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Neue Rheinische Zeitung. Nr. 231. Köln, 25. Februar 1849.

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[Deutschland]
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Z Düsseldorf, 24. Febr.

Wir leben hier unter dem Schutze eines "wohlgeregelten" Polizeistaates so sicher, daß wir Dolche nachtragen müssen. Nur einige Beispiele, wie es hier jetzt zugeht: Drei Herren kehren Montag Nacht mit zwei Damen vom Balle heim. An der Neustraßenecke werden sie von vier Soldaten, welche den Säbel blank unter dem Mantel halten, angefallen, ohne daß die Bürger auch nur ein Wort gesagt hätten. Der erste wird auf den Kopf geschlagen und fällt; die Damen fliehen, der zweite folgt ihnen zu ihrem Schutze; der dritte jedoch wirft sich auf einen Soldaten, stürzt mit ihm nieder, und während die übrigen zwei Soldaten ihrem Kameraden zu Hülfe kommen, erscheint zum Glücke ein junger Mann, eben, als ein Soldat schrie: "wie, Ihr wollt das Militär anfallen?!" - Beim Erscheinen des erwähnten Herrn nehmen die vier Helden, zwei Musketiere und zwei Jäger, die Flucht, und der Hinzugekommene erzählt jetzt, wie er den vieren nachgegangen sei, indem er schon fünfmal diese Nacht Zeuge gewesen, wie sie einzelne Bürger angefallen hätten. Die Sache wurde angezeigt, und obschon einer der Musketiere einen Biß in die Nase erhalten hat, was wird die Strafe der Wegelagerer sein?

Den andern Tag dringen vier Jäger in einen Laden vor dem Benrather Thor und verlangen, was nicht da ist. Sie werden grob und als die Frau ihnen derbe antwortet, zieht man blank und versetzt der einzelnen Frau einen Hieb in's Gesicht, daß die blutende Wange herabhängt; die Wange mußte zusammengenäht werden; die Helden flohen, was wird ihre Strafe sein? - Wieder kömmt ein Schiffer allein und stille durch die Hochstraße; drei Jäger - unter diesen sind überhaupt die tapfersten Helden mit Gott für König und Vaterland - fallen den erstaunten Bürger mit dem Ausrufe "ein Demokrat, es ist einer davon!" an, ziehen blank und versetzen ihm einen gefährlichen Hieb über den Kopf. - Ich könnte ihnen beinahe Dutzendweise solcher Auftritte erzählen, welche die volle Wahrheit sind, aber sie sind Einer wie der Andere.

* Berlin, 22. Februar.

Unsere letzthin gemachte Mittheilung, daß die beiden Musketier-Bataillone des 24. Regiments nur deshalb nach Stettin versetzt werden, weil sie soviel mißliebige Elemente enthalten, hat gestern eine Allerhöchste Bestätigung durch eine Königliche Rede erhalten. Vor ihrem Abmarsch nach Stettin nahm nähmlich der König den beiden Bataillonen in Charlottenburg Parade ab, und hielt nach derselben eine Anrede an sie, worin er ihnen Vorwürfe über den schlechten Geist machte, der in ihren Reihen herrsche. Sie hätten der Verführung nicht zu widerstehen vermocht und müßten daher von Berlin entfernt und durch andere zuverlässigere, treuere Truppen ersetzt werden. Er hoffe übrigens, sie würden sich fortan besser benehmen und gutmachen, was sie bisher gefehlt hätten.

An unserer Börse herrscht schon seit einigen Tagen eine sehr gedrückte Stimmung, die in Befürchtungen nah bevorstehender politischer Katastrophen und in dem allgemeinen Gefühl der Unsicherheit unserer politischen Zustände ihren Grund hat. Auch trägt man sich mit allerhand kriegerischen Gerüchten die namentlich gegen Oestreich gerichtet sind. So behauptet man sogar seit gestern, der östreichische Gesandte habe sich zur Abreise vorbereitet. Heute hat sich diese gedrückte Stimmung noch stärker kund gegeben und sind fast sämmtliche Effekten bedeutend gewichen.

Als zwei fleißige Mitarbeiter des Berliner Zuschauers der Neuen Preußischen Zeitung bezeichnet man uns die Herren Linde und Heder. Ersterer soll wiederholentlich und für längere Zeit intime Bekanntschaft mit dem Spandauer Zuchthause gemacht haben und die Verkürzung seines letzten Aufenthalts daselbst von 4 auf 1 1/2 Jahre den Bemühungen der Missionäre verdanken, die an ihm eine schätzenswerthe Acquisition für das Christenthum gemacht hatten. Letzterer war früher Wachtmeister bei dem 3. Dragonerregiment. Jeder von diesen Herren erhält ein monatliches Honorar von 30 Thalern; ihr Hauptgeschäft ist an allen öffentlichen Orten umher zu spioniren, und die Gespräche der Gäste zu belauschen.

Es sind, in Folge der Gesetze vom 2. und 3. Januar, wegen Reorganisation der Justizverwaltung, vielfach Besorgnisse unter den Justizbeamten laut geworden, daß eine große Masse von richterlichen Kräften dadurch entbehrlich werden möchte, wodurch denn namentlich die jüngern Justizbeamten betrogen werden würden. Man sprach bereits von der theilweisen Auflösung der Obergerichte und von dem Eintreten der Obergerichtsräthe in die Untergerichts-Kollegien, was denn allerdings, zurückwirkend, eine Anzahl richterlicher Personen überflüssig machen müßte. Diese Besorgnisse scheinen jedoch nicht begründet, wenigstens gewiß übertrieben zu sein, sofern man dabei nicht bedacht hat, daß künftig die Appellationsgerichte jedenfalls ein größeres Richterpersonal absorbiren werden, als bisher. Von einer Verminderung des kammergerichtlichen Personals ist z. B. wie der Publicist meldet, so wenig die Rede, daß bei der Reorganisation noch die Besetzung von einer, seit längerer Zeit vakanten, Richterstelle erfolgen soll. Das Kammergericht soll nämlich künftig aus drei Senaten bestehen, jeder Senat unter dem Vorsitze eines Präsidenten. Aehnlich wird es sich auch wohl in den Provingen gestalten, daß in Provinzen, wo bis jetzt drei, vier Obergerichte bestehen die Zahl vermindert, dagegen an den bestehenbleibenden des Richterpersonal vermehrt werden wird.

Während der Zeit wo der bekannte Held mehr auf Erfolg durch seine Rednergabe und seine persönliche Erscheinung als durch seine schriftstellerische Thätigkeit rechnete, eine Rechnung die freilich ohne den Wirth gemacht war, redigirte er sein jetzt verbotenes Tagesblatt "die Locomotive" selbst gar nicht, überließ deren Redaktion vielmehr einigen seiner früheren Mitarbeiter. In dieser Zeit erschien in der Locomotive ein Aufsatz betitelt "An den Tyrannen" der allen Tyrannen den Tod nicht nur vorhersagte, sondern auch zu deren Ermordung aufforderte. Dieser Artikel, der mit Robert Springer unterzeichnet war, erregte die Aufmerksamkeit des Staatsanwalts und wurden wegen desselben zuerst Held zur Verantwortung gezogen, da dieser jedoch seine Nichtbetheiligung an demselben vollständig erwiesen hat, so soll jetzt die Anklage wegen Majestätsbeleidigung - der Staatsanwalt bezieht nemlich den Artikel auf den König von Preußen - gegen den Verfasser erhoben worden sein.

Wien, 18. Febr.

(Die Silbernoth) wächst; im Caffehaus, wie auch im Kaufladen erhält man statt einigen Kreuzern den vierten, resp. achten Theil einer Banknote; das einzige Mittel den Verkehr zu erhalten. Trotzdem auch die Erfahrung gelehrt hat, welch unzulängliches Mittel das Silberausfuhrverbot ist, beharrt die Regierung doch dabei. Zur Erleichterung des Verkehrs mit dem Auslande, das unsere Papiere nur gegen bedeutenden Verlust *) nimmt, ist die Bestimmung erlassen worden, daß östreichische Kaufleute gegen Vorzeigung der ausländischen Rechnungen einen Paß für das auszusendende Silbergeld erhalten. Zwanziger haben jetzt hier im Verhältniß zu Papier ein Agio von 9 Procent. - Kossuth-Banknoten sind hier zwar selten, werden aber von vielen Bankiers mit kleinem Verlust an Zahlungsstatt angenommen. Die Bestimmung, daß dieses ungarische Papier in den kleinern Points 1, 2-4 Gulden bei den k. k. Kassen angenommen werden soll, ist auf 5 und 10 Gulden-Banknoten ausgedehnt worden.

(A. O. Z.)
!!! Frankfurt, 22. Febr.

National-Versammlung. Simson eröffnet Punkt 9 Uhr die Sitzung. Tagesordnung: Wahlgesetz § 3 ff.

Unterstaatssekretär Wiedenmann verliest Namens des Justizministers eine Gesetzvorlage in 12 langen Artikeln, betreffend die Vollstreckung gerichtlicher Urtheile aller deutschen Gerichte. - Das Gesetz wird gedruckt; dann gebe ich es Ihnen. Der Hauptzweck ist der, in keinem deutschen Einzelstaate irgend einem Deutschen noch ferner Schutz zu geben gegen ein erlassenes Urtheil eines andern Einzelstaates, z. B. den Wiener Flüchtlingen keinen Schutz mehr in Frankfurt oder Leipzig zu geben.

Wenn es die Polizeieinheit Deutschlands gilt, ist niemand schneller als das Reichsministerium, aber sonst! Kurz, man sieht der Bundestag ist wieder vollständig da.

Das Gesetz geht an den Gesetzgebungsausschuß.

Venedey und Eisenstuck interpelliren das Reichsministerium.

Die Ministerbänke sind leer.

Die Tagesordnung führt zum Wahlgesetz:

§ 3.

Als bescholten, also von der Berechtigung zum Wählen ausgeschlossen sollen angesehen werden:

1) Personen, welche wegen Diebstahls, Betrugs oder Unterschlagung, oder welche wegen eines anderen Verbrechens zu einer Zuchthaus-, Arbeitshaus-, Festungsarbeitsstrafe oder zum Verlust der staats- [Fortsetzung]

[Fortsetzung]

Selbst, hätt' ich eingebüßt des Fühlens Sinn;
Könnt' ich nicht sehn, nicht fühlen und nicht hören;
Wär' jeder Sinn, nur der Geruch nicht, hin:
Doch würde wanklos meine Liebe währen!
Denn auf von deinem holden Antlitz steigt
Dein Odem ja, der duftend Liebe zeugt.
"Doch welch ein Mahl wär'st dem Geschmacke du,
Der Amm' und Nährer ist der andern Viere!
Sie würden's endlos wünschen! "Zwiefach zu,"
Hieß' es zum Argwohn, ,riegle Thor und Thüre!
Damit nicht Eifersucht, die saure, herbe,
In's Haus sich schleichend, unser Fest verderbe!"
Aufgeht noch einmal das Rubinportal,
Durch dessen Honig seine Rede gleitet;
Ein rother Morgen scheint's, der allemal
Wrack dem Matrosen, Sturm der Flur bedeutet;
Den Schäfern Leid, den kleinen Vögeln Weh',
Den Heerden aber Hagelwind und Schnee.
Sie merkt das böse Zeichen mit Bedacht: -
Wie sich der Wind legt, eh' der Regen fällt,
Und wie das Obst platzt, eh' es Flecken macht,
Und wie der Wolf den Zahn weist, eh' er bellt,
Und wie die Kugel, eh' sie tödtet, singt:
Ahnt sie sein Meinen, eh' sein Wort es bringt.
Und flach vor seinem Blicke fällt sie nieder,
Denn Liebe stirbt und wird belebt durch Blicke:
Ein Grollen schlägt, ein Lächeln heilt sie wieder -
Bankbrüchig jetzt, ist sie erst recht im Glücke.
Der dumme Knabe meint, sie wäre todt;
Er klopft ihr bleich Gesicht - und klopft es roth.
Und unterläßt nun, voll von Angst und Staunen,
Was er gewollt: mit Tadel sie bestürmen;
Zuvorkommt Liebe listig seinen Launen -
O Heil der List, die so sich weiß zu schirmen:
Denn wie erschlagen liegt sie auf dem Rasen,
Bis er ihr athmend Leben eingeblasen.
Er drückt die Nas' ihr, gibt ihr Backenschläge,
Krümmt ihre Finger, ruft: "o, woll' erwachen!"
Reibt ihre Lippen, sinnt auf tausend Wege,
Was er verdorben, wieder gut zu machen;
Küßt sie - und sie, geschäh' nur ihr Gelüste,
Erhöbe nie sich, daß er immer küßte.
Zum Tage jetzo wird des Kummers Nacht;
Matt ihre blauen Fenster hebt sie beide,
Der Sonne gleich, wenn in erneuter Pracht
Sie grüßt den Morgen, aller Welt zur Freude;
Und wie die Sonne hehr durchstrahlt die Welt,
So wird ihr Antlitz ganz vom Aug' erhellt:
Das auf das seine heftet all' sein Flammen,
Als ob von dem nur Gluth und Schein ihm kämen;
Vier solche Kerzen brannten nie zusammen,
Nur daß die seinen wolkt ein stilles Grämen;
Doch ihre, deren Strahl durch Thränen bricht,
Sprühn, wie bei Nacht im Wasser Mondenlicht.
"Bin ich im Himmel oder noch auf Erden?"
Ruft sie, "der Fluth, dem Feuer preisgegeben?
Ist's müder Abend, will es Morgen werden?
Schwelg' ich im Tode? wünsch' ich noch zu leben?
Erst eben lebt' ich - ach in Sterbeleide!
Starb eben erst - und Tod war Lebensfreude!
"O, du erschlugst mich! thu' es noch einmal!
Das schlau den Lehrer deiner Augen macht,
Dein hartes Herz hat so zu meiner Qual
Erzogen sie, daß meins sie umgebracht!
Und meine Augen - nie mehr sahn die armen,
Trug nicht dein Mund ein wonnevoll Erbarmen!
"Drum mögen lang sich deine Lippen küssen!
O, mög' ihr Purpur nun und nie erbleichen!
Sie sollen blühn, und alle Seuche müssen
Dem unheildroh'nden Jahre sie verscheuchen!
Daß angeführt der Sternendeuter sage,
Durch deinen Odem sei gebannt die Plage.
"O, wie als Siegel deine Lippen frei
Die meinen preßten! Sprich, was muß ich geben,
Daß sie es wieder thun? Mich selbst? Es sei,
Dafern du ehrlich zahlst und handelst eben!
Willst du den Kauf? Wohl denn, besiegl' ihn stracks
Auf meiner Lippen rothem Siegelwachs!
"Nicht, tausend Küsse kauft mein Herz von mir?
Du zahlst sie wieder, ganz wie dein Verlangen.
O sprich, was sind zehnhundert Küsse dir?
Sind sie nicht rasch gezählt und rasch gegangen?
Sag', daß Nicht-Zahlung sie verdoppeln müsse -
Sind solche Müh' denn zwanzighundert Küsse?"
So Er: "Wenn du mich lieb hast - immer nenne
Mich blöd, doch halt' es meinem Flaum zu gut!
Willst du mich kennen, eh' ich selbst mich kenne?
Fängt denn der Fischer auch die zarte Brut?
Abfallen reife, nimmer grüne Pflaumen,
Und brichst du sie, so sind sie herb dem Gaumen.
In Breslau gegen 8 2/3 Pct. Verlust.
[Deutschland]
Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden.
Z Düsseldorf, 24. Febr.

Wir leben hier unter dem Schutze eines „wohlgeregelten“ Polizeistaates so sicher, daß wir Dolche nachtragen müssen. Nur einige Beispiele, wie es hier jetzt zugeht: Drei Herren kehren Montag Nacht mit zwei Damen vom Balle heim. An der Neustraßenecke werden sie von vier Soldaten, welche den Säbel blank unter dem Mantel halten, angefallen, ohne daß die Bürger auch nur ein Wort gesagt hätten. Der erste wird auf den Kopf geschlagen und fällt; die Damen fliehen, der zweite folgt ihnen zu ihrem Schutze; der dritte jedoch wirft sich auf einen Soldaten, stürzt mit ihm nieder, und während die übrigen zwei Soldaten ihrem Kameraden zu Hülfe kommen, erscheint zum Glücke ein junger Mann, eben, als ein Soldat schrie: „wie, Ihr wollt das Militär anfallen?!“ ‒ Beim Erscheinen des erwähnten Herrn nehmen die vier Helden, zwei Musketiere und zwei Jäger, die Flucht, und der Hinzugekommene erzählt jetzt, wie er den vieren nachgegangen sei, indem er schon fünfmal diese Nacht Zeuge gewesen, wie sie einzelne Bürger angefallen hätten. Die Sache wurde angezeigt, und obschon einer der Musketiere einen Biß in die Nase erhalten hat, was wird die Strafe der Wegelagerer sein?

Den andern Tag dringen vier Jäger in einen Laden vor dem Benrather Thor und verlangen, was nicht da ist. Sie werden grob und als die Frau ihnen derbe antwortet, zieht man blank und versetzt der einzelnen Frau einen Hieb in's Gesicht, daß die blutende Wange herabhängt; die Wange mußte zusammengenäht werden; die Helden flohen, was wird ihre Strafe sein? ‒ Wieder kömmt ein Schiffer allein und stille durch die Hochstraße; drei Jäger ‒ unter diesen sind überhaupt die tapfersten Helden mit Gott für König und Vaterland ‒ fallen den erstaunten Bürger mit dem Ausrufe „ein Demokrat, es ist einer davon!“ an, ziehen blank und versetzen ihm einen gefährlichen Hieb über den Kopf. ‒ Ich könnte ihnen beinahe Dutzendweise solcher Auftritte erzählen, welche die volle Wahrheit sind, aber sie sind Einer wie der Andere.

* Berlin, 22. Februar.

Unsere letzthin gemachte Mittheilung, daß die beiden Musketier-Bataillone des 24. Regiments nur deshalb nach Stettin versetzt werden, weil sie soviel mißliebige Elemente enthalten, hat gestern eine Allerhöchste Bestätigung durch eine Königliche Rede erhalten. Vor ihrem Abmarsch nach Stettin nahm nähmlich der König den beiden Bataillonen in Charlottenburg Parade ab, und hielt nach derselben eine Anrede an sie, worin er ihnen Vorwürfe über den schlechten Geist machte, der in ihren Reihen herrsche. Sie hätten der Verführung nicht zu widerstehen vermocht und müßten daher von Berlin entfernt und durch andere zuverlässigere, treuere Truppen ersetzt werden. Er hoffe übrigens, sie würden sich fortan besser benehmen und gutmachen, was sie bisher gefehlt hätten.

An unserer Börse herrscht schon seit einigen Tagen eine sehr gedrückte Stimmung, die in Befürchtungen nah bevorstehender politischer Katastrophen und in dem allgemeinen Gefühl der Unsicherheit unserer politischen Zustände ihren Grund hat. Auch trägt man sich mit allerhand kriegerischen Gerüchten die namentlich gegen Oestreich gerichtet sind. So behauptet man sogar seit gestern, der östreichische Gesandte habe sich zur Abreise vorbereitet. Heute hat sich diese gedrückte Stimmung noch stärker kund gegeben und sind fast sämmtliche Effekten bedeutend gewichen.

Als zwei fleißige Mitarbeiter des Berliner Zuschauers der Neuen Preußischen Zeitung bezeichnet man uns die Herren Linde und Heder. Ersterer soll wiederholentlich und für längere Zeit intime Bekanntschaft mit dem Spandauer Zuchthause gemacht haben und die Verkürzung seines letzten Aufenthalts daselbst von 4 auf 1 1/2 Jahre den Bemühungen der Missionäre verdanken, die an ihm eine schätzenswerthe Acquisition für das Christenthum gemacht hatten. Letzterer war früher Wachtmeister bei dem 3. Dragonerregiment. Jeder von diesen Herren erhält ein monatliches Honorar von 30 Thalern; ihr Hauptgeschäft ist an allen öffentlichen Orten umher zu spioniren, und die Gespräche der Gäste zu belauschen.

Es sind, in Folge der Gesetze vom 2. und 3. Januar, wegen Reorganisation der Justizverwaltung, vielfach Besorgnisse unter den Justizbeamten laut geworden, daß eine große Masse von richterlichen Kräften dadurch entbehrlich werden möchte, wodurch denn namentlich die jüngern Justizbeamten betrogen werden würden. Man sprach bereits von der theilweisen Auflösung der Obergerichte und von dem Eintreten der Obergerichtsräthe in die Untergerichts-Kollegien, was denn allerdings, zurückwirkend, eine Anzahl richterlicher Personen überflüssig machen müßte. Diese Besorgnisse scheinen jedoch nicht begründet, wenigstens gewiß übertrieben zu sein, sofern man dabei nicht bedacht hat, daß künftig die Appellationsgerichte jedenfalls ein größeres Richterpersonal absorbiren werden, als bisher. Von einer Verminderung des kammergerichtlichen Personals ist z. B. wie der Publicist meldet, so wenig die Rede, daß bei der Reorganisation noch die Besetzung von einer, seit längerer Zeit vakanten, Richterstelle erfolgen soll. Das Kammergericht soll nämlich künftig aus drei Senaten bestehen, jeder Senat unter dem Vorsitze eines Präsidenten. Aehnlich wird es sich auch wohl in den Provingen gestalten, daß in Provinzen, wo bis jetzt drei, vier Obergerichte bestehen die Zahl vermindert, dagegen an den bestehenbleibenden des Richterpersonal vermehrt werden wird.

Während der Zeit wo der bekannte Held mehr auf Erfolg durch seine Rednergabe und seine persönliche Erscheinung als durch seine schriftstellerische Thätigkeit rechnete, eine Rechnung die freilich ohne den Wirth gemacht war, redigirte er sein jetzt verbotenes Tagesblatt „die Locomotive“ selbst gar nicht, überließ deren Redaktion vielmehr einigen seiner früheren Mitarbeiter. In dieser Zeit erschien in der Locomotive ein Aufsatz betitelt „An den Tyrannen“ der allen Tyrannen den Tod nicht nur vorhersagte, sondern auch zu deren Ermordung aufforderte. Dieser Artikel, der mit Robert Springer unterzeichnet war, erregte die Aufmerksamkeit des Staatsanwalts und wurden wegen desselben zuerst Held zur Verantwortung gezogen, da dieser jedoch seine Nichtbetheiligung an demselben vollständig erwiesen hat, so soll jetzt die Anklage wegen Majestätsbeleidigung ‒ der Staatsanwalt bezieht nemlich den Artikel auf den König von Preußen ‒ gegen den Verfasser erhoben worden sein.

Wien, 18. Febr.

(Die Silbernoth) wächst; im Caffehaus, wie auch im Kaufladen erhält man statt einigen Kreuzern den vierten, resp. achten Theil einer Banknote; das einzige Mittel den Verkehr zu erhalten. Trotzdem auch die Erfahrung gelehrt hat, welch unzulängliches Mittel das Silberausfuhrverbot ist, beharrt die Regierung doch dabei. Zur Erleichterung des Verkehrs mit dem Auslande, das unsere Papiere nur gegen bedeutenden Verlust *) nimmt, ist die Bestimmung erlassen worden, daß östreichische Kaufleute gegen Vorzeigung der ausländischen Rechnungen einen Paß für das auszusendende Silbergeld erhalten. Zwanziger haben jetzt hier im Verhältniß zu Papier ein Agio von 9 Procent. ‒ Kossuth-Banknoten sind hier zwar selten, werden aber von vielen Bankiers mit kleinem Verlust an Zahlungsstatt angenommen. Die Bestimmung, daß dieses ungarische Papier in den kleinern Points 1, 2-4 Gulden bei den k. k. Kassen angenommen werden soll, ist auf 5 und 10 Gulden-Banknoten ausgedehnt worden.

(A. O. Z.)
!!! Frankfurt, 22. Febr.

National-Versammlung. Simson eröffnet Punkt 9 Uhr die Sitzung. Tagesordnung: Wahlgesetz § 3 ff.

Unterstaatssekretär Wiedenmann verliest Namens des Justizministers eine Gesetzvorlage in 12 langen Artikeln, betreffend die Vollstreckung gerichtlicher Urtheile aller deutschen Gerichte. ‒ Das Gesetz wird gedruckt; dann gebe ich es Ihnen. Der Hauptzweck ist der, in keinem deutschen Einzelstaate irgend einem Deutschen noch ferner Schutz zu geben gegen ein erlassenes Urtheil eines andern Einzelstaates, z. B. den Wiener Flüchtlingen keinen Schutz mehr in Frankfurt oder Leipzig zu geben.

Wenn es die Polizeieinheit Deutschlands gilt, ist niemand schneller als das Reichsministerium, aber sonst! Kurz, man sieht der Bundestag ist wieder vollständig da.

Das Gesetz geht an den Gesetzgebungsausschuß.

Venedey und Eisenstuck interpelliren das Reichsministerium.

Die Ministerbänke sind leer.

Die Tagesordnung führt zum Wahlgesetz:

§ 3.

Als bescholten, also von der Berechtigung zum Wählen ausgeschlossen sollen angesehen werden:

1) Personen, welche wegen Diebstahls, Betrugs oder Unterschlagung, oder welche wegen eines anderen Verbrechens zu einer Zuchthaus-, Arbeitshaus-, Festungsarbeitsstrafe oder zum Verlust der staats- [Fortsetzung]

[Fortsetzung]

Selbst, hätt' ich eingebüßt des Fühlens Sinn;
Könnt' ich nicht sehn, nicht fühlen und nicht hören;
Wär' jeder Sinn, nur der Geruch nicht, hin:
Doch würde wanklos meine Liebe währen!
Denn auf von deinem holden Antlitz steigt
Dein Odem ja, der duftend Liebe zeugt.
„Doch welch ein Mahl wär'st dem Geschmacke du,
Der Amm' und Nährer ist der andern Viere!
Sie würden's endlos wünschen! „Zwiefach zu,“
Hieß' es zum Argwohn, ,riegle Thor und Thüre!
Damit nicht Eifersucht, die saure, herbe,
In's Haus sich schleichend, unser Fest verderbe!“
Aufgeht noch einmal das Rubinportal,
Durch dessen Honig seine Rede gleitet;
Ein rother Morgen scheint's, der allemal
Wrack dem Matrosen, Sturm der Flur bedeutet;
Den Schäfern Leid, den kleinen Vögeln Weh',
Den Heerden aber Hagelwind und Schnee.
Sie merkt das böse Zeichen mit Bedacht: ‒
Wie sich der Wind legt, eh' der Regen fällt,
Und wie das Obst platzt, eh' es Flecken macht,
Und wie der Wolf den Zahn weist, eh' er bellt,
Und wie die Kugel, eh' sie tödtet, singt:
Ahnt sie sein Meinen, eh' sein Wort es bringt.
Und flach vor seinem Blicke fällt sie nieder,
Denn Liebe stirbt und wird belebt durch Blicke:
Ein Grollen schlägt, ein Lächeln heilt sie wieder ‒
Bankbrüchig jetzt, ist sie erst recht im Glücke.
Der dumme Knabe meint, sie wäre todt;
Er klopft ihr bleich Gesicht ‒ und klopft es roth.
Und unterläßt nun, voll von Angst und Staunen,
Was er gewollt: mit Tadel sie bestürmen;
Zuvorkommt Liebe listig seinen Launen ‒
O Heil der List, die so sich weiß zu schirmen:
Denn wie erschlagen liegt sie auf dem Rasen,
Bis er ihr athmend Leben eingeblasen.
Er drückt die Nas' ihr, gibt ihr Backenschläge,
Krümmt ihre Finger, ruft: „o, woll' erwachen!“
Reibt ihre Lippen, sinnt auf tausend Wege,
Was er verdorben, wieder gut zu machen;
Küßt sie ‒ und sie, geschäh' nur ihr Gelüste,
Erhöbe nie sich, daß er immer küßte.
Zum Tage jetzo wird des Kummers Nacht;
Matt ihre blauen Fenster hebt sie beide,
Der Sonne gleich, wenn in erneuter Pracht
Sie grüßt den Morgen, aller Welt zur Freude;
Und wie die Sonne hehr durchstrahlt die Welt,
So wird ihr Antlitz ganz vom Aug' erhellt:
Das auf das seine heftet all' sein Flammen,
Als ob von dem nur Gluth und Schein ihm kämen;
Vier solche Kerzen brannten nie zusammen,
Nur daß die seinen wolkt ein stilles Grämen;
Doch ihre, deren Strahl durch Thränen bricht,
Sprühn, wie bei Nacht im Wasser Mondenlicht.
„Bin ich im Himmel oder noch auf Erden?“
Ruft sie, „der Fluth, dem Feuer preisgegeben?
Ist's müder Abend, will es Morgen werden?
Schwelg' ich im Tode? wünsch' ich noch zu leben?
Erst eben lebt' ich ‒ ach in Sterbeleide!
Starb eben erst ‒ und Tod war Lebensfreude!
„O, du erschlugst mich! thu' es noch einmal!
Das schlau den Lehrer deiner Augen macht,
Dein hartes Herz hat so zu meiner Qual
Erzogen sie, daß meins sie umgebracht!
Und meine Augen ‒ nie mehr sahn die armen,
Trug nicht dein Mund ein wonnevoll Erbarmen!
„Drum mögen lang sich deine Lippen küssen!
O, mög' ihr Purpur nun und nie erbleichen!
Sie sollen blühn, und alle Seuche müssen
Dem unheildroh'nden Jahre sie verscheuchen!
Daß angeführt der Sternendeuter sage,
Durch deinen Odem sei gebannt die Plage.
„O, wie als Siegel deine Lippen frei
Die meinen preßten! Sprich, was muß ich geben,
Daß sie es wieder thun? Mich selbst? Es sei,
Dafern du ehrlich zahlst und handelst eben!
Willst du den Kauf? Wohl denn, besiegl' ihn stracks
Auf meiner Lippen rothem Siegelwachs!
„Nicht, tausend Küsse kauft mein Herz von mir?
Du zahlst sie wieder, ganz wie dein Verlangen.
O sprich, was sind zehnhundert Küsse dir?
Sind sie nicht rasch gezählt und rasch gegangen?
Sag', daß Nicht-Zahlung sie verdoppeln müsse ‒
Sind solche Müh' denn zwanzighundert Küsse?“
So Er: „Wenn du mich lieb hast ‒ immer nenne
Mich blöd, doch halt' es meinem Flaum zu gut!
Willst du mich kennen, eh' ich selbst mich kenne?
Fängt denn der Fischer auch die zarte Brut?
Abfallen reife, nimmer grüne Pflaumen,
Und brichst du sie, so sind sie herb dem Gaumen.
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          <note type="editorial">Edition: <bibl>Karl Marx: Verteidigungsrede im Prozess gegen den Rheinischen Kreisausschuß der Demokraten, vorgesehen für: MEGA<hi rendition="#sup">2</hi>, I/8.         </bibl>                </note>
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          <p>An unserer Börse herrscht schon seit einigen Tagen eine sehr gedrückte Stimmung, die in Befürchtungen nah bevorstehender politischer Katastrophen und in dem allgemeinen Gefühl der Unsicherheit unserer politischen Zustände ihren Grund hat. Auch trägt man sich mit allerhand kriegerischen Gerüchten die namentlich gegen Oestreich gerichtet sind. So behauptet man sogar seit gestern, der östreichische Gesandte habe sich zur Abreise vorbereitet. Heute hat sich diese gedrückte Stimmung noch stärker kund gegeben und sind fast sämmtliche Effekten bedeutend gewichen.</p>
          <p>Als zwei fleißige Mitarbeiter des Berliner Zuschauers der Neuen Preußischen Zeitung bezeichnet man uns die Herren Linde und Heder. Ersterer soll wiederholentlich und für längere Zeit intime Bekanntschaft mit dem Spandauer Zuchthause gemacht haben und die Verkürzung seines letzten Aufenthalts daselbst von 4 auf 1 1/2 Jahre den Bemühungen der Missionäre verdanken, die an ihm eine schätzenswerthe Acquisition für das Christenthum gemacht hatten. Letzterer war früher Wachtmeister bei dem 3. Dragonerregiment. Jeder von diesen Herren erhält ein monatliches Honorar von 30 Thalern; ihr Hauptgeschäft ist an allen öffentlichen Orten umher zu spioniren, und die Gespräche der Gäste zu belauschen.</p>
          <p>Es sind, in Folge der Gesetze vom 2. und 3. Januar, wegen Reorganisation der Justizverwaltung, vielfach Besorgnisse unter den Justizbeamten laut geworden, daß eine große Masse von richterlichen Kräften dadurch entbehrlich werden möchte, wodurch denn namentlich die jüngern Justizbeamten betrogen werden würden. Man sprach bereits von der theilweisen Auflösung der Obergerichte und von dem Eintreten der Obergerichtsräthe in die Untergerichts-Kollegien, was denn allerdings, zurückwirkend, eine Anzahl richterlicher Personen überflüssig machen müßte. Diese Besorgnisse scheinen jedoch nicht begründet, wenigstens gewiß übertrieben zu sein, sofern man dabei nicht bedacht hat, daß künftig die Appellationsgerichte jedenfalls ein größeres Richterpersonal absorbiren werden, als bisher. Von einer Verminderung des kammergerichtlichen Personals ist z. B. wie der Publicist meldet, so wenig die Rede, daß bei der Reorganisation noch die Besetzung von einer, seit längerer Zeit vakanten, Richterstelle erfolgen soll. Das Kammergericht soll nämlich künftig aus drei Senaten bestehen, jeder Senat unter dem Vorsitze eines Präsidenten. Aehnlich wird es sich auch wohl in den Provingen gestalten, daß in Provinzen, wo bis jetzt drei, vier Obergerichte bestehen die Zahl vermindert, dagegen an den bestehenbleibenden des Richterpersonal vermehrt werden wird.</p>
          <p>Während der Zeit wo der bekannte <hi rendition="#g">Held</hi> mehr auf Erfolg durch seine Rednergabe und seine persönliche Erscheinung als durch seine schriftstellerische Thätigkeit rechnete, eine Rechnung die freilich ohne den Wirth gemacht war, redigirte er sein jetzt verbotenes Tagesblatt &#x201E;die Locomotive&#x201C; selbst gar nicht, überließ deren Redaktion vielmehr einigen seiner früheren Mitarbeiter. In dieser Zeit erschien in der Locomotive ein Aufsatz betitelt &#x201E;An den Tyrannen&#x201C; der allen Tyrannen den Tod nicht nur vorhersagte, sondern auch zu deren Ermordung aufforderte. Dieser Artikel, der mit <hi rendition="#g">Robert Springer</hi> unterzeichnet war, erregte die Aufmerksamkeit des Staatsanwalts und wurden wegen desselben zuerst <hi rendition="#g">Held</hi> zur Verantwortung gezogen, da dieser jedoch seine Nichtbetheiligung an demselben vollständig erwiesen hat, so soll jetzt die Anklage wegen Majestätsbeleidigung &#x2012; der Staatsanwalt bezieht nemlich den Artikel auf den König von Preußen &#x2012; gegen den Verfasser erhoben worden sein.</p>
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          <head>Wien, 18. Febr.</head>
          <p><hi rendition="#g">(Die Silbernoth)</hi> wächst; im Caffehaus, wie auch im Kaufladen erhält man statt einigen Kreuzern den vierten, resp. achten Theil einer Banknote; das einzige Mittel den Verkehr zu erhalten. Trotzdem auch die Erfahrung gelehrt hat, welch unzulängliches Mittel das Silberausfuhrverbot ist, beharrt die Regierung doch dabei. Zur Erleichterung des Verkehrs mit dem Auslande, das unsere Papiere nur gegen bedeutenden Verlust *)<note place="foot">In Breslau gegen 8 2/3 Pct. Verlust.</note> nimmt, ist die Bestimmung erlassen worden, daß östreichische Kaufleute gegen Vorzeigung der ausländischen Rechnungen einen Paß für das auszusendende Silbergeld erhalten. Zwanziger haben jetzt hier im Verhältniß zu Papier ein Agio von 9 Procent. &#x2012; Kossuth-Banknoten sind hier zwar selten, werden aber von vielen Bankiers mit kleinem Verlust an Zahlungsstatt angenommen. Die Bestimmung, daß dieses ungarische Papier in den kleinern Points 1, 2-4 Gulden bei den k. k. Kassen angenommen werden soll, ist auf 5 und 10 Gulden-Banknoten ausgedehnt worden.</p>
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          <head><bibl><author>!!!</author></bibl> Frankfurt, 22. Febr.</head>
          <p>National-Versammlung. Simson eröffnet Punkt 9 Uhr die Sitzung. Tagesordnung: Wahlgesetz § 3 ff.</p>
          <p>Unterstaatssekretär <hi rendition="#g">Wiedenmann</hi> verliest Namens des Justizministers eine Gesetzvorlage in 12 langen Artikeln, betreffend die Vollstreckung gerichtlicher Urtheile aller deutschen Gerichte. &#x2012; Das Gesetz wird gedruckt; dann gebe ich es Ihnen. Der Hauptzweck ist der, in keinem deutschen Einzelstaate irgend einem Deutschen noch ferner Schutz zu geben gegen ein erlassenes Urtheil eines andern Einzelstaates, z. B. den Wiener Flüchtlingen keinen Schutz mehr in Frankfurt oder Leipzig zu geben.</p>
          <p>Wenn es die Polizeieinheit Deutschlands gilt, ist niemand schneller als das Reichsministerium, aber sonst! Kurz, man sieht der Bundestag ist wieder vollständig da.</p>
          <p>Das Gesetz geht an den Gesetzgebungsausschuß.</p>
          <p><hi rendition="#g">Venedey</hi> und <hi rendition="#g">Eisenstuck</hi> interpelliren das Reichsministerium.</p>
          <p>Die Ministerbänke sind leer.</p>
          <p>Die Tagesordnung führt zum Wahlgesetz:</p>
          <p>§ 3.</p>
          <p>Als bescholten, also von der Berechtigung zum Wählen ausgeschlossen sollen angesehen werden:</p>
          <p>1) Personen, welche wegen Diebstahls, Betrugs oder Unterschlagung, oder welche wegen eines anderen Verbrechens zu einer Zuchthaus-, Arbeitshaus-, Festungsarbeitsstrafe oder zum Verlust der     staats- <ref type="link_fsg">[Fortsetzung]</ref>                 </p>
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[1268/0002] [Deutschland] _ Z Düsseldorf, 24. Febr. Wir leben hier unter dem Schutze eines „wohlgeregelten“ Polizeistaates so sicher, daß wir Dolche nachtragen müssen. Nur einige Beispiele, wie es hier jetzt zugeht: Drei Herren kehren Montag Nacht mit zwei Damen vom Balle heim. An der Neustraßenecke werden sie von vier Soldaten, welche den Säbel blank unter dem Mantel halten, angefallen, ohne daß die Bürger auch nur ein Wort gesagt hätten. Der erste wird auf den Kopf geschlagen und fällt; die Damen fliehen, der zweite folgt ihnen zu ihrem Schutze; der dritte jedoch wirft sich auf einen Soldaten, stürzt mit ihm nieder, und während die übrigen zwei Soldaten ihrem Kameraden zu Hülfe kommen, erscheint zum Glücke ein junger Mann, eben, als ein Soldat schrie: „wie, Ihr wollt das Militär anfallen?!“ ‒ Beim Erscheinen des erwähnten Herrn nehmen die vier Helden, zwei Musketiere und zwei Jäger, die Flucht, und der Hinzugekommene erzählt jetzt, wie er den vieren nachgegangen sei, indem er schon fünfmal diese Nacht Zeuge gewesen, wie sie einzelne Bürger angefallen hätten. Die Sache wurde angezeigt, und obschon einer der Musketiere einen Biß in die Nase erhalten hat, was wird die Strafe der Wegelagerer sein? Den andern Tag dringen vier Jäger in einen Laden vor dem Benrather Thor und verlangen, was nicht da ist. Sie werden grob und als die Frau ihnen derbe antwortet, zieht man blank und versetzt der einzelnen Frau einen Hieb in's Gesicht, daß die blutende Wange herabhängt; die Wange mußte zusammengenäht werden; die Helden flohen, was wird ihre Strafe sein? ‒ Wieder kömmt ein Schiffer allein und stille durch die Hochstraße; drei Jäger ‒ unter diesen sind überhaupt die tapfersten Helden mit Gott für König und Vaterland ‒ fallen den erstaunten Bürger mit dem Ausrufe „ein Demokrat, es ist einer davon!“ an, ziehen blank und versetzen ihm einen gefährlichen Hieb über den Kopf. ‒ Ich könnte ihnen beinahe Dutzendweise solcher Auftritte erzählen, welche die volle Wahrheit sind, aber sie sind Einer wie der Andere. * Berlin, 22. Februar. Unsere letzthin gemachte Mittheilung, daß die beiden Musketier-Bataillone des 24. Regiments nur deshalb nach Stettin versetzt werden, weil sie soviel mißliebige Elemente enthalten, hat gestern eine Allerhöchste Bestätigung durch eine Königliche Rede erhalten. Vor ihrem Abmarsch nach Stettin nahm nähmlich der König den beiden Bataillonen in Charlottenburg Parade ab, und hielt nach derselben eine Anrede an sie, worin er ihnen Vorwürfe über den schlechten Geist machte, der in ihren Reihen herrsche. Sie hätten der Verführung nicht zu widerstehen vermocht und müßten daher von Berlin entfernt und durch andere zuverlässigere, treuere Truppen ersetzt werden. Er hoffe übrigens, sie würden sich fortan besser benehmen und gutmachen, was sie bisher gefehlt hätten. An unserer Börse herrscht schon seit einigen Tagen eine sehr gedrückte Stimmung, die in Befürchtungen nah bevorstehender politischer Katastrophen und in dem allgemeinen Gefühl der Unsicherheit unserer politischen Zustände ihren Grund hat. Auch trägt man sich mit allerhand kriegerischen Gerüchten die namentlich gegen Oestreich gerichtet sind. So behauptet man sogar seit gestern, der östreichische Gesandte habe sich zur Abreise vorbereitet. Heute hat sich diese gedrückte Stimmung noch stärker kund gegeben und sind fast sämmtliche Effekten bedeutend gewichen. Als zwei fleißige Mitarbeiter des Berliner Zuschauers der Neuen Preußischen Zeitung bezeichnet man uns die Herren Linde und Heder. Ersterer soll wiederholentlich und für längere Zeit intime Bekanntschaft mit dem Spandauer Zuchthause gemacht haben und die Verkürzung seines letzten Aufenthalts daselbst von 4 auf 1 1/2 Jahre den Bemühungen der Missionäre verdanken, die an ihm eine schätzenswerthe Acquisition für das Christenthum gemacht hatten. Letzterer war früher Wachtmeister bei dem 3. Dragonerregiment. Jeder von diesen Herren erhält ein monatliches Honorar von 30 Thalern; ihr Hauptgeschäft ist an allen öffentlichen Orten umher zu spioniren, und die Gespräche der Gäste zu belauschen. Es sind, in Folge der Gesetze vom 2. und 3. Januar, wegen Reorganisation der Justizverwaltung, vielfach Besorgnisse unter den Justizbeamten laut geworden, daß eine große Masse von richterlichen Kräften dadurch entbehrlich werden möchte, wodurch denn namentlich die jüngern Justizbeamten betrogen werden würden. Man sprach bereits von der theilweisen Auflösung der Obergerichte und von dem Eintreten der Obergerichtsräthe in die Untergerichts-Kollegien, was denn allerdings, zurückwirkend, eine Anzahl richterlicher Personen überflüssig machen müßte. Diese Besorgnisse scheinen jedoch nicht begründet, wenigstens gewiß übertrieben zu sein, sofern man dabei nicht bedacht hat, daß künftig die Appellationsgerichte jedenfalls ein größeres Richterpersonal absorbiren werden, als bisher. Von einer Verminderung des kammergerichtlichen Personals ist z. B. wie der Publicist meldet, so wenig die Rede, daß bei der Reorganisation noch die Besetzung von einer, seit längerer Zeit vakanten, Richterstelle erfolgen soll. Das Kammergericht soll nämlich künftig aus drei Senaten bestehen, jeder Senat unter dem Vorsitze eines Präsidenten. Aehnlich wird es sich auch wohl in den Provingen gestalten, daß in Provinzen, wo bis jetzt drei, vier Obergerichte bestehen die Zahl vermindert, dagegen an den bestehenbleibenden des Richterpersonal vermehrt werden wird. Während der Zeit wo der bekannte Held mehr auf Erfolg durch seine Rednergabe und seine persönliche Erscheinung als durch seine schriftstellerische Thätigkeit rechnete, eine Rechnung die freilich ohne den Wirth gemacht war, redigirte er sein jetzt verbotenes Tagesblatt „die Locomotive“ selbst gar nicht, überließ deren Redaktion vielmehr einigen seiner früheren Mitarbeiter. In dieser Zeit erschien in der Locomotive ein Aufsatz betitelt „An den Tyrannen“ der allen Tyrannen den Tod nicht nur vorhersagte, sondern auch zu deren Ermordung aufforderte. Dieser Artikel, der mit Robert Springer unterzeichnet war, erregte die Aufmerksamkeit des Staatsanwalts und wurden wegen desselben zuerst Held zur Verantwortung gezogen, da dieser jedoch seine Nichtbetheiligung an demselben vollständig erwiesen hat, so soll jetzt die Anklage wegen Majestätsbeleidigung ‒ der Staatsanwalt bezieht nemlich den Artikel auf den König von Preußen ‒ gegen den Verfasser erhoben worden sein. Wien, 18. Febr. (Die Silbernoth) wächst; im Caffehaus, wie auch im Kaufladen erhält man statt einigen Kreuzern den vierten, resp. achten Theil einer Banknote; das einzige Mittel den Verkehr zu erhalten. Trotzdem auch die Erfahrung gelehrt hat, welch unzulängliches Mittel das Silberausfuhrverbot ist, beharrt die Regierung doch dabei. Zur Erleichterung des Verkehrs mit dem Auslande, das unsere Papiere nur gegen bedeutenden Verlust *) nimmt, ist die Bestimmung erlassen worden, daß östreichische Kaufleute gegen Vorzeigung der ausländischen Rechnungen einen Paß für das auszusendende Silbergeld erhalten. Zwanziger haben jetzt hier im Verhältniß zu Papier ein Agio von 9 Procent. ‒ Kossuth-Banknoten sind hier zwar selten, werden aber von vielen Bankiers mit kleinem Verlust an Zahlungsstatt angenommen. Die Bestimmung, daß dieses ungarische Papier in den kleinern Points 1, 2-4 Gulden bei den k. k. Kassen angenommen werden soll, ist auf 5 und 10 Gulden-Banknoten ausgedehnt worden. (A. O. Z.) !!! Frankfurt, 22. Febr. National-Versammlung. Simson eröffnet Punkt 9 Uhr die Sitzung. Tagesordnung: Wahlgesetz § 3 ff. Unterstaatssekretär Wiedenmann verliest Namens des Justizministers eine Gesetzvorlage in 12 langen Artikeln, betreffend die Vollstreckung gerichtlicher Urtheile aller deutschen Gerichte. ‒ Das Gesetz wird gedruckt; dann gebe ich es Ihnen. Der Hauptzweck ist der, in keinem deutschen Einzelstaate irgend einem Deutschen noch ferner Schutz zu geben gegen ein erlassenes Urtheil eines andern Einzelstaates, z. B. den Wiener Flüchtlingen keinen Schutz mehr in Frankfurt oder Leipzig zu geben. Wenn es die Polizeieinheit Deutschlands gilt, ist niemand schneller als das Reichsministerium, aber sonst! Kurz, man sieht der Bundestag ist wieder vollständig da. Das Gesetz geht an den Gesetzgebungsausschuß. Venedey und Eisenstuck interpelliren das Reichsministerium. Die Ministerbänke sind leer. Die Tagesordnung führt zum Wahlgesetz: § 3. Als bescholten, also von der Berechtigung zum Wählen ausgeschlossen sollen angesehen werden: 1) Personen, welche wegen Diebstahls, Betrugs oder Unterschlagung, oder welche wegen eines anderen Verbrechens zu einer Zuchthaus-, Arbeitshaus-, Festungsarbeitsstrafe oder zum Verlust der staats- [Fortsetzung] [Fortsetzung] Selbst, hätt' ich eingebüßt des Fühlens Sinn; Könnt' ich nicht sehn, nicht fühlen und nicht hören; Wär' jeder Sinn, nur der Geruch nicht, hin: Doch würde wanklos meine Liebe währen! Denn auf von deinem holden Antlitz steigt Dein Odem ja, der duftend Liebe zeugt. „Doch welch ein Mahl wär'st dem Geschmacke du, Der Amm' und Nährer ist der andern Viere! Sie würden's endlos wünschen! „Zwiefach zu,“ Hieß' es zum Argwohn, ,riegle Thor und Thüre! Damit nicht Eifersucht, die saure, herbe, In's Haus sich schleichend, unser Fest verderbe!“ Aufgeht noch einmal das Rubinportal, Durch dessen Honig seine Rede gleitet; Ein rother Morgen scheint's, der allemal Wrack dem Matrosen, Sturm der Flur bedeutet; Den Schäfern Leid, den kleinen Vögeln Weh', Den Heerden aber Hagelwind und Schnee. Sie merkt das böse Zeichen mit Bedacht: ‒ Wie sich der Wind legt, eh' der Regen fällt, Und wie das Obst platzt, eh' es Flecken macht, Und wie der Wolf den Zahn weist, eh' er bellt, Und wie die Kugel, eh' sie tödtet, singt: Ahnt sie sein Meinen, eh' sein Wort es bringt. Und flach vor seinem Blicke fällt sie nieder, Denn Liebe stirbt und wird belebt durch Blicke: Ein Grollen schlägt, ein Lächeln heilt sie wieder ‒ Bankbrüchig jetzt, ist sie erst recht im Glücke. Der dumme Knabe meint, sie wäre todt; Er klopft ihr bleich Gesicht ‒ und klopft es roth. Und unterläßt nun, voll von Angst und Staunen, Was er gewollt: mit Tadel sie bestürmen; Zuvorkommt Liebe listig seinen Launen ‒ O Heil der List, die so sich weiß zu schirmen: Denn wie erschlagen liegt sie auf dem Rasen, Bis er ihr athmend Leben eingeblasen. Er drückt die Nas' ihr, gibt ihr Backenschläge, Krümmt ihre Finger, ruft: „o, woll' erwachen!“ Reibt ihre Lippen, sinnt auf tausend Wege, Was er verdorben, wieder gut zu machen; Küßt sie ‒ und sie, geschäh' nur ihr Gelüste, Erhöbe nie sich, daß er immer küßte. Zum Tage jetzo wird des Kummers Nacht; Matt ihre blauen Fenster hebt sie beide, Der Sonne gleich, wenn in erneuter Pracht Sie grüßt den Morgen, aller Welt zur Freude; Und wie die Sonne hehr durchstrahlt die Welt, So wird ihr Antlitz ganz vom Aug' erhellt: Das auf das seine heftet all' sein Flammen, Als ob von dem nur Gluth und Schein ihm kämen; Vier solche Kerzen brannten nie zusammen, Nur daß die seinen wolkt ein stilles Grämen; Doch ihre, deren Strahl durch Thränen bricht, Sprühn, wie bei Nacht im Wasser Mondenlicht. „Bin ich im Himmel oder noch auf Erden?“ Ruft sie, „der Fluth, dem Feuer preisgegeben? Ist's müder Abend, will es Morgen werden? Schwelg' ich im Tode? wünsch' ich noch zu leben? Erst eben lebt' ich ‒ ach in Sterbeleide! Starb eben erst ‒ und Tod war Lebensfreude! „O, du erschlugst mich! thu' es noch einmal! Das schlau den Lehrer deiner Augen macht, Dein hartes Herz hat so zu meiner Qual Erzogen sie, daß meins sie umgebracht! Und meine Augen ‒ nie mehr sahn die armen, Trug nicht dein Mund ein wonnevoll Erbarmen! „Drum mögen lang sich deine Lippen küssen! O, mög' ihr Purpur nun und nie erbleichen! Sie sollen blühn, und alle Seuche müssen Dem unheildroh'nden Jahre sie verscheuchen! Daß angeführt der Sternendeuter sage, Durch deinen Odem sei gebannt die Plage. „O, wie als Siegel deine Lippen frei Die meinen preßten! Sprich, was muß ich geben, Daß sie es wieder thun? Mich selbst? Es sei, Dafern du ehrlich zahlst und handelst eben! Willst du den Kauf? Wohl denn, besiegl' ihn stracks Auf meiner Lippen rothem Siegelwachs! „Nicht, tausend Küsse kauft mein Herz von mir? Du zahlst sie wieder, ganz wie dein Verlangen. O sprich, was sind zehnhundert Küsse dir? Sind sie nicht rasch gezählt und rasch gegangen? Sag', daß Nicht-Zahlung sie verdoppeln müsse ‒ Sind solche Müh' denn zwanzighundert Küsse?“ So Er: „Wenn du mich lieb hast ‒ immer nenne Mich blöd, doch halt' es meinem Flaum zu gut! Willst du mich kennen, eh' ich selbst mich kenne? Fängt denn der Fischer auch die zarte Brut? Abfallen reife, nimmer grüne Pflaumen, Und brichst du sie, so sind sie herb dem Gaumen. In Breslau gegen 8 2/3 Pct. Verlust.

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Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 2 (Nummer 184 bis Nummer 301) Köln, 1. Januar 1849 bis 19. Mai 1849. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




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Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 231. Köln, 25. Februar 1849, S. 1268. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz231_1849/2>, abgerufen am 27.04.2024.