Neue Rheinische Zeitung. Nr. 214. Köln, 6. Februar 1849.Neue Rheinische Zeitung Organ der Demokratie. No 214. Köln, Dienstag den 6. Februar. Uebersicht. Deutschland. Bonn. (Drei konstitutionelle Kandidaten.) Düsseldorf. (Die Oppositions-Kandidaten. -- Wesendonk.) Vom Rhein. (Der Fürst zu Wied.) Münster. (Ein neuer Bescheid Rinteleus.) Berlin. (Meusebach, Rodbertus. -- Hansemann's Zeitungsspekulation.) Liegnitz. (Wahlumtriebe. -- Ein schwarz-weißer Redner. -- Denunziationen. -- Die Militär-Excesse.) Dresden. (Der "souveräne Unverstand.") Hamburg. (Die Grundrechte. -- Die Demokratie. -- Die Schulfrage.) Wiesbaden. (Kreuzritterliche Besorgniß.) Frankfurt. (National-Versammlung.) Ungarn. (19. Armeebülletin nebst Clossen.) Italien. Rom. (Karl Albert an den Pabst. -- Spanische Schiffe bei Civita-Vecchia.) Gaeta. (Einladung an das Kardinalskollegium.) Venedig. (Pasini in Paris.) Modena. (Die Gehälter vermindert, die Steuern erhöht) Franz. Republik. Paris. (Keine Amnestie. -- Vermischtes. -- National-Versammlung.) Großbritannien. London. (Parlament. -- Der Northern Star über die Session.) Manchester. (Das Freihandels-Bankett.) Rußland. Moskau. (Der neue Kreml.) Deutschland. X Bonn, 4. Februar. Die Herren Professoren Walter und Jakob Nelsen wollen durchaus Deputirte werden. Sie möchten zu diesem Zwecke Himmel und Erde in Bewegung setzen. Sie greifen zu Mitteln, die bei solchen Herren "Konstitutionellen" jetzt nicht mehr auffallen; denn sie haben uns unter Anleitung der Harkort und Meusebach und der "Galgenzeitungen" an der Spree, Wupper und in der Breitestraße zu Köln bereits an Unglaubliches gewöhnt. Beide obigen Herren haben einen Mann für 8 Thaler angeworben, der an jeden Wahlmann im ganzen Siegkreise eine gedruckte Empfehlung in Großfolio herumtragen muß. Mit der schönsten Sirenenstimme werden in dem Schreiben die Urwähler angelockt, doch ja bei ihres Leibes und Lebens Seeligkeit für -- Herrn Professor Walter in Bonn, G. Bleibtreu auf der Hard im Siegkreise und J. Nelsen in Bonn am 5. Februar aus der Wahlurne hervorspringen zu lassen. Der Herumträger muß von jedem Wahlmann eine Empfangsbescheinigung bringen, weil sie nicht trauen, daß er die 8 Thlr. einstreiche, ohne sämmtliche Wahlmänner mit der Selbstempfehlung der 3 Herren beglückt zu haben. 15 Düsseldorf, 2. Februar- Heute hielten unsere demokratischen Wahlmänner ihre letzte Vorversammlung. Es hatten sich dazu eine Anzahl Vertrauensmänner der Elberfelder Wahlmänner eingefunden und einigte man sich nach längerer und sehr lebhafter Debatte auf folgende Kandidaten: 1) Elberding, Arbeiter, von Elberfeld. 2) Riothe, Landgerichtsassesior, von Elberfeld. 3) Bloem, Advokat. 4) Bredt, Regierungsassessor. Sie werden sich wundern über diese heterogene Zusammenstellung; dieselbe ist auch erst nach längerer Kapitulation zwischen den einzelnen Wahlerben zu Stande gekommen. Von allen vier Kandidaten ist wohl der erste der radikalste, dafür zeugt seine Vergangenheit. Er war längere Zeit in Paris, nahm dann an der republikanischen Schilderhebung in Baden unter Hecker Theil, und war zuletzt Freischärler in Schleswig-Holstein. Riothe, früher Direktor der märkisch-bergischen Bahn, und von der Wupperthaler Bourgeoisie aus diesem Posten verdrängt, ist einer der Redner des Elberfelder politischen oppositionellen Klubs. Bloem war bekanntlich Mitglied der verblichenen Vereinbarerversammlung, wie auch der Letztere, Hr. Bredt, der sich durch seine diplomatisch feinen Erklärungen über den von ihm mitgefaßten Steuerverweigerungsbeschluß, eine etwas zweideutige Notorietät erwarb. Er ist nur deswegen auf die Liste gekommen, weil seine Vaterstadt Barmen und der Landkreis Elberfeld darauf bestanden, und man diese Konzession machen mußte, wenn man den Sieg für die andern drei Kandidaten sichern wollte. Unsere Demokraten haben sich wieder einmal von den feinen Wupperthalern über's Ohr hauen lassen. Die Geld- und Säbelaristokratie geht hier wie überall Hand in Hand, und verfolgt mit wahrhaftem Fanatismus alles, was nur im Entferntesten im Geruche der Demokratie steht. So wurden vor einiger Zeit von einem hiesigen Bankhause seine ältesten Kommis entlassen, Leute, die schon 10 und noch mehrere Jahre in dem Geschäfte waren, angeblich, weil das Geschäft verkleinert werden sollte, in der That aber, weil dieselben bei den Wahlen zur zweiten Kammer mit den Demokraten gestimmt hatten. So wurden gestern ein Wachtmeister und mehrere Unteroffiziere des hier garnisonirenden Ulanenregiments vom Dienste suspendirt, weil sie im Geruche demokratischer Gesinnung standen; der Wachtmeister vorzüglich deshalb, weil er bei der Wahl zur zweiten Kammer von den Demokraten als Wahlmann einem strohköpfigen Junker gegenüber gestellt worden war, und trotz der früher sehr sorgfältig abdestillirten Wahl beinahe die Majorität erhalten hätte. Ein Unteroffizier von der Artillerie hatte dasselbe Schicksal. Einem anderen Wachtmeister von den Ulanen wurde ein strenger Verweis zu Theil, weil er in einem Bierhause die "Neue Rheinische Zeitung" und namentlich den Brief Lasalle's an den Instruktionsrichter gelesen hatte, und dieses Verbrechen von einem schwarzweißen Spion den Manteuffel'schen Vollziehungswerkzeugen denuncirt worden war. Ich hatte Gelegenheit, an verschiedenen öffentlichen Orten von Militärs aller Waffengattungen ein solches Verfahren laut und entschieden mißbilligen zu hören. Der edle v. Faldern, durch sein erstes glänzendes Fiasko auf dem Gebiete der Politik, nicht entmuthigt, hat sich nun ein anderes Feld seiner Thätigkeit gesucht. Er hat sich auf die sociale Frage geworfen. Man höre: Seit uralter Zeit ist es nämlich hier Sitte, daß an einem bestimmten Tage, zu einer bestimmten Stunde unsere Stadtarmen von verschiedenen Mitbürgern Almosen empfangen. Dieses sollte heute morgen an einem Hause der Alleestraße geschehen, und hatten sich deshalb vor demselben mehrere Kinder, Weiber und Greise versammelt. Herr v. Faldern, Kraft seiner unumschränkten Gewalt als Polizeiminister, fordert die Unglücklichen auf, das Haus zu verlassen, und als ihm natürlich hierin nicht gewillfahret wird, rennt der edle Menschenfreund spornstreichs nach der Kaserne und erscheint mit einer ganzen Kompagnie Vaterlandsvertheidiger, die sich ein neues Blatt in den Kranz ihres Ruhmes flechten, indem sie mit gefälltem Bajonette die 10 bis 12 Weiber und Greise aus der Allee vertreiben. * Düsseldorf, 4. Jan. Von Seiten der ehemaligen "demokratischen Monarchie" kommt uns eine Berichtigung unseres vorgestrigen [unleserliches Material] Artikels aus Düsseldorf über Hrn. Wesendonk zu. Die Berichtigung berichtigt eigentlich nichts, als daß Hr. Wesendonk keineswegs zur Zeit des Vorparlaments als Republikaner aufgetreten und dann zur demokratischen Monarchie zurückgekehrt sei. Im Uebrigen bestätigt sie den von ihr als "Verdächtigung" bezeichneten Artikel. Wir protestiren zuerst gegen diese Bezeichnung. Die Herren Wahlkandidaten sind der öffentlichen Kritik unterworfen, und wenn man von diesem Recht Gebrauch macht, so kann bloß verletzte Eitelkeit darin eine Verdächtigung sehen. Wir werfen Hrn. Wesendonk vor, daß er mit großem Gepolter in Frankfurt den Antrag gemacht hat, die oktroyirte Verfassung für null und nichtig zu erklären und daß er jetzt noch nicht zwei Monate nachher, sie anerkennen will. Die "Berichtigung" vertheidigt diese Schwenkung dadurch, daß ja das Volk durch die Urwahlen selbst schon die Oktroyirte sammt 1. und 2. Kammer anerkannt habe -- Logik der Kölnischen Zeitung und der plattesten Advokaten-Beschönigung. Sie verlangt ferner, wir sollen keinen Zwiespalt ins eigene Lager werfen -- d. h. die sogenannten demokratischen Kandidaten ohne Weiteres acceptiren und uns aller Kritik über sie enthalten. Wir konnten im Parteiinteresse einige Rücksicht nehmen bis zu dem Augenblick, wo die Phrase von der Anerkennung des Staatsstreichs vom 5. Dezbr. endlich von verschiedenen angeblich demokratischen Kandidaten ausgesprochen wurde. Von dem Augenblick an haben wir sämmtliche s. g. demokratische Kandidaten angegriffen, die diese Phrase acceptirten, aus dem einfachen Grunde, weil wir mit diesen Herren keineswegs in demselben "Lager" sind. Wir erfahren ferner aus Düsseldorf, daß die Konstitutionellen bis jetzt 2 Gegenkandidaten aufgestellt haben: die Herren Minister v. d. Heydt und Dr. Claesen von Köln. Ihre Aussichten sollen freilich schwach sein. 12 Vom Rhein, 3. Febr. In der gestrigen Nummer der "Köln. Ztg." will eine ostrheinische Korrespondenz aller Welt die Herrlichkeit des Fürsten zu Wied verkünden. Nicht allein, daß der Fürst für die zweite und erste Kammer Wahlmann wurde: er hat auch den Versammlungen des konstitutionellen (?) Vereins zu Neuwied unausgesetzt beigewohnt, und "schon vor den Märzereignissen unzweideutige Proben abgelegt, daß er den Sinn seiner Zeit richtig aufgefaßt habe". Dank der Märzrevolution, daß die freie Presse die Machwerke feiler Publicität an das Licht der Oeffentlichkeit ziehen kann. Wir haben noch Niemand die Freude mißgönnt, wenn er, übernommen von seiner Kleinheit, vor der Größe eines Duodez-Standesherrchens, am Speichel seines Fetisch's sich ergötzte. Wenn man aber, der öffentlichen Meinung zum Hohne, Dinge in die Welt schicken will, die jedem Sachkundigen wie Ironie klingen müssen, so fühlen wir uns veranlaßt, dem Korrespondenten, der für die vormärzliche Charakteristik seines Fetisch's den Beweis vergessen, hier etwas nachzuhelfen. Wir wissen nur, daß der Fürst zu Wied in den zahlreichen Kasten, in welche die Bevölkerung Neuwieds zerfällt ist, wegen seines fabelhaft abgeschlossenen Wesens, seines verknöcherten, oft possirlich erscheinenden Aristokratismus, je nach der Kaste, bald behuldigt, bald belächelt wird. Ueber die vormärzliche Popularität des Exstandesherrn zu Wied mag die Sympathie der Bürger Neuwieds entscheiden, für welche wir ad notam des ostrhein. Korrespondenten, nur eine einfache, aber deutlich genug sprechende Thatsache anführen wollen. Im Jahre 1843 wurde von einer Aktiengesellschaft zu Neuwied die Kunststraße von dort nach Dierdorf gebaut. Als der Bau seiner Vollendung nahte, wandte sich der Fürst, "der den Sinn seiner Zeit richtig aufgefaßt", an den königl. Finanzminister mit der Bitte, daß die Schlagbäume, Pfosten etc. der neuen Straße, weil diese innerhalb der Gränzen des mediatisirten Gebietes verlaufe, in die Farben seines Hauses gekleidet werden möchten. Der Bescheid darauf (unterz. v. Beuth) lautete, daß bei dieser Privat-Chaussee die desfallsige Beschlußnahme der Aktiengesellschaft überlassen bleiben müsse. In einer Generalversammlung der Aktionäre (aus dem Kern des Bürgerstandes) wurde nun der Wunsch des bescheidenen Fürsten vorgebracht, um -- mit großem Applaus durchzufallen. Bei dieser Gelegenheit zeigte der Herr Fürst nebenbei eine eben nicht große Sympathie für seinen preußischen Landesherrn; denn nach Verwerfung der fürstlich wiedischen "Hausfarbe" versuchten seine Sachwalter, die Gesellschaft dahin zu bestimmen, daß sie die Schlagbäume etc. doch wenigstens nicht schwarz-weiß, sondern lieber in gar keine Farbe kleiden lassen möge; -- vergebliche Mühe: schwarz-weiß, sprach die Nemesis, und von Neuwied bis Dierdorf kann sich Niemand an den Hausfarben des Fürsten erbauen. Doch eine Revange am tückischen Schicksal konnte sich der Mann der Zeit nicht versagen: In der Nähe der Gemeinden erschienen Wegweiser, die weithin in strahlenden Farben den Glanz des Hauses Wied verkündeten! 105 Münster, 3. Febr. Gestern theilte ich eine Probe juristischen Scharfsinns des hiesigen Gerichts mit, heute habe ich die Ehre, den königl. preußischen Justizminister Rintelen, Excellenz, in Lebensgröße vorzuführen. "Auf die von Ihnen und Ihren Mitbeschuldigten unterm 5. d. M. eingereichte, das Perhorrescenzgesuch gegen den Kriminalsenat des Ober-Landesgerichts zu Münster betreffende Vorstellung, und auf Ihr wiederholtes Gesuch vom 15. d. M. wird Ihnen eröffnet, daß der Justizminister in Ermangelung gesetzlicher Gründe sich nicht veranlaßt finden kann, dem Kriminalsenat des vorgedachten Ober-Landesgerichts, als dem, wegen der Betheiligung angeklagter richterlicher Personen, kompetenten Richter, die Abfassung des Urtels erster Instanz in der wider Sie anhängigen Untersuchungssache zu entziehen. "Wie Ihnen bereits durch die unterm 3. d. M. an den Mitangeklagten, Justizkommissar Gierse, erlassene Bescheidung eröffnet worden, ist die generelle Recusation des dortigen Ober-Landersgerichts nach § 47 flg. der Kriminalordnung nicht zulässig. Was aber die speziellen Recusationsgründe gegen einzelne Mitglieder des Ober-Landesgerichts zu Münster anlangt, so betreffen diese zum größten Theile Mitglieder des ersten Senats, und die gegen einige wenige Mitglieder des zweiten Senats vorgebrachten Perhorrescenzgründe können gesetzlich nur die Folge haben, daß diese Mitglieder sich der Theilnahme bei Abfassung des Urthe[il]s (§§ 94 u. 95 der Kriminalordnung, § 143 ff., Tit. 2, Thl. 1 des allg. Landrechts) zu enthalten haben werden. Berlin, den 28. Januar 1849. Der Justizminister, Rintelen. An die königl. Justizkommissarien HH. Justizrath Gronweg, Gierse und Genossen, im Untersuchungsarrest zu Münster. Der erste Senat des Ober-Landesgerichts Münster besteht aus Tüshaus, Detten, v. Druffel, Sethe und Freusberg, macht also fünf, davon sind einige wenige, wie Excellenz Rintelen sehr scharfsinnig bemerkt, perhorrescirt, nämlich Tüshaus, als weggelaufener Abgeordneter durch den Kongreß persönlich beleidigt. Detten als Mitglied des katholischen Vereins und Druffel als persönlicher Feind des Inkulpaten Gierse, macht also drei, bleiben Summa Summarum zwei übrig. Wenn von fünf Mitgliedern drei, also die größte Hälfte perhorrescirt werden, dann schämt sich der erste preußische Richter nicht, zu sagen: "einige wenige." Wahrlich der Tag ist nicht fern, wo Gericht gehalten werden wird über alle, die den Anstand und das Gesetz so höhnend verletzen. Und bei solchen Thatsachen behauptet Hr. Rinteln, Hr Temme täusche sich ob seiner im letzten Briefe ad 3 angegebenen Vermuthung. Wer wollte läugnen, daß dem Perhorrescenzgesuch nicht nachgegeben wird, weil das Ober-Landesgericht Paderborn sich nicht willfährig genug gegen Temme gezeigt. Temme ist frei! Der Assessor Moellenhof, der Stadtrath Zumloh und 154 Andere gehen spazieren!! Die decimirten Dezember-Gefangenen bleiben noch immer im Zuchthause, so ruft täglich die hiesige Westfälische Volkshalle. X Berlin, 3. Februar. Dem Verdienste seine Kronen! Es ist nicht zu leugnen, daß zu den vorzüglichen Polterern und Tramplern der aufgelösten National-Versammlung der damalige Assessor von Mäusebach gehörte. Er war einer derjenigen, welche am meisten Beharrlichkeit und Energie in Unterbrechung der Redner der Linken entwickelten. Ebenso gehörte er auch zu denen, welche am frechsten und schroffsten allen volksthümlichen Bestrebungen innerhalb der National-Versammlung entgegentraten. Zu diesen parlamentarischen Verdiensten gesellte sich noch das der Gründung der Parlamentskorrespondenz, in welcher Mäusebach namentlich das Departement der gemeinen Schmähungen gegen die Mitglieder der Linken übernommen hatte, und dabei sogar poetische oder wenigstens Versschmieder-Talente entwickelte. Zur Belohnung aller dieser Verdienste ist nun Herr v. Mäusebach nicht allein zum Regierungsrath, sondern auch zum Chef des unter dem Staatsministerio stehenden "literarischen Kabinets" ernannt worden, für welchen Posten er um so geeigneter ist, als er schon unter Hrn. v. Rochow Mitarbeiter des bekannten "Berichtigungs-Büreau" war. In seiner neuen Stellung nun, lenkt Herr v. Mäusebach seine Aufmerksamkeit namentlich auf die Provinzialpresse, und zwar sucht er nicht allein durch Emmissäre in den Provinzen Organe um jeden Preis für die Regierung zu gewinnen, sondern er hat auch die Gründung einer 3mal wöchentlich erscheinenden "Provinzial-Korrespondenz" veranlaßt, welche ganz nach dem Muster der Pariser Bureaux de l'esprit public die Provinzialpresse mit Artikeln und Nachrichten im Sinne der Regierung versehen soll. Dieselbe wird während der Monate Februar und März gratis und franco versandt werden und ihre Benutzung während dieser Zeit verpflichtet nicht zum späteren Abonnment, dessen Preis nachher auf nur 10 Sgr. vierteljährlich festgesetzt ist. In den uns vorliegenden ersten Nummern wird dieselbe zwar als "von einem Verein hiesiger Literaten ausgehend" bezeichnet; wir können aber auf das Bestimmteste versichern, daß die Mittel dazu von der Regierung herrühren. Auch leitet derselbe, nach wie vor, die "Parlamentscorrespondenz" und dies erklärt hinlänglich die derselben zu Theil gewordene besondere Vergünstigung, daß sie als Zeitung von der Post betrachtet und demnach gegen eine geringe Vergütigung überallhin versandt wird. Ebenso steht Herr v. M. auch an der Spitze des berüchtigten "Vereins zur Wahrung der Interessen der Provinzen", von welchem die famosen "Enthüllungen" ausgehen. Bei diesen Bestrebungen steht ihm namentlich der Redakteur des Feuilletons der "Neuen Preußischen Zeitung" als Secretär des Vereins zur Seite. Es ist dies ein gewisser Hermann Gödsche, der seiner frühern Stellung als Postsekretär in Düsseldorf nicht eben mit Ehren enthoben ward, weil er dieselbe dazu benutzt hatte, an verschiedene Zeitungen Correspondenzanträge zu stellen, und ihnen den reaktionären Inhalt derselben dadurch annehmbarer zu machen, daß er sie ihnen auf Kosten der Steuerpflichtigen portofrei zusandte; der Preis war 10 Sgr. per Stück. -- Der erste größere Wahlbezirk hat gestern beim Ministerium Neue Rheinische Zeitung Organ der Demokratie. No 214. Köln, Dienstag den 6. Februar. Uebersicht. Deutschland. Bonn. (Drei konstitutionelle Kandidaten.) Düsseldorf. (Die Oppositions-Kandidaten. — Wesendonk.) Vom Rhein. (Der Fürst zu Wied.) Münster. (Ein neuer Bescheid Rinteleus.) Berlin. (Meusebach, Rodbertus. — Hansemann's Zeitungsspekulation.) Liegnitz. (Wahlumtriebe. — Ein schwarz-weißer Redner. — Denunziationen. — Die Militär-Excesse.) Dresden. (Der „souveräne Unverstand.“) Hamburg. (Die Grundrechte. — Die Demokratie. — Die Schulfrage.) Wiesbaden. (Kreuzritterliche Besorgniß.) Frankfurt. (National-Versammlung.) Ungarn. (19. Armeebülletin nebst Clossen.) Italien. Rom. (Karl Albert an den Pabst. — Spanische Schiffe bei Civita-Vecchia.) Gaeta. (Einladung an das Kardinalskollegium.) Venedig. (Pasini in Paris.) Modena. (Die Gehälter vermindert, die Steuern erhöht) Franz. Republik. Paris. (Keine Amnestie. — Vermischtes. — National-Versammlung.) Großbritannien. London. (Parlament. — Der Northern Star über die Session.) Manchester. (Das Freihandels-Bankett.) Rußland. Moskau. (Der neue Kreml.) Deutschland. X Bonn, 4. Februar. Die Herren Professoren Walter und Jakob Nelsen wollen durchaus Deputirte werden. Sie möchten zu diesem Zwecke Himmel und Erde in Bewegung setzen. Sie greifen zu Mitteln, die bei solchen Herren „Konstitutionellen“ jetzt nicht mehr auffallen; denn sie haben uns unter Anleitung der Harkort und Meusebach und der „Galgenzeitungen“ an der Spree, Wupper und in der Breitestraße zu Köln bereits an Unglaubliches gewöhnt. Beide obigen Herren haben einen Mann für 8 Thaler angeworben, der an jeden Wahlmann im ganzen Siegkreise eine gedruckte Empfehlung in Großfolio herumtragen muß. Mit der schönsten Sirenenstimme werden in dem Schreiben die Urwähler angelockt, doch ja bei ihres Leibes und Lebens Seeligkeit für — Herrn Professor Walter in Bonn, G. Bleibtreu auf der Hard im Siegkreise und J. Nelsen in Bonn am 5. Februar aus der Wahlurne hervorspringen zu lassen. Der Herumträger muß von jedem Wahlmann eine Empfangsbescheinigung bringen, weil sie nicht trauen, daß er die 8 Thlr. einstreiche, ohne sämmtliche Wahlmänner mit der Selbstempfehlung der 3 Herren beglückt zu haben. 15 Düsseldorf, 2. Februar- Heute hielten unsere demokratischen Wahlmänner ihre letzte Vorversammlung. Es hatten sich dazu eine Anzahl Vertrauensmänner der Elberfelder Wahlmänner eingefunden und einigte man sich nach längerer und sehr lebhafter Debatte auf folgende Kandidaten: 1) Elberding, Arbeiter, von Elberfeld. 2) Riothe, Landgerichtsassesior, von Elberfeld. 3) Bloem, Advokat. 4) Bredt, Regierungsassessor. Sie werden sich wundern über diese heterogene Zusammenstellung; dieselbe ist auch erst nach längerer Kapitulation zwischen den einzelnen Wahlerben zu Stande gekommen. Von allen vier Kandidaten ist wohl der erste der radikalste, dafür zeugt seine Vergangenheit. Er war längere Zeit in Paris, nahm dann an der republikanischen Schilderhebung in Baden unter Hecker Theil, und war zuletzt Freischärler in Schleswig-Holstein. Riothe, früher Direktor der märkisch-bergischen Bahn, und von der Wupperthaler Bourgeoisie aus diesem Posten verdrängt, ist einer der Redner des Elberfelder politischen oppositionellen Klubs. Bloem war bekanntlich Mitglied der verblichenen Vereinbarerversammlung, wie auch der Letztere, Hr. Bredt, der sich durch seine diplomatisch feinen Erklärungen über den von ihm mitgefaßten Steuerverweigerungsbeschluß, eine etwas zweideutige Notorietät erwarb. Er ist nur deswegen auf die Liste gekommen, weil seine Vaterstadt Barmen und der Landkreis Elberfeld darauf bestanden, und man diese Konzession machen mußte, wenn man den Sieg für die andern drei Kandidaten sichern wollte. Unsere Demokraten haben sich wieder einmal von den feinen Wupperthalern über's Ohr hauen lassen. Die Geld- und Säbelaristokratie geht hier wie überall Hand in Hand, und verfolgt mit wahrhaftem Fanatismus alles, was nur im Entferntesten im Geruche der Demokratie steht. So wurden vor einiger Zeit von einem hiesigen Bankhause seine ältesten Kommis entlassen, Leute, die schon 10 und noch mehrere Jahre in dem Geschäfte waren, angeblich, weil das Geschäft verkleinert werden sollte, in der That aber, weil dieselben bei den Wahlen zur zweiten Kammer mit den Demokraten gestimmt hatten. So wurden gestern ein Wachtmeister und mehrere Unteroffiziere des hier garnisonirenden Ulanenregiments vom Dienste suspendirt, weil sie im Geruche demokratischer Gesinnung standen; der Wachtmeister vorzüglich deshalb, weil er bei der Wahl zur zweiten Kammer von den Demokraten als Wahlmann einem strohköpfigen Junker gegenüber gestellt worden war, und trotz der früher sehr sorgfältig abdestillirten Wahl beinahe die Majorität erhalten hätte. Ein Unteroffizier von der Artillerie hatte dasselbe Schicksal. Einem anderen Wachtmeister von den Ulanen wurde ein strenger Verweis zu Theil, weil er in einem Bierhause die „Neue Rheinische Zeitung“ und namentlich den Brief Lasalle's an den Instruktionsrichter gelesen hatte, und dieses Verbrechen von einem schwarzweißen Spion den Manteuffel'schen Vollziehungswerkzeugen denuncirt worden war. Ich hatte Gelegenheit, an verschiedenen öffentlichen Orten von Militärs aller Waffengattungen ein solches Verfahren laut und entschieden mißbilligen zu hören. Der edle v. Faldern, durch sein erstes glänzendes Fiasko auf dem Gebiete der Politik, nicht entmuthigt, hat sich nun ein anderes Feld seiner Thätigkeit gesucht. Er hat sich auf die sociale Frage geworfen. Man höre: Seit uralter Zeit ist es nämlich hier Sitte, daß an einem bestimmten Tage, zu einer bestimmten Stunde unsere Stadtarmen von verschiedenen Mitbürgern Almosen empfangen. Dieses sollte heute morgen an einem Hause der Alleestraße geschehen, und hatten sich deshalb vor demselben mehrere Kinder, Weiber und Greise versammelt. Herr v. Faldern, Kraft seiner unumschränkten Gewalt als Polizeiminister, fordert die Unglücklichen auf, das Haus zu verlassen, und als ihm natürlich hierin nicht gewillfahret wird, rennt der edle Menschenfreund spornstreichs nach der Kaserne und erscheint mit einer ganzen Kompagnie Vaterlandsvertheidiger, die sich ein neues Blatt in den Kranz ihres Ruhmes flechten, indem sie mit gefälltem Bajonette die 10 bis 12 Weiber und Greise aus der Allee vertreiben. * Düsseldorf, 4. Jan. Von Seiten der ehemaligen „demokratischen Monarchie“ kommt uns eine Berichtigung unseres vorgestrigen [unleserliches Material] Artikels aus Düsseldorf über Hrn. Wesendonk zu. Die Berichtigung berichtigt eigentlich nichts, als daß Hr. Wesendonk keineswegs zur Zeit des Vorparlaments als Republikaner aufgetreten und dann zur demokratischen Monarchie zurückgekehrt sei. Im Uebrigen bestätigt sie den von ihr als „Verdächtigung“ bezeichneten Artikel. Wir protestiren zuerst gegen diese Bezeichnung. Die Herren Wahlkandidaten sind der öffentlichen Kritik unterworfen, und wenn man von diesem Recht Gebrauch macht, so kann bloß verletzte Eitelkeit darin eine Verdächtigung sehen. Wir werfen Hrn. Wesendonk vor, daß er mit großem Gepolter in Frankfurt den Antrag gemacht hat, die oktroyirte Verfassung für null und nichtig zu erklären und daß er jetzt noch nicht zwei Monate nachher, sie anerkennen will. Die „Berichtigung“ vertheidigt diese Schwenkung dadurch, daß ja das Volk durch die Urwahlen selbst schon die Oktroyirte sammt 1. und 2. Kammer anerkannt habe — Logik der Kölnischen Zeitung und der plattesten Advokaten-Beschönigung. Sie verlangt ferner, wir sollen keinen Zwiespalt ins eigene Lager werfen — d. h. die sogenannten demokratischen Kandidaten ohne Weiteres acceptiren und uns aller Kritik über sie enthalten. Wir konnten im Parteiinteresse einige Rücksicht nehmen bis zu dem Augenblick, wo die Phrase von der Anerkennung des Staatsstreichs vom 5. Dezbr. endlich von verschiedenen angeblich demokratischen Kandidaten ausgesprochen wurde. Von dem Augenblick an haben wir sämmtliche s. g. demokratische Kandidaten angegriffen, die diese Phrase acceptirten, aus dem einfachen Grunde, weil wir mit diesen Herren keineswegs in demselben „Lager“ sind. Wir erfahren ferner aus Düsseldorf, daß die Konstitutionellen bis jetzt 2 Gegenkandidaten aufgestellt haben: die Herren Minister v. d. Heydt und Dr. Claesen von Köln. Ihre Aussichten sollen freilich schwach sein. 12 Vom Rhein, 3. Febr. In der gestrigen Nummer der „Köln. Ztg.“ will eine ostrheinische Korrespondenz aller Welt die Herrlichkeit des Fürsten zu Wied verkünden. Nicht allein, daß der Fürst für die zweite und erste Kammer Wahlmann wurde: er hat auch den Versammlungen des konstitutionellen (?) Vereins zu Neuwied unausgesetzt beigewohnt, und „schon vor den Märzereignissen unzweideutige Proben abgelegt, daß er den Sinn seiner Zeit richtig aufgefaßt habe“. Dank der Märzrevolution, daß die freie Presse die Machwerke feiler Publicität an das Licht der Oeffentlichkeit ziehen kann. Wir haben noch Niemand die Freude mißgönnt, wenn er, übernommen von seiner Kleinheit, vor der Größe eines Duodez-Standesherrchens, am Speichel seines Fetisch's sich ergötzte. Wenn man aber, der öffentlichen Meinung zum Hohne, Dinge in die Welt schicken will, die jedem Sachkundigen wie Ironie klingen müssen, so fühlen wir uns veranlaßt, dem Korrespondenten, der für die vormärzliche Charakteristik seines Fetisch's den Beweis vergessen, hier etwas nachzuhelfen. Wir wissen nur, daß der Fürst zu Wied in den zahlreichen Kasten, in welche die Bevölkerung Neuwieds zerfällt ist, wegen seines fabelhaft abgeschlossenen Wesens, seines verknöcherten, oft possirlich erscheinenden Aristokratismus, je nach der Kaste, bald behuldigt, bald belächelt wird. Ueber die vormärzliche Popularität des Exstandesherrn zu Wied mag die Sympathie der Bürger Neuwieds entscheiden, für welche wir ad notam des ostrhein. Korrespondenten, nur eine einfache, aber deutlich genug sprechende Thatsache anführen wollen. Im Jahre 1843 wurde von einer Aktiengesellschaft zu Neuwied die Kunststraße von dort nach Dierdorf gebaut. Als der Bau seiner Vollendung nahte, wandte sich der Fürst, „der den Sinn seiner Zeit richtig aufgefaßt“, an den königl. Finanzminister mit der Bitte, daß die Schlagbäume, Pfosten etc. der neuen Straße, weil diese innerhalb der Gränzen des mediatisirten Gebietes verlaufe, in die Farben seines Hauses gekleidet werden möchten. Der Bescheid darauf (unterz. v. Beuth) lautete, daß bei dieser Privat-Chaussee die desfallsige Beschlußnahme der Aktiengesellschaft überlassen bleiben müsse. In einer Generalversammlung der Aktionäre (aus dem Kern des Bürgerstandes) wurde nun der Wunsch des bescheidenen Fürsten vorgebracht, um — mit großem Applaus durchzufallen. Bei dieser Gelegenheit zeigte der Herr Fürst nebenbei eine eben nicht große Sympathie für seinen preußischen Landesherrn; denn nach Verwerfung der fürstlich wiedischen „Hausfarbe“ versuchten seine Sachwalter, die Gesellschaft dahin zu bestimmen, daß sie die Schlagbäume etc. doch wenigstens nicht schwarz-weiß, sondern lieber in gar keine Farbe kleiden lassen möge; — vergebliche Mühe: schwarz-weiß, sprach die Nemesis, und von Neuwied bis Dierdorf kann sich Niemand an den Hausfarben des Fürsten erbauen. Doch eine Revange am tückischen Schicksal konnte sich der Mann der Zeit nicht versagen: In der Nähe der Gemeinden erschienen Wegweiser, die weithin in strahlenden Farben den Glanz des Hauses Wied verkündeten! 105 Münster, 3. Febr. Gestern theilte ich eine Probe juristischen Scharfsinns des hiesigen Gerichts mit, heute habe ich die Ehre, den königl. preußischen Justizminister Rintelen, Excellenz, in Lebensgröße vorzuführen. „Auf die von Ihnen und Ihren Mitbeschuldigten unterm 5. d. M. eingereichte, das Perhorrescenzgesuch gegen den Kriminalsenat des Ober-Landesgerichts zu Münster betreffende Vorstellung, und auf Ihr wiederholtes Gesuch vom 15. d. M. wird Ihnen eröffnet, daß der Justizminister in Ermangelung gesetzlicher Gründe sich nicht veranlaßt finden kann, dem Kriminalsenat des vorgedachten Ober-Landesgerichts, als dem, wegen der Betheiligung angeklagter richterlicher Personen, kompetenten Richter, die Abfassung des Urtels erster Instanz in der wider Sie anhängigen Untersuchungssache zu entziehen. „Wie Ihnen bereits durch die unterm 3. d. M. an den Mitangeklagten, Justizkommissar Gierse, erlassene Bescheidung eröffnet worden, ist die generelle Recusation des dortigen Ober-Landersgerichts nach § 47 flg. der Kriminalordnung nicht zulässig. Was aber die speziellen Recusationsgründe gegen einzelne Mitglieder des Ober-Landesgerichts zu Münster anlangt, so betreffen diese zum größten Theile Mitglieder des ersten Senats, und die gegen einige wenige Mitglieder des zweiten Senats vorgebrachten Perhorrescenzgründe können gesetzlich nur die Folge haben, daß diese Mitglieder sich der Theilnahme bei Abfassung des Urthe[il]s (§§ 94 u. 95 der Kriminalordnung, § 143 ff., Tit. 2, Thl. 1 des allg. Landrechts) zu enthalten haben werden. Berlin, den 28. Januar 1849. Der Justizminister, Rintelen. An die königl. Justizkommissarien HH. Justizrath Gronweg, Gierse und Genossen, im Untersuchungsarrest zu Münster. Der erste Senat des Ober-Landesgerichts Münster besteht aus Tüshaus, Detten, v. Druffel, Sethe und Freusberg, macht also fünf, davon sind einige wenige, wie Excellenz Rintelen sehr scharfsinnig bemerkt, perhorrescirt, nämlich Tüshaus, als weggelaufener Abgeordneter durch den Kongreß persönlich beleidigt. Detten als Mitglied des katholischen Vereins und Druffel als persönlicher Feind des Inkulpaten Gierse, macht also drei, bleiben Summa Summarum zwei übrig. Wenn von fünf Mitgliedern drei, also die größte Hälfte perhorrescirt werden, dann schämt sich der erste preußische Richter nicht, zu sagen: „einige wenige.“ Wahrlich der Tag ist nicht fern, wo Gericht gehalten werden wird über alle, die den Anstand und das Gesetz so höhnend verletzen. Und bei solchen Thatsachen behauptet Hr. Rinteln, Hr Temme täusche sich ob seiner im letzten Briefe ad 3 angegebenen Vermuthung. Wer wollte läugnen, daß dem Perhorrescenzgesuch nicht nachgegeben wird, weil das Ober-Landesgericht Paderborn sich nicht willfährig genug gegen Temme gezeigt. Temme ist frei! Der Assessor Moellenhof, der Stadtrath Zumloh und 154 Andere gehen spazieren!! Die decimirten Dezember-Gefangenen bleiben noch immer im Zuchthause, so ruft täglich die hiesige Westfälische Volkshalle. X Berlin, 3. Februar. Dem Verdienste seine Kronen! Es ist nicht zu leugnen, daß zu den vorzüglichen Polterern und Tramplern der aufgelösten National-Versammlung der damalige Assessor von Mäusebach gehörte. Er war einer derjenigen, welche am meisten Beharrlichkeit und Energie in Unterbrechung der Redner der Linken entwickelten. Ebenso gehörte er auch zu denen, welche am frechsten und schroffsten allen volksthümlichen Bestrebungen innerhalb der National-Versammlung entgegentraten. Zu diesen parlamentarischen Verdiensten gesellte sich noch das der Gründung der Parlamentskorrespondenz, in welcher Mäusebach namentlich das Departement der gemeinen Schmähungen gegen die Mitglieder der Linken übernommen hatte, und dabei sogar poetische oder wenigstens Versschmieder-Talente entwickelte. Zur Belohnung aller dieser Verdienste ist nun Herr v. Mäusebach nicht allein zum Regierungsrath, sondern auch zum Chef des unter dem Staatsministerio stehenden „literarischen Kabinets“ ernannt worden, für welchen Posten er um so geeigneter ist, als er schon unter Hrn. v. Rochow Mitarbeiter des bekannten „Berichtigungs-Büreau“ war. In seiner neuen Stellung nun, lenkt Herr v. Mäusebach seine Aufmerksamkeit namentlich auf die Provinzialpresse, und zwar sucht er nicht allein durch Emmissäre in den Provinzen Organe um jeden Preis für die Regierung zu gewinnen, sondern er hat auch die Gründung einer 3mal wöchentlich erscheinenden „Provinzial-Korrespondenz“ veranlaßt, welche ganz nach dem Muster der Pariser Bureaux de l'esprit public die Provinzialpresse mit Artikeln und Nachrichten im Sinne der Regierung versehen soll. Dieselbe wird während der Monate Februar und März gratis und franco versandt werden und ihre Benutzung während dieser Zeit verpflichtet nicht zum späteren Abonnment, dessen Preis nachher auf nur 10 Sgr. vierteljährlich festgesetzt ist. In den uns vorliegenden ersten Nummern wird dieselbe zwar als „von einem Verein hiesiger Literaten ausgehend“ bezeichnet; wir können aber auf das Bestimmteste versichern, daß die Mittel dazu von der Regierung herrühren. Auch leitet derselbe, nach wie vor, die „Parlamentscorrespondenz“ und dies erklärt hinlänglich die derselben zu Theil gewordene besondere Vergünstigung, daß sie als Zeitung von der Post betrachtet und demnach gegen eine geringe Vergütigung überallhin versandt wird. Ebenso steht Herr v. M. auch an der Spitze des berüchtigten „Vereins zur Wahrung der Interessen der Provinzen“, von welchem die famosen „Enthüllungen“ ausgehen. Bei diesen Bestrebungen steht ihm namentlich der Redakteur des Feuilletons der „Neuen Preußischen Zeitung“ als Secretär des Vereins zur Seite. Es ist dies ein gewisser Hermann Gödsche, der seiner frühern Stellung als Postsekretär in Düsseldorf nicht eben mit Ehren enthoben ward, weil er dieselbe dazu benutzt hatte, an verschiedene Zeitungen Correspondenzanträge zu stellen, und ihnen den reaktionären Inhalt derselben dadurch annehmbarer zu machen, daß er sie ihnen auf Kosten der Steuerpflichtigen portofrei zusandte; der Preis war 10 Sgr. per Stück. — Der erste größere Wahlbezirk hat gestern beim Ministerium <TEI> <text> <pb facs="#f0001" n="1175"/> <front> <titlePage type="heading"> <titlePart type="main">Neue Rheinische Zeitung</titlePart> <titlePart type="sub">Organ der Demokratie.</titlePart> <docImprint> <docDate>No 214. Köln, Dienstag den 6. Februar.</docDate> </docImprint> </titlePage> </front> <body> <div type="contents" n="1"> <head>Uebersicht.</head> <p><hi rendition="#g">Deutschland</hi>. Bonn. (Drei konstitutionelle Kandidaten.) Düsseldorf. (Die Oppositions-Kandidaten. — Wesendonk.) Vom Rhein. (Der Fürst zu Wied.) Münster. (Ein neuer Bescheid Rinteleus.) Berlin. (Meusebach, Rodbertus. — Hansemann's Zeitungsspekulation.) Liegnitz. (Wahlumtriebe. — Ein schwarz-weißer Redner. — Denunziationen. — Die Militär-Excesse.) Dresden. (Der „souveräne Unverstand.“) Hamburg. (Die Grundrechte. — Die Demokratie. — Die Schulfrage.) Wiesbaden. (Kreuzritterliche Besorgniß.) Frankfurt. (National-Versammlung.)</p> <p><hi rendition="#g">Ungarn</hi>. (19. Armeebülletin nebst Clossen.)</p> <p><hi rendition="#g">Italien</hi>. Rom. (Karl Albert an den Pabst. — Spanische Schiffe bei Civita-Vecchia.) Gaeta. (Einladung an das Kardinalskollegium.) Venedig. (Pasini in Paris.) Modena. (Die Gehälter vermindert, die Steuern erhöht)</p> <p><hi rendition="#g">Franz. Republik</hi>. Paris. (Keine Amnestie. — Vermischtes. — National-Versammlung.)</p> <p><hi rendition="#g">Großbritannien</hi>. London. (Parlament. — Der Northern Star über die Session.) Manchester. (Das Freihandels-Bankett.)</p> <p><hi rendition="#g">Rußland</hi>. Moskau. (Der neue Kreml.)</p> </div> <div n="1"> <head>Deutschland.</head> <div xml:id="ar214_001" type="jArticle"> <head><bibl><author>X</author></bibl> Bonn, 4. Februar.</head> <p>Die Herren Professoren <hi rendition="#g">Walter</hi> und <hi rendition="#g">Jakob Nelsen</hi> wollen durchaus Deputirte werden. Sie möchten zu diesem Zwecke Himmel und Erde in Bewegung setzen. Sie greifen zu Mitteln, die bei solchen Herren „Konstitutionellen“ jetzt nicht mehr auffallen; denn sie haben uns unter Anleitung der Harkort und Meusebach und der „Galgenzeitungen“ an der Spree, Wupper und in der Breitestraße zu Köln bereits an Unglaubliches gewöhnt. Beide obigen Herren haben einen Mann für 8 Thaler angeworben, der an <hi rendition="#g">jeden</hi> Wahlmann im ganzen <hi rendition="#g">Siegkreise</hi> eine gedruckte Empfehlung in Großfolio herumtragen muß. Mit der schönsten Sirenenstimme werden in dem Schreiben die Urwähler angelockt, doch ja bei ihres Leibes und Lebens Seeligkeit für — Herrn Professor <hi rendition="#g">Walter</hi> in Bonn, G. <hi rendition="#g">Bleibtreu</hi> auf der Hard im Siegkreise und J. <hi rendition="#g">Nelsen</hi> in Bonn am 5. Februar aus der Wahlurne hervorspringen zu lassen. Der Herumträger muß von jedem Wahlmann eine Empfangsbescheinigung bringen, weil sie nicht trauen, daß er die 8 Thlr. einstreiche, ohne sämmtliche Wahlmänner mit der Selbstempfehlung der 3 Herren beglückt zu haben.</p> </div> <div xml:id="ar214_002" type="jArticle"> <head><bibl><author>15</author></bibl> Düsseldorf, 2. Februar-</head> <p>Heute hielten unsere demokratischen Wahlmänner ihre letzte Vorversammlung. Es hatten sich dazu eine Anzahl Vertrauensmänner der Elberfelder Wahlmänner eingefunden und einigte man sich nach längerer und sehr lebhafter Debatte auf folgende Kandidaten:</p> <list> <item>1) Elberding, Arbeiter, von Elberfeld.</item> <item>2) Riothe, Landgerichtsassesior, von Elberfeld.</item> <item>3) Bloem, Advokat.</item> <item>4) Bredt, Regierungsassessor.</item> </list> <p>Sie werden sich wundern über diese heterogene Zusammenstellung; dieselbe ist auch erst nach längerer Kapitulation zwischen den einzelnen Wahlerben zu Stande gekommen.</p> <p>Von allen vier Kandidaten ist wohl der erste der radikalste, dafür zeugt seine Vergangenheit. Er war längere Zeit in Paris, nahm dann an der republikanischen Schilderhebung in Baden unter Hecker Theil, und war zuletzt Freischärler in Schleswig-Holstein.</p> <p>Riothe, früher Direktor der märkisch-bergischen Bahn, und von der Wupperthaler Bourgeoisie aus diesem Posten verdrängt, ist einer der Redner des Elberfelder politischen oppositionellen Klubs.</p> <p>Bloem war bekanntlich Mitglied der verblichenen Vereinbarerversammlung, wie auch der Letztere, Hr. Bredt, der sich durch seine diplomatisch feinen Erklärungen über den von ihm mitgefaßten Steuerverweigerungsbeschluß, eine etwas zweideutige Notorietät erwarb. Er ist nur deswegen auf die Liste gekommen, weil seine Vaterstadt Barmen und der Landkreis Elberfeld darauf bestanden, und man diese Konzession machen mußte, wenn man den Sieg für die andern drei Kandidaten sichern wollte. Unsere Demokraten haben sich wieder einmal von den feinen Wupperthalern über's Ohr hauen lassen.</p> <p>Die Geld- und Säbelaristokratie geht hier wie überall Hand in Hand, und verfolgt mit wahrhaftem Fanatismus alles, was nur im Entferntesten im Geruche der Demokratie steht. So wurden vor einiger Zeit von einem hiesigen Bankhause seine ältesten Kommis entlassen, Leute, die schon 10 und noch mehrere Jahre in dem Geschäfte waren, angeblich, weil das Geschäft verkleinert werden sollte, in der That aber, weil dieselben bei den Wahlen zur zweiten Kammer mit den Demokraten gestimmt hatten. So wurden gestern ein Wachtmeister und mehrere Unteroffiziere des hier garnisonirenden Ulanenregiments vom Dienste suspendirt, weil sie im Geruche demokratischer Gesinnung standen; der Wachtmeister vorzüglich deshalb, weil er bei der Wahl zur zweiten Kammer von den Demokraten als Wahlmann einem strohköpfigen Junker gegenüber gestellt worden war, und trotz der früher sehr sorgfältig abdestillirten Wahl beinahe die Majorität erhalten hätte. Ein Unteroffizier von der Artillerie hatte dasselbe Schicksal. Einem anderen Wachtmeister von den Ulanen wurde ein strenger Verweis zu Theil, weil er in einem Bierhause die „Neue Rheinische Zeitung“ und namentlich den Brief Lasalle's an den Instruktionsrichter gelesen hatte, und dieses Verbrechen von einem schwarzweißen Spion den Manteuffel'schen Vollziehungswerkzeugen denuncirt worden war.</p> <p>Ich hatte Gelegenheit, an verschiedenen öffentlichen Orten von Militärs aller Waffengattungen ein solches Verfahren laut und entschieden mißbilligen zu hören.</p> <p>Der edle v. Faldern, durch sein erstes glänzendes Fiasko auf dem Gebiete der Politik, nicht entmuthigt, hat sich nun ein anderes Feld seiner Thätigkeit gesucht. Er hat sich auf die sociale Frage geworfen. Man höre:</p> <p>Seit uralter Zeit ist es nämlich hier Sitte, daß an einem bestimmten Tage, zu einer bestimmten Stunde unsere Stadtarmen von verschiedenen Mitbürgern Almosen empfangen.</p> <p>Dieses sollte heute morgen an einem Hause der Alleestraße geschehen, und hatten sich deshalb vor demselben mehrere Kinder, Weiber und Greise versammelt. Herr v. Faldern, Kraft seiner unumschränkten Gewalt als Polizeiminister, fordert die Unglücklichen auf, das Haus zu verlassen, und als ihm natürlich hierin nicht gewillfahret wird, rennt der edle Menschenfreund spornstreichs nach der Kaserne und erscheint mit einer ganzen Kompagnie Vaterlandsvertheidiger, die sich ein neues Blatt in den Kranz ihres Ruhmes flechten, indem sie mit gefälltem Bajonette die 10 bis 12 Weiber und Greise aus der Allee vertreiben.</p> </div> <div xml:id="ar214_003" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl> Düsseldorf, 4. Jan.</head> <p>Von Seiten der ehemaligen „demokratischen Monarchie“ kommt uns eine Berichtigung unseres vorgestrigen <gap reason="illegible"/> Artikels aus Düsseldorf über Hrn. Wesendonk zu.</p> <p>Die Berichtigung berichtigt eigentlich nichts, als daß Hr. Wesendonk keineswegs zur Zeit des Vorparlaments als Republikaner aufgetreten und dann zur demokratischen Monarchie zurückgekehrt sei. Im Uebrigen bestätigt sie den von ihr als „Verdächtigung“ bezeichneten Artikel. Wir protestiren zuerst gegen diese Bezeichnung. Die Herren Wahlkandidaten sind der öffentlichen Kritik unterworfen, und wenn man von diesem Recht Gebrauch macht, so kann bloß verletzte Eitelkeit darin eine Verdächtigung sehen. Wir werfen Hrn. Wesendonk vor, daß er mit großem Gepolter in Frankfurt den Antrag gemacht hat, die oktroyirte Verfassung für <hi rendition="#g">null und nichtig zu erklären</hi> und daß er jetzt noch nicht zwei Monate nachher, sie <hi rendition="#g">anerkennen</hi> will. Die „Berichtigung“ vertheidigt diese Schwenkung dadurch, daß ja das Volk durch die Urwahlen selbst schon die Oktroyirte sammt 1. und 2. Kammer anerkannt habe — Logik der Kölnischen Zeitung und der plattesten Advokaten-Beschönigung. Sie verlangt ferner, wir sollen keinen Zwiespalt ins eigene Lager werfen — d. h. die sogenannten demokratischen Kandidaten ohne Weiteres acceptiren und uns aller Kritik über sie enthalten. Wir konnten im Parteiinteresse einige Rücksicht nehmen bis zu dem Augenblick, wo die Phrase von der Anerkennung des Staatsstreichs vom 5. Dezbr. endlich von verschiedenen angeblich demokratischen Kandidaten ausgesprochen wurde. Von dem Augenblick an haben wir <hi rendition="#g">sämmtliche</hi> s. g. demokratische Kandidaten angegriffen, die diese Phrase acceptirten, aus dem einfachen Grunde, weil wir mit <hi rendition="#g">diesen</hi> Herren keineswegs in demselben „Lager“ sind.</p> <p>Wir erfahren ferner aus Düsseldorf, daß die Konstitutionellen bis jetzt 2 Gegenkandidaten aufgestellt haben: die Herren Minister v. d. Heydt und Dr. Claesen von Köln. Ihre Aussichten sollen freilich schwach sein.</p> </div> <div xml:id="ar214_004" type="jArticle"> <head><bibl><author>12</author></bibl> Vom Rhein, 3. Febr.</head> <p>In der gestrigen Nummer der „Köln. Ztg.“ will eine ostrheinische Korrespondenz aller Welt die Herrlichkeit des Fürsten zu Wied verkünden. Nicht allein, daß der Fürst für die zweite und erste Kammer Wahlmann wurde: er hat auch den Versammlungen des konstitutionellen (?) Vereins zu Neuwied unausgesetzt beigewohnt, und „schon vor den Märzereignissen unzweideutige Proben abgelegt, daß er den Sinn seiner Zeit richtig aufgefaßt habe“.</p> <p>Dank der Märzrevolution, daß die freie Presse die Machwerke feiler Publicität an das Licht der Oeffentlichkeit ziehen kann. Wir haben noch Niemand die Freude mißgönnt, wenn er, übernommen von seiner Kleinheit, vor der Größe eines Duodez-Standesherrchens, am Speichel seines Fetisch's sich ergötzte. Wenn man aber, der öffentlichen Meinung zum Hohne, Dinge in die Welt schicken will, die jedem Sachkundigen wie Ironie klingen müssen, so fühlen wir uns veranlaßt, dem Korrespondenten, der für die vormärzliche Charakteristik seines Fetisch's den Beweis vergessen, hier etwas nachzuhelfen. Wir wissen nur, daß der Fürst zu Wied in den zahlreichen Kasten, in welche die Bevölkerung Neuwieds zerfällt ist, wegen seines fabelhaft abgeschlossenen Wesens, seines verknöcherten, oft possirlich erscheinenden Aristokratismus, je nach der Kaste, bald behuldigt, bald belächelt wird. Ueber die vormärzliche Popularität des Exstandesherrn zu Wied mag die Sympathie der Bürger Neuwieds entscheiden, für welche wir ad notam des ostrhein. Korrespondenten, nur eine einfache, aber deutlich genug sprechende Thatsache anführen wollen.</p> <p>Im Jahre 1843 wurde von einer Aktiengesellschaft zu Neuwied die Kunststraße von dort nach Dierdorf gebaut. Als der Bau seiner Vollendung nahte, wandte sich der Fürst, „der den Sinn seiner Zeit richtig aufgefaßt“, an den königl. Finanzminister mit der Bitte, daß die Schlagbäume, Pfosten etc. der neuen Straße, weil diese innerhalb der Gränzen des mediatisirten Gebietes verlaufe, in die Farben seines Hauses gekleidet werden möchten. Der Bescheid darauf (unterz. v. <hi rendition="#g">Beuth</hi>) lautete, daß bei dieser Privat-Chaussee die desfallsige Beschlußnahme der Aktiengesellschaft überlassen bleiben müsse. In einer Generalversammlung der Aktionäre (aus dem Kern des Bürgerstandes) wurde nun der Wunsch des bescheidenen Fürsten vorgebracht, um — mit großem Applaus durchzufallen. Bei dieser Gelegenheit zeigte der Herr Fürst nebenbei eine eben nicht große Sympathie für seinen preußischen Landesherrn; denn nach Verwerfung der fürstlich wiedischen „Hausfarbe“ versuchten seine Sachwalter, die Gesellschaft dahin zu bestimmen, daß sie die Schlagbäume etc. doch wenigstens nicht schwarz-weiß, sondern lieber in gar keine Farbe kleiden lassen möge; — vergebliche Mühe: schwarz-weiß, sprach die Nemesis, und von Neuwied bis Dierdorf kann sich Niemand an den Hausfarben des Fürsten erbauen. Doch eine Revange am tückischen Schicksal konnte sich der Mann der Zeit nicht versagen: In der Nähe der Gemeinden erschienen Wegweiser, die weithin in strahlenden Farben den Glanz des Hauses Wied verkündeten!</p> </div> <div xml:id="ar214_005" type="jArticle"> <head><bibl><author>105</author></bibl> Münster, 3. Febr.</head> <p>Gestern theilte ich eine Probe juristischen Scharfsinns des hiesigen Gerichts mit, heute habe ich die Ehre, den königl. preußischen Justizminister Rintelen, Excellenz, in Lebensgröße vorzuführen.</p> <p>„Auf die von Ihnen und Ihren Mitbeschuldigten unterm 5. d. M. eingereichte, das Perhorrescenzgesuch gegen den Kriminalsenat des Ober-Landesgerichts zu Münster betreffende Vorstellung, und auf Ihr wiederholtes Gesuch vom 15. d. M. wird Ihnen eröffnet, daß der Justizminister in <hi rendition="#g">Ermangelung gesetzlicher Gründe</hi> sich nicht veranlaßt finden kann, dem Kriminalsenat des vorgedachten Ober-Landesgerichts, als dem, wegen der Betheiligung angeklagter richterlicher Personen, kompetenten Richter, die Abfassung des Urtels erster Instanz in der wider Sie anhängigen Untersuchungssache zu entziehen.</p> <p>„Wie Ihnen bereits durch die unterm 3. d. M. an den Mitangeklagten, Justizkommissar Gierse, erlassene Bescheidung eröffnet worden, ist die generelle Recusation des dortigen Ober-Landersgerichts nach § 47 flg. der Kriminalordnung nicht zulässig.</p> <p>Was aber die speziellen Recusationsgründe gegen einzelne Mitglieder des Ober-Landesgerichts zu Münster anlangt, so betreffen diese zum größten Theile Mitglieder des ersten Senats, und die gegen <hi rendition="#g">einige wenige Mitglieder</hi> des zweiten Senats vorgebrachten Perhorrescenzgründe können gesetzlich nur die Folge haben, daß <hi rendition="#g">diese Mitglieder</hi> sich der Theilnahme bei Abfassung des Urthe[il]s (§§ 94 u. 95 der Kriminalordnung, § 143 ff., Tit. 2, Thl. 1 des allg. Landrechts) zu enthalten haben werden.</p> <p>Berlin, den 28. Januar 1849.</p> <p>Der Justizminister, <hi rendition="#g">Rintelen</hi>.</p> <p>An die königl. Justizkommissarien HH. Justizrath Gronweg, Gierse und Genossen, im Untersuchungsarrest zu Münster.</p> <p>Der erste Senat des Ober-Landesgerichts Münster besteht aus Tüshaus, Detten, v. Druffel, Sethe und Freusberg, macht also fünf, davon sind <hi rendition="#g">einige wenige,</hi> wie Excellenz Rintelen sehr scharfsinnig bemerkt, perhorrescirt, nämlich Tüshaus, als weggelaufener Abgeordneter durch den Kongreß persönlich beleidigt. Detten als Mitglied des katholischen Vereins und Druffel als persönlicher Feind des Inkulpaten Gierse, macht also drei, bleiben Summa Summarum zwei übrig. Wenn von fünf Mitgliedern drei, also die größte Hälfte perhorrescirt werden, dann schämt sich der erste preußische Richter nicht, zu sagen: „einige wenige.“ Wahrlich der Tag ist nicht fern, wo Gericht gehalten werden wird über alle, die den Anstand und das Gesetz so höhnend verletzen. Und bei solchen Thatsachen behauptet Hr. Rinteln, Hr Temme täusche sich ob seiner im letzten Briefe ad 3 angegebenen Vermuthung. Wer wollte läugnen, daß dem Perhorrescenzgesuch nicht nachgegeben wird, weil das Ober-Landesgericht Paderborn sich nicht willfährig genug gegen Temme gezeigt.</p> <p>Temme ist frei!</p> <p>Der Assessor Moellenhof, der Stadtrath Zumloh und 154 Andere gehen spazieren!!</p> <p>Die decimirten Dezember-Gefangenen bleiben noch immer im Zuchthause, so ruft täglich die hiesige Westfälische Volkshalle.</p> </div> <div xml:id="ar214_006" type="jArticle"> <head><bibl><author>X</author></bibl> Berlin, 3. Februar.</head> <p>Dem Verdienste seine Kronen! Es ist nicht zu leugnen, daß zu den vorzüglichen Polterern und Tramplern der aufgelösten National-Versammlung der damalige Assessor von Mäusebach gehörte. Er war einer derjenigen, welche am meisten Beharrlichkeit und Energie in Unterbrechung der Redner der Linken entwickelten. Ebenso gehörte er auch zu denen, welche am frechsten und schroffsten allen volksthümlichen Bestrebungen innerhalb der National-Versammlung entgegentraten. Zu diesen parlamentarischen Verdiensten gesellte sich noch das der Gründung der Parlamentskorrespondenz, in welcher Mäusebach namentlich das Departement der gemeinen Schmähungen gegen die Mitglieder der Linken übernommen hatte, und dabei sogar poetische oder wenigstens Versschmieder-Talente entwickelte. Zur Belohnung aller dieser Verdienste ist nun Herr v. Mäusebach nicht allein zum Regierungsrath, sondern auch zum Chef des unter dem Staatsministerio stehenden „literarischen Kabinets“ ernannt worden, für welchen Posten er um so geeigneter ist, als er schon unter Hrn. v. Rochow Mitarbeiter des bekannten „Berichtigungs-Büreau“ war. In seiner neuen Stellung nun, lenkt Herr v. Mäusebach seine Aufmerksamkeit namentlich auf die Provinzialpresse, und zwar sucht er nicht allein durch Emmissäre in den Provinzen Organe um jeden Preis für die Regierung zu gewinnen, sondern er hat auch die Gründung einer 3mal wöchentlich erscheinenden „Provinzial-Korrespondenz“ veranlaßt, welche ganz nach dem Muster der Pariser Bureaux de l'esprit public die Provinzialpresse mit Artikeln und Nachrichten im Sinne der Regierung versehen soll. Dieselbe wird während der Monate Februar und März gratis und franco versandt werden und ihre Benutzung während dieser Zeit verpflichtet nicht zum späteren Abonnment, dessen Preis nachher auf nur 10 Sgr. vierteljährlich festgesetzt ist.</p> <p>In den uns vorliegenden ersten Nummern wird dieselbe zwar als „von einem Verein hiesiger Literaten ausgehend“ bezeichnet; wir können aber auf das Bestimmteste versichern, daß die Mittel dazu von der Regierung herrühren. Auch leitet derselbe, nach wie vor, die „Parlamentscorrespondenz“ und dies erklärt hinlänglich die derselben zu Theil gewordene besondere Vergünstigung, daß sie als Zeitung von der Post betrachtet und demnach gegen eine geringe Vergütigung überallhin versandt wird. Ebenso steht Herr v. M. auch an der Spitze des berüchtigten „Vereins zur Wahrung der Interessen der Provinzen“, von welchem die famosen „Enthüllungen“ ausgehen. Bei diesen Bestrebungen steht ihm namentlich der Redakteur des Feuilletons der „Neuen Preußischen Zeitung“ als Secretär des Vereins zur Seite. Es ist dies ein gewisser Hermann <hi rendition="#g">Gödsche,</hi> der seiner frühern Stellung als Postsekretär in Düsseldorf nicht eben mit Ehren enthoben ward, weil er dieselbe dazu benutzt hatte, an verschiedene Zeitungen Correspondenzanträge zu stellen, und ihnen den reaktionären Inhalt derselben dadurch annehmbarer zu machen, daß er sie ihnen auf Kosten der Steuerpflichtigen portofrei zusandte; der Preis war 10 Sgr. per Stück.</p> <p>— Der erste größere Wahlbezirk hat gestern beim Ministerium </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [1175/0001]
Neue Rheinische Zeitung Organ der Demokratie. No 214. Köln, Dienstag den 6. Februar. Uebersicht. Deutschland. Bonn. (Drei konstitutionelle Kandidaten.) Düsseldorf. (Die Oppositions-Kandidaten. — Wesendonk.) Vom Rhein. (Der Fürst zu Wied.) Münster. (Ein neuer Bescheid Rinteleus.) Berlin. (Meusebach, Rodbertus. — Hansemann's Zeitungsspekulation.) Liegnitz. (Wahlumtriebe. — Ein schwarz-weißer Redner. — Denunziationen. — Die Militär-Excesse.) Dresden. (Der „souveräne Unverstand.“) Hamburg. (Die Grundrechte. — Die Demokratie. — Die Schulfrage.) Wiesbaden. (Kreuzritterliche Besorgniß.) Frankfurt. (National-Versammlung.)
Ungarn. (19. Armeebülletin nebst Clossen.)
Italien. Rom. (Karl Albert an den Pabst. — Spanische Schiffe bei Civita-Vecchia.) Gaeta. (Einladung an das Kardinalskollegium.) Venedig. (Pasini in Paris.) Modena. (Die Gehälter vermindert, die Steuern erhöht)
Franz. Republik. Paris. (Keine Amnestie. — Vermischtes. — National-Versammlung.)
Großbritannien. London. (Parlament. — Der Northern Star über die Session.) Manchester. (Das Freihandels-Bankett.)
Rußland. Moskau. (Der neue Kreml.)
Deutschland. X Bonn, 4. Februar. Die Herren Professoren Walter und Jakob Nelsen wollen durchaus Deputirte werden. Sie möchten zu diesem Zwecke Himmel und Erde in Bewegung setzen. Sie greifen zu Mitteln, die bei solchen Herren „Konstitutionellen“ jetzt nicht mehr auffallen; denn sie haben uns unter Anleitung der Harkort und Meusebach und der „Galgenzeitungen“ an der Spree, Wupper und in der Breitestraße zu Köln bereits an Unglaubliches gewöhnt. Beide obigen Herren haben einen Mann für 8 Thaler angeworben, der an jeden Wahlmann im ganzen Siegkreise eine gedruckte Empfehlung in Großfolio herumtragen muß. Mit der schönsten Sirenenstimme werden in dem Schreiben die Urwähler angelockt, doch ja bei ihres Leibes und Lebens Seeligkeit für — Herrn Professor Walter in Bonn, G. Bleibtreu auf der Hard im Siegkreise und J. Nelsen in Bonn am 5. Februar aus der Wahlurne hervorspringen zu lassen. Der Herumträger muß von jedem Wahlmann eine Empfangsbescheinigung bringen, weil sie nicht trauen, daß er die 8 Thlr. einstreiche, ohne sämmtliche Wahlmänner mit der Selbstempfehlung der 3 Herren beglückt zu haben.
15 Düsseldorf, 2. Februar- Heute hielten unsere demokratischen Wahlmänner ihre letzte Vorversammlung. Es hatten sich dazu eine Anzahl Vertrauensmänner der Elberfelder Wahlmänner eingefunden und einigte man sich nach längerer und sehr lebhafter Debatte auf folgende Kandidaten:
1) Elberding, Arbeiter, von Elberfeld.
2) Riothe, Landgerichtsassesior, von Elberfeld.
3) Bloem, Advokat.
4) Bredt, Regierungsassessor.
Sie werden sich wundern über diese heterogene Zusammenstellung; dieselbe ist auch erst nach längerer Kapitulation zwischen den einzelnen Wahlerben zu Stande gekommen.
Von allen vier Kandidaten ist wohl der erste der radikalste, dafür zeugt seine Vergangenheit. Er war längere Zeit in Paris, nahm dann an der republikanischen Schilderhebung in Baden unter Hecker Theil, und war zuletzt Freischärler in Schleswig-Holstein.
Riothe, früher Direktor der märkisch-bergischen Bahn, und von der Wupperthaler Bourgeoisie aus diesem Posten verdrängt, ist einer der Redner des Elberfelder politischen oppositionellen Klubs.
Bloem war bekanntlich Mitglied der verblichenen Vereinbarerversammlung, wie auch der Letztere, Hr. Bredt, der sich durch seine diplomatisch feinen Erklärungen über den von ihm mitgefaßten Steuerverweigerungsbeschluß, eine etwas zweideutige Notorietät erwarb. Er ist nur deswegen auf die Liste gekommen, weil seine Vaterstadt Barmen und der Landkreis Elberfeld darauf bestanden, und man diese Konzession machen mußte, wenn man den Sieg für die andern drei Kandidaten sichern wollte. Unsere Demokraten haben sich wieder einmal von den feinen Wupperthalern über's Ohr hauen lassen.
Die Geld- und Säbelaristokratie geht hier wie überall Hand in Hand, und verfolgt mit wahrhaftem Fanatismus alles, was nur im Entferntesten im Geruche der Demokratie steht. So wurden vor einiger Zeit von einem hiesigen Bankhause seine ältesten Kommis entlassen, Leute, die schon 10 und noch mehrere Jahre in dem Geschäfte waren, angeblich, weil das Geschäft verkleinert werden sollte, in der That aber, weil dieselben bei den Wahlen zur zweiten Kammer mit den Demokraten gestimmt hatten. So wurden gestern ein Wachtmeister und mehrere Unteroffiziere des hier garnisonirenden Ulanenregiments vom Dienste suspendirt, weil sie im Geruche demokratischer Gesinnung standen; der Wachtmeister vorzüglich deshalb, weil er bei der Wahl zur zweiten Kammer von den Demokraten als Wahlmann einem strohköpfigen Junker gegenüber gestellt worden war, und trotz der früher sehr sorgfältig abdestillirten Wahl beinahe die Majorität erhalten hätte. Ein Unteroffizier von der Artillerie hatte dasselbe Schicksal. Einem anderen Wachtmeister von den Ulanen wurde ein strenger Verweis zu Theil, weil er in einem Bierhause die „Neue Rheinische Zeitung“ und namentlich den Brief Lasalle's an den Instruktionsrichter gelesen hatte, und dieses Verbrechen von einem schwarzweißen Spion den Manteuffel'schen Vollziehungswerkzeugen denuncirt worden war.
Ich hatte Gelegenheit, an verschiedenen öffentlichen Orten von Militärs aller Waffengattungen ein solches Verfahren laut und entschieden mißbilligen zu hören.
Der edle v. Faldern, durch sein erstes glänzendes Fiasko auf dem Gebiete der Politik, nicht entmuthigt, hat sich nun ein anderes Feld seiner Thätigkeit gesucht. Er hat sich auf die sociale Frage geworfen. Man höre:
Seit uralter Zeit ist es nämlich hier Sitte, daß an einem bestimmten Tage, zu einer bestimmten Stunde unsere Stadtarmen von verschiedenen Mitbürgern Almosen empfangen.
Dieses sollte heute morgen an einem Hause der Alleestraße geschehen, und hatten sich deshalb vor demselben mehrere Kinder, Weiber und Greise versammelt. Herr v. Faldern, Kraft seiner unumschränkten Gewalt als Polizeiminister, fordert die Unglücklichen auf, das Haus zu verlassen, und als ihm natürlich hierin nicht gewillfahret wird, rennt der edle Menschenfreund spornstreichs nach der Kaserne und erscheint mit einer ganzen Kompagnie Vaterlandsvertheidiger, die sich ein neues Blatt in den Kranz ihres Ruhmes flechten, indem sie mit gefälltem Bajonette die 10 bis 12 Weiber und Greise aus der Allee vertreiben.
* Düsseldorf, 4. Jan. Von Seiten der ehemaligen „demokratischen Monarchie“ kommt uns eine Berichtigung unseres vorgestrigen _ Artikels aus Düsseldorf über Hrn. Wesendonk zu.
Die Berichtigung berichtigt eigentlich nichts, als daß Hr. Wesendonk keineswegs zur Zeit des Vorparlaments als Republikaner aufgetreten und dann zur demokratischen Monarchie zurückgekehrt sei. Im Uebrigen bestätigt sie den von ihr als „Verdächtigung“ bezeichneten Artikel. Wir protestiren zuerst gegen diese Bezeichnung. Die Herren Wahlkandidaten sind der öffentlichen Kritik unterworfen, und wenn man von diesem Recht Gebrauch macht, so kann bloß verletzte Eitelkeit darin eine Verdächtigung sehen. Wir werfen Hrn. Wesendonk vor, daß er mit großem Gepolter in Frankfurt den Antrag gemacht hat, die oktroyirte Verfassung für null und nichtig zu erklären und daß er jetzt noch nicht zwei Monate nachher, sie anerkennen will. Die „Berichtigung“ vertheidigt diese Schwenkung dadurch, daß ja das Volk durch die Urwahlen selbst schon die Oktroyirte sammt 1. und 2. Kammer anerkannt habe — Logik der Kölnischen Zeitung und der plattesten Advokaten-Beschönigung. Sie verlangt ferner, wir sollen keinen Zwiespalt ins eigene Lager werfen — d. h. die sogenannten demokratischen Kandidaten ohne Weiteres acceptiren und uns aller Kritik über sie enthalten. Wir konnten im Parteiinteresse einige Rücksicht nehmen bis zu dem Augenblick, wo die Phrase von der Anerkennung des Staatsstreichs vom 5. Dezbr. endlich von verschiedenen angeblich demokratischen Kandidaten ausgesprochen wurde. Von dem Augenblick an haben wir sämmtliche s. g. demokratische Kandidaten angegriffen, die diese Phrase acceptirten, aus dem einfachen Grunde, weil wir mit diesen Herren keineswegs in demselben „Lager“ sind.
Wir erfahren ferner aus Düsseldorf, daß die Konstitutionellen bis jetzt 2 Gegenkandidaten aufgestellt haben: die Herren Minister v. d. Heydt und Dr. Claesen von Köln. Ihre Aussichten sollen freilich schwach sein.
12 Vom Rhein, 3. Febr. In der gestrigen Nummer der „Köln. Ztg.“ will eine ostrheinische Korrespondenz aller Welt die Herrlichkeit des Fürsten zu Wied verkünden. Nicht allein, daß der Fürst für die zweite und erste Kammer Wahlmann wurde: er hat auch den Versammlungen des konstitutionellen (?) Vereins zu Neuwied unausgesetzt beigewohnt, und „schon vor den Märzereignissen unzweideutige Proben abgelegt, daß er den Sinn seiner Zeit richtig aufgefaßt habe“.
Dank der Märzrevolution, daß die freie Presse die Machwerke feiler Publicität an das Licht der Oeffentlichkeit ziehen kann. Wir haben noch Niemand die Freude mißgönnt, wenn er, übernommen von seiner Kleinheit, vor der Größe eines Duodez-Standesherrchens, am Speichel seines Fetisch's sich ergötzte. Wenn man aber, der öffentlichen Meinung zum Hohne, Dinge in die Welt schicken will, die jedem Sachkundigen wie Ironie klingen müssen, so fühlen wir uns veranlaßt, dem Korrespondenten, der für die vormärzliche Charakteristik seines Fetisch's den Beweis vergessen, hier etwas nachzuhelfen. Wir wissen nur, daß der Fürst zu Wied in den zahlreichen Kasten, in welche die Bevölkerung Neuwieds zerfällt ist, wegen seines fabelhaft abgeschlossenen Wesens, seines verknöcherten, oft possirlich erscheinenden Aristokratismus, je nach der Kaste, bald behuldigt, bald belächelt wird. Ueber die vormärzliche Popularität des Exstandesherrn zu Wied mag die Sympathie der Bürger Neuwieds entscheiden, für welche wir ad notam des ostrhein. Korrespondenten, nur eine einfache, aber deutlich genug sprechende Thatsache anführen wollen.
Im Jahre 1843 wurde von einer Aktiengesellschaft zu Neuwied die Kunststraße von dort nach Dierdorf gebaut. Als der Bau seiner Vollendung nahte, wandte sich der Fürst, „der den Sinn seiner Zeit richtig aufgefaßt“, an den königl. Finanzminister mit der Bitte, daß die Schlagbäume, Pfosten etc. der neuen Straße, weil diese innerhalb der Gränzen des mediatisirten Gebietes verlaufe, in die Farben seines Hauses gekleidet werden möchten. Der Bescheid darauf (unterz. v. Beuth) lautete, daß bei dieser Privat-Chaussee die desfallsige Beschlußnahme der Aktiengesellschaft überlassen bleiben müsse. In einer Generalversammlung der Aktionäre (aus dem Kern des Bürgerstandes) wurde nun der Wunsch des bescheidenen Fürsten vorgebracht, um — mit großem Applaus durchzufallen. Bei dieser Gelegenheit zeigte der Herr Fürst nebenbei eine eben nicht große Sympathie für seinen preußischen Landesherrn; denn nach Verwerfung der fürstlich wiedischen „Hausfarbe“ versuchten seine Sachwalter, die Gesellschaft dahin zu bestimmen, daß sie die Schlagbäume etc. doch wenigstens nicht schwarz-weiß, sondern lieber in gar keine Farbe kleiden lassen möge; — vergebliche Mühe: schwarz-weiß, sprach die Nemesis, und von Neuwied bis Dierdorf kann sich Niemand an den Hausfarben des Fürsten erbauen. Doch eine Revange am tückischen Schicksal konnte sich der Mann der Zeit nicht versagen: In der Nähe der Gemeinden erschienen Wegweiser, die weithin in strahlenden Farben den Glanz des Hauses Wied verkündeten!
105 Münster, 3. Febr. Gestern theilte ich eine Probe juristischen Scharfsinns des hiesigen Gerichts mit, heute habe ich die Ehre, den königl. preußischen Justizminister Rintelen, Excellenz, in Lebensgröße vorzuführen.
„Auf die von Ihnen und Ihren Mitbeschuldigten unterm 5. d. M. eingereichte, das Perhorrescenzgesuch gegen den Kriminalsenat des Ober-Landesgerichts zu Münster betreffende Vorstellung, und auf Ihr wiederholtes Gesuch vom 15. d. M. wird Ihnen eröffnet, daß der Justizminister in Ermangelung gesetzlicher Gründe sich nicht veranlaßt finden kann, dem Kriminalsenat des vorgedachten Ober-Landesgerichts, als dem, wegen der Betheiligung angeklagter richterlicher Personen, kompetenten Richter, die Abfassung des Urtels erster Instanz in der wider Sie anhängigen Untersuchungssache zu entziehen.
„Wie Ihnen bereits durch die unterm 3. d. M. an den Mitangeklagten, Justizkommissar Gierse, erlassene Bescheidung eröffnet worden, ist die generelle Recusation des dortigen Ober-Landersgerichts nach § 47 flg. der Kriminalordnung nicht zulässig.
Was aber die speziellen Recusationsgründe gegen einzelne Mitglieder des Ober-Landesgerichts zu Münster anlangt, so betreffen diese zum größten Theile Mitglieder des ersten Senats, und die gegen einige wenige Mitglieder des zweiten Senats vorgebrachten Perhorrescenzgründe können gesetzlich nur die Folge haben, daß diese Mitglieder sich der Theilnahme bei Abfassung des Urthe[il]s (§§ 94 u. 95 der Kriminalordnung, § 143 ff., Tit. 2, Thl. 1 des allg. Landrechts) zu enthalten haben werden.
Berlin, den 28. Januar 1849.
Der Justizminister, Rintelen.
An die königl. Justizkommissarien HH. Justizrath Gronweg, Gierse und Genossen, im Untersuchungsarrest zu Münster.
Der erste Senat des Ober-Landesgerichts Münster besteht aus Tüshaus, Detten, v. Druffel, Sethe und Freusberg, macht also fünf, davon sind einige wenige, wie Excellenz Rintelen sehr scharfsinnig bemerkt, perhorrescirt, nämlich Tüshaus, als weggelaufener Abgeordneter durch den Kongreß persönlich beleidigt. Detten als Mitglied des katholischen Vereins und Druffel als persönlicher Feind des Inkulpaten Gierse, macht also drei, bleiben Summa Summarum zwei übrig. Wenn von fünf Mitgliedern drei, also die größte Hälfte perhorrescirt werden, dann schämt sich der erste preußische Richter nicht, zu sagen: „einige wenige.“ Wahrlich der Tag ist nicht fern, wo Gericht gehalten werden wird über alle, die den Anstand und das Gesetz so höhnend verletzen. Und bei solchen Thatsachen behauptet Hr. Rinteln, Hr Temme täusche sich ob seiner im letzten Briefe ad 3 angegebenen Vermuthung. Wer wollte läugnen, daß dem Perhorrescenzgesuch nicht nachgegeben wird, weil das Ober-Landesgericht Paderborn sich nicht willfährig genug gegen Temme gezeigt.
Temme ist frei!
Der Assessor Moellenhof, der Stadtrath Zumloh und 154 Andere gehen spazieren!!
Die decimirten Dezember-Gefangenen bleiben noch immer im Zuchthause, so ruft täglich die hiesige Westfälische Volkshalle.
X Berlin, 3. Februar. Dem Verdienste seine Kronen! Es ist nicht zu leugnen, daß zu den vorzüglichen Polterern und Tramplern der aufgelösten National-Versammlung der damalige Assessor von Mäusebach gehörte. Er war einer derjenigen, welche am meisten Beharrlichkeit und Energie in Unterbrechung der Redner der Linken entwickelten. Ebenso gehörte er auch zu denen, welche am frechsten und schroffsten allen volksthümlichen Bestrebungen innerhalb der National-Versammlung entgegentraten. Zu diesen parlamentarischen Verdiensten gesellte sich noch das der Gründung der Parlamentskorrespondenz, in welcher Mäusebach namentlich das Departement der gemeinen Schmähungen gegen die Mitglieder der Linken übernommen hatte, und dabei sogar poetische oder wenigstens Versschmieder-Talente entwickelte. Zur Belohnung aller dieser Verdienste ist nun Herr v. Mäusebach nicht allein zum Regierungsrath, sondern auch zum Chef des unter dem Staatsministerio stehenden „literarischen Kabinets“ ernannt worden, für welchen Posten er um so geeigneter ist, als er schon unter Hrn. v. Rochow Mitarbeiter des bekannten „Berichtigungs-Büreau“ war. In seiner neuen Stellung nun, lenkt Herr v. Mäusebach seine Aufmerksamkeit namentlich auf die Provinzialpresse, und zwar sucht er nicht allein durch Emmissäre in den Provinzen Organe um jeden Preis für die Regierung zu gewinnen, sondern er hat auch die Gründung einer 3mal wöchentlich erscheinenden „Provinzial-Korrespondenz“ veranlaßt, welche ganz nach dem Muster der Pariser Bureaux de l'esprit public die Provinzialpresse mit Artikeln und Nachrichten im Sinne der Regierung versehen soll. Dieselbe wird während der Monate Februar und März gratis und franco versandt werden und ihre Benutzung während dieser Zeit verpflichtet nicht zum späteren Abonnment, dessen Preis nachher auf nur 10 Sgr. vierteljährlich festgesetzt ist.
In den uns vorliegenden ersten Nummern wird dieselbe zwar als „von einem Verein hiesiger Literaten ausgehend“ bezeichnet; wir können aber auf das Bestimmteste versichern, daß die Mittel dazu von der Regierung herrühren. Auch leitet derselbe, nach wie vor, die „Parlamentscorrespondenz“ und dies erklärt hinlänglich die derselben zu Theil gewordene besondere Vergünstigung, daß sie als Zeitung von der Post betrachtet und demnach gegen eine geringe Vergütigung überallhin versandt wird. Ebenso steht Herr v. M. auch an der Spitze des berüchtigten „Vereins zur Wahrung der Interessen der Provinzen“, von welchem die famosen „Enthüllungen“ ausgehen. Bei diesen Bestrebungen steht ihm namentlich der Redakteur des Feuilletons der „Neuen Preußischen Zeitung“ als Secretär des Vereins zur Seite. Es ist dies ein gewisser Hermann Gödsche, der seiner frühern Stellung als Postsekretär in Düsseldorf nicht eben mit Ehren enthoben ward, weil er dieselbe dazu benutzt hatte, an verschiedene Zeitungen Correspondenzanträge zu stellen, und ihnen den reaktionären Inhalt derselben dadurch annehmbarer zu machen, daß er sie ihnen auf Kosten der Steuerpflichtigen portofrei zusandte; der Preis war 10 Sgr. per Stück.
— Der erste größere Wahlbezirk hat gestern beim Ministerium
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Jürgen Herres: Konvertierung TUSTEP nach XML
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Weitere Informationen:Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 2 (Nummer 184 bis Nummer 301) Köln, 1. Januar 1849 bis 19. Mai 1849. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.
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