölfte aber blieb unerschütterlich bei seiner Meinung zu Gunsten des Angeklagten, so daß die Jury mit ihrem Verdikt nicht zu Stande kam. Auf diese Weise scheint Duffy's Prozeß der "ewige" werden zu sollen. -

In Clare hat, wie ein Limericker Journal mittheilt, die Todtenschau-Jury nicht weniger als 12 Hunger-Todesfälle zu untersuchen gehabt. Die massenhaften Ausweisungen des irischen Landvolkes durch die Gutsherrn gehen ihren Gang fort. So traf dies Loos auf einem Gute bei Tullabraca 90 menschliche Wesen. Das Heilmittel gegen das Alles wird in London vom Parlament zubereitet; es heißt: weitere Suspension der Habeas-Corpus-Aekt!

Französische Republik.
17 Paris, 24. Febr.

Jetzt kommen bereits die Folgen der aufrührerischen Deklamationen des General Bugeaud, des "tollen Hundes" und "französischen Windischgrätz," wie er bei den hiesigen Sozialdemokraten getauft ist. In Niort schlug der Oberst eines abziehenden Jägerregiments mit flacher Klinge auf den Kopf zweier Bürger, daß die Klinge zerbrach, und als auf das Gebrüll des edeln "Ritters der Ordnung:" "Soldaten! haut mir diese Kanaillen nieder," ein Soldat murrte, ließ er ihn wegschleppen. Der Minister des Innern, L. Faucher, erklärte gestern: "der Oberst sei völlig in seinem Rechte gewesen, die Republik verlange Ordnung. In Lyon ist Bürgerblut bereits zweimal geflossen; auf dem Platze, wo ein Standbild, das "der Mann des Volkes" heißt, seit März aufgerichtet ist, fanden sich seit 8 Tagen zahlreiche Gruppen von Polizeispionen ein, und zugleich verschwand die Linienschildwache vor der Bildsäule. Um unter solcher Bewandtniß die beabsichtigte Herausforderung zu verhüten, stellten die Arbeiter eine Volksschildwache hin. Bald darnach erhoben die Mouchards ein drohendes Geschrei, und sprachen von Umreißen des Standbilds. Militär rückte an und durch die Reden einiger legitimistischen und orleanistischen Offiziere wild gemacht, hieb es scharf ein.

Herr Leon Faucher und Herr Bugeaud haben jetzt die oft ersehnte Gelegenheit, die Lyoner Klubs als "ruhestörend" einstweilen zu schließen. Das "Peuple souverain" hat fast jede Woche einen Preßprozeß wegen Beleidigung Bugeaud's, der einen speziellen Grimm gegen dieses Blatt hegt.

Man hofft es durch Geldbußen langsam abzuwürgen. "Ein Wort, sagt es, an die schändlichen Herausforderer. Schmach, Fluch über die, welche Blut in unsrer Stadt vergossen haben. Das wäre also die Einweihung der Herrschaft der Ordnung? Lyon hat im Sommer eine Krisis durchgemacht, die ganz Europa erschütterte; Lyon war in den Händen der Boraees (Gefräßigen), wir ihr die Republikaner zu nennen beliebt. Damals waren 40,000 Gewehre vertheilt, sogar unsere Knaben hatten Gewehre. Das Lyoner Stadthaus war monatelang in den Händen einer revolutionären Gewalt. Wir, wir waren Meister der Festungen und Kanonen. Und doch haben die von euch so wüthig verketzerten Rothen nicht ein Tröpfchen Blutes verspritzt (das war ja eben das Malheur!!), aber ihr, Männer der Mäßigung, weiht sofort euer Regiment mit Blut ein." In Toulon und Marseille wird die Linie gleichfalls auf höheren Befehl gegen das Volk abgerichtet; in letzterm Orte brachte ein Sergeantmajor vom 20. Regiment einen Toast auf die Sozialdemokratie; und zwei Tage danach ward er außerhalb der Stadt in ein Carre des Bataillons geführt und nach einer mordbrennerischen Rede des Kommandirenden an die Truppe (worin es z. B. hieß: Vergeßt nicht euern Eid, die Ordnung festzuhalten; wenn die Kanaillen mucksen, gebraucht eure Waffen, scheut euch nicht, weil es Franzosen sind) zum warnenden Exempel bestraft; zwei Kameraden murrten, der Offizier zog blank und spornte sein Pferd auf sie los, auch sie kamen in Strafe. Und trotz alledem ertönte jetzt erst recht der Ruf: "nicht verachten, nicht verachten! (point de mepris) durch die Reihen. Und als sie weiter marschirten, stimmte das Bataillon das Chenier'sche, erzrevolutionäre "Lied des Abmarsches" an.

Während auf dem unsaubern Boden der in jeder Hinsicht verwerflichen Gesellschaft täglich neue Associationen entstehen, die freilich noch eine lange, harte Schule von Erfahrungen zu durchleben haben werden, zum Theil in feindselige Konkurrenz gerathen, sich auflösen und neu gestalten, gehen die regierenden großen Bourgeois allmälig ihrem Grabe zu. Rothschild schwänzelt vergeblich hinter Bonaparte, der es mit Achilles Fould hält. Man verausgabt dies Jahr 1803 Mill. 298,088 Fr. ohne mehr als 1390 Mill. 334,770 Fr. einzunehmen; Deficit 412,963,318. Der weggejagte König Louis Philipp nebst Familie besitzt noch heute in Frankreich, 259,562 Hektaren, also den dreißigsten Theil des franz. Waldlandes. Diese Domänen belaufen sich auf 100 Mill. Fr., und die großen Bourgeois bewahren sie ihm sorgsam für den Fall seiner Rückkehr. Die Münzschwengel schlagen seit 6 Monaten ungeheure Quantums von Gold und Silber, die auf der Stelle in die Klauen der Bankvielfraße gleiten und der Circulation vorweg entzogen werden. Das Portefeuille von Paris schmilzt, die Bankdeposita wachsen. Das ist ein kurioses Resultat von wachsendem Vertrauen. Uebrigens dringt die Idee immer mehr ins Volk, daß durch Assignatenpapier in der nächsten proletarischen Revolution der Misere abgeholfen werden kann.

12 Paris, 23. Februar.

Das Unerhörteste ist in Paris geschehen: die Liebe hat der Politik, nein, die Politik hat der Liebe den schmählichsten Streich gespielt. Was Pierre Leroux anfänglich bloß als Scherz hinwarf, das hat die Kammer als den schrecklichsten Ernst aufgenommen, und mit diesem Scherze, der Ernst ward, hat er das ganze bürgerliche Franzosenthum schmählich verhöhnt. Also alle diejenigen, welche wegen Ehebruch verurtheilt worden, haben gleiches Loos wie Diebe und sonstige Verbrecher: sie dürfen nicht in das Heiligthum der Kammer treten; sie können nicht Volksrepräsentanten, nicht Politiker, nicht Minister werden, der Ehebruch gilt für einen Eingriff in das Eigenthum; das Eigenthum findet seine Verkörperung in der Familie, und wer die Familie verletzt, wer der bürgerlichen Ehe zu nahe tritt, läuft Gefahr, seine politische Carriere für immer geschlossen zu sehen. Man weiß, welche Rolle in Paris die Liebesintriguen spielen. Fassen wir die Sache von dem allgemeinsten Standpunkte auf. Sobald die Kammer die wegen Ehebruch Verurtheilten aus ihrer moralischen Mitte ausschließen will, so hat sie doch offenbar auch diejenigen treffen wollen, die, ohne grade verurtheilt worden zu sein, sich mehr oder weniger des Ehebruches schuldig gemacht haben. Bekanntlich steht in Eheverbrechen dem geschmähten, getäuschten Ehemanne allein das Recht zu, Klage zu führen, und auf Bestrafung des Verführers seiner Ehehälfte anzutragen. Schon dadurch bekommt der Ehemann eine neue, ungeheure Gewalt: er hat das Schicksal eines jeden zu galanten Kandidaten in Händen. Nun muß man wissen, was die Ehen in Frankreich sind, und wie in Paris gerade der Unterschied zwischen den ehelichen und außerehelichen Verhältnissen sehr zarter Natur ist. Die Kammer hat nicht allein die Ehe, sondern die Moral in Schutz nehmen wollen. Wie verhält sich die Ehe zu der Moral? Wo fängt die Ehe an? Wo hört die Moral auf? Alle die femmes entretenues und Loretten, welche sich die angehenden Minister und ausgebildeten Fashionables zu ihrem Privatvergnügen halten, zählen offenbar nicht zu der Ehe. Sie sind Privateigenthum dieser Herrn; sie unterhalten sie, wie jeden andern Luxusarikel, wie arabische Pferde, mit gleicher Sorgfalt, gleichem Aufwande; aber das Privateigenthum dieser Herrn ist nicht unverletzlich; der bürgerliche Akt erstreckt sich nicht auf die Person selbst - das Weib ist hier nur gemiethetes Eigenthum; der Staat garantirt dem Eigenthümer die Behausung, aber nicht das Weib, das in dieser Behausung haust. Jeder Minister-Kandidat kann unbeschadet seines Ehrgeizes sich ein gemiethetes Weib auf eigene Kosten halten: der Staat schützt ihm seine Miethe und die Möbeln, und das Weib, so lange es an letztere gebunden ist, gehört dem glücklichen Besitzer an, wie sein arabisches Pferd, wie sein elegantes Tilbury. Es ist dies der leichte Besitz, der dem blasirten Bourgeois-Franzosen nicht zusagt.

Der Franzose will das Weib seinetwegen erobern, seinetwegen nicht im christlich-germanischen Sinne, nicht des Weibes wegen, sondern seinetwegen, seiner Eitelkeit wegen, seiner eigenen Person wegen, um sagen zu können: Diese femme du monde, oder wie der Deutsche sagen würde, die Frau dieses Grafen, Pairs u. s. w., gehörte mir an. Der Proletarier ist darüber hinaus; er braucht nicht erst noch des Grafen Frau zu überwinden, um die alte Feudal-Welt zu überwinden.

Er hat sie vornherein überwunden, wie er die bürgerliche Welt überwunden hat, indem er mit seiner Grisette in wilder Ehe lebt, d. h. ohne den bürgerlichen Akt erst vollziehen zu lassen, um sich der ehelichen Treue zu versichern. Der Staat kann ihm nichts garantiren, und die Grisette, die er erobert ohne Mitwirkung des Staates, ohne bürgerliche Versicherung, ist eine Errungenschaft über den Staat. Anders verhält es sich mit dem Bourgeois-Franzosen. Der National meint zwar, daß das neue Gesetz der Republik halber gemacht worden, weil in einem republikanischen Staate größere Tugenden erheischt würden, wie in einem monarchischen. Die Tugend des Herrn Marrast!!! Der ganze Ehrgeiz eines Franzosen vom National läuft am Ende auf das Weib hinaus. Aber was für ein Weib? Das Weib des Proletariers? Nein, das Weib im glänzenden Schmuck, wie es sich in den monarchischen Soirees mit Juwelen und Diamanten zeigte. Dieses Weib war es, welches für ihn die meisten Reize bot, und um dessen Besitz er buhlte. Er konnte aber nur in den Besitz desselben gelangen, daß er die Schranken brach, die sich seiner politischen Carriere entgegen setzten. Wie unter Louis Philipp die großen Finanziers durch ihre Macht sich den Weg bahnten zu den Resten der aus der Feudalherrschaft übrig gebliebenen aristokratischen Weiber, so hatte der ganze Bourgeois-Rangstreit der Republikaner des National keine andere Bedeutung als einen Bourgeois-Weiberkampf. Womit öffnete Marrast die Kundgebung seiner Macht? mit der Einführung der parfümirten Republik, mit der Eröffnung der glänzendsten Salon's. Die Republik des Herrn Marrast wollte erst das Weib und dann die Diamanten erobern. Die Bourgeois unter Louis Philipp eroberten erst die Diamanten und dann gingen sie zu den Weibern über. Jetzt tritt aber Pierre Leroux auf und sagt: Wir wollen nicht untersuchen, wie die Diamanten erobert worden. Setzen wir Diamanten und Weiber auf gleichen Rang. Wer Diamanten erobert oder stiehlt kann nicht Deputirter werden. Was Ihr für Eure Diamanten thut, werdet ihr doch auch für Eure Weiber thun. Und so hat er die Tugendhelden des National für ewige Zeiten um die Diamanten gebracht, da er ihnen den Zugang zu den Weibern untersagt hat, wenn sie sich den Zugang zu der Deputirtenkammer offen behalten wollen.

* Paris, 24. Febr. (Mittags)

Die kirchliche Revolutionsfeier hat in der Programms-Ordnung ohne die geringste Störung stattgefunden.

Bald nach acht Uhr besetzten starke Militärabtheilungen aller Truppengattungen die zwischen der Nationalversammlung und der Magdalenenkirche gelegenen Räume. Wir sahen viel Gensdarmerie zu Fuß und zu Pferde, auch die sogenannte mobile Gensdarmerie des Seinedepartements; untermischt mit der weiland Republikanischen Garde, die jetzt zur Gensdarmerie geschlagen und darüber ziemlich mürrisch ist, ferner Lanciers und Dragoner und einige uns bisher unbekannte, jüngst erst eingetroffene Regimenter. Die Bürgerwehr war ziemlich schwach vertreten, jedes Legion schickte etwa 300 Mann, welche sich in Spaliere stellten.

Um 9 Uhr erschien die Deputation der Februarkämpfer mit der Fahne an ihrer Spitze vor der Madeleine-Fronte; ebenso eine Deputation der Hinterbliebenen und endlich ein Ausschuß der Julikämpfer von 1830. Der weite Platz war gedrängt voll und der Anblick ziemlich imposant.

Um zehn Uhr setzte sich die Nationalversammlung, die uns durchaus nicht zahlreich vorkam, in Marsch. Man rief ihr häufig zu: Es lebe die Republik: Es lebe die Amnestie. Auch Rufe: Nieder mit den Ministern: wurden gehört. Kaum in die Kirche gekommen, verkündete Kanonendonner vom Invalidenhofe her die Abfahrt des Präsidenten. Der Wagen Sr. republikanischen Majestät war von einer Eskadron Gensdarmen-Garde begleitet, Ihm folgten die Minister in anderen Wagen. etc.

Um 9 Uhr versammelten sich die Februar-Blessirten so wie die Hinterbliebenen der Gefallenen vor ihrem Central-Büreau, Faubourg St. Martin. In feierlichem aber stillem Zuge setzten sie sich gegen den Bastillenplatz in Marsch, wo einer der Ihrigen eine der Februar-Revolution angemessene Rede hielt.

Beilage zu Nr. 232 der Neuen Rheinischen Zeitung.
Organ der Demokratie.
Dienstag 26. Februar 1849.
[Italien]
* Florenz, 16. Febr.

Die provisorische Regierung hat in Anbetracht der Dringlichkeit, die italienische Constituante zu beschicken, verordnet, daß Toskana 37 Deputirte nach Rom sendet, die in den auf den 5. März zusammenberufenen Kommunalversammlungen zu ernennen sind. Jeder italienische Bürger ist wählbar. Mazzini ist heute hier enthusiastisch vom Volke empfangen und mit donnernden Lebehochs aufgenommen worden. Er empfahl alsbaldige und unbedingte Vereinigung mit Rom. Das Volk antwortete wie aus einem Munde: Es lebe Mazzini! Vereinigung mit Rom! Es lebe die italienische Republik!

Der hiesige „Nazionale“ enthält folgende Zeilen: Eine diesen Morgen von Pisa angelangte glaubwürdige Person berichtet, daß eine große Kolonne bewaffneter Livornesen mit einer zahlreichen Artillerie sich gegen San Stefano in Bewegung gesetzt hat. Ein englisches Dampfboot hat das Geld des östreichischen Leopold an Bord genommen und zum Herrn Vetter in Neapel in Verwahrung gebracht.

Schweiz.
Bern, 21. Februar.

Heute stand Herr Buchhändler Jenni, Herausgeber des „Guckkastens“, wegen der (vom Großen Rathe für religionsgefährlich taxirten) Nummer 2 dieses Blattes (1849) vor dem Bezirksgerichte Bern. Er wurde zu 35 Fr. Buße, zu 8 Tagen Gefangenschaft und zur Bezahlung der Kosten verurtheilt. Die gefährliche Stelle in der fraglichen Nummer 2 des Jenni'schen Blattes ist folgende:

Theater in Bern.

Münst., Mittwoch3 Uhr:Hr. Pfarrer Bay.
Münst., Freitag3 Uhr:Hr. Helfer Gaudard.
Rydegg, Donnst.8 Uhr:Hr. Pfarrer Zyro.
H. Geist, Donnst.9 Uhr:Hr. Vikar Dür.

Egl. franc. Jeudi 10 heur.: Mr. le Past. Schaff[unleserliches Material]er.

‒ Am 18. d. sind auf dem hiesigen Markte von Turiner Juden eine Menge Pferde aufgekauft worden. Es heißt, sie hätten einige Tausend für die piemontesische Armee zu liefern. Ein Zeichen des Krieges.

Großbritannien.
* London, 24. Februar.

Unterhaus von gestern.

Lord I. Russell kündigt eine Bill zur Festsetzung einer außerordentlichen Armensteuer in Irland an. Das Haus bildet sich sodann zum Comite über die Eidesleistung der Parlamentsmitglieder.

Vernon Smith beantragt die Aufhebung jeden Eides, den der Unterthanen-Treue ausgenommen. Wenn die Zulassung der Juden ins Parlament nützlich sei, so gäbe es keinen passendern Weg, als den von ihm bezeichneten. Lord I. Russel dringt dagegen auf Beibehaltung des 1829 für römische Katholiken festgestellten Eides.

Hume tritt der Smith'schen Ansicht bei. Die wahre Politik des gesetzgebenden Körpers erfordere Abschaffung aller unnöthigen Eide. Der Smithsche Antrag wird indeß mit 140 gegen 67 Stimmen verworfen.

Es wurde namentlich noch wegen des die katholischen Parlaments-Mitglieder betreffenden Eides ein Langes und Breites hin und hergeschwatzt und endlich die ursprüngliche Resolution genehmigt, auf deren Basis hin noch vor Schluß der Sitzung die Juden-Emancipationsbill vorgelegt und zum ersten Mal gelesen wurde.

Hierauf kam die zweite Lesung der Bill wegen Erleichterung irischer Noth an die Reihe. Die Bill passirte dieses Stadium. Irland war aber noch nicht zu Ende.

Somerville brachte noch drei irische Bills ein, die ihre erste Lesung erhielten. Der Premier-Minister kündigte für den 16. April die zweite Lesung der ebengedachten Juden-Emancipationsbill an. Das Haus vertagt sich gegen 7 Uhr Abends.

Oberhaus von gestern. Ministerieller Seits wird zweite Lesung der Bill wegen weiterer Suspension der Habeas-Corpus-Acte in Irland beantragt. Der dem Frankfurter „Edlen“ sinnverwandte Brougham bedauert nur, daß die Suspension nicht für längere Zeit gefordert werde! Die zweite Lesung wird natürlich mit zuvorkommendster Bereitwilligkeit genehmigt und nach diesem saubern, aber nicht sauern Stück Arbeit vertagen sich Ihre Lordschaften.

* London, 24. Februar.

Die „Fraternal Democrats“ zu London übersandten gestern an die zur Feier der Februar-Revolution sich in Paris versammelnden „wahren“ Republikaner nachstehende Adresse:

„Brüder!

In Voraussicht, daß Ihr den glorreichen 24. Februar in würdiger Weise feiern werdet, senden wir Euch diesen freundlichen Gruß unter Versicherung unserer brüderlichen Gefühle und unseres innigsten Verlangens nach dem Siege der wahren ‒ der sozialdemokratischen Republik.

Wir richten diese Worte an die „wahren“ Republikaner, weil wir zwichen Heuchlern und Ehrenmännern, zwischen verkappten Royalisten und wahrhaften Demokraten, politischen Schwätzern und sozialen Reformern, zwischen den Verfolgern der Republikaner und den Verfolgten, zwischen den Verschwörern zu Gunsten einer Wiederherstellung der Monarchie und zwischen Jenen unterscheiden müssen, die für die Republik zu leben und zu sterben geschworen haben. Auf Seiten der Letztern ist unser Stand. Indem wir uns an die „wahren“ Republikaner wenden, sprechen wir zu den Schaaren der „Rothen Republik“, zu unsern Brüdern der sozialdemokratischen Republik!

Euch, Brüder, dem heldenmüthigen Pariser Volke, ist die Welt auf immer verpflichtet für den unwiderstehlichen Impuls, den Ihr mittelst Eures Sieges in den drei Februartagen der Sache der universellen Freiheit gegeben habt.… Doch während wir uns mit Euch in der Erinnerung an den Februarsieg freuen, trauern wir mit Euch über das schreckliche Unheil, das nur allzubald auf jenen Tag des Triumphes folgte. Die Verbannten, die in unserem Lande eine Zufluchtsstätte gesucht ‒ die Gefangenen in Vincennes ‒ die Opfer der Kriegsgerichte ‒ die heroischen Märtyrer der Juni-Barrikaden: sie Alle nehmen unsere Sympathie und unsere Thränen in Anspruch. Vor Allem betrauern wir den Verlust der Prinzipien, welche das siegreiche Volk am 24. Februar einweihte. Die von der Provisorischen Regierung dem Proletariat gemachten Versprechungen sind schnöde gebrochen worden. Statt des ersehnten Reichs der „Gleichheit, Freiheit und Brüderlichkeit“ wurde die Herrschaft der Ungerechtigkeit, der brutalen Gewalt und Verfolgung eingesetzt. Und ‒ o beispiellose Lästerung! ‒ eben im Namen der Republik werden die Begründer und Vertheidiger derselben zum Exil, zu Ketten und Tod verurtheilt.

Dies Unheil ist über Frankreich gekommen, weil die Sieger des Februar die verderbliche Politik der „Mäßigung“ annahmen, weil Schein-Republikanern, Intriganten und Schwätzern gestattet wurde, das Ruder der Staatsgewalt zu ergreifen. Von jetzt an, Brüder, sei die erste politische Lehre, die Ihr Euern Kindern gebt, jener Ausspruch des unsterblichen St. Just: „Wer halbe Revolutionen macht, gräbt sich nur sein eignes Grab!“

Doch wir wollen an der Republik nicht verzweifeln. Haben gleich Eure „Gemäßigten“ eine wahre Schreckensherrschaft errichtet, so wird doch, wofern Ihr nur einig dasteht, ihre Macht zerbröckelt und vernichtet werden. Ihr habt Vertrauen, Ihr habt Energie: fügt Einigkeit hinzu, und Ihr werdet abermals und für immer siegreich sein.

Bei Gelegenheit der neulichen Präsidentenwahl schmerzte uns die Theilung, welche wir in Euern Reihen erblickten. Bei dem nächsten Wahlkampf hoffen wir nur Eine Partei ‒ Eine Fahne Ein Ziel zu sehen: die Erwählung von erprobten Verfechtern der sozialdemokratischen Republik. Dies, so vertrauen wir, wird Eure Politik, und die Eurer Brüder, der „wahren“ Republikaner durch ganz Frankreich sein.

Bei dem Blute der Märtyrer, bei dem Leiden Eurer geächteten Brüder, bei den Hoffnungen der unterdrückten und kämpfenden Völker jedes Namens und Klimas beschwören wir Euch: Vereinigt Euch und bildet eine unbezwingbare, unwiderstehliche Phalanx!

Empfangt unsre heißen Wünsche für Frankreichs Glück. Heil dem „Berge“, Heil den Gefangenen von Vincennes, Heil allen unsern leidenden Brüdern! Sieg der „Rothen Republik“! Vive la République Démocratique et Sociale!

Gruß und Brüderschaft!

Das Comite:

William Shute, Vorsitzender,

Henry Roff, James Graßby, Thom: Grey, John Simpson, Samuel Kydd, Edmund Stallwood, Edwin Gill, John Arnott, John Milne, Charles Keen,

G. Julian Harney, Sekretär.

* Dublin, 23. Febr.

Die Jury, vor welcher Duffy's Prozeß diesmal verhandelt wurde, mußte ebenfalls unverrichteter Sache entlassen werden, nachdem man sie die Nacht über in ihrem Berathungszimmer eingesperrt hatte. Unter den Geschwornen fand ein merkwürdiges Hin- und Herschwanken statt. Zuerst waren fast Alle für gänzliche Freisprechung; später waren 8 von den 12 Geschwornen für Verurtheilung in Betreff sämmtlicher Anklagepunkte; 3 wollten blos in Betreff Eines Punktes das „Schuldig“ erklärt wissen. Der zwölfte aber blieb unerschütterlich bei seiner Meinung zu Gunsten des Angeklagten, so daß die Jury mit ihrem Verdikt nicht zu Stande kam. Auf diese Weise scheint Duffy's Prozeß der „ewige“ werden zu sollen. ‒

In Clare hat, wie ein Limericker Journal mittheilt, die Todtenschau-Jury nicht weniger als 12 Hunger-Todesfälle zu untersuchen gehabt. Die massenhaften Ausweisungen des irischen Landvolkes durch die Gutsherrn gehen ihren Gang fort. So traf dies Loos auf einem Gute bei Tullabraca 90 menschliche Wesen. Das Heilmittel gegen das Alles wird in London vom Parlament zubereitet; es heißt: weitere Suspension der Habeas-Corpus-Aekt!

Französische Republik.
17 Paris, 24. Febr.

Jetzt kommen bereits die Folgen der aufrührerischen Deklamationen des General Bugeaud, des „tollen Hundes“ und „französischen Windischgrätz,“ wie er bei den hiesigen Sozialdemokraten getauft ist. In Niort schlug der Oberst eines abziehenden Jägerregiments mit flacher Klinge auf den Kopf zweier Bürger, daß die Klinge zerbrach, und als auf das Gebrüll des edeln „Ritters der Ordnung:“ „Soldaten! haut mir diese Kanaillen nieder,“ ein Soldat murrte, ließ er ihn wegschleppen. Der Minister des Innern, L. Faucher, erklärte gestern: „der Oberst sei völlig in seinem Rechte gewesen, die Republik verlange Ordnung. In Lyon ist Bürgerblut bereits zweimal geflossen; auf dem Platze, wo ein Standbild, das „der Mann des Volkes“ heißt, seit März aufgerichtet ist, fanden sich seit 8 Tagen zahlreiche Gruppen von Polizeispionen ein, und zugleich verschwand die Linienschildwache vor der Bildsäule. Um unter solcher Bewandtniß die beabsichtigte Herausforderung zu verhüten, stellten die Arbeiter eine Volksschildwache hin. Bald darnach erhoben die Mouchards ein drohendes Geschrei, und sprachen von Umreißen des Standbilds. Militär rückte an und durch die Reden einiger legitimistischen und orleanistischen Offiziere wild gemacht, hieb es scharf ein.

Herr Leon Faucher und Herr Bugeaud haben jetzt die oft ersehnte Gelegenheit, die Lyoner Klubs als „ruhestörend“ einstweilen zu schließen. Das „Peuple souverain“ hat fast jede Woche einen Preßprozeß wegen Beleidigung Bugeaud's, der einen speziellen Grimm gegen dieses Blatt hegt.

Man hofft es durch Geldbußen langsam abzuwürgen. „Ein Wort, sagt es, an die schändlichen Herausforderer. Schmach, Fluch über die, welche Blut in unsrer Stadt vergossen haben. Das wäre also die Einweihung der Herrschaft der Ordnung? Lyon hat im Sommer eine Krisis durchgemacht, die ganz Europa erschütterte; Lyon war in den Händen der Boraees (Gefräßigen), wir ihr die Republikaner zu nennen beliebt. Damals waren 40,000 Gewehre vertheilt, sogar unsere Knaben hatten Gewehre. Das Lyoner Stadthaus war monatelang in den Händen einer revolutionären Gewalt. Wir, wir waren Meister der Festungen und Kanonen. Und doch haben die von euch so wüthig verketzerten Rothen nicht ein Tröpfchen Blutes verspritzt (das war ja eben das Malheur!!), aber ihr, Männer der Mäßigung, weiht sofort euer Regiment mit Blut ein.“ In Toulon und Marseille wird die Linie gleichfalls auf höheren Befehl gegen das Volk abgerichtet; in letzterm Orte brachte ein Sergeantmajor vom 20. Regiment einen Toast auf die Sozialdemokratie; und zwei Tage danach ward er außerhalb der Stadt in ein Carré des Bataillons geführt und nach einer mordbrennerischen Rede des Kommandirenden an die Truppe (worin es z. B. hieß: Vergeßt nicht euern Eid, die Ordnung festzuhalten; wenn die Kanaillen mucksen, gebraucht eure Waffen, scheut euch nicht, weil es Franzosen sind) zum warnenden Exempel bestraft; zwei Kameraden murrten, der Offizier zog blank und spornte sein Pferd auf sie los, auch sie kamen in Strafe. Und trotz alledem ertönte jetzt erst recht der Ruf: „nicht verachten, nicht verachten! (point de mépris) durch die Reihen. Und als sie weiter marschirten, stimmte das Bataillon das Chenier'sche, erzrevolutionäre „Lied des Abmarsches“ an.

Während auf dem unsaubern Boden der in jeder Hinsicht verwerflichen Gesellschaft täglich neue Associationen entstehen, die freilich noch eine lange, harte Schule von Erfahrungen zu durchleben haben werden, zum Theil in feindselige Konkurrenz gerathen, sich auflösen und neu gestalten, gehen die regierenden großen Bourgeois allmälig ihrem Grabe zu. Rothschild schwänzelt vergeblich hinter Bonaparte, der es mit Achilles Fould hält. Man verausgabt dies Jahr 1803 Mill. 298,088 Fr. ohne mehr als 1390 Mill. 334,770 Fr. einzunehmen; Deficit 412,963,318. Der weggejagte König Louis Philipp nebst Familie besitzt noch heute in Frankreich, 259,562 Hektaren, also den dreißigsten Theil des franz. Waldlandes. Diese Domänen belaufen sich auf 100 Mill. Fr., und die großen Bourgeois bewahren sie ihm sorgsam für den Fall seiner Rückkehr. Die Münzschwengel schlagen seit 6 Monaten ungeheure Quantums von Gold und Silber, die auf der Stelle in die Klauen der Bankvielfraße gleiten und der Circulation vorweg entzogen werden. Das Portefeuille von Paris schmilzt, die Bankdeposita wachsen. Das ist ein kurioses Resultat von wachsendem Vertrauen. Uebrigens dringt die Idee immer mehr ins Volk, daß durch Assignatenpapier in der nächsten proletarischen Revolution der Misere abgeholfen werden kann.

12 Paris, 23. Februar.

Das Unerhörteste ist in Paris geschehen: die Liebe hat der Politik, nein, die Politik hat der Liebe den schmählichsten Streich gespielt. Was Pierre Leroux anfänglich bloß als Scherz hinwarf, das hat die Kammer als den schrecklichsten Ernst aufgenommen, und mit diesem Scherze, der Ernst ward, hat er das ganze bürgerliche Franzosenthum schmählich verhöhnt. Also alle diejenigen, welche wegen Ehebruch verurtheilt worden, haben gleiches Loos wie Diebe und sonstige Verbrecher: sie dürfen nicht in das Heiligthum der Kammer treten; sie können nicht Volksrepräsentanten, nicht Politiker, nicht Minister werden, der Ehebruch gilt für einen Eingriff in das Eigenthum; das Eigenthum findet seine Verkörperung in der Familie, und wer die Familie verletzt, wer der bürgerlichen Ehe zu nahe tritt, läuft Gefahr, seine politische Carrière für immer geschlossen zu sehen. Man weiß, welche Rolle in Paris die Liebesintriguen spielen. Fassen wir die Sache von dem allgemeinsten Standpunkte auf. Sobald die Kammer die wegen Ehebruch Verurtheilten aus ihrer moralischen Mitte ausschließen will, so hat sie doch offenbar auch diejenigen treffen wollen, die, ohne grade verurtheilt worden zu sein, sich mehr oder weniger des Ehebruches schuldig gemacht haben. Bekanntlich steht in Eheverbrechen dem geschmähten, getäuschten Ehemanne allein das Recht zu, Klage zu führen, und auf Bestrafung des Verführers seiner Ehehälfte anzutragen. Schon dadurch bekommt der Ehemann eine neue, ungeheure Gewalt: er hat das Schicksal eines jeden zu galanten Kandidaten in Händen. Nun muß man wissen, was die Ehen in Frankreich sind, und wie in Paris gerade der Unterschied zwischen den ehelichen und außerehelichen Verhältnissen sehr zarter Natur ist. Die Kammer hat nicht allein die Ehe, sondern die Moral in Schutz nehmen wollen. Wie verhält sich die Ehe zu der Moral? Wo fängt die Ehe an? Wo hört die Moral auf? Alle die femmes entretenues und Loretten, welche sich die angehenden Minister und ausgebildeten Fashionables zu ihrem Privatvergnügen halten, zählen offenbar nicht zu der Ehe. Sie sind Privateigenthum dieser Herrn; sie unterhalten sie, wie jeden andern Luxusarikel, wie arabische Pferde, mit gleicher Sorgfalt, gleichem Aufwande; aber das Privateigenthum dieser Herrn ist nicht unverletzlich; der bürgerliche Akt erstreckt sich nicht auf die Person selbst ‒ das Weib ist hier nur gemiethetes Eigenthum; der Staat garantirt dem Eigenthümer die Behausung, aber nicht das Weib, das in dieser Behausung haust. Jeder Minister-Kandidat kann unbeschadet seines Ehrgeizes sich ein gemiethetes Weib auf eigene Kosten halten: der Staat schützt ihm seine Miethe und die Möbeln, und das Weib, so lange es an letztere gebunden ist, gehört dem glücklichen Besitzer an, wie sein arabisches Pferd, wie sein elegantes Tilbury. Es ist dies der leichte Besitz, der dem blasirten Bourgeois-Franzosen nicht zusagt.

Der Franzose will das Weib seinetwegen erobern, seinetwegen nicht im christlich-germanischen Sinne, nicht des Weibes wegen, sondern seinetwegen, seiner Eitelkeit wegen, seiner eigenen Person wegen, um sagen zu können: Diese femme du monde, oder wie der Deutsche sagen würde, die Frau dieses Grafen, Pairs u. s. w., gehörte mir an. Der Proletarier ist darüber hinaus; er braucht nicht erst noch des Grafen Frau zu überwinden, um die alte Feudal-Welt zu überwinden.

Er hat sie vornherein überwunden, wie er die bürgerliche Welt überwunden hat, indem er mit seiner Grisette in wilder Ehe lebt, d. h. ohne den bürgerlichen Akt erst vollziehen zu lassen, um sich der ehelichen Treue zu versichern. Der Staat kann ihm nichts garantiren, und die Grisette, die er erobert ohne Mitwirkung des Staates, ohne bürgerliche Versicherung, ist eine Errungenschaft über den Staat. Anders verhält es sich mit dem Bourgeois-Franzosen. Der National meint zwar, daß das neue Gesetz der Republik halber gemacht worden, weil in einem republikanischen Staate größere Tugenden erheischt würden, wie in einem monarchischen. Die Tugend des Herrn Marrast!!! Der ganze Ehrgeiz eines Franzosen vom National läuft am Ende auf das Weib hinaus. Aber was für ein Weib? Das Weib des Proletariers? Nein, das Weib im glänzenden Schmuck, wie es sich in den monarchischen Soirées mit Juwelen und Diamanten zeigte. Dieses Weib war es, welches für ihn die meisten Reize bot, und um dessen Besitz er buhlte. Er konnte aber nur in den Besitz desselben gelangen, daß er die Schranken brach, die sich seiner politischen Carriere entgegen setzten. Wie unter Louis Philipp die großen Finanziers durch ihre Macht sich den Weg bahnten zu den Resten der aus der Feudalherrschaft übrig gebliebenen aristokratischen Weiber, so hatte der ganze Bourgeois-Rangstreit der Republikaner des National keine andere Bedeutung als einen Bourgeois-Weiberkampf. Womit öffnete Marrast die Kundgebung seiner Macht? mit der Einführung der parfümirten Republik, mit der Eröffnung der glänzendsten Salon's. Die Republik des Herrn Marrast wollte erst das Weib und dann die Diamanten erobern. Die Bourgeois unter Louis Philipp eroberten erst die Diamanten und dann gingen sie zu den Weibern über. Jetzt tritt aber Pierre Leroux auf und sagt: Wir wollen nicht untersuchen, wie die Diamanten erobert worden. Setzen wir Diamanten und Weiber auf gleichen Rang. Wer Diamanten erobert oder stiehlt kann nicht Deputirter werden. Was Ihr für Eure Diamanten thut, werdet ihr doch auch für Eure Weiber thun. Und so hat er die Tugendhelden des National für ewige Zeiten um die Diamanten gebracht, da er ihnen den Zugang zu den Weibern untersagt hat, wenn sie sich den Zugang zu der Deputirtenkammer offen behalten wollen.

* Paris, 24. Febr. (Mittags)

Die kirchliche Revolutionsfeier hat in der Programms-Ordnung ohne die geringste Störung stattgefunden.

Bald nach acht Uhr besetzten starke Militärabtheilungen aller Truppengattungen die zwischen der Nationalversammlung und der Magdalenenkirche gelegenen Räume. Wir sahen viel Gensdarmerie zu Fuß und zu Pferde, auch die sogenannte mobile Gensdarmerie des Seinedepartements; untermischt mit der weiland Republikanischen Garde, die jetzt zur Gensdarmerie geschlagen und darüber ziemlich mürrisch ist, ferner Lanciers und Dragoner und einige uns bisher unbekannte, jüngst erst eingetroffene Regimenter. Die Bürgerwehr war ziemlich schwach vertreten, jedes Legion schickte etwa 300 Mann, welche sich in Spaliere stellten.

Um 9 Uhr erschien die Deputation der Februarkämpfer mit der Fahne an ihrer Spitze vor der Madeleine-Fronte; ebenso eine Deputation der Hinterbliebenen und endlich ein Ausschuß der Julikämpfer von 1830. Der weite Platz war gedrängt voll und der Anblick ziemlich imposant.

Um zehn Uhr setzte sich die Nationalversammlung, die uns durchaus nicht zahlreich vorkam, in Marsch. Man rief ihr häufig zu: Es lebe die Republik: Es lebe die Amnestie. Auch Rufe: Nieder mit den Ministern: wurden gehört. Kaum in die Kirche gekommen, verkündete Kanonendonner vom Invalidenhofe her die Abfahrt des Präsidenten. Der Wagen Sr. republikanischen Majestät war von einer Eskadron Gensdarmen-Garde begleitet, Ihm folgten die Minister in anderen Wagen. etc.

Um 9 Uhr versammelten sich die Februar-Blessirten so wie die Hinterbliebenen der Gefallenen vor ihrem Central-Büreau, Faubourg St. Martin. In feierlichem aber stillem Zuge setzten sie sich gegen den Bastillenplatz in Marsch, wo einer der Ihrigen eine der Februar-Revolution angemessene Rede hielt.

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      <titlePage type="heading">
        <titlePart type="main">Beilage zu Nr. 232 der Neuen Rheinischen Zeitung.</titlePart>
        <titlePart type="sub">Organ der Demokratie.</titlePart>
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          <docDate>Dienstag 26. Februar 1849.</docDate>
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        <head>[Italien]</head>
        <div xml:id="ar232b_001" type="jArticle">
          <head><bibl><author>*</author></bibl> Florenz, 16. Febr.</head>
          <p>Die provisorische Regierung hat in Anbetracht der Dringlichkeit, die italienische Constituante zu beschicken, verordnet, daß Toskana 37 Deputirte nach Rom sendet, die in den auf den 5. März zusammenberufenen Kommunalversammlungen zu ernennen sind. Jeder italienische Bürger ist wählbar. Mazzini ist heute hier enthusiastisch vom Volke empfangen und mit donnernden Lebehochs aufgenommen worden. Er empfahl alsbaldige und unbedingte Vereinigung mit Rom. Das Volk antwortete wie aus einem Munde: Es lebe Mazzini! Vereinigung mit Rom! Es lebe die italienische Republik!</p>
          <p>Der hiesige &#x201E;Nazionale&#x201C; enthält folgende Zeilen: Eine diesen Morgen von Pisa angelangte glaubwürdige Person berichtet, daß eine große Kolonne bewaffneter Livornesen mit einer zahlreichen Artillerie sich gegen San Stefano in Bewegung gesetzt hat. Ein englisches Dampfboot hat das Geld des östreichischen Leopold an Bord genommen und zum Herrn Vetter in Neapel in Verwahrung gebracht.</p>
        </div>
      </div>
      <div n="1">
        <head>Schweiz.</head>
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          <head>Bern, 21. Februar.</head>
          <p>Heute stand Herr Buchhändler Jenni, Herausgeber des &#x201E;Guckkastens&#x201C;, wegen der (vom Großen Rathe für religionsgefährlich taxirten) Nummer 2 dieses Blattes (1849) vor dem Bezirksgerichte Bern. Er wurde zu 35 Fr. Buße, zu 8 Tagen Gefangenschaft und zur Bezahlung der Kosten verurtheilt. Die gefährliche Stelle in der fraglichen Nummer 2 des Jenni'schen Blattes ist folgende:</p>
          <p> <hi rendition="#g">Theater in Bern.</hi> </p>
          <table>
            <row>
              <cell>Münst., Mittwoch</cell>
              <cell>3 Uhr:</cell>
              <cell>Hr. Pfarrer Bay.</cell>
            </row>
            <row>
              <cell>Münst., Freitag</cell>
              <cell>3 Uhr:</cell>
              <cell>Hr. Helfer Gaudard.</cell>
            </row>
            <row>
              <cell>Rydegg, Donnst.</cell>
              <cell>8 Uhr:</cell>
              <cell>Hr. Pfarrer Zyro.</cell>
            </row>
            <row>
              <cell>H. Geist, Donnst.</cell>
              <cell>9 Uhr:</cell>
              <cell>Hr. Vikar Dür.</cell>
            </row>
          </table>
          <p>Egl. franc. Jeudi 10 heur.: Mr. le Past. Schaff<gap reason="illegible"/>er.</p>
          <p>&#x2012; Am 18. d. sind auf dem hiesigen Markte von Turiner Juden eine Menge Pferde aufgekauft worden. Es heißt, sie hätten einige Tausend für die piemontesische Armee zu liefern. Ein Zeichen des Krieges.</p>
        </div>
      </div>
      <div n="1">
        <head>Großbritannien.</head>
        <div xml:id="ar232b_003" type="jArticle">
          <head><bibl><author>*</author></bibl> London, 24. Februar.</head>
          <p><hi rendition="#g">Unterhaus</hi> von gestern.</p>
          <p>Lord <hi rendition="#g">I. Russell</hi> kündigt eine Bill zur Festsetzung einer außerordentlichen Armensteuer in Irland an. Das Haus bildet sich sodann zum Comite über die Eidesleistung der Parlamentsmitglieder.</p>
          <p>Vernon <hi rendition="#g">Smith</hi> beantragt die Aufhebung jeden Eides, den der Unterthanen-Treue ausgenommen. Wenn die Zulassung der Juden ins Parlament nützlich sei, so gäbe es keinen passendern Weg, als den von ihm bezeichneten. Lord <hi rendition="#g">I. Russel</hi> dringt dagegen auf Beibehaltung des 1829 für römische Katholiken festgestellten Eides.</p>
          <p><hi rendition="#g">Hume</hi> tritt der Smith'schen Ansicht bei. Die wahre Politik des gesetzgebenden Körpers erfordere Abschaffung aller unnöthigen Eide. Der Smithsche Antrag wird indeß mit 140 gegen 67 Stimmen verworfen.</p>
          <p>Es wurde namentlich noch wegen des die katholischen Parlaments-Mitglieder betreffenden Eides ein Langes und Breites hin und hergeschwatzt und endlich die ursprüngliche Resolution genehmigt, auf deren Basis hin noch vor Schluß der Sitzung die Juden-Emancipationsbill vorgelegt und zum ersten Mal gelesen wurde.</p>
          <p>Hierauf kam die zweite Lesung der Bill wegen Erleichterung irischer Noth an die Reihe. Die Bill passirte dieses Stadium. Irland war aber noch nicht zu Ende.</p>
          <p><hi rendition="#g">Somerville</hi> brachte noch drei irische Bills ein, die ihre erste Lesung erhielten. Der Premier-Minister kündigte für den 16. April die zweite Lesung der ebengedachten Juden-Emancipationsbill an. Das Haus vertagt sich gegen 7 Uhr Abends.</p>
          <p><hi rendition="#g">Oberhaus</hi> von gestern. Ministerieller Seits wird zweite Lesung der Bill wegen weiterer Suspension der Habeas-Corpus-Acte in Irland beantragt. Der dem Frankfurter &#x201E;Edlen&#x201C; sinnverwandte Brougham bedauert nur, daß die Suspension nicht für längere Zeit gefordert werde! Die zweite Lesung wird natürlich mit zuvorkommendster Bereitwilligkeit genehmigt und nach diesem saubern, aber nicht sauern Stück Arbeit vertagen sich Ihre Lordschaften.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar232b_004" type="jArticle">
          <head><bibl><author>*</author></bibl> London, 24. Februar.</head>
          <p>Die &#x201E;Fraternal Democrats&#x201C; zu London übersandten gestern an die zur Feier der Februar-Revolution sich in Paris versammelnden &#x201E;wahren&#x201C; Republikaner nachstehende Adresse:</p>
          <p> <hi rendition="#g">&#x201E;Brüder!</hi> </p>
          <p>In Voraussicht, daß Ihr den glorreichen 24. Februar in würdiger Weise feiern werdet, senden wir Euch diesen freundlichen Gruß unter Versicherung unserer brüderlichen Gefühle und unseres innigsten Verlangens nach dem Siege der <hi rendition="#g">wahren</hi> &#x2012; der sozialdemokratischen Republik.</p>
          <p>Wir richten diese Worte an die &#x201E;wahren&#x201C; Republikaner, weil wir zwichen Heuchlern und Ehrenmännern, zwischen verkappten Royalisten und wahrhaften Demokraten, politischen Schwätzern und sozialen Reformern, zwischen den Verfolgern der Republikaner und den Verfolgten, zwischen den Verschwörern zu Gunsten einer Wiederherstellung der Monarchie und zwischen Jenen unterscheiden müssen, die für die Republik zu leben und zu sterben geschworen haben. Auf Seiten der Letztern ist unser Stand. Indem wir uns an die &#x201E;wahren&#x201C; Republikaner wenden, sprechen wir zu den Schaaren der &#x201E;Rothen Republik&#x201C;, zu unsern Brüdern der sozialdemokratischen Republik!</p>
          <p>Euch, Brüder, dem heldenmüthigen Pariser Volke, ist die Welt auf immer verpflichtet für den unwiderstehlichen Impuls, den Ihr mittelst Eures Sieges in den drei Februartagen der Sache der universellen Freiheit gegeben habt.&#x2026; Doch während wir uns mit Euch in der Erinnerung an den Februarsieg freuen, trauern wir mit Euch über das schreckliche Unheil, das nur allzubald auf jenen Tag des Triumphes folgte. Die Verbannten, die in unserem Lande eine Zufluchtsstätte gesucht &#x2012; die Gefangenen in Vincennes &#x2012; die Opfer der Kriegsgerichte &#x2012; die heroischen Märtyrer der Juni-Barrikaden: sie Alle nehmen unsere Sympathie und unsere Thränen in Anspruch. Vor Allem betrauern wir den Verlust der Prinzipien, welche das siegreiche Volk am 24. Februar einweihte. Die von der Provisorischen Regierung dem Proletariat gemachten Versprechungen sind schnöde gebrochen worden. Statt des ersehnten Reichs der &#x201E;Gleichheit, Freiheit und Brüderlichkeit&#x201C; wurde die Herrschaft der Ungerechtigkeit, der brutalen Gewalt und Verfolgung eingesetzt. Und &#x2012; o beispiellose Lästerung! &#x2012; eben im Namen der Republik werden die Begründer und Vertheidiger derselben zum Exil, zu Ketten und Tod verurtheilt.</p>
          <p>Dies Unheil ist über Frankreich gekommen, weil die Sieger des Februar die verderbliche Politik der &#x201E;Mäßigung&#x201C; annahmen, weil Schein-Republikanern, Intriganten und Schwätzern gestattet wurde, das Ruder der Staatsgewalt zu ergreifen. Von jetzt an, Brüder, sei die erste politische Lehre, die Ihr Euern Kindern gebt, jener Ausspruch des unsterblichen <hi rendition="#g">St. Just: &#x201E;Wer halbe Revolutionen macht, gräbt sich nur sein eignes Grab!&#x201C;</hi> </p>
          <p>Doch wir wollen an der Republik nicht verzweifeln. Haben gleich Eure &#x201E;Gemäßigten&#x201C; eine wahre Schreckensherrschaft errichtet, so wird doch, wofern Ihr nur <hi rendition="#g">einig</hi> dasteht, ihre Macht zerbröckelt und vernichtet werden. Ihr habt Vertrauen, Ihr habt Energie: fügt Einigkeit hinzu, und Ihr werdet abermals und für immer siegreich sein.</p>
          <p>Bei Gelegenheit der neulichen Präsidentenwahl schmerzte uns die Theilung, welche wir in Euern Reihen erblickten. Bei dem nächsten Wahlkampf hoffen wir nur Eine Partei &#x2012; Eine Fahne Ein Ziel zu sehen: die Erwählung von erprobten Verfechtern der sozialdemokratischen Republik. Dies, so vertrauen wir, wird Eure Politik, und die Eurer Brüder, der &#x201E;wahren&#x201C; Republikaner durch ganz Frankreich sein.</p>
          <p>Bei dem Blute der Märtyrer, bei dem Leiden Eurer geächteten Brüder, bei den Hoffnungen der unterdrückten und kämpfenden Völker jedes Namens und Klimas beschwören wir Euch: Vereinigt Euch und bildet eine unbezwingbare, unwiderstehliche Phalanx!</p>
          <p>Empfangt unsre heißen Wünsche für Frankreichs Glück. Heil dem &#x201E;Berge&#x201C;, Heil den Gefangenen von Vincennes, Heil allen unsern leidenden Brüdern! Sieg der &#x201E;Rothen Republik&#x201C;! Vive la République Démocratique et Sociale!</p>
          <p>Gruß und Brüderschaft!</p>
          <p>Das Comite:</p>
          <p>William Shute, Vorsitzender,</p>
          <p>Henry Roff, James Graßby, Thom: Grey, John Simpson, Samuel Kydd, Edmund Stallwood, Edwin Gill, John Arnott, John Milne, Charles Keen,</p>
          <p>G. Julian Harney, Sekretär.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar232b_005" type="jArticle">
          <head><bibl><author>*</author></bibl> Dublin, 23. Febr.</head>
          <p>Die Jury, vor welcher Duffy's Prozeß diesmal verhandelt wurde, mußte ebenfalls unverrichteter Sache entlassen werden, nachdem man sie die Nacht über in ihrem Berathungszimmer eingesperrt hatte. Unter den Geschwornen fand ein merkwürdiges Hin- und Herschwanken statt. Zuerst waren fast Alle für gänzliche Freisprechung; später waren 8 von den 12 Geschwornen für Verurtheilung in Betreff sämmtlicher Anklagepunkte; 3 wollten blos in Betreff Eines Punktes das <hi rendition="#g">&#x201E;Schuldig&#x201C;</hi> erklärt wissen. Der zwölfte aber blieb unerschütterlich bei seiner Meinung zu Gunsten des Angeklagten, so daß die Jury mit ihrem Verdikt nicht zu Stande kam. Auf diese Weise scheint Duffy's Prozeß der &#x201E;ewige&#x201C; werden zu sollen. &#x2012;</p>
          <p>In <hi rendition="#g">Clare</hi> hat, wie ein Limericker Journal mittheilt, die Todtenschau-Jury nicht weniger als 12 Hunger-Todesfälle zu untersuchen gehabt. Die massenhaften Ausweisungen des irischen Landvolkes durch die Gutsherrn gehen ihren Gang fort. So traf dies Loos auf einem Gute bei Tullabraca 90 menschliche Wesen. Das Heilmittel gegen das Alles wird in London vom Parlament zubereitet; es heißt: weitere Suspension der Habeas-Corpus-Aekt!</p>
        </div>
      </div>
      <div n="1">
        <head>Französische Republik.</head>
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          <head><bibl><author>17</author></bibl> Paris, 24. Febr.</head>
          <p>Jetzt kommen bereits die Folgen der aufrührerischen Deklamationen des General Bugeaud, des &#x201E;tollen Hundes&#x201C; und &#x201E;französischen Windischgrätz,&#x201C; wie er bei den hiesigen Sozialdemokraten getauft ist. In Niort schlug der Oberst eines abziehenden Jägerregiments mit flacher Klinge auf den Kopf zweier Bürger, daß die Klinge zerbrach, und als auf das Gebrüll des edeln &#x201E;Ritters der Ordnung:&#x201C; &#x201E;Soldaten! haut mir diese Kanaillen nieder,&#x201C; ein Soldat murrte, ließ er ihn wegschleppen. Der Minister des Innern, L. Faucher, erklärte gestern: &#x201E;der Oberst sei völlig in seinem Rechte gewesen, die Republik verlange Ordnung. In Lyon ist Bürgerblut bereits zweimal geflossen; auf dem Platze, wo ein Standbild, das &#x201E;der Mann des Volkes&#x201C; heißt, seit März aufgerichtet ist, fanden sich seit 8 Tagen zahlreiche Gruppen von Polizeispionen ein, und zugleich verschwand die Linienschildwache vor der Bildsäule. Um unter solcher Bewandtniß die beabsichtigte Herausforderung zu verhüten, stellten die Arbeiter eine Volksschildwache hin. Bald darnach erhoben die Mouchards ein drohendes Geschrei, und sprachen von Umreißen des Standbilds. Militär rückte an und durch die Reden einiger legitimistischen und orleanistischen Offiziere wild gemacht, hieb es scharf ein.</p>
          <p>Herr Leon Faucher und Herr Bugeaud haben jetzt die oft ersehnte Gelegenheit, die Lyoner Klubs als &#x201E;ruhestörend&#x201C; einstweilen zu schließen. Das &#x201E;Peuple souverain&#x201C; hat fast jede Woche einen Preßprozeß wegen Beleidigung Bugeaud's, der einen speziellen Grimm gegen dieses Blatt hegt.</p>
          <p>Man hofft es durch Geldbußen langsam abzuwürgen. &#x201E;Ein Wort, sagt es, an die schändlichen Herausforderer. Schmach, Fluch über die, welche Blut in unsrer Stadt vergossen haben. Das wäre also die Einweihung der Herrschaft der Ordnung? Lyon hat im Sommer eine Krisis durchgemacht, die ganz Europa erschütterte; Lyon war in den Händen der Boraees (Gefräßigen), wir ihr die Republikaner zu nennen beliebt. Damals waren 40,000 Gewehre vertheilt, sogar unsere Knaben hatten Gewehre. Das Lyoner Stadthaus war monatelang in den Händen einer revolutionären Gewalt. Wir, wir waren Meister der Festungen und Kanonen. Und doch haben die von euch so wüthig verketzerten Rothen nicht ein Tröpfchen Blutes verspritzt (das war ja eben das Malheur!!), aber ihr, Männer der Mäßigung, weiht sofort euer Regiment mit Blut ein.&#x201C; In Toulon und Marseille wird die Linie gleichfalls auf höheren Befehl gegen das Volk abgerichtet; in letzterm Orte brachte ein Sergeantmajor vom 20. Regiment einen Toast auf die Sozialdemokratie; und zwei Tage danach ward er außerhalb der Stadt in ein Carré des Bataillons geführt und nach einer mordbrennerischen Rede des Kommandirenden an die Truppe (worin es z. B. hieß: Vergeßt nicht euern Eid, die Ordnung festzuhalten; wenn die Kanaillen mucksen, gebraucht eure Waffen, scheut euch nicht, weil es Franzosen sind) zum warnenden Exempel bestraft; zwei Kameraden murrten, der Offizier zog blank und spornte sein Pferd auf sie los, auch sie kamen in Strafe. Und trotz alledem ertönte jetzt erst recht der Ruf: &#x201E;nicht verachten, nicht verachten! (point de mépris) durch die Reihen. Und als sie weiter marschirten, stimmte das Bataillon das Chenier'sche, erzrevolutionäre &#x201E;Lied des Abmarsches&#x201C; an.</p>
          <p>Während auf dem unsaubern Boden der in jeder Hinsicht verwerflichen Gesellschaft täglich neue Associationen entstehen, die freilich noch eine lange, harte Schule von Erfahrungen zu durchleben haben werden, zum Theil in feindselige Konkurrenz gerathen, sich auflösen und neu gestalten, gehen die regierenden großen Bourgeois allmälig ihrem Grabe zu. Rothschild schwänzelt vergeblich hinter Bonaparte, der es mit Achilles Fould hält. Man verausgabt dies Jahr 1803 Mill. 298,088 Fr. ohne mehr als 1390 Mill. 334,770 Fr. einzunehmen; Deficit 412,963,318. Der weggejagte König Louis Philipp nebst Familie besitzt noch heute in Frankreich, 259,562 Hektaren, also den dreißigsten Theil des franz. Waldlandes. Diese Domänen belaufen sich auf 100 Mill. Fr., und die großen Bourgeois bewahren sie ihm sorgsam für den Fall seiner Rückkehr. Die Münzschwengel schlagen seit 6 Monaten ungeheure Quantums von Gold und Silber, die auf der Stelle in die Klauen der Bankvielfraße gleiten und der Circulation vorweg entzogen werden. Das Portefeuille von Paris schmilzt, die Bankdeposita wachsen. Das ist ein kurioses Resultat von wachsendem Vertrauen. Uebrigens dringt die Idee immer mehr ins Volk, daß durch Assignatenpapier in der nächsten proletarischen Revolution der Misere abgeholfen werden kann.</p>
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          <head><bibl><author>12</author></bibl> Paris, 23. Februar.</head>
          <p>Das Unerhörteste ist in Paris geschehen: die Liebe hat der Politik, nein, die Politik hat der Liebe den schmählichsten Streich gespielt. Was Pierre Leroux anfänglich bloß als Scherz hinwarf, das hat die Kammer als den schrecklichsten Ernst aufgenommen, und mit diesem Scherze, der Ernst ward, hat er das ganze bürgerliche Franzosenthum schmählich verhöhnt. Also alle diejenigen, welche wegen Ehebruch verurtheilt worden, haben gleiches Loos wie Diebe und sonstige Verbrecher: sie dürfen nicht in das Heiligthum der Kammer treten; sie können nicht Volksrepräsentanten, nicht Politiker, nicht Minister werden, der Ehebruch gilt für einen Eingriff in das Eigenthum; das Eigenthum findet seine Verkörperung in der Familie, und wer die Familie verletzt, wer der bürgerlichen Ehe zu nahe tritt, läuft Gefahr, seine politische Carrière für immer geschlossen zu sehen. Man weiß, welche Rolle in Paris die Liebesintriguen spielen. Fassen wir die Sache von dem allgemeinsten Standpunkte auf. Sobald die Kammer die wegen Ehebruch Verurtheilten aus ihrer moralischen Mitte ausschließen will, so hat sie doch offenbar auch diejenigen treffen wollen, die, ohne grade verurtheilt worden zu sein, sich mehr oder weniger des Ehebruches schuldig gemacht haben. Bekanntlich steht in Eheverbrechen dem geschmähten, getäuschten Ehemanne allein das Recht zu, Klage zu führen, und auf Bestrafung des Verführers seiner Ehehälfte anzutragen. Schon dadurch bekommt der Ehemann eine neue, ungeheure Gewalt: er hat das Schicksal eines jeden zu galanten Kandidaten in Händen. Nun muß man wissen, was die Ehen in Frankreich sind, und wie in Paris gerade der Unterschied zwischen den ehelichen und außerehelichen Verhältnissen sehr zarter Natur ist. Die Kammer hat nicht allein die Ehe, sondern die Moral in Schutz nehmen wollen. Wie verhält sich die Ehe zu der Moral? Wo fängt die Ehe an? Wo hört die Moral auf? Alle die femmes entretenues und Loretten, welche sich die angehenden Minister und ausgebildeten Fashionables zu ihrem Privatvergnügen halten, zählen offenbar nicht zu der Ehe. Sie sind Privateigenthum dieser Herrn; sie unterhalten sie, wie jeden andern Luxusarikel, wie arabische Pferde, mit gleicher Sorgfalt, gleichem Aufwande; aber das Privateigenthum dieser Herrn ist nicht unverletzlich; der bürgerliche Akt erstreckt sich nicht auf die Person selbst &#x2012; das Weib ist hier nur gemiethetes Eigenthum; der Staat garantirt dem Eigenthümer die Behausung, aber nicht das Weib, das in dieser Behausung haust. Jeder Minister-Kandidat kann unbeschadet seines Ehrgeizes sich ein gemiethetes Weib auf eigene Kosten halten: der Staat schützt ihm seine Miethe und die Möbeln, und das Weib, so lange es an letztere gebunden ist, gehört dem glücklichen Besitzer an, wie sein arabisches Pferd, wie sein elegantes Tilbury. Es ist dies der leichte Besitz, der dem blasirten Bourgeois-Franzosen nicht zusagt.</p>
          <p>Der Franzose will das Weib seinetwegen erobern, seinetwegen nicht im christlich-germanischen Sinne, nicht des Weibes wegen, sondern seinetwegen, seiner Eitelkeit wegen, seiner eigenen Person wegen, um sagen zu können: Diese femme du monde, oder wie der Deutsche sagen würde, die Frau dieses Grafen, Pairs u. s. w., gehörte mir an. Der Proletarier ist darüber hinaus; er braucht nicht erst noch des Grafen Frau zu überwinden, um die alte Feudal-Welt zu überwinden.</p>
          <p>Er hat sie vornherein überwunden, wie er die bürgerliche Welt überwunden hat, indem er mit seiner Grisette in wilder Ehe lebt, d. h. ohne den bürgerlichen Akt erst vollziehen zu lassen, um sich der ehelichen Treue zu versichern. Der Staat kann ihm nichts garantiren, und die Grisette, die er erobert ohne Mitwirkung des Staates, ohne bürgerliche Versicherung, ist eine Errungenschaft über den Staat. Anders verhält es sich mit dem Bourgeois-Franzosen. Der National meint zwar, daß das neue Gesetz der Republik halber gemacht worden, weil in einem republikanischen Staate größere Tugenden erheischt würden, wie in einem monarchischen. Die Tugend des Herrn Marrast!!! Der ganze Ehrgeiz eines Franzosen vom National läuft am Ende auf das Weib hinaus. Aber was für ein Weib? Das Weib des Proletariers? Nein, das Weib im glänzenden Schmuck, wie es sich in den monarchischen Soirées mit Juwelen und Diamanten zeigte. Dieses Weib war es, welches für ihn die meisten Reize bot, und um dessen Besitz er buhlte. Er konnte aber nur in den Besitz desselben gelangen, daß er die Schranken brach, die sich seiner politischen Carriere entgegen setzten. Wie unter Louis Philipp die großen Finanziers durch ihre Macht sich den Weg bahnten zu den Resten der aus der Feudalherrschaft übrig gebliebenen aristokratischen Weiber, so hatte der ganze Bourgeois-Rangstreit der Republikaner des National keine andere Bedeutung als einen Bourgeois-Weiberkampf. Womit öffnete Marrast die Kundgebung seiner Macht? mit der Einführung der parfümirten Republik, mit der Eröffnung der glänzendsten Salon's. Die Republik des Herrn Marrast wollte erst das Weib und dann die Diamanten erobern. Die Bourgeois unter Louis Philipp eroberten erst die Diamanten und dann gingen sie zu den Weibern über. Jetzt tritt aber Pierre Leroux auf und sagt: Wir wollen nicht untersuchen, wie die Diamanten erobert worden. Setzen wir Diamanten und Weiber auf gleichen Rang. Wer Diamanten erobert oder stiehlt kann nicht Deputirter werden. Was Ihr für Eure Diamanten thut, werdet ihr doch auch für Eure Weiber thun. Und so hat er die Tugendhelden des National für ewige Zeiten um die Diamanten gebracht, da er ihnen den Zugang zu den Weibern untersagt hat, wenn sie sich den Zugang zu der Deputirtenkammer offen behalten wollen.</p>
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          <head><bibl><author>*</author></bibl> Paris, 24. Febr. (Mittags)</head>
          <p>Die <hi rendition="#g">kirchliche</hi> Revolutionsfeier hat in der Programms-Ordnung ohne die geringste Störung stattgefunden.</p>
          <p>Bald nach acht Uhr besetzten starke Militärabtheilungen aller Truppengattungen die zwischen der Nationalversammlung und der Magdalenenkirche gelegenen Räume. Wir sahen viel Gensdarmerie zu Fuß und zu Pferde, auch die sogenannte <hi rendition="#g">mobile</hi> Gensdarmerie des Seinedepartements; untermischt mit der weiland Republikanischen Garde, die jetzt zur Gensdarmerie geschlagen und darüber ziemlich mürrisch ist, ferner Lanciers und Dragoner und einige uns bisher unbekannte, jüngst erst eingetroffene Regimenter. Die Bürgerwehr war ziemlich schwach vertreten, jedes Legion schickte etwa 300 Mann, welche sich in Spaliere stellten.</p>
          <p>Um 9 Uhr erschien die Deputation der Februarkämpfer mit der Fahne an ihrer Spitze vor der Madeleine-Fronte; ebenso eine Deputation der Hinterbliebenen und endlich ein Ausschuß der Julikämpfer von 1830. Der weite Platz war gedrängt voll und der Anblick ziemlich imposant.</p>
          <p>Um zehn Uhr setzte sich die Nationalversammlung, die uns durchaus nicht zahlreich vorkam, in Marsch. Man rief ihr häufig zu: Es lebe die Republik: Es lebe die Amnestie. Auch Rufe: Nieder mit den Ministern: wurden gehört. Kaum in die Kirche gekommen, verkündete Kanonendonner vom Invalidenhofe her die Abfahrt des Präsidenten. Der Wagen Sr. republikanischen Majestät war von einer Eskadron Gensdarmen-Garde begleitet, Ihm folgten die Minister in anderen Wagen. etc.</p>
          <p>Um 9 Uhr versammelten sich die Februar-Blessirten so wie die Hinterbliebenen der Gefallenen vor ihrem Central-Büreau, Faubourg St. Martin. In feierlichem aber stillem Zuge setzten sie sich gegen den Bastillenplatz in Marsch, wo einer der Ihrigen eine der Februar-Revolution angemessene Rede hielt.</p>
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[1279/0001] Beilage zu Nr. 232 der Neuen Rheinischen Zeitung. Organ der Demokratie. Dienstag 26. Februar 1849. [Italien] * Florenz, 16. Febr. Die provisorische Regierung hat in Anbetracht der Dringlichkeit, die italienische Constituante zu beschicken, verordnet, daß Toskana 37 Deputirte nach Rom sendet, die in den auf den 5. März zusammenberufenen Kommunalversammlungen zu ernennen sind. Jeder italienische Bürger ist wählbar. Mazzini ist heute hier enthusiastisch vom Volke empfangen und mit donnernden Lebehochs aufgenommen worden. Er empfahl alsbaldige und unbedingte Vereinigung mit Rom. Das Volk antwortete wie aus einem Munde: Es lebe Mazzini! Vereinigung mit Rom! Es lebe die italienische Republik! Der hiesige „Nazionale“ enthält folgende Zeilen: Eine diesen Morgen von Pisa angelangte glaubwürdige Person berichtet, daß eine große Kolonne bewaffneter Livornesen mit einer zahlreichen Artillerie sich gegen San Stefano in Bewegung gesetzt hat. Ein englisches Dampfboot hat das Geld des östreichischen Leopold an Bord genommen und zum Herrn Vetter in Neapel in Verwahrung gebracht. Schweiz. Bern, 21. Februar. Heute stand Herr Buchhändler Jenni, Herausgeber des „Guckkastens“, wegen der (vom Großen Rathe für religionsgefährlich taxirten) Nummer 2 dieses Blattes (1849) vor dem Bezirksgerichte Bern. Er wurde zu 35 Fr. Buße, zu 8 Tagen Gefangenschaft und zur Bezahlung der Kosten verurtheilt. Die gefährliche Stelle in der fraglichen Nummer 2 des Jenni'schen Blattes ist folgende: Theater in Bern. Münst., Mittwoch 3 Uhr: Hr. Pfarrer Bay. Münst., Freitag 3 Uhr: Hr. Helfer Gaudard. Rydegg, Donnst. 8 Uhr: Hr. Pfarrer Zyro. H. Geist, Donnst. 9 Uhr: Hr. Vikar Dür. Egl. franc. Jeudi 10 heur.: Mr. le Past. Schaff_ er. ‒ Am 18. d. sind auf dem hiesigen Markte von Turiner Juden eine Menge Pferde aufgekauft worden. Es heißt, sie hätten einige Tausend für die piemontesische Armee zu liefern. Ein Zeichen des Krieges. Großbritannien. * London, 24. Februar. Unterhaus von gestern. Lord I. Russell kündigt eine Bill zur Festsetzung einer außerordentlichen Armensteuer in Irland an. Das Haus bildet sich sodann zum Comite über die Eidesleistung der Parlamentsmitglieder. Vernon Smith beantragt die Aufhebung jeden Eides, den der Unterthanen-Treue ausgenommen. Wenn die Zulassung der Juden ins Parlament nützlich sei, so gäbe es keinen passendern Weg, als den von ihm bezeichneten. Lord I. Russel dringt dagegen auf Beibehaltung des 1829 für römische Katholiken festgestellten Eides. Hume tritt der Smith'schen Ansicht bei. Die wahre Politik des gesetzgebenden Körpers erfordere Abschaffung aller unnöthigen Eide. Der Smithsche Antrag wird indeß mit 140 gegen 67 Stimmen verworfen. Es wurde namentlich noch wegen des die katholischen Parlaments-Mitglieder betreffenden Eides ein Langes und Breites hin und hergeschwatzt und endlich die ursprüngliche Resolution genehmigt, auf deren Basis hin noch vor Schluß der Sitzung die Juden-Emancipationsbill vorgelegt und zum ersten Mal gelesen wurde. Hierauf kam die zweite Lesung der Bill wegen Erleichterung irischer Noth an die Reihe. Die Bill passirte dieses Stadium. Irland war aber noch nicht zu Ende. Somerville brachte noch drei irische Bills ein, die ihre erste Lesung erhielten. Der Premier-Minister kündigte für den 16. April die zweite Lesung der ebengedachten Juden-Emancipationsbill an. Das Haus vertagt sich gegen 7 Uhr Abends. Oberhaus von gestern. Ministerieller Seits wird zweite Lesung der Bill wegen weiterer Suspension der Habeas-Corpus-Acte in Irland beantragt. Der dem Frankfurter „Edlen“ sinnverwandte Brougham bedauert nur, daß die Suspension nicht für längere Zeit gefordert werde! Die zweite Lesung wird natürlich mit zuvorkommendster Bereitwilligkeit genehmigt und nach diesem saubern, aber nicht sauern Stück Arbeit vertagen sich Ihre Lordschaften. * London, 24. Februar. Die „Fraternal Democrats“ zu London übersandten gestern an die zur Feier der Februar-Revolution sich in Paris versammelnden „wahren“ Republikaner nachstehende Adresse: „Brüder! In Voraussicht, daß Ihr den glorreichen 24. Februar in würdiger Weise feiern werdet, senden wir Euch diesen freundlichen Gruß unter Versicherung unserer brüderlichen Gefühle und unseres innigsten Verlangens nach dem Siege der wahren ‒ der sozialdemokratischen Republik. Wir richten diese Worte an die „wahren“ Republikaner, weil wir zwichen Heuchlern und Ehrenmännern, zwischen verkappten Royalisten und wahrhaften Demokraten, politischen Schwätzern und sozialen Reformern, zwischen den Verfolgern der Republikaner und den Verfolgten, zwischen den Verschwörern zu Gunsten einer Wiederherstellung der Monarchie und zwischen Jenen unterscheiden müssen, die für die Republik zu leben und zu sterben geschworen haben. Auf Seiten der Letztern ist unser Stand. Indem wir uns an die „wahren“ Republikaner wenden, sprechen wir zu den Schaaren der „Rothen Republik“, zu unsern Brüdern der sozialdemokratischen Republik! Euch, Brüder, dem heldenmüthigen Pariser Volke, ist die Welt auf immer verpflichtet für den unwiderstehlichen Impuls, den Ihr mittelst Eures Sieges in den drei Februartagen der Sache der universellen Freiheit gegeben habt.… Doch während wir uns mit Euch in der Erinnerung an den Februarsieg freuen, trauern wir mit Euch über das schreckliche Unheil, das nur allzubald auf jenen Tag des Triumphes folgte. Die Verbannten, die in unserem Lande eine Zufluchtsstätte gesucht ‒ die Gefangenen in Vincennes ‒ die Opfer der Kriegsgerichte ‒ die heroischen Märtyrer der Juni-Barrikaden: sie Alle nehmen unsere Sympathie und unsere Thränen in Anspruch. Vor Allem betrauern wir den Verlust der Prinzipien, welche das siegreiche Volk am 24. Februar einweihte. Die von der Provisorischen Regierung dem Proletariat gemachten Versprechungen sind schnöde gebrochen worden. Statt des ersehnten Reichs der „Gleichheit, Freiheit und Brüderlichkeit“ wurde die Herrschaft der Ungerechtigkeit, der brutalen Gewalt und Verfolgung eingesetzt. Und ‒ o beispiellose Lästerung! ‒ eben im Namen der Republik werden die Begründer und Vertheidiger derselben zum Exil, zu Ketten und Tod verurtheilt. Dies Unheil ist über Frankreich gekommen, weil die Sieger des Februar die verderbliche Politik der „Mäßigung“ annahmen, weil Schein-Republikanern, Intriganten und Schwätzern gestattet wurde, das Ruder der Staatsgewalt zu ergreifen. Von jetzt an, Brüder, sei die erste politische Lehre, die Ihr Euern Kindern gebt, jener Ausspruch des unsterblichen St. Just: „Wer halbe Revolutionen macht, gräbt sich nur sein eignes Grab!“ Doch wir wollen an der Republik nicht verzweifeln. Haben gleich Eure „Gemäßigten“ eine wahre Schreckensherrschaft errichtet, so wird doch, wofern Ihr nur einig dasteht, ihre Macht zerbröckelt und vernichtet werden. Ihr habt Vertrauen, Ihr habt Energie: fügt Einigkeit hinzu, und Ihr werdet abermals und für immer siegreich sein. Bei Gelegenheit der neulichen Präsidentenwahl schmerzte uns die Theilung, welche wir in Euern Reihen erblickten. Bei dem nächsten Wahlkampf hoffen wir nur Eine Partei ‒ Eine Fahne Ein Ziel zu sehen: die Erwählung von erprobten Verfechtern der sozialdemokratischen Republik. Dies, so vertrauen wir, wird Eure Politik, und die Eurer Brüder, der „wahren“ Republikaner durch ganz Frankreich sein. Bei dem Blute der Märtyrer, bei dem Leiden Eurer geächteten Brüder, bei den Hoffnungen der unterdrückten und kämpfenden Völker jedes Namens und Klimas beschwören wir Euch: Vereinigt Euch und bildet eine unbezwingbare, unwiderstehliche Phalanx! Empfangt unsre heißen Wünsche für Frankreichs Glück. Heil dem „Berge“, Heil den Gefangenen von Vincennes, Heil allen unsern leidenden Brüdern! Sieg der „Rothen Republik“! Vive la République Démocratique et Sociale! Gruß und Brüderschaft! Das Comite: William Shute, Vorsitzender, Henry Roff, James Graßby, Thom: Grey, John Simpson, Samuel Kydd, Edmund Stallwood, Edwin Gill, John Arnott, John Milne, Charles Keen, G. Julian Harney, Sekretär. * Dublin, 23. Febr. Die Jury, vor welcher Duffy's Prozeß diesmal verhandelt wurde, mußte ebenfalls unverrichteter Sache entlassen werden, nachdem man sie die Nacht über in ihrem Berathungszimmer eingesperrt hatte. Unter den Geschwornen fand ein merkwürdiges Hin- und Herschwanken statt. Zuerst waren fast Alle für gänzliche Freisprechung; später waren 8 von den 12 Geschwornen für Verurtheilung in Betreff sämmtlicher Anklagepunkte; 3 wollten blos in Betreff Eines Punktes das „Schuldig“ erklärt wissen. Der zwölfte aber blieb unerschütterlich bei seiner Meinung zu Gunsten des Angeklagten, so daß die Jury mit ihrem Verdikt nicht zu Stande kam. Auf diese Weise scheint Duffy's Prozeß der „ewige“ werden zu sollen. ‒ In Clare hat, wie ein Limericker Journal mittheilt, die Todtenschau-Jury nicht weniger als 12 Hunger-Todesfälle zu untersuchen gehabt. Die massenhaften Ausweisungen des irischen Landvolkes durch die Gutsherrn gehen ihren Gang fort. So traf dies Loos auf einem Gute bei Tullabraca 90 menschliche Wesen. Das Heilmittel gegen das Alles wird in London vom Parlament zubereitet; es heißt: weitere Suspension der Habeas-Corpus-Aekt! Französische Republik. 17 Paris, 24. Febr. Jetzt kommen bereits die Folgen der aufrührerischen Deklamationen des General Bugeaud, des „tollen Hundes“ und „französischen Windischgrätz,“ wie er bei den hiesigen Sozialdemokraten getauft ist. In Niort schlug der Oberst eines abziehenden Jägerregiments mit flacher Klinge auf den Kopf zweier Bürger, daß die Klinge zerbrach, und als auf das Gebrüll des edeln „Ritters der Ordnung:“ „Soldaten! haut mir diese Kanaillen nieder,“ ein Soldat murrte, ließ er ihn wegschleppen. Der Minister des Innern, L. Faucher, erklärte gestern: „der Oberst sei völlig in seinem Rechte gewesen, die Republik verlange Ordnung. In Lyon ist Bürgerblut bereits zweimal geflossen; auf dem Platze, wo ein Standbild, das „der Mann des Volkes“ heißt, seit März aufgerichtet ist, fanden sich seit 8 Tagen zahlreiche Gruppen von Polizeispionen ein, und zugleich verschwand die Linienschildwache vor der Bildsäule. Um unter solcher Bewandtniß die beabsichtigte Herausforderung zu verhüten, stellten die Arbeiter eine Volksschildwache hin. Bald darnach erhoben die Mouchards ein drohendes Geschrei, und sprachen von Umreißen des Standbilds. Militär rückte an und durch die Reden einiger legitimistischen und orleanistischen Offiziere wild gemacht, hieb es scharf ein. Herr Leon Faucher und Herr Bugeaud haben jetzt die oft ersehnte Gelegenheit, die Lyoner Klubs als „ruhestörend“ einstweilen zu schließen. Das „Peuple souverain“ hat fast jede Woche einen Preßprozeß wegen Beleidigung Bugeaud's, der einen speziellen Grimm gegen dieses Blatt hegt. Man hofft es durch Geldbußen langsam abzuwürgen. „Ein Wort, sagt es, an die schändlichen Herausforderer. Schmach, Fluch über die, welche Blut in unsrer Stadt vergossen haben. Das wäre also die Einweihung der Herrschaft der Ordnung? Lyon hat im Sommer eine Krisis durchgemacht, die ganz Europa erschütterte; Lyon war in den Händen der Boraees (Gefräßigen), wir ihr die Republikaner zu nennen beliebt. Damals waren 40,000 Gewehre vertheilt, sogar unsere Knaben hatten Gewehre. Das Lyoner Stadthaus war monatelang in den Händen einer revolutionären Gewalt. Wir, wir waren Meister der Festungen und Kanonen. Und doch haben die von euch so wüthig verketzerten Rothen nicht ein Tröpfchen Blutes verspritzt (das war ja eben das Malheur!!), aber ihr, Männer der Mäßigung, weiht sofort euer Regiment mit Blut ein.“ In Toulon und Marseille wird die Linie gleichfalls auf höheren Befehl gegen das Volk abgerichtet; in letzterm Orte brachte ein Sergeantmajor vom 20. Regiment einen Toast auf die Sozialdemokratie; und zwei Tage danach ward er außerhalb der Stadt in ein Carré des Bataillons geführt und nach einer mordbrennerischen Rede des Kommandirenden an die Truppe (worin es z. B. hieß: Vergeßt nicht euern Eid, die Ordnung festzuhalten; wenn die Kanaillen mucksen, gebraucht eure Waffen, scheut euch nicht, weil es Franzosen sind) zum warnenden Exempel bestraft; zwei Kameraden murrten, der Offizier zog blank und spornte sein Pferd auf sie los, auch sie kamen in Strafe. Und trotz alledem ertönte jetzt erst recht der Ruf: „nicht verachten, nicht verachten! (point de mépris) durch die Reihen. Und als sie weiter marschirten, stimmte das Bataillon das Chenier'sche, erzrevolutionäre „Lied des Abmarsches“ an. Während auf dem unsaubern Boden der in jeder Hinsicht verwerflichen Gesellschaft täglich neue Associationen entstehen, die freilich noch eine lange, harte Schule von Erfahrungen zu durchleben haben werden, zum Theil in feindselige Konkurrenz gerathen, sich auflösen und neu gestalten, gehen die regierenden großen Bourgeois allmälig ihrem Grabe zu. Rothschild schwänzelt vergeblich hinter Bonaparte, der es mit Achilles Fould hält. Man verausgabt dies Jahr 1803 Mill. 298,088 Fr. ohne mehr als 1390 Mill. 334,770 Fr. einzunehmen; Deficit 412,963,318. Der weggejagte König Louis Philipp nebst Familie besitzt noch heute in Frankreich, 259,562 Hektaren, also den dreißigsten Theil des franz. Waldlandes. Diese Domänen belaufen sich auf 100 Mill. Fr., und die großen Bourgeois bewahren sie ihm sorgsam für den Fall seiner Rückkehr. Die Münzschwengel schlagen seit 6 Monaten ungeheure Quantums von Gold und Silber, die auf der Stelle in die Klauen der Bankvielfraße gleiten und der Circulation vorweg entzogen werden. Das Portefeuille von Paris schmilzt, die Bankdeposita wachsen. Das ist ein kurioses Resultat von wachsendem Vertrauen. Uebrigens dringt die Idee immer mehr ins Volk, daß durch Assignatenpapier in der nächsten proletarischen Revolution der Misere abgeholfen werden kann. 12 Paris, 23. Februar. Das Unerhörteste ist in Paris geschehen: die Liebe hat der Politik, nein, die Politik hat der Liebe den schmählichsten Streich gespielt. Was Pierre Leroux anfänglich bloß als Scherz hinwarf, das hat die Kammer als den schrecklichsten Ernst aufgenommen, und mit diesem Scherze, der Ernst ward, hat er das ganze bürgerliche Franzosenthum schmählich verhöhnt. Also alle diejenigen, welche wegen Ehebruch verurtheilt worden, haben gleiches Loos wie Diebe und sonstige Verbrecher: sie dürfen nicht in das Heiligthum der Kammer treten; sie können nicht Volksrepräsentanten, nicht Politiker, nicht Minister werden, der Ehebruch gilt für einen Eingriff in das Eigenthum; das Eigenthum findet seine Verkörperung in der Familie, und wer die Familie verletzt, wer der bürgerlichen Ehe zu nahe tritt, läuft Gefahr, seine politische Carrière für immer geschlossen zu sehen. Man weiß, welche Rolle in Paris die Liebesintriguen spielen. Fassen wir die Sache von dem allgemeinsten Standpunkte auf. Sobald die Kammer die wegen Ehebruch Verurtheilten aus ihrer moralischen Mitte ausschließen will, so hat sie doch offenbar auch diejenigen treffen wollen, die, ohne grade verurtheilt worden zu sein, sich mehr oder weniger des Ehebruches schuldig gemacht haben. Bekanntlich steht in Eheverbrechen dem geschmähten, getäuschten Ehemanne allein das Recht zu, Klage zu führen, und auf Bestrafung des Verführers seiner Ehehälfte anzutragen. Schon dadurch bekommt der Ehemann eine neue, ungeheure Gewalt: er hat das Schicksal eines jeden zu galanten Kandidaten in Händen. Nun muß man wissen, was die Ehen in Frankreich sind, und wie in Paris gerade der Unterschied zwischen den ehelichen und außerehelichen Verhältnissen sehr zarter Natur ist. Die Kammer hat nicht allein die Ehe, sondern die Moral in Schutz nehmen wollen. Wie verhält sich die Ehe zu der Moral? Wo fängt die Ehe an? Wo hört die Moral auf? Alle die femmes entretenues und Loretten, welche sich die angehenden Minister und ausgebildeten Fashionables zu ihrem Privatvergnügen halten, zählen offenbar nicht zu der Ehe. Sie sind Privateigenthum dieser Herrn; sie unterhalten sie, wie jeden andern Luxusarikel, wie arabische Pferde, mit gleicher Sorgfalt, gleichem Aufwande; aber das Privateigenthum dieser Herrn ist nicht unverletzlich; der bürgerliche Akt erstreckt sich nicht auf die Person selbst ‒ das Weib ist hier nur gemiethetes Eigenthum; der Staat garantirt dem Eigenthümer die Behausung, aber nicht das Weib, das in dieser Behausung haust. Jeder Minister-Kandidat kann unbeschadet seines Ehrgeizes sich ein gemiethetes Weib auf eigene Kosten halten: der Staat schützt ihm seine Miethe und die Möbeln, und das Weib, so lange es an letztere gebunden ist, gehört dem glücklichen Besitzer an, wie sein arabisches Pferd, wie sein elegantes Tilbury. Es ist dies der leichte Besitz, der dem blasirten Bourgeois-Franzosen nicht zusagt. Der Franzose will das Weib seinetwegen erobern, seinetwegen nicht im christlich-germanischen Sinne, nicht des Weibes wegen, sondern seinetwegen, seiner Eitelkeit wegen, seiner eigenen Person wegen, um sagen zu können: Diese femme du monde, oder wie der Deutsche sagen würde, die Frau dieses Grafen, Pairs u. s. w., gehörte mir an. Der Proletarier ist darüber hinaus; er braucht nicht erst noch des Grafen Frau zu überwinden, um die alte Feudal-Welt zu überwinden. Er hat sie vornherein überwunden, wie er die bürgerliche Welt überwunden hat, indem er mit seiner Grisette in wilder Ehe lebt, d. h. ohne den bürgerlichen Akt erst vollziehen zu lassen, um sich der ehelichen Treue zu versichern. Der Staat kann ihm nichts garantiren, und die Grisette, die er erobert ohne Mitwirkung des Staates, ohne bürgerliche Versicherung, ist eine Errungenschaft über den Staat. Anders verhält es sich mit dem Bourgeois-Franzosen. Der National meint zwar, daß das neue Gesetz der Republik halber gemacht worden, weil in einem republikanischen Staate größere Tugenden erheischt würden, wie in einem monarchischen. Die Tugend des Herrn Marrast!!! Der ganze Ehrgeiz eines Franzosen vom National läuft am Ende auf das Weib hinaus. Aber was für ein Weib? Das Weib des Proletariers? Nein, das Weib im glänzenden Schmuck, wie es sich in den monarchischen Soirées mit Juwelen und Diamanten zeigte. Dieses Weib war es, welches für ihn die meisten Reize bot, und um dessen Besitz er buhlte. Er konnte aber nur in den Besitz desselben gelangen, daß er die Schranken brach, die sich seiner politischen Carriere entgegen setzten. Wie unter Louis Philipp die großen Finanziers durch ihre Macht sich den Weg bahnten zu den Resten der aus der Feudalherrschaft übrig gebliebenen aristokratischen Weiber, so hatte der ganze Bourgeois-Rangstreit der Republikaner des National keine andere Bedeutung als einen Bourgeois-Weiberkampf. Womit öffnete Marrast die Kundgebung seiner Macht? mit der Einführung der parfümirten Republik, mit der Eröffnung der glänzendsten Salon's. Die Republik des Herrn Marrast wollte erst das Weib und dann die Diamanten erobern. Die Bourgeois unter Louis Philipp eroberten erst die Diamanten und dann gingen sie zu den Weibern über. Jetzt tritt aber Pierre Leroux auf und sagt: Wir wollen nicht untersuchen, wie die Diamanten erobert worden. Setzen wir Diamanten und Weiber auf gleichen Rang. Wer Diamanten erobert oder stiehlt kann nicht Deputirter werden. Was Ihr für Eure Diamanten thut, werdet ihr doch auch für Eure Weiber thun. Und so hat er die Tugendhelden des National für ewige Zeiten um die Diamanten gebracht, da er ihnen den Zugang zu den Weibern untersagt hat, wenn sie sich den Zugang zu der Deputirtenkammer offen behalten wollen. * Paris, 24. Febr. (Mittags) Die kirchliche Revolutionsfeier hat in der Programms-Ordnung ohne die geringste Störung stattgefunden. Bald nach acht Uhr besetzten starke Militärabtheilungen aller Truppengattungen die zwischen der Nationalversammlung und der Magdalenenkirche gelegenen Räume. Wir sahen viel Gensdarmerie zu Fuß und zu Pferde, auch die sogenannte mobile Gensdarmerie des Seinedepartements; untermischt mit der weiland Republikanischen Garde, die jetzt zur Gensdarmerie geschlagen und darüber ziemlich mürrisch ist, ferner Lanciers und Dragoner und einige uns bisher unbekannte, jüngst erst eingetroffene Regimenter. Die Bürgerwehr war ziemlich schwach vertreten, jedes Legion schickte etwa 300 Mann, welche sich in Spaliere stellten. Um 9 Uhr erschien die Deputation der Februarkämpfer mit der Fahne an ihrer Spitze vor der Madeleine-Fronte; ebenso eine Deputation der Hinterbliebenen und endlich ein Ausschuß der Julikämpfer von 1830. Der weite Platz war gedrängt voll und der Anblick ziemlich imposant. Um zehn Uhr setzte sich die Nationalversammlung, die uns durchaus nicht zahlreich vorkam, in Marsch. Man rief ihr häufig zu: Es lebe die Republik: Es lebe die Amnestie. Auch Rufe: Nieder mit den Ministern: wurden gehört. Kaum in die Kirche gekommen, verkündete Kanonendonner vom Invalidenhofe her die Abfahrt des Präsidenten. Der Wagen Sr. republikanischen Majestät war von einer Eskadron Gensdarmen-Garde begleitet, Ihm folgten die Minister in anderen Wagen. etc. Um 9 Uhr versammelten sich die Februar-Blessirten so wie die Hinterbliebenen der Gefallenen vor ihrem Central-Büreau, Faubourg St. Martin. In feierlichem aber stillem Zuge setzten sie sich gegen den Bastillenplatz in Marsch, wo einer der Ihrigen eine der Februar-Revolution angemessene Rede hielt.

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Marx-Engels-Gesamtausgabe: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-20T13:08:10Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jürgen Herres: Konvertierung TUSTEP nach XML (2017-03-20T13:08:10Z)
Maria Ermakova, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Frank Wiegand: Konvertierung XML nach DTA-Basisformat (2017-03-20T13:08:10Z)

Weitere Informationen:

Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 2 (Nummer 184 bis Nummer 301) Köln, 1. Januar 1849 bis 19. Mai 1849. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




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Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 232. Köln, 26. Februar 1849. Beilage, S. 1279. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz232b_1849/1>, abgerufen am 28.03.2024.