Neue Rheinische Zeitung. Nr. 198. Köln, 18. Januar 1849.wählt die konstituirende National-Versammlung mit absoluter Stimmenmehrheit. Hierzu sind ein Schock Minoritäts-Erachten und 10,000 selbstständige Amendements gestellt, die ich Ihnen später gebe. Von der Linken u. a. durch Schuler, Fehrenbach von Dieskau etc. ein Antrag: "Auf einen Reichs-Statthalter, gewählt auf 6 Jahr, -- wählbar jeder selbstständige Deutsche etc." Die Rednerliste ist so lang, daß mir das Nachschreiben nicht zuzumuthen. Mit wenig Ausnahmen ist die ganze Versammlung eingeschrieben. Als Curiosum: Reichensperger ist für und gegen den Ausschuß eingeschrieben. Die denkwürdigen Debatten beginnen mit Herrn Schüler von Jena Er spricht für das erste Minoritäts-Erachten. (S. oben § 1.) Ich weiß nicht, ob es Ihr Wunsch ist, von den "schönen Reden", welche gehalten wurden, nur höchstens das "wofür" und "wogegen" zu vernehmen? Sollten Sie aber noch mehr wünschen -- Allah il Allah -- ich bin nicht mehr kapabel. Falk (ein Apostat -- früher der Linken angehörig) hielt eine Rede für den "erblichen deutschen Kaiser" und schimpfte dabei auf die republikanische Form und auf die Linke. Die Linke traktirte ihn nach Gebühr mit Toben. Der Jude Riesser aus Hamburg nannte in zionischer Hitze die Linke deshalb schamlos! Beseler (mit Fonds), welcher gerade präsidirte, ließ dies ohne Ordnungsruf geschehen. Rösler von Oels verlangte später von der Tribüne den Ordnungsruf. Statt dies zu thun, gab der jetzt präsidirende Simson Herrn Riesser das Wort, welcher mit Schamlosigkeit von der Tribüne sein "schamlos" wiederholte, dun die Sache war -- abgemacht. -- Herr Riesser scheint der Brennpunkt der Nationalversammlungsehre zu sein! -- Schütz von Mainz (Redner und Verfolgter von der Pfingstweide her -- und eben erst in die Versammlung gewählt) hielt eine Antrittsrede zu Gunsten der republikanischen Staatsform. Seine Rede war ohne allen überflüssigen Pathos kräftig und passend. Wenn Sie, sagt er u. a, ein deutsches Kaiserthum schaffen, so werden Sie alle andern deutschen Fürsten zu Wühlern gegen diese Kaisermacht machen. Außerdem werden die demokratischen Wühler bestehen bleiben, also einerseits fürstliche Wühler, andrerseits demokratische Wühler -- wird eine schöne Wühlerei abgeben unter diesem Kaiserthum. (Bravo und Heiterkeit auf den Gallerien.) Das deutsche Volk wird es nicht vergessen, daß wir uns von Oestreichs Bruderstamme trennen mußten und getrennt haben, um einen preußischen deutschen Kaiser zu machen. -- Auch wird sich gar kein deutscher Fürst finden, der die deutsche Kaiserkrone von Ihnen annimmt, wenn nicht die Fürsten konveniren. -- Seine Rede geht ohne besondern Eindruck vorüber. Dies Parlament ist schon geworden wie das todte Meer, gute oder schlechte Fische hineingeworfen, alles krepirt drin. -- Bloß die Gallerien nehmen noch bisweilen Antheil. Biedermann (der wässrige Professor aus Leipzig) plädirt für's erbliche Kaiserthum. Hagen (Professor von Heidelberg) gegen das erbliche Kaiserthum. Spricht von den früheren, jetzt verblichenen Sympathien des deutschen Volkes für den König von Preußen. Preußen's Herrscherstamm wird nie vom Absolutismus lassen können, und Deutschland braucht und kann an seiner Spitze nur einen Mann haben, dem es Freude macht ein freies Land zu regieren. Das deutsche Volk hat nicht seine Revolution gemacht, um sich eine neue Ruthe, einen erblichen Kaiser auf den Rücken binden zu lassen. -- Auch wird sich Oestreich dies nicht gefallen lassen, und ein neuer dreißigjähriger Krieg wird die Folge sein. Unter andern meint Hagen: in dieser Versammlung, die doch Deutschland vertreten soll (???) ist doch mindestens 1/4 republikanisch. (Widerspruch in den Centren, Beifall der Gallerien.) Also ist anzunehmen, daß doch mindestens 1/4 von Deutschland republikanisch ist. -- (Tumult der Centren, Links und Gallerien langer Beifall.) Wenn Sie einen Kaiser wollen, müßten Sie wenigstens erst die 34 andern Dynasten wegschaffen. -- Endlich erklärt sich Hagen für einen verantwortlichen und zeitweilig gewählten Präsidenten. Höfken giebt den Antrag ein: Das Reichsoberhaupt wird zwar von der National-Versammlung gewählt, aber die Wahl dann den Urwählern zur Genehmigung vorgelegt, und nur durch von denselben empfangene relative Stimmenmehrheit sanktionirt. Maifeld beantragt: "Das deutsche Volk ist zu befragen, ob es überhaupt einen Kaiser haben will oder nicht." An der Reihe der Redner folgt der pudelnärrsche alte Knabe Jahn: er quatscht einige Redensarten, die gar nicht zur Sache gehören, erregt die häufige Heiterkeit des Hauses und empfiehlt sich mit einem Erbkaiser. -- Der Schluß seiner denkwürdigen Rede lautet: "Sowie einen Kutscher auf dem Bock, einen Lootsen im Schiff, einen Koch in der Küch', einen Arzt am Krankenbett etc., so wünsch ich einen erblichen Kaiser." -- Langer Beifall der Centren, und Vertagung bis Morgen, folgt auf diese erhebenden Worte. Schluß 1/2 3 Uhr. 084 Kiel, 13. Jan. Spannung hat sich wieder aller der Gemüther bemächtigt, die sich nicht um das bekümmern, was beim Nachbar vorgeht, selbst wenn derselbe in demselben Hause wohnt, wir meinen aller derjenigen Schleswig-Holsteiner, die nur dann Jeremiaden heulen, wenn's an ihren eigenen Geldsack, an ihren eigenen Hals, an ihre eigene Freiheit (?) geht. Die Ursachen dieser Spannung sind die Bedingungen des abzuschließenden Friedens mit Dänemark. Jetzt heißt es geadressirt und petitionirt; als aber die Kroatenhorden Wien verwüsteten, sengten, brennten und mordeten, als Windischgrätz mit nichtdeutschen Völkern das deutsche Wien überschwemmte und Füsiladen, wie sie vielleicht die Geschichte nicht aufzuweisen hat, anstellte, als ein Manteuffel-Brandenburg (in der Wallung seines absolut-königlichen Geblüts) auf Befehl seines Herrn die Versammlung der unverletzlichen preußischen Vereinbarer auseinander treiben ließ; da hatte diese Race der Schleswig-Holsteiner keine Ursache, keinen Anlaß zum petitioniren. Doch zur Sache. Die Friedensbedingungen werden von dem Dirigenten der Diplomaten, Lord Palmerston, dahin aufgestellt, daß Schleswig als selbstständiges Herzogthum, einen mit Dänemark bloß durch Personalunion verbundenen, nicht in die deutsche Förderation aufzunehmenden, also von Holstein getrennten Staat bilde. Als Preis dieses Schachers wird als zweite Bedingung, die Aufhebung des Sundzolls von Lord Palmerston verlangt. Wie es in Betreff der Thronfolge gehalten werden soll, darüber verlautet nichts. Dänemark dagegen stellt als Bedingung: ein selbstständiges Schleswig, das zu seinem Heere, seiner Flotte, seiner Civilliste, eine nach Kopfzahl zu entrichtende Quote beizutragen habe; der Ueberschuß der Staatseinnahmen würde dann nach dem Beschluß der Landesvertretung zu verwenden sein. (?) Es würde sich dann auch, wie es scheint, zur Aufhebung des Sundzolls verstehen (weil es einsieht, daß die Völker sich diese Wegelagerung nicht mehr lange gefallen lassen werden.) Ueber diese Bedingungen sind nun die Schleswig-Holsteiner entrüstet, verzweifelt; die schleswig-holsteinischen Abgeordneten aus der Mitte und von der Rechten der Frankfurter Schattenspieler fordern zum petitioniren an die Marionettenversammlung jenes Schattentheaters auf, und die bornirte obenbeschriebene Race läßt denn auch Adressen und Petitionen los, in ganz energischen Ausdrücken, so unter andern eine, die gar droht, auf eigene Faust den Krieg fortzusetzen, wenn ein derartiger Frieden abgeschlossen würde. Wir wissen wahrlich nicht, ob man euch, die ihr dieses glaubt, bedauern oder auslachen soll. Ihr Handvoll Schleswiger wollt drohen, wißt Ihr auch die Folgen? Reichspolizisten und Konstabler, mit einem Lügenfabrikanten a la Bassermann oder einem Welker, dessen erster Besuch beim König von Dänemark an der mit Champagner und indianischen Vogelnestern besetzten Tafel sein würde, an der Spitze! Die provisorische Regierung drohte auch, und diese Drohung klang nach Etwas, denn sie hatte das ganze schleswig-holsteinische Volk hinter sich, die Folgen aber waren: die Wildenbruchsche Note in zweiter, und preußische aus Berlin fortgejagte Garden in erster Instanz um die -- Republik zu unterdrücken. 100 Glückstadt, 12. Jan. Gerüchtweise wird hier davon gesprochen, Dänemark habe in England eine Anleihe von 9 Mill., wahrscheinlich Bankthalern (4 Bankth. = 3 pr. Thlr.), vom engl. Kabinet kontrahirt, und dafür die dänisch-westindischen Inseln St. Thomas, St. Croix und St. Jean verpfändet. Die Wahrheit dieses Gerüchts können wir nicht verbürgen; wenn es aber wahr sein sollte, so sieht man, daß England für alle Fälle doch seinen Preis herauszubekommen sucht. Italien. 068 Rom, 6. Jan. Das Ministerium erließ dieser Tage wichtige Verordnungen rücksichtlich der Erwerbs- und Eigenthumsverhältnisse. Im Kriegsministerium herrscht große Thätigkeit. Viel grobes Geschütz geht nach Bologna und Ancona ab. Man überwacht die Rüstungen der Oesterreicher in Piacenza, Modena und Ferrara aufs Genauste. Die Kardinäle Altieri und Ferratti sind aus Gaeta hier eingetroffen. Es heißt, der Pabst wolle einen Bannfluch schleudern, sie exkommuniziren * Rom. Die Nachrichten aus Rom gehen bis zum 6. Jan. und melden nichts Neues von Belang. Das Kriegsministerium beschäftigte sich ernstlich mit allem, die Ausrüstung der Armee Betreffenden. Die Kardinäle Altieri und Ferretti waren nach Rom zurückgekehrt. Nach Berichten von Reisenden aus Civita-Vecchia circulirte daselbst das Gerücht, der Pabst habe das Anathem wider die Römer geschleudert. * Genua, 5. Jan. Der "Corriere mercantile" schreibt: Die lombardische Emigration, namentlich der conscriptionspflichtigen jungen Leute, nimmt mit jedem Tage zu. Der Militärdespotismus in allen lombardisch-venetianischen Provinzen ist bis auf einen Punkt gestiegen, daß er an die schnödesten Infamien vom letzten März erinnert. Halten wir uns bereit! die Zeit geht mit Ereignissen schwanger. Die Stunde wird schlagen! möge sie uns alle gerüstet, möge sie uns gerüsteter als im März 1848 finden! Der Minister des Innern von Piemont, Ratazzi, hat ein Circularschreiben an die Bischöfe des Königreichs gerichtet, worin er es der Geistlichkeit auf's Strengste verweis't, daß sie sich durch verschiedene contrerevolutionäre Schriften dem Fortschritte entgegengestemmt hat, und ihr eine ähnliche Einmischung in die Politik hinfort ernstlich untersagt. Spanien. Madrid, 9. Jan. Zwischen Vich und St. Hippolytus kam es am 7. Januar zwischen der Insurrektionsarmee unter Cabrera und den königl. Truppen in Katalonien zu einem mörderischen Treffen, dessen Ausgang sich die königl. Truppen zuschreiben. Cabrera mußte das Feld räumen und hat die Flucht ergriffen. Der letzte Theil dieser Nachricht verdient Bestätigung. Der Senat beginnt morgen wahrscheinlich die Adreßdiskussion. Zwischen den beiden Generälen und resp. Senatoren Pavia und Cordova kam es zu solchen Grobheiten, daß sie sich auf Pistolen schießen wollen. Französische Republik. 12 Paris, 15. Jan. Ungeheure Rüstungen in Toulon, das ist das allgemeine Tagesgespräch. Da stehen die Leute und finden: Wird Napoleon-Barrot Partei für den Pabst oder gegen nen Pabst ergreifen? Wird Napoleon-Barrot sich mit dem Pabst, Oestreich und Neapel gegen den Kirchenstaat oder mit dem Kirchenstaat gegen Oestreich und Neapel verbinden? Schon, daß eine solche Alternative möglich, schon, daß Barrot des Einen und des Andern fähig ist, schon, daß man darüber in Zweifel sein kann, ist das nicht die beste Charakteristik für Napoleons und Barrots farbenlose Politik? Also Barrot kann für und gegen Oestreich sein und vielleicht weiß er selbst nicht, trotz aller Rüstungen in Toulon, für welche Partei er ist. Doch steht von Barrots Biederkeit zu erwarten, daß er die Partei Windischgrätz ergreifen werde. Hat der "National" dagegen etwas einzuwenden? Verfolgt Odilon-Barrot nicht ganz die Politik Cavaignac's? Und verfolgte Cavaignac nicht ganz die Politik Guizot's? Und haben die nationalen Bourgeois nicht nothwendig, um sich zu halten, die Bourgeois der andern Nationalitäten zu unterstützen? Aber das liegt dem "National" nicht so sehr am Herzen, als "du blanqui retourne!" das heißt der Handstreich, den man auf die Kammer auszuüben sucht. Sprach früher irgend ein Montagnard gegen die Kammer, so hieß es: das ist du blanqui tout pur; weil Blanqui als die Personifikation des Attentats auf die Kammer vom 15. Mai betrachtet wird. Jetzt gehn die Angriffe nicht mehr von den Blanqui's, sondern der ganz entgegengesetzten Partei Thiers-Mole aus, deren Interessen Barrot unbewußter, aber in ächt biedermännischer Weise dient. Blanqui hat, um die Sprache des Nationals zu verstehen, gleichsam seinen Rock umgewandt, und die umgewandte Seite des Rockes ists, von welcher der Kammer Gefahr droht. Dazu kommt nun noch, daß der Constitutionnell kein Geheimniß mehr aus der Aussöhnung der Legitimisten und Orleanisten macht. Die Republik hat dieses große Werk der Vereinigung vollbracht. Heinrich V. hat keine Kinder und so würde ja doch nach dem Tode Heinrichs V. die orleanische Dynastie die rechtmäßige werden. Die Gefahr droht also nicht mehr von der kaiserlichen, sondern von der königlichen Seite, nicht mehr von den Bonapartisten, sondern von den Bourbonen. Ja, der National schämt sich sogar, daß er einen Augenblick nur hat Furcht hegen können vor einem kaiserlichen Gespenst. Louis und Kaiser! O, man hat dem armen Constabler Unrecht gethan! Der Schuldige ist nicht Bonaparte, sondern die royalistische Partei; sie ist doppelt schuldig, weil sie auf Napoleons Unschuld nicht zählte. Sie hätte nichts lieber gesehen, als die Erneuerung einer Adler-Scene, um, wie sie wähnte, mit einem Schritt über den Leib der Republik und des Kaiser zum legitimen oder quasi-legitimen Throne zu gelangen. Doch für die Aufdeckung und Vereitlung solcher Pläne ist der National da; um monarchische Intriguen braucht das Volk sich nicht zu kümmern. Es überläßt diese Sorge der geschlagenen Partei und organisirt sich unterdessen in ungeheure Assoziationen, zum Sturze aller Parteien. Odilon-Barrot ist ganz der Mann der jetzigen Zeit. Unhaltbar dem Gehalte nach, soll er für den Augenblick und durch seine formelle Haltung bloß einen Figuranten abgeben, den die Bourgeois nothwendig brauchen, um die Fortdauer ihrer Bourgeois-Interessen in der Gestalt der Biederkeit zu bezeichnen, und alle Bourgeois-Parteien zugleich auf eine bessere Zeit zu vertrösten. Die einzelnen Momente, von [der] Zusammenberufung der Kammer bis auf den jetzigen Punkt der Auflösung, waren weiter nichts als ein beständiges Vertrösten, ein beständiges Aufschieben, ein beständiger Zeitverlust für die Bourgeoisie. Aber dieser Zeitverlust war ihr eigentlicher Gewinn. Um Zeit zu gewinnen, mußte sie sich entschließen, beständig Zeit zu verlieren. Die bevorstehende Auflösung der Kammer, die Zusammenberufung einer neuen, -- Alles das heißt im Sinne der Bourgeoisie Zeit gewinnen. Ihr jetziges Leben zählt nicht mehr, und sie existirt nur noch durch den Glauben an ihr künftiges Leben. Ihr Leben ist die Rückkehr des Kredits, des Zutrauens, und mit jeder neuen Veränderung glaubt sie in das Stadium des Kredits und des Zutrauens -- der Ruhe und Ordnung -- einzugehen. Man sucht, man hascht nach irgend einer Idee, nach irgend einem Mittel, nach irgend einem sogenannten "expedient", um das gestörte Zutrauen herzustellen. Vergebens. Mit jeder Broschüre eines früher bedeutenden Mannes glaubt man diesem Mittel auf die Spur zu kommen. -- Guizot's "Demokratie", Lamartine's "Raphael", der nächstens erscheinen soll, Dupin's "Commentarien über die Konstitution", die eben erschienen, sollen die Evangelien sein, in welchen die Zeitnöthen aufgedeckt, mit den Mitteln ihnen abzuhelfen. Massenweise laufen die Bourgeois zum Buchhändler, und, wenn sie das Buch durchgelesen, gewahren sie, daß ihre Verfasser -- "Idealisten" sind. Es ist dies der beliebte Ausdruck für Ideologen. Die Zeit, wo ein Buch ein "Evangelium" war, ist aus; das gestörte kaufmännische Vertrauen dehnt sich auf die "Messias" der bürgerlichen Welt aus; man hat kein Zutrauen zu ihnen. Was die Bourgeoisie, was Rothschild und Konsorten wollen, das ist die Herrschaft der Bajonnette, mit rhetorischen Floskeln übergossen. Aber Frankreich ist kein Oesterreich, Paris ist kein Wien, und wenn heute Odilon-Barrot an einem Theile der Stadt die Klubs schließt, so öffnen sie sich hinter seinem Rücken an einem andern Theile der Stadt. Der "Jakobinismus", meinen die Bourgeois, ist allenthalben eingerissen, und selbst die Bauern fangen an Steuern zu verweigern. Die "Presse" sieht sehr gut die neue Verlegenheit ein. "Und wenn Ihr eine neue Majorität, eine neue Kammer habt, was wollt Ihr machen?" Geht sie aber auf ihr specificum, auf ihr besonderes Heilmittel gegen diesen Zustand ein, dann wird sie fade wie jedes Bourgeois-Blatt. Was ist nach Herr Girardin Schuld an den jetzigen Verhältnissen? Die jetzige Verwaltung mit den 9 Ministern. "Nur 3 Minister; ein Minister, der dirigirt, einer, der ausgibt, ein anderer, der empfängt und Alles wird gut gehen." Wir sehen, Girardin will weiter nichts als eine andere Buchhaltung, eine neue Buchung der Bourgeois-Interessen, und er verfolgt seinen Zweck mit so großer Beharrlichkeit, preist seine neue Entdeckung mit derselben Ueberzeugung an, als der bekannte Vidal seine neue Methode, in 25 Lektionen schreiben zu lernen. "Und seht, wie uneigennützig Girardin verfahren! Er, der so thätig gewirkt gegen Cavaignac und für Napoleon, hat nicht einmal das geringste Portefeuille." Aber Girardin will kein Portefeuille, er will seine neue Buchhaltung einführen, und dazu gehört, daß er oben ansteht als dirigirender Minister, um den beiden andern Ministern zu zeigen, wie man ausgibt und wie man einnimmt, und wie beides -- eingetragen wird! Allgemein heißt es, Napoleon reservire sich die eigentlichen Capacitäten; und die eigentlichen Capacitäten lassen sich alle ohne Gefahr Odilon-Barrot gefallen, bis die Reihe an sie kömmt. Jeder zählt sich natürlich zu den Capacitäten, daher nimmt jeder mit Barrot verlieb. Die "Capacitäten" selbst schonen sich gerade wie unter Guizot, und suchen sich ministeriell möglich zu halten. Die Lage ist ganz dieselbe wie im Januar vorigen Jahres. Nur ist Barrot in seinem Ideale übertroffen, und Thiers hinter seinem Ideale zurückgeblieben. Aber immer hat Thiers sehr viel gerettet -- die Fähigkeit, ein Ideal noch fassen zu können, die er mit der nächsten Revolution sehr leicht verlieren könnte. Transnonain und Juin ist für die Arbeiter gleichbedeutend geworden. Paris, 15. Januar. Der Moniteur bleibt stumm zu all dem Lärmen, den die Pariser und Provinzialblätter über die Rüstungen in unsern Seehäfen erheben. -- Poniatowski soll mit diplomatischen Aufträgen aus Florenz angekommen sein. -- Die Touloner Sentinelle vom 10. Jan. bestätigt die von uns gestern gemachten Mittheilungen vollständig. Auch dieses Präfekturblatt behauptet: es würden ungefähr 10,000 Mann eingeschifft, die dem Pabst bei seiner Uebersiedelung von Gaeta nach Civita Vecchia als Schutzarmee dienen sollen. -- Aus Marseille wird die plötzliche Expedition gegen die Römer auf folgende Weise erklärt: ".... Die gesammte europäische Diplomatie umschwärmte Se. Heiligkeit in Gaeta, um ihn zu vermögen, energisch gegen die Römer zu verfahren. Man sei endlich übereingekommen, daß er sein Hoflager in Civita Vecchia aufschlage und hierfür seien jene Rüstungen bestimmt. -- Aus Toulon wird unterm 10. Jan. gemeldet: Die Engländer seien in Civita Vecchia gelandet und hätten dort Garnison bezogen! Der Pabst werde daselbst mit jeder Stunde erwartet. Die Besatzung der Engländer sei übrigens nur provisorisch und werde demnächst von den Franzosen abgelöst. So schreibe es eine geheime Uebereinkunft der Großmächte vor. -- Die Pariser Opinion meldet: "Es wird uns versichert, daß (außer nach Toulon) auch Befehle in die Seehäfen von Cherbourg und Lorient abgegangen sind, die Kriegsschiffe La Forte, Alceste, Clorinde, Gomer, Triton und Thisbe auszurüsten. -- Laut des Marseiller Nouvelliste vom 11. Jan. nahm General Moliere am Tage vorher über das 33. Regiment eine Revue ab. Bis zum 11. fand also noch keinerlei Einschiffung jener Brigade statt. -- Der Moniteur benachrichtigt die offizielle Welt, daß ihr die Säle des Präsidenten der Republik Montags und Donnerstags Abends von 8 bis 10 Uhr geöffnet seien. Was die übrigen Personen betreffe, so gestatte die Beschränktheit der Räume des Elisee National sie nicht anders als gegen Spezialeinladungsscheine zu empfangen. -- Der Moniteur veröffentlicht heute die Resultate der indirekten Steuererträge des berühmten Jahres der Ungnade 1848. Laut seiner offiziellen Tabellen nahm der Staatsschatz im Ganzen 530,270,000 Fr. an indirekten Steuern ein, wobei die berüchtigte 45 Centimensteuer mit 162,524,000 Fr. glänzt. Die "Patrie" sagt in ihrem Leitartikel: daß sich der Staat zu einer neuen Anleihe bei der Bank von 100 Mill. genöthigt sehe. Diese 100 Millionen gäben in Verbindung mit den übrigen Beständen der schwebenden Schuld dem Finanzminister 435 Millionen in die Hände. Mit dieser Summe solle er ein Defizit von 715 Millionen decken, Wir wissen noch nicht, durch welche Mittel Herr Passy diese Schwierigkeit zu lösen gedenkt; wir wissen nur, daß er unsere Abneigung gegen Einführung der Einkommensteuer und der sonstigen Goudchaux'schen Finanzentwürfe theilt (Ah hah!) Wie wäre es, wenn sich der Finanzminister durch Erhöhung der Eingangszölle zu retten suchte? Unsere Douanen bringen jährlich nur 130 Mill. Das ist im Vergleich zur britischen Skala äußerst wenig. Darum müßte es ein Leichtes ein, diese 130 Mill. auf 300 Mill. zu erhöhen. Möge Hr. Passy diesen Vorschlag überlegen, ehe er sich in neue Anleihen stürze. Jedenfalls brennen wir voll Neugierde, seine Finanzpläne zu kennen. -- In der heutigen Sitzung der Nationalversammlung wurde Marrast wieder zum Monatspräsidenten gewählt. wählt die konstituirende National-Versammlung mit absoluter Stimmenmehrheit. Hierzu sind ein Schock Minoritäts-Erachten und 10,000 selbstständige Amendements gestellt, die ich Ihnen später gebe. Von der Linken u. a. durch Schuler, Fehrenbach von Dieskau etc. ein Antrag: „Auf einen Reichs-Statthalter, gewählt auf 6 Jahr, — wählbar jeder selbstständige Deutsche etc.“ Die Rednerliste ist so lang, daß mir das Nachschreiben nicht zuzumuthen. Mit wenig Ausnahmen ist die ganze Versammlung eingeschrieben. Als Curiosum: Reichensperger ist für und gegen den Ausschuß eingeschrieben. Die denkwürdigen Debatten beginnen mit Herrn Schüler von Jena Er spricht für das erste Minoritäts-Erachten. (S. oben § 1.) Ich weiß nicht, ob es Ihr Wunsch ist, von den „schönen Reden“, welche gehalten wurden, nur höchstens das „wofür“ und „wogegen“ zu vernehmen? Sollten Sie aber noch mehr wünschen — Allah il Allah — ich bin nicht mehr kapabel. Falk (ein Apostat — früher der Linken angehörig) hielt eine Rede für den „erblichen deutschen Kaiser“ und schimpfte dabei auf die republikanische Form und auf die Linke. Die Linke traktirte ihn nach Gebühr mit Toben. Der Jude Riesser aus Hamburg nannte in zionischer Hitze die Linke deshalb schamlos! Beseler (mit Fonds), welcher gerade präsidirte, ließ dies ohne Ordnungsruf geschehen. Rösler von Oels verlangte später von der Tribüne den Ordnungsruf. Statt dies zu thun, gab der jetzt präsidirende Simson Herrn Riesser das Wort, welcher mit Schamlosigkeit von der Tribüne sein „schamlos“ wiederholte, dun die Sache war — abgemacht. — Herr Riesser scheint der Brennpunkt der Nationalversammlungsehre zu sein! — Schütz von Mainz (Redner und Verfolgter von der Pfingstweide her — und eben erst in die Versammlung gewählt) hielt eine Antrittsrede zu Gunsten der republikanischen Staatsform. Seine Rede war ohne allen überflüssigen Pathos kräftig und passend. Wenn Sie, sagt er u. a, ein deutsches Kaiserthum schaffen, so werden Sie alle andern deutschen Fürsten zu Wühlern gegen diese Kaisermacht machen. Außerdem werden die demokratischen Wühler bestehen bleiben, also einerseits fürstliche Wühler, andrerseits demokratische Wühler — wird eine schöne Wühlerei abgeben unter diesem Kaiserthum. (Bravo und Heiterkeit auf den Gallerien.) Das deutsche Volk wird es nicht vergessen, daß wir uns von Oestreichs Bruderstamme trennen mußten und getrennt haben, um einen preußischen deutschen Kaiser zu machen. — Auch wird sich gar kein deutscher Fürst finden, der die deutsche Kaiserkrone von Ihnen annimmt, wenn nicht die Fürsten konveniren. — Seine Rede geht ohne besondern Eindruck vorüber. Dies Parlament ist schon geworden wie das todte Meer, gute oder schlechte Fische hineingeworfen, alles krepirt drin. — Bloß die Gallerien nehmen noch bisweilen Antheil. Biedermann (der wässrige Professor aus Leipzig) plädirt für's erbliche Kaiserthum. Hagen (Professor von Heidelberg) gegen das erbliche Kaiserthum. Spricht von den früheren, jetzt verblichenen Sympathien des deutschen Volkes für den König von Preußen. Preußen's Herrscherstamm wird nie vom Absolutismus lassen können, und Deutschland braucht und kann an seiner Spitze nur einen Mann haben, dem es Freude macht ein freies Land zu regieren. Das deutsche Volk hat nicht seine Revolution gemacht, um sich eine neue Ruthe, einen erblichen Kaiser auf den Rücken binden zu lassen. — Auch wird sich Oestreich dies nicht gefallen lassen, und ein neuer dreißigjähriger Krieg wird die Folge sein. Unter andern meint Hagen: in dieser Versammlung, die doch Deutschland vertreten soll (???) ist doch mindestens 1/4 republikanisch. (Widerspruch in den Centren, Beifall der Gallerien.) Also ist anzunehmen, daß doch mindestens 1/4 von Deutschland republikanisch ist. — (Tumult der Centren, Links und Gallerien langer Beifall.) Wenn Sie einen Kaiser wollen, müßten Sie wenigstens erst die 34 andern Dynasten wegschaffen. — Endlich erklärt sich Hagen für einen verantwortlichen und zeitweilig gewählten Präsidenten. Höfken giebt den Antrag ein: Das Reichsoberhaupt wird zwar von der National-Versammlung gewählt, aber die Wahl dann den Urwählern zur Genehmigung vorgelegt, und nur durch von denselben empfangene relative Stimmenmehrheit sanktionirt. Maifeld beantragt: „Das deutsche Volk ist zu befragen, ob es überhaupt einen Kaiser haben will oder nicht.“ An der Reihe der Redner folgt der pudelnärrsche alte Knabe Jahn: er quatscht einige Redensarten, die gar nicht zur Sache gehören, erregt die häufige Heiterkeit des Hauses und empfiehlt sich mit einem Erbkaiser. — Der Schluß seiner denkwürdigen Rede lautet: „Sowie einen Kutscher auf dem Bock, einen Lootsen im Schiff, einen Koch in der Küch', einen Arzt am Krankenbett etc., so wünsch ich einen erblichen Kaiser.“ — Langer Beifall der Centren, und Vertagung bis Morgen, folgt auf diese erhebenden Worte. Schluß 1/2 3 Uhr. 084 Kiel, 13. Jan. Spannung hat sich wieder aller der Gemüther bemächtigt, die sich nicht um das bekümmern, was beim Nachbar vorgeht, selbst wenn derselbe in demselben Hause wohnt, wir meinen aller derjenigen Schleswig-Holsteiner, die nur dann Jeremiaden heulen, wenn's an ihren eigenen Geldsack, an ihren eigenen Hals, an ihre eigene Freiheit (?) geht. Die Ursachen dieser Spannung sind die Bedingungen des abzuschließenden Friedens mit Dänemark. Jetzt heißt es geadressirt und petitionirt; als aber die Kroatenhorden Wien verwüsteten, sengten, brennten und mordeten, als Windischgrätz mit nichtdeutschen Völkern das deutsche Wien überschwemmte und Füsiladen, wie sie vielleicht die Geschichte nicht aufzuweisen hat, anstellte, als ein Manteuffel-Brandenburg (in der Wallung seines absolut-königlichen Geblüts) auf Befehl seines Herrn die Versammlung der unverletzlichen preußischen Vereinbarer auseinander treiben ließ; da hatte diese Race der Schleswig-Holsteiner keine Ursache, keinen Anlaß zum petitioniren. Doch zur Sache. Die Friedensbedingungen werden von dem Dirigenten der Diplomaten, Lord Palmerston, dahin aufgestellt, daß Schleswig als selbstständiges Herzogthum, einen mit Dänemark bloß durch Personalunion verbundenen, nicht in die deutsche Förderation aufzunehmenden, also von Holstein getrennten Staat bilde. Als Preis dieses Schachers wird als zweite Bedingung, die Aufhebung des Sundzolls von Lord Palmerston verlangt. Wie es in Betreff der Thronfolge gehalten werden soll, darüber verlautet nichts. Dänemark dagegen stellt als Bedingung: ein selbstständiges Schleswig, das zu seinem Heere, seiner Flotte, seiner Civilliste, eine nach Kopfzahl zu entrichtende Quote beizutragen habe; der Ueberschuß der Staatseinnahmen würde dann nach dem Beschluß der Landesvertretung zu verwenden sein. (?) Es würde sich dann auch, wie es scheint, zur Aufhebung des Sundzolls verstehen (weil es einsieht, daß die Völker sich diese Wegelagerung nicht mehr lange gefallen lassen werden.) Ueber diese Bedingungen sind nun die Schleswig-Holsteiner entrüstet, verzweifelt; die schleswig-holsteinischen Abgeordneten aus der Mitte und von der Rechten der Frankfurter Schattenspieler fordern zum petitioniren an die Marionettenversammlung jenes Schattentheaters auf, und die bornirte obenbeschriebene Race läßt denn auch Adressen und Petitionen los, in ganz energischen Ausdrücken, so unter andern eine, die gar droht, auf eigene Faust den Krieg fortzusetzen, wenn ein derartiger Frieden abgeschlossen würde. Wir wissen wahrlich nicht, ob man euch, die ihr dieses glaubt, bedauern oder auslachen soll. Ihr Handvoll Schleswiger wollt drohen, wißt Ihr auch die Folgen? Reichspolizisten und Konstabler, mit einem Lügenfabrikanten à la Bassermann oder einem Welker, dessen erster Besuch beim König von Dänemark an der mit Champagner und indianischen Vogelnestern besetzten Tafel sein würde, an der Spitze! Die provisorische Regierung drohte auch, und diese Drohung klang nach Etwas, denn sie hatte das ganze schleswig-holsteinische Volk hinter sich, die Folgen aber waren: die Wildenbruchsche Note in zweiter, und preußische aus Berlin fortgejagte Garden in erster Instanz um die — Republik zu unterdrücken. 100 Glückstadt, 12. Jan. Gerüchtweise wird hier davon gesprochen, Dänemark habe in England eine Anleihe von 9 Mill., wahrscheinlich Bankthalern (4 Bankth. = 3 pr. Thlr.), vom engl. Kabinet kontrahirt, und dafür die dänisch-westindischen Inseln St. Thomas, St. Croix und St. Jean verpfändet. Die Wahrheit dieses Gerüchts können wir nicht verbürgen; wenn es aber wahr sein sollte, so sieht man, daß England für alle Fälle doch seinen Preis herauszubekommen sucht. Italien. 068 Rom, 6. Jan. Das Ministerium erließ dieser Tage wichtige Verordnungen rücksichtlich der Erwerbs- und Eigenthumsverhältnisse. Im Kriegsministerium herrscht große Thätigkeit. Viel grobes Geschütz geht nach Bologna und Ancona ab. Man überwacht die Rüstungen der Oesterreicher in Piacenza, Modena und Ferrara aufs Genauste. Die Kardinäle Altieri und Ferratti sind aus Gaeta hier eingetroffen. Es heißt, der Pabst wolle einen Bannfluch schleudern, sie exkommuniziren * Rom. Die Nachrichten aus Rom gehen bis zum 6. Jan. und melden nichts Neues von Belang. Das Kriegsministerium beschäftigte sich ernstlich mit allem, die Ausrüstung der Armee Betreffenden. Die Kardinäle Altieri und Ferretti waren nach Rom zurückgekehrt. Nach Berichten von Reisenden aus Civita-Vecchia circulirte daselbst das Gerücht, der Pabst habe das Anathem wider die Römer geschleudert. * Genua, 5. Jan. Der „Corriere mercantile“ schreibt: Die lombardische Emigration, namentlich der conscriptionspflichtigen jungen Leute, nimmt mit jedem Tage zu. Der Militärdespotismus in allen lombardisch-venetianischen Provinzen ist bis auf einen Punkt gestiegen, daß er an die schnödesten Infamien vom letzten März erinnert. Halten wir uns bereit! die Zeit geht mit Ereignissen schwanger. Die Stunde wird schlagen! möge sie uns alle gerüstet, möge sie uns gerüsteter als im März 1848 finden! Der Minister des Innern von Piemont, Ratazzi, hat ein Circularschreiben an die Bischöfe des Königreichs gerichtet, worin er es der Geistlichkeit auf's Strengste verweis't, daß sie sich durch verschiedene contrerevolutionäre Schriften dem Fortschritte entgegengestemmt hat, und ihr eine ähnliche Einmischung in die Politik hinfort ernstlich untersagt. Spanien. Madrid, 9. Jan. Zwischen Vich und St. Hippolytus kam es am 7. Januar zwischen der Insurrektionsarmee unter Cabrera und den königl. Truppen in Katalonien zu einem mörderischen Treffen, dessen Ausgang sich die königl. Truppen zuschreiben. Cabrera mußte das Feld räumen und hat die Flucht ergriffen. Der letzte Theil dieser Nachricht verdient Bestätigung. Der Senat beginnt morgen wahrscheinlich die Adreßdiskussion. Zwischen den beiden Generälen und resp. Senatoren Pavia und Cordova kam es zu solchen Grobheiten, daß sie sich auf Pistolen schießen wollen. Französische Republik. 12 Paris, 15. Jan. Ungeheure Rüstungen in Toulon, das ist das allgemeine Tagesgespräch. Da stehen die Leute und finden: Wird Napoleon-Barrot Partei für den Pabst oder gegen nen Pabst ergreifen? Wird Napoleon-Barrot sich mit dem Pabst, Oestreich und Neapel gegen den Kirchenstaat oder mit dem Kirchenstaat gegen Oestreich und Neapel verbinden? Schon, daß eine solche Alternative möglich, schon, daß Barrot des Einen und des Andern fähig ist, schon, daß man darüber in Zweifel sein kann, ist das nicht die beste Charakteristik für Napoleons und Barrots farbenlose Politik? Also Barrot kann für und gegen Oestreich sein und vielleicht weiß er selbst nicht, trotz aller Rüstungen in Toulon, für welche Partei er ist. Doch steht von Barrots Biederkeit zu erwarten, daß er die Partei Windischgrätz ergreifen werde. Hat der „National“ dagegen etwas einzuwenden? Verfolgt Odilon-Barrot nicht ganz die Politik Cavaignac's? Und verfolgte Cavaignac nicht ganz die Politik Guizot's? Und haben die nationalen Bourgeois nicht nothwendig, um sich zu halten, die Bourgeois der andern Nationalitäten zu unterstützen? Aber das liegt dem „National“ nicht so sehr am Herzen, als „du blanqui retourné!“ das heißt der Handstreich, den man auf die Kammer auszuüben sucht. Sprach früher irgend ein Montagnard gegen die Kammer, so hieß es: das ist du blanqui tout pur; weil Blanqui als die Personifikation des Attentats auf die Kammer vom 15. Mai betrachtet wird. Jetzt gehn die Angriffe nicht mehr von den Blanqui's, sondern der ganz entgegengesetzten Partei Thiers-Molé aus, deren Interessen Barrot unbewußter, aber in ächt biedermännischer Weise dient. Blanqui hat, um die Sprache des Nationals zu verstehen, gleichsam seinen Rock umgewandt, und die umgewandte Seite des Rockes ists, von welcher der Kammer Gefahr droht. Dazu kommt nun noch, daß der Constitutionnell kein Geheimniß mehr aus der Aussöhnung der Legitimisten und Orleanisten macht. Die Republik hat dieses große Werk der Vereinigung vollbracht. Heinrich V. hat keine Kinder und so würde ja doch nach dem Tode Heinrichs V. die orleanische Dynastie die rechtmäßige werden. Die Gefahr droht also nicht mehr von der kaiserlichen, sondern von der königlichen Seite, nicht mehr von den Bonapartisten, sondern von den Bourbonen. Ja, der National schämt sich sogar, daß er einen Augenblick nur hat Furcht hegen können vor einem kaiserlichen Gespenst. Louis und Kaiser! O, man hat dem armen Constabler Unrecht gethan! Der Schuldige ist nicht Bonaparte, sondern die royalistische Partei; sie ist doppelt schuldig, weil sie auf Napoleons Unschuld nicht zählte. Sie hätte nichts lieber gesehen, als die Erneuerung einer Adler-Scene, um, wie sie wähnte, mit einem Schritt über den Leib der Republik und des Kaiser zum legitimen oder quasi-legitimen Throne zu gelangen. Doch für die Aufdeckung und Vereitlung solcher Pläne ist der National da; um monarchische Intriguen braucht das Volk sich nicht zu kümmern. Es überläßt diese Sorge der geschlagenen Partei und organisirt sich unterdessen in ungeheure Assoziationen, zum Sturze aller Parteien. Odilon-Barrot ist ganz der Mann der jetzigen Zeit. Unhaltbar dem Gehalte nach, soll er für den Augenblick und durch seine formelle Haltung bloß einen Figuranten abgeben, den die Bourgeois nothwendig brauchen, um die Fortdauer ihrer Bourgeois-Interessen in der Gestalt der Biederkeit zu bezeichnen, und alle Bourgeois-Parteien zugleich auf eine bessere Zeit zu vertrösten. Die einzelnen Momente, von [der] Zusammenberufung der Kammer bis auf den jetzigen Punkt der Auflösung, waren weiter nichts als ein beständiges Vertrösten, ein beständiges Aufschieben, ein beständiger Zeitverlust für die Bourgeoisie. Aber dieser Zeitverlust war ihr eigentlicher Gewinn. Um Zeit zu gewinnen, mußte sie sich entschließen, beständig Zeit zu verlieren. Die bevorstehende Auflösung der Kammer, die Zusammenberufung einer neuen, — Alles das heißt im Sinne der Bourgeoisie Zeit gewinnen. Ihr jetziges Leben zählt nicht mehr, und sie existirt nur noch durch den Glauben an ihr künftiges Leben. Ihr Leben ist die Rückkehr des Kredits, des Zutrauens, und mit jeder neuen Veränderung glaubt sie in das Stadium des Kredits und des Zutrauens — der Ruhe und Ordnung — einzugehen. Man sucht, man hascht nach irgend einer Idee, nach irgend einem Mittel, nach irgend einem sogenannten «expedient», um das gestörte Zutrauen herzustellen. Vergebens. Mit jeder Broschüre eines früher bedeutenden Mannes glaubt man diesem Mittel auf die Spur zu kommen. — Guizot's „Demokratie“, Lamartine's „Raphael“, der nächstens erscheinen soll, Dupin's „Commentarien über die Konstitution“, die eben erschienen, sollen die Evangelien sein, in welchen die Zeitnöthen aufgedeckt, mit den Mitteln ihnen abzuhelfen. Massenweise laufen die Bourgeois zum Buchhändler, und, wenn sie das Buch durchgelesen, gewahren sie, daß ihre Verfasser — „Idealisten“ sind. Es ist dies der beliebte Ausdruck für Ideologen. Die Zeit, wo ein Buch ein „Evangelium“ war, ist aus; das gestörte kaufmännische Vertrauen dehnt sich auf die „Messias“ der bürgerlichen Welt aus; man hat kein Zutrauen zu ihnen. Was die Bourgeoisie, was Rothschild und Konsorten wollen, das ist die Herrschaft der Bajonnette, mit rhetorischen Floskeln übergossen. Aber Frankreich ist kein Oesterreich, Paris ist kein Wien, und wenn heute Odilon-Barrot an einem Theile der Stadt die Klubs schließt, so öffnen sie sich hinter seinem Rücken an einem andern Theile der Stadt. Der „Jakobinismus“, meinen die Bourgeois, ist allenthalben eingerissen, und selbst die Bauern fangen an Steuern zu verweigern. Die „Presse“ sieht sehr gut die neue Verlegenheit ein. „Und wenn Ihr eine neue Majorität, eine neue Kammer habt, was wollt Ihr machen?“ Geht sie aber auf ihr specificum, auf ihr besonderes Heilmittel gegen diesen Zustand ein, dann wird sie fade wie jedes Bourgeois-Blatt. Was ist nach Herr Girardin Schuld an den jetzigen Verhältnissen? Die jetzige Verwaltung mit den 9 Ministern. „Nur 3 Minister; ein Minister, der dirigirt, einer, der ausgibt, ein anderer, der empfängt und Alles wird gut gehen.“ Wir sehen, Girardin will weiter nichts als eine andere Buchhaltung, eine neue Buchung der Bourgeois-Interessen, und er verfolgt seinen Zweck mit so großer Beharrlichkeit, preist seine neue Entdeckung mit derselben Ueberzeugung an, als der bekannte Vidal seine neue Methode, in 25 Lektionen schreiben zu lernen. „Und seht, wie uneigennützig Girardin verfahren! Er, der so thätig gewirkt gegen Cavaignac und für Napoleon, hat nicht einmal das geringste Portefeuille.“ Aber Girardin will kein Portefeuille, er will seine neue Buchhaltung einführen, und dazu gehört, daß er oben ansteht als dirigirender Minister, um den beiden andern Ministern zu zeigen, wie man ausgibt und wie man einnimmt, und wie beides — eingetragen wird! Allgemein heißt es, Napoleon reservire sich die eigentlichen Capacitäten; und die eigentlichen Capacitäten lassen sich alle ohne Gefahr Odilon-Barrot gefallen, bis die Reihe an sie kömmt. Jeder zählt sich natürlich zu den Capacitäten, daher nimmt jeder mit Barrot verlieb. Die „Capacitäten“ selbst schonen sich gerade wie unter Guizot, und suchen sich ministeriell möglich zu halten. Die Lage ist ganz dieselbe wie im Januar vorigen Jahres. Nur ist Barrot in seinem Ideale übertroffen, und Thiers hinter seinem Ideale zurückgeblieben. Aber immer hat Thiers sehr viel gerettet — die Fähigkeit, ein Ideal noch fassen zu können, die er mit der nächsten Revolution sehr leicht verlieren könnte. Transnonain und Juin ist für die Arbeiter gleichbedeutend geworden. Paris, 15. Januar. Der Moniteur bleibt stumm zu all dem Lärmen, den die Pariser und Provinzialblätter über die Rüstungen in unsern Seehäfen erheben. — Poniatowski soll mit diplomatischen Aufträgen aus Florenz angekommen sein. — Die Touloner Sentinelle vom 10. Jan. bestätigt die von uns gestern gemachten Mittheilungen vollständig. Auch dieses Präfekturblatt behauptet: es würden ungefähr 10,000 Mann eingeschifft, die dem Pabst bei seiner Uebersiedelung von Gaeta nach Civita Vecchia als Schutzarmee dienen sollen. — Aus Marseille wird die plötzliche Expedition gegen die Römer auf folgende Weise erklärt: „‥‥ Die gesammte europäische Diplomatie umschwärmte Se. Heiligkeit in Gaeta, um ihn zu vermögen, energisch gegen die Römer zu verfahren. Man sei endlich übereingekommen, daß er sein Hoflager in Civita Vecchia aufschlage und hierfür seien jene Rüstungen bestimmt. — Aus Toulon wird unterm 10. Jan. gemeldet: Die Engländer seien in Civita Vecchia gelandet und hätten dort Garnison bezogen! Der Pabst werde daselbst mit jeder Stunde erwartet. Die Besatzung der Engländer sei übrigens nur provisorisch und werde demnächst von den Franzosen abgelöst. So schreibe es eine geheime Uebereinkunft der Großmächte vor. — Die Pariser Opinion meldet: „Es wird uns versichert, daß (außer nach Toulon) auch Befehle in die Seehäfen von Cherbourg und Lorient abgegangen sind, die Kriegsschiffe La Forte, Alceste, Clorinde, Gomer, Triton und Thisbé auszurüsten. — Laut des Marseiller Nouvelliste vom 11. Jan. nahm General Molière am Tage vorher über das 33. Regiment eine Revue ab. Bis zum 11. fand also noch keinerlei Einschiffung jener Brigade statt. — Der Moniteur benachrichtigt die offizielle Welt, daß ihr die Säle des Präsidenten der Republik Montags und Donnerstags Abends von 8 bis 10 Uhr geöffnet seien. Was die übrigen Personen betreffe, so gestatte die Beschränktheit der Räume des Elisée National sie nicht anders als gegen Spezialeinladungsscheine zu empfangen. — Der Moniteur veröffentlicht heute die Resultate der indirekten Steuererträge des berühmten Jahres der Ungnade 1848. Laut seiner offiziellen Tabellen nahm der Staatsschatz im Ganzen 530,270,000 Fr. an indirekten Steuern ein, wobei die berüchtigte 45 Centimensteuer mit 162,524,000 Fr. glänzt. Die „Patrie“ sagt in ihrem Leitartikel: daß sich der Staat zu einer neuen Anleihe bei der Bank von 100 Mill. genöthigt sehe. Diese 100 Millionen gäben in Verbindung mit den übrigen Beständen der schwebenden Schuld dem Finanzminister 435 Millionen in die Hände. Mit dieser Summe solle er ein Defizit von 715 Millionen decken, Wir wissen noch nicht, durch welche Mittel Herr Passy diese Schwierigkeit zu lösen gedenkt; wir wissen nur, daß er unsere Abneigung gegen Einführung der Einkommensteuer und der sonstigen Goudchaux'schen Finanzentwürfe theilt (Ah hah!) Wie wäre es, wenn sich der Finanzminister durch Erhöhung der Eingangszölle zu retten suchte? Unsere Douanen bringen jährlich nur 130 Mill. Das ist im Vergleich zur britischen Skala äußerst wenig. Darum müßte es ein Leichtes ein, diese 130 Mill. auf 300 Mill. zu erhöhen. Möge Hr. Passy diesen Vorschlag überlegen, ehe er sich in neue Anleihen stürze. Jedenfalls brennen wir voll Neugierde, seine Finanzpläne zu kennen. — In der heutigen Sitzung der Nationalversammlung wurde Marrast wieder zum Monatspräsidenten gewählt. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div xml:id="ar198_005" type="jArticle"> <p rendition="#et"><pb facs="#f0002" n="1076"/> wählt die konstituirende National-Versammlung mit absoluter Stimmenmehrheit.<lb/> (Schüler aus Jena. Wigard. H. Simon. Detmold ev. Waitz. [vergleiche Minoritätserachten 3] Zell. Mittermaier. Ahrens Schreiner ev. Reh. Gülich.)<lb/> §. Die Wahl des Reichsoberhauptes erfolgt drei Monate vor dem Schluß des letzten Jahres der Wahlperiode. Der Abtretende ist wieder wählbar.<lb/> (H. Simon. Reh. Schüler aus Jena. Waitz. [vgl. Minoritätserachten 3.] Wigard. Detmold ev. Zell. Ahrens. Welcker. Mittermaier ev:. wenn der Antrag auf lebenslängliche Ernennung nicht angenommen wird. Somaruga ev. Schreiner ev.)<lb/> §. Stirbt das Reichsoberhaupt, so tritt der Reichstag ohne Berufung in der Art zusammen, wie er zuletzt versammelt war, um eine neue Wahl vorzunehmen. Dieselbe muß innerhalb vier Wochen nach erfolgtem Tode stattfinden.<lb/> (Schüler aus Jena. H. Simon. Reh. Wigard. Waitz. [vgl. Minoritätserachten 3.] Ahrens. Detmold ev. Zell. Mittermaier ev. Schreiner ev.)<lb/> §. Bis zu erfolgter Wahl übt das verantwortliche Reichsministerium im Namen des Reiches die verfassungsmäßige Gewalt des Reichsoberhauptes.<lb/> (H. Simon. Reh. Schüler aus Jena. Wigard. Schreiner ev. Ahrens. Mittermaier. Zell.)</p> <p>Hierzu sind ein Schock Minoritäts-Erachten und 10,000 selbstständige Amendements gestellt, die ich Ihnen später gebe. Von der Linken u. a. durch Schuler, Fehrenbach von Dieskau etc. ein Antrag:</p> <p rendition="#et">„Auf einen Reichs-Statthalter, gewählt auf 6 Jahr, — wählbar jeder selbstständige Deutsche etc.“</p> <p>Die Rednerliste ist so lang, daß mir das Nachschreiben nicht zuzumuthen. Mit wenig Ausnahmen ist die ganze Versammlung eingeschrieben. Als Curiosum: Reichensperger ist für und gegen den Ausschuß eingeschrieben. Die denkwürdigen Debatten beginnen mit Herrn</p> <p><hi rendition="#g">Schüler</hi> von Jena Er spricht für das erste Minoritäts-Erachten. (S. oben § 1.)</p> <p>Ich weiß nicht, ob es Ihr Wunsch ist, von den „schönen Reden“, welche gehalten wurden, nur höchstens das „wofür“ und „wogegen“ zu vernehmen? Sollten Sie aber noch mehr wünschen — Allah il Allah — ich bin nicht mehr kapabel.</p> <p><hi rendition="#g">Falk</hi> (ein Apostat — früher der Linken angehörig) hielt eine Rede für den „erblichen deutschen Kaiser“ und schimpfte dabei auf die republikanische Form und auf die Linke.</p> <p>Die Linke traktirte ihn nach Gebühr mit Toben. Der Jude Riesser aus Hamburg nannte in zionischer Hitze die Linke deshalb schamlos! Beseler (mit Fonds), welcher gerade präsidirte, ließ dies ohne Ordnungsruf geschehen. Rösler von Oels verlangte später von der Tribüne den Ordnungsruf. Statt dies zu thun, gab der jetzt präsidirende Simson Herrn Riesser das Wort, welcher mit Schamlosigkeit von der Tribüne sein „schamlos“ wiederholte, dun die Sache war — abgemacht. — Herr Riesser scheint der Brennpunkt der Nationalversammlungsehre zu sein! —</p> <p><hi rendition="#g">Schütz</hi> von Mainz (Redner und Verfolgter von der Pfingstweide her — und eben erst in die Versammlung gewählt) hielt eine Antrittsrede zu Gunsten der republikanischen Staatsform. Seine Rede war ohne allen überflüssigen Pathos kräftig und passend. Wenn Sie, sagt er u. a, ein deutsches Kaiserthum schaffen, so werden Sie alle andern deutschen Fürsten zu Wühlern gegen diese Kaisermacht machen. Außerdem werden die demokratischen Wühler bestehen bleiben, also einerseits fürstliche Wühler, andrerseits demokratische Wühler — wird eine schöne Wühlerei abgeben unter diesem Kaiserthum. (Bravo und Heiterkeit auf den Gallerien.) Das deutsche Volk wird es nicht vergessen, daß wir uns von Oestreichs Bruderstamme trennen mußten und getrennt haben, um einen preußischen deutschen Kaiser zu machen. — Auch wird sich gar kein deutscher Fürst finden, der die deutsche Kaiserkrone von Ihnen annimmt, wenn nicht die Fürsten konveniren. — Seine Rede geht ohne besondern Eindruck vorüber. Dies Parlament ist schon geworden wie das todte Meer, gute oder schlechte Fische hineingeworfen, alles krepirt drin. — Bloß die Gallerien nehmen noch bisweilen Antheil.</p> <p><hi rendition="#g">Biedermann</hi> (der wässrige Professor aus Leipzig) plädirt für's erbliche Kaiserthum.</p> <p><hi rendition="#g">Hagen</hi> (Professor von Heidelberg) gegen das erbliche Kaiserthum. Spricht von den früheren, jetzt verblichenen Sympathien des deutschen Volkes für den König von Preußen. Preußen's Herrscherstamm wird nie vom Absolutismus lassen können, und Deutschland braucht und kann an seiner Spitze nur einen Mann haben, dem es Freude macht ein freies Land zu regieren. Das deutsche Volk hat nicht seine Revolution gemacht, um sich eine neue Ruthe, einen erblichen Kaiser auf den Rücken binden zu lassen. — Auch wird sich Oestreich dies nicht gefallen lassen, und ein neuer dreißigjähriger Krieg wird die Folge sein.</p> <p>Unter andern meint Hagen: in dieser Versammlung, die doch Deutschland vertreten soll (???) ist doch mindestens 1/4 republikanisch. (Widerspruch in den Centren, Beifall der Gallerien.) Also ist anzunehmen, daß doch mindestens 1/4 von Deutschland republikanisch ist. — (Tumult der Centren, Links und Gallerien langer Beifall.) Wenn Sie einen Kaiser wollen, müßten Sie wenigstens erst die 34 andern Dynasten wegschaffen. — Endlich erklärt sich Hagen für einen verantwortlichen und zeitweilig gewählten Präsidenten.</p> <p><hi rendition="#g">Höfken</hi> giebt den Antrag ein: Das Reichsoberhaupt wird zwar von der National-Versammlung gewählt, aber die Wahl dann den Urwählern zur Genehmigung vorgelegt, und nur durch von denselben empfangene relative Stimmenmehrheit sanktionirt.</p> <p><hi rendition="#g">Maifeld</hi> beantragt: „Das deutsche Volk ist zu befragen, ob es überhaupt einen Kaiser haben will oder nicht.“</p> <p>An der Reihe der Redner folgt der pudelnärrsche alte Knabe <hi rendition="#g">Jahn</hi>: er quatscht einige Redensarten, die gar nicht zur Sache gehören, erregt die häufige Heiterkeit des Hauses und empfiehlt sich mit einem Erbkaiser. — Der Schluß seiner denkwürdigen Rede lautet: „Sowie einen Kutscher auf dem Bock, einen Lootsen im Schiff, einen Koch in der Küch', einen Arzt am Krankenbett etc., so wünsch ich einen erblichen Kaiser.“ — Langer Beifall der Centren, und Vertagung bis Morgen, folgt auf diese erhebenden Worte.</p> <p>Schluß 1/2 3 Uhr.</p> </div> <div xml:id="ar198_006" type="jArticle"> <head><bibl><author>084</author></bibl> Kiel, 13. Jan.</head> <p>Spannung hat sich wieder aller der Gemüther bemächtigt, die sich nicht um das bekümmern, was beim Nachbar vorgeht, selbst wenn derselbe in demselben Hause wohnt, wir meinen aller derjenigen Schleswig-Holsteiner, die nur dann Jeremiaden heulen, wenn's an ihren eigenen Geldsack, an ihren eigenen Hals, an ihre eigene Freiheit (?) geht.</p> <p>Die Ursachen dieser Spannung sind die Bedingungen des abzuschließenden Friedens mit Dänemark. Jetzt heißt es geadressirt und petitionirt; als aber die Kroatenhorden Wien verwüsteten, sengten, brennten und mordeten, als Windischgrätz mit <hi rendition="#g">nichtdeutschen</hi> Völkern das <hi rendition="#g">deutsche</hi> Wien überschwemmte und Füsiladen, wie sie vielleicht die Geschichte nicht aufzuweisen hat, anstellte, als ein Manteuffel-Brandenburg (in der Wallung seines absolut-königlichen Geblüts) auf Befehl seines Herrn die Versammlung der <hi rendition="#g">unverletzlichen</hi> preußischen Vereinbarer auseinander treiben ließ; da hatte diese Race der Schleswig-Holsteiner <hi rendition="#g">keine</hi> Ursache, <hi rendition="#g">keinen</hi> Anlaß zum petitioniren. Doch zur Sache.</p> <p>Die Friedensbedingungen werden von dem Dirigenten der Diplomaten, Lord Palmerston, dahin aufgestellt, daß Schleswig als selbstständiges Herzogthum, einen mit Dänemark bloß durch Personalunion verbundenen, nicht in die deutsche Förderation aufzunehmenden, also von Holstein getrennten Staat bilde. Als Preis dieses Schachers wird als zweite Bedingung, die Aufhebung des Sundzolls von Lord Palmerston verlangt. Wie es in Betreff der Thronfolge gehalten werden soll, darüber verlautet nichts.</p> <p>Dänemark dagegen stellt als Bedingung: ein selbstständiges Schleswig, das zu seinem Heere, seiner Flotte, seiner Civilliste, eine nach Kopfzahl zu entrichtende Quote beizutragen habe; der Ueberschuß der Staatseinnahmen würde dann nach dem Beschluß der Landesvertretung zu verwenden sein. (?) Es würde sich dann auch, wie es scheint, zur Aufhebung des Sundzolls verstehen (weil es einsieht, daß die Völker sich diese Wegelagerung nicht mehr lange gefallen lassen werden.)</p> <p>Ueber diese Bedingungen sind nun die Schleswig-Holsteiner entrüstet, verzweifelt; die schleswig-holsteinischen Abgeordneten aus der Mitte und von der Rechten der Frankfurter Schattenspieler fordern zum petitioniren an die Marionettenversammlung jenes Schattentheaters auf, und die bornirte obenbeschriebene Race läßt denn auch Adressen und Petitionen los, in ganz energischen Ausdrücken, so unter andern eine, die gar droht, auf eigene Faust den Krieg fortzusetzen, wenn ein derartiger Frieden abgeschlossen würde. Wir wissen wahrlich nicht, ob man euch, die ihr dieses glaubt, bedauern oder auslachen soll.</p> <p>Ihr Handvoll Schleswiger wollt drohen, wißt Ihr auch die Folgen? Reichspolizisten und Konstabler, mit einem Lügenfabrikanten à la Bassermann oder einem Welker, dessen erster Besuch beim König von Dänemark an der mit Champagner und indianischen Vogelnestern besetzten Tafel sein würde, an der Spitze! Die provisorische Regierung drohte auch, und diese Drohung klang nach Etwas, denn sie hatte das ganze schleswig-holsteinische Volk hinter sich, die Folgen aber waren: die Wildenbruchsche Note in zweiter, und preußische aus Berlin fortgejagte Garden in erster Instanz um die — Republik zu unterdrücken.</p> </div> <div xml:id="ar198_007" type="jArticle"> <head><bibl><author>100</author></bibl> Glückstadt, 12. Jan.</head> <p>Gerüchtweise wird hier davon gesprochen, Dänemark habe in England eine Anleihe von 9 Mill., wahrscheinlich Bankthalern (4 Bankth. = 3 pr. Thlr.), vom engl. Kabinet kontrahirt, und dafür die dänisch-westindischen Inseln St. Thomas, St. Croix und St. Jean verpfändet. Die Wahrheit dieses Gerüchts können wir nicht verbürgen; wenn es aber wahr sein sollte, so sieht man, daß England für alle Fälle doch seinen Preis herauszubekommen sucht.</p> </div> </div> <div n="1"> <head>Italien.</head> <div xml:id="ar198_008" type="jArticle"> <head><bibl><author>068</author></bibl> Rom, 6. Jan.</head> <p>Das Ministerium erließ dieser Tage wichtige Verordnungen rücksichtlich der Erwerbs- und Eigenthumsverhältnisse. Im Kriegsministerium herrscht große Thätigkeit. Viel grobes Geschütz geht nach Bologna und Ancona ab. Man überwacht die Rüstungen der Oesterreicher in Piacenza, Modena und Ferrara aufs Genauste. Die Kardinäle Altieri und Ferratti sind aus Gaeta hier eingetroffen. Es heißt, der Pabst wolle einen Bannfluch schleudern, sie exkommuniziren</p> </div> <div xml:id="ar198_009" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl> Rom.</head> <p>Die Nachrichten aus Rom gehen bis zum 6. Jan. und melden nichts Neues von Belang. Das Kriegsministerium beschäftigte sich ernstlich mit allem, die Ausrüstung der Armee Betreffenden. Die Kardinäle Altieri und Ferretti waren nach Rom zurückgekehrt. Nach Berichten von Reisenden aus Civita-Vecchia circulirte daselbst das Gerücht, der Pabst habe das Anathem wider die Römer geschleudert.</p> </div> <div xml:id="ar198_010" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl> Genua, 5. Jan.</head> <p>Der „Corriere mercantile“ schreibt: Die lombardische Emigration, namentlich der conscriptionspflichtigen jungen Leute, nimmt mit jedem Tage zu. Der Militärdespotismus in allen lombardisch-venetianischen Provinzen ist bis auf einen Punkt gestiegen, daß er an die schnödesten Infamien vom letzten März erinnert. Halten wir uns bereit! die Zeit geht mit Ereignissen schwanger. Die Stunde wird schlagen! möge sie uns alle gerüstet, möge sie uns gerüsteter als im März 1848 finden!</p> <p>Der Minister des Innern von Piemont, Ratazzi, hat ein Circularschreiben an die Bischöfe des Königreichs gerichtet, worin er es der Geistlichkeit auf's Strengste verweis't, daß sie sich durch verschiedene contrerevolutionäre Schriften dem Fortschritte entgegengestemmt hat, und ihr eine ähnliche Einmischung in die Politik hinfort ernstlich untersagt.</p> </div> </div> <div n="1"> <head>Spanien.</head> <div xml:id="ar198_011" type="jArticle"> <head>Madrid, 9. Jan.</head> <p>Zwischen Vich und St. Hippolytus kam es am 7. Januar zwischen der Insurrektionsarmee unter Cabrera und den königl. Truppen in Katalonien zu einem mörderischen Treffen, dessen Ausgang sich die königl. Truppen zuschreiben. Cabrera mußte das Feld räumen und hat die Flucht ergriffen. Der letzte Theil dieser Nachricht verdient Bestätigung.</p> <p>Der Senat beginnt morgen wahrscheinlich die Adreßdiskussion. Zwischen den beiden Generälen und resp. Senatoren Pavia und Cordova kam es zu solchen Grobheiten, daß sie sich auf Pistolen schießen wollen.</p> </div> </div> <div n="1"> <head>Französische Republik.</head> <div xml:id="ar198_012" type="jArticle"> <head><bibl><author>12</author></bibl> Paris, 15. Jan.</head> <p>Ungeheure Rüstungen in Toulon, das ist das allgemeine Tagesgespräch. Da stehen die Leute und finden: Wird Napoleon-Barrot Partei für den Pabst oder gegen nen Pabst ergreifen? Wird Napoleon-Barrot sich mit dem Pabst, Oestreich und Neapel gegen den Kirchenstaat oder mit dem Kirchenstaat gegen Oestreich und Neapel verbinden? Schon, daß eine solche Alternative möglich, schon, daß Barrot des Einen und des Andern fähig ist, schon, daß man darüber in Zweifel sein kann, ist das nicht die beste Charakteristik für Napoleons und Barrots farbenlose Politik? Also Barrot kann für und gegen Oestreich sein und vielleicht weiß er selbst nicht, trotz aller Rüstungen in Toulon, für welche Partei er ist. Doch steht von Barrots Biederkeit zu erwarten, daß er die Partei Windischgrätz ergreifen werde. Hat der „National“ dagegen etwas einzuwenden? Verfolgt Odilon-Barrot nicht ganz die Politik Cavaignac's? Und verfolgte Cavaignac nicht ganz die Politik Guizot's? Und haben die nationalen Bourgeois nicht nothwendig, um sich zu halten, die Bourgeois der andern Nationalitäten zu unterstützen? Aber das liegt dem „National“ nicht so sehr am Herzen, als „du blanqui retourné!“ das heißt der Handstreich, den man auf die Kammer auszuüben sucht. Sprach früher irgend ein Montagnard gegen die Kammer, so hieß es: das ist du blanqui tout pur; weil Blanqui als die Personifikation des Attentats auf die Kammer vom 15. Mai betrachtet wird. Jetzt gehn die Angriffe nicht mehr von den Blanqui's, sondern der ganz entgegengesetzten Partei Thiers-Molé aus, deren Interessen Barrot unbewußter, aber in ächt biedermännischer Weise dient. Blanqui hat, um die Sprache des Nationals zu verstehen, gleichsam seinen Rock umgewandt, und die umgewandte Seite des Rockes ists, von welcher der Kammer Gefahr droht. Dazu kommt nun noch, daß der Constitutionnell kein Geheimniß mehr aus der Aussöhnung der Legitimisten und Orleanisten macht. Die Republik hat dieses große Werk der Vereinigung vollbracht. Heinrich V. hat keine Kinder und so würde ja doch nach dem Tode Heinrichs V. die orleanische Dynastie die rechtmäßige werden. Die Gefahr droht also nicht mehr von der kaiserlichen, sondern von der königlichen Seite, nicht mehr von den Bonapartisten, sondern von den Bourbonen. Ja, der National schämt sich sogar, daß er einen Augenblick nur hat Furcht hegen können vor einem kaiserlichen Gespenst. Louis und Kaiser! O, man hat dem armen Constabler Unrecht gethan! Der Schuldige ist nicht Bonaparte, sondern die royalistische Partei; sie ist doppelt schuldig, weil sie auf Napoleons Unschuld nicht zählte. Sie hätte nichts lieber gesehen, als die Erneuerung einer Adler-Scene, um, wie sie wähnte, mit einem Schritt über den Leib der Republik und des Kaiser zum legitimen oder quasi-legitimen Throne zu gelangen. Doch für die Aufdeckung und Vereitlung solcher Pläne ist der National da; um monarchische Intriguen braucht das Volk sich nicht zu kümmern. Es überläßt diese Sorge der geschlagenen Partei und organisirt sich unterdessen in ungeheure Assoziationen, zum Sturze <hi rendition="#g">aller</hi> Parteien.</p> <p>Odilon-Barrot ist ganz der Mann der jetzigen Zeit. Unhaltbar dem Gehalte nach, soll er für den Augenblick und durch seine formelle Haltung bloß einen Figuranten abgeben, den die Bourgeois nothwendig brauchen, um die Fortdauer ihrer Bourgeois-Interessen in der Gestalt der Biederkeit zu bezeichnen, und alle Bourgeois-Parteien zugleich auf eine bessere Zeit zu vertrösten. Die einzelnen Momente, von [der] Zusammenberufung der Kammer bis auf den jetzigen Punkt der Auflösung, waren weiter nichts als ein beständiges Vertrösten, ein beständiges Aufschieben, ein beständiger Zeitverlust für die Bourgeoisie. Aber dieser Zeitverlust war ihr eigentlicher Gewinn. Um Zeit zu gewinnen, mußte sie sich entschließen, beständig Zeit zu verlieren. Die bevorstehende Auflösung der Kammer, die Zusammenberufung einer neuen, — Alles das heißt im Sinne der Bourgeoisie Zeit gewinnen. Ihr jetziges Leben zählt nicht mehr, und sie existirt nur noch durch den Glauben an ihr künftiges Leben. Ihr Leben ist die Rückkehr des Kredits, des Zutrauens, und mit jeder neuen Veränderung glaubt sie in das Stadium des Kredits und des Zutrauens — der Ruhe und Ordnung — einzugehen.</p> <p>Man sucht, man hascht nach irgend einer Idee, nach irgend einem Mittel, nach irgend einem sogenannten «expedient», um das gestörte Zutrauen herzustellen. Vergebens. Mit jeder Broschüre eines früher bedeutenden Mannes glaubt man diesem Mittel auf die Spur zu kommen. — Guizot's „Demokratie“, Lamartine's „Raphael“, der nächstens erscheinen soll, Dupin's „Commentarien über die Konstitution“, die eben erschienen, sollen die Evangelien sein, in welchen die Zeitnöthen aufgedeckt, mit den Mitteln ihnen abzuhelfen. Massenweise laufen die Bourgeois zum Buchhändler, und, wenn sie das Buch durchgelesen, gewahren sie, daß ihre Verfasser — „Idealisten“ sind. Es ist dies der beliebte Ausdruck für Ideologen. Die Zeit, wo ein Buch ein „Evangelium“ war, ist aus; das gestörte kaufmännische Vertrauen dehnt sich auf die „Messias“ der bürgerlichen Welt aus; man hat kein Zutrauen zu ihnen. Was die Bourgeoisie, was Rothschild und Konsorten wollen, das ist die Herrschaft der Bajonnette, mit rhetorischen Floskeln übergossen. Aber Frankreich ist kein Oesterreich, Paris ist kein Wien, und wenn heute Odilon-Barrot an einem Theile der Stadt die Klubs schließt, so öffnen sie sich hinter seinem Rücken an einem andern Theile der Stadt. Der „Jakobinismus“, meinen die Bourgeois, ist allenthalben eingerissen, und selbst die Bauern fangen an Steuern zu verweigern. Die „Presse“ sieht sehr gut die neue Verlegenheit ein. „Und wenn Ihr eine neue Majorität, eine neue Kammer habt, was wollt Ihr machen?“ Geht sie aber auf ihr specificum, auf ihr besonderes Heilmittel gegen diesen Zustand ein, dann wird sie fade wie jedes Bourgeois-Blatt. Was ist nach Herr Girardin Schuld an den jetzigen Verhältnissen? Die jetzige Verwaltung mit den 9 Ministern.</p> <p>„Nur 3 Minister; ein Minister, der dirigirt, einer, der ausgibt, ein anderer, der empfängt und Alles wird gut gehen.“ Wir sehen, Girardin will weiter nichts als eine andere Buchhaltung, eine neue Buchung der Bourgeois-Interessen, und er verfolgt seinen Zweck mit so großer Beharrlichkeit, preist seine neue Entdeckung mit derselben Ueberzeugung an, als der bekannte Vidal seine neue Methode, in 25 Lektionen schreiben zu lernen. „Und seht, wie uneigennützig Girardin verfahren! Er, der so thätig gewirkt gegen Cavaignac und für Napoleon, hat nicht einmal das geringste Portefeuille.“ Aber Girardin will kein Portefeuille, er will seine neue Buchhaltung einführen, und dazu gehört, daß er oben ansteht als dirigirender Minister, um den beiden andern Ministern zu zeigen, wie man ausgibt und wie man einnimmt, und wie beides — eingetragen wird! Allgemein heißt es, Napoleon reservire sich die eigentlichen Capacitäten; und die eigentlichen Capacitäten lassen sich alle ohne Gefahr Odilon-Barrot gefallen, bis die Reihe an sie kömmt. Jeder zählt sich natürlich zu den Capacitäten, daher nimmt jeder mit Barrot verlieb. Die „Capacitäten“ selbst schonen sich gerade wie unter Guizot, und suchen sich ministeriell möglich zu halten. Die Lage ist ganz dieselbe wie im Januar vorigen Jahres. Nur ist Barrot in seinem Ideale übertroffen, und Thiers hinter seinem Ideale zurückgeblieben. Aber immer hat Thiers sehr viel gerettet — die Fähigkeit, ein Ideal noch fassen zu können, die er mit der nächsten Revolution sehr leicht verlieren könnte. Transnonain und Juin ist für die Arbeiter gleichbedeutend geworden.</p> </div> <div xml:id="ar198_013" type="jArticle"> <head>Paris, 15. Januar.</head> <p>Der Moniteur bleibt stumm zu all dem Lärmen, den die Pariser und Provinzialblätter über die Rüstungen in unsern Seehäfen erheben.</p> <p>— Poniatowski soll mit diplomatischen Aufträgen aus Florenz angekommen sein.</p> <p>— Die Touloner Sentinelle vom 10. Jan. bestätigt die von uns gestern gemachten Mittheilungen vollständig. Auch dieses Präfekturblatt behauptet: es würden ungefähr 10,000 Mann eingeschifft, die dem Pabst bei seiner Uebersiedelung von Gaeta nach Civita Vecchia als Schutzarmee dienen sollen.</p> <p>— Aus Marseille wird die plötzliche Expedition gegen die Römer auf folgende Weise erklärt: „‥‥ Die gesammte europäische Diplomatie umschwärmte Se. Heiligkeit in Gaeta, um ihn zu vermögen, energisch gegen die Römer zu verfahren. Man sei endlich übereingekommen, daß er sein Hoflager in Civita Vecchia aufschlage und hierfür seien jene Rüstungen bestimmt.</p> <p>— Aus Toulon wird unterm 10. Jan. gemeldet: Die Engländer seien in Civita Vecchia gelandet und hätten dort Garnison bezogen! Der Pabst werde daselbst mit jeder Stunde erwartet. Die Besatzung der Engländer sei übrigens nur provisorisch und werde demnächst von den Franzosen abgelöst. So schreibe es eine geheime Uebereinkunft der Großmächte vor.</p> <p>— Die Pariser Opinion meldet: „Es wird uns versichert, daß (außer nach Toulon) auch Befehle in die Seehäfen von Cherbourg und Lorient abgegangen sind, die Kriegsschiffe La Forte, Alceste, Clorinde, Gomer, Triton und Thisbé auszurüsten.</p> <p>— Laut des Marseiller Nouvelliste vom 11. Jan. nahm General Molière am Tage vorher über das 33. Regiment eine Revue ab. Bis zum 11. fand also noch keinerlei Einschiffung jener Brigade statt.</p> <p>— Der Moniteur benachrichtigt die offizielle Welt, daß ihr die Säle des Präsidenten der Republik Montags und Donnerstags Abends von 8 bis 10 Uhr geöffnet seien. Was die übrigen Personen betreffe, so gestatte die Beschränktheit der Räume des Elisée National sie nicht anders als gegen Spezialeinladungsscheine zu empfangen.</p> <p>— Der Moniteur veröffentlicht heute die Resultate der indirekten Steuererträge des berühmten Jahres der Ungnade 1848. Laut seiner offiziellen Tabellen nahm der Staatsschatz im Ganzen 530,270,000 Fr. an indirekten Steuern ein, wobei die berüchtigte 45 Centimensteuer mit 162,524,000 Fr. glänzt.</p> <p>Die „Patrie“ sagt in ihrem Leitartikel: daß sich der Staat zu einer neuen Anleihe bei der Bank von 100 Mill. genöthigt sehe. Diese 100 Millionen gäben in Verbindung mit den übrigen Beständen der schwebenden Schuld dem Finanzminister 435 Millionen in die Hände. Mit dieser Summe solle er ein Defizit von 715 Millionen decken, Wir wissen noch nicht, durch welche Mittel Herr Passy diese Schwierigkeit zu lösen gedenkt; wir wissen nur, daß er unsere Abneigung gegen Einführung der Einkommensteuer und der sonstigen Goudchaux'schen Finanzentwürfe theilt (Ah hah!) Wie wäre es, wenn sich der Finanzminister durch Erhöhung der Eingangszölle zu retten suchte? Unsere Douanen bringen jährlich nur 130 Mill. Das ist im Vergleich zur britischen Skala äußerst wenig. Darum müßte es ein Leichtes ein, diese 130 Mill. auf 300 Mill. zu erhöhen. Möge Hr. Passy diesen Vorschlag überlegen, ehe er sich in neue Anleihen stürze. Jedenfalls brennen wir voll Neugierde, seine Finanzpläne zu kennen.</p> <p>— In der heutigen Sitzung der Nationalversammlung wurde Marrast wieder zum Monatspräsidenten gewählt.</p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [1076/0002]
wählt die konstituirende National-Versammlung mit absoluter Stimmenmehrheit.
(Schüler aus Jena. Wigard. H. Simon. Detmold ev. Waitz. [vergleiche Minoritätserachten 3] Zell. Mittermaier. Ahrens Schreiner ev. Reh. Gülich.)
§. Die Wahl des Reichsoberhauptes erfolgt drei Monate vor dem Schluß des letzten Jahres der Wahlperiode. Der Abtretende ist wieder wählbar.
(H. Simon. Reh. Schüler aus Jena. Waitz. [vgl. Minoritätserachten 3.] Wigard. Detmold ev. Zell. Ahrens. Welcker. Mittermaier ev:. wenn der Antrag auf lebenslängliche Ernennung nicht angenommen wird. Somaruga ev. Schreiner ev.)
§. Stirbt das Reichsoberhaupt, so tritt der Reichstag ohne Berufung in der Art zusammen, wie er zuletzt versammelt war, um eine neue Wahl vorzunehmen. Dieselbe muß innerhalb vier Wochen nach erfolgtem Tode stattfinden.
(Schüler aus Jena. H. Simon. Reh. Wigard. Waitz. [vgl. Minoritätserachten 3.] Ahrens. Detmold ev. Zell. Mittermaier ev. Schreiner ev.)
§. Bis zu erfolgter Wahl übt das verantwortliche Reichsministerium im Namen des Reiches die verfassungsmäßige Gewalt des Reichsoberhauptes.
(H. Simon. Reh. Schüler aus Jena. Wigard. Schreiner ev. Ahrens. Mittermaier. Zell.)
Hierzu sind ein Schock Minoritäts-Erachten und 10,000 selbstständige Amendements gestellt, die ich Ihnen später gebe. Von der Linken u. a. durch Schuler, Fehrenbach von Dieskau etc. ein Antrag:
„Auf einen Reichs-Statthalter, gewählt auf 6 Jahr, — wählbar jeder selbstständige Deutsche etc.“
Die Rednerliste ist so lang, daß mir das Nachschreiben nicht zuzumuthen. Mit wenig Ausnahmen ist die ganze Versammlung eingeschrieben. Als Curiosum: Reichensperger ist für und gegen den Ausschuß eingeschrieben. Die denkwürdigen Debatten beginnen mit Herrn
Schüler von Jena Er spricht für das erste Minoritäts-Erachten. (S. oben § 1.)
Ich weiß nicht, ob es Ihr Wunsch ist, von den „schönen Reden“, welche gehalten wurden, nur höchstens das „wofür“ und „wogegen“ zu vernehmen? Sollten Sie aber noch mehr wünschen — Allah il Allah — ich bin nicht mehr kapabel.
Falk (ein Apostat — früher der Linken angehörig) hielt eine Rede für den „erblichen deutschen Kaiser“ und schimpfte dabei auf die republikanische Form und auf die Linke.
Die Linke traktirte ihn nach Gebühr mit Toben. Der Jude Riesser aus Hamburg nannte in zionischer Hitze die Linke deshalb schamlos! Beseler (mit Fonds), welcher gerade präsidirte, ließ dies ohne Ordnungsruf geschehen. Rösler von Oels verlangte später von der Tribüne den Ordnungsruf. Statt dies zu thun, gab der jetzt präsidirende Simson Herrn Riesser das Wort, welcher mit Schamlosigkeit von der Tribüne sein „schamlos“ wiederholte, dun die Sache war — abgemacht. — Herr Riesser scheint der Brennpunkt der Nationalversammlungsehre zu sein! —
Schütz von Mainz (Redner und Verfolgter von der Pfingstweide her — und eben erst in die Versammlung gewählt) hielt eine Antrittsrede zu Gunsten der republikanischen Staatsform. Seine Rede war ohne allen überflüssigen Pathos kräftig und passend. Wenn Sie, sagt er u. a, ein deutsches Kaiserthum schaffen, so werden Sie alle andern deutschen Fürsten zu Wühlern gegen diese Kaisermacht machen. Außerdem werden die demokratischen Wühler bestehen bleiben, also einerseits fürstliche Wühler, andrerseits demokratische Wühler — wird eine schöne Wühlerei abgeben unter diesem Kaiserthum. (Bravo und Heiterkeit auf den Gallerien.) Das deutsche Volk wird es nicht vergessen, daß wir uns von Oestreichs Bruderstamme trennen mußten und getrennt haben, um einen preußischen deutschen Kaiser zu machen. — Auch wird sich gar kein deutscher Fürst finden, der die deutsche Kaiserkrone von Ihnen annimmt, wenn nicht die Fürsten konveniren. — Seine Rede geht ohne besondern Eindruck vorüber. Dies Parlament ist schon geworden wie das todte Meer, gute oder schlechte Fische hineingeworfen, alles krepirt drin. — Bloß die Gallerien nehmen noch bisweilen Antheil.
Biedermann (der wässrige Professor aus Leipzig) plädirt für's erbliche Kaiserthum.
Hagen (Professor von Heidelberg) gegen das erbliche Kaiserthum. Spricht von den früheren, jetzt verblichenen Sympathien des deutschen Volkes für den König von Preußen. Preußen's Herrscherstamm wird nie vom Absolutismus lassen können, und Deutschland braucht und kann an seiner Spitze nur einen Mann haben, dem es Freude macht ein freies Land zu regieren. Das deutsche Volk hat nicht seine Revolution gemacht, um sich eine neue Ruthe, einen erblichen Kaiser auf den Rücken binden zu lassen. — Auch wird sich Oestreich dies nicht gefallen lassen, und ein neuer dreißigjähriger Krieg wird die Folge sein.
Unter andern meint Hagen: in dieser Versammlung, die doch Deutschland vertreten soll (???) ist doch mindestens 1/4 republikanisch. (Widerspruch in den Centren, Beifall der Gallerien.) Also ist anzunehmen, daß doch mindestens 1/4 von Deutschland republikanisch ist. — (Tumult der Centren, Links und Gallerien langer Beifall.) Wenn Sie einen Kaiser wollen, müßten Sie wenigstens erst die 34 andern Dynasten wegschaffen. — Endlich erklärt sich Hagen für einen verantwortlichen und zeitweilig gewählten Präsidenten.
Höfken giebt den Antrag ein: Das Reichsoberhaupt wird zwar von der National-Versammlung gewählt, aber die Wahl dann den Urwählern zur Genehmigung vorgelegt, und nur durch von denselben empfangene relative Stimmenmehrheit sanktionirt.
Maifeld beantragt: „Das deutsche Volk ist zu befragen, ob es überhaupt einen Kaiser haben will oder nicht.“
An der Reihe der Redner folgt der pudelnärrsche alte Knabe Jahn: er quatscht einige Redensarten, die gar nicht zur Sache gehören, erregt die häufige Heiterkeit des Hauses und empfiehlt sich mit einem Erbkaiser. — Der Schluß seiner denkwürdigen Rede lautet: „Sowie einen Kutscher auf dem Bock, einen Lootsen im Schiff, einen Koch in der Küch', einen Arzt am Krankenbett etc., so wünsch ich einen erblichen Kaiser.“ — Langer Beifall der Centren, und Vertagung bis Morgen, folgt auf diese erhebenden Worte.
Schluß 1/2 3 Uhr.
084 Kiel, 13. Jan. Spannung hat sich wieder aller der Gemüther bemächtigt, die sich nicht um das bekümmern, was beim Nachbar vorgeht, selbst wenn derselbe in demselben Hause wohnt, wir meinen aller derjenigen Schleswig-Holsteiner, die nur dann Jeremiaden heulen, wenn's an ihren eigenen Geldsack, an ihren eigenen Hals, an ihre eigene Freiheit (?) geht.
Die Ursachen dieser Spannung sind die Bedingungen des abzuschließenden Friedens mit Dänemark. Jetzt heißt es geadressirt und petitionirt; als aber die Kroatenhorden Wien verwüsteten, sengten, brennten und mordeten, als Windischgrätz mit nichtdeutschen Völkern das deutsche Wien überschwemmte und Füsiladen, wie sie vielleicht die Geschichte nicht aufzuweisen hat, anstellte, als ein Manteuffel-Brandenburg (in der Wallung seines absolut-königlichen Geblüts) auf Befehl seines Herrn die Versammlung der unverletzlichen preußischen Vereinbarer auseinander treiben ließ; da hatte diese Race der Schleswig-Holsteiner keine Ursache, keinen Anlaß zum petitioniren. Doch zur Sache.
Die Friedensbedingungen werden von dem Dirigenten der Diplomaten, Lord Palmerston, dahin aufgestellt, daß Schleswig als selbstständiges Herzogthum, einen mit Dänemark bloß durch Personalunion verbundenen, nicht in die deutsche Förderation aufzunehmenden, also von Holstein getrennten Staat bilde. Als Preis dieses Schachers wird als zweite Bedingung, die Aufhebung des Sundzolls von Lord Palmerston verlangt. Wie es in Betreff der Thronfolge gehalten werden soll, darüber verlautet nichts.
Dänemark dagegen stellt als Bedingung: ein selbstständiges Schleswig, das zu seinem Heere, seiner Flotte, seiner Civilliste, eine nach Kopfzahl zu entrichtende Quote beizutragen habe; der Ueberschuß der Staatseinnahmen würde dann nach dem Beschluß der Landesvertretung zu verwenden sein. (?) Es würde sich dann auch, wie es scheint, zur Aufhebung des Sundzolls verstehen (weil es einsieht, daß die Völker sich diese Wegelagerung nicht mehr lange gefallen lassen werden.)
Ueber diese Bedingungen sind nun die Schleswig-Holsteiner entrüstet, verzweifelt; die schleswig-holsteinischen Abgeordneten aus der Mitte und von der Rechten der Frankfurter Schattenspieler fordern zum petitioniren an die Marionettenversammlung jenes Schattentheaters auf, und die bornirte obenbeschriebene Race läßt denn auch Adressen und Petitionen los, in ganz energischen Ausdrücken, so unter andern eine, die gar droht, auf eigene Faust den Krieg fortzusetzen, wenn ein derartiger Frieden abgeschlossen würde. Wir wissen wahrlich nicht, ob man euch, die ihr dieses glaubt, bedauern oder auslachen soll.
Ihr Handvoll Schleswiger wollt drohen, wißt Ihr auch die Folgen? Reichspolizisten und Konstabler, mit einem Lügenfabrikanten à la Bassermann oder einem Welker, dessen erster Besuch beim König von Dänemark an der mit Champagner und indianischen Vogelnestern besetzten Tafel sein würde, an der Spitze! Die provisorische Regierung drohte auch, und diese Drohung klang nach Etwas, denn sie hatte das ganze schleswig-holsteinische Volk hinter sich, die Folgen aber waren: die Wildenbruchsche Note in zweiter, und preußische aus Berlin fortgejagte Garden in erster Instanz um die — Republik zu unterdrücken.
100 Glückstadt, 12. Jan. Gerüchtweise wird hier davon gesprochen, Dänemark habe in England eine Anleihe von 9 Mill., wahrscheinlich Bankthalern (4 Bankth. = 3 pr. Thlr.), vom engl. Kabinet kontrahirt, und dafür die dänisch-westindischen Inseln St. Thomas, St. Croix und St. Jean verpfändet. Die Wahrheit dieses Gerüchts können wir nicht verbürgen; wenn es aber wahr sein sollte, so sieht man, daß England für alle Fälle doch seinen Preis herauszubekommen sucht.
Italien. 068 Rom, 6. Jan. Das Ministerium erließ dieser Tage wichtige Verordnungen rücksichtlich der Erwerbs- und Eigenthumsverhältnisse. Im Kriegsministerium herrscht große Thätigkeit. Viel grobes Geschütz geht nach Bologna und Ancona ab. Man überwacht die Rüstungen der Oesterreicher in Piacenza, Modena und Ferrara aufs Genauste. Die Kardinäle Altieri und Ferratti sind aus Gaeta hier eingetroffen. Es heißt, der Pabst wolle einen Bannfluch schleudern, sie exkommuniziren
* Rom. Die Nachrichten aus Rom gehen bis zum 6. Jan. und melden nichts Neues von Belang. Das Kriegsministerium beschäftigte sich ernstlich mit allem, die Ausrüstung der Armee Betreffenden. Die Kardinäle Altieri und Ferretti waren nach Rom zurückgekehrt. Nach Berichten von Reisenden aus Civita-Vecchia circulirte daselbst das Gerücht, der Pabst habe das Anathem wider die Römer geschleudert.
* Genua, 5. Jan. Der „Corriere mercantile“ schreibt: Die lombardische Emigration, namentlich der conscriptionspflichtigen jungen Leute, nimmt mit jedem Tage zu. Der Militärdespotismus in allen lombardisch-venetianischen Provinzen ist bis auf einen Punkt gestiegen, daß er an die schnödesten Infamien vom letzten März erinnert. Halten wir uns bereit! die Zeit geht mit Ereignissen schwanger. Die Stunde wird schlagen! möge sie uns alle gerüstet, möge sie uns gerüsteter als im März 1848 finden!
Der Minister des Innern von Piemont, Ratazzi, hat ein Circularschreiben an die Bischöfe des Königreichs gerichtet, worin er es der Geistlichkeit auf's Strengste verweis't, daß sie sich durch verschiedene contrerevolutionäre Schriften dem Fortschritte entgegengestemmt hat, und ihr eine ähnliche Einmischung in die Politik hinfort ernstlich untersagt.
Spanien. Madrid, 9. Jan. Zwischen Vich und St. Hippolytus kam es am 7. Januar zwischen der Insurrektionsarmee unter Cabrera und den königl. Truppen in Katalonien zu einem mörderischen Treffen, dessen Ausgang sich die königl. Truppen zuschreiben. Cabrera mußte das Feld räumen und hat die Flucht ergriffen. Der letzte Theil dieser Nachricht verdient Bestätigung.
Der Senat beginnt morgen wahrscheinlich die Adreßdiskussion. Zwischen den beiden Generälen und resp. Senatoren Pavia und Cordova kam es zu solchen Grobheiten, daß sie sich auf Pistolen schießen wollen.
Französische Republik. 12 Paris, 15. Jan. Ungeheure Rüstungen in Toulon, das ist das allgemeine Tagesgespräch. Da stehen die Leute und finden: Wird Napoleon-Barrot Partei für den Pabst oder gegen nen Pabst ergreifen? Wird Napoleon-Barrot sich mit dem Pabst, Oestreich und Neapel gegen den Kirchenstaat oder mit dem Kirchenstaat gegen Oestreich und Neapel verbinden? Schon, daß eine solche Alternative möglich, schon, daß Barrot des Einen und des Andern fähig ist, schon, daß man darüber in Zweifel sein kann, ist das nicht die beste Charakteristik für Napoleons und Barrots farbenlose Politik? Also Barrot kann für und gegen Oestreich sein und vielleicht weiß er selbst nicht, trotz aller Rüstungen in Toulon, für welche Partei er ist. Doch steht von Barrots Biederkeit zu erwarten, daß er die Partei Windischgrätz ergreifen werde. Hat der „National“ dagegen etwas einzuwenden? Verfolgt Odilon-Barrot nicht ganz die Politik Cavaignac's? Und verfolgte Cavaignac nicht ganz die Politik Guizot's? Und haben die nationalen Bourgeois nicht nothwendig, um sich zu halten, die Bourgeois der andern Nationalitäten zu unterstützen? Aber das liegt dem „National“ nicht so sehr am Herzen, als „du blanqui retourné!“ das heißt der Handstreich, den man auf die Kammer auszuüben sucht. Sprach früher irgend ein Montagnard gegen die Kammer, so hieß es: das ist du blanqui tout pur; weil Blanqui als die Personifikation des Attentats auf die Kammer vom 15. Mai betrachtet wird. Jetzt gehn die Angriffe nicht mehr von den Blanqui's, sondern der ganz entgegengesetzten Partei Thiers-Molé aus, deren Interessen Barrot unbewußter, aber in ächt biedermännischer Weise dient. Blanqui hat, um die Sprache des Nationals zu verstehen, gleichsam seinen Rock umgewandt, und die umgewandte Seite des Rockes ists, von welcher der Kammer Gefahr droht. Dazu kommt nun noch, daß der Constitutionnell kein Geheimniß mehr aus der Aussöhnung der Legitimisten und Orleanisten macht. Die Republik hat dieses große Werk der Vereinigung vollbracht. Heinrich V. hat keine Kinder und so würde ja doch nach dem Tode Heinrichs V. die orleanische Dynastie die rechtmäßige werden. Die Gefahr droht also nicht mehr von der kaiserlichen, sondern von der königlichen Seite, nicht mehr von den Bonapartisten, sondern von den Bourbonen. Ja, der National schämt sich sogar, daß er einen Augenblick nur hat Furcht hegen können vor einem kaiserlichen Gespenst. Louis und Kaiser! O, man hat dem armen Constabler Unrecht gethan! Der Schuldige ist nicht Bonaparte, sondern die royalistische Partei; sie ist doppelt schuldig, weil sie auf Napoleons Unschuld nicht zählte. Sie hätte nichts lieber gesehen, als die Erneuerung einer Adler-Scene, um, wie sie wähnte, mit einem Schritt über den Leib der Republik und des Kaiser zum legitimen oder quasi-legitimen Throne zu gelangen. Doch für die Aufdeckung und Vereitlung solcher Pläne ist der National da; um monarchische Intriguen braucht das Volk sich nicht zu kümmern. Es überläßt diese Sorge der geschlagenen Partei und organisirt sich unterdessen in ungeheure Assoziationen, zum Sturze aller Parteien.
Odilon-Barrot ist ganz der Mann der jetzigen Zeit. Unhaltbar dem Gehalte nach, soll er für den Augenblick und durch seine formelle Haltung bloß einen Figuranten abgeben, den die Bourgeois nothwendig brauchen, um die Fortdauer ihrer Bourgeois-Interessen in der Gestalt der Biederkeit zu bezeichnen, und alle Bourgeois-Parteien zugleich auf eine bessere Zeit zu vertrösten. Die einzelnen Momente, von [der] Zusammenberufung der Kammer bis auf den jetzigen Punkt der Auflösung, waren weiter nichts als ein beständiges Vertrösten, ein beständiges Aufschieben, ein beständiger Zeitverlust für die Bourgeoisie. Aber dieser Zeitverlust war ihr eigentlicher Gewinn. Um Zeit zu gewinnen, mußte sie sich entschließen, beständig Zeit zu verlieren. Die bevorstehende Auflösung der Kammer, die Zusammenberufung einer neuen, — Alles das heißt im Sinne der Bourgeoisie Zeit gewinnen. Ihr jetziges Leben zählt nicht mehr, und sie existirt nur noch durch den Glauben an ihr künftiges Leben. Ihr Leben ist die Rückkehr des Kredits, des Zutrauens, und mit jeder neuen Veränderung glaubt sie in das Stadium des Kredits und des Zutrauens — der Ruhe und Ordnung — einzugehen.
Man sucht, man hascht nach irgend einer Idee, nach irgend einem Mittel, nach irgend einem sogenannten «expedient», um das gestörte Zutrauen herzustellen. Vergebens. Mit jeder Broschüre eines früher bedeutenden Mannes glaubt man diesem Mittel auf die Spur zu kommen. — Guizot's „Demokratie“, Lamartine's „Raphael“, der nächstens erscheinen soll, Dupin's „Commentarien über die Konstitution“, die eben erschienen, sollen die Evangelien sein, in welchen die Zeitnöthen aufgedeckt, mit den Mitteln ihnen abzuhelfen. Massenweise laufen die Bourgeois zum Buchhändler, und, wenn sie das Buch durchgelesen, gewahren sie, daß ihre Verfasser — „Idealisten“ sind. Es ist dies der beliebte Ausdruck für Ideologen. Die Zeit, wo ein Buch ein „Evangelium“ war, ist aus; das gestörte kaufmännische Vertrauen dehnt sich auf die „Messias“ der bürgerlichen Welt aus; man hat kein Zutrauen zu ihnen. Was die Bourgeoisie, was Rothschild und Konsorten wollen, das ist die Herrschaft der Bajonnette, mit rhetorischen Floskeln übergossen. Aber Frankreich ist kein Oesterreich, Paris ist kein Wien, und wenn heute Odilon-Barrot an einem Theile der Stadt die Klubs schließt, so öffnen sie sich hinter seinem Rücken an einem andern Theile der Stadt. Der „Jakobinismus“, meinen die Bourgeois, ist allenthalben eingerissen, und selbst die Bauern fangen an Steuern zu verweigern. Die „Presse“ sieht sehr gut die neue Verlegenheit ein. „Und wenn Ihr eine neue Majorität, eine neue Kammer habt, was wollt Ihr machen?“ Geht sie aber auf ihr specificum, auf ihr besonderes Heilmittel gegen diesen Zustand ein, dann wird sie fade wie jedes Bourgeois-Blatt. Was ist nach Herr Girardin Schuld an den jetzigen Verhältnissen? Die jetzige Verwaltung mit den 9 Ministern.
„Nur 3 Minister; ein Minister, der dirigirt, einer, der ausgibt, ein anderer, der empfängt und Alles wird gut gehen.“ Wir sehen, Girardin will weiter nichts als eine andere Buchhaltung, eine neue Buchung der Bourgeois-Interessen, und er verfolgt seinen Zweck mit so großer Beharrlichkeit, preist seine neue Entdeckung mit derselben Ueberzeugung an, als der bekannte Vidal seine neue Methode, in 25 Lektionen schreiben zu lernen. „Und seht, wie uneigennützig Girardin verfahren! Er, der so thätig gewirkt gegen Cavaignac und für Napoleon, hat nicht einmal das geringste Portefeuille.“ Aber Girardin will kein Portefeuille, er will seine neue Buchhaltung einführen, und dazu gehört, daß er oben ansteht als dirigirender Minister, um den beiden andern Ministern zu zeigen, wie man ausgibt und wie man einnimmt, und wie beides — eingetragen wird! Allgemein heißt es, Napoleon reservire sich die eigentlichen Capacitäten; und die eigentlichen Capacitäten lassen sich alle ohne Gefahr Odilon-Barrot gefallen, bis die Reihe an sie kömmt. Jeder zählt sich natürlich zu den Capacitäten, daher nimmt jeder mit Barrot verlieb. Die „Capacitäten“ selbst schonen sich gerade wie unter Guizot, und suchen sich ministeriell möglich zu halten. Die Lage ist ganz dieselbe wie im Januar vorigen Jahres. Nur ist Barrot in seinem Ideale übertroffen, und Thiers hinter seinem Ideale zurückgeblieben. Aber immer hat Thiers sehr viel gerettet — die Fähigkeit, ein Ideal noch fassen zu können, die er mit der nächsten Revolution sehr leicht verlieren könnte. Transnonain und Juin ist für die Arbeiter gleichbedeutend geworden.
Paris, 15. Januar. Der Moniteur bleibt stumm zu all dem Lärmen, den die Pariser und Provinzialblätter über die Rüstungen in unsern Seehäfen erheben.
— Poniatowski soll mit diplomatischen Aufträgen aus Florenz angekommen sein.
— Die Touloner Sentinelle vom 10. Jan. bestätigt die von uns gestern gemachten Mittheilungen vollständig. Auch dieses Präfekturblatt behauptet: es würden ungefähr 10,000 Mann eingeschifft, die dem Pabst bei seiner Uebersiedelung von Gaeta nach Civita Vecchia als Schutzarmee dienen sollen.
— Aus Marseille wird die plötzliche Expedition gegen die Römer auf folgende Weise erklärt: „‥‥ Die gesammte europäische Diplomatie umschwärmte Se. Heiligkeit in Gaeta, um ihn zu vermögen, energisch gegen die Römer zu verfahren. Man sei endlich übereingekommen, daß er sein Hoflager in Civita Vecchia aufschlage und hierfür seien jene Rüstungen bestimmt.
— Aus Toulon wird unterm 10. Jan. gemeldet: Die Engländer seien in Civita Vecchia gelandet und hätten dort Garnison bezogen! Der Pabst werde daselbst mit jeder Stunde erwartet. Die Besatzung der Engländer sei übrigens nur provisorisch und werde demnächst von den Franzosen abgelöst. So schreibe es eine geheime Uebereinkunft der Großmächte vor.
— Die Pariser Opinion meldet: „Es wird uns versichert, daß (außer nach Toulon) auch Befehle in die Seehäfen von Cherbourg und Lorient abgegangen sind, die Kriegsschiffe La Forte, Alceste, Clorinde, Gomer, Triton und Thisbé auszurüsten.
— Laut des Marseiller Nouvelliste vom 11. Jan. nahm General Molière am Tage vorher über das 33. Regiment eine Revue ab. Bis zum 11. fand also noch keinerlei Einschiffung jener Brigade statt.
— Der Moniteur benachrichtigt die offizielle Welt, daß ihr die Säle des Präsidenten der Republik Montags und Donnerstags Abends von 8 bis 10 Uhr geöffnet seien. Was die übrigen Personen betreffe, so gestatte die Beschränktheit der Räume des Elisée National sie nicht anders als gegen Spezialeinladungsscheine zu empfangen.
— Der Moniteur veröffentlicht heute die Resultate der indirekten Steuererträge des berühmten Jahres der Ungnade 1848. Laut seiner offiziellen Tabellen nahm der Staatsschatz im Ganzen 530,270,000 Fr. an indirekten Steuern ein, wobei die berüchtigte 45 Centimensteuer mit 162,524,000 Fr. glänzt.
Die „Patrie“ sagt in ihrem Leitartikel: daß sich der Staat zu einer neuen Anleihe bei der Bank von 100 Mill. genöthigt sehe. Diese 100 Millionen gäben in Verbindung mit den übrigen Beständen der schwebenden Schuld dem Finanzminister 435 Millionen in die Hände. Mit dieser Summe solle er ein Defizit von 715 Millionen decken, Wir wissen noch nicht, durch welche Mittel Herr Passy diese Schwierigkeit zu lösen gedenkt; wir wissen nur, daß er unsere Abneigung gegen Einführung der Einkommensteuer und der sonstigen Goudchaux'schen Finanzentwürfe theilt (Ah hah!) Wie wäre es, wenn sich der Finanzminister durch Erhöhung der Eingangszölle zu retten suchte? Unsere Douanen bringen jährlich nur 130 Mill. Das ist im Vergleich zur britischen Skala äußerst wenig. Darum müßte es ein Leichtes ein, diese 130 Mill. auf 300 Mill. zu erhöhen. Möge Hr. Passy diesen Vorschlag überlegen, ehe er sich in neue Anleihen stürze. Jedenfalls brennen wir voll Neugierde, seine Finanzpläne zu kennen.
— In der heutigen Sitzung der Nationalversammlung wurde Marrast wieder zum Monatspräsidenten gewählt.
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Weitere Informationen:Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 2 (Nummer 184 bis Nummer 301) Köln, 1. Januar 1849 bis 19. Mai 1849. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.
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