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Neue Rheinische Zeitung. Nr. 205. Köln, 26. Januar 1849.

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ging er denn dadurch Hochverrath? Gewiß ist die Steuerverweigerung eine Waffe, welche das Volk vor politischer Gewaltthat schützen kann, aber ein Verbrechen ist sie nicht. Wer seine Steuern nicht zahlt, wird gepfändet, ob er das eine oder andere will, steht lediglich bei ihm selbst, und nur erst durch thätliche Widersetzlichkeit bei der Pfändung wird ein Strafgesetz überschritten. Deshalb hat auch unser Landrecht, welches noch die Grundsätze Friedrich des Großen durchleuchten, auf die Steuerverweigerung keine Criminalstrafe gesetzt; selbst der vorsichtige Suarez konnte sich dies Verbrechen nicht denken. Die §§. 245 und 243 sprechen nur von der betrüglichen Vorenthaltung der dem Staate schuldigen Gefälle.

Nur eine schlimme Sophistik, welche selbst Justinian verschmähte, kann aus der Steuerverweigerung Hochverrath machen, weil sie den Hebel für eine gewaltsame Umwälzung der Staatsverfassung abgebe. Man muß gestehen, daß dieser Hebel sehr negativer Natur ist und der gewaltsamen Umwälzung der Verfassung von oben herab sich eben entgegen stemmen soll. Die Lehrer des konstitutionellen Staatsrechts, selbst Dahlmann, setzen es offen auseinander, daß die Steuerverweigerung einer ungesetzlich handelnden Regierung gegenüber die rechtmäßige Aeußerung des passiven Widerstandes sei. Das gerühmte Land der konstitutionellen Erbweisheit, England, hat seine Reform vor der landesverderblichen Habsucht des Adels nur durch die Steuerverweigerung gerettet. Endlich sind uns unzählige Beispiele und Rechtssätze aus der Geschichte vor dem Polizei-Staate des 17. Jahrhunderts überliefert, daß die Landesangehörigen den Beamten und Magistraten die Steuern verweigerten, wenn diese das Recht brechen wollten.

Im vorliegenden Falle war es ausgesprochen und so klar wie der Tag: daß die Steuerverweigerung nicht gegen die Verfassung, sondern lediglich gegen das Ministerium ging. Dieses brauchte nur abzutreten und die Steuern flossen sogleich wieder in die Kassen des Finanz-Ministers.

Der gedruckte Protokollauszug enthält ferner folgende Erklärung des Congresses:

Die Berliner National-Versammlung ist in Preußen augenblicklich unsere einzige gesetzliche und gesetzlich handelnde Behörde.

Mag man diese Erklärung deuten, wie man will, so enthält sie doch immer nicht mehr Werth und Bedeutung, als jedes andere politische Urtheil einer Versammlung von Staatsbürgern. Daß darin nichts gegen die Krone und Verfassung gesagt war, enthält aus dem Ausdrucke "Behörde", wie auch daraus, daß der Congreß selbst bei einem andern einstimmig angenommenen Antrage die Bürgerwehr zur Aufrechthaltung der verfassungsmäßigen Freiheit und der gesetzlichen Ordnung aufruft.

Uebrigens hat der Congreß in der That nichts anders erklären wollen und erklärt, als:

Die National-Versammlung zu Berlin ist augenblicklich unsere einzige gesetzlich handelnde Behörde in Preußen.

So ist der Antrag gestellt und so angenommen worden. Das Ministerium handle ungesetzlich, -- das und nichts anderes, was damals Ew. Excellenz, Bornemann und so viele andere aussprachen, wollte auch der Congreß aussprechen, freilich geschah es, was mit der Eile der Abfassung zu beschuldigen, in einem schlecht stylisirten Satze, und dieser hatte noch das Unglück, durch Zufall um einige durchstrichene und anders gefaßte Worte, nämlich, "einzig gesetzliche" vermehrt zu werden. Läßt man aber auch die Worte bestehen, wie der gedruckte Protocollauszug sie enthalt, so kann das "und" nur als kumulativ und der Satz nur dahin verstanden werden: die National-Versammlung sei damals augenblicklich die einzige gesetzliche Behörde gewesen, welche zugleich gesetzlich gehandelt habe.

Der Congreß nahm ferner folgenden Antrag an:

Einen Aufruf an die Soldaten im Heere zu erlassen, und diese darin aufzufordern, sich nicht zur Unterdrückung der Volksfreiheiten mißbrauchen zu lassen, zugleich die Familien aufzufordern, ihre im Heere dienenden Mitglieder über die Lage des Vaterlandes und ihre Pflichten aufzuklären.

Daß in diesem Aufrufe, der übrigens gar nicht erlassen ist, kein Hochverrath gelegen hätte, ist wohl offenbar.

Endlich beschloß der Congreß: Die Vereinigung aller Gemeinden, Vereine, Bürgerwehren u. s. w. Westfalens zu gemeinsamen Handeln für die Wahrung und Fortbildung der Rechte und Freiheiten des Volks; erwählte zu dem Ende einen Centralausschuß, der mit dem Congresse selbst keine Gemeinschaft mehr hatte, seine eigenen Beschlüsse aber in vier bekannten Zeitschriften veröffentlichen sollte und dessen in Münster wohnende Mitglieder für die Dauer der augenblicklichen gefährlichen Lage des Landes unbedingte Vollmacht für Aufforderungen zu allen natürlich gesetzlichen Handlungen, Adressen, Congressen u. s. w. haben sollten. Dieser Centralausschuß trat zwar niemals in Wirksamkeit, aber wenn er es gethan hätte, lag dann in der ihm zugewiesenen Thätigkeit und überhaupt in der ganzen Vereinigung irgend etwas Revolutionäres? Sollte der Gesammtverein nicht vielmehr eine durchaus gesetzliche und öffentliche Ausübung des Associationsrechtes darstellen?

Das sollen nun die hochverrätherischen Unternehmungen des Congresses sein. Seine übrigen Beschlüsse sind zu unschuldig, um hier noch erwähnt zu werden. Die angeführten aber sind an sich keine staatsgefährlichen Handlungen, und eben so wenig kann der gewohnliche Menschenverstand den bösen Willen in diesen Beschlüssen entdecken, durch dieselben die Staatsverfassung anzugreifen, oder gar gewaltsam umzuwälzen. Diese feindselige Absicht in die Seele der Congreßmitglieder hineinzubeweisen, würde wohl einen eben solchen Aufwand von juristischen Kunstgriffen erfordern, als es kinderleicht sein möchte, den Beweis des Volksglaubens zu liefern, das Ministerium Brandenburg begehe Hochverrath an den Rechten des Volks. Wohl aber halten es die Mitglieder des Congresses für ihr Recht und ihre heilige Pflicht, den Rechtsboden zu vertheidigen. Neben der früheren einzigen Staatsgewalt war durch die Gesetze vom 6. und 8. April v. J. eine andere als berechtigt anerkannt, deren Unterstützung in gesetzlicher Weise kein Vergehen sein konnte. Stellen wir die Gegensätze gerade zu heraus: Entweder gab es im November eine Staatsverfassung, dann beruhte sie auf den konstitutionellen Grundlagen mit der Maßgabe, daß Krone und National-Versammlung als zwei gleich berechtigte Mächte die nähern Formen und Einrichtungen vereinbarten, -- dann aber unternahm das Ministerium die gewaltsame Umwälzung der Verfassung, und die National-Versammlung und der westphälische Congreß vertheidigten sie ohne Gewaltsamkeit. Oder die Staatsverfassung ist erst durch die Annahme der oktroyirten Verfassungsurkunde vom 5. December hergestellt, -- dann war im November kein Hochverrath an der Staatsverfassung möglich.

Wenn nun auf so wichtige Anklagegründe sechszehn Männer plötzlich ihren Familien entrissen und in ungesunde Kerker geworfen werden, heißt das nicht das Associationsrecht zu einer Fabel machen? Wenn nun gar unter den vielen Congreßmitgliedern einige wenige herausgegriffen werden, wird da nicht dem Volke den Glauben aufgezwungen, nicht das Recht, sondern die Willkür der augenblicklich siegenden Partei verfolge die einflußreichen Männer der geschlagenen Partei? Wird nicht im Volke die verderbliche Furcht hervorgerufen, daß die Machthaber sich zwar der rohen Gewalt schämen, aber die Mißliebigen einer schleichenden Tortur überliefern, welche ihr Opfer erst wieder losläßt, wenn sie es geistig und körperlich zerstört hat? In der That ein Verfahren, wie man es sich gegen uns erlaubt hat, ist darnach angethan, das öffentliche Rechtsbewußtsein auszurotten, jede Mannesselbstständigkeit niederzuschlagen, und die Noth der Selbsthülfe und damit das Elend des Vaterlandes herauf zu beschwören.

Die Geschichte wird ihr ernstes Gericht halten über diese politische Verfolgungen, und dasjenige Preußen, welches Stein wollte, wird trotz der Unfreiheit dieser Tage auf seinen unzerstörbaren Grundlagen herrlich aufblühen und vorleuchten zu Deutschlands zweiter großen Epoche. Von Ew. Exzellenz aber, als dem obersten Anwalt des Rechts, dürfen wir verlangen und erwarten, daß die Krankheit, welche Preußen so lange befangen g[e]halten hat, nicht auch im Rechtsbewußtsein um sich fresse und daß jener Spruch eines preußischen Königs: die ungerechte Justiz schreit zum Himmel!sein Gewicht einlege auch für die politischen Gefangenen des Zuchthauses zu Münster.

Ew. Exc. können zwar die eingeleitete Untersuchung nicht mehr niederschlagen, womit uns auch wenig gedient sein würde. Aber wohl können Ew. Exzellenz verfügen, daß nicht vor dem Erkenntniße eine durchaus unbegründete schwere Strafe über uns verhängt werde. Kein objektiver Thatbestand ist vorhanden, um diese Haft nach der Kriminal-Ordnung zu rechtfertigen. Eine Verdunkelung des Thatbestandes ist, da alles von Anfang an öffentlich vorlag und nicht geleugnet wird, nicht denkbar. Eben so wenig ist bei den Verhältnissen der Verhafteten und bei der Lage dieses Prozesses eine Flucht zu befürchten.

Bei Ew. Exzellenz tragen wir daher eben so ehrerbietigst als dringend unsere Entlassung aus der Haft schleunigst verfügen zu wollen.

Wir verbinden damit unser erneuertes Perhorrescenzgesuch gegen das hiesige Oberlandesgericht. Wir haben bereits unter dem 18. Dezember dasselbe geschickt, erhielten aber, und zwar unter dem 10. Januar, einen auf Formmängel, welche wir bereits in der Sr. Exzellenz überreichten Ausführung wiederlegt haben, gestützten abschläglichen Bescheid. Dieser mußte in uns um so mehr ein trauriges Gefühl der Schutzlosigkeit hervorrufen, als jene Formmängel gegen den Oberlandesgerichts-Direktor Temme, der ebenfalls das hiesiige Oberlandesgericht in gleicher Art perhorrescirt hatte, nicht eingewandt waren. Jede neue Erfahrung drängt uns nun aber die Gewißheit auf, daß wir bei dem Oberlandesgerichte in Münster niemals Gerechtigkeit finden werden.

Dieses Gericht hat als politische Partei gehandelt und sich die richterliche Unabhängigkeit unmöglich gemacht. Dasselbe hat über seinen Direktor unmittelbar am Throne wegen der Steuerverweigerung das Urtheil ausgesprochen, daß er ein Rebell sei. Dasselbe hat seine Untergerichte durch öffentlichen Aufruf aufgefordert, politische Untersuchungen aufzubringen. Dasselbe hat durch die Verhaftung und Suspension seines Direktors eine politische Leidenschaftlichkeit oder Rechtsunkenntniß dargethan, über welche die öffentliche Meinung den Stab gebrochen hat. Dasselbe hat durch sein unerklärliches Dezimirungssystem der Congreßmitglieder die Verhafteten in der öffentlichen Meinung verdächtigt, aber auch sich selbst, sprechen wir es aus, in Verruf gebracht. Kein anderes preußisches Gericht endlich hat trotz der auffälligsten Beschlüsse von Magistraten, Gemeinden und Vereinen in der Steuerverweigerungsangelegenheit ein Verfahren eingeschlagen, wie das Münstersche Oberlandesgericht.

Außerdem aber ist aus triftigen persönlichen Gründen fast jedes Mitglied dieses Gerichtshofes einzeln von uns perhorrescirt, theils weil Mitglieder desselben Abgeordnete der Berliner National-Versammlung und durch die Beschlüsse des Congresses persönlich betroffen waren; theils weil sie einem eigenthümlichen Vereine angehören, der in wahrlich nicht beruhigenden Plakaten sich auf beleidigende Weise gegen die Congreßbestrebungen ausgesprochen hat, theils aus Feindschafts- und theils aus Verwandschafts-Rücksichten. Diese Perhorrescenzgründe sind Ew. Excellenz des Näheren bereits von uns angegeben.

Ew. Excellenz haben erklärt, daß über Temme nicht ein Gerichtshof erkennen dürfe, gegen welchen nur der Schein des Verdachts der Persönlichkeit vorliege. Das Oberlandesgericht zu Münster hat weit mehr gegen sich als den bloßen Schein der Parteilichkeit und wir sind angeschuldigt und verhaftet aus gleichen Gründen wie Temme.

Aus allem Diesem tragen wir bei Ew. Excellenz ebenfalls aus den dringendsten Ursachen darauf an:

unsere Perhorrescenzgesuche gegen das hiesige Oberlandesgericht Statt zu geben, und die Führung und Entscheidung unseres Prozesses dem gesetzlich substituirten Oberlandesgerichte zu Paderborn zu überweisen.

Münster, den 15. Januar 1849.

Franz Löher. Gierse. Groneweg. Reinhardt. Jacobi J. A. Hartmann. Blumenfeld. Keller. Gruwe. Graumann. Mirbach. Schmitz. Hammacher.

* Berlln, 23. Januar.

So weit sich das immer noch nicht vollständig ermittelte Resultat der gestrigen Wahlen beurtheilen läßt, ist die Stellung der Parteien die folgende: etwa 700 Wahlmänner gehören der entschiedenen demokratischen Partei an; etwa 270 lassen sich als linkes Centrum charakterisiren, werden aber zum großen Theil bei den Wahlen mit der äußersten Linken stimmen, so daß namentlich Waldeck durch Mithülfe dieser Partei Aussicht hat, in allen vier Wahlbezirken Berlins gewählt zu werden. Eben so stark ungefähr ist die Partei Harkort-Meusebach, vereinigt mit Dunker-Hase, d. h. Rechte und rechtes Centrum. Sie verfügen zusammen über höchstens 270 Stimmen. Ganz ultraroyalistisch und im Sinne des Preußen-Vereins sind etwa 80 Stimmen, wovon die meisten militärische. Unter die vier größeren Wahlbezirke vertheilen sich die Stimmen etwa so, daß in dem ersten, der 3 Abgeordnete zu wählen hat, Linke und linkes Centrum vereint 240 von den 438 Stimmen zu ihrer Disposition haben. Ueberhaupt ist dieser Bezirk derjenige, in dem das linke Centrum seine Stärke hat; dort können wir also neben Waldeck zwei blässere Namen erwarten, da die Männer des konstitutionellen Klubs zu den Wahlmännern gehören. In den drei andern Wahlbezirken ist die Majorität der demokratischen Partei "ohne alle Beimischung" sicher. Waldeck, Jacoby, Temme, Behrens sind die Namen, die dort aus der Wahlurne hervorgehen dürften. Ein ferneres allgemeines Resultat der Urwahlen ist die zahlreiche Vertretung des Handwerkerstandes. Die Wahlmänner dieser Klasse gehören mit ganz vereinzelten Ausnahmen der demokratischen Partei an, und wenn auch die von ihnen gehegten Wünsche einer Reform der gewerblichen Verhältnisse oft sehr unklarer Natur, und mitunter sogar von Gelüsten der Rückkehr zu mittelalterlichen Zuständen nicht ganz frei sind: so ist doch unleugbar in ihnen ein ganz brauchbares Element für die nothwendige politische Agitation der nächsten Zeit. Die Einsicht, daß selbst zur Geltendmachung ihrer Interessen nur in ganz freien staatlichen Formen die Möglichkeit vorhanden ist, bemächtigt sich ihrer immer mehr, und wird sie zu Anhängern und Stützen der Demokraten machen. Dasselbe gilt in noch höherem Grade, von den etwa 50 eigentlichen Arbeitern, welche auf die Wahlmännerlisten gelangt sind.

Der vergnügte Weinhändler Louis Drucker ist auch auf der Wahlmännerliste; die Herren Geheimräthe sind namentlich ob Louis Druckers Wahl außer sich vor Wuth, da er einen ihrer Lieblingskandidaten, den General-Postmeister Schaper, aus dem Felde schlug. Dafür haben aber auch diese Herren den Trost, daß ihre Partei, die sich spezifisch die Partei der Ordnung nennt, gestern in vielen Wahlversammlungen das Faustrecht in brutalster Weise geltend machte, und wo sie im Wahlkampfe unterlegen war, wenigstens im Faustkampfe den Sieg davon zu tragen suchte. Im Alexandrinenstraßen-Bezirk ging dies sogar so weit, daß die Wahl gestern nicht vollendet werden konnte.

Die an den Urwahlen nicht theilnehmenden Soldaten, waren bis 4 Uhr Nachm. in den Kasernen consignirt, mit Ausnahme von je 2 Gefreiten per Kompagnie, welche statt der bei den Wahlen betheiligten oder beschäftigten Constabler die Dienste der Sicherheitspolizei zu versehen hatten. -- Aus der Alexanderkaserne wird uns folgendes berichtet: Vor Beginn der Wahloperation trat ein Feldwebel auf und äußerte sich etwa folgendermaßen: Wir waren Bürger, ehe wir diesen Rock anzogen, und werden wieder Bürger, sobald wir ihn abgelegt haben; laßt uns daher auch nur Bürgerliche, keine Adligen, keine Offiziere wählen. In der That ward auch kein Offizier Wahlmann, sondern der erwähnte Feldwebel, der Kompagnieschreiber und der Militärarzt. -- Im 24. Regiment war der Sieg der reaktionären Wahlmänner gegenüber einer festorganisirten demokratischen Opposition ein so mühsam errungener, daß die Offiziere, als sie ihre Kandidaten durchgebracht hatten, in ein lautes jubelndes Hurrah ausbrachen. -- Den Abend schloß allgemeinster Weißbierjubel durch ganz Berlin.

Welches leichtbegreifliche Gewicht die Regierung darauf gelegt, möglichst rasch über den Ausgang der gestrigen Wahloperationen hierselbst Kenntniß zu erhalten, davon zeigt der Umstand, daß in jedem Wahlbezirk Constabler als Urwähler sich befanden und mit gedruckten, leicht auszufüllenden Schemas versehen waren, in denen die Gewählten nach ihrer Parteiklassifikation eingetragen werden sollten. Die dem Polizei-Präsidenten so zugegangenen Resumes wurden von demselben sofort dem König und den Minister zugesandt.

Wir erfahren aus guter Quelle, daß in einem heute Morgen gehaltenen Ministerrath in Folge des Ausgangs der gestrigen Wahlen beschlossen worden, den Belagerungszustand hier bis zum Zusammentritt der Kammern fortdauern zu lassen. Kurz vorher sollen die Gesetze über Beschränkung des Versammlungsrechts und der Preßfreiheit emanirt werden. Gleichzeitig soll dann das Kabinet insofern eine Modifikation erleiden, daß der zum Auftreten im Parlament gänzlich ungeeignete, jetzige Ministerpräsident Brandenburg austritt und durch Camphausen ersetzt wird. Manteuffel dagegen wird im Kabinet bleiben, um die von ihm vorbreiteten Gesetzvorlagen durchführen zu helfen. Aus so glaubwürdiger Hand uns auch diese Nachricht zugeht, müssen wir doch an Camphausens Eintritt in ein nicht von ihm gebildetes Kabinet zweifeln.

Seit vorgestern ist Arnold Ruge verhaftet, weil er dem gegen ihn erlassenen Ausweisungsdekret nicht Folge geleistet, sondern sich auf das von ihm schon im Oktober nachgesuchte Niederlassungsrecht berufen.

Nachträglich müssen wir auch noch einen gestern eingeschlichenen kleinen Irrthum berichtigen; Bürgermeister Naunyn ist im letzten Scrutinium und nur mit einer Stimme Majorität als Wahlmann gewählt worden. Dagegen fiel Rimpeler, als zu gemäßigt, gegenüber von sechs rein demokratisch gesinnten Kandidaten sechsmal durch. Ebenso gelang es auch dem berüchtigten Held nicht, mehr als 10 Stimmen für sich zu gewinnen.

X Berlin.

Aus Potsdam erfahren wir, daß dort etwa 80 Wahlmänner der demokratischen und 60 theils der conservativen, theils der reactionären Partei angehören; unter ersteren befindet sich auch der Justizrath Dortu. -- In Magdeburg sind 5/6 der Wahlmänner im Sinne der Coalition sämmtlicher Oppositionsnuancen gewählt worden. -- Breslau hat in überwiegender Majorität entschiedenst demokratisch gewählt. -- In Prenzlau gehören von 50 Wahlmännern 48 der liberalen Partei an.

9 Berlin, 23. Jan.

In der vorigen Woche hatten die Aristokraten glanzvolle Tage. Das Ordensfest ließ sie einen Augenblick glauben, die alte Macht sei noch nicht vorüber. Ich hatte das Vergnügen, einige alte Ordensritter zu bemerken, die mit rothen Backen und grünen Sträußen aus dem Schloßportale taumelten. Dagegen standen draußen einige Dutzend demokratische Proletarier, die ihrer Satyre keinen Zügel anlegten, und ohne Blume von einem neuen März-Frühling sich unterhielten.

In der heutigen Woche haben die Demokraten gute Tage. Die gestrigen Wahlen sind ein Zeugniß, daß der Belagerungszustand die demokratische Gesinnung der Spießbürger gekräftigt hat. Wie konnte es aber auch anders sein? Wir wollen nicht sagen, daß die albernen Kapuzinaden Harkorts und die abgedroschenen Manöver Meusebachs, oder die für die demokratische Partei recht vortheilhaften dummen "Enthüllungen" zu dem günstigen Ausfall der Wahlen beigetragen haben -- nein, wir schreiben diesen Erfolg einfach dem Belagerungszustande zu. Tu l'as voulu, George Dandin!

In einem Bezirke vor dem Potsdamer Thore (Geheimerathsviertel) wurde Waldeck von der demokratischen Partei als Wahlmann aufgestellt. Diese Partei war aber zu schwach, um ihren Candidaten durchzubringen, weil einige 20 Eisenbahnarbeiter (weshalb?) nicht erschienen waren. Nachdem die Sisyphusarbeit der Demokraten endlich doch vollendet war, brachten sie dem Waldeck ein lautes Hoch, und die Gegner erwiderten mit: Heil unserm König Heil! das aber durch energische, unästhetische Entgegnungen einiger Demokraten verstummt sein soll. -- Ein speichelleckerischer Hoflieferant unter den Linden hatte 25 Stück seiner auswärts arbeitenden Gesellen in seinem Bezirk einquartirt, um ihre Stimmen zu erhalten. Die Gesellen erschienen gestern richtig mit guten Vorsätzen, allein einige Collegen abordirten sie und sie stimmten alle gegen den Hoflieferanten. Da hilft kein Harkort und kein Meusebach -- die Proletarier erlangen mit der Zeit soviel Bewußtsein, sich nicht bestechen zu lassen, und dennoch -- --. -- In einem Bezirke der Königsstadt befand sich unter einigen hundert Demokraten ein einziger Reaktionär. Der Unglückliche wurde nolens volens an die Luft gesetzt.

068 Berlin, 21. Januar.

Der elektrische Telegraph zwischen hier und Frankfurt ist noch nicht fertig, obwohl man mit äußerster Anstrengung daran arbeitet. Die Vollendung desselben wird jedoch in nächster Woche erfolgen, so daß Berlin und Frankfurt so nahe gerückt werden, daß kein Zeitmoment der Entfernung dafür genannt werden kann. Es ist dabei das neue System des Lieutenant Siemens angewendet worden, das sich als vortrefflich bewährt. Die Dräthe, in Hülsen von Gutta-Percha, liegen einen Fuß tief unter dem Boden, laufen so lange es angeht zur Seite der Eisenbahnen und setzen sich von Eisenach aus unter der Sohle der Chausseen fort. Auch mit der zweiten Linie nach Köln ist man beschäftigt und wird diese bis zum Frühjahr vollendet haben.

Es ist kaum glaublich, wie groß die Menge von Personen ist, welche sich gegenwärtig in Beziehung auf die Vorgänge der letzten Monate wegen politischer Vergehen in Untersuchung befinden. In der Provinz sind diese Untersuchungen noch weit zahlreicher als in der Hauptstadt. So befinden sich z. B. fast sämmtliche männliche Einwohner der Stadt Dahme bei Jüterbogk in Untersuchung, weil dieselben bald nach den Märzereignissen ihren Bürgermeister eigenmächtig abgesetzt haben sollen. -- Auch ein Theil der Bürgerschaft zu Cremmen befindet sich wegen eines ähnlichen, noch aus den Märztagen stammenden Verfahrens gegen den dortigen Bürgermeister in Untersuchung. Ferner sind sämmtliche männliche Einwohner von vier in der Nähe von Wrietzen belegenen Dorfschaften, auf einige Hundert an der Zahl, von dem betreffenden Ortsgericht zu Zuchthausstrafe, welche bis zu 8 Jahren ansteigen, verurtheilt worden, weil sich dieselben in den Märztagen gegen die Gutsherrschaft aufgelehnt haben.

27 Berlin, 23 Januar.

Wie die Herren "Schwarzweißen" und gottbegnadeten Bourgeois bei den Wahlen zu verfahren hatten, verfahren sollten und zum großen Theil verfahren sind, ergiebt sich aus folgendem Rezept, das die neueste Nr. der "Galgenzeitung" aufstellt. Will man den Brandenburg-Manteufelschen, den ächt königlich-preußischen Geist kennen lernen, so studiere man ihn in den Spalten des genannten Hof-Organs. Dieses läßt sich also vernehmen:

"Männer wie Borsig, die notorisch Hunderte von Familien ernähren, waren in ihrem vollsten Recht, wenn sie offen und unumwunden ihren Untergebenen erklärten: da ich Euren Familien Brod schaffen soll, muß ich am Besten übersehen können, durch welche Mittel und unter welchen Zeitumständen mir dies möglich gemacht wird, ich muß deshalb in die Stellung kommen, wo ich dafür nach meiner Ueberzeugung wirken kann, es ist daher Eure Pflicht, mir Eure Stimme zu geben, und wer sie nicht gibt, tritt aus der Reihe derer, die ich zu beschäftigen und zu ernähren übernommen, denn er schmälert mir die Mittel zu diesem Zweck.

Träte man auf gleiche vernünftige und logische Weise, welche auf dem Grundgesetz der bürgerlichen Gesellschaft besirt, und ohne deren Anwendung die bürgerliche Gesellschaft nie bestehen kann, auf, statt mit einem unpraktischen und der Anarchie in die Hände arbeitenden Liberalismus zu prunken, so würde des Unheils weit weniger und die feste Ordnung bald wieder hergestellt sein, unter deren Schutz sich Jeder ruhig fühlt.

Aber auch auf ein anderes Thema müssen wir hierbei kommen und dies ohne weiteres offen zur Sprache bringen, denn es gilt jetzt den festen und energischen Kampf um das Wohl des Vaterlandes.

Es ist die Pflicht der gutgesinnten Parthei, welche die Ordnung im Vaterlande will, und nicht fortwährende unsinnige Proteste, die nur den Zustand der Anarchie zurückrufen können, fest zusammen zu halten. Dazu gehört, daß man Diejenigen, welche sich der Umsturzparthei zugewandt haben, und somit die Ruhe des Vaterlandes bedrohen, auf keinerlei Weise unterstützt. Die Constitutionellen müssen sich energisch vereinigen, nur mit Geschäfts- und Gewerbsleuten ihrer Partei zu verkehren; nur bei solchen zu kaufen, ihre Bestellungen zu machen, und sie zu unterstützen. Es ist dies eine Pflicht, die Jeder unserer Partei gegen den Andern hat. Die Wirkung wird nicht ausbleiben.

Die Erfahrung hat gerade hier in Berlin deutlich gezeigt, mit welcher schamlosen Undankbarkeit Leute, die vom Königlichen Hause sich reich gemästet haben, als die ärgsten Feinde des Königs sich gerirt haben und noch geriren, u. s. w."

(Das "Galgenblättchen" vergißt blos, daß das Königliche Haus Niemanden hätte "mästen" können, wenn es nicht selbst fortwäh-

ging er denn dadurch Hochverrath? Gewiß ist die Steuerverweigerung eine Waffe, welche das Volk vor politischer Gewaltthat schützen kann, aber ein Verbrechen ist sie nicht. Wer seine Steuern nicht zahlt, wird gepfändet, ob er das eine oder andere will, steht lediglich bei ihm selbst, und nur erst durch thätliche Widersetzlichkeit bei der Pfändung wird ein Strafgesetz überschritten. Deshalb hat auch unser Landrecht, welches noch die Grundsätze Friedrich des Großen durchleuchten, auf die Steuerverweigerung keine Criminalstrafe gesetzt; selbst der vorsichtige Suarez konnte sich dies Verbrechen nicht denken. Die §§. 245 und 243 sprechen nur von der betrüglichen Vorenthaltung der dem Staate schuldigen Gefälle.

Nur eine schlimme Sophistik, welche selbst Justinian verschmähte, kann aus der Steuerverweigerung Hochverrath machen, weil sie den Hebel für eine gewaltsame Umwälzung der Staatsverfassung abgebe. Man muß gestehen, daß dieser Hebel sehr negativer Natur ist und der gewaltsamen Umwälzung der Verfassung von oben herab sich eben entgegen stemmen soll. Die Lehrer des konstitutionellen Staatsrechts, selbst Dahlmann, setzen es offen auseinander, daß die Steuerverweigerung einer ungesetzlich handelnden Regierung gegenüber die rechtmäßige Aeußerung des passiven Widerstandes sei. Das gerühmte Land der konstitutionellen Erbweisheit, England, hat seine Reform vor der landesverderblichen Habsucht des Adels nur durch die Steuerverweigerung gerettet. Endlich sind uns unzählige Beispiele und Rechtssätze aus der Geschichte vor dem Polizei-Staate des 17. Jahrhunderts überliefert, daß die Landesangehörigen den Beamten und Magistraten die Steuern verweigerten, wenn diese das Recht brechen wollten.

Im vorliegenden Falle war es ausgesprochen und so klar wie der Tag: daß die Steuerverweigerung nicht gegen die Verfassung, sondern lediglich gegen das Ministerium ging. Dieses brauchte nur abzutreten und die Steuern flossen sogleich wieder in die Kassen des Finanz-Ministers.

Der gedruckte Protokollauszug enthält ferner folgende Erklärung des Congresses:

Die Berliner National-Versammlung ist in Preußen augenblicklich unsere einzige gesetzliche und gesetzlich handelnde Behörde.

Mag man diese Erklärung deuten, wie man will, so enthält sie doch immer nicht mehr Werth und Bedeutung, als jedes andere politische Urtheil einer Versammlung von Staatsbürgern. Daß darin nichts gegen die Krone und Verfassung gesagt war, enthält aus dem Ausdrucke „Behörde“, wie auch daraus, daß der Congreß selbst bei einem andern einstimmig angenommenen Antrage die Bürgerwehr zur Aufrechthaltung der verfassungsmäßigen Freiheit und der gesetzlichen Ordnung aufruft.

Uebrigens hat der Congreß in der That nichts anders erklären wollen und erklärt, als:

Die National-Versammlung zu Berlin ist augenblicklich unsere einzige gesetzlich handelnde Behörde in Preußen.

So ist der Antrag gestellt und so angenommen worden. Das Ministerium handle ungesetzlich, — das und nichts anderes, was damals Ew. Excellenz, Bornemann und so viele andere aussprachen, wollte auch der Congreß aussprechen, freilich geschah es, was mit der Eile der Abfassung zu beschuldigen, in einem schlecht stylisirten Satze, und dieser hatte noch das Unglück, durch Zufall um einige durchstrichene und anders gefaßte Worte, nämlich, „einzig gesetzliche“ vermehrt zu werden. Läßt man aber auch die Worte bestehen, wie der gedruckte Protocollauszug sie enthalt, so kann das „und“ nur als kumulativ und der Satz nur dahin verstanden werden: die National-Versammlung sei damals augenblicklich die einzige gesetzliche Behörde gewesen, welche zugleich gesetzlich gehandelt habe.

Der Congreß nahm ferner folgenden Antrag an:

Einen Aufruf an die Soldaten im Heere zu erlassen, und diese darin aufzufordern, sich nicht zur Unterdrückung der Volksfreiheiten mißbrauchen zu lassen, zugleich die Familien aufzufordern, ihre im Heere dienenden Mitglieder über die Lage des Vaterlandes und ihre Pflichten aufzuklären.

Daß in diesem Aufrufe, der übrigens gar nicht erlassen ist, kein Hochverrath gelegen hätte, ist wohl offenbar.

Endlich beschloß der Congreß: Die Vereinigung aller Gemeinden, Vereine, Bürgerwehren u. s. w. Westfalens zu gemeinsamen Handeln für die Wahrung und Fortbildung der Rechte und Freiheiten des Volks; erwählte zu dem Ende einen Centralausschuß, der mit dem Congresse selbst keine Gemeinschaft mehr hatte, seine eigenen Beschlüsse aber in vier bekannten Zeitschriften veröffentlichen sollte und dessen in Münster wohnende Mitglieder für die Dauer der augenblicklichen gefährlichen Lage des Landes unbedingte Vollmacht für Aufforderungen zu allen natürlich gesetzlichen Handlungen, Adressen, Congressen u. s. w. haben sollten. Dieser Centralausschuß trat zwar niemals in Wirksamkeit, aber wenn er es gethan hätte, lag dann in der ihm zugewiesenen Thätigkeit und überhaupt in der ganzen Vereinigung irgend etwas Revolutionäres? Sollte der Gesammtverein nicht vielmehr eine durchaus gesetzliche und öffentliche Ausübung des Associationsrechtes darstellen?

Das sollen nun die hochverrätherischen Unternehmungen des Congresses sein. Seine übrigen Beschlüsse sind zu unschuldig, um hier noch erwähnt zu werden. Die angeführten aber sind an sich keine staatsgefährlichen Handlungen, und eben so wenig kann der gewohnliche Menschenverstand den bösen Willen in diesen Beschlüssen entdecken, durch dieselben die Staatsverfassung anzugreifen, oder gar gewaltsam umzuwälzen. Diese feindselige Absicht in die Seele der Congreßmitglieder hineinzubeweisen, würde wohl einen eben solchen Aufwand von juristischen Kunstgriffen erfordern, als es kinderleicht sein möchte, den Beweis des Volksglaubens zu liefern, das Ministerium Brandenburg begehe Hochverrath an den Rechten des Volks. Wohl aber halten es die Mitglieder des Congresses für ihr Recht und ihre heilige Pflicht, den Rechtsboden zu vertheidigen. Neben der früheren einzigen Staatsgewalt war durch die Gesetze vom 6. und 8. April v. J. eine andere als berechtigt anerkannt, deren Unterstützung in gesetzlicher Weise kein Vergehen sein konnte. Stellen wir die Gegensätze gerade zu heraus: Entweder gab es im November eine Staatsverfassung, dann beruhte sie auf den konstitutionellen Grundlagen mit der Maßgabe, daß Krone und National-Versammlung als zwei gleich berechtigte Mächte die nähern Formen und Einrichtungen vereinbarten, — dann aber unternahm das Ministerium die gewaltsame Umwälzung der Verfassung, und die National-Versammlung und der westphälische Congreß vertheidigten sie ohne Gewaltsamkeit. Oder die Staatsverfassung ist erst durch die Annahme der oktroyirten Verfassungsurkunde vom 5. December hergestellt, — dann war im November kein Hochverrath an der Staatsverfassung möglich.

Wenn nun auf so wichtige Anklagegründe sechszehn Männer plötzlich ihren Familien entrissen und in ungesunde Kerker geworfen werden, heißt das nicht das Associationsrecht zu einer Fabel machen? Wenn nun gar unter den vielen Congreßmitgliedern einige wenige herausgegriffen werden, wird da nicht dem Volke den Glauben aufgezwungen, nicht das Recht, sondern die Willkür der augenblicklich siegenden Partei verfolge die einflußreichen Männer der geschlagenen Partei? Wird nicht im Volke die verderbliche Furcht hervorgerufen, daß die Machthaber sich zwar der rohen Gewalt schämen, aber die Mißliebigen einer schleichenden Tortur überliefern, welche ihr Opfer erst wieder losläßt, wenn sie es geistig und körperlich zerstört hat? In der That ein Verfahren, wie man es sich gegen uns erlaubt hat, ist darnach angethan, das öffentliche Rechtsbewußtsein auszurotten, jede Mannesselbstständigkeit niederzuschlagen, und die Noth der Selbsthülfe und damit das Elend des Vaterlandes herauf zu beschwören.

Die Geschichte wird ihr ernstes Gericht halten über diese politische Verfolgungen, und dasjenige Preußen, welches Stein wollte, wird trotz der Unfreiheit dieser Tage auf seinen unzerstörbaren Grundlagen herrlich aufblühen und vorleuchten zu Deutschlands zweiter großen Epoche. Von Ew. Exzellenz aber, als dem obersten Anwalt des Rechts, dürfen wir verlangen und erwarten, daß die Krankheit, welche Preußen so lange befangen g[e]halten hat, nicht auch im Rechtsbewußtsein um sich fresse und daß jener Spruch eines preußischen Königs: die ungerechte Justiz schreit zum Himmel!sein Gewicht einlege auch für die politischen Gefangenen des Zuchthauses zu Münster.

Ew. Exc. können zwar die eingeleitete Untersuchung nicht mehr niederschlagen, womit uns auch wenig gedient sein würde. Aber wohl können Ew. Exzellenz verfügen, daß nicht vor dem Erkenntniße eine durchaus unbegründete schwere Strafe über uns verhängt werde. Kein objektiver Thatbestand ist vorhanden, um diese Haft nach der Kriminal-Ordnung zu rechtfertigen. Eine Verdunkelung des Thatbestandes ist, da alles von Anfang an öffentlich vorlag und nicht geleugnet wird, nicht denkbar. Eben so wenig ist bei den Verhältnissen der Verhafteten und bei der Lage dieses Prozesses eine Flucht zu befürchten.

Bei Ew. Exzellenz tragen wir daher eben so ehrerbietigst als dringend unsere Entlassung aus der Haft schleunigst verfügen zu wollen.

Wir verbinden damit unser erneuertes Perhorrescenzgesuch gegen das hiesige Oberlandesgericht. Wir haben bereits unter dem 18. Dezember dasselbe geschickt, erhielten aber, und zwar unter dem 10. Januar, einen auf Formmängel, welche wir bereits in der Sr. Exzellenz überreichten Ausführung wiederlegt haben, gestützten abschläglichen Bescheid. Dieser mußte in uns um so mehr ein trauriges Gefühl der Schutzlosigkeit hervorrufen, als jene Formmängel gegen den Oberlandesgerichts-Direktor Temme, der ebenfalls das hiesiige Oberlandesgericht in gleicher Art perhorrescirt hatte, nicht eingewandt waren. Jede neue Erfahrung drängt uns nun aber die Gewißheit auf, daß wir bei dem Oberlandesgerichte in Münster niemals Gerechtigkeit finden werden.

Dieses Gericht hat als politische Partei gehandelt und sich die richterliche Unabhängigkeit unmöglich gemacht. Dasselbe hat über seinen Direktor unmittelbar am Throne wegen der Steuerverweigerung das Urtheil ausgesprochen, daß er ein Rebell sei. Dasselbe hat seine Untergerichte durch öffentlichen Aufruf aufgefordert, politische Untersuchungen aufzubringen. Dasselbe hat durch die Verhaftung und Suspension seines Direktors eine politische Leidenschaftlichkeit oder Rechtsunkenntniß dargethan, über welche die öffentliche Meinung den Stab gebrochen hat. Dasselbe hat durch sein unerklärliches Dezimirungssystem der Congreßmitglieder die Verhafteten in der öffentlichen Meinung verdächtigt, aber auch sich selbst, sprechen wir es aus, in Verruf gebracht. Kein anderes preußisches Gericht endlich hat trotz der auffälligsten Beschlüsse von Magistraten, Gemeinden und Vereinen in der Steuerverweigerungsangelegenheit ein Verfahren eingeschlagen, wie das Münstersche Oberlandesgericht.

Außerdem aber ist aus triftigen persönlichen Gründen fast jedes Mitglied dieses Gerichtshofes einzeln von uns perhorrescirt, theils weil Mitglieder desselben Abgeordnete der Berliner National-Versammlung und durch die Beschlüsse des Congresses persönlich betroffen waren; theils weil sie einem eigenthümlichen Vereine angehören, der in wahrlich nicht beruhigenden Plakaten sich auf beleidigende Weise gegen die Congreßbestrebungen ausgesprochen hat, theils aus Feindschafts- und theils aus Verwandschafts-Rücksichten. Diese Perhorrescenzgründe sind Ew. Excellenz des Näheren bereits von uns angegeben.

Ew. Excellenz haben erklärt, daß über Temme nicht ein Gerichtshof erkennen dürfe, gegen welchen nur der Schein des Verdachts der Persönlichkeit vorliege. Das Oberlandesgericht zu Münster hat weit mehr gegen sich als den bloßen Schein der Parteilichkeit und wir sind angeschuldigt und verhaftet aus gleichen Gründen wie Temme.

Aus allem Diesem tragen wir bei Ew. Excellenz ebenfalls aus den dringendsten Ursachen darauf an:

unsere Perhorrescenzgesuche gegen das hiesige Oberlandesgericht Statt zu geben, und die Führung und Entscheidung unseres Prozesses dem gesetzlich substituirten Oberlandesgerichte zu Paderborn zu überweisen.

Münster, den 15. Januar 1849.

Franz Löher. Gierse. Groneweg. Reinhardt. Jacobi J. A. Hartmann. Blumenfeld. Keller. Gruwe. Graumann. Mirbach. Schmitz. Hammacher.

* Berlln, 23. Januar.

So weit sich das immer noch nicht vollständig ermittelte Resultat der gestrigen Wahlen beurtheilen läßt, ist die Stellung der Parteien die folgende: etwa 700 Wahlmänner gehören der entschiedenen demokratischen Partei an; etwa 270 lassen sich als linkes Centrum charakterisiren, werden aber zum großen Theil bei den Wahlen mit der äußersten Linken stimmen, so daß namentlich Waldeck durch Mithülfe dieser Partei Aussicht hat, in allen vier Wahlbezirken Berlins gewählt zu werden. Eben so stark ungefähr ist die Partei Harkort-Meusebach, vereinigt mit Dunker-Hase, d. h. Rechte und rechtes Centrum. Sie verfügen zusammen über höchstens 270 Stimmen. Ganz ultraroyalistisch und im Sinne des Preußen-Vereins sind etwa 80 Stimmen, wovon die meisten militärische. Unter die vier größeren Wahlbezirke vertheilen sich die Stimmen etwa so, daß in dem ersten, der 3 Abgeordnete zu wählen hat, Linke und linkes Centrum vereint 240 von den 438 Stimmen zu ihrer Disposition haben. Ueberhaupt ist dieser Bezirk derjenige, in dem das linke Centrum seine Stärke hat; dort können wir also neben Waldeck zwei blässere Namen erwarten, da die Männer des konstitutionellen Klubs zu den Wahlmännern gehören. In den drei andern Wahlbezirken ist die Majorität der demokratischen Partei „ohne alle Beimischung“ sicher. Waldeck, Jacoby, Temme, Behrens sind die Namen, die dort aus der Wahlurne hervorgehen dürften. Ein ferneres allgemeines Resultat der Urwahlen ist die zahlreiche Vertretung des Handwerkerstandes. Die Wahlmänner dieser Klasse gehören mit ganz vereinzelten Ausnahmen der demokratischen Partei an, und wenn auch die von ihnen gehegten Wünsche einer Reform der gewerblichen Verhältnisse oft sehr unklarer Natur, und mitunter sogar von Gelüsten der Rückkehr zu mittelalterlichen Zuständen nicht ganz frei sind: so ist doch unleugbar in ihnen ein ganz brauchbares Element für die nothwendige politische Agitation der nächsten Zeit. Die Einsicht, daß selbst zur Geltendmachung ihrer Interessen nur in ganz freien staatlichen Formen die Möglichkeit vorhanden ist, bemächtigt sich ihrer immer mehr, und wird sie zu Anhängern und Stützen der Demokraten machen. Dasselbe gilt in noch höherem Grade, von den etwa 50 eigentlichen Arbeitern, welche auf die Wahlmännerlisten gelangt sind.

Der vergnügte Weinhändler Louis Drucker ist auch auf der Wahlmännerliste; die Herren Geheimräthe sind namentlich ob Louis Druckers Wahl außer sich vor Wuth, da er einen ihrer Lieblingskandidaten, den General-Postmeister Schaper, aus dem Felde schlug. Dafür haben aber auch diese Herren den Trost, daß ihre Partei, die sich spezifisch die Partei der Ordnung nennt, gestern in vielen Wahlversammlungen das Faustrecht in brutalster Weise geltend machte, und wo sie im Wahlkampfe unterlegen war, wenigstens im Faustkampfe den Sieg davon zu tragen suchte. Im Alexandrinenstraßen-Bezirk ging dies sogar so weit, daß die Wahl gestern nicht vollendet werden konnte.

Die an den Urwahlen nicht theilnehmenden Soldaten, waren bis 4 Uhr Nachm. in den Kasernen consignirt, mit Ausnahme von je 2 Gefreiten per Kompagnie, welche statt der bei den Wahlen betheiligten oder beschäftigten Constabler die Dienste der Sicherheitspolizei zu versehen hatten. — Aus der Alexanderkaserne wird uns folgendes berichtet: Vor Beginn der Wahloperation trat ein Feldwebel auf und äußerte sich etwa folgendermaßen: Wir waren Bürger, ehe wir diesen Rock anzogen, und werden wieder Bürger, sobald wir ihn abgelegt haben; laßt uns daher auch nur Bürgerliche, keine Adligen, keine Offiziere wählen. In der That ward auch kein Offizier Wahlmann, sondern der erwähnte Feldwebel, der Kompagnieschreiber und der Militärarzt. — Im 24. Regiment war der Sieg der reaktionären Wahlmänner gegenüber einer festorganisirten demokratischen Opposition ein so mühsam errungener, daß die Offiziere, als sie ihre Kandidaten durchgebracht hatten, in ein lautes jubelndes Hurrah ausbrachen. — Den Abend schloß allgemeinster Weißbierjubel durch ganz Berlin.

Welches leichtbegreifliche Gewicht die Regierung darauf gelegt, möglichst rasch über den Ausgang der gestrigen Wahloperationen hierselbst Kenntniß zu erhalten, davon zeigt der Umstand, daß in jedem Wahlbezirk Constabler als Urwähler sich befanden und mit gedruckten, leicht auszufüllenden Schemas versehen waren, in denen die Gewählten nach ihrer Parteiklassifikation eingetragen werden sollten. Die dem Polizei-Präsidenten so zugegangenen Resumes wurden von demselben sofort dem König und den Minister zugesandt.

Wir erfahren aus guter Quelle, daß in einem heute Morgen gehaltenen Ministerrath in Folge des Ausgangs der gestrigen Wahlen beschlossen worden, den Belagerungszustand hier bis zum Zusammentritt der Kammern fortdauern zu lassen. Kurz vorher sollen die Gesetze über Beschränkung des Versammlungsrechts und der Preßfreiheit emanirt werden. Gleichzeitig soll dann das Kabinet insofern eine Modifikation erleiden, daß der zum Auftreten im Parlament gänzlich ungeeignete, jetzige Ministerpräsident Brandenburg austritt und durch Camphausen ersetzt wird. Manteuffel dagegen wird im Kabinet bleiben, um die von ihm vorbreiteten Gesetzvorlagen durchführen zu helfen. Aus so glaubwürdiger Hand uns auch diese Nachricht zugeht, müssen wir doch an Camphausens Eintritt in ein nicht von ihm gebildetes Kabinet zweifeln.

Seit vorgestern ist Arnold Ruge verhaftet, weil er dem gegen ihn erlassenen Ausweisungsdekret nicht Folge geleistet, sondern sich auf das von ihm schon im Oktober nachgesuchte Niederlassungsrecht berufen.

Nachträglich müssen wir auch noch einen gestern eingeschlichenen kleinen Irrthum berichtigen; Bürgermeister Naunyn ist im letzten Scrutinium und nur mit einer Stimme Majorität als Wahlmann gewählt worden. Dagegen fiel Rimpeler, als zu gemäßigt, gegenüber von sechs rein demokratisch gesinnten Kandidaten sechsmal durch. Ebenso gelang es auch dem berüchtigten Held nicht, mehr als 10 Stimmen für sich zu gewinnen.

X Berlin.

Aus Potsdam erfahren wir, daß dort etwa 80 Wahlmänner der demokratischen und 60 theils der conservativen, theils der reactionären Partei angehören; unter ersteren befindet sich auch der Justizrath Dortu. — In Magdeburg sind 5/6 der Wahlmänner im Sinne der Coalition sämmtlicher Oppositionsnuancen gewählt worden. — Breslau hat in überwiegender Majorität entschiedenst demokratisch gewählt. — In Prenzlau gehören von 50 Wahlmännern 48 der liberalen Partei an.

9 Berlin, 23. Jan.

In der vorigen Woche hatten die Aristokraten glanzvolle Tage. Das Ordensfest ließ sie einen Augenblick glauben, die alte Macht sei noch nicht vorüber. Ich hatte das Vergnügen, einige alte Ordensritter zu bemerken, die mit rothen Backen und grünen Sträußen aus dem Schloßportale taumelten. Dagegen standen draußen einige Dutzend demokratische Proletarier, die ihrer Satyre keinen Zügel anlegten, und ohne Blume von einem neuen März-Frühling sich unterhielten.

In der heutigen Woche haben die Demokraten gute Tage. Die gestrigen Wahlen sind ein Zeugniß, daß der Belagerungszustand die demokratische Gesinnung der Spießbürger gekräftigt hat. Wie konnte es aber auch anders sein? Wir wollen nicht sagen, daß die albernen Kapuzinaden Harkorts und die abgedroschenen Manöver Meusebachs, oder die für die demokratische Partei recht vortheilhaften dummen „Enthüllungen“ zu dem günstigen Ausfall der Wahlen beigetragen haben — nein, wir schreiben diesen Erfolg einfach dem Belagerungszustande zu. Tu l'as voulu, George Dandin!

In einem Bezirke vor dem Potsdamer Thore (Geheimerathsviertel) wurde Waldeck von der demokratischen Partei als Wahlmann aufgestellt. Diese Partei war aber zu schwach, um ihren Candidaten durchzubringen, weil einige 20 Eisenbahnarbeiter (weshalb?) nicht erschienen waren. Nachdem die Sisyphusarbeit der Demokraten endlich doch vollendet war, brachten sie dem Waldeck ein lautes Hoch, und die Gegner erwiderten mit: Heil unserm König Heil! das aber durch energische, unästhetische Entgegnungen einiger Demokraten verstummt sein soll. — Ein speichelleckerischer Hoflieferant unter den Linden hatte 25 Stück seiner auswärts arbeitenden Gesellen in seinem Bezirk einquartirt, um ihre Stimmen zu erhalten. Die Gesellen erschienen gestern richtig mit guten Vorsätzen, allein einige Collegen abordirten sie und sie stimmten alle gegen den Hoflieferanten. Da hilft kein Harkort und kein Meusebach — die Proletarier erlangen mit der Zeit soviel Bewußtsein, sich nicht bestechen zu lassen, und dennoch — —. — In einem Bezirke der Königsstadt befand sich unter einigen hundert Demokraten ein einziger Reaktionär. Der Unglückliche wurde nolens volens an die Luft gesetzt.

068 Berlin, 21. Januar.

Der elektrische Telegraph zwischen hier und Frankfurt ist noch nicht fertig, obwohl man mit äußerster Anstrengung daran arbeitet. Die Vollendung desselben wird jedoch in nächster Woche erfolgen, so daß Berlin und Frankfurt so nahe gerückt werden, daß kein Zeitmoment der Entfernung dafür genannt werden kann. Es ist dabei das neue System des Lieutenant Siemens angewendet worden, das sich als vortrefflich bewährt. Die Dräthe, in Hülsen von Gutta-Percha, liegen einen Fuß tief unter dem Boden, laufen so lange es angeht zur Seite der Eisenbahnen und setzen sich von Eisenach aus unter der Sohle der Chausseen fort. Auch mit der zweiten Linie nach Köln ist man beschäftigt und wird diese bis zum Frühjahr vollendet haben.

Es ist kaum glaublich, wie groß die Menge von Personen ist, welche sich gegenwärtig in Beziehung auf die Vorgänge der letzten Monate wegen politischer Vergehen in Untersuchung befinden. In der Provinz sind diese Untersuchungen noch weit zahlreicher als in der Hauptstadt. So befinden sich z. B. fast sämmtliche männliche Einwohner der Stadt Dahme bei Jüterbogk in Untersuchung, weil dieselben bald nach den Märzereignissen ihren Bürgermeister eigenmächtig abgesetzt haben sollen. — Auch ein Theil der Bürgerschaft zu Cremmen befindet sich wegen eines ähnlichen, noch aus den Märztagen stammenden Verfahrens gegen den dortigen Bürgermeister in Untersuchung. Ferner sind sämmtliche männliche Einwohner von vier in der Nähe von Wrietzen belegenen Dorfschaften, auf einige Hundert an der Zahl, von dem betreffenden Ortsgericht zu Zuchthausstrafe, welche bis zu 8 Jahren ansteigen, verurtheilt worden, weil sich dieselben in den Märztagen gegen die Gutsherrschaft aufgelehnt haben.

27 Berlin, 23 Januar.

Wie die Herren „Schwarzweißen“ und gottbegnadeten Bourgeois bei den Wahlen zu verfahren hatten, verfahren sollten und zum großen Theil verfahren sind, ergiebt sich aus folgendem Rezept, das die neueste Nr. der „Galgenzeitung“ aufstellt. Will man den Brandenburg-Manteufelschen, den ächt königlich-preußischen Geist kennen lernen, so studiere man ihn in den Spalten des genannten Hof-Organs. Dieses läßt sich also vernehmen:

„Männer wie Borsig, die notorisch Hunderte von Familien ernähren, waren in ihrem vollsten Recht, wenn sie offen und unumwunden ihren Untergebenen erklärten: da ich Euren Familien Brod schaffen soll, muß ich am Besten übersehen können, durch welche Mittel und unter welchen Zeitumständen mir dies möglich gemacht wird, ich muß deshalb in die Stellung kommen, wo ich dafür nach meiner Ueberzeugung wirken kann, es ist daher Eure Pflicht, mir Eure Stimme zu geben, und wer sie nicht gibt, tritt aus der Reihe derer, die ich zu beschäftigen und zu ernähren übernommen, denn er schmälert mir die Mittel zu diesem Zweck.

Träte man auf gleiche vernünftige und logische Weise, welche auf dem Grundgesetz der bürgerlichen Gesellschaft besirt, und ohne deren Anwendung die bürgerliche Gesellschaft nie bestehen kann, auf, statt mit einem unpraktischen und der Anarchie in die Hände arbeitenden Liberalismus zu prunken, so würde des Unheils weit weniger und die feste Ordnung bald wieder hergestellt sein, unter deren Schutz sich Jeder ruhig fühlt.

Aber auch auf ein anderes Thema müssen wir hierbei kommen und dies ohne weiteres offen zur Sprache bringen, denn es gilt jetzt den festen und energischen Kampf um das Wohl des Vaterlandes.

Es ist die Pflicht der gutgesinnten Parthei, welche die Ordnung im Vaterlande will, und nicht fortwährende unsinnige Proteste, die nur den Zustand der Anarchie zurückrufen können, fest zusammen zu halten. Dazu gehört, daß man Diejenigen, welche sich der Umsturzparthei zugewandt haben, und somit die Ruhe des Vaterlandes bedrohen, auf keinerlei Weise unterstützt. Die Constitutionellen müssen sich energisch vereinigen, nur mit Geschäfts- und Gewerbsleuten ihrer Partei zu verkehren; nur bei solchen zu kaufen, ihre Bestellungen zu machen, und sie zu unterstützen. Es ist dies eine Pflicht, die Jeder unserer Partei gegen den Andern hat. Die Wirkung wird nicht ausbleiben.

Die Erfahrung hat gerade hier in Berlin deutlich gezeigt, mit welcher schamlosen Undankbarkeit Leute, die vom Königlichen Hause sich reich gemästet haben, als die ärgsten Feinde des Königs sich gerirt haben und noch geriren, u. s. w.“

(Das „Galgenblättchen“ vergißt blos, daß das Königliche Haus Niemanden hätte „mästen“ können, wenn es nicht selbst fortwäh-

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ging er denn dadurch Hochverrath? Gewiß ist die Steuerverweigerung eine Waffe, welche das Volk vor politischer Gewaltthat schützen kann, aber ein Verbrechen ist sie nicht. Wer seine Steuern nicht zahlt, wird gepfändet, ob er das eine oder andere will, steht lediglich bei ihm selbst, und nur erst durch thätliche Widersetzlichkeit bei der Pfändung wird ein Strafgesetz überschritten. Deshalb hat auch unser Landrecht, welches noch die Grundsätze Friedrich des Großen durchleuchten, auf die Steuerverweigerung keine Criminalstrafe gesetzt; selbst der vorsichtige Suarez konnte sich dies Verbrechen nicht denken. Die §§. 245 und 243 sprechen nur von der betrüglichen Vorenthaltung der dem Staate schuldigen Gefälle.</p>
          <p>Nur eine schlimme Sophistik, welche selbst Justinian verschmähte, kann aus der Steuerverweigerung Hochverrath machen, weil sie den Hebel für eine gewaltsame Umwälzung der Staatsverfassung abgebe. Man muß gestehen, daß dieser Hebel sehr negativer Natur ist und der gewaltsamen Umwälzung der Verfassung von oben herab sich eben entgegen stemmen soll. Die Lehrer des konstitutionellen Staatsrechts, selbst Dahlmann, setzen es offen auseinander, daß die Steuerverweigerung einer ungesetzlich handelnden Regierung gegenüber die rechtmäßige Aeußerung des passiven Widerstandes sei. Das gerühmte Land der konstitutionellen Erbweisheit, England, hat seine Reform vor der landesverderblichen Habsucht des Adels nur durch die Steuerverweigerung gerettet. Endlich sind uns unzählige Beispiele und Rechtssätze aus der Geschichte vor dem Polizei-Staate des 17. Jahrhunderts überliefert, daß die Landesangehörigen den Beamten und Magistraten die Steuern verweigerten, wenn diese das Recht brechen wollten.</p>
          <p>Im vorliegenden Falle war es ausgesprochen und so klar wie der Tag: daß die Steuerverweigerung nicht gegen die Verfassung, sondern lediglich gegen das Ministerium ging. Dieses brauchte nur abzutreten und die Steuern flossen sogleich wieder in die Kassen des Finanz-Ministers.</p>
          <p>Der gedruckte Protokollauszug enthält ferner folgende Erklärung des Congresses:</p>
          <p rendition="#et">Die Berliner National-Versammlung ist in Preußen augenblicklich unsere einzige gesetzliche und gesetzlich handelnde Behörde.</p>
          <p>Mag man diese Erklärung deuten, wie man will, so enthält sie doch immer nicht mehr Werth und Bedeutung, als jedes andere politische Urtheil einer Versammlung von Staatsbürgern. Daß darin nichts gegen die Krone und Verfassung gesagt war, enthält aus dem Ausdrucke &#x201E;Behörde&#x201C;, wie auch daraus, daß der Congreß selbst bei einem andern einstimmig angenommenen Antrage die Bürgerwehr zur Aufrechthaltung der verfassungsmäßigen Freiheit und der gesetzlichen Ordnung aufruft.</p>
          <p>Uebrigens hat der Congreß in der That nichts anders erklären wollen und erklärt, als:</p>
          <p rendition="#et">Die National-Versammlung zu Berlin ist augenblicklich unsere einzige gesetzlich handelnde Behörde in Preußen.</p>
          <p>So ist der Antrag gestellt und so angenommen worden. Das Ministerium handle ungesetzlich, &#x2014; das und nichts anderes, was damals Ew. Excellenz, Bornemann und so viele andere aussprachen, wollte auch der Congreß aussprechen, freilich geschah es, was mit der Eile der Abfassung zu beschuldigen, in einem schlecht stylisirten Satze, und dieser hatte noch das Unglück, durch Zufall um einige durchstrichene und anders gefaßte Worte, nämlich, &#x201E;einzig gesetzliche&#x201C; vermehrt zu werden. Läßt man aber auch die Worte bestehen, wie der gedruckte Protocollauszug sie enthalt, so kann das &#x201E;und&#x201C; nur als kumulativ und der Satz nur dahin verstanden werden: die National-Versammlung sei damals augenblicklich die einzige gesetzliche Behörde gewesen, welche zugleich gesetzlich gehandelt habe.</p>
          <p>Der Congreß nahm ferner folgenden Antrag an:</p>
          <p rendition="#et">Einen Aufruf an die Soldaten im Heere zu erlassen, und diese darin aufzufordern, sich nicht zur Unterdrückung der Volksfreiheiten mißbrauchen zu lassen, zugleich die Familien aufzufordern, ihre im Heere dienenden Mitglieder über die Lage des Vaterlandes und ihre Pflichten aufzuklären.</p>
          <p>Daß in diesem Aufrufe, der übrigens gar nicht erlassen ist, kein Hochverrath gelegen hätte, ist wohl offenbar.</p>
          <p>Endlich beschloß der Congreß: <hi rendition="#et">Die Vereinigung aller Gemeinden, Vereine, Bürgerwehren u. s. w. Westfalens zu gemeinsamen Handeln für die Wahrung und Fortbildung der Rechte und Freiheiten des Volks;</hi> erwählte zu dem Ende einen Centralausschuß, der mit dem Congresse selbst keine Gemeinschaft mehr hatte, seine eigenen Beschlüsse aber in vier bekannten Zeitschriften veröffentlichen sollte und dessen in Münster wohnende Mitglieder für die Dauer der augenblicklichen gefährlichen Lage des Landes unbedingte Vollmacht für Aufforderungen zu allen natürlich gesetzlichen Handlungen, Adressen, Congressen u. s. w. haben sollten. Dieser Centralausschuß trat zwar niemals in Wirksamkeit, aber wenn er es gethan hätte, lag dann in der ihm zugewiesenen Thätigkeit und überhaupt in der ganzen Vereinigung irgend etwas Revolutionäres? Sollte der Gesammtverein nicht vielmehr eine durchaus gesetzliche und öffentliche Ausübung des Associationsrechtes darstellen?</p>
          <p>Das sollen nun die hochverrätherischen Unternehmungen des Congresses sein. Seine übrigen Beschlüsse sind zu unschuldig, um hier noch erwähnt zu werden. Die angeführten aber sind an sich keine staatsgefährlichen Handlungen, und eben so wenig kann der gewohnliche Menschenverstand den bösen Willen in diesen Beschlüssen entdecken, durch dieselben die Staatsverfassung anzugreifen, oder gar gewaltsam umzuwälzen. Diese feindselige Absicht in die Seele der Congreßmitglieder hineinzubeweisen, würde wohl einen eben solchen Aufwand von juristischen Kunstgriffen erfordern, als es kinderleicht sein möchte, den Beweis des Volksglaubens zu liefern, das Ministerium Brandenburg begehe Hochverrath an den Rechten des Volks. Wohl aber halten es die Mitglieder des Congresses für ihr Recht und ihre heilige Pflicht, den Rechtsboden zu vertheidigen. Neben der früheren einzigen Staatsgewalt war durch die Gesetze vom 6. und 8. April v. J. eine andere als berechtigt anerkannt, deren Unterstützung in gesetzlicher Weise kein Vergehen sein konnte. Stellen wir die Gegensätze gerade zu heraus: Entweder gab es im November eine Staatsverfassung, dann beruhte sie auf den konstitutionellen Grundlagen mit der Maßgabe, daß Krone und National-Versammlung als zwei gleich berechtigte Mächte die nähern Formen und Einrichtungen vereinbarten, &#x2014; dann aber unternahm das Ministerium die gewaltsame Umwälzung der Verfassung, und die National-Versammlung und der westphälische Congreß vertheidigten sie ohne Gewaltsamkeit. Oder die Staatsverfassung ist erst durch die Annahme der oktroyirten Verfassungsurkunde vom 5. December hergestellt, &#x2014; dann war im November kein Hochverrath an der Staatsverfassung möglich.</p>
          <p>Wenn nun auf so wichtige Anklagegründe sechszehn Männer plötzlich ihren Familien entrissen und in ungesunde Kerker geworfen werden, heißt das nicht das Associationsrecht zu einer Fabel machen? Wenn nun gar unter den vielen Congreßmitgliedern einige wenige herausgegriffen werden, wird da nicht dem Volke den Glauben aufgezwungen, nicht das Recht, sondern die Willkür der augenblicklich siegenden Partei verfolge die einflußreichen Männer der geschlagenen Partei? Wird nicht im Volke die verderbliche Furcht hervorgerufen, daß die Machthaber sich zwar der rohen Gewalt schämen, aber die Mißliebigen einer schleichenden Tortur überliefern, welche ihr Opfer erst wieder losläßt, wenn sie es geistig und körperlich zerstört hat? In der That ein Verfahren, wie man es sich gegen uns erlaubt hat, ist darnach angethan, das öffentliche Rechtsbewußtsein auszurotten, jede Mannesselbstständigkeit niederzuschlagen, und die Noth der Selbsthülfe und damit das Elend des Vaterlandes herauf zu beschwören.</p>
          <p>Die Geschichte wird ihr ernstes Gericht halten über diese politische Verfolgungen, und dasjenige Preußen, welches Stein wollte, wird trotz der Unfreiheit dieser Tage auf seinen unzerstörbaren Grundlagen herrlich aufblühen und vorleuchten zu Deutschlands zweiter großen Epoche. Von Ew. Exzellenz aber, als dem obersten Anwalt des Rechts, dürfen wir verlangen und erwarten, daß die Krankheit, welche Preußen so lange befangen g[e]halten hat, nicht auch im Rechtsbewußtsein um sich fresse und daß jener Spruch eines preußischen Königs: <hi rendition="#et">die ungerechte Justiz schreit zum Himmel!</hi>sein Gewicht einlege auch für die politischen Gefangenen des Zuchthauses zu Münster.</p>
          <p>Ew. Exc. können zwar die eingeleitete Untersuchung nicht mehr niederschlagen, womit uns auch wenig gedient sein würde. Aber wohl können Ew. Exzellenz verfügen, daß nicht vor dem Erkenntniße eine durchaus unbegründete schwere Strafe über uns verhängt werde. Kein objektiver Thatbestand ist vorhanden, um diese Haft nach der Kriminal-Ordnung zu rechtfertigen. Eine Verdunkelung des Thatbestandes ist, da alles von Anfang an öffentlich vorlag und nicht geleugnet wird, nicht denkbar. Eben so wenig ist bei den Verhältnissen der Verhafteten und bei der Lage dieses Prozesses eine Flucht zu befürchten.</p>
          <p>Bei Ew. Exzellenz tragen wir daher eben so ehrerbietigst als dringend unsere Entlassung aus der Haft schleunigst verfügen zu wollen.</p>
          <p>Wir verbinden damit unser erneuertes Perhorrescenzgesuch gegen das hiesige Oberlandesgericht. Wir haben bereits unter dem 18. Dezember dasselbe geschickt, erhielten aber, und zwar unter dem 10. Januar, einen auf Formmängel, welche wir bereits in der Sr. Exzellenz überreichten Ausführung wiederlegt haben, gestützten abschläglichen Bescheid. Dieser mußte in uns um so mehr ein trauriges Gefühl der Schutzlosigkeit hervorrufen, als jene Formmängel gegen den Oberlandesgerichts-Direktor Temme, der ebenfalls das hiesiige Oberlandesgericht in gleicher Art perhorrescirt hatte, nicht eingewandt waren. Jede neue Erfahrung drängt uns nun aber die Gewißheit auf, daß wir bei dem Oberlandesgerichte in Münster niemals Gerechtigkeit finden werden.</p>
          <p>Dieses Gericht hat als politische Partei gehandelt und sich die richterliche Unabhängigkeit unmöglich gemacht. Dasselbe hat über seinen Direktor unmittelbar am Throne wegen der Steuerverweigerung das Urtheil ausgesprochen, daß er ein Rebell sei. Dasselbe hat seine Untergerichte durch öffentlichen Aufruf aufgefordert, politische Untersuchungen aufzubringen. Dasselbe hat durch die Verhaftung und Suspension seines Direktors eine politische Leidenschaftlichkeit oder Rechtsunkenntniß dargethan, über welche die öffentliche Meinung den Stab gebrochen hat. Dasselbe hat durch sein unerklärliches Dezimirungssystem der Congreßmitglieder die Verhafteten in der öffentlichen Meinung verdächtigt, aber auch sich selbst, sprechen wir es aus, in Verruf gebracht. Kein anderes preußisches Gericht endlich hat trotz der auffälligsten Beschlüsse von Magistraten, Gemeinden und Vereinen in der Steuerverweigerungsangelegenheit ein Verfahren eingeschlagen, wie das Münstersche Oberlandesgericht.</p>
          <p>Außerdem aber ist aus triftigen persönlichen Gründen fast jedes Mitglied dieses Gerichtshofes einzeln von uns perhorrescirt, theils weil Mitglieder desselben Abgeordnete der Berliner National-Versammlung und durch die Beschlüsse des Congresses persönlich betroffen waren; theils weil sie einem eigenthümlichen Vereine angehören, der in wahrlich nicht beruhigenden Plakaten sich auf beleidigende Weise gegen die Congreßbestrebungen ausgesprochen hat, theils aus Feindschafts- und theils aus Verwandschafts-Rücksichten. Diese Perhorrescenzgründe sind Ew. Excellenz des Näheren bereits von uns angegeben.</p>
          <p>Ew. Excellenz haben erklärt, daß über Temme nicht ein Gerichtshof erkennen dürfe, gegen welchen nur der Schein des Verdachts der Persönlichkeit vorliege. Das Oberlandesgericht zu Münster hat weit mehr gegen sich als den bloßen Schein der Parteilichkeit und wir sind angeschuldigt und verhaftet aus gleichen Gründen wie Temme.</p>
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          <p>Der vergnügte Weinhändler <hi rendition="#g">Louis Drucker</hi> ist auch auf der Wahlmännerliste; die Herren Geheimräthe sind namentlich ob Louis Druckers Wahl außer sich vor Wuth, da er einen ihrer Lieblingskandidaten, den <hi rendition="#g">General-Postmeister Schaper,</hi> aus dem Felde schlug. Dafür haben aber auch diese Herren den Trost, daß ihre Partei, die sich spezifisch die Partei der Ordnung nennt, gestern in vielen Wahlversammlungen das Faustrecht in brutalster Weise geltend machte, und wo sie im <hi rendition="#g">Wahlkampfe</hi> unterlegen war, wenigstens im <hi rendition="#g">Faustkampfe</hi> den Sieg davon zu tragen suchte. Im Alexandrinenstraßen-Bezirk ging dies sogar so weit, daß die Wahl gestern nicht vollendet werden konnte.</p>
          <p>Die an den Urwahlen nicht theilnehmenden Soldaten, waren bis 4 Uhr Nachm. in den Kasernen consignirt, mit Ausnahme von je 2 Gefreiten per Kompagnie, welche statt der bei den Wahlen betheiligten oder beschäftigten Constabler die Dienste der Sicherheitspolizei zu versehen hatten. &#x2014; Aus der Alexanderkaserne wird uns folgendes berichtet: Vor Beginn der Wahloperation trat ein Feldwebel auf und äußerte sich etwa folgendermaßen: Wir waren Bürger, ehe wir diesen Rock anzogen, und werden wieder Bürger, sobald wir ihn abgelegt haben; laßt uns daher auch nur Bürgerliche, keine Adligen, keine Offiziere wählen. In der That ward auch kein Offizier Wahlmann, sondern der erwähnte Feldwebel, der Kompagnieschreiber und der Militärarzt. &#x2014; Im 24. Regiment war der Sieg der reaktionären Wahlmänner gegenüber einer festorganisirten demokratischen Opposition ein so mühsam errungener, daß die Offiziere, als sie ihre Kandidaten durchgebracht hatten, in ein lautes jubelndes Hurrah ausbrachen. &#x2014; Den Abend schloß allgemeinster Weißbierjubel durch ganz Berlin.</p>
          <p>Welches leichtbegreifliche Gewicht die Regierung darauf gelegt, möglichst rasch über den Ausgang der gestrigen Wahloperationen hierselbst Kenntniß zu erhalten, davon zeigt der Umstand, daß in jedem Wahlbezirk Constabler als Urwähler sich befanden und mit gedruckten, leicht auszufüllenden Schemas versehen waren, in denen die Gewählten nach ihrer Parteiklassifikation eingetragen werden sollten. Die dem Polizei-Präsidenten so zugegangenen Resumes wurden von demselben sofort dem König und den Minister zugesandt.</p>
          <p>Wir erfahren aus guter Quelle, daß in einem heute Morgen gehaltenen Ministerrath in Folge des Ausgangs der gestrigen Wahlen beschlossen worden, den Belagerungszustand hier bis zum Zusammentritt der Kammern fortdauern zu lassen. Kurz vorher sollen die Gesetze über Beschränkung des Versammlungsrechts und der Preßfreiheit emanirt werden. Gleichzeitig soll dann das Kabinet insofern eine Modifikation erleiden, daß der zum Auftreten im Parlament gänzlich ungeeignete, jetzige Ministerpräsident Brandenburg austritt und durch <hi rendition="#g">Camphausen</hi> ersetzt wird. Manteuffel dagegen wird im Kabinet bleiben, um die von ihm vorbreiteten Gesetzvorlagen durchführen zu helfen. Aus so glaubwürdiger Hand uns auch diese Nachricht zugeht, müssen wir doch an Camphausens Eintritt in ein nicht von ihm gebildetes Kabinet zweifeln.</p>
          <p>Seit vorgestern ist <hi rendition="#g">Arnold Ruge</hi> verhaftet, weil er dem gegen ihn erlassenen Ausweisungsdekret nicht Folge geleistet, sondern sich auf das von ihm schon im Oktober nachgesuchte Niederlassungsrecht berufen.</p>
          <p>Nachträglich müssen wir auch noch einen gestern eingeschlichenen kleinen Irrthum berichtigen; Bürgermeister <hi rendition="#g">Naunyn</hi> ist im letzten Scrutinium und nur mit <hi rendition="#g">einer</hi> Stimme Majorität als Wahlmann gewählt worden. Dagegen fiel <hi rendition="#g">Rimpeler,</hi> als zu gemäßigt, gegenüber von sechs rein demokratisch gesinnten Kandidaten sechsmal durch. Ebenso gelang es auch dem berüchtigten <hi rendition="#g">Held</hi> nicht, mehr als 10 Stimmen für sich zu gewinnen.</p>
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          <head><bibl><author>X</author></bibl> Berlin.</head>
          <p>Aus <hi rendition="#g">Potsdam</hi> erfahren wir, daß dort etwa 80 Wahlmänner der demokratischen und 60 theils der conservativen, theils der reactionären Partei angehören; unter ersteren befindet sich auch der Justizrath <hi rendition="#g">Dortu</hi>. &#x2014; In <hi rendition="#g">Magdeburg</hi> sind 5/6 der Wahlmänner im Sinne der Coalition sämmtlicher Oppositionsnuancen gewählt worden. &#x2014; <hi rendition="#g">Breslau</hi> hat in überwiegender Majorität <hi rendition="#g">entschiedenst demokratisch</hi> gewählt. &#x2014; In <hi rendition="#g">Prenzlau</hi> gehören von 50 Wahlmännern 48 der liberalen Partei an.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar205_014" type="jArticle">
          <head><bibl><author>9</author></bibl> Berlin, 23. Jan.</head>
          <p>In der vorigen Woche hatten die <hi rendition="#g">Aristokraten</hi> glanzvolle Tage. Das Ordensfest ließ sie einen Augenblick glauben, die alte Macht sei noch nicht vorüber. Ich hatte das Vergnügen, einige alte Ordensritter zu bemerken, die mit rothen Backen und grünen Sträußen aus dem Schloßportale taumelten. Dagegen standen draußen einige Dutzend demokratische Proletarier, die ihrer Satyre keinen Zügel anlegten, und ohne Blume von einem neuen März-Frühling sich unterhielten.</p>
          <p>In der heutigen Woche haben die <hi rendition="#g">Demokraten</hi> gute Tage. Die gestrigen Wahlen sind ein Zeugniß, daß der Belagerungszustand die demokratische Gesinnung der Spießbürger gekräftigt hat. Wie konnte es aber auch anders sein? Wir wollen nicht sagen, daß die albernen Kapuzinaden Harkorts und die abgedroschenen Manöver Meusebachs, oder die für die demokratische Partei recht vortheilhaften dummen &#x201E;Enthüllungen&#x201C; zu dem günstigen Ausfall der Wahlen beigetragen haben &#x2014; nein, wir schreiben diesen Erfolg einfach dem Belagerungszustande zu. Tu l'as voulu, George Dandin!</p>
          <p>In einem Bezirke vor dem Potsdamer Thore (Geheimerathsviertel) wurde Waldeck von der demokratischen Partei als Wahlmann aufgestellt. Diese Partei war aber zu schwach, um ihren Candidaten durchzubringen, weil einige 20 Eisenbahnarbeiter (weshalb?) nicht erschienen waren. Nachdem die Sisyphusarbeit der Demokraten endlich doch vollendet war, brachten sie dem Waldeck ein lautes Hoch, und die Gegner erwiderten mit: Heil unserm König Heil! das aber durch energische, unästhetische Entgegnungen einiger Demokraten verstummt sein soll. &#x2014; Ein speichelleckerischer Hoflieferant unter den Linden hatte 25 Stück seiner auswärts arbeitenden Gesellen in seinem Bezirk einquartirt, um ihre Stimmen zu erhalten. Die Gesellen erschienen gestern richtig mit guten Vorsätzen, allein einige Collegen abordirten sie und sie stimmten alle gegen den Hoflieferanten. Da hilft kein Harkort und kein Meusebach &#x2014; die Proletarier erlangen mit der Zeit soviel Bewußtsein, sich nicht bestechen zu lassen, und dennoch &#x2014; &#x2014;. &#x2014; In einem Bezirke der Königsstadt befand sich unter einigen hundert Demokraten ein einziger Reaktionär. Der Unglückliche wurde nolens volens an die Luft gesetzt.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar205_015" type="jArticle">
          <head><bibl><author>068</author></bibl> Berlin, 21. Januar.</head>
          <p>Der elektrische Telegraph zwischen hier und Frankfurt ist noch nicht fertig, obwohl man mit äußerster Anstrengung daran arbeitet. Die Vollendung desselben wird jedoch in nächster Woche erfolgen, so daß Berlin und Frankfurt so nahe gerückt werden, daß kein Zeitmoment der Entfernung dafür genannt werden kann. Es ist dabei das neue System des Lieutenant Siemens angewendet worden, das sich als vortrefflich bewährt. Die Dräthe, in Hülsen von Gutta-Percha, liegen einen Fuß tief unter dem Boden, laufen so lange es angeht zur Seite der Eisenbahnen und setzen sich von Eisenach aus unter der Sohle der Chausseen fort. Auch mit der zweiten Linie nach Köln ist man beschäftigt und wird diese bis zum Frühjahr vollendet haben.</p>
          <p>Es ist kaum glaublich, wie groß die Menge von Personen ist, welche sich gegenwärtig in Beziehung auf die Vorgänge der letzten Monate wegen politischer Vergehen in Untersuchung befinden. In der Provinz sind diese Untersuchungen noch weit zahlreicher als in der Hauptstadt. So befinden sich z. B. fast sämmtliche männliche Einwohner der Stadt Dahme bei Jüterbogk in Untersuchung, weil dieselben bald nach den Märzereignissen ihren Bürgermeister eigenmächtig abgesetzt haben sollen. &#x2014; Auch ein Theil der Bürgerschaft zu Cremmen befindet sich wegen eines ähnlichen, noch aus den Märztagen stammenden Verfahrens gegen den dortigen Bürgermeister in Untersuchung. Ferner sind sämmtliche männliche Einwohner von vier in der Nähe von Wrietzen belegenen Dorfschaften, auf einige Hundert an der Zahl, von dem betreffenden Ortsgericht zu Zuchthausstrafe, welche bis zu 8 Jahren ansteigen, verurtheilt worden, weil sich dieselben in den Märztagen gegen die Gutsherrschaft aufgelehnt haben.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar205_016" type="jArticle">
          <head><bibl><author>27</author></bibl> Berlin, 23 Januar.</head>
          <p>Wie die Herren &#x201E;Schwarzweißen&#x201C; und gottbegnadeten Bourgeois bei den Wahlen zu verfahren hatten, verfahren sollten und zum großen Theil verfahren sind, ergiebt sich aus folgendem Rezept, das die neueste Nr. der &#x201E;Galgenzeitung&#x201C; aufstellt. Will man den Brandenburg-Manteufelschen, den ächt königlich-preußischen Geist kennen lernen, so studiere man ihn in den Spalten des genannten Hof-Organs. Dieses läßt sich also vernehmen:</p>
          <p>&#x201E;Männer wie Borsig, die notorisch Hunderte von Familien ernähren, waren in ihrem vollsten Recht, wenn sie offen und unumwunden ihren Untergebenen erklärten: da ich Euren Familien Brod schaffen soll, muß ich am Besten übersehen können, durch welche Mittel und unter welchen Zeitumständen mir dies möglich gemacht wird, ich muß deshalb in die Stellung kommen, wo ich dafür nach meiner Ueberzeugung wirken kann, es ist daher Eure Pflicht, mir Eure Stimme zu geben, und wer sie nicht gibt, tritt aus der Reihe derer, die ich zu beschäftigen und zu ernähren übernommen, denn er schmälert mir die Mittel zu diesem Zweck.</p>
          <p>Träte man auf gleiche vernünftige und logische Weise, welche auf dem Grundgesetz der bürgerlichen Gesellschaft besirt, und ohne deren Anwendung die bürgerliche Gesellschaft nie bestehen kann, auf, statt mit einem unpraktischen und der Anarchie in die Hände arbeitenden Liberalismus zu prunken, so würde des Unheils weit weniger und die feste Ordnung bald wieder hergestellt sein, unter deren Schutz sich Jeder ruhig fühlt.</p>
          <p>Aber auch auf ein anderes Thema müssen wir hierbei kommen und dies ohne weiteres offen zur Sprache bringen, denn es gilt jetzt den festen und energischen Kampf um das Wohl des Vaterlandes.</p>
          <p>Es ist die Pflicht der gutgesinnten Parthei, welche die Ordnung im Vaterlande will, und nicht fortwährende unsinnige Proteste, die nur den Zustand der Anarchie zurückrufen können, fest zusammen zu halten. Dazu gehört, daß man Diejenigen, welche sich der Umsturzparthei zugewandt haben, und somit die Ruhe des Vaterlandes bedrohen, auf keinerlei Weise unterstützt. Die Constitutionellen müssen sich energisch vereinigen, nur mit Geschäfts- und Gewerbsleuten ihrer Partei zu verkehren; nur bei solchen zu kaufen, ihre Bestellungen zu machen, und sie zu unterstützen. Es ist dies eine Pflicht, die Jeder unserer Partei gegen den Andern hat. Die Wirkung wird nicht ausbleiben.</p>
          <p>Die Erfahrung hat gerade hier in Berlin deutlich gezeigt, mit welcher schamlosen Undankbarkeit Leute, die vom Königlichen Hause sich reich gemästet haben, als die ärgsten Feinde des Königs sich gerirt haben und noch geriren, u. s. w.&#x201C;</p>
          <p>(Das &#x201E;Galgenblättchen&#x201C; vergißt blos, daß das Königliche Haus Niemanden hätte &#x201E;mästen&#x201C; können, wenn es nicht selbst fortwäh-
</p>
        </div>
      </div>
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</TEI>
[1119/0003] ging er denn dadurch Hochverrath? Gewiß ist die Steuerverweigerung eine Waffe, welche das Volk vor politischer Gewaltthat schützen kann, aber ein Verbrechen ist sie nicht. Wer seine Steuern nicht zahlt, wird gepfändet, ob er das eine oder andere will, steht lediglich bei ihm selbst, und nur erst durch thätliche Widersetzlichkeit bei der Pfändung wird ein Strafgesetz überschritten. Deshalb hat auch unser Landrecht, welches noch die Grundsätze Friedrich des Großen durchleuchten, auf die Steuerverweigerung keine Criminalstrafe gesetzt; selbst der vorsichtige Suarez konnte sich dies Verbrechen nicht denken. Die §§. 245 und 243 sprechen nur von der betrüglichen Vorenthaltung der dem Staate schuldigen Gefälle. Nur eine schlimme Sophistik, welche selbst Justinian verschmähte, kann aus der Steuerverweigerung Hochverrath machen, weil sie den Hebel für eine gewaltsame Umwälzung der Staatsverfassung abgebe. Man muß gestehen, daß dieser Hebel sehr negativer Natur ist und der gewaltsamen Umwälzung der Verfassung von oben herab sich eben entgegen stemmen soll. Die Lehrer des konstitutionellen Staatsrechts, selbst Dahlmann, setzen es offen auseinander, daß die Steuerverweigerung einer ungesetzlich handelnden Regierung gegenüber die rechtmäßige Aeußerung des passiven Widerstandes sei. Das gerühmte Land der konstitutionellen Erbweisheit, England, hat seine Reform vor der landesverderblichen Habsucht des Adels nur durch die Steuerverweigerung gerettet. Endlich sind uns unzählige Beispiele und Rechtssätze aus der Geschichte vor dem Polizei-Staate des 17. Jahrhunderts überliefert, daß die Landesangehörigen den Beamten und Magistraten die Steuern verweigerten, wenn diese das Recht brechen wollten. Im vorliegenden Falle war es ausgesprochen und so klar wie der Tag: daß die Steuerverweigerung nicht gegen die Verfassung, sondern lediglich gegen das Ministerium ging. Dieses brauchte nur abzutreten und die Steuern flossen sogleich wieder in die Kassen des Finanz-Ministers. Der gedruckte Protokollauszug enthält ferner folgende Erklärung des Congresses: Die Berliner National-Versammlung ist in Preußen augenblicklich unsere einzige gesetzliche und gesetzlich handelnde Behörde. Mag man diese Erklärung deuten, wie man will, so enthält sie doch immer nicht mehr Werth und Bedeutung, als jedes andere politische Urtheil einer Versammlung von Staatsbürgern. Daß darin nichts gegen die Krone und Verfassung gesagt war, enthält aus dem Ausdrucke „Behörde“, wie auch daraus, daß der Congreß selbst bei einem andern einstimmig angenommenen Antrage die Bürgerwehr zur Aufrechthaltung der verfassungsmäßigen Freiheit und der gesetzlichen Ordnung aufruft. Uebrigens hat der Congreß in der That nichts anders erklären wollen und erklärt, als: Die National-Versammlung zu Berlin ist augenblicklich unsere einzige gesetzlich handelnde Behörde in Preußen. So ist der Antrag gestellt und so angenommen worden. Das Ministerium handle ungesetzlich, — das und nichts anderes, was damals Ew. Excellenz, Bornemann und so viele andere aussprachen, wollte auch der Congreß aussprechen, freilich geschah es, was mit der Eile der Abfassung zu beschuldigen, in einem schlecht stylisirten Satze, und dieser hatte noch das Unglück, durch Zufall um einige durchstrichene und anders gefaßte Worte, nämlich, „einzig gesetzliche“ vermehrt zu werden. Läßt man aber auch die Worte bestehen, wie der gedruckte Protocollauszug sie enthalt, so kann das „und“ nur als kumulativ und der Satz nur dahin verstanden werden: die National-Versammlung sei damals augenblicklich die einzige gesetzliche Behörde gewesen, welche zugleich gesetzlich gehandelt habe. Der Congreß nahm ferner folgenden Antrag an: Einen Aufruf an die Soldaten im Heere zu erlassen, und diese darin aufzufordern, sich nicht zur Unterdrückung der Volksfreiheiten mißbrauchen zu lassen, zugleich die Familien aufzufordern, ihre im Heere dienenden Mitglieder über die Lage des Vaterlandes und ihre Pflichten aufzuklären. Daß in diesem Aufrufe, der übrigens gar nicht erlassen ist, kein Hochverrath gelegen hätte, ist wohl offenbar. Endlich beschloß der Congreß: Die Vereinigung aller Gemeinden, Vereine, Bürgerwehren u. s. w. Westfalens zu gemeinsamen Handeln für die Wahrung und Fortbildung der Rechte und Freiheiten des Volks; erwählte zu dem Ende einen Centralausschuß, der mit dem Congresse selbst keine Gemeinschaft mehr hatte, seine eigenen Beschlüsse aber in vier bekannten Zeitschriften veröffentlichen sollte und dessen in Münster wohnende Mitglieder für die Dauer der augenblicklichen gefährlichen Lage des Landes unbedingte Vollmacht für Aufforderungen zu allen natürlich gesetzlichen Handlungen, Adressen, Congressen u. s. w. haben sollten. Dieser Centralausschuß trat zwar niemals in Wirksamkeit, aber wenn er es gethan hätte, lag dann in der ihm zugewiesenen Thätigkeit und überhaupt in der ganzen Vereinigung irgend etwas Revolutionäres? Sollte der Gesammtverein nicht vielmehr eine durchaus gesetzliche und öffentliche Ausübung des Associationsrechtes darstellen? Das sollen nun die hochverrätherischen Unternehmungen des Congresses sein. Seine übrigen Beschlüsse sind zu unschuldig, um hier noch erwähnt zu werden. Die angeführten aber sind an sich keine staatsgefährlichen Handlungen, und eben so wenig kann der gewohnliche Menschenverstand den bösen Willen in diesen Beschlüssen entdecken, durch dieselben die Staatsverfassung anzugreifen, oder gar gewaltsam umzuwälzen. Diese feindselige Absicht in die Seele der Congreßmitglieder hineinzubeweisen, würde wohl einen eben solchen Aufwand von juristischen Kunstgriffen erfordern, als es kinderleicht sein möchte, den Beweis des Volksglaubens zu liefern, das Ministerium Brandenburg begehe Hochverrath an den Rechten des Volks. Wohl aber halten es die Mitglieder des Congresses für ihr Recht und ihre heilige Pflicht, den Rechtsboden zu vertheidigen. Neben der früheren einzigen Staatsgewalt war durch die Gesetze vom 6. und 8. April v. J. eine andere als berechtigt anerkannt, deren Unterstützung in gesetzlicher Weise kein Vergehen sein konnte. Stellen wir die Gegensätze gerade zu heraus: Entweder gab es im November eine Staatsverfassung, dann beruhte sie auf den konstitutionellen Grundlagen mit der Maßgabe, daß Krone und National-Versammlung als zwei gleich berechtigte Mächte die nähern Formen und Einrichtungen vereinbarten, — dann aber unternahm das Ministerium die gewaltsame Umwälzung der Verfassung, und die National-Versammlung und der westphälische Congreß vertheidigten sie ohne Gewaltsamkeit. Oder die Staatsverfassung ist erst durch die Annahme der oktroyirten Verfassungsurkunde vom 5. December hergestellt, — dann war im November kein Hochverrath an der Staatsverfassung möglich. Wenn nun auf so wichtige Anklagegründe sechszehn Männer plötzlich ihren Familien entrissen und in ungesunde Kerker geworfen werden, heißt das nicht das Associationsrecht zu einer Fabel machen? Wenn nun gar unter den vielen Congreßmitgliedern einige wenige herausgegriffen werden, wird da nicht dem Volke den Glauben aufgezwungen, nicht das Recht, sondern die Willkür der augenblicklich siegenden Partei verfolge die einflußreichen Männer der geschlagenen Partei? Wird nicht im Volke die verderbliche Furcht hervorgerufen, daß die Machthaber sich zwar der rohen Gewalt schämen, aber die Mißliebigen einer schleichenden Tortur überliefern, welche ihr Opfer erst wieder losläßt, wenn sie es geistig und körperlich zerstört hat? In der That ein Verfahren, wie man es sich gegen uns erlaubt hat, ist darnach angethan, das öffentliche Rechtsbewußtsein auszurotten, jede Mannesselbstständigkeit niederzuschlagen, und die Noth der Selbsthülfe und damit das Elend des Vaterlandes herauf zu beschwören. Die Geschichte wird ihr ernstes Gericht halten über diese politische Verfolgungen, und dasjenige Preußen, welches Stein wollte, wird trotz der Unfreiheit dieser Tage auf seinen unzerstörbaren Grundlagen herrlich aufblühen und vorleuchten zu Deutschlands zweiter großen Epoche. Von Ew. Exzellenz aber, als dem obersten Anwalt des Rechts, dürfen wir verlangen und erwarten, daß die Krankheit, welche Preußen so lange befangen g[e]halten hat, nicht auch im Rechtsbewußtsein um sich fresse und daß jener Spruch eines preußischen Königs: die ungerechte Justiz schreit zum Himmel!sein Gewicht einlege auch für die politischen Gefangenen des Zuchthauses zu Münster. Ew. Exc. können zwar die eingeleitete Untersuchung nicht mehr niederschlagen, womit uns auch wenig gedient sein würde. Aber wohl können Ew. Exzellenz verfügen, daß nicht vor dem Erkenntniße eine durchaus unbegründete schwere Strafe über uns verhängt werde. Kein objektiver Thatbestand ist vorhanden, um diese Haft nach der Kriminal-Ordnung zu rechtfertigen. Eine Verdunkelung des Thatbestandes ist, da alles von Anfang an öffentlich vorlag und nicht geleugnet wird, nicht denkbar. Eben so wenig ist bei den Verhältnissen der Verhafteten und bei der Lage dieses Prozesses eine Flucht zu befürchten. Bei Ew. Exzellenz tragen wir daher eben so ehrerbietigst als dringend unsere Entlassung aus der Haft schleunigst verfügen zu wollen. Wir verbinden damit unser erneuertes Perhorrescenzgesuch gegen das hiesige Oberlandesgericht. Wir haben bereits unter dem 18. Dezember dasselbe geschickt, erhielten aber, und zwar unter dem 10. Januar, einen auf Formmängel, welche wir bereits in der Sr. Exzellenz überreichten Ausführung wiederlegt haben, gestützten abschläglichen Bescheid. Dieser mußte in uns um so mehr ein trauriges Gefühl der Schutzlosigkeit hervorrufen, als jene Formmängel gegen den Oberlandesgerichts-Direktor Temme, der ebenfalls das hiesiige Oberlandesgericht in gleicher Art perhorrescirt hatte, nicht eingewandt waren. Jede neue Erfahrung drängt uns nun aber die Gewißheit auf, daß wir bei dem Oberlandesgerichte in Münster niemals Gerechtigkeit finden werden. Dieses Gericht hat als politische Partei gehandelt und sich die richterliche Unabhängigkeit unmöglich gemacht. Dasselbe hat über seinen Direktor unmittelbar am Throne wegen der Steuerverweigerung das Urtheil ausgesprochen, daß er ein Rebell sei. Dasselbe hat seine Untergerichte durch öffentlichen Aufruf aufgefordert, politische Untersuchungen aufzubringen. Dasselbe hat durch die Verhaftung und Suspension seines Direktors eine politische Leidenschaftlichkeit oder Rechtsunkenntniß dargethan, über welche die öffentliche Meinung den Stab gebrochen hat. Dasselbe hat durch sein unerklärliches Dezimirungssystem der Congreßmitglieder die Verhafteten in der öffentlichen Meinung verdächtigt, aber auch sich selbst, sprechen wir es aus, in Verruf gebracht. Kein anderes preußisches Gericht endlich hat trotz der auffälligsten Beschlüsse von Magistraten, Gemeinden und Vereinen in der Steuerverweigerungsangelegenheit ein Verfahren eingeschlagen, wie das Münstersche Oberlandesgericht. Außerdem aber ist aus triftigen persönlichen Gründen fast jedes Mitglied dieses Gerichtshofes einzeln von uns perhorrescirt, theils weil Mitglieder desselben Abgeordnete der Berliner National-Versammlung und durch die Beschlüsse des Congresses persönlich betroffen waren; theils weil sie einem eigenthümlichen Vereine angehören, der in wahrlich nicht beruhigenden Plakaten sich auf beleidigende Weise gegen die Congreßbestrebungen ausgesprochen hat, theils aus Feindschafts- und theils aus Verwandschafts-Rücksichten. Diese Perhorrescenzgründe sind Ew. Excellenz des Näheren bereits von uns angegeben. Ew. Excellenz haben erklärt, daß über Temme nicht ein Gerichtshof erkennen dürfe, gegen welchen nur der Schein des Verdachts der Persönlichkeit vorliege. Das Oberlandesgericht zu Münster hat weit mehr gegen sich als den bloßen Schein der Parteilichkeit und wir sind angeschuldigt und verhaftet aus gleichen Gründen wie Temme. Aus allem Diesem tragen wir bei Ew. Excellenz ebenfalls aus den dringendsten Ursachen darauf an: unsere Perhorrescenzgesuche gegen das hiesige Oberlandesgericht Statt zu geben, und die Führung und Entscheidung unseres Prozesses dem gesetzlich substituirten Oberlandesgerichte zu Paderborn zu überweisen. Münster, den 15. Januar 1849. Franz Löher. Gierse. Groneweg. Reinhardt. Jacobi J. A. Hartmann. Blumenfeld. Keller. Gruwe. Graumann. Mirbach. Schmitz. Hammacher. * Berlln, 23. Januar. So weit sich das immer noch nicht vollständig ermittelte Resultat der gestrigen Wahlen beurtheilen läßt, ist die Stellung der Parteien die folgende: etwa 700 Wahlmänner gehören der entschiedenen demokratischen Partei an; etwa 270 lassen sich als linkes Centrum charakterisiren, werden aber zum großen Theil bei den Wahlen mit der äußersten Linken stimmen, so daß namentlich Waldeck durch Mithülfe dieser Partei Aussicht hat, in allen vier Wahlbezirken Berlins gewählt zu werden. Eben so stark ungefähr ist die Partei Harkort-Meusebach, vereinigt mit Dunker-Hase, d. h. Rechte und rechtes Centrum. Sie verfügen zusammen über höchstens 270 Stimmen. Ganz ultraroyalistisch und im Sinne des Preußen-Vereins sind etwa 80 Stimmen, wovon die meisten militärische. Unter die vier größeren Wahlbezirke vertheilen sich die Stimmen etwa so, daß in dem ersten, der 3 Abgeordnete zu wählen hat, Linke und linkes Centrum vereint 240 von den 438 Stimmen zu ihrer Disposition haben. Ueberhaupt ist dieser Bezirk derjenige, in dem das linke Centrum seine Stärke hat; dort können wir also neben Waldeck zwei blässere Namen erwarten, da die Männer des konstitutionellen Klubs zu den Wahlmännern gehören. In den drei andern Wahlbezirken ist die Majorität der demokratischen Partei „ohne alle Beimischung“ sicher. Waldeck, Jacoby, Temme, Behrens sind die Namen, die dort aus der Wahlurne hervorgehen dürften. Ein ferneres allgemeines Resultat der Urwahlen ist die zahlreiche Vertretung des Handwerkerstandes. Die Wahlmänner dieser Klasse gehören mit ganz vereinzelten Ausnahmen der demokratischen Partei an, und wenn auch die von ihnen gehegten Wünsche einer Reform der gewerblichen Verhältnisse oft sehr unklarer Natur, und mitunter sogar von Gelüsten der Rückkehr zu mittelalterlichen Zuständen nicht ganz frei sind: so ist doch unleugbar in ihnen ein ganz brauchbares Element für die nothwendige politische Agitation der nächsten Zeit. Die Einsicht, daß selbst zur Geltendmachung ihrer Interessen nur in ganz freien staatlichen Formen die Möglichkeit vorhanden ist, bemächtigt sich ihrer immer mehr, und wird sie zu Anhängern und Stützen der Demokraten machen. Dasselbe gilt in noch höherem Grade, von den etwa 50 eigentlichen Arbeitern, welche auf die Wahlmännerlisten gelangt sind. Der vergnügte Weinhändler Louis Drucker ist auch auf der Wahlmännerliste; die Herren Geheimräthe sind namentlich ob Louis Druckers Wahl außer sich vor Wuth, da er einen ihrer Lieblingskandidaten, den General-Postmeister Schaper, aus dem Felde schlug. Dafür haben aber auch diese Herren den Trost, daß ihre Partei, die sich spezifisch die Partei der Ordnung nennt, gestern in vielen Wahlversammlungen das Faustrecht in brutalster Weise geltend machte, und wo sie im Wahlkampfe unterlegen war, wenigstens im Faustkampfe den Sieg davon zu tragen suchte. Im Alexandrinenstraßen-Bezirk ging dies sogar so weit, daß die Wahl gestern nicht vollendet werden konnte. Die an den Urwahlen nicht theilnehmenden Soldaten, waren bis 4 Uhr Nachm. in den Kasernen consignirt, mit Ausnahme von je 2 Gefreiten per Kompagnie, welche statt der bei den Wahlen betheiligten oder beschäftigten Constabler die Dienste der Sicherheitspolizei zu versehen hatten. — Aus der Alexanderkaserne wird uns folgendes berichtet: Vor Beginn der Wahloperation trat ein Feldwebel auf und äußerte sich etwa folgendermaßen: Wir waren Bürger, ehe wir diesen Rock anzogen, und werden wieder Bürger, sobald wir ihn abgelegt haben; laßt uns daher auch nur Bürgerliche, keine Adligen, keine Offiziere wählen. In der That ward auch kein Offizier Wahlmann, sondern der erwähnte Feldwebel, der Kompagnieschreiber und der Militärarzt. — Im 24. Regiment war der Sieg der reaktionären Wahlmänner gegenüber einer festorganisirten demokratischen Opposition ein so mühsam errungener, daß die Offiziere, als sie ihre Kandidaten durchgebracht hatten, in ein lautes jubelndes Hurrah ausbrachen. — Den Abend schloß allgemeinster Weißbierjubel durch ganz Berlin. Welches leichtbegreifliche Gewicht die Regierung darauf gelegt, möglichst rasch über den Ausgang der gestrigen Wahloperationen hierselbst Kenntniß zu erhalten, davon zeigt der Umstand, daß in jedem Wahlbezirk Constabler als Urwähler sich befanden und mit gedruckten, leicht auszufüllenden Schemas versehen waren, in denen die Gewählten nach ihrer Parteiklassifikation eingetragen werden sollten. Die dem Polizei-Präsidenten so zugegangenen Resumes wurden von demselben sofort dem König und den Minister zugesandt. Wir erfahren aus guter Quelle, daß in einem heute Morgen gehaltenen Ministerrath in Folge des Ausgangs der gestrigen Wahlen beschlossen worden, den Belagerungszustand hier bis zum Zusammentritt der Kammern fortdauern zu lassen. Kurz vorher sollen die Gesetze über Beschränkung des Versammlungsrechts und der Preßfreiheit emanirt werden. Gleichzeitig soll dann das Kabinet insofern eine Modifikation erleiden, daß der zum Auftreten im Parlament gänzlich ungeeignete, jetzige Ministerpräsident Brandenburg austritt und durch Camphausen ersetzt wird. Manteuffel dagegen wird im Kabinet bleiben, um die von ihm vorbreiteten Gesetzvorlagen durchführen zu helfen. Aus so glaubwürdiger Hand uns auch diese Nachricht zugeht, müssen wir doch an Camphausens Eintritt in ein nicht von ihm gebildetes Kabinet zweifeln. Seit vorgestern ist Arnold Ruge verhaftet, weil er dem gegen ihn erlassenen Ausweisungsdekret nicht Folge geleistet, sondern sich auf das von ihm schon im Oktober nachgesuchte Niederlassungsrecht berufen. Nachträglich müssen wir auch noch einen gestern eingeschlichenen kleinen Irrthum berichtigen; Bürgermeister Naunyn ist im letzten Scrutinium und nur mit einer Stimme Majorität als Wahlmann gewählt worden. Dagegen fiel Rimpeler, als zu gemäßigt, gegenüber von sechs rein demokratisch gesinnten Kandidaten sechsmal durch. Ebenso gelang es auch dem berüchtigten Held nicht, mehr als 10 Stimmen für sich zu gewinnen. X Berlin. Aus Potsdam erfahren wir, daß dort etwa 80 Wahlmänner der demokratischen und 60 theils der conservativen, theils der reactionären Partei angehören; unter ersteren befindet sich auch der Justizrath Dortu. — In Magdeburg sind 5/6 der Wahlmänner im Sinne der Coalition sämmtlicher Oppositionsnuancen gewählt worden. — Breslau hat in überwiegender Majorität entschiedenst demokratisch gewählt. — In Prenzlau gehören von 50 Wahlmännern 48 der liberalen Partei an. 9 Berlin, 23. Jan. In der vorigen Woche hatten die Aristokraten glanzvolle Tage. Das Ordensfest ließ sie einen Augenblick glauben, die alte Macht sei noch nicht vorüber. Ich hatte das Vergnügen, einige alte Ordensritter zu bemerken, die mit rothen Backen und grünen Sträußen aus dem Schloßportale taumelten. Dagegen standen draußen einige Dutzend demokratische Proletarier, die ihrer Satyre keinen Zügel anlegten, und ohne Blume von einem neuen März-Frühling sich unterhielten. In der heutigen Woche haben die Demokraten gute Tage. Die gestrigen Wahlen sind ein Zeugniß, daß der Belagerungszustand die demokratische Gesinnung der Spießbürger gekräftigt hat. Wie konnte es aber auch anders sein? Wir wollen nicht sagen, daß die albernen Kapuzinaden Harkorts und die abgedroschenen Manöver Meusebachs, oder die für die demokratische Partei recht vortheilhaften dummen „Enthüllungen“ zu dem günstigen Ausfall der Wahlen beigetragen haben — nein, wir schreiben diesen Erfolg einfach dem Belagerungszustande zu. Tu l'as voulu, George Dandin! In einem Bezirke vor dem Potsdamer Thore (Geheimerathsviertel) wurde Waldeck von der demokratischen Partei als Wahlmann aufgestellt. Diese Partei war aber zu schwach, um ihren Candidaten durchzubringen, weil einige 20 Eisenbahnarbeiter (weshalb?) nicht erschienen waren. Nachdem die Sisyphusarbeit der Demokraten endlich doch vollendet war, brachten sie dem Waldeck ein lautes Hoch, und die Gegner erwiderten mit: Heil unserm König Heil! das aber durch energische, unästhetische Entgegnungen einiger Demokraten verstummt sein soll. — Ein speichelleckerischer Hoflieferant unter den Linden hatte 25 Stück seiner auswärts arbeitenden Gesellen in seinem Bezirk einquartirt, um ihre Stimmen zu erhalten. Die Gesellen erschienen gestern richtig mit guten Vorsätzen, allein einige Collegen abordirten sie und sie stimmten alle gegen den Hoflieferanten. Da hilft kein Harkort und kein Meusebach — die Proletarier erlangen mit der Zeit soviel Bewußtsein, sich nicht bestechen zu lassen, und dennoch — —. — In einem Bezirke der Königsstadt befand sich unter einigen hundert Demokraten ein einziger Reaktionär. Der Unglückliche wurde nolens volens an die Luft gesetzt. 068 Berlin, 21. Januar. Der elektrische Telegraph zwischen hier und Frankfurt ist noch nicht fertig, obwohl man mit äußerster Anstrengung daran arbeitet. Die Vollendung desselben wird jedoch in nächster Woche erfolgen, so daß Berlin und Frankfurt so nahe gerückt werden, daß kein Zeitmoment der Entfernung dafür genannt werden kann. Es ist dabei das neue System des Lieutenant Siemens angewendet worden, das sich als vortrefflich bewährt. Die Dräthe, in Hülsen von Gutta-Percha, liegen einen Fuß tief unter dem Boden, laufen so lange es angeht zur Seite der Eisenbahnen und setzen sich von Eisenach aus unter der Sohle der Chausseen fort. Auch mit der zweiten Linie nach Köln ist man beschäftigt und wird diese bis zum Frühjahr vollendet haben. Es ist kaum glaublich, wie groß die Menge von Personen ist, welche sich gegenwärtig in Beziehung auf die Vorgänge der letzten Monate wegen politischer Vergehen in Untersuchung befinden. In der Provinz sind diese Untersuchungen noch weit zahlreicher als in der Hauptstadt. So befinden sich z. B. fast sämmtliche männliche Einwohner der Stadt Dahme bei Jüterbogk in Untersuchung, weil dieselben bald nach den Märzereignissen ihren Bürgermeister eigenmächtig abgesetzt haben sollen. — Auch ein Theil der Bürgerschaft zu Cremmen befindet sich wegen eines ähnlichen, noch aus den Märztagen stammenden Verfahrens gegen den dortigen Bürgermeister in Untersuchung. Ferner sind sämmtliche männliche Einwohner von vier in der Nähe von Wrietzen belegenen Dorfschaften, auf einige Hundert an der Zahl, von dem betreffenden Ortsgericht zu Zuchthausstrafe, welche bis zu 8 Jahren ansteigen, verurtheilt worden, weil sich dieselben in den Märztagen gegen die Gutsherrschaft aufgelehnt haben. 27 Berlin, 23 Januar. Wie die Herren „Schwarzweißen“ und gottbegnadeten Bourgeois bei den Wahlen zu verfahren hatten, verfahren sollten und zum großen Theil verfahren sind, ergiebt sich aus folgendem Rezept, das die neueste Nr. der „Galgenzeitung“ aufstellt. Will man den Brandenburg-Manteufelschen, den ächt königlich-preußischen Geist kennen lernen, so studiere man ihn in den Spalten des genannten Hof-Organs. Dieses läßt sich also vernehmen: „Männer wie Borsig, die notorisch Hunderte von Familien ernähren, waren in ihrem vollsten Recht, wenn sie offen und unumwunden ihren Untergebenen erklärten: da ich Euren Familien Brod schaffen soll, muß ich am Besten übersehen können, durch welche Mittel und unter welchen Zeitumständen mir dies möglich gemacht wird, ich muß deshalb in die Stellung kommen, wo ich dafür nach meiner Ueberzeugung wirken kann, es ist daher Eure Pflicht, mir Eure Stimme zu geben, und wer sie nicht gibt, tritt aus der Reihe derer, die ich zu beschäftigen und zu ernähren übernommen, denn er schmälert mir die Mittel zu diesem Zweck. Träte man auf gleiche vernünftige und logische Weise, welche auf dem Grundgesetz der bürgerlichen Gesellschaft besirt, und ohne deren Anwendung die bürgerliche Gesellschaft nie bestehen kann, auf, statt mit einem unpraktischen und der Anarchie in die Hände arbeitenden Liberalismus zu prunken, so würde des Unheils weit weniger und die feste Ordnung bald wieder hergestellt sein, unter deren Schutz sich Jeder ruhig fühlt. Aber auch auf ein anderes Thema müssen wir hierbei kommen und dies ohne weiteres offen zur Sprache bringen, denn es gilt jetzt den festen und energischen Kampf um das Wohl des Vaterlandes. Es ist die Pflicht der gutgesinnten Parthei, welche die Ordnung im Vaterlande will, und nicht fortwährende unsinnige Proteste, die nur den Zustand der Anarchie zurückrufen können, fest zusammen zu halten. Dazu gehört, daß man Diejenigen, welche sich der Umsturzparthei zugewandt haben, und somit die Ruhe des Vaterlandes bedrohen, auf keinerlei Weise unterstützt. Die Constitutionellen müssen sich energisch vereinigen, nur mit Geschäfts- und Gewerbsleuten ihrer Partei zu verkehren; nur bei solchen zu kaufen, ihre Bestellungen zu machen, und sie zu unterstützen. Es ist dies eine Pflicht, die Jeder unserer Partei gegen den Andern hat. Die Wirkung wird nicht ausbleiben. Die Erfahrung hat gerade hier in Berlin deutlich gezeigt, mit welcher schamlosen Undankbarkeit Leute, die vom Königlichen Hause sich reich gemästet haben, als die ärgsten Feinde des Königs sich gerirt haben und noch geriren, u. s. w.“ (Das „Galgenblättchen“ vergißt blos, daß das Königliche Haus Niemanden hätte „mästen“ können, wenn es nicht selbst fortwäh-

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Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 2 (Nummer 184 bis Nummer 301) Köln, 1. Januar 1849 bis 19. Mai 1849. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




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Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 205. Köln, 26. Januar 1849, S. 1119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz205_1849/3>, abgerufen am 28.04.2024.