Neue Rheinische Zeitung. Nr. 184. Köln, 1. Januar 1849.fen, und wird jetzt erst gewahr, daß das Sicherheits-Comite sie keinen Augenblick aus dem Auge verloren hat. Sollte man nicht glauben, wenn man diese Episode liest, wieder in die alte Geschichte Venedigs versetzt zu sein? * Mailand, 20. Dezbr. Der Militärgouverneur von Mailand, Graf C. Wimpffen, hat folgenden echtöstreichischen Erlaß veröffentlicht: "Die Regierung unterrichtet, daß man Gerüchte verbreitet, die dahin zielen, Allarm und Mißtrauen in der Bevölkerung hervorzurufen, daß Schlechtgesinnte sich der verächtlichsten Mittel bedienen, um Aufregung in den Geist der guten Bürger zu säen und sie gegen ihren Willen zur Theilnahme am Haß gegen die konstituirten Obrigkeiten und die öffentliche Ruhe hinzureißen, sei es durch Ausstellung auf revolutionäre Ereignisse bezüglicher Gegenstände an den Fenstern der Butiken, sei es durch Tragen politischen Parteien angehöriger Zeichen, sei es endlich durch hochverrätherische Rufe in der Nacht; in Erwägung alles dessen, fordert die Regierung, mit Bezugnahme auf ihre Kundmachungen vom 20. Aug. und 3. Sept., die guten Bürger auf, nichts zu fürchten; sie hat die geeigneten Mittel in ihrer Hand, um jeder Unordnung zuvorzukommen und wird mit der größten Sorgfalt das Betragen Derer überwachen, die durch die erwähnten Mittel die öffentliche Ruhe gefährden und es wird gegen sie mit der ganzen Energie und Strenge verfahren, welche die in dieser Stadt noch nicht aufgehobenen Belagerungsgesetze zulassen." * Genua, 13. Dezbr. Unter diesem Datum bringt der hier erscheinende "Pensiero italiano" eine Adresse der zu Rom residirenden Franzosen an das römische Volk. Sie spricht die Bewunderung über das Verhalten des römischen Volks während der revolutionären Krise aus und straft die Berichte der zu Paris erscheinenden "Union" und das "Journal des Debats" Lügen. Rom, 20. Dezbr. Gestern Abend hat sich die oberste Junta definitiv konstituirt. Sie besteht aus 1) Fürst Corsini, Senator von Rom; 2) Grafen Camerata, Burgermeister aus Ankona; 3) Galleti, Advokat. Diese Junta hat ihre Bildung den beiden Kammern offiziell angezeigt und erklärt, daß sie bis zum Zusammentritt einer aus dem allgemeinen Stimmrecht hervorgegangenen Nationalversammlung ihr Amt treulich und kräftig verwalten wolle. Der größte Volksjubel herrscht in Rom und den Legationen. Französische Republik. * Paris, 29. Dez. Das Journal, der "Credit", bringt ein nicht uninteressantes Zwiegespräch, worin der Gouverneur der Bank von Frankreich, Argout, dem Finanzminister Leon Faucher einen Vorschuß von 8 Millionen für eine Eisenbahn rundweg abschlägt. Das Generalquartier der Kontrerevolution ist in dem "Rathe" der Bank von Frankreich. Dort finden sich die hohen Barone der Finanzfeudalität, für welche Lauis Philippe Frankreich während 18 Jahre aussog. Seit der Revolution geht der Widerstand und die Krise von diesen selben Leuten aus. Weigerung des Beistandes gegen die provisorische Regierung, welche aus Mangel an Muth sich darauf angewiesen sah, zu der 45 Centimessteuer ihre Zuflucht zu nehmen. Später wurde eine Negotiation, welche die Staatswaldungen verpfänden sollte, mit Recht als ein angemessener Plan des Finanzministers betrachtet; der Generalrath der Bank weigerte noch einmal seinen Beistand, und als eine Stimme die Majorität für den Vorschlag gab, boten Delessert und Hottinguer ihre Entlassung an. Von dem Generalrath der Bank gehn beständig die Reklamationen gegen die Revolution und die Sozialisten aus. Die Junischlächterei genügt den Finanzbaronen nicht. Damit der Kredit wieder erwachse, bedürfen sie eines zweiten Juni, der nach ihrer Meinung den Sozialismus radikal zerstören würde. Die Bank von Frankreich, die Administration des Kredits, des Lebensfluidums der nationalen Produktion, befindet sich so in den Händen der egoistischsten und gefährlichsten Feinde der französischen Gesellschaft. Die Revolution muß vor allem diesen Feind niederschlagen. Die provisorische Regierung konnte ihn für immer beseitigen, ohne irgendwie von der gesetzlichen Routine abzuweichen. Die Bank hatte aus Haß gegen die Februarrevolution, und um die von ihr abhängigen Industriellen, Kaufleute u. s. w. in die Kontrerevolution zu schleudern, eine Geldkrise provozirt, indem sie den Alarm ausstreute, den Kredit entzog und was dergleichen Manöver mehr sind. Aber wie bei allen kommerziellen Krisen schlug der von den Banquiers hervorgerufene panische Schrecken auf die hohe Bank zurück. Einerseits beeilten sich die Pariser Rentiers u. s. w. die bei der Bank deponirten Baarvorräthe zurückzufordern. Andrerseits strömte Alles was Bankbillets besaß an ihre Kasse, um die Billets gegen Silber und Gold umzutauschen. Die Bank konnte dem Bankerutt nicht entgehen. Die provisorische Regierung konnte ruhig zusehn. Sie hatte doppelt gewonnen. Die tödtlichsten und mächtigsten Feinde der Revolution waren beseitigt, durch den gewöhnlichen bürgerlichen Geschäftsgang auf immer beseitigt, ohne irgend eine Einmischung der Regierung, und die Bank fiel von selbst in die Hände der provisorischen Regierung, die sie nun wirklich zu dem machen konnte, was sie bisher nur nominell ist, zu einer Bank von Frankreich. Das Institut, was durch die blose Fortdauer in seiner bisherigen Form, hinreichte, die Revolution zurückzudämmen, wurde zum mächtigsten Mittel der Revolution. Was that die provisorische Regierung statt dessen? Sie gab den Bankbillets Zwangskurs, ohne der auf Gnade und Ungnade ihr überlieferten Bank nur ein einziges Privilegium zu entreißen oder eine einzige neue Verpflichtung aufzuerlegen. Die Bank rächte sich giftig für diese alberne Großmuth. So wenig war diese provisorische Regierung ihrer Stellung gewachsen. Aus Delikatesse gegen die Finanzbarone hetzte sie sich die ganze Bauernklasse, 3/4 der französischen Bevölkerung, durch die 45 Centimessteuer auf den Hals. Die Antwort der Bauernklasse war die Wahl Louis Napoleons. 12 Paris, 29. Decbr. Richtig! Die Kammer hat sich dem Odilon-Barrot gegenüber auf den revolutionären Boden gestellt. Odilon-Barrot verlangte durch den Finanzminister Passy die Wiederherstellung der Salzsteuer, welche nach einem Dekrete der provisorischen Regierung vom ersten Januar aufgehoben sein sollte. Die Kammer, ohne die Salzsteuer geradezu aufzuheben, hat sie dermaßen reduzirt, daß ihr Beschluß dem Beschlusse der provisorischen Regierung so ziemlich gleich zu achten und die Salzsteuer als aufgehoben zu betrachten ist. (Sie ist um 2/3 reduzirt.) Was hatte Napoleon den Bauern versprochen? oder vielmehr: was versprachen sich die Bauern von Napoleon? Zuvörderst Verminderung aller Steuern und zumal Aufhebung der Salzsteuer. Nun kömmt Barrot und verlangte grade im Namen Napoleon's die entgegengesetzte Maßregel? von wem verlangt er diese Maßregel? Von der Kammer, die bisheran sich zur Aufgabe gemacht hatte, alle nur etwa revolutionären Maßregeln der provisorischen Regierung für null und nichtig zu erklären. Das Ministerium zweifelt keinen Augenblick an einem glücklichen Erfolg. Barrot sitzt als Ministerpräsident auf der Ministerbank: die lebendige nullite grave, wie die Franzosen ihn treffend bezeichnen, d. h. die gründliche Seichtigkeit, die blos ihre hohe Stirne zu zeigen braucht, um sich ihres Triumphes zu versichern. Der Republikaner Goudchaux tritt für Barrot auf; er vertheidigt die Maßregel Passy's; denn es handelt sich um die Deckung enormen Defizits. Vergebens. Die Majorität der Kammer pflichtet der provisorischen Regierung bei und Barrot ist wie vor der Stirne geschlagen. Die Salzsteuer war von jeher eine der gehässigsten Steuern gewesen. Alle Regierungen, die sich in Frankreich seit 30 Jahren aufeinanderfolgten, hatten die Abschaffung derselben versprochen; und am andern Tage ihrer Installirung waren sie jedesmal wieder die ersten, welche die Nothwendigkeit dieser Steuer geltend machten. Aber daß diese Steuer einem Barrot mit Napoleon hinter sich verweigert werden sollte, von einer Kammer, welche die Juni-Insurgenten bekämpfte, darauf war Barrot nicht gefaßt. Gewiß, die Kammer ist über Nacht roth geworden! Von dem Augenblicke an, wo die Kammer auf ihren Ursprung zurückgehend, den Präsidenten Napoleon auf seinen Ursprung zurückführen will, sieht Napoleon sich genöthigt, den Ursprung der Kammer zu verläugnen. Napoleon, wie er entstanden ist, kann nicht fortbestehn mit der Kammer, wie sie bestehen will. Die Kammer und Napoleon müssen sich in Einklang setzen. 5 Millionen Herzen haben sich für das Herz Napoleon's erklärt: so wähnt Bonaparte. Fünf Millionen Herzen werden doch nicht annehmen, daß eines Menschen Herz im Hute seinen Sitz habe: so antwortet die Kammer, und zum ersten Male stellt sie sich auf den Kopf, d. h. sie tritt revolutionär auf. Ein Ministerwechsel kann den Widerspruch zwischen der Kammer und dem Präsidenten nicht beseitigen. Die Auflösung der Kammer ist eine Nothwendigkeit geworden. Mit der Auflösung der Kammer wird Napoleon ebenfalls aufgelöst. Der Eine Napoleon verschwindet und in den neuen Wahlen werden die verschiedenen Napoleon's in der Kammer sich gegenüberstehen als Parteien. Aber die bloße Nothwendigkeit der Auflösung der Kammer, die Furcht vor der wirklichen Zergliederung Napoleon's hat schon die anfängliche Freude der Eintracht zerstört, und die Catastrophe ist näher als man glaubt. 17 Paris, 28. Dez. Herr Odilon-Barrot, der große Ministerpräses "mit dem kahlen Haupte, worin just so viel Gedanken drin sind, als Haare darauf," (Le peuple souverain), der Mann "mit der kühn zwischen die Westenknöpfe geschobenen Linken und dem weltvernichtend nach oben geschleuderten gläsernstieren Blicke" (Constituant von Toulouse), hat bereits die Konstitution recht con amore verletzt. Dieser alte Liberale de anno 1820, der Mann des französischen Rechtsbodens, hat dem legitimistischsten aller Generale, Changarnier, das Kommando über die Nationalgarden des Seinedepartements und zugleich über die Linie gegeben; was widerrechtlich. Er hat vor drei Tagen eine hohe Idee in der Kammer zum Besten gegeben, des Inhalts: das Ministerium Bonaparte's werde forthin das aufrührerische Treiben dermaßen zerstören, daß sogar der Gedanke daran verschwinden werde, denn Vorkehr sei besser als Repressivmaßregeln. Die Februarrevolution steht mithin am 24. Dez. gerade wieder da, wo sie am 24. Febr. 1847 gestanden, als um 10 1/2 Uhr Morgens der betäubte Louis Philipp an den blutbespritzten Straßenecken anschlagen ließ: "O. Barrot: Konseilspräsident." Nach fernern acht Monaten steht sie vielleicht da, wo sie am 23. Februar u. s. w. immer zurückgeschoben die Zeiger bis das Uhrgewicht von der endlich gesprengten Kette herunterkracht und die Pfuscher alle zerschmettert. Daß dieser Moment wohl näher ist, als sich's die Schulweisheit der herrschenden pedantischen und perfiden Malthusianer träumen läßt, dieser Magister, die jetzt wieder gegen Aufhebung der vom Provisorium dekretirten Salzsteuer, und gegen Ermäßigung des Briefporto stimmen, während ihr geliebter Bruder Michel Chevalier den ihm von einem nicht ganz malthusischen Minister vor einigen Monaten wegen seiner verrückten monarchistischen Nationalökonomie entzogenen Lehrstuhl a 6000 Franken Salair, abermals triumphirend besteigt --: dürfte die Fortsetzung unseres Berichtes: Bilanz Frankreich, 1te Kategorie. 10,110,000 Franzosen im Elend. Die 16,784,000, welche laut obiger Tabelle in Hütten mit einer, zwei, drei Oeffnungen und in Erdlöchern hausen, bestehn in Tagelöhnern vom Lande, wahrhaft an die Scholle gebundene Drangsalsmenschen. Die 2,335,000 in Häusern mit 4 Oeffnungen, in Dörfern und weniger als 5000 Einwohner enthaltenden Ortschaften sind gleichfalls meist Feldarbeiter, die es noch nicht bis zum untersten Grade des Wohlergehens, zur gemilderten Armuth, gebracht haben. Also im Ganzen: 19,119,000 Männer, Frauen und Kinder in Elend. 2te Kategorie. 5,750,000 in gemilderter Armuth. Auffallen muß, daß nur 583,926 Wohnungen fünf Oeffnungen, aber 4,326,727 darunter haben. Daraus folgt, daß die mit fünf schon eine Ausnahme sind. In der That, 3,750,000 Personen fangen in ihnen an, die erste rohe Spur des Wohlergehens zu finden; sie bearbeiten schon einige gute Grundstücke, doch meistens einige schlechte. Diese beiden ersten Kategorien umfassen 22,869,000 Franzosen; sie haben weder Reichthum noch Gehäbigkeit. Sie haben die Paupers vom Lande, die Vagabunden und Bettler, aufzuweisen, deren es 1842 laut administrativen Dokumenten an vier Millionen gab. Damals zahlte die Nation jährlich hundert Mill. Franken an den Pauperismus in Spitälern, Mildthätigkeitsanstalten, Findelhäusern und ähnlichen erfreulichen Bourgeois-Etablissements. Mithin ist nur in dem letzten Drittel der Nation, 10,450,000 Personen zählend, auf Wohlergehen zu rechnen; sie wohnen in Gebäuden mit sechs Oeffnungen und mehr. Aber, entgegnet der Malthusschüler, ihr sagt, in Frankreich lebten 23 Mill., wovon 4/5 im Elend, 1/5 in gemäßigter Dürftigkeit; und doch solltet ihr wissen, daß 20 Mill. Eigenthümer existiren. "Wisset, der Boden gehört 5 Mill. Eigenthümern, die Familienhäupter sind, d. h. 22 bis 25 Mill. Franzosen. Ergo, die Proletärs sind weit minder zahlreich, als die Proprietärs," sprach 1833 ein (erzministerielles) Mitglied der Deputirtenkammer. "In der That, ihr schreit stets Ach und Weh (sagten mehrere Journale im Mai 1848) und wollt nicht im Gedächtniß behalten, daß der französische Boden mit 10,282,946 Eigenthümern desselben bedeckt ist, und im Ganzen volle 21,141,120 Eigenthümer, Acker bauende Industrielle, Handelstreibende und Künstler hat." Im Jahre 1835 stand die unter 5 Franken betragende Grundsteuer, vertheilt auf 5,205,411 Personen; die zwischen 5 und 10 Franken, vertheilt auf 1,754,944 Personen, und die zwischen 10 und 20, vertheilt auf 1,514,250. 3te Kategorie. 6,180,000 Bürger in steter Klemme vegetirend, s. g. halbem Wohlergehn. -- Was Häuser von 6 Oeffnungen und darüber betrifft, so läßt uns jede Statistik in bisheriger Weise im Stich; wir betreten nunmehr das Bereich der Miethsleute. In den beiden früheren Kategorien war Miethsherr und Miethsmann gleich arm, folglich wäre dort ein Unterschied reiner Unsinn. Es kommt also hier darauf an die Menschensumme zu finden, die in halbem Wohlergehen unter den 10,450,000 in Häusern mit mehr als 6 Oeffnungen lebt. Wir streichen vorab die Armen, dann die Reichen aus diesen 10 Mill. weg. Arme gibt es darin 3,500,000. Denn 1833 konstatirte man 425,029 Leute in den Spitälern; und 695,932 von Mildthätigkeitsanstalten unterstützte, macht 1,120,961. Nun aber versichern die Statistiker, die offizielle Misere sei stets nur ein Drittel der wirklichen, d. h. letztere war 3,362,883 im Jahre 1833. Wobei noch keine Rede ist von der s. g. gefährlichen Armuth, den durch Dieberei und Prostitution das Dasein fristenden; man darf immerhin 60,000 Diebe, Spitzbuben und Unterhalter öffentlicher Dirnen rechnen, und mindestens 200,000 s. g. femmes folles de leur corps, de to[unleserliches Material] etage, d. h. mit ihrer Körperschönheit Gewerb treibender Personen des weiblichen Geschlechts; folglich taxiren wir ohne Uebermaß die Armuthsmasse in den Städten und Stadtweichbildern auf 3 1/2 Mill. Die Mehrheit besteht aus Schwachen, Greisen, zu gering bezahlten Arbeitern, Arbeitslosen, für die "der Himmel stets schwarz ist," wie das uralte Volkslied singt. Diese 3 1/2 Mill. stehen Tag und Nacht zwischen Diebstahl, Prostitution, Selbstmord und Hunger (oder gar Hungertod) wie zwischen 4 Mauern eingekeilt; ein Zufall entscheidet meistens, nach welcher der vier Seiten hin das gepeinigte Individuum hinschlägt. Ferner löschen wir aus die 770,000 Gehäbigen und Reichen. Da haben wir's leichter im Taxiren, das "goldene Buch" belehrt uns, worin unsere politischen Wahlherren stehen. Im J. 1836 (siehe Recherches statistiques de la ville de Paris, Bd. V) war unter 849,059 wohnhaften Parisern eine Anzahl von 14,630 Wählern, die mindestens 200 Fr. direkte Steuer entrichteten; letztere besteht für Paris in 8 Mill. Grundsteuer, in Frankreich 158 Mill.; zweitens in Personal- und Mobiliarsteuer: Paris 3 Mill., Frankreich 34 Mill.; drittens in Thür- und Fenstersteuer: Paris 3 Mill., Frankreich 24 Mill.; viertens Patentsteuer: Paris 7 Mill., Frankreich 28 Mill. Summa 245 Mill. Fr. im J. 1846, wovon Paris ein Zwölftel entrichtet. So erfreulich diese runden Ziffern dem Malthusianer in's Auge strahlen mögen, so halten wir unerbittlich daneben folgendes Rechenexempel vom J. 1845:
Kurz im Ganzen 16,007 Wähler und 66,148 Dürftige. Desgleichen, wenn in Paris auf 58 Einwohner ein politischer Wähler, hatten die Gemeinden des Weichbildes einen auf 108, und die Departemente durchschnittlich einen auf 200. Mit Triumphgeschrei zeigt die Malthusschule uns die Tabelle, wo 1831 von 33 Mill. Franzosen 166,185 im ganzen Lande Wähler waren und 1846 waren 238,251; aber ach! sie vergißt, daß ja auch die Einwohnerzahl um mehr denn eine Mill. in jenen 15 Jahren gestiegen war! Weiter: Je 4 1/2 Person machen in statistischer Sprache 1 Familie; folglich hatten 171,015 Wähler eine Bevölkerung von 770,000 Personen hinter sich. Das also war die reiche Klasse des 34 Mill. Einwohner zeugenden Frankreich. Zieht man sie sowohl ab, als die arme von 3 1/2 Millionen, dann bleiben uns 6,180,000 kleine und mittlere Eigenthümer in Stadt und Dorf, untere Civil- und Militärbeamte, Geistliche, Aerzte, Advokaten, Künstler, Arbeiter mit gutem Lohn, Dienstboten, kleine Atelierchefs; das ist also die s. g. in Halbwohlsein lebende Klasse. Sie zahlt Grundsteuer von 21 Fr. bis 199 Fr.; letzteres entrichteten nur 159,000 Personen, ersteres 759,000. Was unsern Ausdruck "Halbwohlsein" über und über rechtfertigt, ist besonders die scheusliche Belastung des Bodenbesitzthums. Siehe unten. 4te Kategorie. 513,000 wohlgehäbige Bürger. Sie stehen in der Summe der 770,000, welche 200 Fr. und mehr Steuern zahlen. Paris, 29. Dezbr. Die Nationalversammlung entschied gestern Abend mit 372 gegen 363 Stimmen, daß die Salzsteuer vom 1. Januar 1849 an um zwei Drittheile herabgesetzt werden solle. Diese Entscheidung rief um 9 Uhr an der sogenannten Tortoni-Börse (im Operngange) eine förmliche Insurrektion hervor. Die Börsenwölfe schimpften laut gegen die Nationalversammlung und gruppirten sich so dicht zusammen, daß die Gardiens von Paris alle Mühe hatten, die Cirkulation frei zu erhalten. Das Wörtchen "Ministerialkrisis" fuhr wie der Blitz unter die Jünger Rothschild's. -- Passy's Niederlage in der Salzsteuer, die er zur Höhe einer Kabinetsfrage gehoben hatte, scheint wirklich dem Kabinet einen tödtlichen Streich zu versetzen. Der ehrenwerthe Expair will sein Portefeuille durchaus niederlegen und bestand bis diesen Morgen hartnäckig auf seiner Entlassung. -- (Journaljammer über den drohenden Nationalbankerott und die partielle Ministerkrisis). Der "Constitutionel" ist außer sich über die Rücksichtslosigkeit der Nationalversammlung. In einer Nachricht gibt er als Drohung zu verstehen, daß die Bitten aller Ordnungsfreunde gegen den Entschluß des Herrn Passy noch nichts vermocht hätten, und daß derselbe auf seinem Austritt bestände. -- Die "Gazette de France et de Navarre" fügt mit heimlicher Schadenfreude hinzu, daß der Rücktritt Passy's den Sturz des ganzen Kabinets nach sich ziehen müsse und sieht im Stillen das Reich Heinrich's V. heranrücken. Die "Debats" vergießen bittere Thränen über die finanzielle Niederlage und bedauert, daß dem Präsidenten Bonaparte kein Veto gegen dieses Votum zustehe, das der Staatskasse 46 Millionen Franken entziehe. -- "National" und "Siecle reichen sich ganz vertraulich die Hände und sehen in dem Passy'schen Unglück ein neues Element zu dem gegen das Cabinet des 10. Decbr. eröffneten Feldzuge. -- "Peuple" meint, die Zeit sei nicht mehr fern, wo Herr Bonaparte gezwungen sein werde, seine Minister im sozialistischen Lager zu rekrutiren. "Peuple" und "Revolution" (Blatt Ledru Rollin's) jammern darum natürlich nicht über die neue Verlegenheit der Staatskasse. Aber "La Presse" senkt das Haupt und sagt: "Jedermann frägt sich, was wird das Ministerium thun? Wie wird sich die Staatskasse aus der Verlegenheit ziehen? Die sofortige Herabsetzung der Salzsteuer entzieht ihr über 40 Millionen Franken; wie soll sie diesen Verlust decken, da sie das 1849er Büdget ohnedieß mit einem Defizit von 560 Millionen Franken beginnt. (Ein schönes Neujahr!) Das öffentliche Vertrauen, das kaum wieder erwachte, sieht sich durch Versagung dieser mächtigen Hilfsquelle von Neuem erschüttert. Das Uebel, welches die Nationalversammlung anrichtet, ist größer als das Gute, das sie zu bewirken strebte.... Wir verhehlen uns die Größe der Verlegenheit nicht, in welche die Regierung durch dieses Votum gestürzt wird. Allein diese Größe der Gefahr selbst muß sie zu einem heroischen Entschluß treiben. Greift sie zu keiner entscheidenden Maaßregel, so liegt uns der Abhang des Nationalbankerotts näher und steiler als jemals! Diese entscheidende Maßregel muß in Ersparnissen bestehen, welche sie mit kühner Hand durchführen soll." Herr Girardin deutet hier seine Armee Reduktionen an und schließt seine Liebe zum ewgen Frieden mit den, gegen Baune gerichteten Worten: "....Keine Intervention! Keine Prinzipienkämpfe!...." fen, und wird jetzt erst gewahr, daß das Sicherheits-Comité sie keinen Augenblick aus dem Auge verloren hat. Sollte man nicht glauben, wenn man diese Episode liest, wieder in die alte Geschichte Venedigs versetzt zu sein? * Mailand, 20. Dezbr. Der Militärgouverneur von Mailand, Graf C. Wimpffen, hat folgenden echtöstreichischen Erlaß veröffentlicht: „Die Regierung unterrichtet, daß man Gerüchte verbreitet, die dahin zielen, Allarm und Mißtrauen in der Bevölkerung hervorzurufen, daß Schlechtgesinnte sich der verächtlichsten Mittel bedienen, um Aufregung in den Geist der guten Bürger zu säen und sie gegen ihren Willen zur Theilnahme am Haß gegen die konstituirten Obrigkeiten und die öffentliche Ruhe hinzureißen, sei es durch Ausstellung auf revolutionäre Ereignisse bezüglicher Gegenstände an den Fenstern der Butiken, sei es durch Tragen politischen Parteien angehöriger Zeichen, sei es endlich durch hochverrätherische Rufe in der Nacht; in Erwägung alles dessen, fordert die Regierung, mit Bezugnahme auf ihre Kundmachungen vom 20. Aug. und 3. Sept., die guten Bürger auf, nichts zu fürchten; sie hat die geeigneten Mittel in ihrer Hand, um jeder Unordnung zuvorzukommen und wird mit der größten Sorgfalt das Betragen Derer überwachen, die durch die erwähnten Mittel die öffentliche Ruhe gefährden und es wird gegen sie mit der ganzen Energie und Strenge verfahren, welche die in dieser Stadt noch nicht aufgehobenen Belagerungsgesetze zulassen.“ * Genua, 13. Dezbr. Unter diesem Datum bringt der hier erscheinende „Pensiero italiano“ eine Adresse der zu Rom residirenden Franzosen an das römische Volk. Sie spricht die Bewunderung über das Verhalten des römischen Volks während der revolutionären Krise aus und straft die Berichte der zu Paris erscheinenden „Union“ und das „Journal des Debats“ Lügen. Rom, 20. Dezbr. Gestern Abend hat sich die oberste Junta definitiv konstituirt. Sie besteht aus 1) Fürst Corsini, Senator von Rom; 2) Grafen Camerata, Burgermeister aus Ankona; 3) Galleti, Advokat. Diese Junta hat ihre Bildung den beiden Kammern offiziell angezeigt und erklärt, daß sie bis zum Zusammentritt einer aus dem allgemeinen Stimmrecht hervorgegangenen Nationalversammlung ihr Amt treulich und kräftig verwalten wolle. Der größte Volksjubel herrscht in Rom und den Legationen. Französische Republik. * Paris, 29. Dez. Das Journal, der „Credit“, bringt ein nicht uninteressantes Zwiegespräch, worin der Gouverneur der Bank von Frankreich, Argout, dem Finanzminister Leon Faucher einen Vorschuß von 8 Millionen für eine Eisenbahn rundweg abschlägt. Das Generalquartier der Kontrerevolution ist in dem „Rathe“ der Bank von Frankreich. Dort finden sich die hohen Barone der Finanzfeudalität, für welche Lauis Philippe Frankreich während 18 Jahre aussog. Seit der Revolution geht der Widerstand und die Krise von diesen selben Leuten aus. Weigerung des Beistandes gegen die provisorische Regierung, welche aus Mangel an Muth sich darauf angewiesen sah, zu der 45 Centimessteuer ihre Zuflucht zu nehmen. Später wurde eine Negotiation, welche die Staatswaldungen verpfänden sollte, mit Recht als ein angemessener Plan des Finanzministers betrachtet; der Generalrath der Bank weigerte noch einmal seinen Beistand, und als eine Stimme die Majorität für den Vorschlag gab, boten Delessert und Hottinguer ihre Entlassung an. Von dem Generalrath der Bank gehn beständig die Reklamationen gegen die Revolution und die Sozialisten aus. Die Junischlächterei genügt den Finanzbaronen nicht. Damit der Kredit wieder erwachse, bedürfen sie eines zweiten Juni, der nach ihrer Meinung den Sozialismus radikal zerstören würde. Die Bank von Frankreich, die Administration des Kredits, des Lebensfluidums der nationalen Produktion, befindet sich so in den Händen der egoistischsten und gefährlichsten Feinde der französischen Gesellschaft. Die Revolution muß vor allem diesen Feind niederschlagen. Die provisorische Regierung konnte ihn für immer beseitigen, ohne irgendwie von der gesetzlichen Routine abzuweichen. Die Bank hatte aus Haß gegen die Februarrevolution, und um die von ihr abhängigen Industriellen, Kaufleute u. s. w. in die Kontrerevolution zu schleudern, eine Geldkrise provozirt, indem sie den Alarm ausstreute, den Kredit entzog und was dergleichen Manöver mehr sind. Aber wie bei allen kommerziellen Krisen schlug der von den Banquiers hervorgerufene panische Schrecken auf die hohe Bank zurück. Einerseits beeilten sich die Pariser Rentiers u. s. w. die bei der Bank deponirten Baarvorräthe zurückzufordern. Andrerseits strömte Alles was Bankbillets besaß an ihre Kasse, um die Billets gegen Silber und Gold umzutauschen. Die Bank konnte dem Bankerutt nicht entgehen. Die provisorische Regierung konnte ruhig zusehn. Sie hatte doppelt gewonnen. Die tödtlichsten und mächtigsten Feinde der Revolution waren beseitigt, durch den gewöhnlichen bürgerlichen Geschäftsgang auf immer beseitigt, ohne irgend eine Einmischung der Regierung, und die Bank fiel von selbst in die Hände der provisorischen Regierung, die sie nun wirklich zu dem machen konnte, was sie bisher nur nominell ist, zu einer Bank von Frankreich. Das Institut, was durch die blose Fortdauer in seiner bisherigen Form, hinreichte, die Revolution zurückzudämmen, wurde zum mächtigsten Mittel der Revolution. Was that die provisorische Regierung statt dessen? Sie gab den Bankbillets Zwangskurs, ohne der auf Gnade und Ungnade ihr überlieferten Bank nur ein einziges Privilegium zu entreißen oder eine einzige neue Verpflichtung aufzuerlegen. Die Bank rächte sich giftig für diese alberne Großmuth. So wenig war diese provisorische Regierung ihrer Stellung gewachsen. Aus Delikatesse gegen die Finanzbarone hetzte sie sich die ganze Bauernklasse, 3/4 der französischen Bevölkerung, durch die 45 Centimessteuer auf den Hals. Die Antwort der Bauernklasse war die Wahl Louis Napoleons. 12 Paris, 29. Decbr. Richtig! Die Kammer hat sich dem Odilon-Barrot gegenüber auf den revolutionären Boden gestellt. Odilon-Barrot verlangte durch den Finanzminister Passy die Wiederherstellung der Salzsteuer, welche nach einem Dekrete der provisorischen Regierung vom ersten Januar aufgehoben sein sollte. Die Kammer, ohne die Salzsteuer geradezu aufzuheben, hat sie dermaßen reduzirt, daß ihr Beschluß dem Beschlusse der provisorischen Regierung so ziemlich gleich zu achten und die Salzsteuer als aufgehoben zu betrachten ist. (Sie ist um 2/3 reduzirt.) Was hatte Napoleon den Bauern versprochen? oder vielmehr: was versprachen sich die Bauern von Napoleon? Zuvörderst Verminderung aller Steuern und zumal Aufhebung der Salzsteuer. Nun kömmt Barrot und verlangte grade im Namen Napoleon's die entgegengesetzte Maßregel? von wem verlangt er diese Maßregel? Von der Kammer, die bisheran sich zur Aufgabe gemacht hatte, alle nur etwa revolutionären Maßregeln der provisorischen Regierung für null und nichtig zu erklären. Das Ministerium zweifelt keinen Augenblick an einem glücklichen Erfolg. Barrot sitzt als Ministerpräsident auf der Ministerbank: die lebendige nullité grave, wie die Franzosen ihn treffend bezeichnen, d. h. die gründliche Seichtigkeit, die blos ihre hohe Stirne zu zeigen braucht, um sich ihres Triumphes zu versichern. Der Republikaner Goudchaux tritt für Barrot auf; er vertheidigt die Maßregel Passy's; denn es handelt sich um die Deckung enormen Defizits. Vergebens. Die Majorität der Kammer pflichtet der provisorischen Regierung bei und Barrot ist wie vor der Stirne geschlagen. Die Salzsteuer war von jeher eine der gehässigsten Steuern gewesen. Alle Regierungen, die sich in Frankreich seit 30 Jahren aufeinanderfolgten, hatten die Abschaffung derselben versprochen; und am andern Tage ihrer Installirung waren sie jedesmal wieder die ersten, welche die Nothwendigkeit dieser Steuer geltend machten. Aber daß diese Steuer einem Barrot mit Napoleon hinter sich verweigert werden sollte, von einer Kammer, welche die Juni-Insurgenten bekämpfte, darauf war Barrot nicht gefaßt. Gewiß, die Kammer ist über Nacht roth geworden! Von dem Augenblicke an, wo die Kammer auf ihren Ursprung zurückgehend, den Präsidenten Napoleon auf seinen Ursprung zurückführen will, sieht Napoleon sich genöthigt, den Ursprung der Kammer zu verläugnen. Napoleon, wie er entstanden ist, kann nicht fortbestehn mit der Kammer, wie sie bestehen will. Die Kammer und Napoleon müssen sich in Einklang setzen. 5 Millionen Herzen haben sich für das Herz Napoleon's erklärt: so wähnt Bonaparte. Fünf Millionen Herzen werden doch nicht annehmen, daß eines Menschen Herz im Hute seinen Sitz habe: so antwortet die Kammer, und zum ersten Male stellt sie sich auf den Kopf, d. h. sie tritt revolutionär auf. Ein Ministerwechsel kann den Widerspruch zwischen der Kammer und dem Präsidenten nicht beseitigen. Die Auflösung der Kammer ist eine Nothwendigkeit geworden. Mit der Auflösung der Kammer wird Napoleon ebenfalls aufgelöst. Der Eine Napoleon verschwindet und in den neuen Wahlen werden die verschiedenen Napoleon's in der Kammer sich gegenüberstehen als Parteien. Aber die bloße Nothwendigkeit der Auflösung der Kammer, die Furcht vor der wirklichen Zergliederung Napoleon's hat schon die anfängliche Freude der Eintracht zerstört, und die Catastrophe ist näher als man glaubt. 17 Paris, 28. Dez. Herr Odilon-Barrot, der große Ministerpräses „mit dem kahlen Haupte, worin just so viel Gedanken drin sind, als Haare darauf,“ (Le peuple souverain), der Mann „mit der kühn zwischen die Westenknöpfe geschobenen Linken und dem weltvernichtend nach oben geschleuderten gläsernstieren Blicke“ (Constituant von Toulouse), hat bereits die Konstitution recht con amore verletzt. Dieser alte Liberale de anno 1820, der Mann des französischen Rechtsbodens, hat dem legitimistischsten aller Generale, Changarnier, das Kommando über die Nationalgarden des Seinedepartements und zugleich über die Linie gegeben; was widerrechtlich. Er hat vor drei Tagen eine hohe Idee in der Kammer zum Besten gegeben, des Inhalts: das Ministerium Bonaparte's werde forthin das aufrührerische Treiben dermaßen zerstören, daß sogar der Gedanke daran verschwinden werde, denn Vorkehr sei besser als Repressivmaßregeln. Die Februarrevolution steht mithin am 24. Dez. gerade wieder da, wo sie am 24. Febr. 1847 gestanden, als um 10 1/2 Uhr Morgens der betäubte Louis Philipp an den blutbespritzten Straßenecken anschlagen ließ: „O. Barrot: Konseilspräsident.“ Nach fernern acht Monaten steht sie vielleicht da, wo sie am 23. Februar u. s. w. immer zurückgeschoben die Zeiger bis das Uhrgewicht von der endlich gesprengten Kette herunterkracht und die Pfuscher alle zerschmettert. Daß dieser Moment wohl näher ist, als sich's die Schulweisheit der herrschenden pedantischen und perfiden Malthusianer träumen läßt, dieser Magister, die jetzt wieder gegen Aufhebung der vom Provisorium dekretirten Salzsteuer, und gegen Ermäßigung des Briefporto stimmen, während ihr geliebter Bruder Michel Chevalier den ihm von einem nicht ganz malthusischen Minister vor einigen Monaten wegen seiner verrückten monarchistischen Nationalökonomie entzogenen Lehrstuhl à 6000 Franken Salair, abermals triumphirend besteigt —: dürfte die Fortsetzung unseres Berichtes: Bilanz Frankreich, 1te Kategorie. 10,110,000 Franzosen im Elend. Die 16,784,000, welche laut obiger Tabelle in Hütten mit einer, zwei, drei Oeffnungen und in Erdlöchern hausen, bestehn in Tagelöhnern vom Lande, wahrhaft an die Scholle gebundene Drangsalsmenschen. Die 2,335,000 in Häusern mit 4 Oeffnungen, in Dörfern und weniger als 5000 Einwohner enthaltenden Ortschaften sind gleichfalls meist Feldarbeiter, die es noch nicht bis zum untersten Grade des Wohlergehens, zur gemilderten Armuth, gebracht haben. Also im Ganzen: 19,119,000 Männer, Frauen und Kinder in Elend. 2te Kategorie. 5,750,000 in gemilderter Armuth. Auffallen muß, daß nur 583,926 Wohnungen fünf Oeffnungen, aber 4,326,727 darunter haben. Daraus folgt, daß die mit fünf schon eine Ausnahme sind. In der That, 3,750,000 Personen fangen in ihnen an, die erste rohe Spur des Wohlergehens zu finden; sie bearbeiten schon einige gute Grundstücke, doch meistens einige schlechte. Diese beiden ersten Kategorien umfassen 22,869,000 Franzosen; sie haben weder Reichthum noch Gehäbigkeit. Sie haben die Paupers vom Lande, die Vagabunden und Bettler, aufzuweisen, deren es 1842 laut administrativen Dokumenten an vier Millionen gab. Damals zahlte die Nation jährlich hundert Mill. Franken an den Pauperismus in Spitälern, Mildthätigkeitsanstalten, Findelhäusern und ähnlichen erfreulichen Bourgeois-Etablissements. Mithin ist nur in dem letzten Drittel der Nation, 10,450,000 Personen zählend, auf Wohlergehen zu rechnen; sie wohnen in Gebäuden mit sechs Oeffnungen und mehr. Aber, entgegnet der Malthusschüler, ihr sagt, in Frankreich lebten 23 Mill., wovon 4/5 im Elend, 1/5 in gemäßigter Dürftigkeit; und doch solltet ihr wissen, daß 20 Mill. Eigenthümer existiren. „Wisset, der Boden gehört 5 Mill. Eigenthümern, die Familienhäupter sind, d. h. 22 bis 25 Mill. Franzosen. Ergo, die Proletärs sind weit minder zahlreich, als die Proprietärs,“ sprach 1833 ein (erzministerielles) Mitglied der Deputirtenkammer. „In der That, ihr schreit stets Ach und Weh (sagten mehrere Journale im Mai 1848) und wollt nicht im Gedächtniß behalten, daß der französische Boden mit 10,282,946 Eigenthümern desselben bedeckt ist, und im Ganzen volle 21,141,120 Eigenthümer, Acker bauende Industrielle, Handelstreibende und Künstler hat.“ Im Jahre 1835 stand die unter 5 Franken betragende Grundsteuer, vertheilt auf 5,205,411 Personen; die zwischen 5 und 10 Franken, vertheilt auf 1,754,944 Personen, und die zwischen 10 und 20, vertheilt auf 1,514,250. 3te Kategorie. 6,180,000 Bürger in steter Klemme vegetirend, s. g. halbem Wohlergehn. — Was Häuser von 6 Oeffnungen und darüber betrifft, so läßt uns jede Statistik in bisheriger Weise im Stich; wir betreten nunmehr das Bereich der Miethsleute. In den beiden früheren Kategorien war Miethsherr und Miethsmann gleich arm, folglich wäre dort ein Unterschied reiner Unsinn. Es kommt also hier darauf an die Menschensumme zu finden, die in halbem Wohlergehen unter den 10,450,000 in Häusern mit mehr als 6 Oeffnungen lebt. Wir streichen vorab die Armen, dann die Reichen aus diesen 10 Mill. weg. Arme gibt es darin 3,500,000. Denn 1833 konstatirte man 425,029 Leute in den Spitälern; und 695,932 von Mildthätigkeitsanstalten unterstützte, macht 1,120,961. Nun aber versichern die Statistiker, die offizielle Misere sei stets nur ein Drittel der wirklichen, d. h. letztere war 3,362,883 im Jahre 1833. Wobei noch keine Rede ist von der s. g. gefährlichen Armuth, den durch Dieberei und Prostitution das Dasein fristenden; man darf immerhin 60,000 Diebe, Spitzbuben und Unterhalter öffentlicher Dirnen rechnen, und mindestens 200,000 s. g. femmes folles de leur corps, de to[unleserliches Material] étage, d. h. mit ihrer Körperschönheit Gewerb treibender Personen des weiblichen Geschlechts; folglich taxiren wir ohne Uebermaß die Armuthsmasse in den Städten und Stadtweichbildern auf 3 1/2 Mill. Die Mehrheit besteht aus Schwachen, Greisen, zu gering bezahlten Arbeitern, Arbeitslosen, für die „der Himmel stets schwarz ist,“ wie das uralte Volkslied singt. Diese 3 1/2 Mill. stehen Tag und Nacht zwischen Diebstahl, Prostitution, Selbstmord und Hunger (oder gar Hungertod) wie zwischen 4 Mauern eingekeilt; ein Zufall entscheidet meistens, nach welcher der vier Seiten hin das gepeinigte Individuum hinschlägt. Ferner löschen wir aus die 770,000 Gehäbigen und Reichen. Da haben wir's leichter im Taxiren, das „goldene Buch“ belehrt uns, worin unsere politischen Wahlherren stehen. Im J. 1836 (siehe Recherches statistiques de la ville de Paris, Bd. V) war unter 849,059 wohnhaften Parisern eine Anzahl von 14,630 Wählern, die mindestens 200 Fr. direkte Steuer entrichteten; letztere besteht für Paris in 8 Mill. Grundsteuer, in Frankreich 158 Mill.; zweitens in Personal- und Mobiliarsteuer: Paris 3 Mill., Frankreich 34 Mill.; drittens in Thür- und Fenstersteuer: Paris 3 Mill., Frankreich 24 Mill.; viertens Patentsteuer: Paris 7 Mill., Frankreich 28 Mill. Summa 245 Mill. Fr. im J. 1846, wovon Paris ein Zwölftel entrichtet. So erfreulich diese runden Ziffern dem Malthusianer in's Auge strahlen mögen, so halten wir unerbittlich daneben folgendes Rechenexempel vom J. 1845:
Kurz im Ganzen 16,007 Wähler und 66,148 Dürftige. Desgleichen, wenn in Paris auf 58 Einwohner ein politischer Wähler, hatten die Gemeinden des Weichbildes einen auf 108, und die Departemente durchschnittlich einen auf 200. Mit Triumphgeschrei zeigt die Malthusschule uns die Tabelle, wo 1831 von 33 Mill. Franzosen 166,185 im ganzen Lande Wähler waren und 1846 waren 238,251; aber ach! sie vergißt, daß ja auch die Einwohnerzahl um mehr denn eine Mill. in jenen 15 Jahren gestiegen war! Weiter: Je 4 1/2 Person machen in statistischer Sprache 1 Familie; folglich hatten 171,015 Wähler eine Bevölkerung von 770,000 Personen hinter sich. Das also war die reiche Klasse des 34 Mill. Einwohner zeugenden Frankreich. Zieht man sie sowohl ab, als die arme von 3 1/2 Millionen, dann bleiben uns 6,180,000 kleine und mittlere Eigenthümer in Stadt und Dorf, untere Civil- und Militärbeamte, Geistliche, Aerzte, Advokaten, Künstler, Arbeiter mit gutem Lohn, Dienstboten, kleine Atelierchefs; das ist also die s. g. in Halbwohlsein lebende Klasse. Sie zahlt Grundsteuer von 21 Fr. bis 199 Fr.; letzteres entrichteten nur 159,000 Personen, ersteres 759,000. Was unsern Ausdruck „Halbwohlsein“ über und über rechtfertigt, ist besonders die scheusliche Belastung des Bodenbesitzthums. Siehe unten. 4te Kategorie. 513,000 wohlgehäbige Bürger. Sie stehen in der Summe der 770,000, welche 200 Fr. und mehr Steuern zahlen. Paris, 29. Dezbr. Die Nationalversammlung entschied gestern Abend mit 372 gegen 363 Stimmen, daß die Salzsteuer vom 1. Januar 1849 an um zwei Drittheile herabgesetzt werden solle. Diese Entscheidung rief um 9 Uhr an der sogenannten Tortoni-Börse (im Operngange) eine förmliche Insurrektion hervor. Die Börsenwölfe schimpften laut gegen die Nationalversammlung und gruppirten sich so dicht zusammen, daß die Gardiens von Paris alle Mühe hatten, die Cirkulation frei zu erhalten. Das Wörtchen „Ministerialkrisis“ fuhr wie der Blitz unter die Jünger Rothschild's. — Passy's Niederlage in der Salzsteuer, die er zur Höhe einer Kabinetsfrage gehoben hatte, scheint wirklich dem Kabinet einen tödtlichen Streich zu versetzen. Der ehrenwerthe Expair will sein Portefeuille durchaus niederlegen und bestand bis diesen Morgen hartnäckig auf seiner Entlassung. — (Journaljammer über den drohenden Nationalbankerott und die partielle Ministerkrisis). Der „Constitutionel“ ist außer sich über die Rücksichtslosigkeit der Nationalversammlung. In einer Nachricht gibt er als Drohung zu verstehen, daß die Bitten aller Ordnungsfreunde gegen den Entschluß des Herrn Passy noch nichts vermocht hätten, und daß derselbe auf seinem Austritt bestände. — Die „Gazette de France et de Navarre“ fügt mit heimlicher Schadenfreude hinzu, daß der Rücktritt Passy's den Sturz des ganzen Kabinets nach sich ziehen müsse und sieht im Stillen das Reich Heinrich's V. heranrücken. Die „Debats“ vergießen bittere Thränen über die finanzielle Niederlage und bedauert, daß dem Präsidenten Bonaparte kein Veto gegen dieses Votum zustehe, das der Staatskasse 46 Millionen Franken entziehe. — „National“ und „Siècle reichen sich ganz vertraulich die Hände und sehen in dem Passy'schen Unglück ein neues Element zu dem gegen das Cabinet des 10. Decbr. eröffneten Feldzuge. — „Peuple“ meint, die Zeit sei nicht mehr fern, wo Herr Bonaparte gezwungen sein werde, seine Minister im sozialistischen Lager zu rekrutiren. „Peuple“ und „Revolution“ (Blatt Ledru Rollin's) jammern darum natürlich nicht über die neue Verlegenheit der Staatskasse. Aber „La Presse“ senkt das Haupt und sagt: „Jedermann frägt sich, was wird das Ministerium thun? Wie wird sich die Staatskasse aus der Verlegenheit ziehen? Die sofortige Herabsetzung der Salzsteuer entzieht ihr über 40 Millionen Franken; wie soll sie diesen Verlust decken, da sie das 1849er Büdget ohnedieß mit einem Defizit von 560 Millionen Franken beginnt. (Ein schönes Neujahr!) Das öffentliche Vertrauen, das kaum wieder erwachte, sieht sich durch Versagung dieser mächtigen Hilfsquelle von Neuem erschüttert. Das Uebel, welches die Nationalversammlung anrichtet, ist größer als das Gute, das sie zu bewirken strebte‥‥ Wir verhehlen uns die Größe der Verlegenheit nicht, in welche die Regierung durch dieses Votum gestürzt wird. Allein diese Größe der Gefahr selbst muß sie zu einem heroischen Entschluß treiben. Greift sie zu keiner entscheidenden Maaßregel, so liegt uns der Abhang des Nationalbankerotts näher und steiler als jemals! Diese entscheidende Maßregel muß in Ersparnissen bestehen, welche sie mit kühner Hand durchführen soll.“ Herr Girardin deutet hier seine Armee Reduktionen an und schließt seine Liebe zum ewgen Frieden mit den, gegen Baune gerichteten Worten: „‥‥Keine Intervention! Keine Prinzipienkämpfe!‥‥“ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div xml:id="ar184_015" type="jArticle"> <p><pb facs="#f0003" n="0993"/> fen, und wird jetzt erst gewahr, daß das Sicherheits-Comité sie keinen Augenblick aus dem Auge verloren hat.</p> <p>Sollte man nicht glauben, wenn man diese Episode liest, wieder in die alte Geschichte Venedigs versetzt zu sein?</p> </div> <div xml:id="ar184_016" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl> Mailand, 20. Dezbr.</head> <p>Der Militärgouverneur von Mailand, Graf C. Wimpffen, hat folgenden <hi rendition="#g">echtöstreichischen</hi> Erlaß veröffentlicht:</p> <p>„Die Regierung unterrichtet, daß man Gerüchte verbreitet, die dahin zielen, Allarm und Mißtrauen in der Bevölkerung hervorzurufen, daß Schlechtgesinnte sich der verächtlichsten Mittel bedienen, um Aufregung in den Geist der guten Bürger zu säen und sie gegen ihren Willen zur Theilnahme am Haß gegen die konstituirten Obrigkeiten und die öffentliche Ruhe hinzureißen, sei es durch Ausstellung auf revolutionäre Ereignisse bezüglicher Gegenstände an den Fenstern der Butiken, sei es durch Tragen politischen Parteien angehöriger Zeichen, sei es endlich durch hochverrätherische Rufe in der Nacht; in Erwägung alles dessen, fordert die Regierung, mit Bezugnahme auf ihre Kundmachungen vom 20. Aug. und 3. Sept., die guten Bürger auf, nichts zu fürchten; sie hat die geeigneten Mittel in ihrer Hand, um jeder Unordnung zuvorzukommen und wird mit der größten Sorgfalt das Betragen Derer überwachen, die durch die erwähnten Mittel die öffentliche Ruhe gefährden und es wird gegen sie mit der ganzen Energie und Strenge verfahren, welche die in dieser Stadt noch nicht aufgehobenen Belagerungsgesetze zulassen.“</p> </div> <div xml:id="ar184_017" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl> Genua, 13. Dezbr.</head> <p>Unter diesem Datum bringt der hier erscheinende „Pensiero italiano“ eine Adresse der zu Rom residirenden Franzosen an das römische Volk.</p> <p>Sie spricht die Bewunderung über das Verhalten des römischen Volks während der revolutionären Krise aus und straft die Berichte der zu Paris erscheinenden „Union“ und das „Journal des Debats“ Lügen.</p> </div> <div xml:id="ar184_018" type="jArticle"> <head>Rom, 20. Dezbr.</head> <p>Gestern Abend hat sich die oberste Junta definitiv konstituirt. Sie besteht aus 1) Fürst Corsini, Senator von Rom; 2) Grafen Camerata, Burgermeister aus Ankona; 3) Galleti, Advokat. Diese Junta hat ihre Bildung den beiden Kammern offiziell angezeigt und erklärt, daß sie bis zum Zusammentritt einer aus dem allgemeinen Stimmrecht hervorgegangenen Nationalversammlung ihr Amt treulich und kräftig verwalten wolle. Der größte Volksjubel herrscht in Rom und den Legationen.</p> </div> </div> <div n="1"> <head>Französische Republik.</head> <div xml:id="ar184_019" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl> Paris, 29. Dez.</head> <p>Das Journal, der „<hi rendition="#g">Credit</hi>“, bringt ein nicht uninteressantes Zwiegespräch, worin der Gouverneur der Bank von Frankreich, <hi rendition="#g">Argout,</hi> dem Finanzminister Leon Faucher einen Vorschuß von 8 Millionen für eine Eisenbahn rundweg abschlägt.</p> <p>Das Generalquartier der Kontrerevolution ist in dem „Rathe“ der Bank von Frankreich. Dort finden sich die hohen Barone der Finanzfeudalität, für welche Lauis Philippe Frankreich während 18 Jahre aussog.</p> <p>Seit der Revolution geht der Widerstand und die Krise von diesen selben Leuten aus. Weigerung des Beistandes gegen die provisorische Regierung, welche aus Mangel an Muth sich darauf angewiesen sah, zu der 45 Centimessteuer ihre Zuflucht zu nehmen. Später wurde eine Negotiation, welche die Staatswaldungen verpfänden sollte, mit Recht als ein angemessener Plan des Finanzministers betrachtet; der Generalrath der Bank weigerte noch einmal seinen Beistand, und als eine Stimme die Majorität für den Vorschlag gab, boten Delessert und Hottinguer ihre Entlassung an.</p> <p>Von dem Generalrath der Bank gehn beständig die Reklamationen gegen die Revolution und die Sozialisten aus. Die Junischlächterei genügt den Finanzbaronen nicht. Damit <hi rendition="#g">der Kredit</hi> wieder erwachse, bedürfen sie eines zweiten Juni, der nach ihrer Meinung den Sozialismus radikal zerstören würde.</p> <p>Die Bank von Frankreich, die Administration des Kredits, des Lebensfluidums der nationalen Produktion, befindet sich so in den Händen der egoistischsten und gefährlichsten Feinde der französischen Gesellschaft. Die Revolution muß vor allem diesen Feind niederschlagen. Die provisorische Regierung konnte ihn für immer beseitigen, ohne irgendwie von der gesetzlichen Routine abzuweichen.</p> <p>Die Bank hatte aus Haß gegen die Februarrevolution, und um die von ihr abhängigen Industriellen, Kaufleute u. s. w. in die Kontrerevolution zu schleudern, eine Geldkrise provozirt, indem sie den Alarm ausstreute, den Kredit entzog und was dergleichen Manöver mehr sind.</p> <p>Aber wie bei allen kommerziellen Krisen schlug der von den Banquiers hervorgerufene panische Schrecken auf die hohe Bank zurück.</p> <p>Einerseits beeilten sich die Pariser Rentiers u. s. w. die bei der Bank deponirten Baarvorräthe zurückzufordern. Andrerseits strömte Alles was Bankbillets besaß an ihre Kasse, um die Billets gegen Silber und Gold umzutauschen. Die Bank konnte dem Bankerutt nicht entgehen. Die provisorische Regierung konnte ruhig zusehn. Sie hatte doppelt gewonnen. Die tödtlichsten und mächtigsten Feinde der Revolution waren beseitigt, durch den gewöhnlichen bürgerlichen Geschäftsgang auf immer beseitigt, ohne irgend eine Einmischung der Regierung, und die Bank fiel von selbst in die Hände der provisorischen Regierung, die sie nun wirklich zu dem machen konnte, was sie bisher nur <hi rendition="#g">nominell</hi> ist, zu einer <hi rendition="#g">Bank von Frankreich</hi>.</p> <p>Das Institut, was durch die blose Fortdauer in seiner bisherigen Form, hinreichte, die Revolution zurückzudämmen, wurde zum mächtigsten Mittel der Revolution.</p> <p>Was that die provisorische Regierung statt dessen? Sie gab den Bankbillets <hi rendition="#g">Zwangskurs,</hi> ohne der auf Gnade und Ungnade ihr überlieferten Bank nur ein einziges Privilegium zu entreißen oder eine einzige neue Verpflichtung aufzuerlegen. Die Bank rächte sich giftig für diese alberne Großmuth.</p> <p>So wenig war diese provisorische Regierung ihrer Stellung gewachsen. Aus Delikatesse gegen die Finanzbarone hetzte sie sich die ganze Bauernklasse, 3/4 der französischen Bevölkerung, durch die 45 Centimessteuer auf den Hals. Die Antwort der Bauernklasse war die Wahl <hi rendition="#g">Louis Napoleons</hi>.</p> </div> <div xml:id="ar184_020" type="jArticle"> <head><bibl><author>12</author></bibl> Paris, 29. Decbr.</head> <p>Richtig! Die Kammer hat sich dem Odilon-Barrot gegenüber auf den revolutionären Boden gestellt. Odilon-Barrot verlangte durch den Finanzminister Passy die Wiederherstellung der Salzsteuer, welche nach einem Dekrete der provisorischen Regierung vom ersten Januar aufgehoben sein sollte. Die Kammer, ohne die Salzsteuer geradezu aufzuheben, hat sie dermaßen reduzirt, daß ihr Beschluß dem Beschlusse der provisorischen Regierung so ziemlich gleich zu achten und die Salzsteuer als aufgehoben zu betrachten ist. (Sie ist um 2/3 reduzirt.) Was hatte Napoleon den Bauern versprochen? oder vielmehr: was versprachen sich die Bauern von Napoleon? Zuvörderst Verminderung aller Steuern und zumal Aufhebung der Salzsteuer. Nun kömmt Barrot und verlangte grade im Namen Napoleon's die entgegengesetzte Maßregel? von wem verlangt er diese Maßregel? Von der Kammer, die bisheran sich zur Aufgabe gemacht hatte, alle nur etwa revolutionären Maßregeln der provisorischen Regierung für null und nichtig zu erklären. Das Ministerium zweifelt keinen Augenblick an einem glücklichen Erfolg. Barrot sitzt als Ministerpräsident auf der Ministerbank: die lebendige nullité grave, wie die Franzosen ihn treffend bezeichnen, d. h. die gründliche Seichtigkeit, die blos ihre hohe Stirne zu zeigen braucht, um sich ihres Triumphes zu versichern. Der Republikaner Goudchaux tritt für Barrot auf; er vertheidigt die Maßregel Passy's; denn es handelt sich um die Deckung enormen Defizits. Vergebens. Die Majorität der Kammer pflichtet der provisorischen Regierung bei und Barrot ist wie vor der Stirne geschlagen.</p> <p>Die Salzsteuer war von jeher eine der gehässigsten Steuern gewesen. Alle Regierungen, die sich in Frankreich seit 30 Jahren aufeinanderfolgten, hatten die Abschaffung derselben versprochen; und am andern Tage ihrer Installirung waren sie jedesmal wieder die ersten, welche die Nothwendigkeit dieser Steuer geltend machten. Aber daß diese Steuer einem Barrot mit Napoleon hinter sich verweigert werden sollte, von einer Kammer, welche die Juni-Insurgenten bekämpfte, darauf war Barrot nicht gefaßt. Gewiß, die Kammer ist über Nacht roth geworden! Von dem Augenblicke an, wo die Kammer auf ihren Ursprung zurückgehend, den Präsidenten Napoleon auf seinen Ursprung zurückführen will, sieht Napoleon sich genöthigt, den Ursprung der Kammer zu verläugnen. Napoleon, wie er entstanden ist, kann nicht fortbestehn mit der Kammer, wie sie bestehen will. Die Kammer und Napoleon müssen sich in Einklang setzen. 5 Millionen Herzen haben sich für das Herz Napoleon's erklärt: so wähnt Bonaparte. Fünf Millionen Herzen werden doch nicht annehmen, daß eines Menschen Herz im Hute seinen Sitz habe: so antwortet die Kammer, und zum ersten Male stellt sie sich auf den Kopf, d. h. sie tritt revolutionär auf. Ein Ministerwechsel kann den Widerspruch zwischen der Kammer und dem Präsidenten nicht beseitigen. Die Auflösung der Kammer ist eine Nothwendigkeit geworden. Mit der Auflösung der Kammer wird Napoleon ebenfalls aufgelöst. Der <hi rendition="#g">Eine</hi> Napoleon verschwindet und in den neuen Wahlen werden die verschiedenen Napoleon's in der Kammer sich gegenüberstehen als Parteien. Aber die bloße Nothwendigkeit der Auflösung der Kammer, die Furcht vor der wirklichen Zergliederung Napoleon's hat schon die anfängliche Freude der Eintracht zerstört, und die Catastrophe ist näher als man glaubt.</p> </div> <div xml:id="ar184_021" type="jArticle"> <head><bibl><author>17</author></bibl> Paris, 28. Dez.</head> <p>Herr Odilon-Barrot, der große Ministerpräses „mit dem kahlen Haupte, worin just so viel Gedanken drin sind, als Haare darauf,“ (Le peuple souverain), der Mann „mit der kühn zwischen die Westenknöpfe geschobenen Linken und dem weltvernichtend nach oben geschleuderten gläsernstieren Blicke“ (Constituant von Toulouse), hat bereits die Konstitution recht con amore verletzt. Dieser alte Liberale de anno 1820, der Mann des französischen Rechtsbodens, hat dem legitimistischsten aller Generale, Changarnier, das Kommando über die Nationalgarden des Seinedepartements und zugleich über die Linie gegeben; was widerrechtlich. Er hat vor drei Tagen eine hohe Idee in der Kammer zum Besten gegeben, des Inhalts: das Ministerium Bonaparte's werde forthin das aufrührerische Treiben dermaßen zerstören, daß sogar der Gedanke daran verschwinden werde, denn Vorkehr sei besser als Repressivmaßregeln. Die Februarrevolution steht mithin am 24. Dez. gerade wieder da, wo sie am 24. Febr. 1847 gestanden, als um 10 1/2 Uhr Morgens der betäubte Louis Philipp an den blutbespritzten Straßenecken anschlagen ließ: „O. Barrot: Konseilspräsident.“ Nach fernern acht Monaten steht sie vielleicht da, wo sie am 23. Februar u. s. w. immer zurückgeschoben die Zeiger bis das Uhrgewicht von der endlich gesprengten Kette herunterkracht und die Pfuscher alle zerschmettert.</p> <p>Daß dieser Moment wohl näher ist, als sich's die Schulweisheit der herrschenden pedantischen und perfiden Malthusianer träumen läßt, dieser Magister, die jetzt wieder <hi rendition="#g">gegen</hi> Aufhebung der vom Provisorium dekretirten Salzsteuer, und <hi rendition="#g">gegen</hi> Ermäßigung des Briefporto stimmen, während ihr geliebter Bruder Michel Chevalier den ihm von einem nicht ganz malthusischen Minister vor einigen Monaten wegen seiner verrückten monarchistischen Nationalökonomie entzogenen Lehrstuhl à 6000 Franken Salair, abermals triumphirend besteigt —: dürfte die Fortsetzung unseres Berichtes:</p> <p><hi rendition="#g">Bilanz Frankreich,</hi><lb/> an den Tag legen helfen.</p> <p>1te <hi rendition="#g">Kategorie</hi>. 10,110,000 Franzosen im Elend. Die 16,784,000, welche laut obiger Tabelle in Hütten mit einer, zwei, drei Oeffnungen und in Erdlöchern hausen, bestehn in Tagelöhnern vom Lande, wahrhaft an die Scholle gebundene Drangsalsmenschen. Die 2,335,000 in Häusern mit 4 Oeffnungen, in Dörfern und weniger als 5000 Einwohner enthaltenden Ortschaften sind gleichfalls meist Feldarbeiter, die es noch nicht bis zum untersten Grade des Wohlergehens, zur gemilderten Armuth, gebracht haben.</p> <p>Also im Ganzen: 19,119,000 Männer, Frauen und Kinder in Elend.</p> <p>2te <hi rendition="#g">Kategorie</hi>. 5,750,000 in gemilderter Armuth. Auffallen muß, daß nur 583,926 Wohnungen fünf Oeffnungen, aber 4,326,727 darunter haben. Daraus folgt, daß die mit fünf schon eine Ausnahme sind.</p> <p>In der That, 3,750,000 Personen fangen in ihnen an, die erste rohe Spur des Wohlergehens zu finden; sie bearbeiten schon einige gute Grundstücke, doch meistens einige schlechte.</p> <p>Diese beiden ersten Kategorien umfassen 22,869,000 Franzosen; sie haben weder Reichthum noch Gehäbigkeit. Sie haben die Paupers vom Lande, die Vagabunden und Bettler, aufzuweisen, deren es 1842 laut administrativen Dokumenten an vier Millionen gab. Damals zahlte die Nation jährlich hundert Mill. Franken an den Pauperismus in Spitälern, Mildthätigkeitsanstalten, Findelhäusern und ähnlichen erfreulichen Bourgeois-Etablissements.</p> <p>Mithin ist nur in dem letzten Drittel der Nation, 10,450,000 Personen zählend, auf Wohlergehen zu rechnen; sie wohnen in Gebäuden mit sechs Oeffnungen und mehr.</p> <p>Aber, entgegnet der Malthusschüler, ihr sagt, in Frankreich lebten 23 Mill., wovon 4/5 im Elend, 1/5 in gemäßigter Dürftigkeit; und doch solltet ihr wissen, daß 20 Mill. Eigenthümer existiren. „Wisset, der Boden gehört 5 Mill. Eigenthümern, die Familienhäupter sind, d. h. 22 bis 25 Mill. Franzosen. Ergo, die Proletärs sind weit minder zahlreich, als die Proprietärs,“ sprach 1833 ein (erzministerielles) Mitglied der Deputirtenkammer. „In der That, ihr schreit stets Ach und Weh (sagten mehrere Journale im Mai 1848) und wollt nicht im Gedächtniß behalten, daß der französische Boden mit 10,282,946 Eigenthümern desselben bedeckt ist, und im Ganzen volle 21,141,120 Eigenthümer, Acker bauende Industrielle, Handelstreibende und Künstler hat.“</p> <p>Im Jahre 1835 stand die unter 5 Franken betragende Grundsteuer, vertheilt auf 5,205,411 Personen; die zwischen 5 und 10 Franken, vertheilt auf 1,754,944 Personen, und die zwischen 10 und 20, vertheilt auf 1,514,250.</p> <p>3te <hi rendition="#g">Kategorie</hi>. 6,180,000 Bürger in steter Klemme vegetirend, s. g. halbem Wohlergehn. — Was Häuser von 6 Oeffnungen und darüber betrifft, so läßt uns jede Statistik in bisheriger Weise im Stich; wir betreten nunmehr das Bereich der Miethsleute. In den beiden früheren Kategorien war Miethsherr und Miethsmann gleich arm, folglich wäre dort ein Unterschied reiner Unsinn. Es kommt also hier darauf an die Menschensumme zu finden, die in halbem Wohlergehen unter den 10,450,000 in Häusern mit mehr als 6 Oeffnungen lebt. Wir streichen vorab die Armen, dann die Reichen aus diesen 10 Mill. weg.</p> <p>Arme gibt es darin 3,500,000.</p> <p>Denn 1833 konstatirte man 425,029 Leute in den Spitälern; und 695,932 von Mildthätigkeitsanstalten unterstützte, macht 1,120,961. Nun aber versichern die Statistiker, die <hi rendition="#g">offizielle</hi> Misere sei stets nur ein Drittel der <hi rendition="#g">wirklichen,</hi> d. h. letztere war 3,362,883 im Jahre 1833. Wobei noch keine Rede ist von der s. g. <hi rendition="#g">gefährlichen</hi> Armuth, den durch Dieberei und Prostitution das Dasein fristenden; man darf immerhin 60,000 Diebe, Spitzbuben und Unterhalter öffentlicher Dirnen rechnen, und mindestens 200,000 s. g. femmes folles de leur corps, de to<gap reason="illegible"/> étage, d. h. mit ihrer Körperschönheit Gewerb treibender Personen des weiblichen Geschlechts; folglich taxiren wir ohne Uebermaß die Armuthsmasse in den Städten und Stadtweichbildern auf 3 1/2 Mill. Die Mehrheit besteht aus Schwachen, Greisen, zu gering bezahlten Arbeitern, Arbeitslosen, für die „der Himmel stets schwarz ist,“ wie das uralte Volkslied singt.</p> <p>Diese 3 1/2 Mill. stehen Tag und Nacht zwischen Diebstahl, Prostitution, Selbstmord und Hunger (oder gar Hungertod) wie zwischen 4 Mauern eingekeilt; ein Zufall entscheidet meistens, nach welcher der vier Seiten hin das gepeinigte Individuum hinschlägt.</p> <p>Ferner löschen wir aus die 770,000 Gehäbigen und Reichen. Da haben wir's leichter im Taxiren, das „goldene Buch“ belehrt uns, worin unsere politischen Wahlherren stehen. Im J. 1836 (siehe Recherches statistiques de la ville de Paris, Bd. V) war unter 849,059 wohnhaften Parisern eine Anzahl von 14,630 Wählern, die mindestens 200 Fr. direkte Steuer entrichteten; letztere besteht für Paris in 8 Mill. <hi rendition="#g">Grundsteuer,</hi> in Frankreich 158 Mill.; zweitens in <hi rendition="#g">Personal- und Mobiliarsteuer:</hi> Paris 3 Mill., Frankreich 34 Mill.; drittens in <hi rendition="#g">Thür- und Fenstersteuer:</hi> Paris 3 Mill., Frankreich 24 Mill.; viertens <hi rendition="#g">Patentsteuer:</hi> Paris 7 Mill., Frankreich 28 Mill. Summa 245 Mill. Fr. im J. 1846, wovon Paris ein Zwölftel entrichtet. So erfreulich diese runden Ziffern dem Malthusianer in's Auge strahlen mögen, so halten wir unerbittlich daneben folgendes Rechenexempel vom J. 1845:</p> <table> <row> <cell>In Paris enthielt der 1ste Bezirk:</cell> <cell>1713 Wähler <choice><sic>nnd</sic><corr>und</corr></choice><lb/> 4107 Dürftige.</cell> </row> <row> <cell>der 2te, Ausnahme unter allen:</cell> <cell>3013 Wähler und<lb/> 2503 Dürftige.</cell> </row> <row> <cell>der 8te, Ausnahme unter allen:</cell> <cell>1188 Wähler und<lb/> 11179 Dürftige.</cell> </row> <row> <cell>der 9te, Ausnahme unter allen:</cell> <cell>577 Wähler und<lb/> 6334 Dürftige.</cell> </row> <row> <cell>der 12te, Ausnahme unter allen:</cell> <cell>753 Wähler und<lb/> 12978 Dürftige u. s. w.</cell> </row> </table> <p>Kurz im Ganzen 16,007 Wähler und 66,148 Dürftige.</p> <p>Desgleichen, wenn in Paris auf 58 Einwohner ein politischer Wähler, hatten die Gemeinden des Weichbildes einen auf 108, und die Departemente durchschnittlich einen auf 200. Mit Triumphgeschrei zeigt die Malthusschule uns die Tabelle, wo 1831 von 33 Mill. Franzosen 166,185 im ganzen Lande Wähler waren und 1846 waren 238,251; aber ach! sie vergißt, daß ja auch die Einwohnerzahl um mehr denn eine Mill. in jenen 15 Jahren gestiegen war!</p> <p>Weiter: Je 4 1/2 Person machen in statistischer Sprache 1 Familie; folglich hatten 171,015 Wähler eine Bevölkerung von 770,000 Personen hinter sich. Das also war die <hi rendition="#g">reiche</hi> Klasse des 34 Mill. Einwohner zeugenden Frankreich. Zieht man sie sowohl ab, als die <hi rendition="#g">arme</hi> von 3 1/2 Millionen, dann bleiben uns 6,180,000 kleine und mittlere Eigenthümer in Stadt und Dorf, untere Civil- und Militärbeamte, Geistliche, Aerzte, Advokaten, Künstler, Arbeiter mit gutem Lohn, Dienstboten, kleine Atelierchefs; das ist also die s. g. in Halbwohlsein lebende Klasse.</p> <p>Sie zahlt Grundsteuer von 21 Fr. bis 199 Fr.; letzteres entrichteten nur 159,000 Personen, ersteres 759,000. Was unsern Ausdruck „Halbwohlsein“ über und über rechtfertigt, ist besonders die scheusliche Belastung des Bodenbesitzthums. Siehe unten.</p> <p>4te <hi rendition="#g">Kategorie</hi>. 513,000 wohlgehäbige Bürger. Sie stehen in der Summe der 770,000, welche 200 Fr. und mehr Steuern zahlen.</p> </div> <div xml:id="ar184_022" type="jArticle"> <head>Paris, 29. Dezbr.</head> <p>Die Nationalversammlung entschied gestern Abend mit 372 gegen 363 Stimmen, daß die Salzsteuer vom 1. Januar 1849 an um zwei Drittheile herabgesetzt werden solle.</p> <p>Diese Entscheidung rief um 9 Uhr an der sogenannten Tortoni-Börse (im Operngange) eine förmliche Insurrektion hervor. Die Börsenwölfe schimpften laut gegen die Nationalversammlung und gruppirten sich so dicht zusammen, daß die Gardiens von Paris alle Mühe hatten, die Cirkulation frei zu erhalten.</p> <p>Das Wörtchen „Ministerialkrisis“ fuhr wie der Blitz unter die Jünger Rothschild's.</p> <p>— Passy's Niederlage in der Salzsteuer, die er zur Höhe einer Kabinetsfrage gehoben hatte, scheint wirklich dem Kabinet einen tödtlichen Streich zu versetzen. Der ehrenwerthe Expair will sein Portefeuille durchaus niederlegen und bestand bis diesen Morgen hartnäckig auf seiner Entlassung.</p> <p>— (Journaljammer über den drohenden Nationalbankerott und die partielle Ministerkrisis). Der „Constitutionel“ ist außer sich über die Rücksichtslosigkeit der Nationalversammlung. In einer Nachricht gibt er als Drohung zu verstehen, daß die Bitten aller Ordnungsfreunde gegen den Entschluß des Herrn Passy noch nichts vermocht hätten, und daß derselbe auf seinem Austritt bestände. — Die „Gazette de France et de Navarre“ fügt mit heimlicher Schadenfreude hinzu, daß der Rücktritt Passy's den Sturz des ganzen Kabinets nach sich ziehen müsse und sieht im Stillen das Reich Heinrich's V. heranrücken.</p> <p>Die „Debats“ vergießen bittere Thränen über die finanzielle Niederlage und bedauert, daß dem Präsidenten Bonaparte kein Veto gegen dieses Votum zustehe, das der Staatskasse 46 Millionen Franken entziehe. — „National“ und „Siècle reichen sich ganz vertraulich die Hände und sehen in dem Passy'schen Unglück ein neues Element zu dem gegen das Cabinet des 10. Decbr. eröffneten Feldzuge. — „Peuple“ meint, die Zeit sei nicht mehr fern, wo Herr Bonaparte gezwungen sein werde, seine Minister im sozialistischen Lager zu rekrutiren. „Peuple“ und „Revolution“ (Blatt Ledru Rollin's) jammern darum natürlich nicht über die neue Verlegenheit der Staatskasse.</p> <p>Aber „La Presse“ senkt das Haupt und sagt: „Jedermann frägt sich, was wird das Ministerium thun? Wie wird sich die Staatskasse aus der Verlegenheit ziehen? Die sofortige Herabsetzung der Salzsteuer entzieht ihr über 40 Millionen Franken; wie soll sie diesen Verlust decken, da sie das 1849er Büdget ohnedieß mit einem Defizit von 560 Millionen Franken beginnt. (Ein schönes Neujahr!) Das öffentliche Vertrauen, das kaum wieder erwachte, sieht sich durch Versagung dieser mächtigen Hilfsquelle von Neuem erschüttert. Das Uebel, welches die Nationalversammlung anrichtet, ist größer als das Gute, das sie zu bewirken strebte‥‥ Wir verhehlen uns die Größe der Verlegenheit nicht, in welche die Regierung durch dieses Votum gestürzt wird. Allein diese Größe der Gefahr selbst muß sie zu einem heroischen Entschluß treiben. Greift sie zu keiner entscheidenden Maaßregel, so liegt uns der Abhang des Nationalbankerotts näher und steiler als jemals! Diese entscheidende Maßregel muß in Ersparnissen bestehen, welche sie mit kühner Hand durchführen soll.“</p> <p>Herr Girardin deutet hier seine Armee Reduktionen an und schließt seine Liebe zum ewgen Frieden mit den, gegen Baune gerichteten Worten: „‥‥Keine Intervention! Keine Prinzipienkämpfe!‥‥“</p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0993/0003]
fen, und wird jetzt erst gewahr, daß das Sicherheits-Comité sie keinen Augenblick aus dem Auge verloren hat.
Sollte man nicht glauben, wenn man diese Episode liest, wieder in die alte Geschichte Venedigs versetzt zu sein?
* Mailand, 20. Dezbr. Der Militärgouverneur von Mailand, Graf C. Wimpffen, hat folgenden echtöstreichischen Erlaß veröffentlicht:
„Die Regierung unterrichtet, daß man Gerüchte verbreitet, die dahin zielen, Allarm und Mißtrauen in der Bevölkerung hervorzurufen, daß Schlechtgesinnte sich der verächtlichsten Mittel bedienen, um Aufregung in den Geist der guten Bürger zu säen und sie gegen ihren Willen zur Theilnahme am Haß gegen die konstituirten Obrigkeiten und die öffentliche Ruhe hinzureißen, sei es durch Ausstellung auf revolutionäre Ereignisse bezüglicher Gegenstände an den Fenstern der Butiken, sei es durch Tragen politischen Parteien angehöriger Zeichen, sei es endlich durch hochverrätherische Rufe in der Nacht; in Erwägung alles dessen, fordert die Regierung, mit Bezugnahme auf ihre Kundmachungen vom 20. Aug. und 3. Sept., die guten Bürger auf, nichts zu fürchten; sie hat die geeigneten Mittel in ihrer Hand, um jeder Unordnung zuvorzukommen und wird mit der größten Sorgfalt das Betragen Derer überwachen, die durch die erwähnten Mittel die öffentliche Ruhe gefährden und es wird gegen sie mit der ganzen Energie und Strenge verfahren, welche die in dieser Stadt noch nicht aufgehobenen Belagerungsgesetze zulassen.“
* Genua, 13. Dezbr. Unter diesem Datum bringt der hier erscheinende „Pensiero italiano“ eine Adresse der zu Rom residirenden Franzosen an das römische Volk.
Sie spricht die Bewunderung über das Verhalten des römischen Volks während der revolutionären Krise aus und straft die Berichte der zu Paris erscheinenden „Union“ und das „Journal des Debats“ Lügen.
Rom, 20. Dezbr. Gestern Abend hat sich die oberste Junta definitiv konstituirt. Sie besteht aus 1) Fürst Corsini, Senator von Rom; 2) Grafen Camerata, Burgermeister aus Ankona; 3) Galleti, Advokat. Diese Junta hat ihre Bildung den beiden Kammern offiziell angezeigt und erklärt, daß sie bis zum Zusammentritt einer aus dem allgemeinen Stimmrecht hervorgegangenen Nationalversammlung ihr Amt treulich und kräftig verwalten wolle. Der größte Volksjubel herrscht in Rom und den Legationen.
Französische Republik. * Paris, 29. Dez. Das Journal, der „Credit“, bringt ein nicht uninteressantes Zwiegespräch, worin der Gouverneur der Bank von Frankreich, Argout, dem Finanzminister Leon Faucher einen Vorschuß von 8 Millionen für eine Eisenbahn rundweg abschlägt.
Das Generalquartier der Kontrerevolution ist in dem „Rathe“ der Bank von Frankreich. Dort finden sich die hohen Barone der Finanzfeudalität, für welche Lauis Philippe Frankreich während 18 Jahre aussog.
Seit der Revolution geht der Widerstand und die Krise von diesen selben Leuten aus. Weigerung des Beistandes gegen die provisorische Regierung, welche aus Mangel an Muth sich darauf angewiesen sah, zu der 45 Centimessteuer ihre Zuflucht zu nehmen. Später wurde eine Negotiation, welche die Staatswaldungen verpfänden sollte, mit Recht als ein angemessener Plan des Finanzministers betrachtet; der Generalrath der Bank weigerte noch einmal seinen Beistand, und als eine Stimme die Majorität für den Vorschlag gab, boten Delessert und Hottinguer ihre Entlassung an.
Von dem Generalrath der Bank gehn beständig die Reklamationen gegen die Revolution und die Sozialisten aus. Die Junischlächterei genügt den Finanzbaronen nicht. Damit der Kredit wieder erwachse, bedürfen sie eines zweiten Juni, der nach ihrer Meinung den Sozialismus radikal zerstören würde.
Die Bank von Frankreich, die Administration des Kredits, des Lebensfluidums der nationalen Produktion, befindet sich so in den Händen der egoistischsten und gefährlichsten Feinde der französischen Gesellschaft. Die Revolution muß vor allem diesen Feind niederschlagen. Die provisorische Regierung konnte ihn für immer beseitigen, ohne irgendwie von der gesetzlichen Routine abzuweichen.
Die Bank hatte aus Haß gegen die Februarrevolution, und um die von ihr abhängigen Industriellen, Kaufleute u. s. w. in die Kontrerevolution zu schleudern, eine Geldkrise provozirt, indem sie den Alarm ausstreute, den Kredit entzog und was dergleichen Manöver mehr sind.
Aber wie bei allen kommerziellen Krisen schlug der von den Banquiers hervorgerufene panische Schrecken auf die hohe Bank zurück.
Einerseits beeilten sich die Pariser Rentiers u. s. w. die bei der Bank deponirten Baarvorräthe zurückzufordern. Andrerseits strömte Alles was Bankbillets besaß an ihre Kasse, um die Billets gegen Silber und Gold umzutauschen. Die Bank konnte dem Bankerutt nicht entgehen. Die provisorische Regierung konnte ruhig zusehn. Sie hatte doppelt gewonnen. Die tödtlichsten und mächtigsten Feinde der Revolution waren beseitigt, durch den gewöhnlichen bürgerlichen Geschäftsgang auf immer beseitigt, ohne irgend eine Einmischung der Regierung, und die Bank fiel von selbst in die Hände der provisorischen Regierung, die sie nun wirklich zu dem machen konnte, was sie bisher nur nominell ist, zu einer Bank von Frankreich.
Das Institut, was durch die blose Fortdauer in seiner bisherigen Form, hinreichte, die Revolution zurückzudämmen, wurde zum mächtigsten Mittel der Revolution.
Was that die provisorische Regierung statt dessen? Sie gab den Bankbillets Zwangskurs, ohne der auf Gnade und Ungnade ihr überlieferten Bank nur ein einziges Privilegium zu entreißen oder eine einzige neue Verpflichtung aufzuerlegen. Die Bank rächte sich giftig für diese alberne Großmuth.
So wenig war diese provisorische Regierung ihrer Stellung gewachsen. Aus Delikatesse gegen die Finanzbarone hetzte sie sich die ganze Bauernklasse, 3/4 der französischen Bevölkerung, durch die 45 Centimessteuer auf den Hals. Die Antwort der Bauernklasse war die Wahl Louis Napoleons.
12 Paris, 29. Decbr. Richtig! Die Kammer hat sich dem Odilon-Barrot gegenüber auf den revolutionären Boden gestellt. Odilon-Barrot verlangte durch den Finanzminister Passy die Wiederherstellung der Salzsteuer, welche nach einem Dekrete der provisorischen Regierung vom ersten Januar aufgehoben sein sollte. Die Kammer, ohne die Salzsteuer geradezu aufzuheben, hat sie dermaßen reduzirt, daß ihr Beschluß dem Beschlusse der provisorischen Regierung so ziemlich gleich zu achten und die Salzsteuer als aufgehoben zu betrachten ist. (Sie ist um 2/3 reduzirt.) Was hatte Napoleon den Bauern versprochen? oder vielmehr: was versprachen sich die Bauern von Napoleon? Zuvörderst Verminderung aller Steuern und zumal Aufhebung der Salzsteuer. Nun kömmt Barrot und verlangte grade im Namen Napoleon's die entgegengesetzte Maßregel? von wem verlangt er diese Maßregel? Von der Kammer, die bisheran sich zur Aufgabe gemacht hatte, alle nur etwa revolutionären Maßregeln der provisorischen Regierung für null und nichtig zu erklären. Das Ministerium zweifelt keinen Augenblick an einem glücklichen Erfolg. Barrot sitzt als Ministerpräsident auf der Ministerbank: die lebendige nullité grave, wie die Franzosen ihn treffend bezeichnen, d. h. die gründliche Seichtigkeit, die blos ihre hohe Stirne zu zeigen braucht, um sich ihres Triumphes zu versichern. Der Republikaner Goudchaux tritt für Barrot auf; er vertheidigt die Maßregel Passy's; denn es handelt sich um die Deckung enormen Defizits. Vergebens. Die Majorität der Kammer pflichtet der provisorischen Regierung bei und Barrot ist wie vor der Stirne geschlagen.
Die Salzsteuer war von jeher eine der gehässigsten Steuern gewesen. Alle Regierungen, die sich in Frankreich seit 30 Jahren aufeinanderfolgten, hatten die Abschaffung derselben versprochen; und am andern Tage ihrer Installirung waren sie jedesmal wieder die ersten, welche die Nothwendigkeit dieser Steuer geltend machten. Aber daß diese Steuer einem Barrot mit Napoleon hinter sich verweigert werden sollte, von einer Kammer, welche die Juni-Insurgenten bekämpfte, darauf war Barrot nicht gefaßt. Gewiß, die Kammer ist über Nacht roth geworden! Von dem Augenblicke an, wo die Kammer auf ihren Ursprung zurückgehend, den Präsidenten Napoleon auf seinen Ursprung zurückführen will, sieht Napoleon sich genöthigt, den Ursprung der Kammer zu verläugnen. Napoleon, wie er entstanden ist, kann nicht fortbestehn mit der Kammer, wie sie bestehen will. Die Kammer und Napoleon müssen sich in Einklang setzen. 5 Millionen Herzen haben sich für das Herz Napoleon's erklärt: so wähnt Bonaparte. Fünf Millionen Herzen werden doch nicht annehmen, daß eines Menschen Herz im Hute seinen Sitz habe: so antwortet die Kammer, und zum ersten Male stellt sie sich auf den Kopf, d. h. sie tritt revolutionär auf. Ein Ministerwechsel kann den Widerspruch zwischen der Kammer und dem Präsidenten nicht beseitigen. Die Auflösung der Kammer ist eine Nothwendigkeit geworden. Mit der Auflösung der Kammer wird Napoleon ebenfalls aufgelöst. Der Eine Napoleon verschwindet und in den neuen Wahlen werden die verschiedenen Napoleon's in der Kammer sich gegenüberstehen als Parteien. Aber die bloße Nothwendigkeit der Auflösung der Kammer, die Furcht vor der wirklichen Zergliederung Napoleon's hat schon die anfängliche Freude der Eintracht zerstört, und die Catastrophe ist näher als man glaubt.
17 Paris, 28. Dez. Herr Odilon-Barrot, der große Ministerpräses „mit dem kahlen Haupte, worin just so viel Gedanken drin sind, als Haare darauf,“ (Le peuple souverain), der Mann „mit der kühn zwischen die Westenknöpfe geschobenen Linken und dem weltvernichtend nach oben geschleuderten gläsernstieren Blicke“ (Constituant von Toulouse), hat bereits die Konstitution recht con amore verletzt. Dieser alte Liberale de anno 1820, der Mann des französischen Rechtsbodens, hat dem legitimistischsten aller Generale, Changarnier, das Kommando über die Nationalgarden des Seinedepartements und zugleich über die Linie gegeben; was widerrechtlich. Er hat vor drei Tagen eine hohe Idee in der Kammer zum Besten gegeben, des Inhalts: das Ministerium Bonaparte's werde forthin das aufrührerische Treiben dermaßen zerstören, daß sogar der Gedanke daran verschwinden werde, denn Vorkehr sei besser als Repressivmaßregeln. Die Februarrevolution steht mithin am 24. Dez. gerade wieder da, wo sie am 24. Febr. 1847 gestanden, als um 10 1/2 Uhr Morgens der betäubte Louis Philipp an den blutbespritzten Straßenecken anschlagen ließ: „O. Barrot: Konseilspräsident.“ Nach fernern acht Monaten steht sie vielleicht da, wo sie am 23. Februar u. s. w. immer zurückgeschoben die Zeiger bis das Uhrgewicht von der endlich gesprengten Kette herunterkracht und die Pfuscher alle zerschmettert.
Daß dieser Moment wohl näher ist, als sich's die Schulweisheit der herrschenden pedantischen und perfiden Malthusianer träumen läßt, dieser Magister, die jetzt wieder gegen Aufhebung der vom Provisorium dekretirten Salzsteuer, und gegen Ermäßigung des Briefporto stimmen, während ihr geliebter Bruder Michel Chevalier den ihm von einem nicht ganz malthusischen Minister vor einigen Monaten wegen seiner verrückten monarchistischen Nationalökonomie entzogenen Lehrstuhl à 6000 Franken Salair, abermals triumphirend besteigt —: dürfte die Fortsetzung unseres Berichtes:
Bilanz Frankreich,
an den Tag legen helfen.
1te Kategorie. 10,110,000 Franzosen im Elend. Die 16,784,000, welche laut obiger Tabelle in Hütten mit einer, zwei, drei Oeffnungen und in Erdlöchern hausen, bestehn in Tagelöhnern vom Lande, wahrhaft an die Scholle gebundene Drangsalsmenschen. Die 2,335,000 in Häusern mit 4 Oeffnungen, in Dörfern und weniger als 5000 Einwohner enthaltenden Ortschaften sind gleichfalls meist Feldarbeiter, die es noch nicht bis zum untersten Grade des Wohlergehens, zur gemilderten Armuth, gebracht haben.
Also im Ganzen: 19,119,000 Männer, Frauen und Kinder in Elend.
2te Kategorie. 5,750,000 in gemilderter Armuth. Auffallen muß, daß nur 583,926 Wohnungen fünf Oeffnungen, aber 4,326,727 darunter haben. Daraus folgt, daß die mit fünf schon eine Ausnahme sind.
In der That, 3,750,000 Personen fangen in ihnen an, die erste rohe Spur des Wohlergehens zu finden; sie bearbeiten schon einige gute Grundstücke, doch meistens einige schlechte.
Diese beiden ersten Kategorien umfassen 22,869,000 Franzosen; sie haben weder Reichthum noch Gehäbigkeit. Sie haben die Paupers vom Lande, die Vagabunden und Bettler, aufzuweisen, deren es 1842 laut administrativen Dokumenten an vier Millionen gab. Damals zahlte die Nation jährlich hundert Mill. Franken an den Pauperismus in Spitälern, Mildthätigkeitsanstalten, Findelhäusern und ähnlichen erfreulichen Bourgeois-Etablissements.
Mithin ist nur in dem letzten Drittel der Nation, 10,450,000 Personen zählend, auf Wohlergehen zu rechnen; sie wohnen in Gebäuden mit sechs Oeffnungen und mehr.
Aber, entgegnet der Malthusschüler, ihr sagt, in Frankreich lebten 23 Mill., wovon 4/5 im Elend, 1/5 in gemäßigter Dürftigkeit; und doch solltet ihr wissen, daß 20 Mill. Eigenthümer existiren. „Wisset, der Boden gehört 5 Mill. Eigenthümern, die Familienhäupter sind, d. h. 22 bis 25 Mill. Franzosen. Ergo, die Proletärs sind weit minder zahlreich, als die Proprietärs,“ sprach 1833 ein (erzministerielles) Mitglied der Deputirtenkammer. „In der That, ihr schreit stets Ach und Weh (sagten mehrere Journale im Mai 1848) und wollt nicht im Gedächtniß behalten, daß der französische Boden mit 10,282,946 Eigenthümern desselben bedeckt ist, und im Ganzen volle 21,141,120 Eigenthümer, Acker bauende Industrielle, Handelstreibende und Künstler hat.“
Im Jahre 1835 stand die unter 5 Franken betragende Grundsteuer, vertheilt auf 5,205,411 Personen; die zwischen 5 und 10 Franken, vertheilt auf 1,754,944 Personen, und die zwischen 10 und 20, vertheilt auf 1,514,250.
3te Kategorie. 6,180,000 Bürger in steter Klemme vegetirend, s. g. halbem Wohlergehn. — Was Häuser von 6 Oeffnungen und darüber betrifft, so läßt uns jede Statistik in bisheriger Weise im Stich; wir betreten nunmehr das Bereich der Miethsleute. In den beiden früheren Kategorien war Miethsherr und Miethsmann gleich arm, folglich wäre dort ein Unterschied reiner Unsinn. Es kommt also hier darauf an die Menschensumme zu finden, die in halbem Wohlergehen unter den 10,450,000 in Häusern mit mehr als 6 Oeffnungen lebt. Wir streichen vorab die Armen, dann die Reichen aus diesen 10 Mill. weg.
Arme gibt es darin 3,500,000.
Denn 1833 konstatirte man 425,029 Leute in den Spitälern; und 695,932 von Mildthätigkeitsanstalten unterstützte, macht 1,120,961. Nun aber versichern die Statistiker, die offizielle Misere sei stets nur ein Drittel der wirklichen, d. h. letztere war 3,362,883 im Jahre 1833. Wobei noch keine Rede ist von der s. g. gefährlichen Armuth, den durch Dieberei und Prostitution das Dasein fristenden; man darf immerhin 60,000 Diebe, Spitzbuben und Unterhalter öffentlicher Dirnen rechnen, und mindestens 200,000 s. g. femmes folles de leur corps, de to_ étage, d. h. mit ihrer Körperschönheit Gewerb treibender Personen des weiblichen Geschlechts; folglich taxiren wir ohne Uebermaß die Armuthsmasse in den Städten und Stadtweichbildern auf 3 1/2 Mill. Die Mehrheit besteht aus Schwachen, Greisen, zu gering bezahlten Arbeitern, Arbeitslosen, für die „der Himmel stets schwarz ist,“ wie das uralte Volkslied singt.
Diese 3 1/2 Mill. stehen Tag und Nacht zwischen Diebstahl, Prostitution, Selbstmord und Hunger (oder gar Hungertod) wie zwischen 4 Mauern eingekeilt; ein Zufall entscheidet meistens, nach welcher der vier Seiten hin das gepeinigte Individuum hinschlägt.
Ferner löschen wir aus die 770,000 Gehäbigen und Reichen. Da haben wir's leichter im Taxiren, das „goldene Buch“ belehrt uns, worin unsere politischen Wahlherren stehen. Im J. 1836 (siehe Recherches statistiques de la ville de Paris, Bd. V) war unter 849,059 wohnhaften Parisern eine Anzahl von 14,630 Wählern, die mindestens 200 Fr. direkte Steuer entrichteten; letztere besteht für Paris in 8 Mill. Grundsteuer, in Frankreich 158 Mill.; zweitens in Personal- und Mobiliarsteuer: Paris 3 Mill., Frankreich 34 Mill.; drittens in Thür- und Fenstersteuer: Paris 3 Mill., Frankreich 24 Mill.; viertens Patentsteuer: Paris 7 Mill., Frankreich 28 Mill. Summa 245 Mill. Fr. im J. 1846, wovon Paris ein Zwölftel entrichtet. So erfreulich diese runden Ziffern dem Malthusianer in's Auge strahlen mögen, so halten wir unerbittlich daneben folgendes Rechenexempel vom J. 1845:
In Paris enthielt der 1ste Bezirk: 1713 Wähler und
4107 Dürftige.
der 2te, Ausnahme unter allen: 3013 Wähler und
2503 Dürftige.
der 8te, Ausnahme unter allen: 1188 Wähler und
11179 Dürftige.
der 9te, Ausnahme unter allen: 577 Wähler und
6334 Dürftige.
der 12te, Ausnahme unter allen: 753 Wähler und
12978 Dürftige u. s. w.
Kurz im Ganzen 16,007 Wähler und 66,148 Dürftige.
Desgleichen, wenn in Paris auf 58 Einwohner ein politischer Wähler, hatten die Gemeinden des Weichbildes einen auf 108, und die Departemente durchschnittlich einen auf 200. Mit Triumphgeschrei zeigt die Malthusschule uns die Tabelle, wo 1831 von 33 Mill. Franzosen 166,185 im ganzen Lande Wähler waren und 1846 waren 238,251; aber ach! sie vergißt, daß ja auch die Einwohnerzahl um mehr denn eine Mill. in jenen 15 Jahren gestiegen war!
Weiter: Je 4 1/2 Person machen in statistischer Sprache 1 Familie; folglich hatten 171,015 Wähler eine Bevölkerung von 770,000 Personen hinter sich. Das also war die reiche Klasse des 34 Mill. Einwohner zeugenden Frankreich. Zieht man sie sowohl ab, als die arme von 3 1/2 Millionen, dann bleiben uns 6,180,000 kleine und mittlere Eigenthümer in Stadt und Dorf, untere Civil- und Militärbeamte, Geistliche, Aerzte, Advokaten, Künstler, Arbeiter mit gutem Lohn, Dienstboten, kleine Atelierchefs; das ist also die s. g. in Halbwohlsein lebende Klasse.
Sie zahlt Grundsteuer von 21 Fr. bis 199 Fr.; letzteres entrichteten nur 159,000 Personen, ersteres 759,000. Was unsern Ausdruck „Halbwohlsein“ über und über rechtfertigt, ist besonders die scheusliche Belastung des Bodenbesitzthums. Siehe unten.
4te Kategorie. 513,000 wohlgehäbige Bürger. Sie stehen in der Summe der 770,000, welche 200 Fr. und mehr Steuern zahlen.
Paris, 29. Dezbr. Die Nationalversammlung entschied gestern Abend mit 372 gegen 363 Stimmen, daß die Salzsteuer vom 1. Januar 1849 an um zwei Drittheile herabgesetzt werden solle.
Diese Entscheidung rief um 9 Uhr an der sogenannten Tortoni-Börse (im Operngange) eine förmliche Insurrektion hervor. Die Börsenwölfe schimpften laut gegen die Nationalversammlung und gruppirten sich so dicht zusammen, daß die Gardiens von Paris alle Mühe hatten, die Cirkulation frei zu erhalten.
Das Wörtchen „Ministerialkrisis“ fuhr wie der Blitz unter die Jünger Rothschild's.
— Passy's Niederlage in der Salzsteuer, die er zur Höhe einer Kabinetsfrage gehoben hatte, scheint wirklich dem Kabinet einen tödtlichen Streich zu versetzen. Der ehrenwerthe Expair will sein Portefeuille durchaus niederlegen und bestand bis diesen Morgen hartnäckig auf seiner Entlassung.
— (Journaljammer über den drohenden Nationalbankerott und die partielle Ministerkrisis). Der „Constitutionel“ ist außer sich über die Rücksichtslosigkeit der Nationalversammlung. In einer Nachricht gibt er als Drohung zu verstehen, daß die Bitten aller Ordnungsfreunde gegen den Entschluß des Herrn Passy noch nichts vermocht hätten, und daß derselbe auf seinem Austritt bestände. — Die „Gazette de France et de Navarre“ fügt mit heimlicher Schadenfreude hinzu, daß der Rücktritt Passy's den Sturz des ganzen Kabinets nach sich ziehen müsse und sieht im Stillen das Reich Heinrich's V. heranrücken.
Die „Debats“ vergießen bittere Thränen über die finanzielle Niederlage und bedauert, daß dem Präsidenten Bonaparte kein Veto gegen dieses Votum zustehe, das der Staatskasse 46 Millionen Franken entziehe. — „National“ und „Siècle reichen sich ganz vertraulich die Hände und sehen in dem Passy'schen Unglück ein neues Element zu dem gegen das Cabinet des 10. Decbr. eröffneten Feldzuge. — „Peuple“ meint, die Zeit sei nicht mehr fern, wo Herr Bonaparte gezwungen sein werde, seine Minister im sozialistischen Lager zu rekrutiren. „Peuple“ und „Revolution“ (Blatt Ledru Rollin's) jammern darum natürlich nicht über die neue Verlegenheit der Staatskasse.
Aber „La Presse“ senkt das Haupt und sagt: „Jedermann frägt sich, was wird das Ministerium thun? Wie wird sich die Staatskasse aus der Verlegenheit ziehen? Die sofortige Herabsetzung der Salzsteuer entzieht ihr über 40 Millionen Franken; wie soll sie diesen Verlust decken, da sie das 1849er Büdget ohnedieß mit einem Defizit von 560 Millionen Franken beginnt. (Ein schönes Neujahr!) Das öffentliche Vertrauen, das kaum wieder erwachte, sieht sich durch Versagung dieser mächtigen Hilfsquelle von Neuem erschüttert. Das Uebel, welches die Nationalversammlung anrichtet, ist größer als das Gute, das sie zu bewirken strebte‥‥ Wir verhehlen uns die Größe der Verlegenheit nicht, in welche die Regierung durch dieses Votum gestürzt wird. Allein diese Größe der Gefahr selbst muß sie zu einem heroischen Entschluß treiben. Greift sie zu keiner entscheidenden Maaßregel, so liegt uns der Abhang des Nationalbankerotts näher und steiler als jemals! Diese entscheidende Maßregel muß in Ersparnissen bestehen, welche sie mit kühner Hand durchführen soll.“
Herr Girardin deutet hier seine Armee Reduktionen an und schließt seine Liebe zum ewgen Frieden mit den, gegen Baune gerichteten Worten: „‥‥Keine Intervention! Keine Prinzipienkämpfe!‥‥“
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(2017-03-20T13:08:10Z)
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(2017-03-20T13:08:10Z)
Weitere Informationen:Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 2 (Nummer 184 bis Nummer 301) Köln, 1. Januar 1849 bis 19. Mai 1849. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.
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