Neue Rheinische Zeitung. Nr. 188. Köln, 6. Januar 1849.Neue Rheinische Zeitung Organ der Demokratie. No 188. Köln, Samstag den 6. Januar. 1849. Bestellungen auf die "Neue Rheinische Zeitung" für das jetzige Quartal, Januar bis März 1849, wolle man baldigst machen und zwar in Köln bei der Expedition der Zeitung (unter Hutmacher Nr. 17), auswärts bei allen Postanstalten Deutschlands. Für Frankreich übernimmt Abonnements Herr A. Havas, Nr. 3 Rue Jean Jacques Rousseau in Paris und das königl. Oberpostamt in Aachen. Durch den Wegfall des Stempels wird der Abonnementspreis ermäßigt und beträgt von jetzt ab für Köln nur 1 Thlr. 7 Sgr. 6 Pf., bei allen preußischen Postanstalten, (das Porto einbegriffen) nur 1 Thlr. 17 Sgr. vierteljährlich; für Abonnenten im übrigen Deutschland tritt ein verhältnißmäßiger Postaufschlag hinzu. Die Redaktion bleibt unverändert. Die bisherigen Monatsgänge der "Neuen Rheinischen Zeitung" sind ihr Programm. Durch ihre persönlichen Verbindungen mit den Chefs der demokratischen Partei in England, Frankreich, Italien, Belgien und Nordamerika ist die Redaktion in Stand gesetzt, ihren Lesern die politisch-soziale Bewegung des Auslandes richtiger und klarer abzuspiegeln, als irgend ein anderes Blatt. Die "N. Rh. Ztg." ist in dieser Beziehung nicht blos das Organ der deutschen, sondern der europäischen Demokratie. Inserate: Die vierspaltige Petitzeile oder deren Raum 1 Sgr. 6 Pf. Anzeigen aller Art erlangen durch die großen Verbindungen unseres Blattes eine sehr weite Verbreitung. Die Gerantur der "Neuen Rheinischen Zeitung." Uebersicht. Deutschland. Wien. (Verurtheilungen. -- Preßverfolgung. -- Standrechtliche Korrespondenz aus Leipzig und Hamburg. -- Welden als Klubbist. -- Der §. 1. der Kremsier Grundrechte und Herr Schuselka. -- Die Ruthenisirung. -- Curiosum aus Neapel. -- Verurtheilung. -- Standrechtliches. -- Der Kampf mit Ungarn. -- Welden. -- Herzog Albrecht. -- Neue Heldenthat des starken Ministeriums. -- Der hohe Clerus.) Düsseldorf. (Eine Ausweisung.) Berlin. (Ministerielle Erläuterung des Wortes "selbstständig." -- Eine Wahlbestimmung wegen der Truppen.) Pritzwalk. (Geschichte eines Preußenvereins.) Frankfurt. (Nationalversammlung.) Französische Republik. (Journalschau. -- Pariser Aerzte. -- Simon Bernards Prozeß. -- Arbeiterassociationen. -- Bilanz Frankreichs. -- Louis Napoleon. -- Die Salzsteuer. -- Der Congreß zu Brüssel. -- Debats und Constitutionel. -- Die revolutionären Blätter über Preußen. -- Bilanz Frankreichs. -- Vermischtes. -- National-Versammlung.) Italien. Aus Rom. (Die außerordentliche Steuer und die Stimmung zu Mailand. -- Desertion ungarischer Truppen nach Piemont. -- Toskana's Vertretung beim Brüsseler Congreß. -- Vertagung der Turiner Kammer. -- Handelsverbot Radetzki's.) Spanien. Madrid. (Der Adreßentwurf.) Amerika. Liverpool. (Eine neue Goldregion entdeckt. -- Das Parktheater abgebrannt.) New-York. (Elektrotelegraphen.) Deutschland. 14 Wien, 31. Dez. Theodor Ganz, vom Infanterieregiment Deutschmeister, ist "in Erwägung seines sehr beschränkten Verstandes" (wörtlich) zu 10jähriger Schanzarbeit in schwerem Eisen, Bartholomäus Hofstätter aber "wegen hartnäckig beharrlicher Theilnahme an dem bewaffneten Aufruhr" zu sechsjährigem schwerem Kerker verurtheilt worden. Der Einwand, daß Reichstag und Gemeinderath den bewaffneten Widerstand nicht nur gutgeheißen, sondern dazu aufgefordert haben, wird von unsern Henkern natürlich gänzlich ignorirt. Wie mögen diese Scheusale, mit denen die französischen Bourgeois in so brüderlicher entente cordiale stehen, erst in dem armen, erbarmungslos hingewürgten Ungarn verfahren, um welches sich Niemand kümmert! -- Gegen den Redakteur und Herausgeber des Villacher Volksblatts ist ein Preßprozeß eingeleitet, und es findet nun eine unbeschreibliche Aufhetzung der Geschwornen zur Verurtheilung dieser "Individuen" in den hiesigen Standrechtsblättern statt, die bei der bekannten Gesinnung der österreichischen Bourgeoisie natürlich nicht ausbleiben wird. Um den Folgen der "irreleitenden Presse" wirksam zu begegnen, hat der Ritter Friedrich von Mites es unternommen, einen Verein zur Verbreitung als empfehlungswürdig anerkannter Schriften (Gebet-, Erbauungs- und Kinderbücher, oder wenn's hoch kommt, Abhandlungen z. B. über die beste Zubereitung von Käse, Siegellack u. dgl.) im Bereich der "Gesammtmonarchie" in's Leben zu rufen. -- Mit Jubel wird aus Leipzig gemeldet: "Die Individuen, welche das Wappen des hiesigen österr. General-Konsulates abgerissen und demolirt haben, sind in erster Instanz zu 10jähriger Zuchthausstrafe verurtheilt worden. (Also selbst die Leipziger Richter stehen unter dem Einfluß unseres windischgrätzischen Standrechts!) Dann aber folgt: "Die Landtagswahlen sind in den meisten Bezirken beendigt, das Resultat ist leider für alle Freunde der Ordnung, Gesetzlichkeit und des überlegten Fortschritts (aus dem neuesten Staatslexikon des Henker-Mandarinenthums) sehr niederschlagend; denn sämmtliche Wahlen sind wohl zu [unleserliches Material]/4 auf entschieden Radikale und Republikaner gefallen." (Lloyd.) Die Berichte aus Berlin halten denselben Tenor. Ueberhaupt reisen die östreichischen offiziellen Spione in halb Europa herum, um dann meist zu berichten, welchen Respekt alle Völker vor dem "jugendlichen" Dalai-Lama haben. Wenn sie etwas entschieden Antidemokratisches aufschnappen, so wird es stets mit gesperrter Schrift abgedruckt. Als z. B. in der konstituirenden Versammlung Hamburgs der Eid durchgegangen war, schrieb der dortige Spion v. Pretis sofort: "So ist die Versammlung gehindert, die Regierungsgewalt in die Hände zu nehmen und sich zu einem Konvent aufzuwerfen." Mit allen Mitteln wird überall dahin gearbeitet, die Regierungen Deutschlands im Metternichschen Schlepptau zu halten, und jedes Abweichen vom östreichischen Dalai-Lamismus zu verhindern. Auch fährt man fort, die fremden Blätter mit offiziellen Aufsätzen zu überfluthen und wenn man einmal in einem französischen Blatte einen östreichisch klingenden (d. h. idiotischen) Artikel findet, so wird er hier sofort hundertmal fettgedruckt in allen Blättern der Gesammtmonarchie aufgetischt. Diese Ehre widerfuhr zuletzt noch einem abgeschmackten Aufsatze der Opinion publique vom 23. Dezember. -- Die Kaiserin-Mutter will sich mit ihrem dienstthuenden Hofrath und einigen Loyolanern in Prag niederlassen; ebenso der Verräther der Magyaren: Erzherzog Stephan. Holbein, ein Literat von dem Verdienste der Saphir und Bäuerle, hat die oberste Leitung des Hofburgtheaters erhalten und wird viele chinesische Mährchen darin aufführen lassen. -- Daß ein Pariser Schneider den Ludwig Bonaparte bereits als Kaiser anerkannt hat, wird heute mit unbeschreiblichem Jubel durch die hiesigen Blätter verbreitet. Es ist standrechtlich untersagt, zu denken, daß das französische Volk ohne kaiserlich-königlichen Götzen zu athmen vermöge. Man beeilt sich darum in Olmutz, den Pariser Schneiderwitz vor Oestreichs Gesammtochsen als den Ausdruck des französischen Volkes darzustellen. 121 Wien, 31. Dezbr. Während es in Olmütz fortwährend standrechtlich bestellte Loyalitäts-Adressen und Deputationen regnet, läßt Frau Sophie sich über die neuliche Kundmachung des Klubbisten Welden also vernehmen: "Daß ein abermaliger Ausbruch, wiewohl er natürlich nicht die kleinste Möglichkeit eines auch nur augenblicklichen Erfolgs haben kann, doch einen traurigen Rückschlag nicht nur auf die Zustände der schwer geprüften Stadt, sondern auf die freiheitliche Gestaltung (da ist der Pferdefuß!) des Staates ausüben würde, sieht wohl jeder ein. Daß unter solchen Umständen von einer Aufhebung des Belagerungszustandes in nächster Zukunft, nicht die Rede sein könne, ist wohl natürlich." Welden wird der Frau Sophie zu Liebe noch manchen Klub durch die Polizei erfinden lassen. So läßt er gestern das Gerücht verbreiten, am Dienstag würde die Bank, wider welche die Regierungsblätter selbst das Volk aufgehetzt haben, erstürmt. Ich bin der festen Ueberzeugung, daß dieser Welden um des ewigen Standrechts willen, in den nächsten Tagen in der That einen Krawall veranlassen wird, dessen Folgen bei der plump-blutdürstigen Wuth dieser Bestie nicht abzusehen sind. Man ist in Olmütz sehr aufgebracht gegen §. 1 der kremsier Grundrechte, welche lauten: "Alle Staatsgewalten gehen vom Volke aus, und werden auf die in der Konstitution festgesetzte Weise ausgeübt." Olmütz ruft daher den Reichstagsleuten zu: "Weder die Monarchie, noch der Monarch sind überhaupt vom Volke kreirt worden. Der Kaiser von Oesterreich ist, besteht, lebt, wer will ihm die Macht entwinden? In der konstitutionellen Monarchie ist das Volk nicht souverain." Schuselka, der durchaus ein Amt haben will, hat versprochen, den §. 1 zu beseitigen. -- Die Zeitungen sind voll langer Aufsätze über ruthenische Zustände. Ich habe Ihnen geschrieben, was es damit für ein Bewenden hat. Diese Ruthenisirung (Germanisirung) der Polen wird selbst von den czechischen Blättern verdammt. So sagt die "Slowanska lipa" vom 18.: "Die ruthenische Hauptversammlung verlangt die Einführung der deutschen Sprache in die Schulen, mit Ausschluß der eigenen Muttersprache, die studirende Jugend selbst verlangt die polnische Unterrichtssprache, alle gelehrten Ruthenen sind polnisirt, die jüngere Geistlichkeit sehnt sich nach der polnischen Nationalität und folgt der ruthenischen blos aus Gehorsam gegen die absolute Gewalt ihres Konsistoriums." (österr. Büttelstall!) So sprechen die Feinde der Polen. Man ruthenisirt in Galizien, wie man in Posen verpreußte, mit Höllenstein und Schrapnells. Ist Ihnen folgendes Kuriosum, das ein hiesiges Standrechtsblatt mittheilt, schon bekannt geworden? Es lautet: "Neapel, 14. Dezember. Drei Kouriere langten im Laufe dieser Woche aus St. Petersburg an, und einer derselben war Ueberbringer eines eigenhändigen Briefes des Kaisers von Rußland [Fortsetzung] Leben und Thaten des berühmten Ritters Schnapphahnski. Drittes Buch. -- Kapitel II. Ehe wir unserm Ritter auf dem dornenvollen Pfade der Politik folgen, müssen wir noch eine Episode seines Lebens berühren, die zu merkwürdig ist, als daß sie übergangen werden dürfte. Es thut uns nur leid, daß wir etwas weit von dem bisherigen Schauplatz der Begebenheiten abschweifen müssen. Schon einmal begleiteten wir unsern Helden bis nach Spanien; heute müssen wir ihm nach Italien folgen. Damals begleiteten wir ihn bis in das Leihhaus von Pampeluna; heute folgen wir ihm bis zu den Füßen des heiligen Vaters. Wir haben nämlich nichts mehr und nichts weniger zu erzählen als die Römerfahrt unsres Ritters. Alle großen Sünder verrauschter Jahrhunderte hielten es für ihre Pflicht, wenigstens einmal im Leben, wenn auch nicht nach dem heiligen Grabe, so doch nach Rom zu wallfahrten, um dort von allen Skrupeln erlöst, desto ruhiger in einen neuen Sündenabschnitt ihres Lebens hineinzusteuern. Jede Zeit hatte ihre Sitte; so auch die damalige. Die Griechen brachten den Göttern Hekatomben; das Mittelalter pilgerte nach Rom; wir sündigen Menschen der Jetztzeit pilgern höchstens nach Paris. Nach Paris dem welschen Babylon! Nach der heiligen Stadt der schönen Babylonierinnen! Auf den Boulevards zu spazieren, zu tanzen in den Champs Elisees, und zu Mittag zu speisen bei Very für 48 Fr. -- O welches Vergnügen! Wie ein Araber in Mecca, wenn er die Arme kreuzend und blumenreiche Gebete murmelnd in die heilige Kaaba tritt, so trat ich Mabille in Deinen Garten und neigte mich, o Babylon, vor Deinen Frauen! Die Rosen dufteten, die Seide rauschte "Hörner Pauken und Trompeten Tönten jubelnd die Fanfare Und wir riefen Alle: Heil! Heil der Königin Pomare!" Herr von Schnapphahnski hielt aber fest an den Sitten der Väter; Se. Hochgeboren waren ein guter Katholik -- Niemand wird ihm dies verdenken. Die protestantische Religion ist eine Religion für Kaufleute und Fabrikanten -- -- Herr von Schnapphahnski war weder Kaufmann noch Fabrikant, sondern, wie gesagt, ein guter Katholik. Nichtsdestoweniger machte er aber von Zeit zu Zeit seine Bilanz, d. h. seine geistige, oder Seelen-Bilanz, indem er sich dann jedes Mal den Saldo seiner Sünden von der guten Mutter Kirche quittiren ließ. Eine materielle Bilanz brauchte der Ritter um so weniger zu machen, da ja die Herzogin von S. seine sämmtlichen Schulden bezahlt hatte. Mit der geistigen oder Seelen-Bilanz unseres Helden sah es diesmal schlimm aus. Der edle Ritter hatte viel auf dem Herzen. Seit mehreren Jahren hatte er die Sünden-Conti seines Gewissens nicht abgeschlossen, und wenn er die Folio-Seiten seines Gedächtnisses durchblätterte, so fand er nur gar zu viele dittos in seinem Debet -- höchst wenige im Kredit. Unser Ritter ging daher eines Tages sehr ernstlich mit sich zu Rathe; er zerbrach fünf Federmesser und er zerschnitt zehn Bleistifte. Nachdem er aber die fünf Federmesser zerbrochen und die zehn Bleistifte zerschnitten hatte, schnitt er mit dem sechsten Federmesser den eilften Bleistift, und entwarf die folgende: Geistige oder Seelen-Bilanz
Neue Rheinische Zeitung Organ der Demokratie. No 188. Köln, Samstag den 6. Januar. 1849. Bestellungen auf die „Neue Rheinische Zeitung“ für das jetzige Quartal, Januar bis März 1849, wolle man baldigst machen und zwar in Köln bei der Expedition der Zeitung (unter Hutmacher Nr. 17), auswärts bei allen Postanstalten Deutschlands. Für Frankreich übernimmt Abonnements Herr A. Havas, Nr. 3 Rue Jean Jacques Rousseau in Paris und das königl. Oberpostamt in Aachen. Durch den Wegfall des Stempels wird der Abonnementspreis ermäßigt und beträgt von jetzt ab für Köln nur 1 Thlr. 7 Sgr. 6 Pf., bei allen preußischen Postanstalten, (das Porto einbegriffen) nur 1 Thlr. 17 Sgr. vierteljährlich; für Abonnenten im übrigen Deutschland tritt ein verhältnißmäßiger Postaufschlag hinzu. Die Redaktion bleibt unverändert. Die bisherigen Monatsgänge der „Neuen Rheinischen Zeitung“ sind ihr Programm. Durch ihre persönlichen Verbindungen mit den Chefs der demokratischen Partei in England, Frankreich, Italien, Belgien und Nordamerika ist die Redaktion in Stand gesetzt, ihren Lesern die politisch-soziale Bewegung des Auslandes richtiger und klarer abzuspiegeln, als irgend ein anderes Blatt. Die „N. Rh. Ztg.“ ist in dieser Beziehung nicht blos das Organ der deutschen, sondern der europäischen Demokratie. Inserate: Die vierspaltige Petitzeile oder deren Raum 1 Sgr. 6 Pf. Anzeigen aller Art erlangen durch die großen Verbindungen unseres Blattes eine sehr weite Verbreitung. Die Gerantur der „Neuen Rheinischen Zeitung.“ Uebersicht. Deutschland. Wien. (Verurtheilungen. — Preßverfolgung. — Standrechtliche Korrespondenz aus Leipzig und Hamburg. — Welden als Klubbist. — Der §. 1. der Kremsier Grundrechte und Herr Schuselka. — Die Ruthenisirung. — Curiosum aus Neapel. — Verurtheilung. — Standrechtliches. — Der Kampf mit Ungarn. — Welden. — Herzog Albrecht. — Neue Heldenthat des starken Ministeriums. — Der hohe Clerus.) Düsseldorf. (Eine Ausweisung.) Berlin. (Ministerielle Erläuterung des Wortes „selbstständig.“ — Eine Wahlbestimmung wegen der Truppen.) Pritzwalk. (Geschichte eines Preußenvereins.) Frankfurt. (Nationalversammlung.) Französische Republik. (Journalschau. — Pariser Aerzte. — Simon Bernards Prozeß. — Arbeiterassociationen. — Bilanz Frankreichs. — Louis Napoleon. — Die Salzsteuer. — Der Congreß zu Brüssel. — Debats und Constitutionel. — Die revolutionären Blätter über Preußen. — Bilanz Frankreichs. — Vermischtes. — National-Versammlung.) Italien. Aus Rom. (Die außerordentliche Steuer und die Stimmung zu Mailand. — Desertion ungarischer Truppen nach Piemont. — Toskana's Vertretung beim Brüsseler Congreß. — Vertagung der Turiner Kammer. — Handelsverbot Radetzki's.) Spanien. Madrid. (Der Adreßentwurf.) Amerika. Liverpool. (Eine neue Goldregion entdeckt. — Das Parktheater abgebrannt.) New-York. (Elektrotelegraphen.) Deutschland. 14 Wien, 31. Dez. Theodor Ganz, vom Infanterieregiment Deutschmeister, ist „in Erwägung seines sehr beschränkten Verstandes“ (wörtlich) zu 10jähriger Schanzarbeit in schwerem Eisen, Bartholomäus Hofstätter aber „wegen hartnäckig beharrlicher Theilnahme an dem bewaffneten Aufruhr“ zu sechsjährigem schwerem Kerker verurtheilt worden. Der Einwand, daß Reichstag und Gemeinderath den bewaffneten Widerstand nicht nur gutgeheißen, sondern dazu aufgefordert haben, wird von unsern Henkern natürlich gänzlich ignorirt. Wie mögen diese Scheusale, mit denen die französischen Bourgeois in so brüderlicher entente cordiale stehen, erst in dem armen, erbarmungslos hingewürgten Ungarn verfahren, um welches sich Niemand kümmert! — Gegen den Redakteur und Herausgeber des Villacher Volksblatts ist ein Preßprozeß eingeleitet, und es findet nun eine unbeschreibliche Aufhetzung der Geschwornen zur Verurtheilung dieser „Individuen“ in den hiesigen Standrechtsblättern statt, die bei der bekannten Gesinnung der österreichischen Bourgeoisie natürlich nicht ausbleiben wird. Um den Folgen der „irreleitenden Presse“ wirksam zu begegnen, hat der Ritter Friedrich von Mites es unternommen, einen Verein zur Verbreitung als empfehlungswürdig anerkannter Schriften (Gebet-, Erbauungs- und Kinderbücher, oder wenn's hoch kommt, Abhandlungen z. B. über die beste Zubereitung von Käse, Siegellack u. dgl.) im Bereich der „Gesammtmonarchie“ in's Leben zu rufen. — Mit Jubel wird aus Leipzig gemeldet: „Die Individuen, welche das Wappen des hiesigen österr. General-Konsulates abgerissen und demolirt haben, sind in erster Instanz zu 10jähriger Zuchthausstrafe verurtheilt worden. (Also selbst die Leipziger Richter stehen unter dem Einfluß unseres windischgrätzischen Standrechts!) Dann aber folgt: „Die Landtagswahlen sind in den meisten Bezirken beendigt, das Resultat ist leider für alle Freunde der Ordnung, Gesetzlichkeit und des überlegten Fortschritts (aus dem neuesten Staatslexikon des Henker-Mandarinenthums) sehr niederschlagend; denn sämmtliche Wahlen sind wohl zu [unleserliches Material]/4 auf entschieden Radikale und Republikaner gefallen.“ (Lloyd.) Die Berichte aus Berlin halten denselben Tenor. Ueberhaupt reisen die östreichischen offiziellen Spione in halb Europa herum, um dann meist zu berichten, welchen Respekt alle Völker vor dem „jugendlichen“ Dalai-Lama haben. Wenn sie etwas entschieden Antidemokratisches aufschnappen, so wird es stets mit gesperrter Schrift abgedruckt. Als z. B. in der konstituirenden Versammlung Hamburgs der Eid durchgegangen war, schrieb der dortige Spion v. Pretis sofort: „So ist die Versammlung gehindert, die Regierungsgewalt in die Hände zu nehmen und sich zu einem Konvent aufzuwerfen.“ Mit allen Mitteln wird überall dahin gearbeitet, die Regierungen Deutschlands im Metternichschen Schlepptau zu halten, und jedes Abweichen vom östreichischen Dalai-Lamismus zu verhindern. Auch fährt man fort, die fremden Blätter mit offiziellen Aufsätzen zu überfluthen und wenn man einmal in einem französischen Blatte einen östreichisch klingenden (d. h. idiotischen) Artikel findet, so wird er hier sofort hundertmal fettgedruckt in allen Blättern der Gesammtmonarchie aufgetischt. Diese Ehre widerfuhr zuletzt noch einem abgeschmackten Aufsatze der Opinion publique vom 23. Dezember. — Die Kaiserin-Mutter will sich mit ihrem dienstthuenden Hofrath und einigen Loyolanern in Prag niederlassen; ebenso der Verräther der Magyaren: Erzherzog Stephan. Holbein, ein Literat von dem Verdienste der Saphir und Bäuerle, hat die oberste Leitung des Hofburgtheaters erhalten und wird viele chinesische Mährchen darin aufführen lassen. — Daß ein Pariser Schneider den Ludwig Bonaparte bereits als Kaiser anerkannt hat, wird heute mit unbeschreiblichem Jubel durch die hiesigen Blätter verbreitet. Es ist standrechtlich untersagt, zu denken, daß das französische Volk ohne kaiserlich-königlichen Götzen zu athmen vermöge. Man beeilt sich darum in Olmutz, den Pariser Schneiderwitz vor Oestreichs Gesammtochsen als den Ausdruck des französischen Volkes darzustellen. 121 Wien, 31. Dezbr. Während es in Olmütz fortwährend standrechtlich bestellte Loyalitäts-Adressen und Deputationen regnet, läßt Frau Sophie sich über die neuliche Kundmachung des Klubbisten Welden also vernehmen: „Daß ein abermaliger Ausbruch, wiewohl er natürlich nicht die kleinste Möglichkeit eines auch nur augenblicklichen Erfolgs haben kann, doch einen traurigen Rückschlag nicht nur auf die Zustände der schwer geprüften Stadt, sondern auf die freiheitliche Gestaltung (da ist der Pferdefuß!) des Staates ausüben würde, sieht wohl jeder ein. Daß unter solchen Umständen von einer Aufhebung des Belagerungszustandes in nächster Zukunft, nicht die Rede sein könne, ist wohl natürlich.“ Welden wird der Frau Sophie zu Liebe noch manchen Klub durch die Polizei erfinden lassen. So läßt er gestern das Gerücht verbreiten, am Dienstag würde die Bank, wider welche die Regierungsblätter selbst das Volk aufgehetzt haben, erstürmt. Ich bin der festen Ueberzeugung, daß dieser Welden um des ewigen Standrechts willen, in den nächsten Tagen in der That einen Krawall veranlassen wird, dessen Folgen bei der plump-blutdürstigen Wuth dieser Bestie nicht abzusehen sind. Man ist in Olmütz sehr aufgebracht gegen §. 1 der kremsier Grundrechte, welche lauten: „Alle Staatsgewalten gehen vom Volke aus, und werden auf die in der Konstitution festgesetzte Weise ausgeübt.“ Olmütz ruft daher den Reichstagsleuten zu: „Weder die Monarchie, noch der Monarch sind überhaupt vom Volke kreirt worden. Der Kaiser von Oesterreich ist, besteht, lebt, wer will ihm die Macht entwinden? In der konstitutionellen Monarchie ist das Volk nicht souverain.“ Schuselka, der durchaus ein Amt haben will, hat versprochen, den §. 1 zu beseitigen. — Die Zeitungen sind voll langer Aufsätze über ruthenische Zustände. Ich habe Ihnen geschrieben, was es damit für ein Bewenden hat. Diese Ruthenisirung (Germanisirung) der Polen wird selbst von den czechischen Blättern verdammt. So sagt die „Slowanska lipa“ vom 18.: „Die ruthenische Hauptversammlung verlangt die Einführung der deutschen Sprache in die Schulen, mit Ausschluß der eigenen Muttersprache, die studirende Jugend selbst verlangt die polnische Unterrichtssprache, alle gelehrten Ruthenen sind polnisirt, die jüngere Geistlichkeit sehnt sich nach der polnischen Nationalität und folgt der ruthenischen blos aus Gehorsam gegen die absolute Gewalt ihres Konsistoriums.“ (österr. Büttelstall!) So sprechen die Feinde der Polen. Man ruthenisirt in Galizien, wie man in Posen verpreußte, mit Höllenstein und Schrapnells. Ist Ihnen folgendes Kuriosum, das ein hiesiges Standrechtsblatt mittheilt, schon bekannt geworden? Es lautet: „Neapel, 14. Dezember. Drei Kouriere langten im Laufe dieser Woche aus St. Petersburg an, und einer derselben war Ueberbringer eines eigenhändigen Briefes des Kaisers von Rußland [Fortsetzung] Leben und Thaten des berühmten Ritters Schnapphahnski. Drittes Buch. — Kapitel II. Ehe wir unserm Ritter auf dem dornenvollen Pfade der Politik folgen, müssen wir noch eine Episode seines Lebens berühren, die zu merkwürdig ist, als daß sie übergangen werden dürfte. Es thut uns nur leid, daß wir etwas weit von dem bisherigen Schauplatz der Begebenheiten abschweifen müssen. Schon einmal begleiteten wir unsern Helden bis nach Spanien; heute müssen wir ihm nach Italien folgen. Damals begleiteten wir ihn bis in das Leihhaus von Pampeluna; heute folgen wir ihm bis zu den Füßen des heiligen Vaters. Wir haben nämlich nichts mehr und nichts weniger zu erzählen als die Römerfahrt unsres Ritters. Alle großen Sünder verrauschter Jahrhunderte hielten es für ihre Pflicht, wenigstens einmal im Leben, wenn auch nicht nach dem heiligen Grabe, so doch nach Rom zu wallfahrten, um dort von allen Skrupeln erlöst, desto ruhiger in einen neuen Sündenabschnitt ihres Lebens hineinzusteuern. Jede Zeit hatte ihre Sitte; so auch die damalige. Die Griechen brachten den Göttern Hekatomben; das Mittelalter pilgerte nach Rom; wir sündigen Menschen der Jetztzeit pilgern höchstens nach Paris. Nach Paris dem welschen Babylon! Nach der heiligen Stadt der schönen Babylonierinnen! Auf den Boulevards zu spazieren, zu tanzen in den Champs Elisées, und zu Mittag zu speisen bei Very für 48 Fr. — O welches Vergnügen! Wie ein Araber in Mecca, wenn er die Arme kreuzend und blumenreiche Gebete murmelnd in die heilige Kaaba tritt, so trat ich Mabille in Deinen Garten und neigte mich, o Babylon, vor Deinen Frauen! Die Rosen dufteten, die Seide rauschte „Hörner Pauken und Trompeten Tönten jubelnd die Fanfare Und wir riefen Alle: Heil! Heil der Königin Pomare!“ Herr von Schnapphahnski hielt aber fest an den Sitten der Väter; Se. Hochgeboren waren ein guter Katholik — Niemand wird ihm dies verdenken. Die protestantische Religion ist eine Religion für Kaufleute und Fabrikanten — — Herr von Schnapphahnski war weder Kaufmann noch Fabrikant, sondern, wie gesagt, ein guter Katholik. Nichtsdestoweniger machte er aber von Zeit zu Zeit seine Bilanz, d. h. seine geistige, oder Seelen-Bilanz, indem er sich dann jedes Mal den Saldo seiner Sünden von der guten Mutter Kirche quittiren ließ. Eine materielle Bilanz brauchte der Ritter um so weniger zu machen, da ja die Herzogin von S. seine sämmtlichen Schulden bezahlt hatte. Mit der geistigen oder Seelen-Bilanz unseres Helden sah es diesmal schlimm aus. Der edle Ritter hatte viel auf dem Herzen. Seit mehreren Jahren hatte er die Sünden-Conti seines Gewissens nicht abgeschlossen, und wenn er die Folio-Seiten seines Gedächtnisses durchblätterte, so fand er nur gar zu viele dittos in seinem Debet — höchst wenige im Kredit. Unser Ritter ging daher eines Tages sehr ernstlich mit sich zu Rathe; er zerbrach fünf Federmesser und er zerschnitt zehn Bleistifte. Nachdem er aber die fünf Federmesser zerbrochen und die zehn Bleistifte zerschnitten hatte, schnitt er mit dem sechsten Federmesser den eilften Bleistift, und entwarf die folgende: Geistige oder Seelen-Bilanz
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B. über die beste Zubereitung von Käse, Siegellack u. dgl.) im Bereich der „Gesammtmonarchie“ in's Leben zu rufen. — Mit Jubel wird aus Leipzig gemeldet: „Die <hi rendition="#g">Individuen,</hi> welche das Wappen des hiesigen österr. General-Konsulates abgerissen und demolirt haben, sind in erster Instanz zu 10jähriger Zuchthausstrafe verurtheilt worden. (Also selbst die Leipziger Richter stehen unter dem Einfluß unseres windischgrätzischen Standrechts!) Dann aber folgt: „Die Landtagswahlen sind in den meisten Bezirken beendigt, das Resultat ist leider für alle Freunde der Ordnung, Gesetzlichkeit und des <hi rendition="#g">überlegten Fortschritts</hi> (aus dem neuesten Staatslexikon des Henker-Mandarinenthums) sehr niederschlagend; denn sämmtliche Wahlen sind wohl zu <gap reason="illegible"/>/4 auf entschieden Radikale und Republikaner gefallen.“ (Lloyd.)</p> <p>Die Berichte aus Berlin halten denselben Tenor. Ueberhaupt reisen die östreichischen offiziellen Spione in halb Europa herum, um dann meist zu berichten, welchen Respekt alle Völker vor dem „jugendlichen“ Dalai-Lama haben. Wenn sie etwas entschieden Antidemokratisches aufschnappen, so wird es stets mit gesperrter Schrift abgedruckt. Als z. B. in der konstituirenden Versammlung Hamburgs der Eid durchgegangen war, schrieb der dortige Spion v. <hi rendition="#g">Pretis</hi> sofort: „So ist die Versammlung gehindert, die Regierungsgewalt in die Hände zu nehmen und sich zu einem Konvent aufzuwerfen.“ Mit allen Mitteln wird überall dahin gearbeitet, die Regierungen Deutschlands im Metternichschen Schlepptau zu halten, und jedes Abweichen vom östreichischen Dalai-Lamismus zu verhindern. Auch fährt man fort, die fremden Blätter mit offiziellen Aufsätzen zu überfluthen und wenn man einmal in einem französischen Blatte einen östreichisch klingenden (d. h. idiotischen) Artikel findet, so wird er hier sofort hundertmal fettgedruckt in allen Blättern der Gesammtmonarchie aufgetischt. Diese Ehre widerfuhr zuletzt noch einem abgeschmackten Aufsatze der Opinion publique vom 23. Dezember. — Die Kaiserin-Mutter will sich mit ihrem dienstthuenden Hofrath und einigen Loyolanern in Prag niederlassen; ebenso der Verräther der Magyaren: Erzherzog Stephan. Holbein, ein Literat von dem Verdienste der Saphir und Bäuerle, hat die oberste Leitung des Hofburgtheaters erhalten und wird viele chinesische Mährchen darin aufführen lassen. — Daß ein Pariser Schneider den Ludwig Bonaparte bereits als Kaiser anerkannt hat, wird heute mit unbeschreiblichem Jubel durch die hiesigen Blätter verbreitet. Es ist standrechtlich untersagt, zu denken, daß das französische Volk ohne kaiserlich-königlichen Götzen zu athmen vermöge. Man beeilt sich darum in Olmutz, den Pariser Schneiderwitz vor Oestreichs Gesammtochsen als den Ausdruck des französischen Volkes darzustellen.</p> </div> <div xml:id="ar188_002" type="jArticle"> <head><bibl><author>121</author></bibl> Wien, 31. Dezbr.</head> <p>Während es in Olmütz fortwährend standrechtlich bestellte Loyalitäts-Adressen und Deputationen regnet, läßt Frau Sophie sich über die neuliche Kundmachung des Klubbisten Welden also vernehmen: „Daß ein abermaliger Ausbruch, wiewohl er natürlich nicht die kleinste Möglichkeit eines auch nur augenblicklichen Erfolgs haben kann, doch einen traurigen Rückschlag nicht nur auf die Zustände der schwer geprüften Stadt, sondern auf die <hi rendition="#g">freiheitliche Gestaltung</hi> (da ist der Pferdefuß!) des Staates ausüben würde, sieht wohl jeder ein. Daß unter solchen Umständen von einer Aufhebung des Belagerungszustandes in nächster Zukunft, nicht die Rede sein könne, ist wohl natürlich.“</p> <p>Welden wird der Frau Sophie zu Liebe noch manchen Klub durch die Polizei erfinden lassen. So läßt er gestern das Gerücht verbreiten, am Dienstag würde die Bank, wider welche die Regierungsblätter selbst das Volk aufgehetzt haben, erstürmt. Ich bin der festen Ueberzeugung, daß dieser Welden um des ewigen Standrechts willen, in den nächsten Tagen in der That einen Krawall veranlassen wird, dessen Folgen bei der plump-blutdürstigen Wuth dieser Bestie nicht abzusehen sind.</p> <p>Man ist in Olmütz sehr aufgebracht gegen §. 1 der kremsier Grundrechte, welche lauten: „Alle Staatsgewalten gehen vom Volke aus, und werden auf die in der Konstitution festgesetzte Weise ausgeübt.“ Olmütz ruft daher den Reichstagsleuten zu: „Weder die Monarchie, noch der Monarch sind überhaupt vom Volke kreirt worden. Der Kaiser von Oesterreich <hi rendition="#g">ist, besteht, lebt</hi>, wer will ihm die Macht entwinden? In der konstitutionellen Monarchie ist das Volk <hi rendition="#g">nicht</hi> souverain.“ Schuselka, der durchaus ein Amt haben will, hat versprochen, den §. 1 zu beseitigen. — Die Zeitungen sind voll langer Aufsätze über ruthenische Zustände. Ich habe Ihnen geschrieben, was es damit für ein Bewenden hat. Diese Ruthenisirung (Germanisirung) der Polen wird selbst von den czechischen Blättern verdammt. So sagt die „Slowanska lipa“ vom 18.:</p> <p>„Die ruthenische Hauptversammlung verlangt die Einführung der <hi rendition="#g">deutschen</hi> Sprache in die Schulen, mit Ausschluß der eigenen Muttersprache, die studirende Jugend selbst verlangt die <hi rendition="#g">polnische</hi> Unterrichtssprache, alle gelehrten Ruthenen sind polnisirt, die jüngere Geistlichkeit sehnt sich nach der polnischen Nationalität und folgt der ruthenischen blos aus Gehorsam gegen die absolute Gewalt ihres Konsistoriums.“ (österr. Büttelstall!)</p> <p>So sprechen die Feinde der Polen. Man ruthenisirt in Galizien, wie man in Posen verpreußte, mit Höllenstein und Schrapnells.</p> <p>Ist Ihnen folgendes Kuriosum, das ein hiesiges Standrechtsblatt mittheilt, schon bekannt geworden? Es lautet:</p> <p>„<hi rendition="#g">Neapel</hi>, 14. Dezember. Drei Kouriere langten im Laufe dieser Woche aus St. Petersburg an, und einer derselben war Ueberbringer eines eigenhändigen Briefes des Kaisers von Rußland <ref type="link_fsg">[Fortsetzung]</ref> </p> </div> </div> <div type="jFeuilleton" n="1"> <div xml:id="ar188_003" type="jArticle"> <head>Leben und Thaten des berühmten Ritters Schnapphahnski.</head> <p> <hi rendition="#g">Drittes Buch. — Kapitel II.</hi> </p> <p>Ehe wir unserm Ritter auf dem dornenvollen Pfade der Politik folgen, müssen wir noch eine Episode seines Lebens berühren, die zu merkwürdig ist, als daß sie übergangen werden dürfte. Es thut uns nur leid, daß wir etwas weit von dem bisherigen Schauplatz der Begebenheiten abschweifen müssen. Schon einmal begleiteten wir unsern Helden bis nach Spanien; heute müssen wir ihm nach Italien folgen. Damals begleiteten wir ihn bis in das Leihhaus von Pampeluna; heute folgen wir ihm bis zu den Füßen des heiligen Vaters.</p> <p>Wir haben nämlich nichts mehr und nichts weniger zu erzählen als die <hi rendition="#g">Römerfahrt</hi> unsres Ritters.</p> <p>Alle großen Sünder verrauschter Jahrhunderte hielten es für ihre Pflicht, wenigstens einmal im Leben, wenn auch nicht nach dem heiligen Grabe, so doch nach Rom zu wallfahrten, um dort von allen Skrupeln erlöst, desto ruhiger in einen neuen Sündenabschnitt ihres Lebens hineinzusteuern.</p> <p>Jede Zeit hatte ihre Sitte; so auch die damalige. Die Griechen brachten den Göttern Hekatomben; das Mittelalter pilgerte nach Rom; wir sündigen Menschen der Jetztzeit pilgern höchstens nach Paris.</p> <p>Nach Paris dem welschen Babylon! Nach der heiligen Stadt der schönen Babylonierinnen! Auf den Boulevards zu spazieren, zu tanzen in den Champs Elisées, und zu Mittag zu speisen bei Very für 48 Fr. — O welches Vergnügen! Wie ein Araber in Mecca, wenn er die Arme kreuzend und blumenreiche Gebete murmelnd in die heilige Kaaba tritt, so trat ich Mabille in Deinen Garten und neigte mich, o Babylon, vor Deinen Frauen!</p> <p>Die Rosen dufteten, die Seide rauschte</p> <lg type="poem"> <l>„Hörner Pauken und Trompeten</l><lb/> <l>Tönten jubelnd die Fanfare</l><lb/> <l>Und wir riefen Alle: Heil!</l><lb/> <l>Heil der Königin Pomare!“</l><lb/> </lg> <p>Herr von Schnapphahnski hielt aber fest an den Sitten der Väter; Se. Hochgeboren waren ein guter Katholik — Niemand wird ihm dies verdenken.</p> <p>Die protestantische Religion ist eine Religion für Kaufleute und Fabrikanten — — Herr von Schnapphahnski war weder Kaufmann noch Fabrikant, sondern, wie gesagt, ein guter Katholik. Nichtsdestoweniger machte er aber von Zeit zu Zeit seine Bilanz, d. h. seine geistige, oder Seelen-Bilanz, indem er sich dann jedes Mal den Saldo seiner Sünden von der guten Mutter Kirche quittiren ließ. Eine materielle Bilanz brauchte der Ritter um so weniger zu machen, da ja die Herzogin von S. seine sämmtlichen Schulden bezahlt hatte.</p> <p>Mit der geistigen oder Seelen-Bilanz unseres Helden sah es diesmal schlimm aus. Der edle Ritter hatte viel auf dem Herzen. Seit mehreren Jahren hatte er die Sünden-Conti seines Gewissens nicht abgeschlossen, und wenn er die Folio-Seiten seines Gedächtnisses durchblätterte, so fand er nur gar zu viele dittos in seinem Debet — höchst wenige im Kredit.</p> <p>Unser Ritter ging daher eines Tages sehr ernstlich mit sich zu Rathe; er zerbrach fünf Federmesser und er zerschnitt zehn Bleistifte. Nachdem er aber die fünf Federmesser zerbrochen und die zehn Bleistifte zerschnitten hatte, schnitt er mit dem sechsten Federmesser den eilften Bleistift, und entwarf die folgende:</p> <p rendition="#et"><hi rendition="#b">Geistige oder Seelen-Bilanz</hi><lb/><hi rendition="#g">des berühmten Ritters Schnapphahnski</hi>.</p> <table> <row> <cell>Soll.</cell> </row> <row> <cell>Abenth. in O. in Schlesien 1 Sünde</cell> </row> <row> <cell>Abenth. in Troppau 1 Sünde</cell> </row> <row> <cell>Abenth. mit Carlotten 1 Sünde</cell> </row> <row> <cell>Abenth. mit den Diamanten 1 Sünde</cell> </row> <row> <cell>Abenth. mit der Tochter Atta Trolls 1 Sünde</cell> </row> <row> <cell>Abenth. in Brüssel 1 Sünde</cell> </row> <row> <cell>Abenth. in München 1 Sünde</cell> </row> <row> <cell>Abenth. in Wien 1 Sünde</cell> </row> <row> <cell>Abenth. in Berlin 1 Sünde</cell> </row> <row> <cell>Abenth. auf einer Insel der Nordsee 1 Sünde</cell> </row> <row> <cell>Abenth. Verschiedene 20 Sünde</cell> </row> <row> <cell>Summa: 30 Sünd.</cell> </row> <row> <cell>Saldo Vortrag 30 Sünd.</cell> </row> </table> <table> <row> <cell>Haben.</cell> </row> <row> <cell>Tugenden 00</cell> </row> <row> <cell><hi rendition="#b">Saldo</hi> der Sünden 30 Sünd.</cell> </row> <row> <cell>Summa: 30 Sünd.</cell> </row> <row> <cell>Mögliche Absolution 30 Sünd.</cell> </row> </table> </div> </div> </body> </text> </TEI> [1013/0001]
Neue Rheinische Zeitung Organ der Demokratie. No 188. Köln, Samstag den 6. Januar. 1849. Bestellungen auf die „Neue Rheinische Zeitung“ für das jetzige Quartal, Januar bis März 1849, wolle man baldigst machen und zwar in Köln bei der Expedition der Zeitung (unter Hutmacher Nr. 17), auswärts bei allen Postanstalten Deutschlands.
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Durch den Wegfall des Stempels wird der Abonnementspreis ermäßigt und beträgt von jetzt ab für Köln nur 1 Thlr. 7 Sgr. 6 Pf., bei allen preußischen Postanstalten, (das Porto einbegriffen) nur 1 Thlr. 17 Sgr. vierteljährlich; für Abonnenten im übrigen Deutschland tritt ein verhältnißmäßiger Postaufschlag hinzu.
Die Redaktion bleibt unverändert.
Die bisherigen Monatsgänge der „Neuen Rheinischen Zeitung“ sind ihr Programm. Durch ihre persönlichen Verbindungen mit den Chefs der demokratischen Partei in England, Frankreich, Italien, Belgien und Nordamerika ist die Redaktion in Stand gesetzt, ihren Lesern die politisch-soziale Bewegung des Auslandes richtiger und klarer abzuspiegeln, als irgend ein anderes Blatt. Die „N. Rh. Ztg.“ ist in dieser Beziehung nicht blos das Organ der deutschen, sondern der europäischen Demokratie.
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Anzeigen aller Art erlangen durch die großen Verbindungen unseres Blattes eine sehr weite Verbreitung.
Die Gerantur der „Neuen Rheinischen Zeitung.“
Uebersicht. Deutschland. Wien. (Verurtheilungen. — Preßverfolgung. — Standrechtliche Korrespondenz aus Leipzig und Hamburg. — Welden als Klubbist. — Der §. 1. der Kremsier Grundrechte und Herr Schuselka. — Die Ruthenisirung. — Curiosum aus Neapel. — Verurtheilung. — Standrechtliches. — Der Kampf mit Ungarn. — Welden. — Herzog Albrecht. — Neue Heldenthat des starken Ministeriums. — Der hohe Clerus.) Düsseldorf. (Eine Ausweisung.) Berlin. (Ministerielle Erläuterung des Wortes „selbstständig.“ — Eine Wahlbestimmung wegen der Truppen.) Pritzwalk. (Geschichte eines Preußenvereins.) Frankfurt. (Nationalversammlung.)
Französische Republik. (Journalschau. — Pariser Aerzte. — Simon Bernards Prozeß. — Arbeiterassociationen. — Bilanz Frankreichs. — Louis Napoleon. — Die Salzsteuer. — Der Congreß zu Brüssel. — Debats und Constitutionel. — Die revolutionären Blätter über Preußen. — Bilanz Frankreichs. — Vermischtes. — National-Versammlung.)
Italien. Aus Rom. (Die außerordentliche Steuer und die Stimmung zu Mailand. — Desertion ungarischer Truppen nach Piemont. — Toskana's Vertretung beim Brüsseler Congreß. — Vertagung der Turiner Kammer. — Handelsverbot Radetzki's.)
Spanien. Madrid. (Der Adreßentwurf.)
Amerika. Liverpool. (Eine neue Goldregion entdeckt. — Das Parktheater abgebrannt.)
New-York. (Elektrotelegraphen.)
Deutschland. 14 Wien, 31. Dez. Theodor Ganz, vom Infanterieregiment Deutschmeister, ist „in Erwägung seines sehr beschränkten Verstandes“ (wörtlich) zu 10jähriger Schanzarbeit in schwerem Eisen, Bartholomäus Hofstätter aber „wegen hartnäckig beharrlicher Theilnahme an dem bewaffneten Aufruhr“ zu sechsjährigem schwerem Kerker verurtheilt worden. Der Einwand, daß Reichstag und Gemeinderath den bewaffneten Widerstand nicht nur gutgeheißen, sondern dazu aufgefordert haben, wird von unsern Henkern natürlich gänzlich ignorirt. Wie mögen diese Scheusale, mit denen die französischen Bourgeois in so brüderlicher entente cordiale stehen, erst in dem armen, erbarmungslos hingewürgten Ungarn verfahren, um welches sich Niemand kümmert! — Gegen den Redakteur und Herausgeber des Villacher Volksblatts ist ein Preßprozeß eingeleitet, und es findet nun eine unbeschreibliche Aufhetzung der Geschwornen zur Verurtheilung dieser „Individuen“ in den hiesigen Standrechtsblättern statt, die bei der bekannten Gesinnung der österreichischen Bourgeoisie natürlich nicht ausbleiben wird. Um den Folgen der „irreleitenden Presse“ wirksam zu begegnen, hat der Ritter Friedrich von Mites es unternommen, einen Verein zur Verbreitung als empfehlungswürdig anerkannter Schriften (Gebet-, Erbauungs- und Kinderbücher, oder wenn's hoch kommt, Abhandlungen z. B. über die beste Zubereitung von Käse, Siegellack u. dgl.) im Bereich der „Gesammtmonarchie“ in's Leben zu rufen. — Mit Jubel wird aus Leipzig gemeldet: „Die Individuen, welche das Wappen des hiesigen österr. General-Konsulates abgerissen und demolirt haben, sind in erster Instanz zu 10jähriger Zuchthausstrafe verurtheilt worden. (Also selbst die Leipziger Richter stehen unter dem Einfluß unseres windischgrätzischen Standrechts!) Dann aber folgt: „Die Landtagswahlen sind in den meisten Bezirken beendigt, das Resultat ist leider für alle Freunde der Ordnung, Gesetzlichkeit und des überlegten Fortschritts (aus dem neuesten Staatslexikon des Henker-Mandarinenthums) sehr niederschlagend; denn sämmtliche Wahlen sind wohl zu _ /4 auf entschieden Radikale und Republikaner gefallen.“ (Lloyd.)
Die Berichte aus Berlin halten denselben Tenor. Ueberhaupt reisen die östreichischen offiziellen Spione in halb Europa herum, um dann meist zu berichten, welchen Respekt alle Völker vor dem „jugendlichen“ Dalai-Lama haben. Wenn sie etwas entschieden Antidemokratisches aufschnappen, so wird es stets mit gesperrter Schrift abgedruckt. Als z. B. in der konstituirenden Versammlung Hamburgs der Eid durchgegangen war, schrieb der dortige Spion v. Pretis sofort: „So ist die Versammlung gehindert, die Regierungsgewalt in die Hände zu nehmen und sich zu einem Konvent aufzuwerfen.“ Mit allen Mitteln wird überall dahin gearbeitet, die Regierungen Deutschlands im Metternichschen Schlepptau zu halten, und jedes Abweichen vom östreichischen Dalai-Lamismus zu verhindern. Auch fährt man fort, die fremden Blätter mit offiziellen Aufsätzen zu überfluthen und wenn man einmal in einem französischen Blatte einen östreichisch klingenden (d. h. idiotischen) Artikel findet, so wird er hier sofort hundertmal fettgedruckt in allen Blättern der Gesammtmonarchie aufgetischt. Diese Ehre widerfuhr zuletzt noch einem abgeschmackten Aufsatze der Opinion publique vom 23. Dezember. — Die Kaiserin-Mutter will sich mit ihrem dienstthuenden Hofrath und einigen Loyolanern in Prag niederlassen; ebenso der Verräther der Magyaren: Erzherzog Stephan. Holbein, ein Literat von dem Verdienste der Saphir und Bäuerle, hat die oberste Leitung des Hofburgtheaters erhalten und wird viele chinesische Mährchen darin aufführen lassen. — Daß ein Pariser Schneider den Ludwig Bonaparte bereits als Kaiser anerkannt hat, wird heute mit unbeschreiblichem Jubel durch die hiesigen Blätter verbreitet. Es ist standrechtlich untersagt, zu denken, daß das französische Volk ohne kaiserlich-königlichen Götzen zu athmen vermöge. Man beeilt sich darum in Olmutz, den Pariser Schneiderwitz vor Oestreichs Gesammtochsen als den Ausdruck des französischen Volkes darzustellen.
121 Wien, 31. Dezbr. Während es in Olmütz fortwährend standrechtlich bestellte Loyalitäts-Adressen und Deputationen regnet, läßt Frau Sophie sich über die neuliche Kundmachung des Klubbisten Welden also vernehmen: „Daß ein abermaliger Ausbruch, wiewohl er natürlich nicht die kleinste Möglichkeit eines auch nur augenblicklichen Erfolgs haben kann, doch einen traurigen Rückschlag nicht nur auf die Zustände der schwer geprüften Stadt, sondern auf die freiheitliche Gestaltung (da ist der Pferdefuß!) des Staates ausüben würde, sieht wohl jeder ein. Daß unter solchen Umständen von einer Aufhebung des Belagerungszustandes in nächster Zukunft, nicht die Rede sein könne, ist wohl natürlich.“
Welden wird der Frau Sophie zu Liebe noch manchen Klub durch die Polizei erfinden lassen. So läßt er gestern das Gerücht verbreiten, am Dienstag würde die Bank, wider welche die Regierungsblätter selbst das Volk aufgehetzt haben, erstürmt. Ich bin der festen Ueberzeugung, daß dieser Welden um des ewigen Standrechts willen, in den nächsten Tagen in der That einen Krawall veranlassen wird, dessen Folgen bei der plump-blutdürstigen Wuth dieser Bestie nicht abzusehen sind.
Man ist in Olmütz sehr aufgebracht gegen §. 1 der kremsier Grundrechte, welche lauten: „Alle Staatsgewalten gehen vom Volke aus, und werden auf die in der Konstitution festgesetzte Weise ausgeübt.“ Olmütz ruft daher den Reichstagsleuten zu: „Weder die Monarchie, noch der Monarch sind überhaupt vom Volke kreirt worden. Der Kaiser von Oesterreich ist, besteht, lebt, wer will ihm die Macht entwinden? In der konstitutionellen Monarchie ist das Volk nicht souverain.“ Schuselka, der durchaus ein Amt haben will, hat versprochen, den §. 1 zu beseitigen. — Die Zeitungen sind voll langer Aufsätze über ruthenische Zustände. Ich habe Ihnen geschrieben, was es damit für ein Bewenden hat. Diese Ruthenisirung (Germanisirung) der Polen wird selbst von den czechischen Blättern verdammt. So sagt die „Slowanska lipa“ vom 18.:
„Die ruthenische Hauptversammlung verlangt die Einführung der deutschen Sprache in die Schulen, mit Ausschluß der eigenen Muttersprache, die studirende Jugend selbst verlangt die polnische Unterrichtssprache, alle gelehrten Ruthenen sind polnisirt, die jüngere Geistlichkeit sehnt sich nach der polnischen Nationalität und folgt der ruthenischen blos aus Gehorsam gegen die absolute Gewalt ihres Konsistoriums.“ (österr. Büttelstall!)
So sprechen die Feinde der Polen. Man ruthenisirt in Galizien, wie man in Posen verpreußte, mit Höllenstein und Schrapnells.
Ist Ihnen folgendes Kuriosum, das ein hiesiges Standrechtsblatt mittheilt, schon bekannt geworden? Es lautet:
„Neapel, 14. Dezember. Drei Kouriere langten im Laufe dieser Woche aus St. Petersburg an, und einer derselben war Ueberbringer eines eigenhändigen Briefes des Kaisers von Rußland [Fortsetzung]
Leben und Thaten des berühmten Ritters Schnapphahnski. Drittes Buch. — Kapitel II.
Ehe wir unserm Ritter auf dem dornenvollen Pfade der Politik folgen, müssen wir noch eine Episode seines Lebens berühren, die zu merkwürdig ist, als daß sie übergangen werden dürfte. Es thut uns nur leid, daß wir etwas weit von dem bisherigen Schauplatz der Begebenheiten abschweifen müssen. Schon einmal begleiteten wir unsern Helden bis nach Spanien; heute müssen wir ihm nach Italien folgen. Damals begleiteten wir ihn bis in das Leihhaus von Pampeluna; heute folgen wir ihm bis zu den Füßen des heiligen Vaters.
Wir haben nämlich nichts mehr und nichts weniger zu erzählen als die Römerfahrt unsres Ritters.
Alle großen Sünder verrauschter Jahrhunderte hielten es für ihre Pflicht, wenigstens einmal im Leben, wenn auch nicht nach dem heiligen Grabe, so doch nach Rom zu wallfahrten, um dort von allen Skrupeln erlöst, desto ruhiger in einen neuen Sündenabschnitt ihres Lebens hineinzusteuern.
Jede Zeit hatte ihre Sitte; so auch die damalige. Die Griechen brachten den Göttern Hekatomben; das Mittelalter pilgerte nach Rom; wir sündigen Menschen der Jetztzeit pilgern höchstens nach Paris.
Nach Paris dem welschen Babylon! Nach der heiligen Stadt der schönen Babylonierinnen! Auf den Boulevards zu spazieren, zu tanzen in den Champs Elisées, und zu Mittag zu speisen bei Very für 48 Fr. — O welches Vergnügen! Wie ein Araber in Mecca, wenn er die Arme kreuzend und blumenreiche Gebete murmelnd in die heilige Kaaba tritt, so trat ich Mabille in Deinen Garten und neigte mich, o Babylon, vor Deinen Frauen!
Die Rosen dufteten, die Seide rauschte
„Hörner Pauken und Trompeten
Tönten jubelnd die Fanfare
Und wir riefen Alle: Heil!
Heil der Königin Pomare!“
Herr von Schnapphahnski hielt aber fest an den Sitten der Väter; Se. Hochgeboren waren ein guter Katholik — Niemand wird ihm dies verdenken.
Die protestantische Religion ist eine Religion für Kaufleute und Fabrikanten — — Herr von Schnapphahnski war weder Kaufmann noch Fabrikant, sondern, wie gesagt, ein guter Katholik. Nichtsdestoweniger machte er aber von Zeit zu Zeit seine Bilanz, d. h. seine geistige, oder Seelen-Bilanz, indem er sich dann jedes Mal den Saldo seiner Sünden von der guten Mutter Kirche quittiren ließ. Eine materielle Bilanz brauchte der Ritter um so weniger zu machen, da ja die Herzogin von S. seine sämmtlichen Schulden bezahlt hatte.
Mit der geistigen oder Seelen-Bilanz unseres Helden sah es diesmal schlimm aus. Der edle Ritter hatte viel auf dem Herzen. Seit mehreren Jahren hatte er die Sünden-Conti seines Gewissens nicht abgeschlossen, und wenn er die Folio-Seiten seines Gedächtnisses durchblätterte, so fand er nur gar zu viele dittos in seinem Debet — höchst wenige im Kredit.
Unser Ritter ging daher eines Tages sehr ernstlich mit sich zu Rathe; er zerbrach fünf Federmesser und er zerschnitt zehn Bleistifte. Nachdem er aber die fünf Federmesser zerbrochen und die zehn Bleistifte zerschnitten hatte, schnitt er mit dem sechsten Federmesser den eilften Bleistift, und entwarf die folgende:
Geistige oder Seelen-Bilanz
des berühmten Ritters Schnapphahnski.
Soll.
Abenth. in O. in Schlesien 1 Sünde
Abenth. in Troppau 1 Sünde
Abenth. mit Carlotten 1 Sünde
Abenth. mit den Diamanten 1 Sünde
Abenth. mit der Tochter Atta Trolls 1 Sünde
Abenth. in Brüssel 1 Sünde
Abenth. in München 1 Sünde
Abenth. in Wien 1 Sünde
Abenth. in Berlin 1 Sünde
Abenth. auf einer Insel der Nordsee 1 Sünde
Abenth. Verschiedene 20 Sünde
Summa: 30 Sünd.
Saldo Vortrag 30 Sünd.
Haben.
Tugenden 00
Saldo der Sünden 30 Sünd.
Summa: 30 Sünd.
Mögliche Absolution 30 Sünd.
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(2017-03-20T13:08:10Z)
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(2017-03-20T13:08:10Z)
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(2017-03-20T13:08:10Z)
Weitere Informationen:Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 2 (Nummer 184 bis Nummer 301) Köln, 1. Januar 1849 bis 19. Mai 1849. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.
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