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Neue Rheinische Zeitung. Nr. 229. Köln, 23. Februar 1849.

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nach, daß die dem Kölkenbeck zur Last gelegte Ueberschreitung des Züchtigungsrechts eine perfide Lüge gewesen. Die Suspension ward demnach wieder aufgehoben. Im Jahr 1848 soll nun derselbe Lehrer durch rohe Außerungen gerechte Beschwerden hervorgerufen haben; merkwürdig! der Schulvorstand weiß hervon wieder nichts, man spricht wohl davon, daß der Kölkenbeck von seinen Hausrechte Gebrauch gemacht haben soll einem polternden Landrathe gegenüber. Der erste Grund zu der jetzigen Suspension ist also in sich schon eine Lüge und der zweite Grund, der Lehrer Kölkenbeck sei roh ist ebenfalls eine grobe abgeschmackte Unwahrheit, da der Mann äußerst harmlos und gemüthlich ist und die Achtung und Liebe aller seiner Mitbürger in vollem und wohlverdientem Maaße besitzt. Der dritte Grund beruht allerdings auf Wahrheit, denn Kölkenbeck hat im November vorigen Jahres Drucksachen an die Schulkinder vertheilt, um sie ihren Eltern zu übergeben, nämlich (horribile!) Einladungen zu einer Volksversammlung in Cleve; diesen Einladungen waren gedruckte Briefe des Abgeordneten Arntz beigefügt; darin besteht nun die Verbreitung der politischen Ansichten. Wir fragen höchst einfach: hat die hochbegnadete Regierung nicht selbst von den Lehrern verlangt, die Lügenberichte eines Harkort und die Schmäh- und Schandartikel der Galgenblätter an die Schulkinder zu vertheilen, um so die politischen Ansichten der Regierung zu verbreiten; hat nicht der Landrath von Haeften, die Taschen bespickt mit Harkort'schen Kunstproduckten, als commis voyageur Landreisen gemacht? ist nicht der Richter von Göckingh Haus für Haus gelaufen, und hat diese Muster ohne Werth an den Mann zu bringen gesucht? Bürgermeister, Gerichtschreiber, groß- und kleinbeamtete Leute haben die Kolporteurs dieser Strolchen- Berichte gemacht, und müssen nun folgerichtig alle ohne Ausnahme ihrer Aemter entbunden werden, dem schönen edlen preußischen Grundsatze gemäß, was dem einen recht, ist dem andren billig. Jedenfalls kann und darf es doch nicht zu den Amtsvorschriften eines Landraths noch zu den eines Richters gehören, absichtlich, harmlosen Leuten Sand in die Augen zu streuen; ein solches Privatvergnügen ist aber auch nicht erlaubt.

Kölkenbeck aber, und das ist unverantwortlich, ist durch diesen Akt der Zärtlichkeit gnadenreicher Bureaukraten brodlos geworden; das kümmert diese Menschen wenig, was liegt der Sorte daran ob da einer mehr oder weniger ist, der am Hungertuche naget?

125 Aus Westphalen, 20. Febr.

Von den 330 bis jetzt gewählten Abgeordneten zur zweiten Kammer sind (einer Zusammenstellung in der K. Z. zufolge) 87 Justizbeamte (43 links), 42 Verwaltungs- und Kommunal- Beamte (10 links), 66 Geistliche, Professoren, Literaten und Aerzte (41 links), 26 Kaufleute und Gewerbtreibende (12 links), 82 Gutsbesitzer (12 links), 24 Bauern (8 links) und 3 Militär- Personen. Es fehlen in Folge der Doppelwahlen noch 20 Deputirte. Vorstehende Uebersicht gestattet es, auf das Bedürfniß einer richtigen Zusammensetzung der Kammern aufmerksam zu machen, da das Militär fast gar nicht vertreten ist, obige 3 Militärpersonen zur rechten Seite, und unseres Wissens nur ein einziger verabschiedeter Offizier, der Graf v. Görz zu Frankfurt a. d. O., der vermuthlich als Literat aufgeführt ist, auf der Linken sitzt. Und doch ist es so wichtig, daß Männer in der Kammer sind, die bei vorkommenden Gelegenheiten über die innern Verhältnisse des Heeres Auskunft geben können, die durch ihre Verbindungen mit den demokratischen Elementen im Heere von Allem Kenntniß erlangen, was für die Versammlung von Wichtigkeit ist. Es ist eine Wahrheit, (so bitter sie dem Civil auch sein mag, da fast Alle sich rühmen, auch Soldat gewesen zu sein) daß von den eigentlichen Militär- Verhältnissen nur die Eingeweiheten eine Kunde haben, und daß die Männer der Linken, wenn sie auf Abbestellung eines Uebelstandes dringen, fast immer vorbei schießen, daß sie nicht befähigt sind: einen derartigen Antrag richtig zu formuliren und allseitig zu begründen. Nur die äußerste Schale der Militär- Verhältnisse ist dem Juristen, dem Gewerbtreibenden und Oekonomen bekannt; das Wesentliche der Militär- Organisation, das, was auch der demokratische Offizier festhalten muß, richtig zu bezeichnen, das ist dem Nichtmilitär selten bekannt; höchstens hat er eine dunkele Ahnung davon. Der Stein'sche Antrag kann als Beispiel in dieser Beziehung gelten.

84 Münster, 20. Febr.

Durch die Nachwahlen ist es jetzt möglich, einige - wegen Demokratie verabschiedete - Offiziere in die zweite Kammer zu bringen. Die Wahlmänner müssen jedoch ihre Lokal- Rücksichten fallen lassen, und dem Ganzen wirklich nützen wollen. Erst wenn das allgemeine Staatsleben geordnet ist, können die Lokalfragen an die Reihe kommen; und daß die Militär- Organisation vorab zu betrachten ist, wird wohl Niemand bezweifeln! Noch ist es möglich auf den Militär- Organismus einzuwirken, und dort die Willkür (die Reglements für die Offiziere vom Könige Friedrich Wilhelm I. noch herstammend, sind bekanntlich schon längst als zu freisinnig eingezogen, und neue noch nicht ausgegeben) zu verbannen. Es giebt unter den reifern Offizieren Männer genug, die Demokraten sind, und sich zurückhalten, aber einmal in der Kammer ihren Posten entschieden vertreten würden. Allein, sie hier öffentlich zu nennen, würde sie unnütz in ihrer Stellung gefährden. Nur verabschiedete Offiziere sollen daher hier genannt werden. Dahin gehören der in ihrer Zeitung empfohlene Otto v. Mirbach, im Zuchthause zu Münster, de la Chevallerie, kürzlich aus Berlin verwiesen (falls dieser das gesetzliche Alter hat). Böing, früher schon in Folge des Anneke'schen Prozesses bekannt geworden, und Caspary in Münster, der schon im Dienste seine Ansichten offen an den Tag legte.

* Bochum, 15. Febr.

Gestern war der Hr. Harkort hier. Demselben wurde des Abends eine Katzenmusik gebracht, die man in einer Entfernung von 2 Stunden vernehmen konnte. Der Hr. Harkort wollte bei den Katzenmusikanten ganz konservativ erscheinen, denn er ließ denselben Wein anbieten. Die Musikanten haben aber das so sehr großmüthige Anerbieten nicht acceptirt, vielmehr dasselbe mit gerechter Entrüstung und unter den Worten: er - Harkort - solle lieber den Weinhändler Höltring bezahlen, zurückgewiesen.

Von hier ist der Hr. Harkort nach Schwelm gereist. Warum derselbe die hier in der Nähe liegenden Ortschaften so kurz nacheinander besucht, ist hier nicht bekannt.

Es dürfte sich wohl annehmen lassen, daß er irgend eine geheime Mission zu erfüllen habe.

Es circulirt hier gegenwärtig eine Adresse an Se. Majestät, unsern vielgeliebten König, um, in Erwägung, daß der hiesige "Märkische Sprecher" es unter der Würde Sr. Majestät hält, noch ferner in Berlin zu residiren, weil dort die Wahl zur zweiten Kammer nur demokratisch ausgefallen sei; und in Betracht der den Markanern angebornen Treue zu Sr. Majestät und dessen Herrscherhause, seine Residenz von Berlin nach Bochum zu verlegen.

Die Adresse soll bereits mit vielen Unterschriften bedeckt sein. Die Adresse selbst soll Ihnen übrigens so ziemlich wörtlich mitgetheilt werden.

9 Berlin, 19. Febr.

Wir sind in einer erfreulichen Spannung in Bezug auf die Eröffnung der Kammern am nächsten Montag. Viele Wetten sind bereits entrirt, ob oder ob nicht die Gottesgnade im weißen Saale sich verlauten lassen wird. Die Vermiether der chambres garnies haben das beste Theil erwählt. Sie hoffen die leeren Kammern zu vermiethen; da aber die Kammergeschichte nur kurze Zeit währen möchte, so wollen sie vorsichtig sein, und sich den Monatszins voraus zahlen lassen. Die Herren Revisionsräthe (s. v. Volksvertreter) sollten es eben so machen. - Ich schrieb Ihnen in meinem Vorigen, daß die Regierung bezüglich der Kammereröffnung nicht wisse, was sie thun solle - sie hat es jetzt gewußt und - gewagt. Einige wollen behaupten, aus Scham, für feige gehalten zu werden, Andere fürchten, dies sei ein Beweis, daß die Regierung sich sicher fühle. - Wie ich höre, sind heute die Nachwahlen wie folgt bestimmt: Heinrich Simon im 1. Wahlbezirk, G. Jung u. Schramm (von Striegau) im 3. und Bruno Bauer im 4. Wahlbezirk. Das neueste Belagerungsstückchen wegen der Vertreibung der Wahlmänner hilft sehr zum Siege der Opposition.

Die sublime Errungenschaft des deutschen Wechselgesetzes zeigt sich hier in glänzendem Lichte. Vermöge der Wahlsouveränität im vorigen Sommer wurde es den Besitzenden schwierig, ihre Forderungen bei den Proletariern richtig einziehen zu können.

Verschiedene Blutsauger mußten sogar selbst Blut lassen, indem sie von dem souveränen Volke zur Thür hinausgeworfen wurden trotz der humanen Absichten, nur einen Theil ihrer Forderungen einzuziehen. Das deutsche Wechselrecht hilft den Märtyrern des Besitzes wieder auf die Beine. Sie schleichen jetzt liebevoll zu den Helden des Mangels und lassen sich "Wechselchen" auf 1, 2, 3 Monate unterschreiben, unter dem Vorwande, daß sie mit diesen Wischen wenigstens ihre Gläubiger bezahlen könnten. Die Proletarier verschreiben sich dem Teufel, warum nicht seinen Jüngern, und werden dafür richtig nach 1, 2, 3 Monate im Schuldgefängnisse zu büßen haben.

Die dramatische politische Posse scheint mehr zur Geltung zu kommen als bisher. Leider aber fehlt es an Unternehmern, die unabhängig von der Polizei sind. Was etwa zur Aufführung kommt, muß jedenfalls nach dem Geschmack der "Weißbierbürger" sein. So macht denn gegenwärtig auf dem Friedrich- Wilhelmstädtischen Theater eine Posse Furore, die nach dem französischen Stücke: la propriete c'est le vol, bearbeitet ist. Um aber unsere Zustände vollkommen zu bezeichnen, genügt die Bemerkung, daß der Berliner Dramatiker anstatt des französischen Sozialisten Proudhon den Berliner Held zum Stichblatt gewählt hat. Armer Proudhon!

Hr. Brutus Bassermann ist gleichfalls in der Posse repräsentirt, aber sonderbar genug als weiblicher Wassermann. Mit Recht bemerkt die hiesige Theaterzeitung: Hr. Bassermann könne besser als altes statt junges Weib vorgestellt werden.

Berlin.

Die "Neue Preuß. Ztg." meldet folgendes entsetzliche Faktum aus Dessau: "In einem Dessauer Paß ist der allen preuß. Veteranen wohlbekannte Graf Henckel von Donnersmarck, der seit einigen Jahren in Dessau lebt, bezeichnet worden als:"Herr Henckel im Auslande" (nämlich in Preußen) genannt Graf Henckel von Donnersmark."

Ferner berichtet sie über die dem Hrn. Harkort (wo bleiben die 800 Thlr.) gebrachten Katzenmusiken wie folgt: In Westphalen wurde der Abgeordnete Harkort bei einer Rundreise durch die Fabrikkreise von den Arbeitern überall auf das Festlichste begrüßt. In Herdecke wurde ihm eine Ehrenpforte erbaut, in Hagen ihm ein großes Festessen gegeben und ein Fackelzug gebracht. Eine solche Demonstration will etwas Anderes besagen, als der Bummlerzug zu Jakoby nach dem Hotel Mylius.

Wie dies vortreffliche Blättchen Statistik fabrizirt, davon folgendes Pröbchen:

"Folgendes ist eine Zusammenstellung der Steuern, welche die sechs größten Nationen der Erde bezahlen, auf den Kopf berechnet:

Steuern im Ganzen.Bevölkerung.Steuern p. Kopf.
England1,700,000,000 Fr.26,008,00065 Fr. 36 C.
Frankreich1,250,000,000 Fr.34,000,00036 Fr. 76 C.
Oestreich430,000,000 Fr.34,000,00012 Fr. 65 C.
Preußen220,000,000 Fr.13,000,00016 Fr. 92 C.
Rußland480,000,000 Fr.58,000,0008 Fr. 28 C.
Nordamerika170,000,000 Fr.13,000,00013 Fr. 8 C.

Abgesehen davon, daß Preußen hier zu den "sechs größten Nationen der Erde" gerechnet wird, was ihm doch bisher nie passirt ist (die Engländer stellen bekanntlich in ihren Statistiken Preußen dicht hinter die Türkei und vor Portugal) so stellt sich hier heraus, daß Preußen nur 13 Mill. Einwohner haben soll (es hat bekanntlich 16 Mill.) und die Vereinigten Staaten ebenfalls nur 13 Mill., wo sie doch über 20 Mill. zählen. Daß in der N. Pr. Z. das preuß. Budget statt 100 Mill. Thaler nur 58 Mill. beträgt, ist freilich begreiflich; für dies Blättchen gelten nicht die Mittheilungen der Finanzkommission der Nat.- Vers., sondern nur die alten s. g. Finanzetats" aus der Zeit des Vereinigten Landtags.

Ferner meldet sie: Ein zu 6jähriger Zuchthausstrafe verurtheilter gefährlicher Dieb, Namens Blücher, ist aus dem Criminalgefängniß entsprungen.

Ist das vielleicht ein Nachkomme des alten Schnapsblücher aus den Feldzügen von Anno dreizehn und ein Verwandter des Lieutenants Blücher, bekannt aus dem großartigen Feldzuge gegen die vereinbarten Sancho- Panzas des passiven Widerstandes?

Berlin.

Der königl. Preuß. Staatsanzeiger enthält in seinem Amtlichen Theil folgenden sonderbaren Artikel:

"Charlottenburg, den 19. Febr. Se. Maj. der König und das ganze Königl. Haus sind durch die heute eingetroffene Nachricht von dem Ableben Sr. Kön. Hoh. des Prinzen Friedrich Wilhelm Waldemar von Preußen in tiefe Betrübniß versetzt worden.

Se. Kön. Hoheit war seit mehreren Monaten in Münster, wohin die militärische Dienstpflicht Höchstdenselben als Commandeur der 13. Kavalleriebrigade geführt hatte, an einem rheumatischen Fieber erkrankt, in dessen Folgen sich eine Entzündung des Psoas- Muskels ausbildete, die sich aller ärztlichen Hülfe ungeachtet zu einem zerstörenden Absceß steigerte, bis am Sonnabend, den 17. d. M., Nachmittags gegen 4 Uhr, der Tod sanft erfolgte, dem Er standhaft und in christlicher Fassung entgegensah.

Se. Kön. Hoheit der Prinz Wilhelm, Vater des hingeschiedenen Prinzen, weilte seit Monaten in unausgesetzter väterlicher Sorgfalt und Liebe am Krankenbette und war, wie auch Se. Königl. Hoh. Prinz Adalbert, der Bruder des Entschlafenen, beim Tode gegenwärtig.

Der hochselige Prinz war am 2. August 1817 geboren und ist folglich in der Blüthe der Lebensjahre vom Tode ereilt worden.

Ein reines Herz, der edelste Sinn und ein hohes Pflichtgefühl verband der verewigte Prinz mit der größten Anspruchslosigkeit, und als vor einigen Jahren ehrenwerthe Wißbegierde Ihn nach Indien führte, hatte Er Gelegenheit, bei einem Kampfe gegen die Sikhs in den Schlachten von Mudki, Ferozpur und Sobraon Sich durch Besonnenheit und Tapferkeit so auszuzeichnen, daß Ihm ein ehrenvolles Andenken bei Seinen Mitkämpfern in der engl. Armee gesichert bleibt.

Der Todesfall wird daher um so schmerzlicher empfunden, weil der hingeschiedene Prinz, wenn es Ihm vergönnt gewesen wäre, die militärische Laufbahn fortzusetzen, dem Staate noch lange und ersprießliche Dienste zu leisten versprach."

Man erinnert sich aus den damaligen engl. Blättern, daß der "hingeschiedene Prinz" in der Schlacht von Sobraon das Prinzip verwirklichte: Weit davon ist gut für den Schuß. De mortuis nil nisi bene.

212 Berlin, 20. Febr.

Wie ängstlich besorgt man in gewissen Kreisen ist, sich "des Lebens süße Gewohnheit" zu erhalten und wie wenig man sich in denselben Kreisen der alt- absolutistischen Willkür noch entwöhnt hat, mag folgende wahre Begebenheit zeigen. Auf dem anhaltischen Bahnzuge befand sich vorgestern auch der von Weimar zurückkehrende Prinz Karl. Auf der Station Großbeeren wollte eine ebenfalls nach Berlin zurückkehrende Jagdgesellschaft, welche noch mit ihren Büchsen versehen war, in denselben Wagen einsteigen. Aber der Prinz, der sie wahrscheinlich für verkleidete Carbonaros oder Königsmörder hielt, fuhr sie heftig an und frug, was sie denn hier wollten. Die Jäger, ohne sich an die unhöfliche Manier des Prinzen zu kehren, stiegen ein. Der Prinz verlangte nun von den Bahnwärtern, sie sollten diese Passagiere zurückweisen; die Bahnbeamten weigerten sich aber natürlich, da die Jagdliebhaber die Billets richtig bezahlt hatten. Der Zug ging ab, während der Prinz in nicht eben seinen Worten seinem Grolle Luft machte. Hier am Bahnhofe angelangt, wurden die Jäger, theils weil sie bewaffnet waren, theils auf Anlaß des Prinzen sämmtlich verhaftet und nach der Kommandantur gebracht. Dort aber wurden sie, da sie sich alle als ruheliebende Berliner Bürger legitimiren konnten: sofort entlassen und beabsichtigen nun gegen den Prinzen, wegen dessen verletzender Reden, Beschwerde zu führen.

Als interessanter Beitrag zur Kenntniß der hiesigen gewerblichen Verhältnisse und der Stimmung unter den hiesigen Arbeitern, theilen wir nachstehenden Aufruf der hiesigen Kattundrucker mit, wenn wir auch natürlich mit den Konklusionen desselben gegen die Anwendung von Maschinen keineswegs übereinstimmen. Das Aktenstück ist jedenfalls eine Stimme aus dem Volke, die gehört zu werden verdient.

"An unsere Mitbürger!"

Es ist eine leichte und schöne Sache, wenn man den Arbeitern Ruhe und Ordnung predigen will durch Zeitungen und Belagerungszustände; eine andere Frage aber ist es, ob der Arbeiter durch Zeitungen und Belagerungszustand Arbeit und Brod findet. Ihr sagt uns, Ruhe und Ordnung giebt Brod und Arbeit - wir sagen Euch, Brod und Arbeit geben Ruhe und Ordnung. Wir haben Ruhe und Ordnung gehabt lange Jahre und haben gearbeitet wie die Maschinen; aber die Maschinen, die kein Brod essen und des Nachts nicht schlafen, haben noch mehr gearbeitet, und wir wurden überflüssig und brodlos; die Fabriken wurden immer größer und schöner, unsere Wohnungen immer kleiner und dürftiger; die Maschinen liefern Zeug genug, um die Erde damit zu bedecken und unsere Weiber und Kinder haben nicht, ihre Blöße zu decken.

Wir haben gebeten und gebettelt lange Jahre, wo die Revolutionen noch nicht Mode waren, von Herodes zu Pilatus - beim Magistrat und bei den Ministern; selbst bei Sr. Majestät dem jetzt regierenden Könige in Sansouci, und haben keine Hülfe gefunden für unsere Noth und Arbeitslosigkeit.

Am 8. April v. J. haben wir mit unsern Fabrikherren einen Vertrag geschlossen, den sie aber hinterdrein nicht gehalten haben. Deshalb wurde am 26. Oktober von 4 Druckern, 4 Fabrikanten und 4 Vertrauensmännern eine Commission gebildet, welche unter dem Vorsitze des Ministerial- Direktors Herrn v. Pommer- Esche im Handelsministerium diese Sache in Ordnung bringen sollten. Die Fabrikherren sagten aber, sie allein könnten uns nicht helfen, wenn die andern Fabrikanten im Zollverein es nicht wollten. Deshalb wurde ein Congreß zum Januar d. J. nach Leipzig beschlossen, und ebenso bestimmt, daß 70 unbeschäftigte Drucker außer den zur Zeit in Arbeit stehenden neben der Maschine mit Handdruck beschäftigt werden sollten. Der Congreß in Leipzig wurde von Fabrikanten und Druckern zahlreich beschickt; nach dreißigstündiger Verhandlung aber die Forderungen der nothleidenden Drucker mit hohnlächelnder Miene zurückgewiesen. Jetzt nahet der 1. März und die Drucker werden wieder entlassen. Zwar verspricht man dieselben als Arbeitsleute in der Fabrik zu beschäftigen; würde dies aber die Sache ändern, würden nicht dadurch eben so viel Menschen ins Elend gejagt?

Wir fordern die Arbeit nicht blos für uns und um andere zu verdrängen, sondern wir verlangen Hülfe und Arbeit für alle Bedrängte und Arbeitslose. Die neue Gewerbeordnung verbietet den Arbeitsleuten als Handwerker zu arbeiten - soll nun der Handwerker als Arbeitsmann arbeiten und diese verdrängen? Wenn aber das Arbeiten oder Broderwerben überhaupt verboten werden kann, so verlangen wir vorher, daß eiserne Arbeiter, die nicht essen und nicht schlafen, die Maschinen, erst dann arbeiten dürfen, wenn die Arbeiter alle beschäftigt sind, die Brod essen, die Weib und Kind ernähren müssen, und dem Könige ihre Steuern zahlen.

Wir wissen wohl, Ihr zuckt wieder die Achseln und trommelt Generalmarsch wenn wir die eisernen Arbeiter aus der Werkstatt werfen, aber woher nehmen wir Brod;

Berlin, 19. Februar 1849.

Im Namen der hiesigen Kattundrucker.

Das Komite.

Posen, 16. Febr.

Von der polnischen Grenze schreibt man, daß ein aus Frankreich auf Grund eines russischen Amnestiedekrets zurückkehrender Emigrant, der Pfarrer Jastrzybski aus Lublin sofort von den Kosaken verhaftet und nach Kalisch abgeführt worden ist, obgleich ein polnisch- preußischer Gutsbesitzer ihn noch ausdrücklich begleitete und die vollständigen Legitimationen bei sich führte. Man macht aus diesem Verfahren Schlüsse auf die Verhältnisse der sonst freundnachbarlichen Regierungen. Aus Krakau treffen täglich Nachrichten ein, die Besorgnisse über bevorstehende Bewegungen ausdrücken. Das Rekrutirungspatent und die Anfälle der Soldaten auf ruhige Bürger haben die Polen aufs Aeußerste erbittert. Die Bauern im Krakauer Kreise wollen die Rekrutirungskommission mit Sensen und Dreschflegeln empfangen. In Chrzanow ist es deshalb bereits zum Kampf gekommen. Täglich fast gehen aus Krakau kleine Militärdetaschements an Orte ab, wo die Ungarn eingefallen sein sollen. Wegen dieser Bewegungen hat man den Rekrutirungstermin auf den 5. März verschoben. Auch in Lemberg scheint es zu gähren. Die Oestreicher haben sich hier und in der Umgegend genöthigt gesehen den Landsturm gegen die Ungarn zu organisiren. Dazu hat man jedoch nur der Bauern sich bedient. Nun verlangt der Adel, daß man ihn auch dazu verwende. Dessen weigern sich die Oesterreicher und sagen offen, sie wollten den Wolf nicht in die Schaafheerden lassen. Die Lemberger Schulen sind geschlossen, weil die Schüler sich deutsch und ruthenisch zu lernen weigerten und Tumulte ausführten. Die ältesten derselben hat man sofort bei den Truppen eingestellt. Hier in Posen ist es sehr ruhig; eine große Anzahl Polen hat sich mit ihren Familien nach Breslau hingezogen, um Oestreich näher zu sein, und die polnischen Studenten in Breslau, die sehr zahlreich sind, verfolgen die Bewegungen jenseits sehr aufmerksam. Die östreichische Note hat unter allen Deutschen tiefe Entrüstung, bei den Polen eine Art Genugthuung hervorgebracht. Die Gazeta äußert sich darüber sehr weitläufig und schließt also: "In unbegrenzten Linien einer weiten Ferne schwebt für Oestreich ein nebelhaftes, ungeheueres, mächtiges, drohendes Deutschland, in welchem alle Nationalitäten Platz finden! O ihr beglückten, tausendfach beglückten Slaven! seht! Euer großmüthiger Kaiser, der in Olmütz drei Professoren auf einmal erlaubt hat tschechisch zu lehren, der mit eurer Hülfe die deutsche Hauptstadt seines Reichs gedemüthigt, Italien in Schach gehalten, Ungarn erdrückt hat, wirft euch nun, zum Lohn für euer vergossenes Blut, für gehaltene Treue, für den Sieg über die Märzrevolution dem auseinanderklaffenden Deutschland entgegen! o ihr tausendfach beglückten Barbaren!" - "Doch wie werden euch, ihr freiheitsneidende Söhne Germaniens, die 600,000 Bajonette schmecken, mit denen man Wien demüthigte, Italien in Knechtschaft hielt, Ungarn und Polen mordete? Wahr

nach, daß die dem Kölkenbeck zur Last gelegte Ueberschreitung des Züchtigungsrechts eine perfide Lüge gewesen. Die Suspension ward demnach wieder aufgehoben. Im Jahr 1848 soll nun derselbe Lehrer durch rohe Außerungen gerechte Beschwerden hervorgerufen haben; merkwürdig! der Schulvorstand weiß hervon wieder nichts, man spricht wohl davon, daß der Kölkenbeck von seinen Hausrechte Gebrauch gemacht haben soll einem polternden Landrathe gegenüber. Der erste Grund zu der jetzigen Suspension ist also in sich schon eine Lüge und der zweite Grund, der Lehrer Kölkenbeck sei roh ist ebenfalls eine grobe abgeschmackte Unwahrheit, da der Mann äußerst harmlos und gemüthlich ist und die Achtung und Liebe aller seiner Mitbürger in vollem und wohlverdientem Maaße besitzt. Der dritte Grund beruht allerdings auf Wahrheit, denn Kölkenbeck hat im November vorigen Jahres Drucksachen an die Schulkinder vertheilt, um sie ihren Eltern zu übergeben, nämlich (horribile!) Einladungen zu einer Volksversammlung in Cleve; diesen Einladungen waren gedruckte Briefe des Abgeordneten Arntz beigefügt; darin besteht nun die Verbreitung der politischen Ansichten. Wir fragen höchst einfach: hat die hochbegnadete Regierung nicht selbst von den Lehrern verlangt, die Lügenberichte eines Harkort und die Schmäh- und Schandartikel der Galgenblätter an die Schulkinder zu vertheilen, um so die politischen Ansichten der Regierung zu verbreiten; hat nicht der Landrath von Haeften, die Taschen bespickt mit Harkort'schen Kunstproduckten, als commis voyageur Landreisen gemacht? ist nicht der Richter von Göckingh Haus für Haus gelaufen, und hat diese Muster ohne Werth an den Mann zu bringen gesucht? Bürgermeister, Gerichtschreiber, groß- und kleinbeamtete Leute haben die Kolporteurs dieser Strolchen- Berichte gemacht, und müssen nun folgerichtig alle ohne Ausnahme ihrer Aemter entbunden werden, dem schönen edlen preußischen Grundsatze gemäß, was dem einen recht, ist dem andren billig. Jedenfalls kann und darf es doch nicht zu den Amtsvorschriften eines Landraths noch zu den eines Richters gehören, absichtlich, harmlosen Leuten Sand in die Augen zu streuen; ein solches Privatvergnügen ist aber auch nicht erlaubt.

Kölkenbeck aber, und das ist unverantwortlich, ist durch diesen Akt der Zärtlichkeit gnadenreicher Bureaukraten brodlos geworden; das kümmert diese Menschen wenig, was liegt der Sorte daran ob da einer mehr oder weniger ist, der am Hungertuche naget?

125 Aus Westphalen, 20. Febr.

Von den 330 bis jetzt gewählten Abgeordneten zur zweiten Kammer sind (einer Zusammenstellung in der K. Z. zufolge) 87 Justizbeamte (43 links), 42 Verwaltungs- und Kommunal- Beamte (10 links), 66 Geistliche, Professoren, Literaten und Aerzte (41 links), 26 Kaufleute und Gewerbtreibende (12 links), 82 Gutsbesitzer (12 links), 24 Bauern (8 links) und 3 Militär- Personen. Es fehlen in Folge der Doppelwahlen noch 20 Deputirte. Vorstehende Uebersicht gestattet es, auf das Bedürfniß einer richtigen Zusammensetzung der Kammern aufmerksam zu machen, da das Militär fast gar nicht vertreten ist, obige 3 Militärpersonen zur rechten Seite, und unseres Wissens nur ein einziger verabschiedeter Offizier, der Graf v. Görz zu Frankfurt a. d. O., der vermuthlich als Literat aufgeführt ist, auf der Linken sitzt. Und doch ist es so wichtig, daß Männer in der Kammer sind, die bei vorkommenden Gelegenheiten über die innern Verhältnisse des Heeres Auskunft geben können, die durch ihre Verbindungen mit den demokratischen Elementen im Heere von Allem Kenntniß erlangen, was für die Versammlung von Wichtigkeit ist. Es ist eine Wahrheit, (so bitter sie dem Civil auch sein mag, da fast Alle sich rühmen, auch Soldat gewesen zu sein) daß von den eigentlichen Militär- Verhältnissen nur die Eingeweiheten eine Kunde haben, und daß die Männer der Linken, wenn sie auf Abbestellung eines Uebelstandes dringen, fast immer vorbei schießen, daß sie nicht befähigt sind: einen derartigen Antrag richtig zu formuliren und allseitig zu begründen. Nur die äußerste Schale der Militär- Verhältnisse ist dem Juristen, dem Gewerbtreibenden und Oekonomen bekannt; das Wesentliche der Militär- Organisation, das, was auch der demokratische Offizier festhalten muß, richtig zu bezeichnen, das ist dem Nichtmilitär selten bekannt; höchstens hat er eine dunkele Ahnung davon. Der Stein'sche Antrag kann als Beispiel in dieser Beziehung gelten.

84 Münster, 20. Febr.

Durch die Nachwahlen ist es jetzt möglich, einige ‒ wegen Demokratie verabschiedete ‒ Offiziere in die zweite Kammer zu bringen. Die Wahlmänner müssen jedoch ihre Lokal- Rücksichten fallen lassen, und dem Ganzen wirklich nützen wollen. Erst wenn das allgemeine Staatsleben geordnet ist, können die Lokalfragen an die Reihe kommen; und daß die Militär- Organisation vorab zu betrachten ist, wird wohl Niemand bezweifeln! Noch ist es möglich auf den Militär- Organismus einzuwirken, und dort die Willkür (die Reglements für die Offiziere vom Könige Friedrich Wilhelm I. noch herstammend, sind bekanntlich schon längst als zu freisinnig eingezogen, und neue noch nicht ausgegeben) zu verbannen. Es giebt unter den reifern Offizieren Männer genug, die Demokraten sind, und sich zurückhalten, aber einmal in der Kammer ihren Posten entschieden vertreten würden. Allein, sie hier öffentlich zu nennen, würde sie unnütz in ihrer Stellung gefährden. Nur verabschiedete Offiziere sollen daher hier genannt werden. Dahin gehören der in ihrer Zeitung empfohlene Otto v. Mirbach, im Zuchthause zu Münster, de la Chevallerie, kürzlich aus Berlin verwiesen (falls dieser das gesetzliche Alter hat). Böing, früher schon in Folge des Anneke'schen Prozesses bekannt geworden, und Caspary in Münster, der schon im Dienste seine Ansichten offen an den Tag legte.

* Bochum, 15. Febr.

Gestern war der Hr. Harkort hier. Demselben wurde des Abends eine Katzenmusik gebracht, die man in einer Entfernung von 2 Stunden vernehmen konnte. Der Hr. Harkort wollte bei den Katzenmusikanten ganz konservativ erscheinen, denn er ließ denselben Wein anbieten. Die Musikanten haben aber das so sehr großmüthige Anerbieten nicht acceptirt, vielmehr dasselbe mit gerechter Entrüstung und unter den Worten: er ‒ Harkort ‒ solle lieber den Weinhändler Höltring bezahlen, zurückgewiesen.

Von hier ist der Hr. Harkort nach Schwelm gereist. Warum derselbe die hier in der Nähe liegenden Ortschaften so kurz nacheinander besucht, ist hier nicht bekannt.

Es dürfte sich wohl annehmen lassen, daß er irgend eine geheime Mission zu erfüllen habe.

Es circulirt hier gegenwärtig eine Adresse an Se. Majestät, unsern vielgeliebten König, um, in Erwägung, daß der hiesige „Märkische Sprecher“ es unter der Würde Sr. Majestät hält, noch ferner in Berlin zu residiren, weil dort die Wahl zur zweiten Kammer nur demokratisch ausgefallen sei; und in Betracht der den Markanern angebornen Treue zu Sr. Majestät und dessen Herrscherhause, seine Residenz von Berlin nach Bochum zu verlegen.

Die Adresse soll bereits mit vielen Unterschriften bedeckt sein. Die Adresse selbst soll Ihnen übrigens so ziemlich wörtlich mitgetheilt werden.

9 Berlin, 19. Febr.

Wir sind in einer erfreulichen Spannung in Bezug auf die Eröffnung der Kammern am nächsten Montag. Viele Wetten sind bereits entrirt, ob oder ob nicht die Gottesgnade im weißen Saale sich verlauten lassen wird. Die Vermiether der chambres garnies haben das beste Theil erwählt. Sie hoffen die leeren Kammern zu vermiethen; da aber die Kammergeschichte nur kurze Zeit währen möchte, so wollen sie vorsichtig sein, und sich den Monatszins voraus zahlen lassen. Die Herren Revisionsräthe (s. v. Volksvertreter) sollten es eben so machen. ‒ Ich schrieb Ihnen in meinem Vorigen, daß die Regierung bezüglich der Kammereröffnung nicht wisse, was sie thun solle ‒ sie hat es jetzt gewußt und ‒ gewagt. Einige wollen behaupten, aus Scham, für feige gehalten zu werden, Andere fürchten, dies sei ein Beweis, daß die Regierung sich sicher fühle. ‒ Wie ich höre, sind heute die Nachwahlen wie folgt bestimmt: Heinrich Simon im 1. Wahlbezirk, G. Jung u. Schramm (von Striegau) im 3. und Bruno Bauer im 4. Wahlbezirk. Das neueste Belagerungsstückchen wegen der Vertreibung der Wahlmänner hilft sehr zum Siege der Opposition.

Die sublime Errungenschaft des deutschen Wechselgesetzes zeigt sich hier in glänzendem Lichte. Vermöge der Wahlsouveränität im vorigen Sommer wurde es den Besitzenden schwierig, ihre Forderungen bei den Proletariern richtig einziehen zu können.

Verschiedene Blutsauger mußten sogar selbst Blut lassen, indem sie von dem souveränen Volke zur Thür hinausgeworfen wurden trotz der humanen Absichten, nur einen Theil ihrer Forderungen einzuziehen. Das deutsche Wechselrecht hilft den Märtyrern des Besitzes wieder auf die Beine. Sie schleichen jetzt liebevoll zu den Helden des Mangels und lassen sich „Wechselchen“ auf 1, 2, 3 Monate unterschreiben, unter dem Vorwande, daß sie mit diesen Wischen wenigstens ihre Gläubiger bezahlen könnten. Die Proletarier verschreiben sich dem Teufel, warum nicht seinen Jüngern, und werden dafür richtig nach 1, 2, 3 Monate im Schuldgefängnisse zu büßen haben.

Die dramatische politische Posse scheint mehr zur Geltung zu kommen als bisher. Leider aber fehlt es an Unternehmern, die unabhängig von der Polizei sind. Was etwa zur Aufführung kommt, muß jedenfalls nach dem Geschmack der „Weißbierbürger“ sein. So macht denn gegenwärtig auf dem Friedrich- Wilhelmstädtischen Theater eine Posse Furore, die nach dem französischen Stücke: la propriété c'est le vol, bearbeitet ist. Um aber unsere Zustände vollkommen zu bezeichnen, genügt die Bemerkung, daß der Berliner Dramatiker anstatt des französischen Sozialisten Proudhon den Berliner Held zum Stichblatt gewählt hat. Armer Proudhon!

Hr. Brutus Bassermann ist gleichfalls in der Posse repräsentirt, aber sonderbar genug als weiblicher Wassermann. Mit Recht bemerkt die hiesige Theaterzeitung: Hr. Bassermann könne besser als altes statt junges Weib vorgestellt werden.

Berlin.

Die „Neue Preuß. Ztg.“ meldet folgendes entsetzliche Faktum aus Dessau: „In einem Dessauer Paß ist der allen preuß. Veteranen wohlbekannte Graf Henckel von Donnersmarck, der seit einigen Jahren in Dessau lebt, bezeichnet worden als:„Herr Henckel im Auslande“ (nämlich in Preußen) genannt Graf Henckel von Donnersmark.“

Ferner berichtet sie über die dem Hrn. Harkort (wo bleiben die 800 Thlr.) gebrachten Katzenmusiken wie folgt: In Westphalen wurde der Abgeordnete Harkort bei einer Rundreise durch die Fabrikkreise von den Arbeitern überall auf das Festlichste begrüßt. In Herdecke wurde ihm eine Ehrenpforte erbaut, in Hagen ihm ein großes Festessen gegeben und ein Fackelzug gebracht. Eine solche Demonstration will etwas Anderes besagen, als der Bummlerzug zu Jakoby nach dem Hotel Mylius.

Wie dies vortreffliche Blättchen Statistik fabrizirt, davon folgendes Pröbchen:

„Folgendes ist eine Zusammenstellung der Steuern, welche die sechs größten Nationen der Erde bezahlen, auf den Kopf berechnet:

Steuern im Ganzen.Bevölkerung.Steuern p. Kopf.
England1,700,000,000 Fr.26,008,00065 Fr. 36 C.
Frankreich1,250,000,000 Fr.34,000,00036 Fr. 76 C.
Oestreich430,000,000 Fr.34,000,00012 Fr. 65 C.
Preußen220,000,000 Fr.13,000,00016 Fr. 92 C.
Rußland480,000,000 Fr.58,000,0008 Fr. 28 C.
Nordamerika170,000,000 Fr.13,000,00013 Fr. 8 C.

Abgesehen davon, daß Preußen hier zu den „sechs größten Nationen der Erde“ gerechnet wird, was ihm doch bisher nie passirt ist (die Engländer stellen bekanntlich in ihren Statistiken Preußen dicht hinter die Türkei und vor Portugal) so stellt sich hier heraus, daß Preußen nur 13 Mill. Einwohner haben soll (es hat bekanntlich 16 Mill.) und die Vereinigten Staaten ebenfalls nur 13 Mill., wo sie doch über 20 Mill. zählen. Daß in der N. Pr. Z. das preuß. Budget statt 100 Mill. Thaler nur 58 Mill. beträgt, ist freilich begreiflich; für dies Blättchen gelten nicht die Mittheilungen der Finanzkommission der Nat.- Vers., sondern nur die alten s. g. Finanzetats“ aus der Zeit des Vereinigten Landtags.

Ferner meldet sie: Ein zu 6jähriger Zuchthausstrafe verurtheilter gefährlicher Dieb, Namens Blücher, ist aus dem Criminalgefängniß entsprungen.

Ist das vielleicht ein Nachkomme des alten Schnapsblücher aus den Feldzügen von Anno dreizehn und ein Verwandter des Lieutenants Blücher, bekannt aus dem großartigen Feldzuge gegen die vereinbarten Sancho- Panzas des passiven Widerstandes?

Berlin.

Der königl. Preuß. Staatsanzeiger enthält in seinem Amtlichen Theil folgenden sonderbaren Artikel:

Charlottenburg, den 19. Febr. Se. Maj. der König und das ganze Königl. Haus sind durch die heute eingetroffene Nachricht von dem Ableben Sr. Kön. Hoh. des Prinzen Friedrich Wilhelm Waldemar von Preußen in tiefe Betrübniß versetzt worden.

Se. Kön. Hoheit war seit mehreren Monaten in Münster, wohin die militärische Dienstpflicht Höchstdenselben als Commandeur der 13. Kavalleriebrigade geführt hatte, an einem rheumatischen Fieber erkrankt, in dessen Folgen sich eine Entzündung des Psoas- Muskels ausbildete, die sich aller ärztlichen Hülfe ungeachtet zu einem zerstörenden Absceß steigerte, bis am Sonnabend, den 17. d. M., Nachmittags gegen 4 Uhr, der Tod sanft erfolgte, dem Er standhaft und in christlicher Fassung entgegensah.

Se. Kön. Hoheit der Prinz Wilhelm, Vater des hingeschiedenen Prinzen, weilte seit Monaten in unausgesetzter väterlicher Sorgfalt und Liebe am Krankenbette und war, wie auch Se. Königl. Hoh. Prinz Adalbert, der Bruder des Entschlafenen, beim Tode gegenwärtig.

Der hochselige Prinz war am 2. August 1817 geboren und ist folglich in der Blüthe der Lebensjahre vom Tode ereilt worden.

Ein reines Herz, der edelste Sinn und ein hohes Pflichtgefühl verband der verewigte Prinz mit der größten Anspruchslosigkeit, und als vor einigen Jahren ehrenwerthe Wißbegierde Ihn nach Indien führte, hatte Er Gelegenheit, bei einem Kampfe gegen die Sikhs in den Schlachten von Mudki, Ferozpur und Sobraon Sich durch Besonnenheit und Tapferkeit so auszuzeichnen, daß Ihm ein ehrenvolles Andenken bei Seinen Mitkämpfern in der engl. Armee gesichert bleibt.

Der Todesfall wird daher um so schmerzlicher empfunden, weil der hingeschiedene Prinz, wenn es Ihm vergönnt gewesen wäre, die militärische Laufbahn fortzusetzen, dem Staate noch lange und ersprießliche Dienste zu leisten versprach.“

Man erinnert sich aus den damaligen engl. Blättern, daß der „hingeschiedene Prinz“ in der Schlacht von Sobraon das Prinzip verwirklichte: Weit davon ist gut für den Schuß. De mortuis nil nisi bene.

212 Berlin, 20. Febr.

Wie ängstlich besorgt man in gewissen Kreisen ist, sich „des Lebens süße Gewohnheit“ zu erhalten und wie wenig man sich in denselben Kreisen der alt- absolutistischen Willkür noch entwöhnt hat, mag folgende wahre Begebenheit zeigen. Auf dem anhaltischen Bahnzuge befand sich vorgestern auch der von Weimar zurückkehrende Prinz Karl. Auf der Station Großbeeren wollte eine ebenfalls nach Berlin zurückkehrende Jagdgesellschaft, welche noch mit ihren Büchsen versehen war, in denselben Wagen einsteigen. Aber der Prinz, der sie wahrscheinlich für verkleidete Carbonaros oder Königsmörder hielt, fuhr sie heftig an und frug, was sie denn hier wollten. Die Jäger, ohne sich an die unhöfliche Manier des Prinzen zu kehren, stiegen ein. Der Prinz verlangte nun von den Bahnwärtern, sie sollten diese Passagiere zurückweisen; die Bahnbeamten weigerten sich aber natürlich, da die Jagdliebhaber die Billets richtig bezahlt hatten. Der Zug ging ab, während der Prinz in nicht eben seinen Worten seinem Grolle Luft machte. Hier am Bahnhofe angelangt, wurden die Jäger, theils weil sie bewaffnet waren, theils auf Anlaß des Prinzen sämmtlich verhaftet und nach der Kommandantur gebracht. Dort aber wurden sie, da sie sich alle als ruheliebende Berliner Bürger legitimiren konnten: sofort entlassen und beabsichtigen nun gegen den Prinzen, wegen dessen verletzender Reden, Beschwerde zu führen.

Als interessanter Beitrag zur Kenntniß der hiesigen gewerblichen Verhältnisse und der Stimmung unter den hiesigen Arbeitern, theilen wir nachstehenden Aufruf der hiesigen Kattundrucker mit, wenn wir auch natürlich mit den Konklusionen desselben gegen die Anwendung von Maschinen keineswegs übereinstimmen. Das Aktenstück ist jedenfalls eine Stimme aus dem Volke, die gehört zu werden verdient.

„An unsere Mitbürger!“

Es ist eine leichte und schöne Sache, wenn man den Arbeitern Ruhe und Ordnung predigen will durch Zeitungen und Belagerungszustände; eine andere Frage aber ist es, ob der Arbeiter durch Zeitungen und Belagerungszustand Arbeit und Brod findet. Ihr sagt uns, Ruhe und Ordnung giebt Brod und Arbeit ‒ wir sagen Euch, Brod und Arbeit geben Ruhe und Ordnung. Wir haben Ruhe und Ordnung gehabt lange Jahre und haben gearbeitet wie die Maschinen; aber die Maschinen, die kein Brod essen und des Nachts nicht schlafen, haben noch mehr gearbeitet, und wir wurden überflüssig und brodlos; die Fabriken wurden immer größer und schöner, unsere Wohnungen immer kleiner und dürftiger; die Maschinen liefern Zeug genug, um die Erde damit zu bedecken und unsere Weiber und Kinder haben nicht, ihre Blöße zu decken.

Wir haben gebeten und gebettelt lange Jahre, wo die Revolutionen noch nicht Mode waren, von Herodes zu Pilatus ‒ beim Magistrat und bei den Ministern; selbst bei Sr. Majestät dem jetzt regierenden Könige in Sansouci, und haben keine Hülfe gefunden für unsere Noth und Arbeitslosigkeit.

Am 8. April v. J. haben wir mit unsern Fabrikherren einen Vertrag geschlossen, den sie aber hinterdrein nicht gehalten haben. Deshalb wurde am 26. Oktober von 4 Druckern, 4 Fabrikanten und 4 Vertrauensmännern eine Commission gebildet, welche unter dem Vorsitze des Ministerial- Direktors Herrn v. Pommer- Esche im Handelsministerium diese Sache in Ordnung bringen sollten. Die Fabrikherren sagten aber, sie allein könnten uns nicht helfen, wenn die andern Fabrikanten im Zollverein es nicht wollten. Deshalb wurde ein Congreß zum Januar d. J. nach Leipzig beschlossen, und ebenso bestimmt, daß 70 unbeschäftigte Drucker außer den zur Zeit in Arbeit stehenden neben der Maschine mit Handdruck beschäftigt werden sollten. Der Congreß in Leipzig wurde von Fabrikanten und Druckern zahlreich beschickt; nach dreißigstündiger Verhandlung aber die Forderungen der nothleidenden Drucker mit hohnlächelnder Miene zurückgewiesen. Jetzt nahet der 1. März und die Drucker werden wieder entlassen. Zwar verspricht man dieselben als Arbeitsleute in der Fabrik zu beschäftigen; würde dies aber die Sache ändern, würden nicht dadurch eben so viel Menschen ins Elend gejagt?

Wir fordern die Arbeit nicht blos für uns und um andere zu verdrängen, sondern wir verlangen Hülfe und Arbeit für alle Bedrängte und Arbeitslose. Die neue Gewerbeordnung verbietet den Arbeitsleuten als Handwerker zu arbeiten ‒ soll nun der Handwerker als Arbeitsmann arbeiten und diese verdrängen? Wenn aber das Arbeiten oder Broderwerben überhaupt verboten werden kann, so verlangen wir vorher, daß eiserne Arbeiter, die nicht essen und nicht schlafen, die Maschinen, erst dann arbeiten dürfen, wenn die Arbeiter alle beschäftigt sind, die Brod essen, die Weib und Kind ernähren müssen, und dem Könige ihre Steuern zahlen.

Wir wissen wohl, Ihr zuckt wieder die Achseln und trommelt Generalmarsch wenn wir die eisernen Arbeiter aus der Werkstatt werfen, aber woher nehmen wir Brod;

Berlin, 19. Februar 1849.

Im Namen der hiesigen Kattundrucker.

Das Komite.

Posen, 16. Febr.

Von der polnischen Grenze schreibt man, daß ein aus Frankreich auf Grund eines russischen Amnestiedekrets zurückkehrender Emigrant, der Pfarrer Jastrzybski aus Lublin sofort von den Kosaken verhaftet und nach Kalisch abgeführt worden ist, obgleich ein polnisch- preußischer Gutsbesitzer ihn noch ausdrücklich begleitete und die vollständigen Legitimationen bei sich führte. Man macht aus diesem Verfahren Schlüsse auf die Verhältnisse der sonst freundnachbarlichen Regierungen. Aus Krakau treffen täglich Nachrichten ein, die Besorgnisse über bevorstehende Bewegungen ausdrücken. Das Rekrutirungspatent und die Anfälle der Soldaten auf ruhige Bürger haben die Polen aufs Aeußerste erbittert. Die Bauern im Krakauer Kreise wollen die Rekrutirungskommission mit Sensen und Dreschflegeln empfangen. In Chrzanow ist es deshalb bereits zum Kampf gekommen. Täglich fast gehen aus Krakau kleine Militärdetaschements an Orte ab, wo die Ungarn eingefallen sein sollen. Wegen dieser Bewegungen hat man den Rekrutirungstermin auf den 5. März verschoben. Auch in Lemberg scheint es zu gähren. Die Oestreicher haben sich hier und in der Umgegend genöthigt gesehen den Landsturm gegen die Ungarn zu organisiren. Dazu hat man jedoch nur der Bauern sich bedient. Nun verlangt der Adel, daß man ihn auch dazu verwende. Dessen weigern sich die Oesterreicher und sagen offen, sie wollten den Wolf nicht in die Schaafheerden lassen. Die Lemberger Schulen sind geschlossen, weil die Schüler sich deutsch und ruthenisch zu lernen weigerten und Tumulte ausführten. Die ältesten derselben hat man sofort bei den Truppen eingestellt. Hier in Posen ist es sehr ruhig; eine große Anzahl Polen hat sich mit ihren Familien nach Breslau hingezogen, um Oestreich näher zu sein, und die polnischen Studenten in Breslau, die sehr zahlreich sind, verfolgen die Bewegungen jenseits sehr aufmerksam. Die östreichische Note hat unter allen Deutschen tiefe Entrüstung, bei den Polen eine Art Genugthuung hervorgebracht. Die Gazeta äußert sich darüber sehr weitläufig und schließt also: „In unbegrenzten Linien einer weiten Ferne schwebt für Oestreich ein nebelhaftes, ungeheueres, mächtiges, drohendes Deutschland, in welchem alle Nationalitäten Platz finden! O ihr beglückten, tausendfach beglückten Slaven! seht! Euer großmüthiger Kaiser, der in Olmütz drei Professoren auf einmal erlaubt hat tschechisch zu lehren, der mit eurer Hülfe die deutsche Hauptstadt seines Reichs gedemüthigt, Italien in Schach gehalten, Ungarn erdrückt hat, wirft euch nun, zum Lohn für euer vergossenes Blut, für gehaltene Treue, für den Sieg über die Märzrevolution dem auseinanderklaffenden Deutschland entgegen! o ihr tausendfach beglückten Barbaren!“ ‒ „Doch wie werden euch, ihr freiheitsneidende Söhne Germaniens, die 600,000 Bajonette schmecken, mit denen man Wien demüthigte, Italien in Knechtschaft hielt, Ungarn und Polen mordete? Wahr

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          <p><pb facs="#f0002" n="1258"/>
nach, daß die dem Kölkenbeck zur Last gelegte Ueberschreitung des Züchtigungsrechts eine perfide Lüge gewesen. Die Suspension ward demnach wieder aufgehoben. Im Jahr 1848 soll nun derselbe Lehrer durch rohe Außerungen gerechte Beschwerden hervorgerufen haben; merkwürdig! der Schulvorstand weiß hervon wieder nichts, man spricht wohl davon, daß der Kölkenbeck von seinen Hausrechte Gebrauch gemacht haben soll einem polternden Landrathe gegenüber. Der erste Grund zu der jetzigen Suspension ist also in sich schon eine Lüge und der zweite Grund, der Lehrer Kölkenbeck sei roh ist ebenfalls eine grobe abgeschmackte Unwahrheit, da der Mann äußerst harmlos und gemüthlich ist und die Achtung und Liebe aller seiner Mitbürger in vollem und wohlverdientem Maaße besitzt. Der dritte Grund beruht allerdings auf Wahrheit, denn Kölkenbeck hat im November vorigen Jahres Drucksachen an die Schulkinder vertheilt, um sie ihren Eltern zu übergeben, nämlich (horribile!) Einladungen zu einer Volksversammlung in Cleve; diesen Einladungen waren gedruckte Briefe des Abgeordneten Arntz beigefügt; darin besteht nun die Verbreitung der politischen Ansichten. Wir fragen höchst einfach: hat die hochbegnadete Regierung nicht selbst von den Lehrern verlangt, die Lügenberichte eines Harkort und die Schmäh- und Schandartikel der Galgenblätter an die Schulkinder zu vertheilen, um so die politischen Ansichten der Regierung zu verbreiten; hat nicht der Landrath von Haeften, die Taschen bespickt mit Harkort'schen Kunstproduckten, als commis voyageur Landreisen gemacht? ist nicht der Richter von Göckingh Haus für Haus gelaufen, und hat diese Muster ohne Werth an den Mann zu bringen gesucht? Bürgermeister, Gerichtschreiber, groß- und kleinbeamtete Leute haben die Kolporteurs dieser Strolchen- Berichte gemacht, und müssen nun folgerichtig alle ohne Ausnahme ihrer Aemter entbunden werden, dem schönen edlen preußischen Grundsatze gemäß, was dem einen recht, ist dem andren billig. Jedenfalls kann und darf es doch nicht zu den Amtsvorschriften eines Landraths noch zu den eines Richters gehören, absichtlich, harmlosen Leuten Sand in die Augen zu streuen; ein solches Privatvergnügen ist aber auch nicht erlaubt.</p>
          <p>Kölkenbeck aber, und das ist unverantwortlich, ist durch diesen Akt der Zärtlichkeit gnadenreicher Bureaukraten brodlos geworden; das kümmert diese Menschen wenig, was liegt der Sorte daran ob da einer mehr oder weniger ist, der am Hungertuche naget?</p>
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          <head><bibl><author>125</author></bibl> Aus Westphalen, 20. Febr.</head>
          <p>Von den 330 bis jetzt gewählten Abgeordneten zur zweiten Kammer sind (einer Zusammenstellung in der K. Z. zufolge) 87 Justizbeamte (43 links), 42 Verwaltungs- und Kommunal- Beamte (10 links), 66 Geistliche, Professoren, Literaten und Aerzte (41 links), 26 Kaufleute und Gewerbtreibende (12 links), 82 Gutsbesitzer (12 links), 24 Bauern (8 links) und 3 Militär- Personen. Es fehlen in Folge der Doppelwahlen noch 20 Deputirte. Vorstehende Uebersicht gestattet es, auf das Bedürfniß einer richtigen Zusammensetzung der Kammern aufmerksam zu machen, da das Militär fast gar nicht vertreten ist, obige 3 Militärpersonen zur rechten Seite, und unseres Wissens nur <hi rendition="#g">ein einziger verabschiedeter Offizier,</hi> der Graf v. Görz zu Frankfurt a. d. O., der vermuthlich als Literat aufgeführt ist, auf der Linken sitzt. Und doch ist es so wichtig, daß Männer in der Kammer sind, die bei vorkommenden Gelegenheiten über die innern Verhältnisse des Heeres Auskunft geben können, die durch ihre Verbindungen mit den demokratischen Elementen im Heere von Allem Kenntniß erlangen, was für die Versammlung von Wichtigkeit ist. Es ist eine Wahrheit, (so bitter sie dem Civil auch sein mag, da fast Alle sich rühmen, auch Soldat gewesen zu sein) daß von den eigentlichen Militär- Verhältnissen nur die Eingeweiheten eine Kunde haben, und daß die Männer der Linken, wenn sie auf Abbestellung eines Uebelstandes dringen, fast immer vorbei schießen, daß sie nicht befähigt sind: einen derartigen Antrag richtig zu formuliren und allseitig zu begründen. Nur die äußerste Schale der Militär- Verhältnisse ist dem Juristen, dem Gewerbtreibenden und Oekonomen bekannt; das Wesentliche der Militär- Organisation, das, was auch der demokratische Offizier festhalten muß, richtig zu bezeichnen, das ist dem Nichtmilitär selten bekannt; höchstens hat er eine dunkele Ahnung davon. Der Stein'sche Antrag kann als Beispiel in dieser Beziehung gelten.</p>
        </div>
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          <head><bibl><author>84</author></bibl> Münster, 20. Febr.</head>
          <p>Durch die Nachwahlen ist es jetzt möglich, einige &#x2012; wegen Demokratie verabschiedete &#x2012; Offiziere in die zweite Kammer zu bringen. Die Wahlmänner müssen jedoch ihre Lokal- Rücksichten fallen lassen, und dem Ganzen wirklich nützen wollen. Erst wenn das allgemeine Staatsleben geordnet ist, können die Lokalfragen an die Reihe kommen; und daß die Militär- Organisation vorab zu betrachten ist, wird wohl Niemand bezweifeln! Noch ist es möglich auf den Militär- Organismus einzuwirken, und dort die Willkür (die Reglements für die Offiziere vom Könige Friedrich Wilhelm I. noch herstammend, sind bekanntlich schon längst als zu freisinnig eingezogen, und neue noch nicht ausgegeben) zu verbannen. Es giebt unter den reifern Offizieren Männer genug, die Demokraten sind, und sich zurückhalten, aber einmal in der Kammer ihren Posten entschieden vertreten würden. Allein, sie hier öffentlich zu nennen, würde sie unnütz in ihrer Stellung gefährden. Nur verabschiedete Offiziere sollen daher hier genannt werden. Dahin gehören der in ihrer Zeitung empfohlene Otto v. Mirbach, im Zuchthause zu Münster, de la Chevallerie, kürzlich aus Berlin verwiesen (falls dieser das gesetzliche Alter hat). Böing, früher schon in Folge des Anneke'schen Prozesses bekannt geworden, und Caspary in Münster, der schon im Dienste seine Ansichten offen an den Tag legte.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar229_008" type="jArticle">
          <head><bibl><author>*</author></bibl> Bochum, 15. Febr.</head>
          <p>Gestern war der Hr. Harkort hier. Demselben wurde des Abends eine Katzenmusik gebracht, die man in einer Entfernung von 2 Stunden vernehmen konnte. Der Hr. Harkort wollte bei den Katzenmusikanten ganz konservativ erscheinen, denn er ließ denselben Wein anbieten. Die Musikanten haben aber das so sehr großmüthige Anerbieten nicht acceptirt, vielmehr dasselbe mit gerechter Entrüstung und unter den Worten: er &#x2012; Harkort &#x2012; solle lieber den Weinhändler Höltring bezahlen, zurückgewiesen.</p>
          <p>Von hier ist der Hr. Harkort nach Schwelm gereist. Warum derselbe die hier in der Nähe liegenden Ortschaften so kurz nacheinander besucht, ist hier nicht bekannt.</p>
          <p>Es dürfte sich wohl annehmen lassen, daß er irgend eine geheime Mission zu erfüllen habe.</p>
          <p>Es circulirt hier gegenwärtig eine Adresse an Se. Majestät, unsern vielgeliebten König, um, in Erwägung, daß der hiesige &#x201E;Märkische Sprecher&#x201C; es unter der Würde Sr. Majestät hält, noch ferner in Berlin zu residiren, weil dort die Wahl zur zweiten Kammer nur demokratisch ausgefallen sei; und in Betracht der den Markanern angebornen Treue zu Sr. Majestät und dessen Herrscherhause, seine Residenz von Berlin nach Bochum zu verlegen.</p>
          <p>Die Adresse soll bereits mit vielen Unterschriften bedeckt sein. Die Adresse selbst soll Ihnen übrigens so ziemlich wörtlich mitgetheilt werden.</p>
        </div>
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          <head><bibl><author>9</author></bibl> Berlin, 19. Febr.</head>
          <p>Wir sind in einer erfreulichen Spannung in Bezug auf die Eröffnung der Kammern am <hi rendition="#g">nächsten</hi> Montag. Viele Wetten sind bereits entrirt, ob oder ob nicht die Gottesgnade im <hi rendition="#g">weißen Saale</hi> sich verlauten lassen wird. Die Vermiether der chambres garnies haben das beste Theil erwählt. Sie hoffen die leeren Kammern zu vermiethen; da aber die Kammergeschichte nur kurze Zeit währen <hi rendition="#g">möchte,</hi> so wollen sie vorsichtig sein, und sich den Monatszins <hi rendition="#g">voraus</hi> zahlen lassen. Die Herren <hi rendition="#g">Revisionsräthe</hi> (s. v. Volksvertreter) sollten es eben so machen. &#x2012; Ich schrieb Ihnen in meinem Vorigen, daß die Regierung bezüglich der Kammereröffnung nicht wisse, was sie thun solle &#x2012; sie hat es jetzt gewußt und &#x2012; <hi rendition="#g">gewagt.</hi> Einige wollen behaupten, aus <hi rendition="#g">Scham,</hi> für <hi rendition="#g">feige</hi> gehalten zu werden, Andere <hi rendition="#g">fürchten,</hi> dies sei ein Beweis, daß die Regierung sich <hi rendition="#g">sicher</hi> fühle. &#x2012; Wie ich höre, sind heute die Nachwahlen wie folgt bestimmt: Heinrich Simon im 1. Wahlbezirk, G. Jung u. Schramm (von Striegau) im 3. und Bruno Bauer im 4. Wahlbezirk. Das neueste Belagerungsstückchen wegen der Vertreibung der Wahlmänner hilft sehr zum Siege der Opposition.</p>
          <p>Die sublime Errungenschaft des deutschen Wechselgesetzes zeigt sich hier in glänzendem Lichte. Vermöge der Wahlsouveränität im vorigen Sommer wurde es den Besitzenden <hi rendition="#g">schwierig,</hi> ihre Forderungen bei den Proletariern richtig einziehen zu können.</p>
          <p>Verschiedene Blutsauger mußten sogar selbst Blut lassen, indem sie von dem souveränen Volke zur Thür hinausgeworfen wurden trotz der humanen Absichten, nur einen Theil ihrer Forderungen einzuziehen. Das deutsche Wechselrecht hilft den Märtyrern des Besitzes wieder auf die Beine. Sie schleichen jetzt liebevoll zu den Helden des Mangels und lassen sich &#x201E;Wechselchen&#x201C; auf 1, 2, 3 Monate unterschreiben, unter dem Vorwande, daß sie mit diesen Wischen wenigstens ihre Gläubiger bezahlen könnten. Die Proletarier verschreiben sich dem Teufel, warum nicht seinen Jüngern, und werden dafür richtig nach 1, 2, 3 Monate im Schuldgefängnisse zu büßen haben.</p>
          <p>Die dramatische politische Posse scheint mehr zur Geltung zu kommen als bisher. Leider aber fehlt es an Unternehmern, die unabhängig von der Polizei sind. Was etwa zur Aufführung kommt, muß jedenfalls nach dem Geschmack der &#x201E;Weißbierbürger&#x201C; sein. So macht denn gegenwärtig auf dem Friedrich- Wilhelmstädtischen Theater eine Posse Furore, die nach dem französischen Stücke: la propriété c'est le vol, bearbeitet ist. Um aber unsere Zustände vollkommen zu bezeichnen, genügt die Bemerkung, daß der Berliner Dramatiker anstatt des französischen Sozialisten <hi rendition="#g">Proudhon</hi> den Berliner <hi rendition="#g">Held</hi> zum Stichblatt gewählt hat. Armer Proudhon!</p>
          <p>Hr. Brutus Bassermann ist gleichfalls in der Posse repräsentirt, aber sonderbar genug als weiblicher Wassermann. Mit Recht bemerkt die hiesige Theaterzeitung: Hr. Bassermann könne besser als altes statt junges Weib vorgestellt werden.</p>
        </div>
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          <head>Berlin.</head>
          <p>Die &#x201E;Neue Preuß. Ztg.&#x201C; meldet folgendes entsetzliche Faktum aus Dessau: &#x201E;In einem Dessauer Paß ist der allen preuß. Veteranen wohlbekannte Graf Henckel von Donnersmarck, der seit einigen Jahren in Dessau lebt, bezeichnet worden als:&#x201E;Herr Henckel im Auslande&#x201C; (nämlich in Preußen) genannt Graf Henckel von Donnersmark.&#x201C;</p>
          <p>Ferner berichtet sie über die dem Hrn. Harkort (wo bleiben die 800 Thlr.) gebrachten Katzenmusiken wie folgt: In Westphalen wurde der Abgeordnete Harkort bei einer Rundreise durch die Fabrikkreise von den Arbeitern überall auf das Festlichste begrüßt. In Herdecke wurde ihm eine Ehrenpforte erbaut, in Hagen ihm ein großes Festessen gegeben und ein Fackelzug gebracht. Eine solche Demonstration will etwas Anderes besagen, als der Bummlerzug zu Jakoby nach dem Hotel Mylius.</p>
          <p>Wie dies vortreffliche Blättchen Statistik fabrizirt, davon folgendes Pröbchen:</p>
          <p>&#x201E;Folgendes ist eine Zusammenstellung der Steuern, welche die sechs größten Nationen der Erde bezahlen, auf den Kopf berechnet:</p>
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          <p>Ferner meldet sie: Ein zu 6jähriger Zuchthausstrafe verurtheilter gefährlicher Dieb, Namens Blücher, ist aus dem Criminalgefängniß entsprungen.</p>
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          <p>Se. Kön. Hoheit war seit mehreren Monaten in Münster, wohin die militärische Dienstpflicht Höchstdenselben als Commandeur der 13. Kavalleriebrigade geführt hatte, an einem rheumatischen Fieber erkrankt, in dessen Folgen sich eine Entzündung des Psoas- Muskels ausbildete, die sich aller ärztlichen Hülfe ungeachtet zu einem zerstörenden Absceß steigerte, bis am Sonnabend, den 17. d. M., Nachmittags gegen 4 Uhr, der Tod sanft erfolgte, dem Er standhaft und in christlicher Fassung entgegensah.</p>
          <p>Se. Kön. Hoheit der Prinz Wilhelm, Vater des hingeschiedenen Prinzen, weilte seit Monaten in unausgesetzter väterlicher Sorgfalt und Liebe am Krankenbette und war, wie auch Se. Königl. Hoh. Prinz Adalbert, der Bruder des Entschlafenen, beim Tode gegenwärtig.</p>
          <p>Der hochselige Prinz war am 2. August 1817 geboren und ist folglich in der Blüthe der Lebensjahre vom Tode ereilt worden.</p>
          <p>Ein reines Herz, der edelste Sinn und ein hohes Pflichtgefühl verband der verewigte Prinz mit der größten Anspruchslosigkeit, und als vor einigen Jahren ehrenwerthe Wißbegierde Ihn nach Indien führte, hatte Er Gelegenheit, bei einem Kampfe gegen die Sikhs in den Schlachten von Mudki, Ferozpur und Sobraon Sich durch Besonnenheit und Tapferkeit so auszuzeichnen, daß Ihm ein ehrenvolles Andenken bei Seinen Mitkämpfern in der engl. Armee gesichert bleibt.</p>
          <p>Der Todesfall wird daher um so schmerzlicher empfunden, weil der hingeschiedene Prinz, wenn es Ihm vergönnt gewesen wäre, die militärische Laufbahn fortzusetzen, dem Staate noch lange und ersprießliche Dienste zu leisten versprach.&#x201C;</p>
          <p>Man erinnert sich aus den damaligen engl. Blättern, daß der &#x201E;hingeschiedene Prinz&#x201C; in der Schlacht von Sobraon das Prinzip verwirklichte: Weit davon ist gut für den Schuß. De mortuis nil nisi bene.</p>
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          <head><bibl><author>212</author></bibl>Berlin, 20. Febr.</head>
          <p>Wie ängstlich besorgt man in gewissen Kreisen ist, sich &#x201E;des Lebens süße Gewohnheit&#x201C; zu erhalten und wie wenig man sich in denselben Kreisen der alt- absolutistischen Willkür noch entwöhnt hat, mag folgende wahre Begebenheit zeigen. Auf dem anhaltischen Bahnzuge befand sich vorgestern auch der von Weimar zurückkehrende Prinz Karl. Auf der Station Großbeeren wollte eine ebenfalls nach Berlin zurückkehrende Jagdgesellschaft, welche noch mit ihren Büchsen versehen war, in denselben Wagen einsteigen. Aber der Prinz, der sie wahrscheinlich für verkleidete Carbonaros oder Königsmörder hielt, fuhr sie heftig an und frug, was sie denn hier wollten. Die Jäger, ohne sich an die unhöfliche Manier des Prinzen zu kehren, stiegen ein. Der Prinz verlangte nun von den Bahnwärtern, sie sollten diese Passagiere zurückweisen; die Bahnbeamten weigerten sich aber natürlich, da die Jagdliebhaber die Billets richtig bezahlt hatten. Der Zug ging ab, während der Prinz in nicht eben seinen Worten seinem Grolle Luft machte. Hier am Bahnhofe angelangt, wurden die Jäger, theils weil sie bewaffnet waren, theils auf Anlaß des Prinzen sämmtlich verhaftet und nach der Kommandantur gebracht. Dort aber wurden sie, da sie sich alle als ruheliebende Berliner Bürger legitimiren konnten: sofort entlassen und beabsichtigen nun gegen den Prinzen, wegen dessen verletzender Reden, Beschwerde zu führen.</p>
          <p>Als interessanter Beitrag zur Kenntniß der hiesigen gewerblichen Verhältnisse und der Stimmung unter den hiesigen Arbeitern, theilen wir nachstehenden Aufruf der hiesigen Kattundrucker mit, wenn wir auch natürlich mit den Konklusionen desselben gegen die Anwendung von Maschinen keineswegs übereinstimmen. Das Aktenstück ist jedenfalls eine Stimme aus dem Volke, die gehört zu werden verdient.</p>
          <p>&#x201E;An unsere Mitbürger!&#x201C;</p>
          <p>Es ist eine leichte und schöne Sache, wenn man den Arbeitern Ruhe und Ordnung predigen will durch Zeitungen und Belagerungszustände; eine andere Frage aber ist es, ob der Arbeiter durch Zeitungen und Belagerungszustand Arbeit und Brod findet. Ihr sagt uns, Ruhe und Ordnung giebt Brod und Arbeit &#x2012; wir sagen Euch, Brod und Arbeit geben Ruhe und Ordnung. Wir haben Ruhe und Ordnung gehabt lange Jahre und haben gearbeitet wie die Maschinen; aber die Maschinen, die kein Brod essen und des Nachts nicht schlafen, haben noch mehr gearbeitet, und wir wurden überflüssig und brodlos; die Fabriken wurden immer größer und schöner, unsere Wohnungen immer kleiner und dürftiger; die Maschinen liefern Zeug genug, um die Erde damit zu bedecken und unsere Weiber und Kinder haben nicht, ihre Blöße zu decken. </p>
          <p>Wir haben gebeten und gebettelt lange Jahre, wo die Revolutionen noch nicht Mode waren, von Herodes zu Pilatus &#x2012; beim Magistrat und bei den Ministern; selbst bei Sr. Majestät dem jetzt regierenden Könige in Sansouci, und haben keine Hülfe gefunden für unsere Noth und Arbeitslosigkeit.</p>
          <p>Am 8. April v. J. haben wir mit unsern Fabrikherren einen Vertrag geschlossen, den sie aber hinterdrein nicht gehalten haben. Deshalb wurde am 26. Oktober von 4 Druckern, 4 Fabrikanten und 4 Vertrauensmännern eine Commission gebildet, welche unter dem Vorsitze des Ministerial- Direktors Herrn v. Pommer- Esche im Handelsministerium diese Sache in Ordnung bringen sollten. Die Fabrikherren sagten aber, sie allein könnten uns nicht helfen, wenn die andern Fabrikanten im Zollverein es nicht wollten. Deshalb wurde ein Congreß zum Januar d. J. nach Leipzig beschlossen, und ebenso bestimmt, daß 70 unbeschäftigte Drucker außer den zur Zeit in Arbeit stehenden neben der Maschine mit Handdruck beschäftigt werden sollten. Der Congreß in Leipzig wurde von Fabrikanten und Druckern zahlreich beschickt; nach dreißigstündiger Verhandlung aber die Forderungen der nothleidenden Drucker mit hohnlächelnder Miene zurückgewiesen. Jetzt nahet der 1. März und die Drucker werden wieder entlassen. Zwar verspricht man dieselben als Arbeitsleute in der Fabrik zu beschäftigen; würde dies aber die Sache ändern, würden nicht dadurch eben so viel Menschen ins Elend gejagt?</p>
          <p>Wir fordern die Arbeit nicht blos für uns und um andere zu verdrängen, sondern wir verlangen Hülfe und Arbeit für alle Bedrängte und Arbeitslose. Die neue Gewerbeordnung verbietet den Arbeitsleuten als Handwerker zu arbeiten &#x2012; soll nun der Handwerker als Arbeitsmann arbeiten und diese verdrängen? Wenn aber das Arbeiten oder Broderwerben überhaupt verboten werden kann, so verlangen wir vorher, daß eiserne Arbeiter, die nicht essen und nicht schlafen, die Maschinen, erst dann arbeiten dürfen, wenn <hi rendition="#g">die</hi> Arbeiter alle beschäftigt sind, die Brod essen, die Weib und Kind ernähren müssen, und dem Könige ihre Steuern zahlen.</p>
          <p>Wir wissen wohl, Ihr zuckt wieder die Achseln und trommelt Generalmarsch wenn wir die eisernen Arbeiter aus der Werkstatt werfen, <hi rendition="#g">aber woher nehmen wir Brod;</hi> </p>
          <p>Berlin, 19. Februar 1849.</p>
          <p>Im Namen der hiesigen Kattundrucker.</p>
          <p>Das Komite.</p>
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        <div xml:id="ar229_013" type="jArticle">
          <head>Posen, 16. Febr.</head>
          <p>Von der polnischen Grenze schreibt man, daß ein aus Frankreich auf Grund eines russischen Amnestiedekrets zurückkehrender Emigrant, der Pfarrer Jastrzybski aus Lublin sofort von den Kosaken verhaftet und nach Kalisch abgeführt worden ist, obgleich ein polnisch- preußischer Gutsbesitzer ihn noch ausdrücklich begleitete und die vollständigen Legitimationen bei sich führte. Man macht aus diesem Verfahren Schlüsse auf die Verhältnisse der sonst freundnachbarlichen Regierungen. Aus Krakau treffen täglich Nachrichten ein, die Besorgnisse über bevorstehende Bewegungen ausdrücken. Das Rekrutirungspatent und die Anfälle der Soldaten auf ruhige Bürger haben die Polen aufs Aeußerste erbittert. Die Bauern im Krakauer Kreise wollen die Rekrutirungskommission mit Sensen und Dreschflegeln empfangen. In Chrzanow ist es deshalb bereits zum Kampf gekommen. Täglich fast gehen aus Krakau kleine Militärdetaschements an Orte ab, wo die Ungarn eingefallen sein sollen. Wegen dieser Bewegungen hat man den Rekrutirungstermin auf den 5. März verschoben. Auch in Lemberg scheint es zu gähren. Die Oestreicher haben sich hier und in der Umgegend genöthigt gesehen den Landsturm gegen die Ungarn zu organisiren. Dazu hat man jedoch nur der Bauern sich bedient. Nun verlangt der Adel, daß man ihn auch dazu verwende. Dessen weigern sich die Oesterreicher und sagen offen, sie wollten den Wolf nicht in die Schaafheerden lassen. Die Lemberger Schulen sind geschlossen, weil die Schüler sich deutsch und ruthenisch zu lernen weigerten und Tumulte ausführten. Die ältesten derselben hat man sofort bei den Truppen eingestellt. Hier in Posen ist es sehr ruhig; eine große Anzahl Polen hat sich mit ihren Familien nach Breslau hingezogen, um Oestreich näher zu sein, und die polnischen Studenten in Breslau, die sehr zahlreich sind, verfolgen die Bewegungen jenseits sehr aufmerksam. Die östreichische Note hat unter allen Deutschen tiefe Entrüstung, bei den Polen eine Art Genugthuung hervorgebracht. Die Gazeta äußert sich darüber sehr weitläufig und schließt also: &#x201E;In unbegrenzten Linien einer weiten Ferne schwebt für Oestreich ein nebelhaftes, ungeheueres, mächtiges, drohendes Deutschland, in welchem alle Nationalitäten Platz finden! O ihr beglückten, tausendfach beglückten Slaven! seht! Euer großmüthiger Kaiser, der in Olmütz drei Professoren auf einmal erlaubt hat tschechisch zu lehren, der mit eurer Hülfe die deutsche Hauptstadt seines Reichs gedemüthigt, Italien in Schach gehalten, Ungarn erdrückt hat, wirft euch nun, zum Lohn für euer vergossenes Blut, für gehaltene Treue, für den Sieg über die Märzrevolution dem auseinanderklaffenden Deutschland entgegen! o ihr tausendfach beglückten Barbaren!&#x201C; &#x2012; &#x201E;Doch wie werden euch, ihr freiheitsneidende Söhne Germaniens, die 600,000 Bajonette schmecken, mit denen man Wien demüthigte, Italien in Knechtschaft hielt, Ungarn und Polen mordete? Wahr
</p>
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</TEI>
[1258/0002] nach, daß die dem Kölkenbeck zur Last gelegte Ueberschreitung des Züchtigungsrechts eine perfide Lüge gewesen. Die Suspension ward demnach wieder aufgehoben. Im Jahr 1848 soll nun derselbe Lehrer durch rohe Außerungen gerechte Beschwerden hervorgerufen haben; merkwürdig! der Schulvorstand weiß hervon wieder nichts, man spricht wohl davon, daß der Kölkenbeck von seinen Hausrechte Gebrauch gemacht haben soll einem polternden Landrathe gegenüber. Der erste Grund zu der jetzigen Suspension ist also in sich schon eine Lüge und der zweite Grund, der Lehrer Kölkenbeck sei roh ist ebenfalls eine grobe abgeschmackte Unwahrheit, da der Mann äußerst harmlos und gemüthlich ist und die Achtung und Liebe aller seiner Mitbürger in vollem und wohlverdientem Maaße besitzt. Der dritte Grund beruht allerdings auf Wahrheit, denn Kölkenbeck hat im November vorigen Jahres Drucksachen an die Schulkinder vertheilt, um sie ihren Eltern zu übergeben, nämlich (horribile!) Einladungen zu einer Volksversammlung in Cleve; diesen Einladungen waren gedruckte Briefe des Abgeordneten Arntz beigefügt; darin besteht nun die Verbreitung der politischen Ansichten. Wir fragen höchst einfach: hat die hochbegnadete Regierung nicht selbst von den Lehrern verlangt, die Lügenberichte eines Harkort und die Schmäh- und Schandartikel der Galgenblätter an die Schulkinder zu vertheilen, um so die politischen Ansichten der Regierung zu verbreiten; hat nicht der Landrath von Haeften, die Taschen bespickt mit Harkort'schen Kunstproduckten, als commis voyageur Landreisen gemacht? ist nicht der Richter von Göckingh Haus für Haus gelaufen, und hat diese Muster ohne Werth an den Mann zu bringen gesucht? Bürgermeister, Gerichtschreiber, groß- und kleinbeamtete Leute haben die Kolporteurs dieser Strolchen- Berichte gemacht, und müssen nun folgerichtig alle ohne Ausnahme ihrer Aemter entbunden werden, dem schönen edlen preußischen Grundsatze gemäß, was dem einen recht, ist dem andren billig. Jedenfalls kann und darf es doch nicht zu den Amtsvorschriften eines Landraths noch zu den eines Richters gehören, absichtlich, harmlosen Leuten Sand in die Augen zu streuen; ein solches Privatvergnügen ist aber auch nicht erlaubt. Kölkenbeck aber, und das ist unverantwortlich, ist durch diesen Akt der Zärtlichkeit gnadenreicher Bureaukraten brodlos geworden; das kümmert diese Menschen wenig, was liegt der Sorte daran ob da einer mehr oder weniger ist, der am Hungertuche naget? 125 Aus Westphalen, 20. Febr. Von den 330 bis jetzt gewählten Abgeordneten zur zweiten Kammer sind (einer Zusammenstellung in der K. Z. zufolge) 87 Justizbeamte (43 links), 42 Verwaltungs- und Kommunal- Beamte (10 links), 66 Geistliche, Professoren, Literaten und Aerzte (41 links), 26 Kaufleute und Gewerbtreibende (12 links), 82 Gutsbesitzer (12 links), 24 Bauern (8 links) und 3 Militär- Personen. Es fehlen in Folge der Doppelwahlen noch 20 Deputirte. Vorstehende Uebersicht gestattet es, auf das Bedürfniß einer richtigen Zusammensetzung der Kammern aufmerksam zu machen, da das Militär fast gar nicht vertreten ist, obige 3 Militärpersonen zur rechten Seite, und unseres Wissens nur ein einziger verabschiedeter Offizier, der Graf v. Görz zu Frankfurt a. d. O., der vermuthlich als Literat aufgeführt ist, auf der Linken sitzt. Und doch ist es so wichtig, daß Männer in der Kammer sind, die bei vorkommenden Gelegenheiten über die innern Verhältnisse des Heeres Auskunft geben können, die durch ihre Verbindungen mit den demokratischen Elementen im Heere von Allem Kenntniß erlangen, was für die Versammlung von Wichtigkeit ist. Es ist eine Wahrheit, (so bitter sie dem Civil auch sein mag, da fast Alle sich rühmen, auch Soldat gewesen zu sein) daß von den eigentlichen Militär- Verhältnissen nur die Eingeweiheten eine Kunde haben, und daß die Männer der Linken, wenn sie auf Abbestellung eines Uebelstandes dringen, fast immer vorbei schießen, daß sie nicht befähigt sind: einen derartigen Antrag richtig zu formuliren und allseitig zu begründen. Nur die äußerste Schale der Militär- Verhältnisse ist dem Juristen, dem Gewerbtreibenden und Oekonomen bekannt; das Wesentliche der Militär- Organisation, das, was auch der demokratische Offizier festhalten muß, richtig zu bezeichnen, das ist dem Nichtmilitär selten bekannt; höchstens hat er eine dunkele Ahnung davon. Der Stein'sche Antrag kann als Beispiel in dieser Beziehung gelten. 84 Münster, 20. Febr. Durch die Nachwahlen ist es jetzt möglich, einige ‒ wegen Demokratie verabschiedete ‒ Offiziere in die zweite Kammer zu bringen. Die Wahlmänner müssen jedoch ihre Lokal- Rücksichten fallen lassen, und dem Ganzen wirklich nützen wollen. Erst wenn das allgemeine Staatsleben geordnet ist, können die Lokalfragen an die Reihe kommen; und daß die Militär- Organisation vorab zu betrachten ist, wird wohl Niemand bezweifeln! Noch ist es möglich auf den Militär- Organismus einzuwirken, und dort die Willkür (die Reglements für die Offiziere vom Könige Friedrich Wilhelm I. noch herstammend, sind bekanntlich schon längst als zu freisinnig eingezogen, und neue noch nicht ausgegeben) zu verbannen. Es giebt unter den reifern Offizieren Männer genug, die Demokraten sind, und sich zurückhalten, aber einmal in der Kammer ihren Posten entschieden vertreten würden. Allein, sie hier öffentlich zu nennen, würde sie unnütz in ihrer Stellung gefährden. Nur verabschiedete Offiziere sollen daher hier genannt werden. Dahin gehören der in ihrer Zeitung empfohlene Otto v. Mirbach, im Zuchthause zu Münster, de la Chevallerie, kürzlich aus Berlin verwiesen (falls dieser das gesetzliche Alter hat). Böing, früher schon in Folge des Anneke'schen Prozesses bekannt geworden, und Caspary in Münster, der schon im Dienste seine Ansichten offen an den Tag legte. * Bochum, 15. Febr. Gestern war der Hr. Harkort hier. Demselben wurde des Abends eine Katzenmusik gebracht, die man in einer Entfernung von 2 Stunden vernehmen konnte. Der Hr. Harkort wollte bei den Katzenmusikanten ganz konservativ erscheinen, denn er ließ denselben Wein anbieten. Die Musikanten haben aber das so sehr großmüthige Anerbieten nicht acceptirt, vielmehr dasselbe mit gerechter Entrüstung und unter den Worten: er ‒ Harkort ‒ solle lieber den Weinhändler Höltring bezahlen, zurückgewiesen. Von hier ist der Hr. Harkort nach Schwelm gereist. Warum derselbe die hier in der Nähe liegenden Ortschaften so kurz nacheinander besucht, ist hier nicht bekannt. Es dürfte sich wohl annehmen lassen, daß er irgend eine geheime Mission zu erfüllen habe. Es circulirt hier gegenwärtig eine Adresse an Se. Majestät, unsern vielgeliebten König, um, in Erwägung, daß der hiesige „Märkische Sprecher“ es unter der Würde Sr. Majestät hält, noch ferner in Berlin zu residiren, weil dort die Wahl zur zweiten Kammer nur demokratisch ausgefallen sei; und in Betracht der den Markanern angebornen Treue zu Sr. Majestät und dessen Herrscherhause, seine Residenz von Berlin nach Bochum zu verlegen. Die Adresse soll bereits mit vielen Unterschriften bedeckt sein. Die Adresse selbst soll Ihnen übrigens so ziemlich wörtlich mitgetheilt werden. 9 Berlin, 19. Febr. Wir sind in einer erfreulichen Spannung in Bezug auf die Eröffnung der Kammern am nächsten Montag. Viele Wetten sind bereits entrirt, ob oder ob nicht die Gottesgnade im weißen Saale sich verlauten lassen wird. Die Vermiether der chambres garnies haben das beste Theil erwählt. Sie hoffen die leeren Kammern zu vermiethen; da aber die Kammergeschichte nur kurze Zeit währen möchte, so wollen sie vorsichtig sein, und sich den Monatszins voraus zahlen lassen. Die Herren Revisionsräthe (s. v. Volksvertreter) sollten es eben so machen. ‒ Ich schrieb Ihnen in meinem Vorigen, daß die Regierung bezüglich der Kammereröffnung nicht wisse, was sie thun solle ‒ sie hat es jetzt gewußt und ‒ gewagt. Einige wollen behaupten, aus Scham, für feige gehalten zu werden, Andere fürchten, dies sei ein Beweis, daß die Regierung sich sicher fühle. ‒ Wie ich höre, sind heute die Nachwahlen wie folgt bestimmt: Heinrich Simon im 1. Wahlbezirk, G. Jung u. Schramm (von Striegau) im 3. und Bruno Bauer im 4. Wahlbezirk. Das neueste Belagerungsstückchen wegen der Vertreibung der Wahlmänner hilft sehr zum Siege der Opposition. Die sublime Errungenschaft des deutschen Wechselgesetzes zeigt sich hier in glänzendem Lichte. Vermöge der Wahlsouveränität im vorigen Sommer wurde es den Besitzenden schwierig, ihre Forderungen bei den Proletariern richtig einziehen zu können. Verschiedene Blutsauger mußten sogar selbst Blut lassen, indem sie von dem souveränen Volke zur Thür hinausgeworfen wurden trotz der humanen Absichten, nur einen Theil ihrer Forderungen einzuziehen. Das deutsche Wechselrecht hilft den Märtyrern des Besitzes wieder auf die Beine. Sie schleichen jetzt liebevoll zu den Helden des Mangels und lassen sich „Wechselchen“ auf 1, 2, 3 Monate unterschreiben, unter dem Vorwande, daß sie mit diesen Wischen wenigstens ihre Gläubiger bezahlen könnten. Die Proletarier verschreiben sich dem Teufel, warum nicht seinen Jüngern, und werden dafür richtig nach 1, 2, 3 Monate im Schuldgefängnisse zu büßen haben. Die dramatische politische Posse scheint mehr zur Geltung zu kommen als bisher. Leider aber fehlt es an Unternehmern, die unabhängig von der Polizei sind. Was etwa zur Aufführung kommt, muß jedenfalls nach dem Geschmack der „Weißbierbürger“ sein. So macht denn gegenwärtig auf dem Friedrich- Wilhelmstädtischen Theater eine Posse Furore, die nach dem französischen Stücke: la propriété c'est le vol, bearbeitet ist. Um aber unsere Zustände vollkommen zu bezeichnen, genügt die Bemerkung, daß der Berliner Dramatiker anstatt des französischen Sozialisten Proudhon den Berliner Held zum Stichblatt gewählt hat. Armer Proudhon! Hr. Brutus Bassermann ist gleichfalls in der Posse repräsentirt, aber sonderbar genug als weiblicher Wassermann. Mit Recht bemerkt die hiesige Theaterzeitung: Hr. Bassermann könne besser als altes statt junges Weib vorgestellt werden. Berlin. Die „Neue Preuß. Ztg.“ meldet folgendes entsetzliche Faktum aus Dessau: „In einem Dessauer Paß ist der allen preuß. Veteranen wohlbekannte Graf Henckel von Donnersmarck, der seit einigen Jahren in Dessau lebt, bezeichnet worden als:„Herr Henckel im Auslande“ (nämlich in Preußen) genannt Graf Henckel von Donnersmark.“ Ferner berichtet sie über die dem Hrn. Harkort (wo bleiben die 800 Thlr.) gebrachten Katzenmusiken wie folgt: In Westphalen wurde der Abgeordnete Harkort bei einer Rundreise durch die Fabrikkreise von den Arbeitern überall auf das Festlichste begrüßt. In Herdecke wurde ihm eine Ehrenpforte erbaut, in Hagen ihm ein großes Festessen gegeben und ein Fackelzug gebracht. Eine solche Demonstration will etwas Anderes besagen, als der Bummlerzug zu Jakoby nach dem Hotel Mylius. Wie dies vortreffliche Blättchen Statistik fabrizirt, davon folgendes Pröbchen: „Folgendes ist eine Zusammenstellung der Steuern, welche die sechs größten Nationen der Erde bezahlen, auf den Kopf berechnet: Steuern im Ganzen. Bevölkerung. Steuern p. Kopf. England 1,700,000,000 Fr. 26,008,000 65 Fr. 36 C. Frankreich 1,250,000,000 Fr. 34,000,000 36 Fr. 76 C. Oestreich 430,000,000 Fr. 34,000,000 12 Fr. 65 C. Preußen 220,000,000 Fr. 13,000,000 16 Fr. 92 C. Rußland 480,000,000 Fr. 58,000,000 8 Fr. 28 C. Nordamerika 170,000,000 Fr. 13,000,000 13 Fr. 8 C. Abgesehen davon, daß Preußen hier zu den „sechs größten Nationen der Erde“ gerechnet wird, was ihm doch bisher nie passirt ist (die Engländer stellen bekanntlich in ihren Statistiken Preußen dicht hinter die Türkei und vor Portugal) so stellt sich hier heraus, daß Preußen nur 13 Mill. Einwohner haben soll (es hat bekanntlich 16 Mill.) und die Vereinigten Staaten ebenfalls nur 13 Mill., wo sie doch über 20 Mill. zählen. Daß in der N. Pr. Z. das preuß. Budget statt 100 Mill. Thaler nur 58 Mill. beträgt, ist freilich begreiflich; für dies Blättchen gelten nicht die Mittheilungen der Finanzkommission der Nat.- Vers., sondern nur die alten s. g. Finanzetats“ aus der Zeit des Vereinigten Landtags. Ferner meldet sie: Ein zu 6jähriger Zuchthausstrafe verurtheilter gefährlicher Dieb, Namens Blücher, ist aus dem Criminalgefängniß entsprungen. Ist das vielleicht ein Nachkomme des alten Schnapsblücher aus den Feldzügen von Anno dreizehn und ein Verwandter des Lieutenants Blücher, bekannt aus dem großartigen Feldzuge gegen die vereinbarten Sancho- Panzas des passiven Widerstandes? Berlin. Der königl. Preuß. Staatsanzeiger enthält in seinem Amtlichen Theil folgenden sonderbaren Artikel: „Charlottenburg, den 19. Febr. Se. Maj. der König und das ganze Königl. Haus sind durch die heute eingetroffene Nachricht von dem Ableben Sr. Kön. Hoh. des Prinzen Friedrich Wilhelm Waldemar von Preußen in tiefe Betrübniß versetzt worden. Se. Kön. Hoheit war seit mehreren Monaten in Münster, wohin die militärische Dienstpflicht Höchstdenselben als Commandeur der 13. Kavalleriebrigade geführt hatte, an einem rheumatischen Fieber erkrankt, in dessen Folgen sich eine Entzündung des Psoas- Muskels ausbildete, die sich aller ärztlichen Hülfe ungeachtet zu einem zerstörenden Absceß steigerte, bis am Sonnabend, den 17. d. M., Nachmittags gegen 4 Uhr, der Tod sanft erfolgte, dem Er standhaft und in christlicher Fassung entgegensah. Se. Kön. Hoheit der Prinz Wilhelm, Vater des hingeschiedenen Prinzen, weilte seit Monaten in unausgesetzter väterlicher Sorgfalt und Liebe am Krankenbette und war, wie auch Se. Königl. Hoh. Prinz Adalbert, der Bruder des Entschlafenen, beim Tode gegenwärtig. Der hochselige Prinz war am 2. August 1817 geboren und ist folglich in der Blüthe der Lebensjahre vom Tode ereilt worden. Ein reines Herz, der edelste Sinn und ein hohes Pflichtgefühl verband der verewigte Prinz mit der größten Anspruchslosigkeit, und als vor einigen Jahren ehrenwerthe Wißbegierde Ihn nach Indien führte, hatte Er Gelegenheit, bei einem Kampfe gegen die Sikhs in den Schlachten von Mudki, Ferozpur und Sobraon Sich durch Besonnenheit und Tapferkeit so auszuzeichnen, daß Ihm ein ehrenvolles Andenken bei Seinen Mitkämpfern in der engl. Armee gesichert bleibt. Der Todesfall wird daher um so schmerzlicher empfunden, weil der hingeschiedene Prinz, wenn es Ihm vergönnt gewesen wäre, die militärische Laufbahn fortzusetzen, dem Staate noch lange und ersprießliche Dienste zu leisten versprach.“ Man erinnert sich aus den damaligen engl. Blättern, daß der „hingeschiedene Prinz“ in der Schlacht von Sobraon das Prinzip verwirklichte: Weit davon ist gut für den Schuß. De mortuis nil nisi bene. 212 Berlin, 20. Febr. Wie ängstlich besorgt man in gewissen Kreisen ist, sich „des Lebens süße Gewohnheit“ zu erhalten und wie wenig man sich in denselben Kreisen der alt- absolutistischen Willkür noch entwöhnt hat, mag folgende wahre Begebenheit zeigen. Auf dem anhaltischen Bahnzuge befand sich vorgestern auch der von Weimar zurückkehrende Prinz Karl. Auf der Station Großbeeren wollte eine ebenfalls nach Berlin zurückkehrende Jagdgesellschaft, welche noch mit ihren Büchsen versehen war, in denselben Wagen einsteigen. Aber der Prinz, der sie wahrscheinlich für verkleidete Carbonaros oder Königsmörder hielt, fuhr sie heftig an und frug, was sie denn hier wollten. Die Jäger, ohne sich an die unhöfliche Manier des Prinzen zu kehren, stiegen ein. Der Prinz verlangte nun von den Bahnwärtern, sie sollten diese Passagiere zurückweisen; die Bahnbeamten weigerten sich aber natürlich, da die Jagdliebhaber die Billets richtig bezahlt hatten. Der Zug ging ab, während der Prinz in nicht eben seinen Worten seinem Grolle Luft machte. Hier am Bahnhofe angelangt, wurden die Jäger, theils weil sie bewaffnet waren, theils auf Anlaß des Prinzen sämmtlich verhaftet und nach der Kommandantur gebracht. Dort aber wurden sie, da sie sich alle als ruheliebende Berliner Bürger legitimiren konnten: sofort entlassen und beabsichtigen nun gegen den Prinzen, wegen dessen verletzender Reden, Beschwerde zu führen. Als interessanter Beitrag zur Kenntniß der hiesigen gewerblichen Verhältnisse und der Stimmung unter den hiesigen Arbeitern, theilen wir nachstehenden Aufruf der hiesigen Kattundrucker mit, wenn wir auch natürlich mit den Konklusionen desselben gegen die Anwendung von Maschinen keineswegs übereinstimmen. Das Aktenstück ist jedenfalls eine Stimme aus dem Volke, die gehört zu werden verdient. „An unsere Mitbürger!“ Es ist eine leichte und schöne Sache, wenn man den Arbeitern Ruhe und Ordnung predigen will durch Zeitungen und Belagerungszustände; eine andere Frage aber ist es, ob der Arbeiter durch Zeitungen und Belagerungszustand Arbeit und Brod findet. Ihr sagt uns, Ruhe und Ordnung giebt Brod und Arbeit ‒ wir sagen Euch, Brod und Arbeit geben Ruhe und Ordnung. Wir haben Ruhe und Ordnung gehabt lange Jahre und haben gearbeitet wie die Maschinen; aber die Maschinen, die kein Brod essen und des Nachts nicht schlafen, haben noch mehr gearbeitet, und wir wurden überflüssig und brodlos; die Fabriken wurden immer größer und schöner, unsere Wohnungen immer kleiner und dürftiger; die Maschinen liefern Zeug genug, um die Erde damit zu bedecken und unsere Weiber und Kinder haben nicht, ihre Blöße zu decken. Wir haben gebeten und gebettelt lange Jahre, wo die Revolutionen noch nicht Mode waren, von Herodes zu Pilatus ‒ beim Magistrat und bei den Ministern; selbst bei Sr. Majestät dem jetzt regierenden Könige in Sansouci, und haben keine Hülfe gefunden für unsere Noth und Arbeitslosigkeit. Am 8. April v. J. haben wir mit unsern Fabrikherren einen Vertrag geschlossen, den sie aber hinterdrein nicht gehalten haben. Deshalb wurde am 26. Oktober von 4 Druckern, 4 Fabrikanten und 4 Vertrauensmännern eine Commission gebildet, welche unter dem Vorsitze des Ministerial- Direktors Herrn v. Pommer- Esche im Handelsministerium diese Sache in Ordnung bringen sollten. Die Fabrikherren sagten aber, sie allein könnten uns nicht helfen, wenn die andern Fabrikanten im Zollverein es nicht wollten. Deshalb wurde ein Congreß zum Januar d. J. nach Leipzig beschlossen, und ebenso bestimmt, daß 70 unbeschäftigte Drucker außer den zur Zeit in Arbeit stehenden neben der Maschine mit Handdruck beschäftigt werden sollten. Der Congreß in Leipzig wurde von Fabrikanten und Druckern zahlreich beschickt; nach dreißigstündiger Verhandlung aber die Forderungen der nothleidenden Drucker mit hohnlächelnder Miene zurückgewiesen. Jetzt nahet der 1. März und die Drucker werden wieder entlassen. Zwar verspricht man dieselben als Arbeitsleute in der Fabrik zu beschäftigen; würde dies aber die Sache ändern, würden nicht dadurch eben so viel Menschen ins Elend gejagt? Wir fordern die Arbeit nicht blos für uns und um andere zu verdrängen, sondern wir verlangen Hülfe und Arbeit für alle Bedrängte und Arbeitslose. Die neue Gewerbeordnung verbietet den Arbeitsleuten als Handwerker zu arbeiten ‒ soll nun der Handwerker als Arbeitsmann arbeiten und diese verdrängen? Wenn aber das Arbeiten oder Broderwerben überhaupt verboten werden kann, so verlangen wir vorher, daß eiserne Arbeiter, die nicht essen und nicht schlafen, die Maschinen, erst dann arbeiten dürfen, wenn die Arbeiter alle beschäftigt sind, die Brod essen, die Weib und Kind ernähren müssen, und dem Könige ihre Steuern zahlen. Wir wissen wohl, Ihr zuckt wieder die Achseln und trommelt Generalmarsch wenn wir die eisernen Arbeiter aus der Werkstatt werfen, aber woher nehmen wir Brod; Berlin, 19. Februar 1849. Im Namen der hiesigen Kattundrucker. Das Komite. Posen, 16. Febr. Von der polnischen Grenze schreibt man, daß ein aus Frankreich auf Grund eines russischen Amnestiedekrets zurückkehrender Emigrant, der Pfarrer Jastrzybski aus Lublin sofort von den Kosaken verhaftet und nach Kalisch abgeführt worden ist, obgleich ein polnisch- preußischer Gutsbesitzer ihn noch ausdrücklich begleitete und die vollständigen Legitimationen bei sich führte. Man macht aus diesem Verfahren Schlüsse auf die Verhältnisse der sonst freundnachbarlichen Regierungen. Aus Krakau treffen täglich Nachrichten ein, die Besorgnisse über bevorstehende Bewegungen ausdrücken. Das Rekrutirungspatent und die Anfälle der Soldaten auf ruhige Bürger haben die Polen aufs Aeußerste erbittert. Die Bauern im Krakauer Kreise wollen die Rekrutirungskommission mit Sensen und Dreschflegeln empfangen. In Chrzanow ist es deshalb bereits zum Kampf gekommen. Täglich fast gehen aus Krakau kleine Militärdetaschements an Orte ab, wo die Ungarn eingefallen sein sollen. Wegen dieser Bewegungen hat man den Rekrutirungstermin auf den 5. März verschoben. Auch in Lemberg scheint es zu gähren. Die Oestreicher haben sich hier und in der Umgegend genöthigt gesehen den Landsturm gegen die Ungarn zu organisiren. Dazu hat man jedoch nur der Bauern sich bedient. Nun verlangt der Adel, daß man ihn auch dazu verwende. Dessen weigern sich die Oesterreicher und sagen offen, sie wollten den Wolf nicht in die Schaafheerden lassen. Die Lemberger Schulen sind geschlossen, weil die Schüler sich deutsch und ruthenisch zu lernen weigerten und Tumulte ausführten. Die ältesten derselben hat man sofort bei den Truppen eingestellt. Hier in Posen ist es sehr ruhig; eine große Anzahl Polen hat sich mit ihren Familien nach Breslau hingezogen, um Oestreich näher zu sein, und die polnischen Studenten in Breslau, die sehr zahlreich sind, verfolgen die Bewegungen jenseits sehr aufmerksam. Die östreichische Note hat unter allen Deutschen tiefe Entrüstung, bei den Polen eine Art Genugthuung hervorgebracht. Die Gazeta äußert sich darüber sehr weitläufig und schließt also: „In unbegrenzten Linien einer weiten Ferne schwebt für Oestreich ein nebelhaftes, ungeheueres, mächtiges, drohendes Deutschland, in welchem alle Nationalitäten Platz finden! O ihr beglückten, tausendfach beglückten Slaven! seht! Euer großmüthiger Kaiser, der in Olmütz drei Professoren auf einmal erlaubt hat tschechisch zu lehren, der mit eurer Hülfe die deutsche Hauptstadt seines Reichs gedemüthigt, Italien in Schach gehalten, Ungarn erdrückt hat, wirft euch nun, zum Lohn für euer vergossenes Blut, für gehaltene Treue, für den Sieg über die Märzrevolution dem auseinanderklaffenden Deutschland entgegen! o ihr tausendfach beglückten Barbaren!“ ‒ „Doch wie werden euch, ihr freiheitsneidende Söhne Germaniens, die 600,000 Bajonette schmecken, mit denen man Wien demüthigte, Italien in Knechtschaft hielt, Ungarn und Polen mordete? Wahr

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Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 2 (Nummer 184 bis Nummer 301) Köln, 1. Januar 1849 bis 19. Mai 1849. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




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Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 229. Köln, 23. Februar 1849, S. 1258. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz229_1849/2>, abgerufen am 29.03.2024.