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Neue Rheinische Zeitung. Nr. 196. Köln, 16. Januar 1849.

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Unterdrückung der Revolution in ganz Italien durch beide Mächte vermöglicht sein werde. Wir unsrerseits wünschen diesem diplomatischen Hokus-Pokus die allerlängste Dauer.

068 Rom, 4. Januar.

Die Lage der Dinge ist durch die Unentschiedenheit derer, welche die Revolution in die Hand genommen haben, allerdings eine schwierige und verwickelte geworden, und läßt noch manche Wechsel voraussehen. Der neueste der bereits stattgehabten ist der Rücktritt der Giunta, deren Mitglieder allerdings zu wenig Energie für ihre Aufgabe besaßen und in denen das revolutionäre Rom somit wenig verliert. -- Seit gestern ist der dritte Protest des Pabstes hier angekommen.

68 Turin, 8. Januar.

Radetzki soll einem hier cirkulirenden Gerüchte zufolge einen Tagesbefehl erlassen haben, worin er die Wiederaufnahme der Feindseligkeiten als nahe bevorstehend ankündigt und nach zwei Schlachten an der Spitze der Kroaten in Turin einzuziehen verspricht. Auch Venedig sollte angegriffen werden.

Französische Republik.
17 Paris, 12. Jan.

Es ist klar, daß die Arbeiten der Bettler und der Dürftigen fast null sind; und da dieser Unglücklichen sieben Millionen und eine halbe sich in unsrem Lande umherstoßen, so geht von vorn herein die Kraft von 7 1/2 Mill. Menschen in Rauch auf. Sie konsumiren sehr mäßig, tagelang zuweilen gar nichts, d. h. sie hungern und schmachten, aber trotz dem produciren sie noch weniger als sie konsumiren. Sie konsumiren immer hin: 547 Mill. jährlich, oder 1 1/2 Mill. täglich, oder zwanzig Centimen (vier Sous, noch nicht zwei Silbergroschen) täplich per Kopf. Das ist gewiß mäßig gelebt, und dennoch produciren sie nur unwillkürlich, wie eine Pflanze, wie ein Thier, durch Exkretion von unbrauchbar gewordenen Stoffen aus ihrem lebendigen Körper, und durch Anheimgeben dieses ihres Körpers, wenn er todt ist, an die Erde und Luft, d. h. sie schaffen nur noch Dünger. Auf diese letzte ganz indifferente Stufe des organischen Wesens sind sie herabgedrängt, denn daß sie sich in einander multipliciren, d. h. Kinder zeugen -- proletarii im altrömischen Wortsinne -- können wir nicht als eine ihnen und der Gesellschaft nützliche Produktion anrechnen.

Setzen wir nur die Arbeitsfähigen dieser Kategorie von 10 bis 60 Jahren in Betracht; so haben wir schon 5,700,000 Personen. Setzen wir hinzu die in Kraftblüte befindlichen Soldaten zu Land und Wasser 350,000; die Steuereintreiber, gleichfalls in der Blüte der Kraft und an Zahl 70,000 Mann. Kleinbourgeoisie zählten wir oben 1 1/2 Mill., unter diesen ist der 15te Theil, wonicht mehr, mit nutzloser Arbeit in sofern beschäftigt, als sie bereits anderswo vollzogen wird, also 100,000. Fügen wir dazu, daß von 39,500 Priestern, 36000 Lehrern, 200,000 Arbeitsunternehmern, 600,000 Kleinhändlern (aus Versehen führte eine frühere Tabelle sie als "Schwäche" auf), und 120,000 Mitgliedern der sog. freien Prefessionen, mindestens 1/10, also 100,000 Personen beides Geschlechts, gern täglich einige Stunden lang ihre Muskelkräfte in wahrer Produktivarbeit üben würden. Setzen wir 10,000 fast ganz unbeschäftigte Dienstboten von 575,000 an, und wir finden in Summa 6,330,000 Individuen, deren Kräfte der Produktion abhanden kommen. Folglich bleiben heute nur 14 Mill. Arbeitender jedes Alters und Geschlechts; und diese arbeiten sich krank oder dumm oder todt, denn die Arbeit ist auf diese Weise weder für sie noch für die Ihrigen productiv.

Und obenein ist das Produciren dieser 14 Mill. Arbeitender abscheulich erschwert; selbst verstockte Malthusdoctoren werden wohl nicht wähnen, die Arbeiter arbeiteten in möglichst erleichterten oder angenehmen Arbeitsverhältnissen, in bestmöglichen Werkstätten, mit bestmöglichen Werkzeugen, nach bestmöglicher Lehre, in bestmöglicher Gemüthsstimmung (wodurch das Produciren bekanntlich mindestens sich verdreifacht in Quantität und Qualität). Diese 14 Mill. sind meist jämmerlich gestellt, von häuslichen Sorgen geplagt, auf dem Lande selbst in Betreff ihres Handwerkszeugs schlecht bestellt. Sie produciren höchstens so viel als sieben Mill. in wahrhaft guten Arbeitsverhältnissen Arbeitende produciren würden.

Und man wundert sich noch über die Misere? und man erstaunt noch über die Prasserei? diese Extreme sind untrennbar, wo das Arbeiten geschändet ist; geschändet aber ist es, so lange nicht alles aufgeboten wird, um es zu läutern, vermehren, bequemern und bereichern.

Narren! die ihr euch noch wundert über Aufstände der sieben Mill. Bettler und Dürftiger gegen die 240,000 allmächtigen reichen Herren, die über Frankreich zu verfügen haben, über seine Bodenschätze und Kunstobjekte, Wissenschaft und Industrie, über seine Frauen und Mädchen, über seine Gesunden und Kranken, über seine Tugend und Verbrechen, Erziehung und Verdummung. Diese 240 tausend Männer von 21 bis 80 Jahren (wir streichen von den 770,000 Personen der reichen Kategorie zuerst die Hälfte, die weiblichen Individuen; dann [unleserliches Material]/[unleserliches Material], die Kinder beides Geschlechts unter 9 Jahren; endlich 1/5, die Knaben und Mädchen von 9 bis 20 Jahren) verhöhnen täglich das sog. christliche Ehegesetz des Code, das monogamische, zusammengesetzt aus Monandrie und Monogynie; diese 240 tausend Halbgötter führen Polygynie und Polyandrie ein, und wohlgemerkt, nicht wie etwa in Tibet und in den muhamedanischen Staaten, nein, das wäre ja auch ein Band; sie üben Promiscuität, Polygamie ad libitum und "gegen baar", so zu sagen die Prostitution a l'ordre du jour und in infinitum.

Diese 240 Tausend sind lauter Moralisten, Heuler, Herrgottsfürchtige, nach Gerechtigkeit Dürstende; mit einem Theil ihrer Wucherzinsen werden alle volksbethörende Bücher dieser Gattung in die Welt gesetzt. Ihren Bankaktien allein sprudelt unser edelster Wein; von ihren Eisenbahnpapieren werden unsre schönsten Schwestern zu Bajaderen; mit ihren Staatsschuldcoupons heucheln sie sich weise und brav, angenehm und wichtig. -- Die französische Gesellschaft ist mithin schuldig, primo: die Kraft eines Drittels ihrer validen Arbeiter zu verschleudern; secondo: nicht begriffen zu haben, wie die Kraft von fünf andern Mill. Arbeitern zu benutzen wäre (nämlich Kinder beides Geschlechts von 6 bis 9 Jahren 2,000,000; junge Mädchen von 9 bis 16 Jahren 2,300,000; sechszigjährige Personen 700,000), wodurch jedenfalls, wenn auch keine große Produktion, doch eine sehr schätzbare Aushülfe entstände; tertio: ist sie schuldig sich nicht um die wissenschaftliche Synthese der menschlichen und der Naturkraft im mindesten bisheran gekümmert zu haben.

In der That, was kümmert das Sankt Malthus? --

Werfen wir einen Blick auf das Inventarium Frankreichs, so finden wir daß, soweit die sorgfältigen Tabellen uns dazu Vorarbeiten lieferten, die Nahrung des Soldaten und Matrosen schlecht ist. Sind Nahrungskrankheiten nicht an der Tagesordnung bei ihm, so kommt das blos von der Tugendkraft seines Organismus, und von etwaigen Zuschüssen, die von den Eltern der Hälfte des Heeres zufließen, und eine uralte Erfahrung ist, daß Frankreichs Krieger diese Personalzuschüsse jedesmal unter sich auf gut kommunistisch vertheilen. Die Matrosen leiden desto mehr an der übeln Krankheit, die man Bulimie oder Heißhunger nennt und die Schiffsärzte müssen oft genug mit Doppelrationen Brod und Zwieback helfen. Da um die Nahrung sich die animalische Welt dreht, verweilen wir dabei einen Augenblick: Wir theilen die pflanzliche Nahrung in Cerealien (Getreide schlechthin) und in Halbcerealien (Buchweizen, Salep, Sago), in Mehlgemüse (Bohnen, Erbsen, Kartoffeln) und Mehlfrüchte (Kastanien). Zwischen 1815 und 1835 war eine Weizenernte schlecht, die nur 50 Mill. Hectoliter gab; gut, wenn sie 70 a 80. Jede Kartoffelernte war schlecht, wenn sie nicht 25 Mill. Hetoliter überwog; gut, wenn sie 70 überstieg.

Im Jahre 1835, von der Ernte bis zu der entsprechenden Epoche des folgenden Jahres, waren 51 Mill. Hektoliter Weizen, 24 Mill. Hektoliter Roggen, 18 Mill. Hektoliter Gerste und Meteil (Weizen und Roggen gemischt) von den Bewohnern aufgezehrt worden. Und mit dieser Tabelle stimmt der deutsche Statistiker Rheden, was Weizen und Roggen betrifft, ziemlich überein; er rechnet 60 a 62 Mill. Hektoliter Weizen, und so hoch steigt wirklich obige Summe durch Addition des eingeführten Getreides. Beiläufig bemerkt rechnet Dieterici auf jeden preußischen Magen 1/3 weniger Cereal als auf den französischen.

Resultat ferneren Tabellenvergleichens ist nun, daß unser Land jährlich im Ganzen 100-104 Mill. Hektoliter, oder drei Hektoliter per Person, von allen Cerealien zusammen, braucht. Die Konsumtion des Weizens rechnen wir dabei auf 70 Mill. Hektoliter, oder per Person 150 Kilogr. oder 300 Pfund.

Seit zwölf Jahren haben wir für 258 Mill. Franken fremde Cerealien einführen müssen, und nur für 91 Mill. ausgeführt.

Wir erinnern aber an Lagrange's Wort:

"Der Mensch bedarf eine bestimmte Masse Nahrung, gleichsam Ballast im Schiff des Organismus. Dieser Ballast muß gebührend zusammengesetzt sein, in den richtigen Proportionen aus Getreide und Fleisch, oder den Surrogaten beider. In dieser Proportion zeigt sich das Wohlergehen der Nation; die Nahrung ist seine Basis. Um das Wohlergehen, die Gesundheit der französischen Nation zu erhöhen, muß man die Konsumtion des Fleisches, selbst auf Kosten der des Getreides, vermehren."

Bürger Vasbenter vom Proudhon'schen "Le Peuple", ist von der Jury freigesprochen, und Bürger Bernard, der Kluborganisator, den par defaut das korrektionelle Gericht zu fünf Jahren und 6000 Fr. verdammt hatte, erhielt statt dessen jetzt vor den Assisen nur einen Monat und 100 Fr. Buße. Also lange Nase und tiefer Kummer der Volksfeinde; "I'Union monarchique" verlangt Schließung aller Klubs, wo nicht, so wolle sie, die legitimistische alte Spitzbübin, den Bonaparte im Stich lassen. Sie läßt sich heute aus Berlin schreiben: "nicht weniger als 163 Mitglieder der Nationalversammlung werden in diesem Augenblick wegen Steuerverweigerung arretirt, was wegen des aus diesem Insubordinationsakt entspringenden gefährlichen Beispiels durchaus nothwendig ist." Das jesuitische "Univers" vergießt Freudenzähren über des calvinistischen Guizot's neuestes Broschürli: De la Democratie en France. Man höre nur wie trübselig Guizot und "Univers" heute harmoniren: "Die Sozialrepublik, sagt der Exminister Louis Philipps, erblickt in den Sterblichen nur isolirte, einen Tag währende Individuen, die auf dem Theater des Lebens erscheinen, um der Subsistenz und des Genusses theilhaft zu werden, ein Jeglicher für seine eigene Rechnung und sonder höheres Ziel. Das ist ja eben das Loos der Thiere. In den Augen der Doktoren von der sozialen Republik ist Gott nur noch ein Wesen der Einbildung, eine unbekannte Macht, welche von den wirklichen irdischen Staatsmächten nur als ein Abflußmittel für ihre eigene Verantwortlichkeit benutzt wird. Gott muß also das Böse sein, nach der Ansicht jener Sozialphilosophen, denn nur durch seine Hypothese fühlen die Völker sich bewogen, das Uebel sich gefallen zu lassen, das ihnen Seitens der Herrscher zukommt. Solcherweise werden die Menschen, auf das Erdenleben allein angewiesen, und ihren irdischen Gebietern allein gegenüber, schlechterdings die gleiche Vertheilung des Erdengenusses fordern. Und von der Stunde ab wo die, welchen es fehlt, es fordern, werden sie es haben, denn sie sind die Stärkern. Gott und Menschheit schwinden mithin." Freuen wir uns des calvinistischen Geständnisses: "denn sie sind die Stärkern." Freuen wir uns auch des folgenden jesuitischen: "möge die legitimistische Partei mit der des 1830ger Julithrones sich befehden, sich schwächen, immerhin, sie können sich nimmer vernichten, ausschließen; im Gegentheil, beide haben nur allzusehr ihre beiderseitigen Kräfte allesammt nöthig, um diese Demokratie im Zaum zu halten mit der sie nunmehr zu thun haben." Guizot gesteht seinen unter Louis Philipp dem Jesuitenthum geleisteten Vorschub ein und verspricht das Ding noch besser zu machen, wenn er wieder pres de la necessite d'agir (nahe am Handeln) sein werde.

Die Polizei verhaftete gestern den Präsidenten des Klub St. Antoine, auch einen Korporal, der dabei war; Letzterer ward wieder freigelassen. Die Polizeisergeanten alten Styls werden, als "unerläßliche Diener der Ordnung", selbst mit ihrem alten scheußlichen Kostüme vom Corsaire wieder herbeigefleht, da die jetzigen pariser Gardens "meist demagogisirt" seien. "L'Union't proponirt, allabendlich die Präsidenten der Klubs per Manda. zu arretiren, das werde endlich den Leuten den Spaß verderben, -- So weit wären wir also.

12 Paris, 13. Jan.

Die Auflösung der Kammer -- das ist die große Frage, welche der Kammer selbst zur Lösung vorliegt. Die Kammer soll über ihr eigenes Sicksal entschieden -- sie soll ein Urtheil des Todes oder des Lebens über sich selbst ergehen lassen. Skandal, Verunglimpfungen, Schmähungen und Drohungen -- kurz der ganze Hergang, mit dem zwei streitende Parteien aus dem Volke ihren Faustkampf einleiten, fehlte auch dieses Mal nicht. Der Antrag des Hrn. Rateau fixirt auf den 4. März die allgemeinen Wahlen, und auf den 19. desselben Monats die Zusammenberufung der neuen legislativen Kammer.

Das Comite, welchem dieser Antrag zur Prüfung überwiesen war, hatte auf die Verwerfung desselben geschlossen. Die jetzige Kammer beschließt die Inbetrachtziehung des Rateauschen Antrages mit einer Majorität von einer einzigen Stimme!

Satan ist im Bunde mit der ganzen offiziellen Regierung, ob sie Cavaignac, Napoleon oder Barrot heiße, und spielt ihnen die drolligsten, die unerwartetsten Streiche!

Gehen wir zunächst auf die Bedeutung dieses Antrags ein. Was die Kammer beschlossen hat, ist weiter nichts als eine Inbetrachtziehung, d. h. ehe dieser Antrag ein Dekret werden kann, muß er zunächst durch eine Kommission passiren, die ihren Bericht darüber abstattet. Während dieser Zeit hat die Kammer immer noch zu leben, abgesehen von allen Vor-, Zwischen- und sonstigen Anfällen, von welcher Seite sie auch kommen mögen. Dann erst beginnt die Diskussion darüber in der Kammer selbst und der Antrag wird erst Gesetz, nach 3 Berathungen, von 5 zu 5 Tagen, im Einklange mit dem Dekrete, welches die Kammer neulich votirt hat. Und die ganze Zeit über ist die Kammer immer noch am Leben, so wie Napoleon und Barrot, und in der Voraussetzung des Lebens so vieler Personen, in der Unterstellung, daß die Auflösung eines Gemisches von Napoleon z. B., das allein auf physischem Wege, allein durch Adhäsion zusammengekommen, nicht eher von Statten gehen wird -- in der Voraussetzung, sage ich, daß ein tolerirtes Ministerium wie Barrot so lange Stich halten, und daß die Kammer selbst so lange zusammen halten wird, in der Voraussetzung also, daß die aufgelöseste aller offiziellen Gesellschaften sich nicht eher auflösen wird, faßt die Kammer einen Beschluß über die nahe oder ferne Auflösung ihrer selbst!

Peter Napoleon hat gegen Louis Napoleon, hat für das Fortbestehen der Kammer gesprochen. Das ist Nebensache für uns. Die Hauptsache ist: Montalembert und Odilon-Barrot sind für die Auflösung: ein Legitimist und ein ehemaliger Orleanist wollen neue Wahlen und eine neue Kammer, und Billault beschuldigt Beide, einen moralischen 15. Mai gegen die Kammer zu beabsichtigen. Am 15. Mai vorigen Jahres hat das Volk die Bourgeoiskammer gesprengt: sie kam wieder zusammen und rächte sich am Volke durch die Junitage; fortan glaubte sie sich fest konstituirt; sie will sich in Cavaignac inkorporiren; das Volk sprengt sie abermals, indem es ihr einen feindlichen Präsidenten aufdringt. Durch die Wahl Napoleon's hat das Volk die Kammer moralisch vernichtet; es hat seinen 15. Mai moralisch vollbracht. Jetzt steht die Kammer auf und beklagt sich, daß man sie moralisch vernichten wolle, und wen klagt die Kammer an? Ihre eigenen Minister, und wer sind die Minister? Mitglieder der Kammer, unterstützt von einem großen Theile der Legitimisten und Orleanisten. Also die Partei des National, die am 15. Mai vom Volke angegriffen, am 10. Dezbr. vom Volke vernichtet worden ist, sieht erst ein, daß man sie "moralisch" vernichten will, nachdem sie bereits vernichtet ist, erkennt erst die ersten Schläge, nachdem sie von der ganz entgegengesetzten Partei gekommen.

Nach Montalembert zerfällt die Kammer in drei Fraktionen; die erste Fraktion will die Auflösung der Kammer, weil sie gewiß ist, wieder einzutreten; die zweite will sie nicht, weil sie bange ist daß sie nicht wieder eintreten möchte; die dritte Fraktion habe keinen bestimmten Entschluß. Sie glaube sich nicht durch ihre frühern Dekrete gebunden, da ja der konstituirenden Kammer das Recht zustände, zu binden und zu entbinden. Nach dieser Einleitung und nach Erledigung der Rechtsfrage kommt der Jesuit Montalembert auf die Frage der Delikatesse zu sprechen. Die Kammer brauche auch deshalb noch nicht auseinanderzugehen, weil sie durch die Wahl Napoleon's zum Präsidenten sich in einer falschen Stellung dem Lande gegenüber befände. Sie habe sich ja vollkommen mit dem Präsidenten ausgesöhnt und unter der Republik habe die Kunst der politischen Bekehrungen ungemein zugenommen. (Und Montalembert ist der Vertheidiger Barrots!) Montalembert hat sich nicht bekehrt, er ist Jesuit und zählt sich zu der Fraktion, welche zurückkommen wird. Was bedeutet nach ihm die Wahl Napoleon's? ein courant d'opinion's, ein ungeheurer Windzug zur "Ordnung". Und was ist diese Ordnung? Henri V. In einem Punkte hat Montalembert Recht. Das courant ist noch nicht zu Ende, das Volk will immer ein Anderswerden, eine Veränderung und fühlt, daß es das Rechte immer nicht hat. Ob dieses Volkslaune oder Volkswille sei, ist gleichgültig, das Volk darf sein eigener Arzt sein. Es erhebt Zweifel gegen die Versammlung, gegen seinen Arzt? Um diesen Zweifel als grundlos darzustellen, sei nichts einfacher als neue Wahlen!

Billault zog aus den Argumenten des Herrn Montalembert, des Vertheiders Odilon-Barrot's, die schärfsten Angriffe auf Odilon-Barrot, und sprach für das Fortbestehn der Kammer. Die Rolle Odilon-Barrot's war die mißlichste, die man sich denken kann: er mußte sich gegen die zu heiße Vertheidigung Montalembert's vertheidigen; er mußte auftreten gegen seine eigenen Freunde, und alle Freunde wie Feinde sind einverstanden darüber, daß Odilon-Barrot nie tiefer gefallen ist. Man denke sich einen olympischen Kopf, der eingesteht, daß er den Schnupfen hat! Seine superben Gesten, seine sonore Stimme, seine ganze Rhetorik ist an diesem Uebel gescheitert! Das Ministerium hat, wie gesagt, gesiegt mit einer Stimme Majorität. Der Antrag Rateau's wird also einer Kommission vorgelegt werden. Was kann das Leben der Kammer sein, während der Zeit, wo über ihr Leben diskutirt wird? Wir sagen es offen: Ein 15. Mai kann allein die Kammer noch retten vor ihren Feinden! Ihre Feinde sind eben, wie sie wähnt, Barrot und Napoleon. Die Barrot's und Napoleon's aber sind nicht außerhalb sondern innerhalb der Kammer. Der Sturz der Kammer von außen behütet sie vor der Gefahr, die ihr von ihren innern Feinden droht.

Paris, 13. Jan.

Die National-Versammlung hat gestern Abend 8 Uhr mit 404 gegen 401 Stimmen entschieden, daß sie den Rateau'schen Antrag in Betracht zieht. Bei dem gestrigen Votum sind einige Irrthümer vorgefallen. Es hatten nämlich mehrere Deputirte blau und weiß, d. h. mit blauen und weißen Zetteln zugleich gestimmt, wodurch eine Aenderung in den Zahlen eintreten dürfte. Wie dem auch sei, das Prinzip der Auflösung ist ausgesprochen und Herr Odilon Barrot kann auf seinen Lorbeeren ausruhen. Sie können sich den Jubel der antirepublikanischen Blätter leicht vorstellen. Von den Debats bis zur giftigen Opinion herab blähen sie sich mit dem Stimmresultat und ahnen nicht, wie leicht der nächste Sturm alle ihre Hoffnungen auf "Restauration" zerstören könnte. Die reaktionären Journale ereifern sich gewaltig gegen Peter Bonaparte (Sohn des alten Lucian), weil er die Anhänger des Rateau'schen Antrages Faktiosen und Rebellen genannt hat.

-- Im Augenblick, wo Hr. Barrot in der National-Versammlung Mäßigung und Vertrauen predigte, ließ sein Staatsanwalt zwei Journale "Le Peuple" und die "Gazette de France" in ihren Bureaus und auf der Post wegnehmen.

-- Eine Ordonnanz des Finanzministers setzt die Abgaben auf Austern und Seefische herab.

-- Die Bäckergesellen-Excesse haben sich gestern in der Rue Sartine (nächst der großen Mehlhalle bei der Post) erneuert. Etwa 150 Gesellen wollten ein dort gelegenes Placements-Büreau stürmen und zertrümmern, als ein Polizeikommissarius mit starker Bedeckung den Haufen umzingelte und gefangen nehmen ließ.

Die Worte, wobei der Tumult am stärksten losbrach, waren ungefähr folgende: "Zwei Monate sind verflossen seit Proklamation der Verfassung, zwei Monate sind verflossen, seitdem Sie die wichtige Pflicht fühlten, noch die organischen Gesetze zu ihrem Verfassungswerke hinzuzufügen: ich frage Sie, welches ist das organische Gesetz, das Sie votirt? (Tumult, den endlich Marrast beherrscht und im Namen der Versammlung erklärt: daß sie das rektifizirte Büdget votirt, eine Menge nöthiger Gesetze votirt und mehrere schwierige Commissionen gebildet habe. Sie sei täglich vier bis fünf Stunden beschäftigt gewesen) Alem Rousseau zu Barrot: Sie setzen die Nationalversammlung in Anklagestand! E.....

Barrot: Ich habe gesagt, entschuldigen Sie die Freimüthigkeit meiner Gedanken, ich sage, statt sich ausschließlich mit der Vervollständigung des Verfassungsgebäudes zu beschäftigen ..... sind Sie viel mehr mit dem Gouvernement präokkupirt, d. h. mit dem, was außerhalb der Legislation und Ihrer konstituirenden Mission liegt. (Nicht wahr! Nicht wahr! Heftiger Sturm). Ich spreche diese Worte im Angesichte des Landes und das Land wird uns richten (Tumult). Ich sage, wenn eine derartige Disposition der Geister fortdauert, so ist es unmöglich .....

Potalis (vom Juni her bekannt): Machen Sie sich fort. (Dieser Zuruf erregte den stärksten Lärm.) Barrot sprach nur noch kurze Zeit und Portalis wurde zur Ordnung gerufen.

Kurz vor der Abstimmung erhielt Portalis noch das Wort zu seiner Rechtfertigung. Er sagte maliziös: "Bürger! Ich bin zur Ordnung gerufen worden. Ich muß mich erklären. Ich nehme diesen Ordnungsruf an; aber er hätte den Redner treffen sollen, dem ich folge." (Moniteur.)

-- Die heutige Sitzung der Nationalversammlung entschied, eine Kommission niederzusetzen, um den Rateau'schen Antrag zu prüfen.

-- Lacambre und Barthelemy, zwei Leiter der Junirevolution, von denen Letzterer vorgestern durch die Kriegsgerichte zu lebenslänglicher Galeerenstrafe verurtheilt wurde und Ersterem wahr- [Fortsetzung]

Hierzu eine Beilage.

Unterdrückung der Revolution in ganz Italien durch beide Mächte vermöglicht sein werde. Wir unsrerseits wünschen diesem diplomatischen Hokus-Pokus die allerlängste Dauer.

068 Rom, 4. Januar.

Die Lage der Dinge ist durch die Unentschiedenheit derer, welche die Revolution in die Hand genommen haben, allerdings eine schwierige und verwickelte geworden, und läßt noch manche Wechsel voraussehen. Der neueste der bereits stattgehabten ist der Rücktritt der Giunta, deren Mitglieder allerdings zu wenig Energie für ihre Aufgabe besaßen und in denen das revolutionäre Rom somit wenig verliert. — Seit gestern ist der dritte Protest des Pabstes hier angekommen.

68 Turin, 8. Januar.

Radetzki soll einem hier cirkulirenden Gerüchte zufolge einen Tagesbefehl erlassen haben, worin er die Wiederaufnahme der Feindseligkeiten als nahe bevorstehend ankündigt und nach zwei Schlachten an der Spitze der Kroaten in Turin einzuziehen verspricht. Auch Venedig sollte angegriffen werden.

Französische Republik.
17 Paris, 12. Jan.

Es ist klar, daß die Arbeiten der Bettler und der Dürftigen fast null sind; und da dieser Unglücklichen sieben Millionen und eine halbe sich in unsrem Lande umherstoßen, so geht von vorn herein die Kraft von 7 1/2 Mill. Menschen in Rauch auf. Sie konsumiren sehr mäßig, tagelang zuweilen gar nichts, d. h. sie hungern und schmachten, aber trotz dem produciren sie noch weniger als sie konsumiren. Sie konsumiren immer hin: 547 Mill. jährlich, oder 1 1/2 Mill. täglich, oder zwanzig Centimen (vier Sous, noch nicht zwei Silbergroschen) täplich per Kopf. Das ist gewiß mäßig gelebt, und dennoch produciren sie nur unwillkürlich, wie eine Pflanze, wie ein Thier, durch Exkretion von unbrauchbar gewordenen Stoffen aus ihrem lebendigen Körper, und durch Anheimgeben dieses ihres Körpers, wenn er todt ist, an die Erde und Luft, d. h. sie schaffen nur noch Dünger. Auf diese letzte ganz indifferente Stufe des organischen Wesens sind sie herabgedrängt, denn daß sie sich in einander multipliciren, d. h. Kinder zeugen — proletarii im altrömischen Wortsinne — können wir nicht als eine ihnen und der Gesellschaft nützliche Produktion anrechnen.

Setzen wir nur die Arbeitsfähigen dieser Kategorie von 10 bis 60 Jahren in Betracht; so haben wir schon 5,700,000 Personen. Setzen wir hinzu die in Kraftblüte befindlichen Soldaten zu Land und Wasser 350,000; die Steuereintreiber, gleichfalls in der Blüte der Kraft und an Zahl 70,000 Mann. Kleinbourgeoisie zählten wir oben 1 1/2 Mill., unter diesen ist der 15te Theil, wonicht mehr, mit nutzloser Arbeit in sofern beschäftigt, als sie bereits anderswo vollzogen wird, also 100,000. Fügen wir dazu, daß von 39,500 Priestern, 36000 Lehrern, 200,000 Arbeitsunternehmern, 600,000 Kleinhändlern (aus Versehen führte eine frühere Tabelle sie als „Schwäche“ auf), und 120,000 Mitgliedern der sog. freien Prefessionen, mindestens 1/10, also 100,000 Personen beides Geschlechts, gern täglich einige Stunden lang ihre Muskelkräfte in wahrer Produktivarbeit üben würden. Setzen wir 10,000 fast ganz unbeschäftigte Dienstboten von 575,000 an, und wir finden in Summa 6,330,000 Individuen, deren Kräfte der Produktion abhanden kommen. Folglich bleiben heute nur 14 Mill. Arbeitender jedes Alters und Geschlechts; und diese arbeiten sich krank oder dumm oder todt, denn die Arbeit ist auf diese Weise weder für sie noch für die Ihrigen productiv.

Und obenein ist das Produciren dieser 14 Mill. Arbeitender abscheulich erschwert; selbst verstockte Malthusdoctoren werden wohl nicht wähnen, die Arbeiter arbeiteten in möglichst erleichterten oder angenehmen Arbeitsverhältnissen, in bestmöglichen Werkstätten, mit bestmöglichen Werkzeugen, nach bestmöglicher Lehre, in bestmöglicher Gemüthsstimmung (wodurch das Produciren bekanntlich mindestens sich verdreifacht in Quantität und Qualität). Diese 14 Mill. sind meist jämmerlich gestellt, von häuslichen Sorgen geplagt, auf dem Lande selbst in Betreff ihres Handwerkszeugs schlecht bestellt. Sie produciren höchstens so viel als sieben Mill. in wahrhaft guten Arbeitsverhältnissen Arbeitende produciren würden.

Und man wundert sich noch über die Misére? und man erstaunt noch über die Prasserei? diese Extreme sind untrennbar, wo das Arbeiten geschändet ist; geschändet aber ist es, so lange nicht alles aufgeboten wird, um es zu läutern, vermehren, bequemern und bereichern.

Narren! die ihr euch noch wundert über Aufstände der sieben Mill. Bettler und Dürftiger gegen die 240,000 allmächtigen reichen Herren, die über Frankreich zu verfügen haben, über seine Bodenschätze und Kunstobjekte, Wissenschaft und Industrie, über seine Frauen und Mädchen, über seine Gesunden und Kranken, über seine Tugend und Verbrechen, Erziehung und Verdummung. Diese 240 tausend Männer von 21 bis 80 Jahren (wir streichen von den 770,000 Personen der reichen Kategorie zuerst die Hälfte, die weiblichen Individuen; dann [unleserliches Material]/[unleserliches Material], die Kinder beides Geschlechts unter 9 Jahren; endlich 1/5, die Knaben und Mädchen von 9 bis 20 Jahren) verhöhnen täglich das sog. christliche Ehegesetz des Code, das monogamische, zusammengesetzt aus Monandrie und Monogynie; diese 240 tausend Halbgötter führen Polygynie und Polyandrie ein, und wohlgemerkt, nicht wie etwa in Tibet und in den muhamedanischen Staaten, nein, das wäre ja auch ein Band; sie üben Promiscuität, Polygamie ad libitum und „gegen baar“, so zu sagen die Prostitution à l'ordre du jour und in infinitum.

Diese 240 Tausend sind lauter Moralisten, Heuler, Herrgottsfürchtige, nach Gerechtigkeit Dürstende; mit einem Theil ihrer Wucherzinsen werden alle volksbethörende Bücher dieser Gattung in die Welt gesetzt. Ihren Bankaktien allein sprudelt unser edelster Wein; von ihren Eisenbahnpapieren werden unsre schönsten Schwestern zu Bajaderen; mit ihren Staatsschuldcoupons heucheln sie sich weise und brav, angenehm und wichtig. — Die französische Gesellschaft ist mithin schuldig, primo: die Kraft eines Drittels ihrer validen Arbeiter zu verschleudern; secondo: nicht begriffen zu haben, wie die Kraft von fünf andern Mill. Arbeitern zu benutzen wäre (nämlich Kinder beides Geschlechts von 6 bis 9 Jahren 2,000,000; junge Mädchen von 9 bis 16 Jahren 2,300,000; sechszigjährige Personen 700,000), wodurch jedenfalls, wenn auch keine große Produktion, doch eine sehr schätzbare Aushülfe entstände; tertio: ist sie schuldig sich nicht um die wissenschaftliche Synthese der menschlichen und der Naturkraft im mindesten bisheran gekümmert zu haben.

In der That, was kümmert das Sankt Malthus? —

Werfen wir einen Blick auf das Inventarium Frankreichs, so finden wir daß, soweit die sorgfältigen Tabellen uns dazu Vorarbeiten lieferten, die Nahrung des Soldaten und Matrosen schlecht ist. Sind Nahrungskrankheiten nicht an der Tagesordnung bei ihm, so kommt das blos von der Tugendkraft seines Organismus, und von etwaigen Zuschüssen, die von den Eltern der Hälfte des Heeres zufließen, und eine uralte Erfahrung ist, daß Frankreichs Krieger diese Personalzuschüsse jedesmal unter sich auf gut kommunistisch vertheilen. Die Matrosen leiden desto mehr an der übeln Krankheit, die man Bulimie oder Heißhunger nennt und die Schiffsärzte müssen oft genug mit Doppelrationen Brod und Zwieback helfen. Da um die Nahrung sich die animalische Welt dreht, verweilen wir dabei einen Augenblick: Wir theilen die pflanzliche Nahrung in Cerealien (Getreide schlechthin) und in Halbcerealien (Buchweizen, Salep, Sago), in Mehlgemüse (Bohnen, Erbsen, Kartoffeln) und Mehlfrüchte (Kastanien). Zwischen 1815 und 1835 war eine Weizenernte schlecht, die nur 50 Mill. Hectoliter gab; gut, wenn sie 70 à 80. Jede Kartoffelernte war schlecht, wenn sie nicht 25 Mill. Hetoliter überwog; gut, wenn sie 70 überstieg.

Im Jahre 1835, von der Ernte bis zu der entsprechenden Epoche des folgenden Jahres, waren 51 Mill. Hektoliter Weizen, 24 Mill. Hektoliter Roggen, 18 Mill. Hektoliter Gerste und Méteil (Weizen und Roggen gemischt) von den Bewohnern aufgezehrt worden. Und mit dieser Tabelle stimmt der deutsche Statistiker Rheden, was Weizen und Roggen betrifft, ziemlich überein; er rechnet 60 à 62 Mill. Hektoliter Weizen, und so hoch steigt wirklich obige Summe durch Addition des eingeführten Getreides. Beiläufig bemerkt rechnet Dieterici auf jeden preußischen Magen 1/3 weniger Cereal als auf den französischen.

Resultat ferneren Tabellenvergleichens ist nun, daß unser Land jährlich im Ganzen 100-104 Mill. Hektoliter, oder drei Hektoliter per Person, von allen Cerealien zusammen, braucht. Die Konsumtion des Weizens rechnen wir dabei auf 70 Mill. Hektoliter, oder per Person 150 Kilogr. oder 300 Pfund.

Seit zwölf Jahren haben wir für 258 Mill. Franken fremde Cerealien einführen müssen, und nur für 91 Mill. ausgeführt.

Wir erinnern aber an Lagrange's Wort:

„Der Mensch bedarf eine bestimmte Masse Nahrung, gleichsam Ballast im Schiff des Organismus. Dieser Ballast muß gebührend zusammengesetzt sein, in den richtigen Proportionen aus Getreide und Fleisch, oder den Surrogaten beider. In dieser Proportion zeigt sich das Wohlergehen der Nation; die Nahrung ist seine Basis. Um das Wohlergehen, die Gesundheit der französischen Nation zu erhöhen, muß man die Konsumtion des Fleisches, selbst auf Kosten der des Getreides, vermehren.“

Bürger Vasbenter vom Proudhon'schen „Le Peuple“, ist von der Jury freigesprochen, und Bürger Bernard, der Kluborganisator, den par défaut das korrektionelle Gericht zu fünf Jahren und 6000 Fr. verdammt hatte, erhielt statt dessen jetzt vor den Assisen nur einen Monat und 100 Fr. Buße. Also lange Nase und tiefer Kummer der Volksfeinde; „I'Union monarchique“ verlangt Schließung aller Klubs, wo nicht, so wolle sie, die legitimistische alte Spitzbübin, den Bonaparte im Stich lassen. Sie läßt sich heute aus Berlin schreiben: „nicht weniger als 163 Mitglieder der Nationalversammlung werden in diesem Augenblick wegen Steuerverweigerung arretirt, was wegen des aus diesem Insubordinationsakt entspringenden gefährlichen Beispiels durchaus nothwendig ist.“ Das jesuitische „Univers“ vergießt Freudenzähren über des calvinistischen Guizot's neuestes Broschürli: De la Démocratie en France. Man höre nur wie trübselig Guizot und „Univers“ heute harmoniren: „Die Sozialrepublik, sagt der Exminister Louis Philipps, erblickt in den Sterblichen nur isolirte, einen Tag währende Individuen, die auf dem Theater des Lebens erscheinen, um der Subsistenz und des Genusses theilhaft zu werden, ein Jeglicher für seine eigene Rechnung und sonder höheres Ziel. Das ist ja eben das Loos der Thiere. In den Augen der Doktoren von der sozialen Republik ist Gott nur noch ein Wesen der Einbildung, eine unbekannte Macht, welche von den wirklichen irdischen Staatsmächten nur als ein Abflußmittel für ihre eigene Verantwortlichkeit benutzt wird. Gott muß also das Böse sein, nach der Ansicht jener Sozialphilosophen, denn nur durch seine Hypothese fühlen die Völker sich bewogen, das Uebel sich gefallen zu lassen, das ihnen Seitens der Herrscher zukommt. Solcherweise werden die Menschen, auf das Erdenleben allein angewiesen, und ihren irdischen Gebietern allein gegenüber, schlechterdings die gleiche Vertheilung des Erdengenusses fordern. Und von der Stunde ab wo die, welchen es fehlt, es fordern, werden sie es haben, denn sie sind die Stärkern. Gott und Menschheit schwinden mithin.“ Freuen wir uns des calvinistischen Geständnisses: „denn sie sind die Stärkern.“ Freuen wir uns auch des folgenden jesuitischen: „möge die legitimistische Partei mit der des 1830ger Julithrones sich befehden, sich schwächen, immerhin, sie können sich nimmer vernichten, ausschließen; im Gegentheil, beide haben nur allzusehr ihre beiderseitigen Kräfte allesammt nöthig, um diese Demokratie im Zaum zu halten mit der sie nunmehr zu thun haben.“ Guizot gesteht seinen unter Louis Philipp dem Jesuitenthum geleisteten Vorschub ein und verspricht das Ding noch besser zu machen, wenn er wieder près de la nécessité d'agir (nahe am Handeln) sein werde.

Die Polizei verhaftete gestern den Präsidenten des Klub St. Antoine, auch einen Korporal, der dabei war; Letzterer ward wieder freigelassen. Die Polizeisergeanten alten Styls werden, als „unerläßliche Diener der Ordnung“, selbst mit ihrem alten scheußlichen Kostüme vom Corsaire wieder herbeigefleht, da die jetzigen pariser Gardens „meist demagogisirt“ seien. „L'Union't proponirt, allabendlich die Präsidenten der Klubs per Manda. zu arretiren, das werde endlich den Leuten den Spaß verderben, — So weit wären wir also.

12 Paris, 13. Jan.

Die Auflösung der Kammer — das ist die große Frage, welche der Kammer selbst zur Lösung vorliegt. Die Kammer soll über ihr eigenes Sicksal entschieden — sie soll ein Urtheil des Todes oder des Lebens über sich selbst ergehen lassen. Skandal, Verunglimpfungen, Schmähungen und Drohungen — kurz der ganze Hergang, mit dem zwei streitende Parteien aus dem Volke ihren Faustkampf einleiten, fehlte auch dieses Mal nicht. Der Antrag des Hrn. Rateau fixirt auf den 4. März die allgemeinen Wahlen, und auf den 19. desselben Monats die Zusammenberufung der neuen legislativen Kammer.

Das Comite, welchem dieser Antrag zur Prüfung überwiesen war, hatte auf die Verwerfung desselben geschlossen. Die jetzige Kammer beschließt die Inbetrachtziehung des Rateauschen Antrages mit einer Majorität von einer einzigen Stimme!

Satan ist im Bunde mit der ganzen offiziellen Regierung, ob sie Cavaignac, Napoleon oder Barrot heiße, und spielt ihnen die drolligsten, die unerwartetsten Streiche!

Gehen wir zunächst auf die Bedeutung dieses Antrags ein. Was die Kammer beschlossen hat, ist weiter nichts als eine Inbetrachtziehung, d. h. ehe dieser Antrag ein Dekret werden kann, muß er zunächst durch eine Kommission passiren, die ihren Bericht darüber abstattet. Während dieser Zeit hat die Kammer immer noch zu leben, abgesehen von allen Vor-, Zwischen- und sonstigen Anfällen, von welcher Seite sie auch kommen mögen. Dann erst beginnt die Diskussion darüber in der Kammer selbst und der Antrag wird erst Gesetz, nach 3 Berathungen, von 5 zu 5 Tagen, im Einklange mit dem Dekrete, welches die Kammer neulich votirt hat. Und die ganze Zeit über ist die Kammer immer noch am Leben, so wie Napoleon und Barrot, und in der Voraussetzung des Lebens so vieler Personen, in der Unterstellung, daß die Auflösung eines Gemisches von Napoleon z. B., das allein auf physischem Wege, allein durch Adhäsion zusammengekommen, nicht eher von Statten gehen wird — in der Voraussetzung, sage ich, daß ein tolerirtes Ministerium wie Barrot so lange Stich halten, und daß die Kammer selbst so lange zusammen halten wird, in der Voraussetzung also, daß die aufgelöseste aller offiziellen Gesellschaften sich nicht eher auflösen wird, faßt die Kammer einen Beschluß über die nahe oder ferne Auflösung ihrer selbst!

Peter Napoleon hat gegen Louis Napoleon, hat für das Fortbestehen der Kammer gesprochen. Das ist Nebensache für uns. Die Hauptsache ist: Montalembert und Odilon-Barrot sind für die Auflösung: ein Legitimist und ein ehemaliger Orleanist wollen neue Wahlen und eine neue Kammer, und Billault beschuldigt Beide, einen moralischen 15. Mai gegen die Kammer zu beabsichtigen. Am 15. Mai vorigen Jahres hat das Volk die Bourgeoiskammer gesprengt: sie kam wieder zusammen und rächte sich am Volke durch die Junitage; fortan glaubte sie sich fest konstituirt; sie will sich in Cavaignac inkorporiren; das Volk sprengt sie abermals, indem es ihr einen feindlichen Präsidenten aufdringt. Durch die Wahl Napoleon's hat das Volk die Kammer moralisch vernichtet; es hat seinen 15. Mai moralisch vollbracht. Jetzt steht die Kammer auf und beklagt sich, daß man sie moralisch vernichten wolle, und wen klagt die Kammer an? Ihre eigenen Minister, und wer sind die Minister? Mitglieder der Kammer, unterstützt von einem großen Theile der Legitimisten und Orleanisten. Also die Partei des National, die am 15. Mai vom Volke angegriffen, am 10. Dezbr. vom Volke vernichtet worden ist, sieht erst ein, daß man sie „moralisch“ vernichten will, nachdem sie bereits vernichtet ist, erkennt erst die ersten Schläge, nachdem sie von der ganz entgegengesetzten Partei gekommen.

Nach Montalembert zerfällt die Kammer in drei Fraktionen; die erste Fraktion will die Auflösung der Kammer, weil sie gewiß ist, wieder einzutreten; die zweite will sie nicht, weil sie bange ist daß sie nicht wieder eintreten möchte; die dritte Fraktion habe keinen bestimmten Entschluß. Sie glaube sich nicht durch ihre frühern Dekrete gebunden, da ja der konstituirenden Kammer das Recht zustände, zu binden und zu entbinden. Nach dieser Einleitung und nach Erledigung der Rechtsfrage kommt der Jesuit Montalembert auf die Frage der Delikatesse zu sprechen. Die Kammer brauche auch deshalb noch nicht auseinanderzugehen, weil sie durch die Wahl Napoleon's zum Präsidenten sich in einer falschen Stellung dem Lande gegenüber befände. Sie habe sich ja vollkommen mit dem Präsidenten ausgesöhnt und unter der Republik habe die Kunst der politischen Bekehrungen ungemein zugenommen. (Und Montalembert ist der Vertheidiger Barrots!) Montalembert hat sich nicht bekehrt, er ist Jesuit und zählt sich zu der Fraktion, welche zurückkommen wird. Was bedeutet nach ihm die Wahl Napoleon's? ein courant d'opinion's, ein ungeheurer Windzug zur „Ordnung“. Und was ist diese Ordnung? Henri V. In einem Punkte hat Montalembert Recht. Das courant ist noch nicht zu Ende, das Volk will immer ein Anderswerden, eine Veränderung und fühlt, daß es das Rechte immer nicht hat. Ob dieses Volkslaune oder Volkswille sei, ist gleichgültig, das Volk darf sein eigener Arzt sein. Es erhebt Zweifel gegen die Versammlung, gegen seinen Arzt? Um diesen Zweifel als grundlos darzustellen, sei nichts einfacher als neue Wahlen!

Billault zog aus den Argumenten des Herrn Montalembert, des Vertheiders Odilon-Barrot's, die schärfsten Angriffe auf Odilon-Barrot, und sprach für das Fortbestehn der Kammer. Die Rolle Odilon-Barrot's war die mißlichste, die man sich denken kann: er mußte sich gegen die zu heiße Vertheidigung Montalembert's vertheidigen; er mußte auftreten gegen seine eigenen Freunde, und alle Freunde wie Feinde sind einverstanden darüber, daß Odilon-Barrot nie tiefer gefallen ist. Man denke sich einen olympischen Kopf, der eingesteht, daß er den Schnupfen hat! Seine superben Gesten, seine sonore Stimme, seine ganze Rhetorik ist an diesem Uebel gescheitert! Das Ministerium hat, wie gesagt, gesiegt mit einer Stimme Majorität. Der Antrag Rateau's wird also einer Kommission vorgelegt werden. Was kann das Leben der Kammer sein, während der Zeit, wo über ihr Leben diskutirt wird? Wir sagen es offen: Ein 15. Mai kann allein die Kammer noch retten vor ihren Feinden! Ihre Feinde sind eben, wie sie wähnt, Barrot und Napoleon. Die Barrot's und Napoleon's aber sind nicht außerhalb sondern innerhalb der Kammer. Der Sturz der Kammer von außen behütet sie vor der Gefahr, die ihr von ihren innern Feinden droht.

Paris, 13. Jan.

Die National-Versammlung hat gestern Abend 8 Uhr mit 404 gegen 401 Stimmen entschieden, daß sie den Rateau'schen Antrag in Betracht zieht. Bei dem gestrigen Votum sind einige Irrthümer vorgefallen. Es hatten nämlich mehrere Deputirte blau und weiß, d. h. mit blauen und weißen Zetteln zugleich gestimmt, wodurch eine Aenderung in den Zahlen eintreten dürfte. Wie dem auch sei, das Prinzip der Auflösung ist ausgesprochen und Herr Odilon Barrot kann auf seinen Lorbeeren ausruhen. Sie können sich den Jubel der antirepublikanischen Blätter leicht vorstellen. Von den Debats bis zur giftigen Opinion herab blähen sie sich mit dem Stimmresultat und ahnen nicht, wie leicht der nächste Sturm alle ihre Hoffnungen auf „Restauration“ zerstören könnte. Die reaktionären Journale ereifern sich gewaltig gegen Peter Bonaparte (Sohn des alten Lucian), weil er die Anhänger des Rateau'schen Antrages Faktiosen und Rebellen genannt hat.

— Im Augenblick, wo Hr. Barrot in der National-Versammlung Mäßigung und Vertrauen predigte, ließ sein Staatsanwalt zwei Journale „Le Peuple“ und die „Gazette de France“ in ihren Bureaus und auf der Post wegnehmen.

— Eine Ordonnanz des Finanzministers setzt die Abgaben auf Austern und Seefische herab.

— Die Bäckergesellen-Excesse haben sich gestern in der Rue Sartine (nächst der großen Mehlhalle bei der Post) erneuert. Etwa 150 Gesellen wollten ein dort gelegenes Placements-Büreau stürmen und zertrümmern, als ein Polizeikommissarius mit starker Bedeckung den Haufen umzingelte und gefangen nehmen ließ.

Die Worte, wobei der Tumult am stärksten losbrach, waren ungefähr folgende: „Zwei Monate sind verflossen seit Proklamation der Verfassung, zwei Monate sind verflossen, seitdem Sie die wichtige Pflicht fühlten, noch die organischen Gesetze zu ihrem Verfassungswerke hinzuzufügen: ich frage Sie, welches ist das organische Gesetz, das Sie votirt? (Tumult, den endlich Marrast beherrscht und im Namen der Versammlung erklärt: daß sie das rektifizirte Büdget votirt, eine Menge nöthiger Gesetze votirt und mehrere schwierige Commissionen gebildet habe. Sie sei täglich vier bis fünf Stunden beschäftigt gewesen) Alem Rousseau zu Barrot: Sie setzen die Nationalversammlung in Anklagestand! E‥…

Barrot: Ich habe gesagt, entschuldigen Sie die Freimüthigkeit meiner Gedanken, ich sage, statt sich ausschließlich mit der Vervollständigung des Verfassungsgebäudes zu beschäftigen ‥… sind Sie viel mehr mit dem Gouvernement präokkupirt, d. h. mit dem, was außerhalb der Legislation und Ihrer konstituirenden Mission liegt. (Nicht wahr! Nicht wahr! Heftiger Sturm). Ich spreche diese Worte im Angesichte des Landes und das Land wird uns richten (Tumult). Ich sage, wenn eine derartige Disposition der Geister fortdauert, so ist es unmöglich ‥…

Potalis (vom Juni her bekannt): Machen Sie sich fort. (Dieser Zuruf erregte den stärksten Lärm.) Barrot sprach nur noch kurze Zeit und Portalis wurde zur Ordnung gerufen.

Kurz vor der Abstimmung erhielt Portalis noch das Wort zu seiner Rechtfertigung. Er sagte maliziös: „Bürger! Ich bin zur Ordnung gerufen worden. Ich muß mich erklären. Ich nehme diesen Ordnungsruf an; aber er hätte den Redner treffen sollen, dem ich folge.“ (Moniteur.)

— Die heutige Sitzung der Nationalversammlung entschied, eine Kommission niederzusetzen, um den Rateau'schen Antrag zu prüfen.

— Lacambre und Barthelemy, zwei Leiter der Junirevolution, von denen Letzterer vorgestern durch die Kriegsgerichte zu lebenslänglicher Galeerenstrafe verurtheilt wurde und Ersterem wahr- [Fortsetzung]

Hierzu eine Beilage.

<TEI>
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          <p><pb facs="#f0004" n="1066"/>
Unterdrückung der Revolution in ganz Italien durch beide Mächte vermöglicht sein werde. Wir unsrerseits wünschen diesem diplomatischen Hokus-Pokus die allerlängste Dauer.</p>
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          <head><bibl><author>068</author></bibl> Rom, 4. Januar.</head>
          <p>Die Lage der Dinge ist durch die Unentschiedenheit derer, welche die Revolution in die Hand genommen haben, allerdings eine schwierige und verwickelte geworden, und läßt noch manche Wechsel voraussehen. Der neueste der bereits stattgehabten ist der Rücktritt der Giunta, deren Mitglieder allerdings zu wenig Energie für ihre Aufgabe besaßen und in denen das revolutionäre Rom somit wenig verliert. &#x2014; Seit gestern ist der dritte Protest des Pabstes hier angekommen.</p>
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          <head><bibl><author>68</author></bibl> Turin, 8. Januar.</head>
          <p>Radetzki soll einem hier cirkulirenden Gerüchte zufolge einen Tagesbefehl erlassen haben, worin er die Wiederaufnahme der Feindseligkeiten als nahe bevorstehend ankündigt und nach zwei Schlachten an der Spitze der Kroaten in Turin einzuziehen verspricht. Auch Venedig sollte angegriffen werden.</p>
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        <head>Französische Republik.</head>
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          <head><bibl><author>17</author></bibl> Paris, 12. Jan.</head>
          <p>Es ist klar, daß die Arbeiten der Bettler und der Dürftigen fast null sind; und da dieser Unglücklichen sieben Millionen und eine halbe sich in unsrem Lande umherstoßen, so geht von vorn herein die Kraft von 7 1/2 Mill. Menschen in Rauch auf. Sie konsumiren sehr mäßig, tagelang zuweilen gar nichts, d. h. sie hungern und schmachten, aber trotz dem produciren sie noch weniger als sie konsumiren. Sie konsumiren immer hin: 547 Mill. jährlich, oder 1 1/2 Mill. täglich, oder zwanzig Centimen (vier Sous, noch nicht zwei Silbergroschen) täplich per Kopf. Das ist gewiß mäßig gelebt, und dennoch produciren sie nur unwillkürlich, wie eine Pflanze, wie ein Thier, durch Exkretion von unbrauchbar gewordenen Stoffen aus ihrem lebendigen Körper, und durch Anheimgeben dieses ihres Körpers, wenn er todt ist, an die Erde und Luft, d. h. sie schaffen nur noch Dünger. Auf diese letzte ganz indifferente Stufe des organischen Wesens sind sie herabgedrängt, denn daß sie sich in einander multipliciren, d. h. Kinder zeugen &#x2014; proletarii im altrömischen Wortsinne &#x2014; können wir nicht als eine ihnen und der Gesellschaft nützliche Produktion anrechnen.</p>
          <p>Setzen wir nur die Arbeitsfähigen dieser Kategorie von 10 bis 60 Jahren in Betracht; so haben wir schon 5,700,000 Personen. Setzen wir hinzu die in Kraftblüte befindlichen Soldaten zu Land und Wasser 350,000; die Steuereintreiber, gleichfalls in der Blüte der Kraft und an Zahl 70,000 Mann. Kleinbourgeoisie zählten wir oben 1 1/2 Mill., unter diesen ist der 15te Theil, wonicht mehr, mit nutzloser Arbeit in sofern beschäftigt, als sie bereits anderswo vollzogen wird, also 100,000. Fügen wir dazu, daß von 39,500 Priestern, 36000 Lehrern, 200,000 Arbeitsunternehmern, 600,000 Kleinhändlern (aus Versehen führte eine frühere Tabelle sie als &#x201E;Schwäche&#x201C; auf), und 120,000 Mitgliedern der sog. freien Prefessionen, mindestens 1/10, also 100,000 Personen beides Geschlechts, gern täglich einige Stunden lang ihre Muskelkräfte in wahrer Produktivarbeit üben würden. Setzen wir 10,000 fast ganz unbeschäftigte Dienstboten von 575,000 an, und wir finden in Summa 6,330,000 Individuen, deren Kräfte der Produktion abhanden kommen. Folglich bleiben heute nur 14 Mill. Arbeitender jedes Alters und Geschlechts; und diese arbeiten sich krank oder dumm oder todt, denn die Arbeit ist auf diese Weise weder für sie noch für die Ihrigen productiv.</p>
          <p>Und obenein ist das Produciren dieser 14 Mill. Arbeitender abscheulich erschwert; selbst verstockte Malthusdoctoren werden wohl nicht wähnen, die Arbeiter arbeiteten in möglichst erleichterten oder angenehmen Arbeitsverhältnissen, in bestmöglichen Werkstätten, mit bestmöglichen Werkzeugen, nach bestmöglicher Lehre, in bestmöglicher Gemüthsstimmung (wodurch das Produciren bekanntlich mindestens sich verdreifacht in Quantität und Qualität). Diese 14 Mill. sind meist jämmerlich gestellt, von häuslichen Sorgen geplagt, auf dem Lande selbst in Betreff ihres Handwerkszeugs schlecht bestellt. Sie produciren höchstens so viel als sieben Mill. in wahrhaft guten Arbeitsverhältnissen Arbeitende produciren würden.</p>
          <p>Und man wundert sich noch über die Misére? und man erstaunt noch über die Prasserei? diese Extreme sind untrennbar, wo das Arbeiten geschändet ist; geschändet aber ist es, so lange nicht alles aufgeboten wird, um es zu läutern, vermehren, bequemern und bereichern.</p>
          <p>Narren! die ihr euch noch wundert über Aufstände der sieben Mill. Bettler und Dürftiger gegen die 240,000 allmächtigen reichen Herren, die über Frankreich zu verfügen haben, über seine Bodenschätze und Kunstobjekte, Wissenschaft und Industrie, über seine Frauen und Mädchen, über seine Gesunden und Kranken, über seine Tugend und Verbrechen, Erziehung und Verdummung. Diese 240 tausend Männer von 21 bis 80 Jahren (wir streichen von den 770,000 Personen der reichen Kategorie zuerst die Hälfte, die weiblichen Individuen; dann <gap reason="illegible"/>/<gap reason="illegible"/>, die Kinder beides Geschlechts unter 9 Jahren; endlich 1/5, die Knaben und Mädchen von 9 bis 20 Jahren) verhöhnen täglich das sog. christliche Ehegesetz des Code, das monogamische, zusammengesetzt aus Monandrie und Monogynie; diese 240 tausend Halbgötter führen Polygynie und Polyandrie ein, und wohlgemerkt, nicht wie etwa in Tibet und in den muhamedanischen Staaten, nein, das wäre ja auch ein Band; sie üben Promiscuität, Polygamie ad libitum und &#x201E;gegen baar&#x201C;, so zu sagen die Prostitution à l'ordre du jour und in infinitum.</p>
          <p>Diese 240 Tausend sind lauter Moralisten, Heuler, Herrgottsfürchtige, nach Gerechtigkeit Dürstende; mit einem Theil ihrer Wucherzinsen werden alle volksbethörende Bücher dieser Gattung in die Welt gesetzt. Ihren Bankaktien allein sprudelt unser edelster Wein; von ihren Eisenbahnpapieren werden unsre schönsten Schwestern zu Bajaderen; mit ihren Staatsschuldcoupons heucheln sie sich weise und brav, angenehm und wichtig. &#x2014; Die französische Gesellschaft ist mithin schuldig, primo: die Kraft eines Drittels ihrer validen Arbeiter zu verschleudern; secondo: nicht begriffen zu haben, wie die Kraft von fünf andern Mill. Arbeitern zu benutzen wäre (nämlich Kinder beides Geschlechts von 6 bis 9 Jahren 2,000,000; junge Mädchen von 9 bis 16 Jahren 2,300,000; sechszigjährige Personen 700,000), wodurch jedenfalls, wenn auch keine große Produktion, doch eine sehr schätzbare Aushülfe entstände; tertio: ist sie schuldig sich nicht um die wissenschaftliche Synthese der menschlichen und der Naturkraft im mindesten bisheran gekümmert zu haben.</p>
          <p>In der That, was kümmert das Sankt Malthus? &#x2014;</p>
          <p>Werfen wir einen Blick auf das Inventarium Frankreichs, so finden wir daß, soweit die sorgfältigen Tabellen uns dazu Vorarbeiten lieferten, die Nahrung des Soldaten und Matrosen schlecht ist. Sind Nahrungskrankheiten nicht an der Tagesordnung bei ihm, so kommt das blos von der Tugendkraft seines Organismus, und von etwaigen Zuschüssen, die von den Eltern der Hälfte des Heeres zufließen, und eine uralte Erfahrung ist, daß Frankreichs Krieger diese Personalzuschüsse jedesmal unter sich auf gut kommunistisch vertheilen. Die Matrosen leiden desto mehr an der übeln Krankheit, die man Bulimie oder Heißhunger nennt und die Schiffsärzte müssen oft genug mit Doppelrationen Brod und Zwieback helfen. Da um die Nahrung sich die animalische Welt dreht, verweilen wir dabei einen Augenblick: Wir theilen die pflanzliche Nahrung in <hi rendition="#g">Cerealien</hi> (Getreide schlechthin) und in <hi rendition="#g">Halbcerealien</hi> (Buchweizen, Salep, Sago), in <hi rendition="#g">Mehlgemüse</hi> (Bohnen, Erbsen, Kartoffeln) und <hi rendition="#g">Mehlfrüchte</hi> (Kastanien). Zwischen 1815 und 1835 war eine Weizenernte schlecht, die nur 50 Mill. Hectoliter gab; gut, wenn sie 70 à 80. Jede Kartoffelernte war schlecht, wenn sie nicht 25 Mill. Hetoliter überwog; gut, wenn sie 70 überstieg.</p>
          <p>Im Jahre 1835, von der Ernte bis zu der entsprechenden Epoche des folgenden Jahres, waren 51 Mill. Hektoliter Weizen, 24 Mill. Hektoliter Roggen, 18 Mill. Hektoliter Gerste und Méteil (Weizen und Roggen gemischt) von den Bewohnern aufgezehrt worden. Und mit dieser Tabelle stimmt der deutsche Statistiker Rheden, was Weizen und Roggen betrifft, ziemlich überein; er rechnet 60 à 62 Mill. Hektoliter Weizen, und so hoch steigt wirklich obige Summe durch Addition des eingeführten Getreides. Beiläufig bemerkt rechnet Dieterici auf jeden preußischen Magen 1/3 weniger Cereal als auf den französischen.</p>
          <p>Resultat ferneren Tabellenvergleichens ist nun, daß unser Land jährlich im Ganzen 100-104 Mill. Hektoliter, oder drei Hektoliter per Person, von allen Cerealien zusammen, braucht. Die Konsumtion des Weizens rechnen wir dabei auf 70 Mill. Hektoliter, oder per Person 150 Kilogr. oder 300 Pfund.</p>
          <p>Seit zwölf Jahren haben wir für 258 Mill. Franken fremde Cerealien einführen müssen, und nur für 91 Mill. ausgeführt.</p>
          <p>Wir erinnern aber an Lagrange's Wort:</p>
          <p>&#x201E;Der Mensch bedarf eine bestimmte Masse Nahrung, gleichsam Ballast im Schiff des Organismus. Dieser Ballast muß gebührend zusammengesetzt sein, in den richtigen Proportionen aus Getreide und Fleisch, oder den Surrogaten beider. In dieser Proportion zeigt sich das Wohlergehen der Nation; die Nahrung ist seine Basis. Um das Wohlergehen, die Gesundheit der französischen Nation zu erhöhen, muß man die Konsumtion des Fleisches, selbst auf Kosten der des Getreides, vermehren.&#x201C;</p>
          <p>Bürger Vasbenter vom Proudhon'schen &#x201E;Le Peuple&#x201C;, ist von der Jury freigesprochen, und Bürger Bernard, der Kluborganisator, den par défaut das korrektionelle Gericht zu fünf Jahren und 6000 Fr. verdammt hatte, erhielt statt dessen jetzt vor den Assisen nur einen Monat und 100 Fr. Buße. Also lange Nase und tiefer Kummer der Volksfeinde; &#x201E;I'Union monarchique&#x201C; verlangt Schließung aller Klubs, wo nicht, so wolle sie, die legitimistische alte Spitzbübin, den Bonaparte im Stich lassen. Sie läßt sich heute aus Berlin schreiben: &#x201E;nicht weniger als 163 Mitglieder der Nationalversammlung werden in diesem Augenblick wegen Steuerverweigerung arretirt, was wegen des aus diesem Insubordinationsakt entspringenden gefährlichen Beispiels durchaus nothwendig ist.&#x201C; Das jesuitische &#x201E;Univers&#x201C; vergießt Freudenzähren über des calvinistischen Guizot's neuestes Broschürli: De la Démocratie en France. Man höre nur wie trübselig Guizot und &#x201E;Univers&#x201C; heute harmoniren: &#x201E;Die Sozialrepublik, sagt der Exminister Louis Philipps, erblickt in den Sterblichen nur isolirte, einen Tag währende Individuen, die auf dem Theater des Lebens erscheinen, um der Subsistenz und des Genusses theilhaft zu werden, ein Jeglicher für seine eigene Rechnung und sonder höheres Ziel. Das ist ja eben das Loos der Thiere. In den Augen der Doktoren von der sozialen Republik ist Gott nur noch ein Wesen der Einbildung, eine unbekannte Macht, welche von den wirklichen irdischen Staatsmächten nur als ein Abflußmittel für ihre eigene Verantwortlichkeit benutzt wird. Gott muß also das Böse sein, nach der Ansicht jener Sozialphilosophen, denn nur durch seine Hypothese fühlen die Völker sich bewogen, das Uebel sich gefallen zu lassen, das ihnen Seitens der Herrscher zukommt. Solcherweise werden die Menschen, auf das Erdenleben allein angewiesen, und ihren irdischen Gebietern allein gegenüber, schlechterdings die gleiche Vertheilung des Erdengenusses fordern. <hi rendition="#g">Und von der Stunde ab wo die, welchen es fehlt, es fordern, werden sie es haben, denn sie sind die Stärkern</hi>. Gott und Menschheit schwinden mithin.&#x201C; Freuen wir uns des calvinistischen Geständnisses: &#x201E;denn sie sind die Stärkern.&#x201C; Freuen wir uns auch des folgenden jesuitischen: &#x201E;möge die legitimistische Partei mit der des 1830ger Julithrones sich befehden, sich schwächen, immerhin, sie können sich nimmer vernichten, ausschließen; im Gegentheil, beide haben <hi rendition="#g">nur allzusehr ihre beiderseitigen Kräfte allesammt nöthig,</hi> um diese Demokratie im Zaum zu halten mit der sie nunmehr zu thun haben.&#x201C; Guizot gesteht seinen unter Louis Philipp dem Jesuitenthum geleisteten Vorschub ein und verspricht das Ding noch besser zu machen, wenn er wieder près de la nécessité d'agir (nahe am Handeln) sein werde.</p>
          <p>Die Polizei verhaftete gestern den Präsidenten des Klub St. Antoine, auch einen Korporal, der dabei war; Letzterer ward wieder freigelassen. Die Polizeisergeanten alten Styls werden, als &#x201E;unerläßliche Diener der Ordnung&#x201C;, selbst mit ihrem alten scheußlichen Kostüme vom Corsaire wieder herbeigefleht, da die jetzigen pariser Gardens &#x201E;meist demagogisirt&#x201C; seien. &#x201E;L'Union't proponirt, allabendlich die Präsidenten der Klubs per Manda. zu arretiren, das werde endlich den Leuten den Spaß verderben, &#x2014; So weit wären wir also.</p>
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          <head><bibl><author>12</author></bibl> Paris, 13. Jan.</head>
          <p>Die Auflösung der Kammer &#x2014; das ist die große Frage, welche der Kammer selbst zur Lösung vorliegt. Die Kammer soll über ihr eigenes Sicksal entschieden &#x2014; sie soll ein Urtheil des Todes oder des Lebens über sich selbst ergehen lassen. Skandal, Verunglimpfungen, Schmähungen und Drohungen &#x2014; kurz der ganze Hergang, mit dem zwei streitende Parteien aus dem Volke ihren Faustkampf einleiten, fehlte auch dieses Mal nicht. Der Antrag des Hrn. Rateau fixirt auf den 4. März die allgemeinen Wahlen, und auf den 19. desselben Monats die Zusammenberufung der neuen legislativen Kammer.</p>
          <p>Das Comite, welchem dieser Antrag zur Prüfung überwiesen war, hatte auf die Verwerfung desselben geschlossen. Die jetzige Kammer beschließt die Inbetrachtziehung des Rateauschen Antrages mit einer Majorität von einer <hi rendition="#g">einzigen</hi> Stimme!</p>
          <p>Satan ist im Bunde mit der ganzen offiziellen Regierung, ob sie Cavaignac, Napoleon oder Barrot heiße, und spielt ihnen die drolligsten, die unerwartetsten Streiche!</p>
          <p>Gehen wir zunächst auf die Bedeutung dieses Antrags ein. Was die Kammer beschlossen hat, ist weiter nichts als eine Inbetrachtziehung, d. h. ehe dieser Antrag ein Dekret werden kann, muß er zunächst durch eine Kommission passiren, die ihren Bericht darüber abstattet. Während dieser Zeit hat die Kammer immer noch zu leben, abgesehen von allen Vor-, Zwischen- und sonstigen Anfällen, von welcher Seite sie auch kommen mögen. Dann erst beginnt die Diskussion darüber <hi rendition="#g">in</hi> der Kammer selbst und der Antrag wird erst Gesetz, nach 3 Berathungen, von 5 zu 5 Tagen, im Einklange mit dem Dekrete, welches die Kammer neulich votirt hat. Und die ganze Zeit über ist die Kammer immer noch am Leben, so wie Napoleon und Barrot, und in der Voraussetzung des Lebens so vieler Personen, in der Unterstellung, daß die Auflösung eines Gemisches von Napoleon z. B., das allein auf physischem Wege, allein durch Adhäsion zusammengekommen, nicht eher von Statten gehen wird &#x2014; in der Voraussetzung, sage ich, daß ein tolerirtes Ministerium wie Barrot so lange Stich halten, und daß die Kammer selbst so lange zusammen halten wird, in der Voraussetzung also, daß die aufgelöseste aller offiziellen Gesellschaften sich nicht eher auflösen wird, faßt die Kammer einen Beschluß über die nahe oder ferne Auflösung ihrer selbst!</p>
          <p>Peter Napoleon hat gegen Louis Napoleon, hat für das Fortbestehen der Kammer gesprochen. Das ist Nebensache für uns. Die Hauptsache ist: Montalembert und Odilon-Barrot sind für die Auflösung: ein Legitimist und ein ehemaliger Orleanist wollen neue Wahlen und eine neue Kammer, und Billault beschuldigt Beide, einen moralischen 15. Mai gegen die Kammer zu beabsichtigen. Am 15. Mai vorigen Jahres hat das Volk die Bourgeoiskammer gesprengt: sie kam wieder zusammen und rächte sich am Volke durch die Junitage; fortan glaubte sie sich fest konstituirt; sie will sich in Cavaignac inkorporiren; das Volk sprengt sie abermals, indem es ihr einen feindlichen Präsidenten aufdringt. Durch die Wahl Napoleon's hat das Volk die Kammer moralisch vernichtet; es hat seinen 15. Mai moralisch vollbracht. Jetzt steht die Kammer auf und beklagt sich, daß man <hi rendition="#g">sie</hi> moralisch vernichten wolle, und wen klagt die Kammer an? Ihre eigenen Minister, und wer sind die Minister? Mitglieder der Kammer, unterstützt von einem großen Theile der Legitimisten und Orleanisten. Also die Partei des National, die am 15. Mai vom Volke angegriffen, am 10. Dezbr. vom Volke vernichtet worden ist, sieht erst ein, daß man sie &#x201E;moralisch&#x201C; vernichten will, nachdem sie bereits vernichtet ist, erkennt erst die ersten Schläge, nachdem sie von der ganz entgegengesetzten Partei gekommen.</p>
          <p>Nach Montalembert zerfällt die Kammer in drei Fraktionen; die erste Fraktion will die Auflösung der Kammer, weil sie gewiß ist, wieder einzutreten; die zweite will sie nicht, weil sie bange ist daß sie nicht wieder eintreten möchte; die dritte Fraktion habe keinen bestimmten Entschluß. Sie glaube sich nicht durch ihre frühern Dekrete gebunden, da ja der konstituirenden Kammer das Recht zustände, zu binden und zu entbinden. Nach dieser Einleitung und nach Erledigung der Rechtsfrage kommt der Jesuit Montalembert auf die Frage der Delikatesse zu sprechen. Die Kammer brauche auch deshalb noch nicht auseinanderzugehen, weil sie durch die Wahl Napoleon's zum Präsidenten sich in einer falschen Stellung dem Lande gegenüber befände. Sie habe sich ja vollkommen mit dem Präsidenten ausgesöhnt und unter der Republik habe die Kunst der politischen Bekehrungen ungemein zugenommen. (Und Montalembert ist der Vertheidiger Barrots!) Montalembert hat sich nicht bekehrt, er ist Jesuit und zählt sich zu der Fraktion, welche zurückkommen wird. Was bedeutet nach ihm die Wahl Napoleon's? ein courant d'opinion's, ein ungeheurer Windzug zur &#x201E;Ordnung&#x201C;. Und was ist diese Ordnung? Henri V. In einem Punkte hat Montalembert Recht. Das courant ist noch nicht zu Ende, das Volk will immer ein Anderswerden, eine Veränderung und fühlt, daß es das Rechte immer nicht hat. Ob dieses Volkslaune oder Volkswille sei, ist gleichgültig, das Volk darf sein eigener Arzt sein. Es erhebt Zweifel gegen die Versammlung, gegen seinen Arzt? Um diesen Zweifel als grundlos darzustellen, sei nichts einfacher als neue Wahlen!</p>
          <p>Billault zog aus den Argumenten des Herrn Montalembert, des Vertheiders Odilon-Barrot's, die schärfsten Angriffe auf Odilon-Barrot, und sprach für das Fortbestehn der Kammer. Die Rolle Odilon-Barrot's war die mißlichste, die man sich denken kann: er mußte sich gegen die zu heiße Vertheidigung Montalembert's vertheidigen; er mußte auftreten gegen seine eigenen Freunde, und alle Freunde wie Feinde sind einverstanden darüber, daß Odilon-Barrot nie tiefer gefallen ist. Man denke sich einen olympischen Kopf, der eingesteht, daß er den Schnupfen hat! Seine superben Gesten, seine sonore Stimme, seine ganze Rhetorik ist an diesem Uebel gescheitert! Das Ministerium hat, wie gesagt, gesiegt mit <hi rendition="#g">einer</hi> Stimme Majorität. Der Antrag Rateau's wird also einer Kommission vorgelegt werden. Was kann das Leben der Kammer sein, während der Zeit, wo über ihr Leben diskutirt wird? Wir sagen es offen: Ein 15. Mai kann allein die Kammer noch retten vor ihren Feinden! Ihre Feinde sind eben, wie sie wähnt, Barrot und Napoleon. Die Barrot's und Napoleon's aber sind nicht außerhalb sondern innerhalb der Kammer. Der Sturz der Kammer von außen behütet sie vor der Gefahr, die ihr von ihren innern Feinden droht.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar196_026" type="jArticle">
          <head>Paris, 13. Jan.</head>
          <p>Die National-Versammlung hat gestern Abend 8 Uhr mit 404 gegen 401 Stimmen entschieden, daß sie den Rateau'schen Antrag in Betracht zieht. Bei dem gestrigen Votum sind einige Irrthümer vorgefallen. Es hatten nämlich mehrere Deputirte blau und weiß, d. h. mit blauen und weißen Zetteln zugleich gestimmt, wodurch eine Aenderung in den Zahlen eintreten dürfte. Wie dem auch sei, das Prinzip der Auflösung ist ausgesprochen und Herr Odilon Barrot kann auf seinen Lorbeeren ausruhen. Sie können sich den Jubel der antirepublikanischen Blätter leicht vorstellen. Von den Debats bis zur giftigen Opinion herab blähen sie sich mit dem Stimmresultat und ahnen nicht, wie leicht der nächste Sturm alle ihre Hoffnungen auf &#x201E;Restauration&#x201C; zerstören könnte. Die reaktionären Journale ereifern sich gewaltig gegen Peter Bonaparte (Sohn des alten Lucian), weil er die Anhänger des Rateau'schen Antrages <hi rendition="#g">Faktiosen</hi> und <hi rendition="#g">Rebellen</hi> genannt hat.</p>
          <p>&#x2014; Im Augenblick, wo Hr. Barrot in der National-Versammlung Mäßigung und Vertrauen predigte, ließ sein Staatsanwalt zwei Journale &#x201E;Le Peuple&#x201C; und die &#x201E;Gazette de France&#x201C; in ihren Bureaus und auf der Post wegnehmen.</p>
          <p>&#x2014; Eine Ordonnanz des Finanzministers setzt die Abgaben auf Austern und Seefische herab.</p>
          <p>&#x2014; Die Bäckergesellen-Excesse haben sich gestern in der Rue Sartine (nächst der großen Mehlhalle bei der Post) erneuert. Etwa 150 Gesellen wollten ein dort gelegenes Placements-Büreau stürmen und zertrümmern, als ein Polizeikommissarius mit starker Bedeckung den Haufen umzingelte und gefangen nehmen ließ.</p>
          <p>Die Worte, wobei der Tumult am stärksten losbrach, waren ungefähr folgende: &#x201E;Zwei Monate sind verflossen seit Proklamation der Verfassung, zwei Monate sind verflossen, seitdem Sie die wichtige Pflicht fühlten, noch die organischen Gesetze zu ihrem Verfassungswerke hinzuzufügen: ich frage Sie, welches ist das organische Gesetz, das Sie votirt? (Tumult, den endlich Marrast beherrscht und im Namen der Versammlung erklärt: daß sie das rektifizirte Büdget votirt, eine Menge nöthiger Gesetze votirt und mehrere schwierige Commissionen gebildet habe. Sie sei täglich vier bis fünf Stunden beschäftigt gewesen) Alem Rousseau zu Barrot: Sie setzen die Nationalversammlung in Anklagestand! E&#x2025;&#x2026;</p>
          <p>Barrot: Ich habe gesagt, entschuldigen Sie die Freimüthigkeit meiner Gedanken, ich sage, statt sich ausschließlich mit der Vervollständigung des Verfassungsgebäudes zu beschäftigen &#x2025;&#x2026; sind Sie viel mehr mit dem Gouvernement präokkupirt, d. h. mit dem, was außerhalb der Legislation und Ihrer konstituirenden Mission liegt. (Nicht wahr! Nicht wahr! Heftiger Sturm). Ich spreche diese Worte im Angesichte des Landes und das Land wird uns richten (Tumult). Ich sage, wenn eine derartige Disposition der Geister fortdauert, so ist es unmöglich &#x2025;&#x2026;</p>
          <p>Potalis (vom Juni her bekannt): Machen Sie sich fort. (Dieser Zuruf erregte den stärksten Lärm.) Barrot sprach nur noch kurze Zeit und Portalis wurde zur Ordnung gerufen.</p>
          <p>Kurz vor der Abstimmung erhielt Portalis noch das Wort zu seiner Rechtfertigung. Er sagte maliziös: &#x201E;Bürger! Ich bin zur Ordnung gerufen worden. Ich muß mich erklären. Ich nehme diesen Ordnungsruf an; aber er hätte den Redner treffen sollen, dem ich folge.&#x201C; (Moniteur.)</p>
          <p>&#x2014; Die heutige Sitzung der Nationalversammlung entschied, eine Kommission niederzusetzen, um den Rateau'schen Antrag zu prüfen.</p>
          <p>&#x2014; Lacambre und Barthelemy, zwei Leiter der Junirevolution, von denen Letzterer vorgestern durch die Kriegsgerichte zu lebenslänglicher Galeerenstrafe verurtheilt wurde und Ersterem wahr- <ref type="link_fsg">[Fortsetzung]</ref>                </p>
          <p>
            <ref type="link">Hierzu eine Beilage.</ref>
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</TEI>
[1066/0004] Unterdrückung der Revolution in ganz Italien durch beide Mächte vermöglicht sein werde. Wir unsrerseits wünschen diesem diplomatischen Hokus-Pokus die allerlängste Dauer. 068 Rom, 4. Januar. Die Lage der Dinge ist durch die Unentschiedenheit derer, welche die Revolution in die Hand genommen haben, allerdings eine schwierige und verwickelte geworden, und läßt noch manche Wechsel voraussehen. Der neueste der bereits stattgehabten ist der Rücktritt der Giunta, deren Mitglieder allerdings zu wenig Energie für ihre Aufgabe besaßen und in denen das revolutionäre Rom somit wenig verliert. — Seit gestern ist der dritte Protest des Pabstes hier angekommen. 68 Turin, 8. Januar. Radetzki soll einem hier cirkulirenden Gerüchte zufolge einen Tagesbefehl erlassen haben, worin er die Wiederaufnahme der Feindseligkeiten als nahe bevorstehend ankündigt und nach zwei Schlachten an der Spitze der Kroaten in Turin einzuziehen verspricht. Auch Venedig sollte angegriffen werden. Französische Republik. 17 Paris, 12. Jan. Es ist klar, daß die Arbeiten der Bettler und der Dürftigen fast null sind; und da dieser Unglücklichen sieben Millionen und eine halbe sich in unsrem Lande umherstoßen, so geht von vorn herein die Kraft von 7 1/2 Mill. Menschen in Rauch auf. Sie konsumiren sehr mäßig, tagelang zuweilen gar nichts, d. h. sie hungern und schmachten, aber trotz dem produciren sie noch weniger als sie konsumiren. Sie konsumiren immer hin: 547 Mill. jährlich, oder 1 1/2 Mill. täglich, oder zwanzig Centimen (vier Sous, noch nicht zwei Silbergroschen) täplich per Kopf. Das ist gewiß mäßig gelebt, und dennoch produciren sie nur unwillkürlich, wie eine Pflanze, wie ein Thier, durch Exkretion von unbrauchbar gewordenen Stoffen aus ihrem lebendigen Körper, und durch Anheimgeben dieses ihres Körpers, wenn er todt ist, an die Erde und Luft, d. h. sie schaffen nur noch Dünger. Auf diese letzte ganz indifferente Stufe des organischen Wesens sind sie herabgedrängt, denn daß sie sich in einander multipliciren, d. h. Kinder zeugen — proletarii im altrömischen Wortsinne — können wir nicht als eine ihnen und der Gesellschaft nützliche Produktion anrechnen. Setzen wir nur die Arbeitsfähigen dieser Kategorie von 10 bis 60 Jahren in Betracht; so haben wir schon 5,700,000 Personen. Setzen wir hinzu die in Kraftblüte befindlichen Soldaten zu Land und Wasser 350,000; die Steuereintreiber, gleichfalls in der Blüte der Kraft und an Zahl 70,000 Mann. Kleinbourgeoisie zählten wir oben 1 1/2 Mill., unter diesen ist der 15te Theil, wonicht mehr, mit nutzloser Arbeit in sofern beschäftigt, als sie bereits anderswo vollzogen wird, also 100,000. Fügen wir dazu, daß von 39,500 Priestern, 36000 Lehrern, 200,000 Arbeitsunternehmern, 600,000 Kleinhändlern (aus Versehen führte eine frühere Tabelle sie als „Schwäche“ auf), und 120,000 Mitgliedern der sog. freien Prefessionen, mindestens 1/10, also 100,000 Personen beides Geschlechts, gern täglich einige Stunden lang ihre Muskelkräfte in wahrer Produktivarbeit üben würden. Setzen wir 10,000 fast ganz unbeschäftigte Dienstboten von 575,000 an, und wir finden in Summa 6,330,000 Individuen, deren Kräfte der Produktion abhanden kommen. Folglich bleiben heute nur 14 Mill. Arbeitender jedes Alters und Geschlechts; und diese arbeiten sich krank oder dumm oder todt, denn die Arbeit ist auf diese Weise weder für sie noch für die Ihrigen productiv. Und obenein ist das Produciren dieser 14 Mill. Arbeitender abscheulich erschwert; selbst verstockte Malthusdoctoren werden wohl nicht wähnen, die Arbeiter arbeiteten in möglichst erleichterten oder angenehmen Arbeitsverhältnissen, in bestmöglichen Werkstätten, mit bestmöglichen Werkzeugen, nach bestmöglicher Lehre, in bestmöglicher Gemüthsstimmung (wodurch das Produciren bekanntlich mindestens sich verdreifacht in Quantität und Qualität). Diese 14 Mill. sind meist jämmerlich gestellt, von häuslichen Sorgen geplagt, auf dem Lande selbst in Betreff ihres Handwerkszeugs schlecht bestellt. Sie produciren höchstens so viel als sieben Mill. in wahrhaft guten Arbeitsverhältnissen Arbeitende produciren würden. Und man wundert sich noch über die Misére? und man erstaunt noch über die Prasserei? diese Extreme sind untrennbar, wo das Arbeiten geschändet ist; geschändet aber ist es, so lange nicht alles aufgeboten wird, um es zu läutern, vermehren, bequemern und bereichern. Narren! die ihr euch noch wundert über Aufstände der sieben Mill. Bettler und Dürftiger gegen die 240,000 allmächtigen reichen Herren, die über Frankreich zu verfügen haben, über seine Bodenschätze und Kunstobjekte, Wissenschaft und Industrie, über seine Frauen und Mädchen, über seine Gesunden und Kranken, über seine Tugend und Verbrechen, Erziehung und Verdummung. Diese 240 tausend Männer von 21 bis 80 Jahren (wir streichen von den 770,000 Personen der reichen Kategorie zuerst die Hälfte, die weiblichen Individuen; dann _ /_ , die Kinder beides Geschlechts unter 9 Jahren; endlich 1/5, die Knaben und Mädchen von 9 bis 20 Jahren) verhöhnen täglich das sog. christliche Ehegesetz des Code, das monogamische, zusammengesetzt aus Monandrie und Monogynie; diese 240 tausend Halbgötter führen Polygynie und Polyandrie ein, und wohlgemerkt, nicht wie etwa in Tibet und in den muhamedanischen Staaten, nein, das wäre ja auch ein Band; sie üben Promiscuität, Polygamie ad libitum und „gegen baar“, so zu sagen die Prostitution à l'ordre du jour und in infinitum. Diese 240 Tausend sind lauter Moralisten, Heuler, Herrgottsfürchtige, nach Gerechtigkeit Dürstende; mit einem Theil ihrer Wucherzinsen werden alle volksbethörende Bücher dieser Gattung in die Welt gesetzt. Ihren Bankaktien allein sprudelt unser edelster Wein; von ihren Eisenbahnpapieren werden unsre schönsten Schwestern zu Bajaderen; mit ihren Staatsschuldcoupons heucheln sie sich weise und brav, angenehm und wichtig. — Die französische Gesellschaft ist mithin schuldig, primo: die Kraft eines Drittels ihrer validen Arbeiter zu verschleudern; secondo: nicht begriffen zu haben, wie die Kraft von fünf andern Mill. Arbeitern zu benutzen wäre (nämlich Kinder beides Geschlechts von 6 bis 9 Jahren 2,000,000; junge Mädchen von 9 bis 16 Jahren 2,300,000; sechszigjährige Personen 700,000), wodurch jedenfalls, wenn auch keine große Produktion, doch eine sehr schätzbare Aushülfe entstände; tertio: ist sie schuldig sich nicht um die wissenschaftliche Synthese der menschlichen und der Naturkraft im mindesten bisheran gekümmert zu haben. In der That, was kümmert das Sankt Malthus? — Werfen wir einen Blick auf das Inventarium Frankreichs, so finden wir daß, soweit die sorgfältigen Tabellen uns dazu Vorarbeiten lieferten, die Nahrung des Soldaten und Matrosen schlecht ist. Sind Nahrungskrankheiten nicht an der Tagesordnung bei ihm, so kommt das blos von der Tugendkraft seines Organismus, und von etwaigen Zuschüssen, die von den Eltern der Hälfte des Heeres zufließen, und eine uralte Erfahrung ist, daß Frankreichs Krieger diese Personalzuschüsse jedesmal unter sich auf gut kommunistisch vertheilen. Die Matrosen leiden desto mehr an der übeln Krankheit, die man Bulimie oder Heißhunger nennt und die Schiffsärzte müssen oft genug mit Doppelrationen Brod und Zwieback helfen. Da um die Nahrung sich die animalische Welt dreht, verweilen wir dabei einen Augenblick: Wir theilen die pflanzliche Nahrung in Cerealien (Getreide schlechthin) und in Halbcerealien (Buchweizen, Salep, Sago), in Mehlgemüse (Bohnen, Erbsen, Kartoffeln) und Mehlfrüchte (Kastanien). Zwischen 1815 und 1835 war eine Weizenernte schlecht, die nur 50 Mill. Hectoliter gab; gut, wenn sie 70 à 80. Jede Kartoffelernte war schlecht, wenn sie nicht 25 Mill. Hetoliter überwog; gut, wenn sie 70 überstieg. Im Jahre 1835, von der Ernte bis zu der entsprechenden Epoche des folgenden Jahres, waren 51 Mill. Hektoliter Weizen, 24 Mill. Hektoliter Roggen, 18 Mill. Hektoliter Gerste und Méteil (Weizen und Roggen gemischt) von den Bewohnern aufgezehrt worden. Und mit dieser Tabelle stimmt der deutsche Statistiker Rheden, was Weizen und Roggen betrifft, ziemlich überein; er rechnet 60 à 62 Mill. Hektoliter Weizen, und so hoch steigt wirklich obige Summe durch Addition des eingeführten Getreides. Beiläufig bemerkt rechnet Dieterici auf jeden preußischen Magen 1/3 weniger Cereal als auf den französischen. Resultat ferneren Tabellenvergleichens ist nun, daß unser Land jährlich im Ganzen 100-104 Mill. Hektoliter, oder drei Hektoliter per Person, von allen Cerealien zusammen, braucht. Die Konsumtion des Weizens rechnen wir dabei auf 70 Mill. Hektoliter, oder per Person 150 Kilogr. oder 300 Pfund. Seit zwölf Jahren haben wir für 258 Mill. Franken fremde Cerealien einführen müssen, und nur für 91 Mill. ausgeführt. Wir erinnern aber an Lagrange's Wort: „Der Mensch bedarf eine bestimmte Masse Nahrung, gleichsam Ballast im Schiff des Organismus. Dieser Ballast muß gebührend zusammengesetzt sein, in den richtigen Proportionen aus Getreide und Fleisch, oder den Surrogaten beider. In dieser Proportion zeigt sich das Wohlergehen der Nation; die Nahrung ist seine Basis. Um das Wohlergehen, die Gesundheit der französischen Nation zu erhöhen, muß man die Konsumtion des Fleisches, selbst auf Kosten der des Getreides, vermehren.“ Bürger Vasbenter vom Proudhon'schen „Le Peuple“, ist von der Jury freigesprochen, und Bürger Bernard, der Kluborganisator, den par défaut das korrektionelle Gericht zu fünf Jahren und 6000 Fr. verdammt hatte, erhielt statt dessen jetzt vor den Assisen nur einen Monat und 100 Fr. Buße. Also lange Nase und tiefer Kummer der Volksfeinde; „I'Union monarchique“ verlangt Schließung aller Klubs, wo nicht, so wolle sie, die legitimistische alte Spitzbübin, den Bonaparte im Stich lassen. Sie läßt sich heute aus Berlin schreiben: „nicht weniger als 163 Mitglieder der Nationalversammlung werden in diesem Augenblick wegen Steuerverweigerung arretirt, was wegen des aus diesem Insubordinationsakt entspringenden gefährlichen Beispiels durchaus nothwendig ist.“ Das jesuitische „Univers“ vergießt Freudenzähren über des calvinistischen Guizot's neuestes Broschürli: De la Démocratie en France. Man höre nur wie trübselig Guizot und „Univers“ heute harmoniren: „Die Sozialrepublik, sagt der Exminister Louis Philipps, erblickt in den Sterblichen nur isolirte, einen Tag währende Individuen, die auf dem Theater des Lebens erscheinen, um der Subsistenz und des Genusses theilhaft zu werden, ein Jeglicher für seine eigene Rechnung und sonder höheres Ziel. Das ist ja eben das Loos der Thiere. In den Augen der Doktoren von der sozialen Republik ist Gott nur noch ein Wesen der Einbildung, eine unbekannte Macht, welche von den wirklichen irdischen Staatsmächten nur als ein Abflußmittel für ihre eigene Verantwortlichkeit benutzt wird. Gott muß also das Böse sein, nach der Ansicht jener Sozialphilosophen, denn nur durch seine Hypothese fühlen die Völker sich bewogen, das Uebel sich gefallen zu lassen, das ihnen Seitens der Herrscher zukommt. Solcherweise werden die Menschen, auf das Erdenleben allein angewiesen, und ihren irdischen Gebietern allein gegenüber, schlechterdings die gleiche Vertheilung des Erdengenusses fordern. Und von der Stunde ab wo die, welchen es fehlt, es fordern, werden sie es haben, denn sie sind die Stärkern. Gott und Menschheit schwinden mithin.“ Freuen wir uns des calvinistischen Geständnisses: „denn sie sind die Stärkern.“ Freuen wir uns auch des folgenden jesuitischen: „möge die legitimistische Partei mit der des 1830ger Julithrones sich befehden, sich schwächen, immerhin, sie können sich nimmer vernichten, ausschließen; im Gegentheil, beide haben nur allzusehr ihre beiderseitigen Kräfte allesammt nöthig, um diese Demokratie im Zaum zu halten mit der sie nunmehr zu thun haben.“ Guizot gesteht seinen unter Louis Philipp dem Jesuitenthum geleisteten Vorschub ein und verspricht das Ding noch besser zu machen, wenn er wieder près de la nécessité d'agir (nahe am Handeln) sein werde. Die Polizei verhaftete gestern den Präsidenten des Klub St. Antoine, auch einen Korporal, der dabei war; Letzterer ward wieder freigelassen. Die Polizeisergeanten alten Styls werden, als „unerläßliche Diener der Ordnung“, selbst mit ihrem alten scheußlichen Kostüme vom Corsaire wieder herbeigefleht, da die jetzigen pariser Gardens „meist demagogisirt“ seien. „L'Union't proponirt, allabendlich die Präsidenten der Klubs per Manda. zu arretiren, das werde endlich den Leuten den Spaß verderben, — So weit wären wir also. 12 Paris, 13. Jan. Die Auflösung der Kammer — das ist die große Frage, welche der Kammer selbst zur Lösung vorliegt. Die Kammer soll über ihr eigenes Sicksal entschieden — sie soll ein Urtheil des Todes oder des Lebens über sich selbst ergehen lassen. Skandal, Verunglimpfungen, Schmähungen und Drohungen — kurz der ganze Hergang, mit dem zwei streitende Parteien aus dem Volke ihren Faustkampf einleiten, fehlte auch dieses Mal nicht. Der Antrag des Hrn. Rateau fixirt auf den 4. März die allgemeinen Wahlen, und auf den 19. desselben Monats die Zusammenberufung der neuen legislativen Kammer. Das Comite, welchem dieser Antrag zur Prüfung überwiesen war, hatte auf die Verwerfung desselben geschlossen. Die jetzige Kammer beschließt die Inbetrachtziehung des Rateauschen Antrages mit einer Majorität von einer einzigen Stimme! Satan ist im Bunde mit der ganzen offiziellen Regierung, ob sie Cavaignac, Napoleon oder Barrot heiße, und spielt ihnen die drolligsten, die unerwartetsten Streiche! Gehen wir zunächst auf die Bedeutung dieses Antrags ein. Was die Kammer beschlossen hat, ist weiter nichts als eine Inbetrachtziehung, d. h. ehe dieser Antrag ein Dekret werden kann, muß er zunächst durch eine Kommission passiren, die ihren Bericht darüber abstattet. Während dieser Zeit hat die Kammer immer noch zu leben, abgesehen von allen Vor-, Zwischen- und sonstigen Anfällen, von welcher Seite sie auch kommen mögen. Dann erst beginnt die Diskussion darüber in der Kammer selbst und der Antrag wird erst Gesetz, nach 3 Berathungen, von 5 zu 5 Tagen, im Einklange mit dem Dekrete, welches die Kammer neulich votirt hat. Und die ganze Zeit über ist die Kammer immer noch am Leben, so wie Napoleon und Barrot, und in der Voraussetzung des Lebens so vieler Personen, in der Unterstellung, daß die Auflösung eines Gemisches von Napoleon z. B., das allein auf physischem Wege, allein durch Adhäsion zusammengekommen, nicht eher von Statten gehen wird — in der Voraussetzung, sage ich, daß ein tolerirtes Ministerium wie Barrot so lange Stich halten, und daß die Kammer selbst so lange zusammen halten wird, in der Voraussetzung also, daß die aufgelöseste aller offiziellen Gesellschaften sich nicht eher auflösen wird, faßt die Kammer einen Beschluß über die nahe oder ferne Auflösung ihrer selbst! Peter Napoleon hat gegen Louis Napoleon, hat für das Fortbestehen der Kammer gesprochen. Das ist Nebensache für uns. Die Hauptsache ist: Montalembert und Odilon-Barrot sind für die Auflösung: ein Legitimist und ein ehemaliger Orleanist wollen neue Wahlen und eine neue Kammer, und Billault beschuldigt Beide, einen moralischen 15. Mai gegen die Kammer zu beabsichtigen. Am 15. Mai vorigen Jahres hat das Volk die Bourgeoiskammer gesprengt: sie kam wieder zusammen und rächte sich am Volke durch die Junitage; fortan glaubte sie sich fest konstituirt; sie will sich in Cavaignac inkorporiren; das Volk sprengt sie abermals, indem es ihr einen feindlichen Präsidenten aufdringt. Durch die Wahl Napoleon's hat das Volk die Kammer moralisch vernichtet; es hat seinen 15. Mai moralisch vollbracht. Jetzt steht die Kammer auf und beklagt sich, daß man sie moralisch vernichten wolle, und wen klagt die Kammer an? Ihre eigenen Minister, und wer sind die Minister? Mitglieder der Kammer, unterstützt von einem großen Theile der Legitimisten und Orleanisten. Also die Partei des National, die am 15. Mai vom Volke angegriffen, am 10. Dezbr. vom Volke vernichtet worden ist, sieht erst ein, daß man sie „moralisch“ vernichten will, nachdem sie bereits vernichtet ist, erkennt erst die ersten Schläge, nachdem sie von der ganz entgegengesetzten Partei gekommen. Nach Montalembert zerfällt die Kammer in drei Fraktionen; die erste Fraktion will die Auflösung der Kammer, weil sie gewiß ist, wieder einzutreten; die zweite will sie nicht, weil sie bange ist daß sie nicht wieder eintreten möchte; die dritte Fraktion habe keinen bestimmten Entschluß. Sie glaube sich nicht durch ihre frühern Dekrete gebunden, da ja der konstituirenden Kammer das Recht zustände, zu binden und zu entbinden. Nach dieser Einleitung und nach Erledigung der Rechtsfrage kommt der Jesuit Montalembert auf die Frage der Delikatesse zu sprechen. Die Kammer brauche auch deshalb noch nicht auseinanderzugehen, weil sie durch die Wahl Napoleon's zum Präsidenten sich in einer falschen Stellung dem Lande gegenüber befände. Sie habe sich ja vollkommen mit dem Präsidenten ausgesöhnt und unter der Republik habe die Kunst der politischen Bekehrungen ungemein zugenommen. (Und Montalembert ist der Vertheidiger Barrots!) Montalembert hat sich nicht bekehrt, er ist Jesuit und zählt sich zu der Fraktion, welche zurückkommen wird. Was bedeutet nach ihm die Wahl Napoleon's? ein courant d'opinion's, ein ungeheurer Windzug zur „Ordnung“. Und was ist diese Ordnung? Henri V. In einem Punkte hat Montalembert Recht. Das courant ist noch nicht zu Ende, das Volk will immer ein Anderswerden, eine Veränderung und fühlt, daß es das Rechte immer nicht hat. Ob dieses Volkslaune oder Volkswille sei, ist gleichgültig, das Volk darf sein eigener Arzt sein. Es erhebt Zweifel gegen die Versammlung, gegen seinen Arzt? Um diesen Zweifel als grundlos darzustellen, sei nichts einfacher als neue Wahlen! Billault zog aus den Argumenten des Herrn Montalembert, des Vertheiders Odilon-Barrot's, die schärfsten Angriffe auf Odilon-Barrot, und sprach für das Fortbestehn der Kammer. Die Rolle Odilon-Barrot's war die mißlichste, die man sich denken kann: er mußte sich gegen die zu heiße Vertheidigung Montalembert's vertheidigen; er mußte auftreten gegen seine eigenen Freunde, und alle Freunde wie Feinde sind einverstanden darüber, daß Odilon-Barrot nie tiefer gefallen ist. Man denke sich einen olympischen Kopf, der eingesteht, daß er den Schnupfen hat! Seine superben Gesten, seine sonore Stimme, seine ganze Rhetorik ist an diesem Uebel gescheitert! Das Ministerium hat, wie gesagt, gesiegt mit einer Stimme Majorität. Der Antrag Rateau's wird also einer Kommission vorgelegt werden. Was kann das Leben der Kammer sein, während der Zeit, wo über ihr Leben diskutirt wird? Wir sagen es offen: Ein 15. Mai kann allein die Kammer noch retten vor ihren Feinden! Ihre Feinde sind eben, wie sie wähnt, Barrot und Napoleon. Die Barrot's und Napoleon's aber sind nicht außerhalb sondern innerhalb der Kammer. Der Sturz der Kammer von außen behütet sie vor der Gefahr, die ihr von ihren innern Feinden droht. Paris, 13. Jan. Die National-Versammlung hat gestern Abend 8 Uhr mit 404 gegen 401 Stimmen entschieden, daß sie den Rateau'schen Antrag in Betracht zieht. Bei dem gestrigen Votum sind einige Irrthümer vorgefallen. Es hatten nämlich mehrere Deputirte blau und weiß, d. h. mit blauen und weißen Zetteln zugleich gestimmt, wodurch eine Aenderung in den Zahlen eintreten dürfte. Wie dem auch sei, das Prinzip der Auflösung ist ausgesprochen und Herr Odilon Barrot kann auf seinen Lorbeeren ausruhen. Sie können sich den Jubel der antirepublikanischen Blätter leicht vorstellen. Von den Debats bis zur giftigen Opinion herab blähen sie sich mit dem Stimmresultat und ahnen nicht, wie leicht der nächste Sturm alle ihre Hoffnungen auf „Restauration“ zerstören könnte. Die reaktionären Journale ereifern sich gewaltig gegen Peter Bonaparte (Sohn des alten Lucian), weil er die Anhänger des Rateau'schen Antrages Faktiosen und Rebellen genannt hat. — Im Augenblick, wo Hr. Barrot in der National-Versammlung Mäßigung und Vertrauen predigte, ließ sein Staatsanwalt zwei Journale „Le Peuple“ und die „Gazette de France“ in ihren Bureaus und auf der Post wegnehmen. — Eine Ordonnanz des Finanzministers setzt die Abgaben auf Austern und Seefische herab. — Die Bäckergesellen-Excesse haben sich gestern in der Rue Sartine (nächst der großen Mehlhalle bei der Post) erneuert. Etwa 150 Gesellen wollten ein dort gelegenes Placements-Büreau stürmen und zertrümmern, als ein Polizeikommissarius mit starker Bedeckung den Haufen umzingelte und gefangen nehmen ließ. Die Worte, wobei der Tumult am stärksten losbrach, waren ungefähr folgende: „Zwei Monate sind verflossen seit Proklamation der Verfassung, zwei Monate sind verflossen, seitdem Sie die wichtige Pflicht fühlten, noch die organischen Gesetze zu ihrem Verfassungswerke hinzuzufügen: ich frage Sie, welches ist das organische Gesetz, das Sie votirt? (Tumult, den endlich Marrast beherrscht und im Namen der Versammlung erklärt: daß sie das rektifizirte Büdget votirt, eine Menge nöthiger Gesetze votirt und mehrere schwierige Commissionen gebildet habe. Sie sei täglich vier bis fünf Stunden beschäftigt gewesen) Alem Rousseau zu Barrot: Sie setzen die Nationalversammlung in Anklagestand! E‥… Barrot: Ich habe gesagt, entschuldigen Sie die Freimüthigkeit meiner Gedanken, ich sage, statt sich ausschließlich mit der Vervollständigung des Verfassungsgebäudes zu beschäftigen ‥… sind Sie viel mehr mit dem Gouvernement präokkupirt, d. h. mit dem, was außerhalb der Legislation und Ihrer konstituirenden Mission liegt. (Nicht wahr! Nicht wahr! Heftiger Sturm). Ich spreche diese Worte im Angesichte des Landes und das Land wird uns richten (Tumult). Ich sage, wenn eine derartige Disposition der Geister fortdauert, so ist es unmöglich ‥… Potalis (vom Juni her bekannt): Machen Sie sich fort. (Dieser Zuruf erregte den stärksten Lärm.) Barrot sprach nur noch kurze Zeit und Portalis wurde zur Ordnung gerufen. Kurz vor der Abstimmung erhielt Portalis noch das Wort zu seiner Rechtfertigung. Er sagte maliziös: „Bürger! Ich bin zur Ordnung gerufen worden. Ich muß mich erklären. Ich nehme diesen Ordnungsruf an; aber er hätte den Redner treffen sollen, dem ich folge.“ (Moniteur.) — Die heutige Sitzung der Nationalversammlung entschied, eine Kommission niederzusetzen, um den Rateau'schen Antrag zu prüfen. — Lacambre und Barthelemy, zwei Leiter der Junirevolution, von denen Letzterer vorgestern durch die Kriegsgerichte zu lebenslänglicher Galeerenstrafe verurtheilt wurde und Ersterem wahr- [Fortsetzung] Hierzu eine Beilage.

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Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 2 (Nummer 184 bis Nummer 301) Köln, 1. Januar 1849 bis 19. Mai 1849. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




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Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 196. Köln, 16. Januar 1849, S. 1066. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz196_1849/4>, abgerufen am 21.11.2024.