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Neue Rheinische Zeitung. Nr. 195. Köln, 14. Januar 1849. Zweite Ausgabe.

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Neue Rheinische Zeitung
Organ der Demokratie.
No 195. Köln, Sonntag den 14. Januar. 1849.

Bestellungen auf die "Neue Rheinische Zeitung" für das jetzige Quartal, Januar bis März 1849, wolle man baldigst machen und zwar in Köln bei der Expedition der Zeitung (unter Hutmacher Nr. 17), auswärts bei allen Postanstalten Deutschlands.

Für Frankreich übernimmt Abonnements Herr A. Havas, Nr. 3 Rue Jean Jacques Rousseau in Paris und das königl. Oberpostamt in Aachen, für Holland und Belgien: die belgischen Briefpostämter, für Großbritannien: Mr. Thomas, Catherine-Street, Strand in London und das belgische Briefpostamt in Ostende.

Durch den Wegfall des Stempels wird der Abonnementspreis ermäßigt und beträgt von jetzt ab für Köln nur 1 Thlr. 7 Sgr. 6 Pf., bei allen preußischen Postanstalten, (das Porto einbegriffen) nur 1 Thlr. 17 Sgr. vierteljährlich; für Abonnenten im übrigen Deutschland tritt ein verhältnißmäßiger Postaufschlag hinzu.

Die Redaktion bleibt unverändert.

Die bisherigen Monatsgänge der "Neuen Rheinischen Zeitung" sind ihr Programm. Durch ihre persönlichen Verbindungen mit den Chefs der demokratischen Partei in England, Frankreich, Italien, Belgien und Nordamerika ist die Redaktion in Stand gesetzt, ihren Lesern die politisch-soziale Bewegung des Auslandes richtiger und klarer abzuspiegeln, als irgend ein anderes Blatt. Die "N. Rh. Ztg." ist in dieser Beziehung nicht blos das Organ der deutschen, sondern der europäischen Demokratie.

Inserate: Die vierspaltige Petitzeile oder deren Raum 1 Sgr. 6 Pf.

Anzeigen aller Art erlangen durch die großen Verbindungen unseres Blattes eine sehr weite Verbreitung. Die Gerantur der "Neuen Rheinischen Zeitung."

Zweite Ausgabe.

Die preußische "Reichs"-Post ist abermals aus geblieben!!

Deutschland.
068 Köln, 13. Januar.

Beifolgendes Memoire Lassalle's an seinen Instruktionsrichter beeilen wir uns, unsern Lesern mitzutheilen:

Herr Instruktionsrichter!

Die neuesten Ereignisse bestimmen mich, Ihnen folgende Erklärung abzulegen und den unten artikulirten Antrag an Sie zu richten.

Ich bin beschuldigt, "durch Reden an öffentlichen Orten und Plakate die Bürger zur Bewaffnung gegen die königl. Gewalt aufge[re]izt und den Bürgerkrieg zu erregen versucht zu haben." Art. 87, 91 u. 102 des St. G. B.

Wenn es bei meiner Verhaftung noch zweifelhaft sein konnte, ob ich unter Voraussetzung der Wahrheit der Fak[t]a, welche mir die Beschuldigung zur Last legt, mich in meinem Rechte befunden habe, oder nicht, so ist durch die neuesten Ereignisse jeder nur mögliche Zweifel beseitigt, jeder gesetzlich sein wollende Vorwand zu meiner und vieler Anderer Verfolgung unmöglich gemacht.

In allen konstitutionellen Staaten ist es selbstredend nicht nur das erste Recht, sondern auch die erste Pflicht des Bürgers, mit den Waffen in der Hand für die Aufrechthaltung der Verfassung gegen jeden gewaltsamen Umsturz derselben einzustehen. Diese Pflicht ist absolut; sie ist ganz eben so vorhanden, wenn das Verbrechen des gewaltsamen Umsturzes der Verfassung von der Regierung, als wenn es vom Volke verübt wird.

Die unter einer absoluten Regierungsform entstandenen, und deshalb auch absolut hingestellten Artikel 91 und 87 des Code penal (so weit sie von der bewaffneten Auflehnung gegen die königl. Gewalt und dem Bürgerkrieg handeln) werden daher in jedem konstitutionellen Staate durch diese erste Lebensbedingung eines konstitutionellen Staates modifizirt und nie da anwendbar sein, wo der gewaltsame Umsturz der Verfassung von der Regierung selbst ausgegangen und die Bewaffnung der Bürger gegen die königl. Gewalt nur den Schutz der Verfassung zum Zweck gehabt hat. Ohne die Anerkennung dieses Grundsatzes kann kein konstitutioneller Staat bestehen, da die Regierung eine jede Verfassung bequem und ohne Gefahr konfisciren könnte, wenn die Vertheidigung derselben den Burger zum Verbrecher stempelte.

Auch in Preußen ist dies anerkannt durch das Bürgerwehrgesetz vom 17. Oktober d. J., dessen § 1 als Prinzip aufstellt: "Die Bürgerwehr hat die Bestimmung, die verfassungsmäßige Freiheit zu schützen," d. h. also natürlich auch, Herr Instruktionsrichter, da der Satz absolut und ohne Einschränkung hingestellt ist, sie gegen einen gewaltsamen Angriff der Regierung selbst zu schützen. Wie dies für die Bürgerwehr als solche eine ausdrückliche gesetzl[i]che Pflicht und Bestimmung ist, so wird es für jeden Bürger ein heiliges Recht und eine Pflicht des Patriotismus sein.

Wenn es also außer Zweifel stände, daß von der Regierung ein gewaltsamer Verfassungsumsturz beabsichtigt wurde, so ist die Bewaffnung dagegen, zu der ich provocirt haben soll, statt gegen irgend ein Strafgesetz zu verstoßen, vielmehr ein unveräußerliches Recht, die erste und heiligste Pflicht des Bürgers gewesen.

Gegenwärtig aber steht der von Seiten der königl. Gewalt beabsichtigte Umsturz der Verfassung außer Zweifel, denn er ist durch die königl. Patente vom 5. Dez. vollbracht!

Wenn Preußen bisheran noch keine vollendete Verfassung hatte, so hatte es bereits doch in aller Form sanktionirte Grundgesetze seiner Verfassung. Als solche "[G]rundgesetze" waren ausdrücklich in der Gesetzsammsammlung (p. 87) die Gesetze vom 6. April und 8. April d. J. bestimmt worden.

Der § 6 des Gesetzes vom 6. April besagte: "Den künftigen Vertretern soll jedenfalls die Zustimmung zu allen Gesetzen zustehen."

Das Gesetz vom 8. April setzte einen Wahlmodus fest und bestimmte in § 13: "Die auf Grund des gegenwärtigen Gesetzes zusammentretende Versammlung ist berufen, die kunftige Staatsverfassung durch Vereinbarung mit der Krone festzustellen."

Beide angeführte Grundgesetze der Verfassung -- der nicht geringen Zahl anderer nicht zu gedenken -- sind durch die vom Könige octroyirte Charte verletzt.

Der etwaige Einwand, die Octroyirung sei, da im Art. 112 der neuen Verfassung eine Revision derselben durch die Volksvertretung in Aussicht gestellt ist, nur eine vorüberg[e]hende und keine definitive Maßregel, das definitive Ende sei vielmehr eine Vereinbarung in Form der Revision, ist unwahr. Dieser Einwand wäre dann vielleicht möglich gewesen, wenn die Revision von einem Körper ausgeübt würde, der auf die im Wahlgesetze vom 8. April vorgezeichnete Weise aus dem Volke hervorginge, wenn die Versammlung zur Revision der Verfassung eben so nach dem Wahlmodus vom 8. April zusammenträte, wie die bisherige Vereinbarer-Versammlung. -- Dem ist nicht so. Die Revision erfolgt vielmehr in Kammern, und für die erste derselben ist sowohl die Eigenschaft zu wählen als gewählt zu werden an hohe Vermögensbedingungen gebunden. Die Revision also, vorgenommen durch eine Versammlung, deren Zweiheit, deren Entstehungsmodus und Wahlprincipien den bisher bestandenen Gesetzen über Volksvertretung durchaus widerstreben und das bisherige Wahlrecht auf das Wesentlichste beeinträchtigen, kann den gewaltsamen Verfassungsumsturz nicht ausgleichen, sie vermehrt ihn nur, sie macht ihn definitiv. Die revidirende Versammlung, weit entfernt, durch die Revision den Flecken der illegalen Geburt von der Verfassung zu tilgen, muß durch das mit Verletzung des Gesetzes vom 8. April eingeführte Zweikammersystem und durch den mit Verletzung desselben Gesetzes an der Wahlfreiheit begangnen Raub, die materiell-nachtheiligen Folgen der geraubten Freiheit in die Revision selbst hinübertragen und den Verfassungsumsturz so verewigen.

Was also vorliegt, ist ein unbezweifelbarer, definitiver Verfassungsumsturz, der, da er sich zu seiner Aufrechthaltung auf die bewaffnete Macht stützt, natürlich auch ein gewaltsamer Umsturz ist.

Unter diesen Umständen würde ich es für einen beißenden Spott auf die Gesetze erachten müssen, wenn die oben angeführte Beschuldigung gegen mich und Andere auch nur einen Tag länger festgehalten würde.

Was vorliegt, ist eine gewaltsame Aenderung des bisheran bestehenden Rechtszustandes, ist somit eine vom König glücklich vollbrachte Revolution.

Es bleibt hiefür gleichgültig, ob diese Revolution, wie man behauptet, eine verzeihliche und gerechtfertigte, ob sie eine heilsame und anerkennenswerthe sei oder nicht; in allen diesen Fällen bliebe sie immer vor wie nach: eine Revolution!

Wird man ohne eine schamlose Verhöhnung des Gesetzes mich oder Andere gesetzlich deshalb verfolgen können, weil sie den bestehenden Rechtszustand, die bestehenden Gesetze gegen eine gewaltsame Revolution zu vertheidigen beabsichtigten?

Zugegeben selbst -- was ich für meine Person weit entfernt bin zuzugeben; doch ist es naturlich, daß ich hier nur von solchen Principien ausgehe, deren Anerkennung ich selbst bei Beamten voraussetzen kann, aber auch bei allen Beamten, die nicht ein gewissenloses Spiel mit dem Gesetze treiben, voraussetzen muß -- zugegeben selbst, sage ich, daß die octroyirte Charte, jetzt, wo das Land ihre Verkündung angehört hat, ohne sich zu erheben, jetzt, wo sie ein fait accompli ist, mit dem Rechte einer jeden glücklich vollbrachten Revolution gegenwärtig gesetzliche Geltung habe und einen neuen Rechtszustand bilde, so würde hieraus nur folgen, daß die Strafgesetze auf Diejenigen anwendbar wären, welche von jetzt ab gegen diesen neuen Rechtszustand gegen diesen durch den Erfolg legalisirten Gewaltstreich ihre Waffen kehren, -- aber keinesfalls kann das Factum dieser glücklich vollbrachten Revolution rückwirkende Folgen haben; keinesfalls können Diejenigen den Strafgesetzen verfallen sein, welche, ehe diese neue Verfassung ein fait aecompli war, und in Tagen, wo der bisherige Rechtszustand noch factisch wie rechtlich gültig bestand, zur Vertheidigung desselben sich waffneten.

Am 18 März hatte das Volk seinerseits eine siegreiche Revolution vollbracht. Wenn das Volk Tags darauf die Soldaten, welche am 18. auf es gefeuert haben, vor ein Richtertribunal geschleppt hätte, würden sich Richter gefunden haben, um in den Formen des Gesetzes diese Soldaten zu verfolgen und zu richten?? Zur Ehre des preußischen Richterstandes hoffe ich: Nein! Denn jene Soldaten waren als Vertheidiger des bis dahin bestehenden Rechtszustandes in ihrem formellen Recht.

Und die königliche Gewalt sollte bereitwilligere Richter finden, unter der erheuchelten Form des Rechtes und auf den Vorwand einzelner Gesetze hin, diejenigen zu verfolgen, welche die Basis aller einzelnen Gesetze, die vorhandenen und damals faktisch wie rechtlich gültigen Verfassungsgrundlagen gegen die -- damals beabsichtigte und begonnene, jetzt vollbrachte -- Revolution der Regierung zu vertheidigen sich anschickten, oder vertheidigt haben??!

Die Geschichte zeigt auch ein Beispiel von solchen "rückwirkenden" Folgen einer Revolution.

Als am 10. Aug. 1792 in Paris die Konstitution von 1791 zerschmettert und die Republik geschaffen worden war, wurden diejenigen vor Revolutionstribunale gestellt, welche in dem Kampf des 10. August die damals bestehende Konstitution und das Königthum vertheidigt hatten.

Aber man fügte zu der Gewalt nicht die Heuchelei. Man hüllte die Gewaltthat nicht in die gesetzliche Form. Nicht vor die bestehenden Gerichtshöfe schleppte man die Vertheidiger des Königs und der Konstitution! Man schuf freie "Revolutionstribunale." In freier offener revolutionärer Form trat man auf. Man erlog keine Gesetzlichkeit. Nicht auf Gesetzesfloskeln, -- im Namen des "salut public" dekretirte man die Todesurtheile!

Die preußischen Gerichtshöfe, welche länger mich und Andere unter der Maske des Gesetzes auf Grund dessen verfolgen, daß wir pflichtschuldigst den vorhandenen Rechtszustand gegen einen gewaltthäigen Umsturz zu vertheidigen bereit waren, beflecken sich nicht nur mit ganz derselben Gewalt, welche man an jenen Revolutionstribunalen gerügt hat; sie erkennen nicht nur das Prinzip derselben an und geben somit von richterlichem Forum herab den Völkern eine fürchterliche Lehre; sie machen sich auch noch außerdem der Verächtlichkeit schuldig die Augendienerei der Gewalt in die Formen des Rechtes zu hüllen und den ehrwürdigen Namen des Gesetzes durch ein unwürdiges Gaukelspiel zu entweihen.

Mögen die rheinischen Gerichtshöfe sich offen als "Revolutionstribunale" proklamiren, -- und ich bin bereit, sie anzuerkennen und ihnen Rede zu stehen. Revolutionär von Prinzip weiß ich, welche Art von Berechtigung eine siegreiche Macht, wenn sie offen und unverkappt auftritt, beanspruchen darf.

Aber ich werde nie ohne Widerspruch dulden können, daß man die sanglanteste Gewalt in der scheinheiligen Form Rechtens verübe, daß man unter der Aegide des Gesetzes selbst das Gesetz zum Verbrechen und das Verbrechen zum Gesetz stempele. Ich werde mich wenigstens nie zum Complicen eines solchen Spieles machen können.

Was ich in dem bisheran Gesagten entwickelt habe, faßt sich in die zwei Worte zusammen: Durch den in den Patenten vom 5. und 6. Dez. von der königl. Gewalt vollbrachten oben nachgewiesenen gewaltsamen Verfassungsumsturz, ist es evident geworden, daß diejenigen Bürger, welche auf die Vorspiele zu diesem Umsturz hin, die in den königl. Maßregeln vom 9. Nov. etc. lagen, zu einer Vertheidigung der bestehenden Verfassungsgrundlagen und daher zu einer Bewaffnung gegen die königl. Gewalt zu diesem Zweck provocirt haben, sich in ihrem förmlichen Rechte befanden und nur ihre Bürgerpflicht erfüllt haben.

Es kann somit von einer Fortsetzung der Verfolgung gegen mich und Andere auf die Beschuldigung hin: "zur Bewaffnung gegen die königl. Gewalt und zum Bürgerkrieg provocirt zu haben" ncht die Rede sein.

Ich ersuche Sie daher:

"der kgl. Rathskammer ungesäumt unter Vorlegung dieses Protestes Bericht abzustatten, damit dieselbe die Zurückweisung der Verfolgung und meine sofortige Freilassung beschließen könne."

Sollte di[e]s nicht eintreffen, sondern wider alles Erwarten und gesetzliche Möglichkeit die Fortsetzung der Verfolgung beschlossen werden, so finde ich mich genöthigt, Ihnen Folgendes zu erklären:

Der Säbel ist zwar der Säbel, aber er ist nie das Recht. In Richtern, welche sich dazu herbeilassen würden, Bürger, deshalb weil sie die Gesetze vertheidigen wollten, auf Grund eben der Gesetze, deren Schutz sie sich weihten zu verfolgen; in Richtern, welche einer Nation den Schutz ihrer Gesetze zum Verbrechen anrechnen, -- werde ich nicht mehr Richter, sondern -- und mit mir vielleicht die Nation -- nur noch Seiden der Gewalt erblicken können.

In strenger Konsequenz dessen und Alles oben Gesagten ist es mir nicht möglich, mich in der gegen mich erhobenen Beschuldigung irgend einem angeblichen richterlichen Verhör zu unterziehen, irgend eine Frage zu beantworten und so die formelle Rechtsbeständigkeit eines gewaltthätigen Verfahrens anzuerkennen und mich zum Complicen einer Gesetzesverspottung zu machen. Ich werde in meinem Kerker Alles erdulden, was der Säbel, die Formen des Rechts entweihend, über mich verhangt; ich werde lieber dulden, daß mein Prozeß, indem ich verschmähe, Aufklärungen in faktischer Hinsicht zu geben, welche alle etwaigen Belastungsgründe sof[ort] beseitigen würden, die nachtheiligste Gestalt für mich annehme, als durch Ertheilung von Antworten und sonstiger Vollziehung irgend einer Prozedurförmlichkeit meinerseits eine Rolle in dem Rechtsgaukelspiel übernehmen, welches der Gewalt aufzuführen beliebt. Ich fühle mich hierzu verpflichtet, um nicht meinerseits ein Haar breit von dem Boden meines Rechtes zu weichen, und um den Behörden klar und deutlich die Beschaffenheit unsrer gegenseitigen Lage zum Bewußtsein zu bringen.

Ich kann unmöglich den Rheinischen Justizbehörden die Verlegenheit ersparen, wenn sie die Vertheidigung des Gesetzes zum Verbrechen und den Umsturz desselben zum Recht proklamiren, wenn sie mit dem gesetzlosen Terrorismus von Revolutionstribunalen verfahren wollen, sich auch offen und gleich als solche zu geriren.

Jedenfalls war es mir Pflicht, den Rheinischen Justizbehörden klar und deutlich die Heuchelei zu entwickeln, welche in einer Fortsetzung einer gesetzlich sein sollenden Prozedur wider mich und Andere auf die oben angegebene Beschuldigung hin nach den neuesten Ereignissen liegen würde, und ihnen die Versicherung zu ertheilen, daß sich die Nation über die Heuchelei dieses Verfahrens nicht täuschen wird.

Geschrieben im Gefängniß zu Düsseldorf, 11. Dezember 1848 F. Lassale.

82 Heidelberg, 12. Jan.

In diesen Tagen bekamen wir hier ein Probeblatt zu Gesicht, mit der vielversprechenden Aufschrift: "Allgemeine Deutsche Arbeiter-Zeitung," gegründet und herausgegeben im Auftrag des ersten deutschen Arbeiterkongresses in Frankfurt a. M. Verantw. Red.: H. Nagel. Nun ist zwar Herr Nagel bis dato noch eine unbekannte Größe, aber der offizielle Charakter der Zeitung berechtigte doch einigermaßen zu Erwartungen. Nie sind aber Erwartungen schlimmer getäuscht worden. Nach einem schlechtgeschriebenen und oberflächlich gedachten Prospekt (in welchem, ohne alle wirklich sozialistischen Prinzipien, die Gewerbeordnung des Frankfurter Kongresses als die einzig mögliche und erforderliche soziale Reform hingestell ist) und einigen anderen Mittheilungen folgt eine Abhandlung über "das konstitutionelle System," aus welchem ich einige Stellen Ihren Lesern nicht vorenthalten kann. Es heißt darin u. A.: "Wir gehören weder zu den wüthenden Kronenvertilgern, noch zu den Kronenvertheidigern, wir träumen weder von einer spartanischen (!) Republik, noch von einer Universal-Monarchie, es kommt uns nicht darauf an, ob sich das Oberhaupt eines Staates von Gottes oder von Volksgnaden schreibt etc. -- Soll ein Regent sein Volk glücklich machen, so muß er dessen Macht repräsentiren -- der Fürst soll der Beschützer, der Beglücker, der Vater seiner Völker sein -- zwischen Fürst und Volk, zwischen Landesvater und Land hat man ein Stück Papier geworfen, das man Konstitution nennt (wörtlich von Friedrich Wilhelm IV.) -- Volkssouveränetät schreit man (!) überall, das Volk ist souverän, eben weil das Volk souverän ist, muß es ein Organ haben (o! Logik! Dein Name ist Nagel, i. e. vernagelte Logik!) etc. Dem Fürsten ist die Souveränetät vom Volke übertragen (!), aber er muß diese ungetheilt besitzen, denn es ist thöricht, einen König zu machen, der kein König ist etc."

Ohe jam satis!

Solches spricht die Allgem. Deutsche Arbeiterzeitung, gegründet im Auftrage des ersten deutschen Arbeiterkongresses zu Frankfurt a. M. Wie gefällt Ihnen das?

Unser Freund, der Märzverein, fährt fort, rührende Stylproben zu veröffentlichen, welche mit den ersten Versuchen eines hoffnungsvollen Tertianers täuschende Aehnlichkeit haben. Von den Grundrechten meint er unter Andern, es seien darin über Preßfreiheit, Associationsrecht etc. "höchst wohlthätige Bestimmungen getroffen"; er glaubt, das Volk empfange seine Freiheit (!), welche die beste (!) Mutter der Einheit ist etc. -- Höchst kindlich frägt er: "Wie wäre es, wenn das Volk den 18. Januar (Einführungstag der Grundrechte) durch eine gemeinsame Feier beginge?" Wie wäre es, fragen wir, wenn das Volk an dem

Neue Rheinische Zeitung
Organ der Demokratie.
No 195. Köln, Sonntag den 14. Januar. 1849.

Bestellungen auf die „Neue Rheinische Zeitung“ für das jetzige Quartal, Januar bis März 1849, wolle man baldigst machen und zwar in Köln bei der Expedition der Zeitung (unter Hutmacher Nr. 17), auswärts bei allen Postanstalten Deutschlands.

Für Frankreich übernimmt Abonnements Herr A. Havas, Nr. 3 Rue Jean Jacques Rousseau in Paris und das königl. Oberpostamt in Aachen, für Holland und Belgien: die belgischen Briefpostämter, für Großbritannien: Mr. Thomas, Catherine-Street, Strand in London und das belgische Briefpostamt in Ostende.

Durch den Wegfall des Stempels wird der Abonnementspreis ermäßigt und beträgt von jetzt ab für Köln nur 1 Thlr. 7 Sgr. 6 Pf., bei allen preußischen Postanstalten, (das Porto einbegriffen) nur 1 Thlr. 17 Sgr. vierteljährlich; für Abonnenten im übrigen Deutschland tritt ein verhältnißmäßiger Postaufschlag hinzu.

Die Redaktion bleibt unverändert.

Die bisherigen Monatsgänge der „Neuen Rheinischen Zeitung“ sind ihr Programm. Durch ihre persönlichen Verbindungen mit den Chefs der demokratischen Partei in England, Frankreich, Italien, Belgien und Nordamerika ist die Redaktion in Stand gesetzt, ihren Lesern die politisch-soziale Bewegung des Auslandes richtiger und klarer abzuspiegeln, als irgend ein anderes Blatt. Die „N. Rh. Ztg.“ ist in dieser Beziehung nicht blos das Organ der deutschen, sondern der europäischen Demokratie.

Inserate: Die vierspaltige Petitzeile oder deren Raum 1 Sgr. 6 Pf.

Anzeigen aller Art erlangen durch die großen Verbindungen unseres Blattes eine sehr weite Verbreitung. Die Gerantur der „Neuen Rheinischen Zeitung.“

Zweite Ausgabe.

Die preußische „Reichs“-Post ist abermals aus geblieben!!

Deutschland.
068 Köln, 13. Januar.

Beifolgendes Memoire Lassalle's an seinen Instruktionsrichter beeilen wir uns, unsern Lesern mitzutheilen:

Herr Instruktionsrichter!

Die neuesten Ereignisse bestimmen mich, Ihnen folgende Erklärung abzulegen und den unten artikulirten Antrag an Sie zu richten.

Ich bin beschuldigt, „durch Reden an öffentlichen Orten und Plakate die Bürger zur Bewaffnung gegen die königl. Gewalt aufge[re]izt und den Bürgerkrieg zu erregen versucht zu haben.“ Art. 87, 91 u. 102 des St. G. B.

Wenn es bei meiner Verhaftung noch zweifelhaft sein konnte, ob ich unter Voraussetzung der Wahrheit der Fak[t]a, welche mir die Beschuldigung zur Last legt, mich in meinem Rechte befunden habe, oder nicht, so ist durch die neuesten Ereignisse jeder nur mögliche Zweifel beseitigt, jeder gesetzlich sein wollende Vorwand zu meiner und vieler Anderer Verfolgung unmöglich gemacht.

In allen konstitutionellen Staaten ist es selbstredend nicht nur das erste Recht, sondern auch die erste Pflicht des Bürgers, mit den Waffen in der Hand für die Aufrechthaltung der Verfassung gegen jeden gewaltsamen Umsturz derselben einzustehen. Diese Pflicht ist absolut; sie ist ganz eben so vorhanden, wenn das Verbrechen des gewaltsamen Umsturzes der Verfassung von der Regierung, als wenn es vom Volke verübt wird.

Die unter einer absoluten Regierungsform entstandenen, und deshalb auch absolut hingestellten Artikel 91 und 87 des Code penal (so weit sie von der bewaffneten Auflehnung gegen die königl. Gewalt und dem Bürgerkrieg handeln) werden daher in jedem konstitutionellen Staate durch diese erste Lebensbedingung eines konstitutionellen Staates modifizirt und nie da anwendbar sein, wo der gewaltsame Umsturz der Verfassung von der Regierung selbst ausgegangen und die Bewaffnung der Bürger gegen die königl. Gewalt nur den Schutz der Verfassung zum Zweck gehabt hat. Ohne die Anerkennung dieses Grundsatzes kann kein konstitutioneller Staat bestehen, da die Regierung eine jede Verfassung bequem und ohne Gefahr konfisciren könnte, wenn die Vertheidigung derselben den Burger zum Verbrecher stempelte.

Auch in Preußen ist dies anerkannt durch das Bürgerwehrgesetz vom 17. Oktober d. J., dessen § 1 als Prinzip aufstellt: „Die Bürgerwehr hat die Bestimmung, die verfassungsmäßige Freiheit zu schützen,“ d. h. also natürlich auch, Herr Instruktionsrichter, da der Satz absolut und ohne Einschränkung hingestellt ist, sie gegen einen gewaltsamen Angriff der Regierung selbst zu schützen. Wie dies für die Bürgerwehr als solche eine ausdrückliche gesetzl[i]che Pflicht und Bestimmung ist, so wird es für jeden Bürger ein heiliges Recht und eine Pflicht des Patriotismus sein.

Wenn es also außer Zweifel stände, daß von der Regierung ein gewaltsamer Verfassungsumsturz beabsichtigt wurde, so ist die Bewaffnung dagegen, zu der ich provocirt haben soll, statt gegen irgend ein Strafgesetz zu verstoßen, vielmehr ein unveräußerliches Recht, die erste und heiligste Pflicht des Bürgers gewesen.

Gegenwärtig aber steht der von Seiten der königl. Gewalt beabsichtigte Umsturz der Verfassung außer Zweifel, denn er ist durch die königl. Patente vom 5. Dez. vollbracht!

Wenn Preußen bisheran noch keine vollendete Verfassung hatte, so hatte es bereits doch in aller Form sanktionirte Grundgesetze seiner Verfassung. Als solche „[G]rundgesetze“ waren ausdrücklich in der Gesetzsammsammlung (p. 87) die Gesetze vom 6. April und 8. April d. J. bestimmt worden.

Der § 6 des Gesetzes vom 6. April besagte: „Den künftigen Vertretern soll jedenfalls die Zustimmung zu allen Gesetzen zustehen.“

Das Gesetz vom 8. April setzte einen Wahlmodus fest und bestimmte in § 13: „Die auf Grund des gegenwärtigen Gesetzes zusammentretende Versammlung ist berufen, die kunftige Staatsverfassung durch Vereinbarung mit der Krone festzustellen.“

Beide angeführte Grundgesetze der Verfassung — der nicht geringen Zahl anderer nicht zu gedenken — sind durch die vom Könige octroyirte Charte verletzt.

Der etwaige Einwand, die Octroyirung sei, da im Art. 112 der neuen Verfassung eine Revision derselben durch die Volksvertretung in Aussicht gestellt ist, nur eine vorüberg[e]hende und keine definitive Maßregel, das definitive Ende sei vielmehr eine Vereinbarung in Form der Revision, ist unwahr. Dieser Einwand wäre dann vielleicht möglich gewesen, wenn die Revision von einem Körper ausgeübt würde, der auf die im Wahlgesetze vom 8. April vorgezeichnete Weise aus dem Volke hervorginge, wenn die Versammlung zur Revision der Verfassung eben so nach dem Wahlmodus vom 8. April zusammenträte, wie die bisherige Vereinbarer-Versammlung. — Dem ist nicht so. Die Revision erfolgt vielmehr in Kammern, und für die erste derselben ist sowohl die Eigenschaft zu wählen als gewählt zu werden an hohe Vermögensbedingungen gebunden. Die Revision also, vorgenommen durch eine Versammlung, deren Zweiheit, deren Entstehungsmodus und Wahlprincipien den bisher bestandenen Gesetzen über Volksvertretung durchaus widerstreben und das bisherige Wahlrecht auf das Wesentlichste beeinträchtigen, kann den gewaltsamen Verfassungsumsturz nicht ausgleichen, sie vermehrt ihn nur, sie macht ihn definitiv. Die revidirende Versammlung, weit entfernt, durch die Revision den Flecken der illegalen Geburt von der Verfassung zu tilgen, muß durch das mit Verletzung des Gesetzes vom 8. April eingeführte Zweikammersystem und durch den mit Verletzung desselben Gesetzes an der Wahlfreiheit begangnen Raub, die materiell-nachtheiligen Folgen der geraubten Freiheit in die Revision selbst hinübertragen und den Verfassungsumsturz so verewigen.

Was also vorliegt, ist ein unbezweifelbarer, definitiver Verfassungsumsturz, der, da er sich zu seiner Aufrechthaltung auf die bewaffnete Macht stützt, natürlich auch ein gewaltsamer Umsturz ist.

Unter diesen Umständen würde ich es für einen beißenden Spott auf die Gesetze erachten müssen, wenn die oben angeführte Beschuldigung gegen mich und Andere auch nur einen Tag länger festgehalten würde.

Was vorliegt, ist eine gewaltsame Aenderung des bisheran bestehenden Rechtszustandes, ist somit eine vom König glücklich vollbrachte Revolution.

Es bleibt hiefür gleichgültig, ob diese Revolution, wie man behauptet, eine verzeihliche und gerechtfertigte, ob sie eine heilsame und anerkennenswerthe sei oder nicht; in allen diesen Fällen bliebe sie immer vor wie nach: eine Revolution!

Wird man ohne eine schamlose Verhöhnung des Gesetzes mich oder Andere gesetzlich deshalb verfolgen können, weil sie den bestehenden Rechtszustand, die bestehenden Gesetze gegen eine gewaltsame Revolution zu vertheidigen beabsichtigten?

Zugegeben selbst — was ich für meine Person weit entfernt bin zuzugeben; doch ist es naturlich, daß ich hier nur von solchen Principien ausgehe, deren Anerkennung ich selbst bei Beamten voraussetzen kann, aber auch bei allen Beamten, die nicht ein gewissenloses Spiel mit dem Gesetze treiben, voraussetzen muß — zugegeben selbst, sage ich, daß die octroyirte Charte, jetzt, wo das Land ihre Verkündung angehört hat, ohne sich zu erheben, jetzt, wo sie ein fait accompli ist, mit dem Rechte einer jeden glücklich vollbrachten Revolution gegenwärtig gesetzliche Geltung habe und einen neuen Rechtszustand bilde, so würde hieraus nur folgen, daß die Strafgesetze auf Diejenigen anwendbar wären, welche von jetzt ab gegen diesen neuen Rechtszustand gegen diesen durch den Erfolg legalisirten Gewaltstreich ihre Waffen kehren, — aber keinesfalls kann das Factum dieser glücklich vollbrachten Revolution rückwirkende Folgen haben; keinesfalls können Diejenigen den Strafgesetzen verfallen sein, welche, ehe diese neue Verfassung ein fait aecompli war, und in Tagen, wo der bisherige Rechtszustand noch factisch wie rechtlich gültig bestand, zur Vertheidigung desselben sich waffneten.

Am 18 März hatte das Volk seinerseits eine siegreiche Revolution vollbracht. Wenn das Volk Tags darauf die Soldaten, welche am 18. auf es gefeuert haben, vor ein Richtertribunal geschleppt hätte, würden sich Richter gefunden haben, um in den Formen des Gesetzes diese Soldaten zu verfolgen und zu richten?? Zur Ehre des preußischen Richterstandes hoffe ich: Nein! Denn jene Soldaten waren als Vertheidiger des bis dahin bestehenden Rechtszustandes in ihrem formellen Recht.

Und die königliche Gewalt sollte bereitwilligere Richter finden, unter der erheuchelten Form des Rechtes und auf den Vorwand einzelner Gesetze hin, diejenigen zu verfolgen, welche die Basis aller einzelnen Gesetze, die vorhandenen und damals faktisch wie rechtlich gültigen Verfassungsgrundlagen gegen die — damals beabsichtigte und begonnene, jetzt vollbrachte — Revolution der Regierung zu vertheidigen sich anschickten, oder vertheidigt haben??!

Die Geschichte zeigt auch ein Beispiel von solchen „rückwirkenden“ Folgen einer Revolution.

Als am 10. Aug. 1792 in Paris die Konstitution von 1791 zerschmettert und die Republik geschaffen worden war, wurden diejenigen vor Revolutionstribunale gestellt, welche in dem Kampf des 10. August die damals bestehende Konstitution und das Königthum vertheidigt hatten.

Aber man fügte zu der Gewalt nicht die Heuchelei. Man hüllte die Gewaltthat nicht in die gesetzliche Form. Nicht vor die bestehenden Gerichtshöfe schleppte man die Vertheidiger des Königs und der Konstitution! Man schuf freie „Revolutionstribunale.“ In freier offener revolutionärer Form trat man auf. Man erlog keine Gesetzlichkeit. Nicht auf Gesetzesfloskeln, — im Namen des „salut public“ dekretirte man die Todesurtheile!

Die preußischen Gerichtshöfe, welche länger mich und Andere unter der Maske des Gesetzes auf Grund dessen verfolgen, daß wir pflichtschuldigst den vorhandenen Rechtszustand gegen einen gewaltthäigen Umsturz zu vertheidigen bereit waren, beflecken sich nicht nur mit ganz derselben Gewalt, welche man an jenen Revolutionstribunalen gerügt hat; sie erkennen nicht nur das Prinzip derselben an und geben somit von richterlichem Forum herab den Völkern eine fürchterliche Lehre; sie machen sich auch noch außerdem der Verächtlichkeit schuldig die Augendienerei der Gewalt in die Formen des Rechtes zu hüllen und den ehrwürdigen Namen des Gesetzes durch ein unwürdiges Gaukelspiel zu entweihen.

Mögen die rheinischen Gerichtshöfe sich offen als „Revolutionstribunale“ proklamiren, — und ich bin bereit, sie anzuerkennen und ihnen Rede zu stehen. Revolutionär von Prinzip weiß ich, welche Art von Berechtigung eine siegreiche Macht, wenn sie offen und unverkappt auftritt, beanspruchen darf.

Aber ich werde nie ohne Widerspruch dulden können, daß man die sanglanteste Gewalt in der scheinheiligen Form Rechtens verübe, daß man unter der Aegide des Gesetzes selbst das Gesetz zum Verbrechen und das Verbrechen zum Gesetz stempele. Ich werde mich wenigstens nie zum Complicen eines solchen Spieles machen können.

Was ich in dem bisheran Gesagten entwickelt habe, faßt sich in die zwei Worte zusammen: Durch den in den Patenten vom 5. und 6. Dez. von der königl. Gewalt vollbrachten oben nachgewiesenen gewaltsamen Verfassungsumsturz, ist es evident geworden, daß diejenigen Bürger, welche auf die Vorspiele zu diesem Umsturz hin, die in den königl. Maßregeln vom 9. Nov. etc. lagen, zu einer Vertheidigung der bestehenden Verfassungsgrundlagen und daher zu einer Bewaffnung gegen die königl. Gewalt zu diesem Zweck provocirt haben, sich in ihrem förmlichen Rechte befanden und nur ihre Bürgerpflicht erfüllt haben.

Es kann somit von einer Fortsetzung der Verfolgung gegen mich und Andere auf die Beschuldigung hin: „zur Bewaffnung gegen die königl. Gewalt und zum Bürgerkrieg provocirt zu haben“ ncht die Rede sein.

Ich ersuche Sie daher:

„der kgl. Rathskammer ungesäumt unter Vorlegung dieses Protestes Bericht abzustatten, damit dieselbe die Zurückweisung der Verfolgung und meine sofortige Freilassung beschließen könne.“

Sollte di[e]s nicht eintreffen, sondern wider alles Erwarten und gesetzliche Möglichkeit die Fortsetzung der Verfolgung beschlossen werden, so finde ich mich genöthigt, Ihnen Folgendes zu erklären:

Der Säbel ist zwar der Säbel, aber er ist nie das Recht. In Richtern, welche sich dazu herbeilassen würden, Bürger, deshalb weil sie die Gesetze vertheidigen wollten, auf Grund eben der Gesetze, deren Schutz sie sich weihten zu verfolgen; in Richtern, welche einer Nation den Schutz ihrer Gesetze zum Verbrechen anrechnen, — werde ich nicht mehr Richter, sondern — und mit mir vielleicht die Nation — nur noch Séiden der Gewalt erblicken können.

In strenger Konsequenz dessen und Alles oben Gesagten ist es mir nicht möglich, mich in der gegen mich erhobenen Beschuldigung irgend einem angeblichen richterlichen Verhör zu unterziehen, irgend eine Frage zu beantworten und so die formelle Rechtsbeständigkeit eines gewaltthätigen Verfahrens anzuerkennen und mich zum Complicen einer Gesetzesverspottung zu machen. Ich werde in meinem Kerker Alles erdulden, was der Säbel, die Formen des Rechts entweihend, über mich verhangt; ich werde lieber dulden, daß mein Prozeß, indem ich verschmähe, Aufklärungen in faktischer Hinsicht zu geben, welche alle etwaigen Belastungsgründe sof[ort] beseitigen würden, die nachtheiligste Gestalt für mich annehme, als durch Ertheilung von Antworten und sonstiger Vollziehung irgend einer Prozedurförmlichkeit meinerseits eine Rolle in dem Rechtsgaukelspiel übernehmen, welches der Gewalt aufzuführen beliebt. Ich fühle mich hierzu verpflichtet, um nicht meinerseits ein Haar breit von dem Boden meines Rechtes zu weichen, und um den Behörden klar und deutlich die Beschaffenheit unsrer gegenseitigen Lage zum Bewußtsein zu bringen.

Ich kann unmöglich den Rheinischen Justizbehörden die Verlegenheit ersparen, wenn sie die Vertheidigung des Gesetzes zum Verbrechen und den Umsturz desselben zum Recht proklamiren, wenn sie mit dem gesetzlosen Terrorismus von Revolutionstribunalen verfahren wollen, sich auch offen und gleich als solche zu geriren.

Jedenfalls war es mir Pflicht, den Rheinischen Justizbehörden klar und deutlich die Heuchelei zu entwickeln, welche in einer Fortsetzung einer gesetzlich sein sollenden Prozedur wider mich und Andere auf die oben angegebene Beschuldigung hin nach den neuesten Ereignissen liegen würde, und ihnen die Versicherung zu ertheilen, daß sich die Nation über die Heuchelei dieses Verfahrens nicht täuschen wird.

Geschrieben im Gefängniß zu Düsseldorf, 11. Dezember 1848 F. Lassale.

82 Heidelberg, 12. Jan.

In diesen Tagen bekamen wir hier ein Probeblatt zu Gesicht, mit der vielversprechenden Aufschrift: „Allgemeine Deutsche Arbeiter-Zeitung,“ gegründet und herausgegeben im Auftrag des ersten deutschen Arbeiterkongresses in Frankfurt a. M. Verantw. Red.: H. Nagel. Nun ist zwar Herr Nagel bis dato noch eine unbekannte Größe, aber der offizielle Charakter der Zeitung berechtigte doch einigermaßen zu Erwartungen. Nie sind aber Erwartungen schlimmer getäuscht worden. Nach einem schlechtgeschriebenen und oberflächlich gedachten Prospekt (in welchem, ohne alle wirklich sozialistischen Prinzipien, die Gewerbeordnung des Frankfurter Kongresses als die einzig mögliche und erforderliche soziale Reform hingestell ist) und einigen anderen Mittheilungen folgt eine Abhandlung über „das konstitutionelle System,“ aus welchem ich einige Stellen Ihren Lesern nicht vorenthalten kann. Es heißt darin u. A.: „Wir gehören weder zu den wüthenden Kronenvertilgern, noch zu den Kronenvertheidigern, wir träumen weder von einer spartanischen (!) Republik, noch von einer Universal-Monarchie, es kommt uns nicht darauf an, ob sich das Oberhaupt eines Staates von Gottes oder von Volksgnaden schreibt etc. — Soll ein Regent sein Volk glücklich machen, so muß er dessen Macht repräsentiren — der Fürst soll der Beschützer, der Beglücker, der Vater seiner Völker sein — zwischen Fürst und Volk, zwischen Landesvater und Land hat man ein Stück Papier geworfen, das man Konstitution nennt (wörtlich von Friedrich Wilhelm IV.) — Volkssouveränetät schreit man (!) überall, das Volk ist souverän, eben weil das Volk souverän ist, muß es ein Organ haben (o! Logik! Dein Name ist Nagel, i. e. vernagelte Logik!) etc. Dem Fürsten ist die Souveränetät vom Volke übertragen (!), aber er muß diese ungetheilt besitzen, denn es ist thöricht, einen König zu machen, der kein König ist etc.“

Ohe jam satis!

Solches spricht die Allgem. Deutsche Arbeiterzeitung, gegründet im Auftrage des ersten deutschen Arbeiterkongresses zu Frankfurt a. M. Wie gefällt Ihnen das?

Unser Freund, der Märzverein, fährt fort, rührende Stylproben zu veröffentlichen, welche mit den ersten Versuchen eines hoffnungsvollen Tertianers täuschende Aehnlichkeit haben. Von den Grundrechten meint er unter Andern, es seien darin über Preßfreiheit, Associationsrecht etc. „höchst wohlthätige Bestimmungen getroffen“; er glaubt, das Volk empfange seine Freiheit (!), welche die beste (!) Mutter der Einheit ist etc. — Höchst kindlich frägt er: „Wie wäre es, wenn das Volk den 18. Januar (Einführungstag der Grundrechte) durch eine gemeinsame Feier beginge?“ Wie wäre es, fragen wir, wenn das Volk an dem

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        <titlePart type="main">Neue Rheinische Zeitung</titlePart>
        <titlePart type="sub">Organ der Demokratie.</titlePart>
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          <docDate>No 195. Köln, Sonntag den 14. Januar. 1849.</docDate>
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        <p>Bestellungen auf die &#x201E;Neue Rheinische Zeitung&#x201C; für das jetzige Quartal, Januar bis März 1849, wolle man baldigst machen und zwar in <hi rendition="#b">Köln</hi> bei der Expedition der Zeitung (unter Hutmacher Nr. 17), <hi rendition="#b">auswärts</hi> bei allen Postanstalten Deutschlands.</p>
        <p>Für Frankreich übernimmt Abonnements Herr <hi rendition="#b">A. Havas,</hi> Nr. 3 Rue Jean Jacques Rousseau in Paris und das königl. Oberpostamt in Aachen, für Holland und Belgien: die belgischen Briefpostämter, für Großbritannien: <hi rendition="#b">Mr. Thomas,</hi> Catherine-Street, Strand in London und das belgische Briefpostamt in Ostende.</p>
        <p>Durch den Wegfall des Stempels wird der Abonnementspreis ermäßigt und beträgt von jetzt ab für <hi rendition="#g">Köln</hi> <hi rendition="#b">nur 1</hi> <hi rendition="#g">Thlr</hi>. <hi rendition="#b">7</hi> <hi rendition="#g">Sgr</hi>. <hi rendition="#b">6</hi> <hi rendition="#g">Pf</hi>., bei allen preußischen Postanstalten, (das Porto einbegriffen) <hi rendition="#b">nur 1</hi> <hi rendition="#g">Thlr</hi>. <hi rendition="#b">17</hi> Sgr. vierteljährlich; für Abonnenten im übrigen Deutschland tritt ein verhältnißmäßiger Postaufschlag hinzu.</p>
        <p>Die Redaktion bleibt unverändert.</p>
        <p> <hi rendition="#b">Die bisherigen Monatsgänge der &#x201E;Neuen Rheinischen Zeitung&#x201C; sind ihr Programm. Durch ihre persönlichen Verbindungen mit den Chefs der demokratischen Partei in England, Frankreich, Italien, Belgien und Nordamerika ist die Redaktion in Stand gesetzt, ihren Lesern die politisch-soziale Bewegung des Auslandes richtiger und klarer abzuspiegeln, als irgend ein anderes Blatt. Die &#x201E;N. Rh. Ztg.&#x201C; ist in dieser Beziehung nicht blos das Organ der deutschen, sondern der europäischen Demokratie.</hi> </p>
        <p><hi rendition="#g">Inserate:</hi> Die vierspaltige Petitzeile oder deren Raum 1 Sgr. 6 Pf.</p>
        <p>Anzeigen aller Art erlangen durch die großen Verbindungen unseres Blattes eine sehr weite Verbreitung. <hi rendition="#b">Die Gerantur der &#x201E;Neuen Rheinischen Zeitung.&#x201C;</hi> </p>
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        <head> <hi rendition="#b">Zweite Ausgabe.</hi> </head>
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        <p> <hi rendition="#b">Die preußische &#x201E;Reichs&#x201C;-Post ist abermals aus geblieben!!</hi> </p>
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        <head>Deutschland.</head>
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          <head><bibl><author>068</author></bibl> Köln, 13. Januar.</head>
          <p>Beifolgendes Memoire <hi rendition="#g">Lassalle's</hi> an seinen Instruktionsrichter beeilen wir uns, unsern Lesern mitzutheilen:</p>
          <p><hi rendition="#g">Herr Instruktionsrichter</hi>!</p>
          <p>Die neuesten Ereignisse bestimmen mich, Ihnen folgende Erklärung abzulegen und den unten artikulirten Antrag an Sie zu richten.</p>
          <p>Ich bin beschuldigt, &#x201E;durch Reden an öffentlichen Orten und Plakate die Bürger zur Bewaffnung gegen die königl. Gewalt aufge[re]izt und den Bürgerkrieg zu erregen versucht zu haben.&#x201C; Art. 87, 91 u. 102 des St. G. B.</p>
          <p>Wenn es bei meiner Verhaftung noch zweifelhaft sein konnte, ob ich unter Voraussetzung der Wahrheit der Fak[t]a, welche mir die Beschuldigung zur Last legt, mich in meinem Rechte befunden habe, oder nicht, so ist durch die neuesten Ereignisse jeder nur mögliche Zweifel beseitigt, jeder <hi rendition="#g">gesetzlich</hi> sein wollende Vorwand zu meiner und vieler Anderer Verfolgung unmöglich gemacht.</p>
          <p>In allen konstitutionellen Staaten ist es selbstredend nicht nur das erste <hi rendition="#g">Recht,</hi> sondern auch die erste <hi rendition="#g">Pflicht</hi> des Bürgers, mit den Waffen in der Hand für die Aufrechthaltung der Verfassung gegen jeden gewaltsamen Umsturz derselben einzustehen. Diese Pflicht ist <hi rendition="#g">absolut</hi>; sie ist ganz eben so vorhanden, wenn das Verbrechen des gewaltsamen Umsturzes der Verfassung von der Regierung, als wenn es vom Volke verübt wird.</p>
          <p>Die unter einer absoluten Regierungsform entstandenen, und deshalb auch absolut hingestellten Artikel 91 und 87 des Code penal (so weit sie von der bewaffneten Auflehnung gegen die königl. Gewalt und dem Bürgerkrieg handeln) werden daher in jedem konstitutionellen Staate durch diese erste Lebensbedingung eines konstitutionellen Staates modifizirt und nie <hi rendition="#g">da</hi> anwendbar sein, wo der gewaltsame Umsturz der Verfassung von der Regierung selbst ausgegangen und die Bewaffnung der Bürger gegen die königl. Gewalt nur den Schutz der Verfassung zum Zweck gehabt hat. Ohne die Anerkennung dieses Grundsatzes kann kein konstitutioneller Staat bestehen, da die Regierung eine jede Verfassung bequem und ohne Gefahr konfisciren könnte, wenn die Vertheidigung derselben den Burger zum Verbrecher stempelte.</p>
          <p>Auch in Preußen ist dies anerkannt durch das Bürgerwehrgesetz vom 17. Oktober d. J., dessen § 1 als Prinzip aufstellt: &#x201E;Die Bürgerwehr hat die Bestimmung, die verfassungsmäßige Freiheit zu schützen,&#x201C; d. h. also natürlich auch, Herr Instruktionsrichter, da der Satz absolut und ohne Einschränkung hingestellt ist, sie gegen einen gewaltsamen Angriff der Regierung selbst zu schützen. Wie dies für die Bürgerwehr als solche eine ausdrückliche gesetzl[i]che Pflicht und Bestimmung ist, so wird es für jeden Bürger ein heiliges Recht und eine Pflicht des Patriotismus sein.</p>
          <p>Wenn es also außer Zweifel stände, daß von der Regierung ein gewaltsamer Verfassungsumsturz beabsichtigt wurde, so ist die Bewaffnung dagegen, zu der ich provocirt haben soll, statt gegen irgend ein Strafgesetz zu verstoßen, vielmehr ein unveräußerliches Recht, die erste und heiligste Pflicht des Bürgers gewesen.</p>
          <p>Gegenwärtig aber steht der von Seiten der königl. Gewalt beabsichtigte Umsturz der Verfassung außer Zweifel, denn er ist durch die königl. Patente vom 5. Dez. <hi rendition="#g">vollbracht</hi>!</p>
          <p>Wenn Preußen bisheran noch keine vollendete Verfassung hatte, so hatte es bereits doch in aller Form sanktionirte <hi rendition="#g">Grundgesetze seiner Verfassung</hi>. Als solche &#x201E;[G]rundgesetze&#x201C; waren ausdrücklich in der Gesetzsammsammlung (p. 87) die Gesetze vom 6. April und 8. April d. J. bestimmt worden.</p>
          <p>Der § 6 des Gesetzes vom 6. April besagte: &#x201E;Den künftigen Vertretern soll jedenfalls die Zustimmung zu allen Gesetzen zustehen.&#x201C;</p>
          <p>Das Gesetz vom 8. April setzte einen Wahlmodus fest und bestimmte in § 13: &#x201E;Die auf Grund des gegenwärtigen Gesetzes zusammentretende Versammlung ist berufen, die kunftige Staatsverfassung durch Vereinbarung mit der Krone festzustellen.&#x201C;</p>
          <p>Beide angeführte Grundgesetze der Verfassung &#x2014; der nicht geringen Zahl anderer nicht zu gedenken &#x2014; sind durch die vom Könige octroyirte Charte verletzt.</p>
          <p>Der etwaige Einwand, die Octroyirung sei, da im Art. 112 der neuen Verfassung eine Revision derselben durch die Volksvertretung in Aussicht gestellt ist, nur eine vorüberg[e]hende und keine definitive Maßregel, das definitive Ende sei vielmehr eine Vereinbarung in Form der Revision, ist unwahr. Dieser Einwand wäre dann vielleicht möglich gewesen, wenn die Revision von einem Körper ausgeübt würde, der auf die im Wahlgesetze vom 8. April vorgezeichnete Weise aus dem Volke hervorginge, wenn die Versammlung zur Revision der Verfassung eben so nach dem Wahlmodus vom 8. April zusammenträte, wie die bisherige Vereinbarer-Versammlung. &#x2014; Dem ist nicht so. Die Revision erfolgt vielmehr in Kammern, und für die erste derselben ist sowohl die Eigenschaft zu wählen als gewählt zu werden an hohe Vermögensbedingungen gebunden. Die Revision also, vorgenommen durch eine Versammlung, deren Zweiheit, deren Entstehungsmodus und Wahlprincipien den bisher bestandenen Gesetzen über Volksvertretung durchaus widerstreben und das bisherige Wahlrecht auf das Wesentlichste beeinträchtigen, kann den gewaltsamen Verfassungsumsturz nicht ausgleichen, sie vermehrt ihn nur, sie macht ihn definitiv. Die revidirende Versammlung, weit entfernt, durch die Revision den Flecken der illegalen Geburt von der Verfassung zu tilgen, muß durch das mit Verletzung des Gesetzes vom 8. April eingeführte Zweikammersystem und durch den mit Verletzung desselben Gesetzes an der Wahlfreiheit begangnen Raub, die materiell-nachtheiligen Folgen der geraubten Freiheit in die Revision selbst hinübertragen und den Verfassungsumsturz so verewigen.</p>
          <p>Was also vorliegt, ist ein unbezweifelbarer, definitiver Verfassungsumsturz, der, da er sich zu seiner Aufrechthaltung auf die bewaffnete Macht stützt, natürlich auch ein gewaltsamer Umsturz ist.</p>
          <p>Unter diesen Umständen würde ich es für einen beißenden Spott auf die Gesetze erachten müssen, wenn die oben angeführte Beschuldigung gegen mich und Andere auch nur einen Tag länger festgehalten würde.</p>
          <p>Was vorliegt, ist eine gewaltsame Aenderung des bisheran bestehenden Rechtszustandes, ist somit eine vom König glücklich vollbrachte Revolution.</p>
          <p>Es bleibt hiefür gleichgültig, ob diese Revolution, wie man behauptet, eine verzeihliche und gerechtfertigte, ob sie eine heilsame und anerkennenswerthe sei oder nicht; in allen diesen Fällen bliebe sie immer vor wie nach: eine Revolution!</p>
          <p>Wird man ohne eine schamlose Verhöhnung des Gesetzes mich oder Andere gesetzlich deshalb verfolgen können, weil sie den bestehenden Rechtszustand, die bestehenden Gesetze gegen eine gewaltsame Revolution zu vertheidigen beabsichtigten?</p>
          <p>Zugegeben selbst &#x2014; was ich für meine Person weit entfernt bin zuzugeben; doch ist es naturlich, daß ich hier nur von solchen Principien ausgehe, deren Anerkennung ich selbst bei Beamten voraussetzen kann, aber auch bei allen Beamten, die nicht ein gewissenloses Spiel mit dem Gesetze treiben, voraussetzen muß &#x2014; zugegeben selbst, sage ich, daß die octroyirte Charte, jetzt, wo das Land ihre Verkündung angehört hat, ohne sich zu erheben, jetzt, wo sie ein fait accompli ist, mit dem Rechte einer jeden glücklich vollbrachten Revolution gegenwärtig gesetzliche Geltung habe und einen neuen Rechtszustand bilde, so würde hieraus nur folgen, daß die Strafgesetze auf Diejenigen anwendbar wären, welche von jetzt ab gegen diesen neuen Rechtszustand gegen diesen durch den Erfolg legalisirten Gewaltstreich ihre Waffen kehren, &#x2014; aber keinesfalls kann das Factum dieser glücklich vollbrachten Revolution rückwirkende Folgen haben; keinesfalls können Diejenigen den Strafgesetzen verfallen sein, welche, ehe diese neue Verfassung ein fait aecompli war, und in Tagen, wo der bisherige Rechtszustand noch factisch wie rechtlich gültig bestand, zur Vertheidigung desselben sich waffneten.</p>
          <p>Am 18 März hatte das Volk seinerseits eine siegreiche Revolution vollbracht. Wenn das Volk Tags darauf die Soldaten, welche am 18. auf es gefeuert haben, vor ein Richtertribunal geschleppt hätte, würden sich Richter gefunden haben, um in den Formen des Gesetzes diese Soldaten zu verfolgen und zu richten?? Zur Ehre des preußischen Richterstandes hoffe ich: Nein! Denn jene Soldaten waren als Vertheidiger des bis dahin bestehenden Rechtszustandes in ihrem formellen Recht.</p>
          <p>Und die königliche Gewalt sollte bereitwilligere Richter finden, unter der erheuchelten Form des Rechtes und auf den Vorwand einzelner Gesetze hin, diejenigen zu verfolgen, welche die <hi rendition="#g">Basis</hi> aller einzelnen Gesetze, die vorhandenen und damals faktisch wie rechtlich gültigen Verfassungsgrundlagen gegen die &#x2014; damals beabsichtigte und begonnene, jetzt vollbrachte &#x2014; Revolution der Regierung zu vertheidigen sich anschickten, oder vertheidigt haben??!</p>
          <p>Die Geschichte zeigt auch ein Beispiel von solchen &#x201E;rückwirkenden&#x201C; Folgen einer Revolution.</p>
          <p>Als am 10. Aug. 1792 in Paris die Konstitution von 1791 zerschmettert und die Republik geschaffen worden war, wurden diejenigen vor Revolutionstribunale gestellt, welche in dem Kampf des 10. August die damals bestehende Konstitution und das Königthum vertheidigt hatten.</p>
          <p>Aber man fügte zu der Gewalt nicht die Heuchelei. Man hüllte die Gewaltthat nicht in die gesetzliche Form. Nicht vor die bestehenden Gerichtshöfe schleppte man die Vertheidiger des Königs und der Konstitution! Man schuf freie &#x201E;<hi rendition="#g">Revolutionstribunale</hi>.&#x201C; In freier offener revolutionärer Form trat man auf. <hi rendition="#g">Man erlog keine Gesetzlichkeit</hi>. Nicht auf Gesetzesfloskeln, &#x2014; im Namen des &#x201E;salut public&#x201C; dekretirte man die Todesurtheile!</p>
          <p>Die preußischen Gerichtshöfe, welche länger mich und Andere unter der Maske des Gesetzes auf Grund dessen verfolgen, daß wir pflichtschuldigst den vorhandenen Rechtszustand gegen einen gewaltthäigen Umsturz zu vertheidigen bereit waren, beflecken sich nicht nur mit ganz derselben Gewalt, welche man an jenen Revolutionstribunalen gerügt hat; sie erkennen nicht nur das Prinzip derselben an und geben somit von richterlichem Forum herab den Völkern eine fürchterliche Lehre; sie machen sich auch noch außerdem der Verächtlichkeit schuldig die Augendienerei der Gewalt in die Formen des Rechtes zu hüllen und den ehrwürdigen Namen des Gesetzes durch ein unwürdiges Gaukelspiel zu entweihen.</p>
          <p>Mögen die rheinischen Gerichtshöfe sich <hi rendition="#g">offen</hi> als &#x201E;<hi rendition="#g">Revolutionstribunale</hi>&#x201C; proklamiren, &#x2014; und ich bin bereit, sie anzuerkennen und ihnen Rede zu stehen. Revolutionär von Prinzip weiß ich, welche Art von Berechtigung eine siegreiche Macht, wenn sie offen und unverkappt auftritt, beanspruchen darf.</p>
          <p>Aber ich werde nie ohne Widerspruch dulden können, daß man die sanglanteste Gewalt in der scheinheiligen Form Rechtens verübe, daß man unter der Aegide des Gesetzes selbst das Gesetz zum Verbrechen und das Verbrechen zum Gesetz stempele. <hi rendition="#g">Ich</hi> werde mich wenigstens nie zum Complicen eines solchen Spieles machen können.</p>
          <p>Was ich in dem bisheran Gesagten entwickelt habe, faßt sich in die zwei Worte zusammen: Durch den in den Patenten vom 5. und 6. Dez. von der königl. Gewalt vollbrachten oben nachgewiesenen gewaltsamen Verfassungsumsturz, ist es <hi rendition="#g">evident</hi> geworden, daß diejenigen Bürger, welche auf die Vorspiele zu diesem Umsturz hin, die in den königl. Maßregeln vom 9. Nov. etc. lagen, zu einer Vertheidigung der bestehenden Verfassungsgrundlagen und daher zu einer Bewaffnung gegen die königl. Gewalt zu diesem Zweck provocirt haben, sich in ihrem förmlichen Rechte befanden und nur ihre Bürgerpflicht erfüllt haben.</p>
          <p>Es kann somit von einer Fortsetzung der Verfolgung gegen mich und Andere auf <hi rendition="#g">die</hi> Beschuldigung hin: &#x201E;zur Bewaffnung gegen die königl. Gewalt und zum Bürgerkrieg provocirt zu haben&#x201C; ncht die Rede sein.</p>
          <p>Ich ersuche Sie daher:</p>
          <p rendition="#et">&#x201E;der kgl. Rathskammer <hi rendition="#g">ungesäumt</hi> unter Vorlegung dieses Protestes Bericht abzustatten, damit dieselbe die Zurückweisung der Verfolgung und meine sofortige Freilassung beschließen könne.&#x201C;</p>
          <p>Sollte di[e]s nicht eintreffen, sondern wider alles Erwarten und gesetzliche Möglichkeit die Fortsetzung der Verfolgung beschlossen werden, so finde ich mich genöthigt, Ihnen Folgendes zu erklären:</p>
          <p>Der Säbel ist zwar der Säbel, aber er ist nie das <hi rendition="#g">Recht</hi>. In Richtern, welche sich dazu herbeilassen würden, Bürger, deshalb weil sie die Gesetze vertheidigen wollten, auf Grund eben der Gesetze, deren Schutz sie sich weihten zu verfolgen; in Richtern, welche einer Nation den Schutz ihrer Gesetze zum Verbrechen anrechnen, &#x2014; werde ich nicht mehr Richter, sondern &#x2014; und mit mir vielleicht die Nation &#x2014; nur noch <hi rendition="#g">Séiden der Gewalt</hi> erblicken können.</p>
          <p>In strenger Konsequenz dessen und Alles oben Gesagten ist es mir nicht möglich, mich in der gegen mich erhobenen Beschuldigung irgend einem angeblichen richterlichen Verhör zu unterziehen, irgend eine Frage zu beantworten und so die formelle Rechtsbeständigkeit eines gewaltthätigen Verfahrens anzuerkennen und mich zum Complicen einer <hi rendition="#g">Gesetzesverspottung</hi> zu machen. Ich werde in meinem Kerker Alles erdulden, was der Säbel, die Formen des Rechts entweihend, über mich verhangt; ich werde lieber dulden, daß mein Prozeß, indem ich verschmähe, Aufklärungen in faktischer Hinsicht zu geben, welche alle etwaigen Belastungsgründe sof[ort] beseitigen würden, die nachtheiligste Gestalt für mich annehme, als durch Ertheilung von Antworten und sonstiger Vollziehung irgend einer Prozedurförmlichkeit meinerseits eine Rolle in dem Rechtsgaukelspiel übernehmen, welches der Gewalt aufzuführen beliebt. Ich fühle mich hierzu verpflichtet, um nicht meinerseits ein Haar breit von dem Boden meines Rechtes zu weichen, und um den Behörden klar und deutlich die Beschaffenheit unsrer gegenseitigen Lage zum <hi rendition="#g">Bewußtsein zu bringen</hi>.</p>
          <p>Ich kann unmöglich den Rheinischen Justizbehörden die Verlegenheit ersparen, wenn sie die Vertheidigung des Gesetzes zum Verbrechen und den Umsturz desselben zum Recht proklamiren, wenn sie mit dem gesetzlosen Terrorismus von Revolutionstribunalen verfahren wollen, sich auch offen und gleich als solche zu geriren.</p>
          <p>Jedenfalls war es mir Pflicht, den Rheinischen Justizbehörden klar und deutlich die Heuchelei zu entwickeln, welche in einer Fortsetzung einer gesetzlich sein sollenden Prozedur wider mich und Andere auf die oben angegebene Beschuldigung hin nach den neuesten Ereignissen liegen würde, und ihnen die Versicherung zu ertheilen, daß sich die Nation über die Heuchelei dieses Verfahrens nicht täuschen wird.</p>
          <p>Geschrieben im Gefängniß zu Düsseldorf, 11. Dezember 1848 F. <hi rendition="#g">Lassale</hi>.</p>
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          <head><bibl><author>82</author></bibl> Heidelberg, 12. Jan.</head>
          <p>In diesen Tagen bekamen wir hier ein Probeblatt zu Gesicht, mit der vielversprechenden Aufschrift: &#x201E;<hi rendition="#g">Allgemeine Deutsche Arbeiter-Zeitung,</hi>&#x201C; gegründet und herausgegeben im Auftrag des ersten deutschen Arbeiterkongresses in Frankfurt a. M. Verantw. Red.: H. <hi rendition="#g">Nagel</hi>. Nun ist zwar Herr Nagel bis dato noch eine unbekannte Größe, aber der offizielle Charakter der Zeitung berechtigte doch einigermaßen zu Erwartungen. Nie sind aber Erwartungen schlimmer getäuscht worden. Nach einem schlechtgeschriebenen und oberflächlich gedachten Prospekt (in welchem, ohne alle wirklich sozialistischen Prinzipien, die Gewerbeordnung des Frankfurter Kongresses als die einzig mögliche und erforderliche soziale Reform hingestell ist) und einigen anderen Mittheilungen folgt eine Abhandlung über &#x201E;das konstitutionelle System,&#x201C; aus welchem ich einige Stellen Ihren Lesern nicht vorenthalten kann. Es heißt darin u. A.: &#x201E;Wir gehören weder zu den wüthenden Kronenvertilgern, noch zu den Kronenvertheidigern, wir träumen weder von einer spartanischen (!) Republik, noch von einer Universal-Monarchie, es kommt uns nicht darauf an, ob sich das Oberhaupt eines Staates von Gottes oder von Volksgnaden schreibt etc. &#x2014; Soll ein Regent sein Volk glücklich machen, so muß er dessen Macht <hi rendition="#g">repräsentiren</hi> &#x2014; der Fürst soll der Beschützer, der Beglücker, der Vater seiner Völker sein &#x2014; zwischen Fürst und Volk, zwischen Landesvater und Land hat man ein Stück Papier geworfen, das man Konstitution nennt (wörtlich von Friedrich Wilhelm IV.) &#x2014; Volkssouveränetät schreit man (!) überall, das Volk ist souverän, eben weil das Volk souverän ist, muß es ein Organ haben (o! Logik! Dein Name ist Nagel, i. e. vernagelte Logik!) etc. Dem Fürsten ist die Souveränetät vom Volke übertragen (!), aber <hi rendition="#g">er muß diese ungetheilt</hi> besitzen, denn es ist thöricht, einen König zu machen, der kein König ist etc.&#x201C;</p>
          <p>Ohe jam satis!</p>
          <p>Solches spricht die Allgem. Deutsche Arbeiterzeitung, gegründet im Auftrage des ersten deutschen Arbeiterkongresses zu Frankfurt a. M. Wie gefällt Ihnen das?</p>
          <p>Unser Freund, der <hi rendition="#g">Märzverein,</hi> fährt fort, rührende Stylproben zu veröffentlichen, welche mit den ersten Versuchen eines hoffnungsvollen Tertianers täuschende Aehnlichkeit haben. Von den Grundrechten meint er unter Andern, es seien darin über Preßfreiheit, Associationsrecht etc. &#x201E;höchst wohlthätige Bestimmungen getroffen&#x201C;; er glaubt, das Volk empfange seine Freiheit (!), welche die <hi rendition="#g">beste</hi> (!) Mutter der Einheit ist etc. &#x2014; Höchst kindlich frägt er: &#x201E;Wie wäre es, wenn das Volk den 18. Januar (Einführungstag der Grundrechte) durch eine gemeinsame Feier beginge?&#x201C; Wie wäre es, fragen wir, wenn das Volk an dem
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[1059/0001] Neue Rheinische Zeitung Organ der Demokratie. No 195. Köln, Sonntag den 14. Januar. 1849. Bestellungen auf die „Neue Rheinische Zeitung“ für das jetzige Quartal, Januar bis März 1849, wolle man baldigst machen und zwar in Köln bei der Expedition der Zeitung (unter Hutmacher Nr. 17), auswärts bei allen Postanstalten Deutschlands. Für Frankreich übernimmt Abonnements Herr A. Havas, Nr. 3 Rue Jean Jacques Rousseau in Paris und das königl. Oberpostamt in Aachen, für Holland und Belgien: die belgischen Briefpostämter, für Großbritannien: Mr. Thomas, Catherine-Street, Strand in London und das belgische Briefpostamt in Ostende. Durch den Wegfall des Stempels wird der Abonnementspreis ermäßigt und beträgt von jetzt ab für Köln nur 1 Thlr. 7 Sgr. 6 Pf., bei allen preußischen Postanstalten, (das Porto einbegriffen) nur 1 Thlr. 17 Sgr. vierteljährlich; für Abonnenten im übrigen Deutschland tritt ein verhältnißmäßiger Postaufschlag hinzu. Die Redaktion bleibt unverändert. Die bisherigen Monatsgänge der „Neuen Rheinischen Zeitung“ sind ihr Programm. Durch ihre persönlichen Verbindungen mit den Chefs der demokratischen Partei in England, Frankreich, Italien, Belgien und Nordamerika ist die Redaktion in Stand gesetzt, ihren Lesern die politisch-soziale Bewegung des Auslandes richtiger und klarer abzuspiegeln, als irgend ein anderes Blatt. Die „N. Rh. Ztg.“ ist in dieser Beziehung nicht blos das Organ der deutschen, sondern der europäischen Demokratie. Inserate: Die vierspaltige Petitzeile oder deren Raum 1 Sgr. 6 Pf. Anzeigen aller Art erlangen durch die großen Verbindungen unseres Blattes eine sehr weite Verbreitung. Die Gerantur der „Neuen Rheinischen Zeitung.“ Zweite Ausgabe. Die preußische „Reichs“-Post ist abermals aus geblieben!! Deutschland. 068 Köln, 13. Januar. Beifolgendes Memoire Lassalle's an seinen Instruktionsrichter beeilen wir uns, unsern Lesern mitzutheilen: Herr Instruktionsrichter! Die neuesten Ereignisse bestimmen mich, Ihnen folgende Erklärung abzulegen und den unten artikulirten Antrag an Sie zu richten. Ich bin beschuldigt, „durch Reden an öffentlichen Orten und Plakate die Bürger zur Bewaffnung gegen die königl. Gewalt aufge[re]izt und den Bürgerkrieg zu erregen versucht zu haben.“ Art. 87, 91 u. 102 des St. G. B. Wenn es bei meiner Verhaftung noch zweifelhaft sein konnte, ob ich unter Voraussetzung der Wahrheit der Fak[t]a, welche mir die Beschuldigung zur Last legt, mich in meinem Rechte befunden habe, oder nicht, so ist durch die neuesten Ereignisse jeder nur mögliche Zweifel beseitigt, jeder gesetzlich sein wollende Vorwand zu meiner und vieler Anderer Verfolgung unmöglich gemacht. In allen konstitutionellen Staaten ist es selbstredend nicht nur das erste Recht, sondern auch die erste Pflicht des Bürgers, mit den Waffen in der Hand für die Aufrechthaltung der Verfassung gegen jeden gewaltsamen Umsturz derselben einzustehen. Diese Pflicht ist absolut; sie ist ganz eben so vorhanden, wenn das Verbrechen des gewaltsamen Umsturzes der Verfassung von der Regierung, als wenn es vom Volke verübt wird. Die unter einer absoluten Regierungsform entstandenen, und deshalb auch absolut hingestellten Artikel 91 und 87 des Code penal (so weit sie von der bewaffneten Auflehnung gegen die königl. Gewalt und dem Bürgerkrieg handeln) werden daher in jedem konstitutionellen Staate durch diese erste Lebensbedingung eines konstitutionellen Staates modifizirt und nie da anwendbar sein, wo der gewaltsame Umsturz der Verfassung von der Regierung selbst ausgegangen und die Bewaffnung der Bürger gegen die königl. Gewalt nur den Schutz der Verfassung zum Zweck gehabt hat. Ohne die Anerkennung dieses Grundsatzes kann kein konstitutioneller Staat bestehen, da die Regierung eine jede Verfassung bequem und ohne Gefahr konfisciren könnte, wenn die Vertheidigung derselben den Burger zum Verbrecher stempelte. Auch in Preußen ist dies anerkannt durch das Bürgerwehrgesetz vom 17. Oktober d. J., dessen § 1 als Prinzip aufstellt: „Die Bürgerwehr hat die Bestimmung, die verfassungsmäßige Freiheit zu schützen,“ d. h. also natürlich auch, Herr Instruktionsrichter, da der Satz absolut und ohne Einschränkung hingestellt ist, sie gegen einen gewaltsamen Angriff der Regierung selbst zu schützen. Wie dies für die Bürgerwehr als solche eine ausdrückliche gesetzl[i]che Pflicht und Bestimmung ist, so wird es für jeden Bürger ein heiliges Recht und eine Pflicht des Patriotismus sein. Wenn es also außer Zweifel stände, daß von der Regierung ein gewaltsamer Verfassungsumsturz beabsichtigt wurde, so ist die Bewaffnung dagegen, zu der ich provocirt haben soll, statt gegen irgend ein Strafgesetz zu verstoßen, vielmehr ein unveräußerliches Recht, die erste und heiligste Pflicht des Bürgers gewesen. Gegenwärtig aber steht der von Seiten der königl. Gewalt beabsichtigte Umsturz der Verfassung außer Zweifel, denn er ist durch die königl. Patente vom 5. Dez. vollbracht! Wenn Preußen bisheran noch keine vollendete Verfassung hatte, so hatte es bereits doch in aller Form sanktionirte Grundgesetze seiner Verfassung. Als solche „[G]rundgesetze“ waren ausdrücklich in der Gesetzsammsammlung (p. 87) die Gesetze vom 6. April und 8. April d. J. bestimmt worden. Der § 6 des Gesetzes vom 6. April besagte: „Den künftigen Vertretern soll jedenfalls die Zustimmung zu allen Gesetzen zustehen.“ Das Gesetz vom 8. April setzte einen Wahlmodus fest und bestimmte in § 13: „Die auf Grund des gegenwärtigen Gesetzes zusammentretende Versammlung ist berufen, die kunftige Staatsverfassung durch Vereinbarung mit der Krone festzustellen.“ Beide angeführte Grundgesetze der Verfassung — der nicht geringen Zahl anderer nicht zu gedenken — sind durch die vom Könige octroyirte Charte verletzt. Der etwaige Einwand, die Octroyirung sei, da im Art. 112 der neuen Verfassung eine Revision derselben durch die Volksvertretung in Aussicht gestellt ist, nur eine vorüberg[e]hende und keine definitive Maßregel, das definitive Ende sei vielmehr eine Vereinbarung in Form der Revision, ist unwahr. Dieser Einwand wäre dann vielleicht möglich gewesen, wenn die Revision von einem Körper ausgeübt würde, der auf die im Wahlgesetze vom 8. April vorgezeichnete Weise aus dem Volke hervorginge, wenn die Versammlung zur Revision der Verfassung eben so nach dem Wahlmodus vom 8. April zusammenträte, wie die bisherige Vereinbarer-Versammlung. — Dem ist nicht so. Die Revision erfolgt vielmehr in Kammern, und für die erste derselben ist sowohl die Eigenschaft zu wählen als gewählt zu werden an hohe Vermögensbedingungen gebunden. Die Revision also, vorgenommen durch eine Versammlung, deren Zweiheit, deren Entstehungsmodus und Wahlprincipien den bisher bestandenen Gesetzen über Volksvertretung durchaus widerstreben und das bisherige Wahlrecht auf das Wesentlichste beeinträchtigen, kann den gewaltsamen Verfassungsumsturz nicht ausgleichen, sie vermehrt ihn nur, sie macht ihn definitiv. Die revidirende Versammlung, weit entfernt, durch die Revision den Flecken der illegalen Geburt von der Verfassung zu tilgen, muß durch das mit Verletzung des Gesetzes vom 8. April eingeführte Zweikammersystem und durch den mit Verletzung desselben Gesetzes an der Wahlfreiheit begangnen Raub, die materiell-nachtheiligen Folgen der geraubten Freiheit in die Revision selbst hinübertragen und den Verfassungsumsturz so verewigen. Was also vorliegt, ist ein unbezweifelbarer, definitiver Verfassungsumsturz, der, da er sich zu seiner Aufrechthaltung auf die bewaffnete Macht stützt, natürlich auch ein gewaltsamer Umsturz ist. Unter diesen Umständen würde ich es für einen beißenden Spott auf die Gesetze erachten müssen, wenn die oben angeführte Beschuldigung gegen mich und Andere auch nur einen Tag länger festgehalten würde. Was vorliegt, ist eine gewaltsame Aenderung des bisheran bestehenden Rechtszustandes, ist somit eine vom König glücklich vollbrachte Revolution. Es bleibt hiefür gleichgültig, ob diese Revolution, wie man behauptet, eine verzeihliche und gerechtfertigte, ob sie eine heilsame und anerkennenswerthe sei oder nicht; in allen diesen Fällen bliebe sie immer vor wie nach: eine Revolution! Wird man ohne eine schamlose Verhöhnung des Gesetzes mich oder Andere gesetzlich deshalb verfolgen können, weil sie den bestehenden Rechtszustand, die bestehenden Gesetze gegen eine gewaltsame Revolution zu vertheidigen beabsichtigten? Zugegeben selbst — was ich für meine Person weit entfernt bin zuzugeben; doch ist es naturlich, daß ich hier nur von solchen Principien ausgehe, deren Anerkennung ich selbst bei Beamten voraussetzen kann, aber auch bei allen Beamten, die nicht ein gewissenloses Spiel mit dem Gesetze treiben, voraussetzen muß — zugegeben selbst, sage ich, daß die octroyirte Charte, jetzt, wo das Land ihre Verkündung angehört hat, ohne sich zu erheben, jetzt, wo sie ein fait accompli ist, mit dem Rechte einer jeden glücklich vollbrachten Revolution gegenwärtig gesetzliche Geltung habe und einen neuen Rechtszustand bilde, so würde hieraus nur folgen, daß die Strafgesetze auf Diejenigen anwendbar wären, welche von jetzt ab gegen diesen neuen Rechtszustand gegen diesen durch den Erfolg legalisirten Gewaltstreich ihre Waffen kehren, — aber keinesfalls kann das Factum dieser glücklich vollbrachten Revolution rückwirkende Folgen haben; keinesfalls können Diejenigen den Strafgesetzen verfallen sein, welche, ehe diese neue Verfassung ein fait aecompli war, und in Tagen, wo der bisherige Rechtszustand noch factisch wie rechtlich gültig bestand, zur Vertheidigung desselben sich waffneten. Am 18 März hatte das Volk seinerseits eine siegreiche Revolution vollbracht. Wenn das Volk Tags darauf die Soldaten, welche am 18. auf es gefeuert haben, vor ein Richtertribunal geschleppt hätte, würden sich Richter gefunden haben, um in den Formen des Gesetzes diese Soldaten zu verfolgen und zu richten?? Zur Ehre des preußischen Richterstandes hoffe ich: Nein! Denn jene Soldaten waren als Vertheidiger des bis dahin bestehenden Rechtszustandes in ihrem formellen Recht. Und die königliche Gewalt sollte bereitwilligere Richter finden, unter der erheuchelten Form des Rechtes und auf den Vorwand einzelner Gesetze hin, diejenigen zu verfolgen, welche die Basis aller einzelnen Gesetze, die vorhandenen und damals faktisch wie rechtlich gültigen Verfassungsgrundlagen gegen die — damals beabsichtigte und begonnene, jetzt vollbrachte — Revolution der Regierung zu vertheidigen sich anschickten, oder vertheidigt haben??! Die Geschichte zeigt auch ein Beispiel von solchen „rückwirkenden“ Folgen einer Revolution. Als am 10. Aug. 1792 in Paris die Konstitution von 1791 zerschmettert und die Republik geschaffen worden war, wurden diejenigen vor Revolutionstribunale gestellt, welche in dem Kampf des 10. August die damals bestehende Konstitution und das Königthum vertheidigt hatten. Aber man fügte zu der Gewalt nicht die Heuchelei. Man hüllte die Gewaltthat nicht in die gesetzliche Form. Nicht vor die bestehenden Gerichtshöfe schleppte man die Vertheidiger des Königs und der Konstitution! Man schuf freie „Revolutionstribunale.“ In freier offener revolutionärer Form trat man auf. Man erlog keine Gesetzlichkeit. Nicht auf Gesetzesfloskeln, — im Namen des „salut public“ dekretirte man die Todesurtheile! Die preußischen Gerichtshöfe, welche länger mich und Andere unter der Maske des Gesetzes auf Grund dessen verfolgen, daß wir pflichtschuldigst den vorhandenen Rechtszustand gegen einen gewaltthäigen Umsturz zu vertheidigen bereit waren, beflecken sich nicht nur mit ganz derselben Gewalt, welche man an jenen Revolutionstribunalen gerügt hat; sie erkennen nicht nur das Prinzip derselben an und geben somit von richterlichem Forum herab den Völkern eine fürchterliche Lehre; sie machen sich auch noch außerdem der Verächtlichkeit schuldig die Augendienerei der Gewalt in die Formen des Rechtes zu hüllen und den ehrwürdigen Namen des Gesetzes durch ein unwürdiges Gaukelspiel zu entweihen. Mögen die rheinischen Gerichtshöfe sich offen als „Revolutionstribunale“ proklamiren, — und ich bin bereit, sie anzuerkennen und ihnen Rede zu stehen. Revolutionär von Prinzip weiß ich, welche Art von Berechtigung eine siegreiche Macht, wenn sie offen und unverkappt auftritt, beanspruchen darf. Aber ich werde nie ohne Widerspruch dulden können, daß man die sanglanteste Gewalt in der scheinheiligen Form Rechtens verübe, daß man unter der Aegide des Gesetzes selbst das Gesetz zum Verbrechen und das Verbrechen zum Gesetz stempele. Ich werde mich wenigstens nie zum Complicen eines solchen Spieles machen können. Was ich in dem bisheran Gesagten entwickelt habe, faßt sich in die zwei Worte zusammen: Durch den in den Patenten vom 5. und 6. Dez. von der königl. Gewalt vollbrachten oben nachgewiesenen gewaltsamen Verfassungsumsturz, ist es evident geworden, daß diejenigen Bürger, welche auf die Vorspiele zu diesem Umsturz hin, die in den königl. Maßregeln vom 9. Nov. etc. lagen, zu einer Vertheidigung der bestehenden Verfassungsgrundlagen und daher zu einer Bewaffnung gegen die königl. Gewalt zu diesem Zweck provocirt haben, sich in ihrem förmlichen Rechte befanden und nur ihre Bürgerpflicht erfüllt haben. Es kann somit von einer Fortsetzung der Verfolgung gegen mich und Andere auf die Beschuldigung hin: „zur Bewaffnung gegen die königl. Gewalt und zum Bürgerkrieg provocirt zu haben“ ncht die Rede sein. Ich ersuche Sie daher: „der kgl. Rathskammer ungesäumt unter Vorlegung dieses Protestes Bericht abzustatten, damit dieselbe die Zurückweisung der Verfolgung und meine sofortige Freilassung beschließen könne.“ Sollte di[e]s nicht eintreffen, sondern wider alles Erwarten und gesetzliche Möglichkeit die Fortsetzung der Verfolgung beschlossen werden, so finde ich mich genöthigt, Ihnen Folgendes zu erklären: Der Säbel ist zwar der Säbel, aber er ist nie das Recht. In Richtern, welche sich dazu herbeilassen würden, Bürger, deshalb weil sie die Gesetze vertheidigen wollten, auf Grund eben der Gesetze, deren Schutz sie sich weihten zu verfolgen; in Richtern, welche einer Nation den Schutz ihrer Gesetze zum Verbrechen anrechnen, — werde ich nicht mehr Richter, sondern — und mit mir vielleicht die Nation — nur noch Séiden der Gewalt erblicken können. In strenger Konsequenz dessen und Alles oben Gesagten ist es mir nicht möglich, mich in der gegen mich erhobenen Beschuldigung irgend einem angeblichen richterlichen Verhör zu unterziehen, irgend eine Frage zu beantworten und so die formelle Rechtsbeständigkeit eines gewaltthätigen Verfahrens anzuerkennen und mich zum Complicen einer Gesetzesverspottung zu machen. Ich werde in meinem Kerker Alles erdulden, was der Säbel, die Formen des Rechts entweihend, über mich verhangt; ich werde lieber dulden, daß mein Prozeß, indem ich verschmähe, Aufklärungen in faktischer Hinsicht zu geben, welche alle etwaigen Belastungsgründe sof[ort] beseitigen würden, die nachtheiligste Gestalt für mich annehme, als durch Ertheilung von Antworten und sonstiger Vollziehung irgend einer Prozedurförmlichkeit meinerseits eine Rolle in dem Rechtsgaukelspiel übernehmen, welches der Gewalt aufzuführen beliebt. Ich fühle mich hierzu verpflichtet, um nicht meinerseits ein Haar breit von dem Boden meines Rechtes zu weichen, und um den Behörden klar und deutlich die Beschaffenheit unsrer gegenseitigen Lage zum Bewußtsein zu bringen. Ich kann unmöglich den Rheinischen Justizbehörden die Verlegenheit ersparen, wenn sie die Vertheidigung des Gesetzes zum Verbrechen und den Umsturz desselben zum Recht proklamiren, wenn sie mit dem gesetzlosen Terrorismus von Revolutionstribunalen verfahren wollen, sich auch offen und gleich als solche zu geriren. Jedenfalls war es mir Pflicht, den Rheinischen Justizbehörden klar und deutlich die Heuchelei zu entwickeln, welche in einer Fortsetzung einer gesetzlich sein sollenden Prozedur wider mich und Andere auf die oben angegebene Beschuldigung hin nach den neuesten Ereignissen liegen würde, und ihnen die Versicherung zu ertheilen, daß sich die Nation über die Heuchelei dieses Verfahrens nicht täuschen wird. Geschrieben im Gefängniß zu Düsseldorf, 11. Dezember 1848 F. Lassale. 82 Heidelberg, 12. Jan. In diesen Tagen bekamen wir hier ein Probeblatt zu Gesicht, mit der vielversprechenden Aufschrift: „Allgemeine Deutsche Arbeiter-Zeitung,“ gegründet und herausgegeben im Auftrag des ersten deutschen Arbeiterkongresses in Frankfurt a. M. Verantw. Red.: H. Nagel. Nun ist zwar Herr Nagel bis dato noch eine unbekannte Größe, aber der offizielle Charakter der Zeitung berechtigte doch einigermaßen zu Erwartungen. Nie sind aber Erwartungen schlimmer getäuscht worden. Nach einem schlechtgeschriebenen und oberflächlich gedachten Prospekt (in welchem, ohne alle wirklich sozialistischen Prinzipien, die Gewerbeordnung des Frankfurter Kongresses als die einzig mögliche und erforderliche soziale Reform hingestell ist) und einigen anderen Mittheilungen folgt eine Abhandlung über „das konstitutionelle System,“ aus welchem ich einige Stellen Ihren Lesern nicht vorenthalten kann. Es heißt darin u. A.: „Wir gehören weder zu den wüthenden Kronenvertilgern, noch zu den Kronenvertheidigern, wir träumen weder von einer spartanischen (!) Republik, noch von einer Universal-Monarchie, es kommt uns nicht darauf an, ob sich das Oberhaupt eines Staates von Gottes oder von Volksgnaden schreibt etc. — Soll ein Regent sein Volk glücklich machen, so muß er dessen Macht repräsentiren — der Fürst soll der Beschützer, der Beglücker, der Vater seiner Völker sein — zwischen Fürst und Volk, zwischen Landesvater und Land hat man ein Stück Papier geworfen, das man Konstitution nennt (wörtlich von Friedrich Wilhelm IV.) — Volkssouveränetät schreit man (!) überall, das Volk ist souverän, eben weil das Volk souverän ist, muß es ein Organ haben (o! Logik! Dein Name ist Nagel, i. e. vernagelte Logik!) etc. Dem Fürsten ist die Souveränetät vom Volke übertragen (!), aber er muß diese ungetheilt besitzen, denn es ist thöricht, einen König zu machen, der kein König ist etc.“ Ohe jam satis! Solches spricht die Allgem. Deutsche Arbeiterzeitung, gegründet im Auftrage des ersten deutschen Arbeiterkongresses zu Frankfurt a. M. Wie gefällt Ihnen das? Unser Freund, der Märzverein, fährt fort, rührende Stylproben zu veröffentlichen, welche mit den ersten Versuchen eines hoffnungsvollen Tertianers täuschende Aehnlichkeit haben. Von den Grundrechten meint er unter Andern, es seien darin über Preßfreiheit, Associationsrecht etc. „höchst wohlthätige Bestimmungen getroffen“; er glaubt, das Volk empfange seine Freiheit (!), welche die beste (!) Mutter der Einheit ist etc. — Höchst kindlich frägt er: „Wie wäre es, wenn das Volk den 18. Januar (Einführungstag der Grundrechte) durch eine gemeinsame Feier beginge?“ Wie wäre es, fragen wir, wenn das Volk an dem

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Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 2 (Nummer 184 bis Nummer 301) Köln, 1. Januar 1849 bis 19. Mai 1849. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




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Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 195. Köln, 14. Januar 1849. Zweite Ausgabe, S. 1059. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz195ii_1849/1>, abgerufen am 21.11.2024.