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Neue Rheinische Zeitung. Nr. 181. Köln, 29. Dezember 1848.

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genhaftem Siegesgeschrei. Dagegen fuhren gestern einige 30 Wagen mit Verwundeten hier ein. Da allerorten, wo die Armee steht, namentlich aber in Preßburg, für Spitäler gesorgt ist, so muß das magyarische Volk trotz der Uebermacht einen furchtbar verzweifelten Widerstand leisten, wenn uns die kaiserl. Armee die Beweise davon bis nach Wien zurückschickt. Es kann auch nicht wohl anders sein, weil die Magyaren im Fall der Niederlage ausgerottet werden sollen, wie die Polen in Galizien. Italien und Deutschland haben doch wenigstens Fürsprecher gefunden, während der sogenannte freie Westen Europa's dem Völkermorde in Ungarn mit der kalkulirenden Schacherruhe des gemeinsten Juden zuschaut. Die Galle läuft mir über, wenn ich an diese Republik und an dieses Volk denke, welche von Freiheit reden, um die Völker, die auf diese Reden vertrauen, kaufmännisch-schlau in Tod und Verderben zu stürzen.

Das Ministerium regiert mit dem rückschreitenden Fortschritt. Ein Preßgesetz mit Kautionen und den unerhörtesten Repressivmaßregeln soll nächstens erscheinen. Der Czeche Strohbach ist vom Reichstag wieder zum Präsidenten ernannt worden; er ist also in integrum restituirt. Der demokratische Charakter dieses Reichstags ist dadurch bis zur Ehrlosigkeit herabgesunken. Gleichzeitig hat Stadion diesen Strohbach, der als Czeche und wie er sich bisher gegeben hat, zu allem fähig ist, was Sedlnitzki und Czapka je gethan, zum Gouverneur von Böhmen, die Metternichsche Kreatur, Graf Gleispach, aber zum Gouverneur von Steiermark ernannt. Graf Wickenburg ist dort abgesetzt worden, weil das Ministerium ihm vorwirft, er habe sich in letzter Zeit mit der Demokratie eingelassen. Der wirkliche Grund ist, daß er mit Jellachich intim ist und Kroatien mit Steiermark in engen gefährlichen Verhältnissen steht. Das Ministerium hat ferner auch allen Staatsbeamten den Besuch der Vereine verboten. -- In der am Abend des 20. stattgehabten Wahlmännerversammlung vom 1. Bezirk verlangte der Wortführer Graf Jaafe, Wien solle dem Fürsten Schwarzenberg dadurch ein Kompliment machen, daß es ihn zum Abgeordneten wähle. Ein Kompliment als Glaubensbekenntniß! Neun Jägerbataillone werden gebildet und sollen vor der Hand durch Freiwillige aufgebracht werden. -- Die Sprache der Standrechtsblätter wird täglich unverschämter absolutistisch; sie übertrifft darin fast die der russischen. Da lauter für Geld arbeitende Juden dabei beschäftigt sind, so ist dies nicht befremdend. Die heutige Presse sagt, indem sie den Wahlmännern mit standrechtlicher Züchtigung droht, wenn sie den Minister Schwarzenberg nicht wählen, sondern Pillersdorff: "Der französische Thron fiel nicht, weil man dem Volkswunsche nicht nachgab, sondern weil der Soldat seine Pflicht nicht erfüllte. Hätte Bugeaud so auftreten können, wie Cavaignac mit 100,000 Mann, dann wäre Frankreich nicht unter das Joch einer Koterie des National gekommen, die Emeute wäre nicht zur Revolution gekommen." Verstehst Du, deutscher Michel, diese Sprache, denn Du hast nur eine Emeute gemacht und wirst bestraft werden? Selbst der Finanzminister Kraus muß austreten; Stadion, dieser galizische Gladiator, wird auch dieses Ministerium übernehmen. -- Die "Ost-Deutsche Post," ein ganz unschuldiges Blättchen, wird von den Preßhyänen des Absolutismus heute auf das Wüthendste angegriffen; die Ost-Deutsche Post ist eine Verbündete der Kölnischen Zeitung, gleichzeitig aber auch die absolutistische Preßhyäne, "Presse." Das Standrechtsblatt Lloyd hat die Unverschämtheit, zu behaupten: "Die Franzosen sind das revolutionsmüdeste Volk in diesem Momente, das in der weiten Welt zu finden ist. Eine gewaltsame Umwälzung, eine furchtbare Ueberraschung gab ihnen an einem schlimmen Tage die Republik, und die Mehrheit des Volkes hat seit jener Stunde darüber nachgesonnen, auf welche Weise es sich des unverhofften Geschenkes, das ihm das Unglück in den Schooß warf, entledigen sollte. Louis Napoleon kann die Republik stürzen und die Wähler von Frankreich wollen, daß die Republik sterbe und nicht mehr lebe."

24 Wien, 22. Dez.

Windischgrätz hat Preßburg und das ganze Preßburger Komitat in Belagerungszustand erklärt; demzufolge: Auflösung der Nationalgarde, Ablieferung der Waffen, Unterdrückung der Preßfreiheit, des Vereinsrechts u. s. w., kurz Alles, wie hier. Ferner ist vom 2. Armee-Kommando folgender Erlaß an den Preßburger Magistrat ergangen:

"Nachdem folgende hier namentlich verzeichnete Individuen sich der Rebellion gegen ihren gesetzmäßigen König theils schuldig, theils verdächtig gemacht haben, als: Baron Bayer, alias Rupertus. -- Fillialkassabeamter Klemm -- Der Präses des demokratischen Klubs, Hr. Nikolaus Zerdahely -- Zeitungsredakteur Noisser. -- Buchhändler Reißbach. -- Evangelischer Prediger Razka, -- so wird hiermit der gemessene Auftrag, alles bewegliche und unbewegliche Vermögen obbenannter Inkulpaten, welches sich im Bereiche der Stadt befindet, mit gerichtlichem Beschlag zu belegen. Hingegen sind alle Individuen, welche wegen vermeinten politischen Verbrechen verhaftet wurden, unverzüglich zu entlassen, und über den Vollzug dieser Anordnung ist mit Angabe der Namen der Entlassenen und der Ursache, wegen welcher sie verhaftet waren, die schriftliche Anzeige zu erstatten."

In der gestrigen Reichstagssitzung, wo es sich um Bewilligung der vom Finanzminister geforderten und schließlich auch bewilligten 80 Milliönchen neue Anleihe handelte, sprach sich Borkowski, wie folgt, aus:

"Als der Minister nach schönen Hoffnungen endlich sagte, man brauche 80 Millionen, um ins Paradies zu gelangen, stellte Zumialkowski einen würdigen Antrag, daß die Kammer es auf später verweise; er wurde natürlich verworfen. Seit wir zusammen kamen, machen wir Schulden auf Schulden; es wäre besser auseinanderzugehen. Bei solchen Umständen ist der Absolutismus besser. Ob wir es bewilligen oder nicht, die Staatsmaschine wird nicht in Stockung gerathen, die Regierung wird sich es schon verschaffen. Man werfe nicht ein, daß wir das Ministerium zu einem inkonstitutionellen Schritte verleiten; wir sind heute statt eines konstituirenden ein schuldenmachender Reichstag. Die Volksvertreter werden diskreditirt. Wir verfügen nicht über Armeen, aber wir können doch die Würde der National-Versammlung wahren. Unsere Sache ist es, gute Gesetze zu liefern; die Völker sollen sie zur Geltung bringen. Wenn sich Jemand terrorisirt glaubt, taugt er nicht zum Volksvertreter. Täuschen wir uns nicht, die österreichische Staatsschuld ist größer, als die anderer Staaten; sie beträgt die 10jährigen Einkünfte des Staates, folglich die Hälfte des ganzen Staatseigenthums. Mag der Staatsbankerott eintreten, wir waschen unsre Hände, wir sind nicht schuld daran; aber anders ist es, wenn wir diese 80 Millionen votiren. -- Weder Rothschild noch Sina werden klingende Münze herlegen, sondern Scheine, welche die Völker aus ihrer Tasche bezahlen müssen. Wenn die Regierung verzinsbare Schuldscheine ausgiebt, so zehrt sie an fremdem Eigenthum, und der Kommunismus ist fertig. (Lachen.) -- Die Banknoten haben schon keine entsprechenden Fonds; die alte Staatsschuld hat keinen Grund, denn der Absolutismus ist verschwunden. Papier ist Papier, wenn es auch Staatspapier heißt, und eines Tages ist es nicht mehr werth, als überhaupt Papier. Das alte System der Schuldenmacherei sei nicht mehr unser Sündenbock.

Die Schuldverschreibungen dieser 80 Mill. werden mehr Werth haben, weil wir sie bewilligen; aber je mehr sie Glauben einfloßen, desto gefährlicher ist der verkappte Feind. Diese 80 Millionen wären ein ewiger Blutegel; dann wird es heißen, der Reichstag hat sie bewilligt. Der Staatscredit ist immer ein Gift gewesen, das einen müßigen Schwarm ernährt. Seit 200 Jahren ist dieses System aufgetaucht, und wie oft wurde dabei Bankerott gemacht! Der Finanzminister verspricht viel, und unterdessen ist eine Anleihe von 80 Millionen nothwendig; aber wissen Sie, was der künftige Finanzminister sagen wird? Man hätte nichts bewilligen, keine neuen Schulden machen, keine unnützen Kriege führen sollen. (Lärm.) Ich sehe keine Hoffnung, daß Einnahmen und Ausgaben sich ausgleichen. 1846 war die Einnahme 193 Mill., 1847 war sie 144 Mill., 1849 ist sie nur 101 Mill.; also von 1846 bis 1849 haben sich die Einnahmen um 92 Mill. vermindert. Die Ausgaben haben sich vergrößert um 7 Mill.; 1846 war ein Deficit von 22 Mill., im Jahre 1847 ein Ausfall von 31 Mill., 1849 schon von 47 Mill. Die außerordentlichen Ausgaben sind für 1849 auf 59 Mill. angegeben. Sollte die Progression fortgehen, so ist der Ausgleich ein pium desiderium. Der Muth, den Staatsbankerott auszusprechen, wäre ein kleineres Unglück, als das die Schulden zu vermehren. Man beschließe, die Zinsen der Staatsschuld sollen auf 3 Jahre vorenthalten werden! -- -- Auf diese Weise könnte man neue Schulden vermeiden. Die Staatsgläubiger sollen zufrieden sein, daß sie so leicht davon kommen. (Lachen.) Sie waren die Compagnons des Absolutismus, die Begünstigsten -- Ich erlaube mir daher einen Antrag zu stellen, den ich mit meinem Gewissen vereinigen kann: Die hohe Kammer beschließe, das Ministerium zu ermächtigen: Im Laufe 1849 eine Anleihe von [unleserliches Material] Million Gulden zu machen, und zur Deckung der Bedürfnisse die Zinsen der Staatsschuld für 1850 und 1851 zurückzubehalten. (Staunen.) Ich muß erklären, warum ich dennoch die halbe Million beantrage. In der Geschäftsordnung heißt es, daß kein Antrag vorgelegt werden dürfe, der den Hauptantrag annullirt" (Lachen. -- Sein Antrag wird gehörig unterstützt.)

24 Wien, 23. Dez.

Heute ist hier zum Abgeordneten nach Kremsier der Ex-Reichsminister Hr. Schmerling gewählt worden. Er bekam 54 Stimmen, sein Mitbewerber, v. Pillersdorf, 32 Stimmen.

Die heutige "Wiener Zeitung" publizirt schon wieder ein gestern vollstrecktes Kriegsurtheil. Es betraf den Fr. Stockhammer aus Botzen, Feldwebel bei dem Grenadierbataillon Richter, das sich am 6. October weigerte nach Preßburg zu marschiren, dann Mitglied der Wiener Mobilgarde, bei der er zum Lieutenant und bald auch zum Hauptmann ernannt wurde, in welcher Eigenschaft er bis zum 30. Oct. ununterbrochen am Kampfe gegen die Truppen des Fürsten Windischgrätz theilnahm. Er wurde zum Strange verurtheilt, zu "Pulver und Blei" begnadigt und gestern erschossen.

Man spricht heute allgemein davon, daß die Ungarn mit Macht wieder gegen Wieselburg vorgedrungen seien und die Kroaten aus dieser Stadt herausgeworfen haben. Es treffen täglich eine Masse Verwundete in den hiesigen Lazarethen ein.

Wien, 21. Dez.

Die Armee-Bülletins vom 17., 18. und 19. d. Mts. haben eine Stimmung in Wien hervorgerufen, welche zur Genüge beweist, wie wenig das Volk überlegt. Windischgrätz ist schon in Carlburg! hört man aller Orten mit ungestümem Jubel ausrufen. Wir theilen diese Freude und wünschen gleich jedem Rechtlichgesinnten, daß der Kampf bald, und so viel es geht, ohne bedeutenden Verlust beendet werden möge. Allein so unbedingt und gedankenlos in den Tag hinein zu frohlocken, sind wir außer Stande. Es ist wohl wahr, die Eingangspunkte in das eigentliche Ungarn hat man bereits genommen. Preßburg und Eperies, Tyrnau und Oedenburg haben den kaiserlichen Truppen die Thore geöffnet, doch ist damit auch schon Alles geschehen? Eine entscheidende Schlacht ist noch nicht geschlagen. Die Ungesäumtheit, mit welcher die Magyaren bisher den Rückzug genommen haben, ist nicht minder bedenklich, als das Zaudern des Fabius Cunctator. Man hat nicht Grund, anzunehmen, daß Furcht und Gefühl der Schwäche die Insurgenten zum Weichen nöthige; auch die schleunige Kapitulation der genannten Städte rechtfertigt noch nicht die sanguinischen Hoffnungen der Magyarenfeinde. Es scheint vielmehr in der Absicht der Insurgenten zu liegen, das kaiserliche Militär in das Innere des Landes zu locken, und daselbst einen Hauptstreich gegen dasselbe auszuführen. Die Privatnachrichten lauten bereits jetzt schon umfangreicher, als die offiziellen Kriegs-Bülletins. Bei Oedenburg wurde die kaiserliche Heeresmacht von den Aufständischen überfallen und total geschlagen. Die Transporte von Verwundeten, welche täglich über die Gränze geschickt werden, beweisen zur Genüge, daß die Unsrigen bedeutendere Verluste erleiden, als uns auf amtlichem Wege zu Ohren kömmt. Nicht jede Stadt kostet so wenig Opfer wie Preßburg, je tiefer die Truppen in's Land eindringen werden, auf desto heftigern Widerstand werden sie stoßen, desto mehr Blut wird fließen. Wieselburg ist ein deutlicher Beleg hievon. Erst nach einem mehrstündigen heißen Gefechte, erst nach einem anhaltend furchtbaren Bombardement ergab sich diese Stadt. Die Ungarn berechnen sehr wohl, daß Windischgrätz die bereits genommenen Punkte nicht nur, sondern auch die gesammte Gränzlinie sammt den dieselbe deckenden Ortschaften mit Besatzung versehen müsse, welche einen nicht unbedeutenden Theil seiner Streitmacht bilde. Sie schonen daher ihre eigenen Kräfte, um desto energischer in Hauptschlachten auftreten zu können. Daß sie sich nicht bloß auf die kleinern Gefechte beschränken werden, zeigt schon der Schlachtplan, den sie entworfen haben. Bei Raab ist ihre Hauptmacht auf dem rechten Donauufer konzentrirt; sowohl hier als auf der Fläche, welche Egerszeg und Körmend scheidet, und auf der zwischen Pesth und Waizen sich ausdehnenden Ebene gedenken sie dem Feinde in Schlachtordnung entgegenzutreten, und den Kampf entscheidender anzubieten. So viel ist gewiß, die ungarischen Wirren werden keinesfalls innerhalb weniger Wochen gelöst sein. Nicht eine kleine Fraktion ist es, welche im Aufruhr sich befindet und den Kampf auf Leben und Tod eingeht. Das Wort "Szabatsag" (Freiheit) lallt das Kind, ruft die Jungfrau, begeistert den Jüngling, entflammt den Krieger. Man glaube nicht, daß der Bauer minder begeistert sei, als der demokratische Kossuthjünger.

(Fr. O.-P.-A.-Z.)
* Berlin, 26. Dezbr.

Wir haben letzthin über den Zweck der hiesigen Anwesenheit des Anhaltischen Ministers Habicht berichtet und sind nun in den Stand gesetzt, unsern Lesern aus gleich zuverlässiger Quelle die Mittheilung zu machen, daß der genannte Staatsmann den Zweck seiner Reise an unsern Hof nicht erreicht hat. Der Grund nämlich, weshalb das preußische Kabinet sich geweigert, zur Vereinigung der beiden Anhaltischen Herzogthümer seine Einwilligung zu geben, ist die Weigerung Habichts alle ausländischen, d. h. nicht-anhaltischen Demokraten aus Anhalt zu verweisen, -- eine Forderung, welche das hiesige Kabinet als conditio sine qua non gestellt hatte. Vergebens drohte das Ministerium Manteuffel dem dessauischen Staatsmann damit, daß es bei der Centralgewalt auf Mediatisirung der Herzogthümer Anhalt hinarbeiten und somit den in Dessau bedauerlicherweise zur Herrschaft gelangten demokratischen Unwesen (d. h. der dessauer Verfassung) ein Ende machen werde. Habicht blieb unerschütterlich und berief sich mit größter Kaltblütigkeit auf die in Frankfurt votirten Grundrechte, welche allen Deutschen den Aufenthalt in jedem deutschen Staate als Recht zugesteht.

037 Berlin, 25. Dez.

"Kein Stück Papier soll sich zwischen mich und mein Volk drängen". -- Doch dieses Volk wandte sich ab von dem, "der sich nie (außer dem 18. März) imponiren ließ". Die Kamarilla witterte Morgenluft -- das Stück Papier kam und drängte sich -- nicht zwischen Fürst und Volk, nein, zwischen Revolution und Contre-Revolution! -- Ach, es ist eine schöne Sache um die Schauspielkunst!!

"Alles wieder beim Alten!" -- Nur an den in Belagerungszustand erklärten Städten merkt man, daß die Revolution auch unser Vaterland besuchte. Süddeutschland mit Reichstruppen überschwemmt; statt der Volksbewaffnung die Vermehrung der stehenden Heere; in Preußen die oktroyirte Verfassung statt der aus dem Volkswillen hervorgegangenen Nationalversammlung. Alles andre beim Alten!

Sie erinnern sich doch der Ausweisung Hecker's und Itzstein's! Das Stück wird jetzt en gros ausgeführt. (Doch alles beim Alten!) Was haben wir überhaupt durch die Revolution gewonnen?? -- Schöne Frage! -- Ein Volk, das eine Revolution nicht zu Ende führt, hat gar keine gemacht. -- Haben wir aber doch z. B. Religionsfreiheit! -- Pah -- Luisen Aston wurde als "Atheistin" vor einigen Jahren ihr Kind -- von der Obervormundschaft (!) aus den Armen gerissen. Justizrath Gerlach bemerkte ihr damals im Gerichtssaale, indem er ihr die Tochter vom Busen riß: "Sehen Sie, nun lernen Sie an Gott glauben!" Das Kind wurde von den Beamten des ächt christlich-germanischen Staates der "frommen" (!) Stiefmutter -- (was sage ich? -- nein, der "Schwester" des Sam. Aston) zur "frommen, gottgefälligen Erziehung gegeben. -- Das konnte vor der Märzrevolution geschehen, das konnten jene Geist- und Körpertödtenden Frömmler thun; das Kind der "nicht frommen" Mutter nehmen und es der "frommen Betschwester" -- einer -- -- -- (nun meinetwegen) "Schwester" (!) des Vaters geben. Alles "zur größeren Ehre Gottes!" Doch der März kam und alle hofften auf die schönen Früchte der Revolution! Wie bescheiden war das Hoffen einer unglücklichen Mutter -- endlich ihr einziges Kind aus den Heuchlerklauen, aus dem Intriguennetze befreien zu können! Das Recht schien wieder Geltung zu bekommen; wie sollte Aston, die von der "willkührlichen Gewalt" oder der "gewaltigen Willkühr" so viel zu dulden hatte, nicht hoffen, daß auch bei ihr die "Rache" vollendet sei. Indessen starb auch Luisens Gatte, Sam. Aston. Sie wollte nun ihr Kind, ihre Tochter wieder haben.

Doch -- trotz der "Märzerrungenschaften", trotz der oktroyirten Verfassung, trotz der Religionsfreiheit bekam Louise Aston ihr Kind nicht! Sie wollte es nur sehen -- das königl. Stadt- und Landgericht in Burg verfügt den 8. November 1848: "Louisen Aston ihre Tochter Jenny durch -- -- die -- "Schwester" Fanny Aston zuzuführen, nachdem Herr Dr. Maizier die etwa entgegenstehenden Hindernisse beseitigt habe!"

Kurz -- die Mutter durfte das nunmehr vaterlose und durch die "gottesfürchtigen Gerichte" auch mutterlose Kind nicht einmal sehen! Das geschah 8 Monate nach der Märzrevolution! -- Alles beim Alten!

Nur die "Gläubigen", die Menschen "für Gott und Vaterland" haben ein Recht zu existiren. Alle andern sind geächtet.

Berlin.

Dem geheimen Ober-Revisionsrath Esser ist am 22 Dezember folgendes Schreiben zugegangen:

Ew. Hochwohlgeboren werden bei Ihrem Wiedereintritt in unser Kollegium, an der Begegnung, welche Ihnen von sämmtlichen Mitgliedern desselben zu Theil wurde, wahrgenommen haben, wie wenig dieselben mit Ihrem Verhalten als Mitglied der National-Versammlung einverstanden sind. Wir hätten uns auf diesen Ausdruck unserer Gesinnung beschränkt und es abgewartet, welchen Erfolg derselbe auf Ihren Entschluß ausüben würde; da inzwischen ein solcher bis jetzt uns nicht bekannt geworden und die Maßregeln anderer Gerichtshöfe in Beziehung auf ihre sich in ähnlicher Lage befindenden Mitglieder bei längerem Schweigen uns der Deutung aussetzen könnten, als ob wir Ihre Handlungsweise in jener Eigenschaft nicht mißbilligten, so sehen wir uns genöthigt, Ihnen zu erklären, wie sehr wir es beklagen, daß ein Mitglied des höchsten Gerichtshofes der Rheinprovinz die von Ihnen befolgte Richtung eingeschlagen hat.

Berlin, den 20. Dezember 1848.

(gez.) Sethe. Jaehnigen. Graun. Liel. v. Oppen.
Brewer. v. Daniels. Frech. Schnaase.

An den königl. geh. Ober-Revisionsrath Herrn Esser Hochwohlgeboren.

Das Antwortschreiben des Herrn geh. Ober-Revisionsraths Esser lautet:

Auf die Zuschrift Ew. Excellenz, der Mitglieder des Revisions- und Kassationshofes und des Generalprokurators vom 20. d. M., welche mir zuerst durch die Zeitung bekannt wurde, habe ich die Ehre, Folgendes zu erwidern.

Wohl ist mir bei meinem Wiedereintritt in das Kollegium das Benehmen meiner Kollegen auffallend erschienen. Aus Rücksicht auf den Dienst hielt ich mich jedoch für verpflichtet, dies ungerügt zu lassen.

Jetzt sprechen meine Kollegen es aus, daß sie durch jenes Benehmen einen Entschluß von meiner Seite provociren wollten.

Dies Motiv hatte ich nicht voraussetzen können; ich hatte geglaubt, meine Kollegen würden darin mit mir übereinstimmen, daß eine unparteiische Rechtspflege unabhängig ist von den politischen wie von den religiösen Ansichten des Richters.

Weil ich schwieg, glauben meine Kollegen deutlicher sprechen zu müssen, sie glauben dem Beispiele anderer Gerichtshöfe folgen zu müssen, um sich vor Mißdeutungen zu bewahren; sie beklagen laut und öffentlich, daß ich, ein "Mitglied des höchsten Gerichtshofes der Rheinprovinz," in meiner Eigenschaft als Abgeordneter "die von mir befolgte Richtung" eingeschlagen habe.

Also nicht Thatsachen werfen meine Kollegen mir vor; zum Vorwurfe wird mir gemacht, daß ich eine Richtung eingeschlagen habe, welche von derjenigen abweicht, die meine Kollegen als Abgeordnete befolgt haben oder befolgt haben würden. Meine Antwort ist kurz; -- ich spreche dem Kollegium jede Befugniß ab, die Thätigkeit seiner Mitglieder in ihrer Eigenschaft als Abgeordnete zu überwachen; ich spreche dem Kollegium jede Befugniß ab, einen politischen Gewissenszwang gegen seine Mitglieder auszuüben.

Wegen meiner Ansichten und Abstimmungen als Abgeordneter bin ich auf Erden nur meinem Gewissen verantwortlich. In mir lebt die Ueberzeugung, daß ich meine Pflicht treu und gewissenhaft erfüllt habe. Darum kann selbst die Mißbilligung meiner Kollegen nicht geeignet sein, irgend einen Entschluß auf meiner Seite hervorzurufen.

Ew. Excellenz ersuche ich ganz ergebenst, diese meine Antwort den Unterzeichnern des Schreibens vom 20. d. M. gefälligst mittheilen zu wollen.

Berlin, den 23. Dezember 1848

Esser.

An den wirklichen geheimen Rath Chef-Präsidenten Herrn Sethe Excellenz.

Auch von Seiten der bei dem Hofe fungirenden Anwälte, der Advokaten Reusche, Volkmar und Dorn, ist ein Schreiben an den G. O. R. R. Esser abgesandt worden. Dasselbe lautet:

Geehrter Herr!

Der Präsident und die Mitglieder des Revisions- und Kassationshofes drücken in dem an Sie gerichteten Schreiben vom 20. d. M ihre Mißbilligung über das von Ihnen eingeschlagene Verhalten als Mitglied der Nationalversammlung aus; sie erklären, daß sie bereits durch die Art der Begegnung bei Ihrem Wiedereintritt in das Collegium ihre abweichende Gesinnung zu erkennen gegeben und durch diesen Ausdruck ihrer Gesinnung einen Entschluß auf Ihrer Seite herbeizuführen erwartet hätten.

Die unterzeichneten Anwälte des Hofes glauben im Interesse des Recht suchenden Publikums, welches sie repräsentiren, nicht schweigen zu dürfen; sie glauben die Bitte aussprechen zu müssen, daß selbst die in Worten ausgedrückte Mißbilligung Ihrer Collegen Sie nicht zu einem Entschlusse führen möge, welcher Trauer in der Rheinprovinz verbreiten würde. Das Vertrauen zum Richter wird nicht bedingt durch die Uebereinstimmung politischer Ansichten. So wenig unser Vertrauen zu einem andern Mitgliede des Hofes wankend geworden ist, welches als Mitglied der Nationalversammlung, unzweifelhaft gleich Ihnen durch innere Ueberzeugung geleitet, eine entgegengesetzte Richtung eingeschlagen hat; ebenso wenig kann auf Seiten Andersgesinnter das bisherige unbegränzte Vertrauen in Ihre richterliche Unparteilichkeit geschmälert sein.

Wir bitten, dies bei Fassung desjenigen Beschlusses, zu welchem Sie durch das Schreiben Ihrer Collegen veranlaßt werden könnten, in Erwägung zu nehmen; wir bitten um so mehr dies in Erwägung zu nehmen, als es sich hier um den wichtigen Grundsatz der richterlichen Unabhängigkeit und Unabsetzbarkeit handelt.

Indem wir diese Rücksichten Ihnen an's Herz legen, sprechen wir die zuversichtliche Hoffnung aus, daß Sie keinen Entschluß fassen werden, welcher die Lösung Ihres amtlichen Verhältnisses bezwecken könnte.

Berlin, den 22. December 1848.

gez. Reusche. Volkmar. Dorn.

An
den Geheimrn Ober-Revisions-Rath
Herrn Esser
hier.

20 Aus dem Reich.

In Hamburg "tagt" die konstituirende Versammlung mächtig fort, nachdem sie sich mit ihren Patriziern vereinbart und einige diplomatische Redensarten von wegen des Eides dankerfüllt entgegengekommen hat. -- In Rheinhessen lassen sich's unsere "Reichstruppen" wohl sein. Die Herren von und ohne Gottes Gnaden schicken ihre Söldlinge dorthin, damit letztere sich ausfüttern und die Einwohner ruiniren helfen. In Worms sind die Herren "Reichstruppen" so gütig, mehr Quartierbillets zu entnehmen, als "Leute" da sind. "'s hoat Alls sei gute Grund," sagt der Schlossergesell in dem bekannten Liede. Wenn die alten Einquartirungsbillets nicht mehr taugen, so wird das Datum ausradirt und durch ein neues ersetzt. Das hat in diesen Tagen Worms erfahren, ja viel Schlimmeres! Trotzdem sind die Wormser ruhig, bei einem andern Volk würden die Herren Reichstruppen mit Mistgabeln etc. hinausgejagt. Wir Deutsche sind froh, daß man unsere Kartoffeln, unsern Most etc. von Seiten der (Siehe den Verfolg in der Beilage.)

genhaftem Siegesgeschrei. Dagegen fuhren gestern einige 30 Wagen mit Verwundeten hier ein. Da allerorten, wo die Armee steht, namentlich aber in Preßburg, für Spitäler gesorgt ist, so muß das magyarische Volk trotz der Uebermacht einen furchtbar verzweifelten Widerstand leisten, wenn uns die kaiserl. Armee die Beweise davon bis nach Wien zurückschickt. Es kann auch nicht wohl anders sein, weil die Magyaren im Fall der Niederlage ausgerottet werden sollen, wie die Polen in Galizien. Italien und Deutschland haben doch wenigstens Fürsprecher gefunden, während der sogenannte freie Westen Europa's dem Völkermorde in Ungarn mit der kalkulirenden Schacherruhe des gemeinsten Juden zuschaut. Die Galle läuft mir über, wenn ich an diese Republik und an dieses Volk denke, welche von Freiheit reden, um die Völker, die auf diese Reden vertrauen, kaufmännisch-schlau in Tod und Verderben zu stürzen.

Das Ministerium regiert mit dem rückschreitenden Fortschritt. Ein Preßgesetz mit Kautionen und den unerhörtesten Repressivmaßregeln soll nächstens erscheinen. Der Czeche Strohbach ist vom Reichstag wieder zum Präsidenten ernannt worden; er ist also in integrum restituirt. Der demokratische Charakter dieses Reichstags ist dadurch bis zur Ehrlosigkeit herabgesunken. Gleichzeitig hat Stadion diesen Strohbach, der als Czeche und wie er sich bisher gegeben hat, zu allem fähig ist, was Sedlnitzki und Czapka je gethan, zum Gouverneur von Böhmen, die Metternichsche Kreatur, Graf Gleispach, aber zum Gouverneur von Steiermark ernannt. Graf Wickenburg ist dort abgesetzt worden, weil das Ministerium ihm vorwirft, er habe sich in letzter Zeit mit der Demokratie eingelassen. Der wirkliche Grund ist, daß er mit Jellachich intim ist und Kroatien mit Steiermark in engen gefährlichen Verhältnissen steht. Das Ministerium hat ferner auch allen Staatsbeamten den Besuch der Vereine verboten. — In der am Abend des 20. stattgehabten Wahlmännerversammlung vom 1. Bezirk verlangte der Wortführer Graf Jaafe, Wien solle dem Fürsten Schwarzenberg dadurch ein Kompliment machen, daß es ihn zum Abgeordneten wähle. Ein Kompliment als Glaubensbekenntniß! Neun Jägerbataillone werden gebildet und sollen vor der Hand durch Freiwillige aufgebracht werden. — Die Sprache der Standrechtsblätter wird täglich unverschämter absolutistisch; sie übertrifft darin fast die der russischen. Da lauter für Geld arbeitende Juden dabei beschäftigt sind, so ist dies nicht befremdend. Die heutige Presse sagt, indem sie den Wahlmännern mit standrechtlicher Züchtigung droht, wenn sie den Minister Schwarzenberg nicht wählen, sondern Pillersdorff: „Der französische Thron fiel nicht, weil man dem Volkswunsche nicht nachgab, sondern weil der Soldat seine Pflicht nicht erfüllte. Hätte Bugeaud so auftreten können, wie Cavaignac mit 100,000 Mann, dann wäre Frankreich nicht unter das Joch einer Koterie des National gekommen, die Emeute wäre nicht zur Revolution gekommen.“ Verstehst Du, deutscher Michel, diese Sprache, denn Du hast nur eine Emeute gemacht und wirst bestraft werden? Selbst der Finanzminister Kraus muß austreten; Stadion, dieser galizische Gladiator, wird auch dieses Ministerium übernehmen. — Die „Ost-Deutsche Post,“ ein ganz unschuldiges Blättchen, wird von den Preßhyänen des Absolutismus heute auf das Wüthendste angegriffen; die Ost-Deutsche Post ist eine Verbündete der Kölnischen Zeitung, gleichzeitig aber auch die absolutistische Preßhyäne, „Presse.“ Das Standrechtsblatt Lloyd hat die Unverschämtheit, zu behaupten: „Die Franzosen sind das revolutionsmüdeste Volk in diesem Momente, das in der weiten Welt zu finden ist. Eine gewaltsame Umwälzung, eine furchtbare Ueberraschung gab ihnen an einem schlimmen Tage die Republik, und die Mehrheit des Volkes hat seit jener Stunde darüber nachgesonnen, auf welche Weise es sich des unverhofften Geschenkes, das ihm das Unglück in den Schooß warf, entledigen sollte. Louis Napoleon kann die Republik stürzen und die Wähler von Frankreich wollen, daß die Republik sterbe und nicht mehr lebe.“

24 Wien, 22. Dez.

Windischgrätz hat Preßburg und das ganze Preßburger Komitat in Belagerungszustand erklärt; demzufolge: Auflösung der Nationalgarde, Ablieferung der Waffen, Unterdrückung der Preßfreiheit, des Vereinsrechts u. s. w., kurz Alles, wie hier. Ferner ist vom 2. Armee-Kommando folgender Erlaß an den Preßburger Magistrat ergangen:

„Nachdem folgende hier namentlich verzeichnete Individuen sich der Rebellion gegen ihren gesetzmäßigen König theils schuldig, theils verdächtig gemacht haben, als: Baron Bayer, alias Rupertus. — Fillialkassabeamter Klemm — Der Präses des demokratischen Klubs, Hr. Nikolaus Zerdahely — Zeitungsredakteur Noisser. — Buchhändler Reißbach. — Evangelischer Prediger Razka, — so wird hiermit der gemessene Auftrag, alles bewegliche und unbewegliche Vermögen obbenannter Inkulpaten, welches sich im Bereiche der Stadt befindet, mit gerichtlichem Beschlag zu belegen. Hingegen sind alle Individuen, welche wegen vermeinten politischen Verbrechen verhaftet wurden, unverzüglich zu entlassen, und über den Vollzug dieser Anordnung ist mit Angabe der Namen der Entlassenen und der Ursache, wegen welcher sie verhaftet waren, die schriftliche Anzeige zu erstatten.“

In der gestrigen Reichstagssitzung, wo es sich um Bewilligung der vom Finanzminister geforderten und schließlich auch bewilligten 80 Milliönchen neue Anleihe handelte, sprach sich Borkowski, wie folgt, aus:

„Als der Minister nach schönen Hoffnungen endlich sagte, man brauche 80 Millionen, um ins Paradies zu gelangen, stellte Zumialkowski einen würdigen Antrag, daß die Kammer es auf später verweise; er wurde natürlich verworfen. Seit wir zusammen kamen, machen wir Schulden auf Schulden; es wäre besser auseinanderzugehen. Bei solchen Umständen ist der Absolutismus besser. Ob wir es bewilligen oder nicht, die Staatsmaschine wird nicht in Stockung gerathen, die Regierung wird sich es schon verschaffen. Man werfe nicht ein, daß wir das Ministerium zu einem inkonstitutionellen Schritte verleiten; wir sind heute statt eines konstituirenden ein schuldenmachender Reichstag. Die Volksvertreter werden diskreditirt. Wir verfügen nicht über Armeen, aber wir können doch die Würde der National-Versammlung wahren. Unsere Sache ist es, gute Gesetze zu liefern; die Völker sollen sie zur Geltung bringen. Wenn sich Jemand terrorisirt glaubt, taugt er nicht zum Volksvertreter. Täuschen wir uns nicht, die österreichische Staatsschuld ist größer, als die anderer Staaten; sie beträgt die 10jährigen Einkünfte des Staates, folglich die Hälfte des ganzen Staatseigenthums. Mag der Staatsbankerott eintreten, wir waschen unsre Hände, wir sind nicht schuld daran; aber anders ist es, wenn wir diese 80 Millionen votiren. — Weder Rothschild noch Sina werden klingende Münze herlegen, sondern Scheine, welche die Völker aus ihrer Tasche bezahlen müssen. Wenn die Regierung verzinsbare Schuldscheine ausgiebt, so zehrt sie an fremdem Eigenthum, und der Kommunismus ist fertig. (Lachen.) — Die Banknoten haben schon keine entsprechenden Fonds; die alte Staatsschuld hat keinen Grund, denn der Absolutismus ist verschwunden. Papier ist Papier, wenn es auch Staatspapier heißt, und eines Tages ist es nicht mehr werth, als überhaupt Papier. Das alte System der Schuldenmacherei sei nicht mehr unser Sündenbock.

Die Schuldverschreibungen dieser 80 Mill. werden mehr Werth haben, weil wir sie bewilligen; aber je mehr sie Glauben einfloßen, desto gefährlicher ist der verkappte Feind. Diese 80 Millionen wären ein ewiger Blutegel; dann wird es heißen, der Reichstag hat sie bewilligt. Der Staatscredit ist immer ein Gift gewesen, das einen müßigen Schwarm ernährt. Seit 200 Jahren ist dieses System aufgetaucht, und wie oft wurde dabei Bankerott gemacht! Der Finanzminister verspricht viel, und unterdessen ist eine Anleihe von 80 Millionen nothwendig; aber wissen Sie, was der künftige Finanzminister sagen wird? Man hätte nichts bewilligen, keine neuen Schulden machen, keine unnützen Kriege führen sollen. (Lärm.) Ich sehe keine Hoffnung, daß Einnahmen und Ausgaben sich ausgleichen. 1846 war die Einnahme 193 Mill., 1847 war sie 144 Mill., 1849 ist sie nur 101 Mill.; also von 1846 bis 1849 haben sich die Einnahmen um 92 Mill. vermindert. Die Ausgaben haben sich vergrößert um 7 Mill.; 1846 war ein Deficit von 22 Mill., im Jahre 1847 ein Ausfall von 31 Mill., 1849 schon von 47 Mill. Die außerordentlichen Ausgaben sind für 1849 auf 59 Mill. angegeben. Sollte die Progression fortgehen, so ist der Ausgleich ein pium desiderium. Der Muth, den Staatsbankerott auszusprechen, wäre ein kleineres Unglück, als das die Schulden zu vermehren. Man beschließe, die Zinsen der Staatsschuld sollen auf 3 Jahre vorenthalten werden! — — Auf diese Weise könnte man neue Schulden vermeiden. Die Staatsgläubiger sollen zufrieden sein, daß sie so leicht davon kommen. (Lachen.) Sie waren die Compagnons des Absolutismus, die Begünstigsten — Ich erlaube mir daher einen Antrag zu stellen, den ich mit meinem Gewissen vereinigen kann: Die hohe Kammer beschließe, das Ministerium zu ermächtigen: Im Laufe 1849 eine Anleihe von [unleserliches Material] Million Gulden zu machen, und zur Deckung der Bedürfnisse die Zinsen der Staatsschuld für 1850 und 1851 zurückzubehalten. (Staunen.) Ich muß erklären, warum ich dennoch die halbe Million beantrage. In der Geschäftsordnung heißt es, daß kein Antrag vorgelegt werden dürfe, der den Hauptantrag annullirt“ (Lachen. — Sein Antrag wird gehörig unterstützt.)

24 Wien, 23. Dez.

Heute ist hier zum Abgeordneten nach Kremsier der Ex-Reichsminister Hr. Schmerling gewählt worden. Er bekam 54 Stimmen, sein Mitbewerber, v. Pillersdorf, 32 Stimmen.

Die heutige „Wiener Zeitung“ publizirt schon wieder ein gestern vollstrecktes Kriegsurtheil. Es betraf den Fr. Stockhammer aus Botzen, Feldwebel bei dem Grenadierbataillon Richter, das sich am 6. October weigerte nach Preßburg zu marschiren, dann Mitglied der Wiener Mobilgarde, bei der er zum Lieutenant und bald auch zum Hauptmann ernannt wurde, in welcher Eigenschaft er bis zum 30. Oct. ununterbrochen am Kampfe gegen die Truppen des Fürsten Windischgrätz theilnahm. Er wurde zum Strange verurtheilt, zu „Pulver und Blei“ begnadigt und gestern erschossen.

Man spricht heute allgemein davon, daß die Ungarn mit Macht wieder gegen Wieselburg vorgedrungen seien und die Kroaten aus dieser Stadt herausgeworfen haben. Es treffen täglich eine Masse Verwundete in den hiesigen Lazarethen ein.

Wien, 21. Dez.

Die Armee-Bülletins vom 17., 18. und 19. d. Mts. haben eine Stimmung in Wien hervorgerufen, welche zur Genüge beweist, wie wenig das Volk überlegt. Windischgrätz ist schon in Carlburg! hört man aller Orten mit ungestümem Jubel ausrufen. Wir theilen diese Freude und wünschen gleich jedem Rechtlichgesinnten, daß der Kampf bald, und so viel es geht, ohne bedeutenden Verlust beendet werden möge. Allein so unbedingt und gedankenlos in den Tag hinein zu frohlocken, sind wir außer Stande. Es ist wohl wahr, die Eingangspunkte in das eigentliche Ungarn hat man bereits genommen. Preßburg und Eperies, Tyrnau und Oedenburg haben den kaiserlichen Truppen die Thore geöffnet, doch ist damit auch schon Alles geschehen? Eine entscheidende Schlacht ist noch nicht geschlagen. Die Ungesäumtheit, mit welcher die Magyaren bisher den Rückzug genommen haben, ist nicht minder bedenklich, als das Zaudern des Fabius Cunctator. Man hat nicht Grund, anzunehmen, daß Furcht und Gefühl der Schwäche die Insurgenten zum Weichen nöthige; auch die schleunige Kapitulation der genannten Städte rechtfertigt noch nicht die sanguinischen Hoffnungen der Magyarenfeinde. Es scheint vielmehr in der Absicht der Insurgenten zu liegen, das kaiserliche Militär in das Innere des Landes zu locken, und daselbst einen Hauptstreich gegen dasselbe auszuführen. Die Privatnachrichten lauten bereits jetzt schon umfangreicher, als die offiziellen Kriegs-Bülletins. Bei Oedenburg wurde die kaiserliche Heeresmacht von den Aufständischen überfallen und total geschlagen. Die Transporte von Verwundeten, welche täglich über die Gränze geschickt werden, beweisen zur Genüge, daß die Unsrigen bedeutendere Verluste erleiden, als uns auf amtlichem Wege zu Ohren kömmt. Nicht jede Stadt kostet so wenig Opfer wie Preßburg, je tiefer die Truppen in's Land eindringen werden, auf desto heftigern Widerstand werden sie stoßen, desto mehr Blut wird fließen. Wieselburg ist ein deutlicher Beleg hievon. Erst nach einem mehrstündigen heißen Gefechte, erst nach einem anhaltend furchtbaren Bombardement ergab sich diese Stadt. Die Ungarn berechnen sehr wohl, daß Windischgrätz die bereits genommenen Punkte nicht nur, sondern auch die gesammte Gränzlinie sammt den dieselbe deckenden Ortschaften mit Besatzung versehen müsse, welche einen nicht unbedeutenden Theil seiner Streitmacht bilde. Sie schonen daher ihre eigenen Kräfte, um desto energischer in Hauptschlachten auftreten zu können. Daß sie sich nicht bloß auf die kleinern Gefechte beschränken werden, zeigt schon der Schlachtplan, den sie entworfen haben. Bei Raab ist ihre Hauptmacht auf dem rechten Donauufer konzentrirt; sowohl hier als auf der Fläche, welche Egerszeg und Körmend scheidet, und auf der zwischen Pesth und Waizen sich ausdehnenden Ebene gedenken sie dem Feinde in Schlachtordnung entgegenzutreten, und den Kampf entscheidender anzubieten. So viel ist gewiß, die ungarischen Wirren werden keinesfalls innerhalb weniger Wochen gelöst sein. Nicht eine kleine Fraktion ist es, welche im Aufruhr sich befindet und den Kampf auf Leben und Tod eingeht. Das Wort „Szabatsag“ (Freiheit) lallt das Kind, ruft die Jungfrau, begeistert den Jüngling, entflammt den Krieger. Man glaube nicht, daß der Bauer minder begeistert sei, als der demokratische Kossuthjünger.

(Fr. O.-P.-A.-Z.)
* Berlin, 26. Dezbr.

Wir haben letzthin über den Zweck der hiesigen Anwesenheit des Anhaltischen Ministers Habicht berichtet und sind nun in den Stand gesetzt, unsern Lesern aus gleich zuverlässiger Quelle die Mittheilung zu machen, daß der genannte Staatsmann den Zweck seiner Reise an unsern Hof nicht erreicht hat. Der Grund nämlich, weshalb das preußische Kabinet sich geweigert, zur Vereinigung der beiden Anhaltischen Herzogthümer seine Einwilligung zu geben, ist die Weigerung Habichts alle ausländischen, d. h. nicht-anhaltischen Demokraten aus Anhalt zu verweisen, — eine Forderung, welche das hiesige Kabinet als conditio sine qua non gestellt hatte. Vergebens drohte das Ministerium Manteuffel dem dessauischen Staatsmann damit, daß es bei der Centralgewalt auf Mediatisirung der Herzogthümer Anhalt hinarbeiten und somit den in Dessau bedauerlicherweise zur Herrschaft gelangten demokratischen Unwesen (d. h. der dessauer Verfassung) ein Ende machen werde. Habicht blieb unerschütterlich und berief sich mit größter Kaltblütigkeit auf die in Frankfurt votirten Grundrechte, welche allen Deutschen den Aufenthalt in jedem deutschen Staate als Recht zugesteht.

037 Berlin, 25. Dez.

„Kein Stück Papier soll sich zwischen mich und mein Volk drängen“. — Doch dieses Volk wandte sich ab von dem, „der sich nie (außer dem 18. März) imponiren ließ“. Die Kamarilla witterte Morgenluft — das Stück Papier kam und drängte sich — nicht zwischen Fürst und Volk, nein, zwischen Revolution und Contre-Revolution! — Ach, es ist eine schöne Sache um die Schauspielkunst!!

„Alles wieder beim Alten!“ — Nur an den in Belagerungszustand erklärten Städten merkt man, daß die Revolution auch unser Vaterland besuchte. Süddeutschland mit Reichstruppen überschwemmt; statt der Volksbewaffnung die Vermehrung der stehenden Heere; in Preußen die oktroyirte Verfassung statt der aus dem Volkswillen hervorgegangenen Nationalversammlung. Alles andre beim Alten!

Sie erinnern sich doch der Ausweisung Hecker's und Itzstein's! Das Stück wird jetzt en gros ausgeführt. (Doch alles beim Alten!) Was haben wir überhaupt durch die Revolution gewonnen?? — Schöne Frage! — Ein Volk, das eine Revolution nicht zu Ende führt, hat gar keine gemacht. — Haben wir aber doch z. B. Religionsfreiheit! — Pah — Luisen Aston wurde als „Atheistin“ vor einigen Jahren ihr Kind — von der Obervormundschaft (!) aus den Armen gerissen. Justizrath Gerlach bemerkte ihr damals im Gerichtssaale, indem er ihr die Tochter vom Busen riß: „Sehen Sie, nun lernen Sie an Gott glauben!“ Das Kind wurde von den Beamten des ächt christlich-germanischen Staates der „frommen“ (!) Stiefmutter — (was sage ich? — nein, der „Schwester“ des Sam. Aston) zur „frommen, gottgefälligen Erziehung gegeben. — Das konnte vor der Märzrevolution geschehen, das konnten jene Geist- und Körpertödtenden Frömmler thun; das Kind der „nicht frommen“ Mutter nehmen und es der „frommen Betschwester“ — einer — — — (nun meinetwegen) „Schwester“ (!) des Vaters geben. Alles „zur größeren Ehre Gottes!“ Doch der März kam und alle hofften auf die schönen Früchte der Revolution! Wie bescheiden war das Hoffen einer unglücklichen Mutter — endlich ihr einziges Kind aus den Heuchlerklauen, aus dem Intriguennetze befreien zu können! Das Recht schien wieder Geltung zu bekommen; wie sollte Aston, die von der „willkührlichen Gewalt“ oder der „gewaltigen Willkühr“ so viel zu dulden hatte, nicht hoffen, daß auch bei ihr die „Rache“ vollendet sei. Indessen starb auch Luisens Gatte, Sam. Aston. Sie wollte nun ihr Kind, ihre Tochter wieder haben.

Doch — trotz der „Märzerrungenschaften“, trotz der oktroyirten Verfassung, trotz der Religionsfreiheit bekam Louise Aston ihr Kind nicht! Sie wollte es nur sehen — das königl. Stadt- und Landgericht in Burg verfügt den 8. November 1848: „Louisen Aston ihre Tochter Jenny durch — — die — „Schwester“ Fanny Aston zuzuführen, nachdem Herr Dr. Maizier die etwa entgegenstehenden Hindernisse beseitigt habe!“

Kurz — die Mutter durfte das nunmehr vaterlose und durch die „gottesfürchtigen Gerichte“ auch mutterlose Kind nicht einmal sehen! Das geschah 8 Monate nach der Märzrevolution! — Alles beim Alten!

Nur die „Gläubigen“, die Menschen „für Gott und Vaterland“ haben ein Recht zu existiren. Alle andern sind geächtet.

Berlin.

Dem geheimen Ober-Revisionsrath Esser ist am 22 Dezember folgendes Schreiben zugegangen:

Ew. Hochwohlgeboren werden bei Ihrem Wiedereintritt in unser Kollegium, an der Begegnung, welche Ihnen von sämmtlichen Mitgliedern desselben zu Theil wurde, wahrgenommen haben, wie wenig dieselben mit Ihrem Verhalten als Mitglied der National-Versammlung einverstanden sind. Wir hätten uns auf diesen Ausdruck unserer Gesinnung beschränkt und es abgewartet, welchen Erfolg derselbe auf Ihren Entschluß ausüben würde; da inzwischen ein solcher bis jetzt uns nicht bekannt geworden und die Maßregeln anderer Gerichtshöfe in Beziehung auf ihre sich in ähnlicher Lage befindenden Mitglieder bei längerem Schweigen uns der Deutung aussetzen könnten, als ob wir Ihre Handlungsweise in jener Eigenschaft nicht mißbilligten, so sehen wir uns genöthigt, Ihnen zu erklären, wie sehr wir es beklagen, daß ein Mitglied des höchsten Gerichtshofes der Rheinprovinz die von Ihnen befolgte Richtung eingeschlagen hat.

Berlin, den 20. Dezember 1848.

(gez.) Sethe. Jaehnigen. Graun. Liel. v. Oppen.
Brewer. v. Daniels. Frech. Schnaase.

An den königl. geh. Ober-Revisionsrath Herrn Esser Hochwohlgeboren.

Das Antwortschreiben des Herrn geh. Ober-Revisionsraths Esser lautet:

Auf die Zuschrift Ew. Excellenz, der Mitglieder des Revisions- und Kassationshofes und des Generalprokurators vom 20. d. M., welche mir zuerst durch die Zeitung bekannt wurde, habe ich die Ehre, Folgendes zu erwidern.

Wohl ist mir bei meinem Wiedereintritt in das Kollegium das Benehmen meiner Kollegen auffallend erschienen. Aus Rücksicht auf den Dienst hielt ich mich jedoch für verpflichtet, dies ungerügt zu lassen.

Jetzt sprechen meine Kollegen es aus, daß sie durch jenes Benehmen einen Entschluß von meiner Seite provociren wollten.

Dies Motiv hatte ich nicht voraussetzen können; ich hatte geglaubt, meine Kollegen würden darin mit mir übereinstimmen, daß eine unparteiische Rechtspflege unabhängig ist von den politischen wie von den religiösen Ansichten des Richters.

Weil ich schwieg, glauben meine Kollegen deutlicher sprechen zu müssen, sie glauben dem Beispiele anderer Gerichtshöfe folgen zu müssen, um sich vor Mißdeutungen zu bewahren; sie beklagen laut und öffentlich, daß ich, ein „Mitglied des höchsten Gerichtshofes der Rheinprovinz,“ in meiner Eigenschaft als Abgeordneter „die von mir befolgte Richtung“ eingeschlagen habe.

Also nicht Thatsachen werfen meine Kollegen mir vor; zum Vorwurfe wird mir gemacht, daß ich eine Richtung eingeschlagen habe, welche von derjenigen abweicht, die meine Kollegen als Abgeordnete befolgt haben oder befolgt haben würden. Meine Antwort ist kurz; — ich spreche dem Kollegium jede Befugniß ab, die Thätigkeit seiner Mitglieder in ihrer Eigenschaft als Abgeordnete zu überwachen; ich spreche dem Kollegium jede Befugniß ab, einen politischen Gewissenszwang gegen seine Mitglieder auszuüben.

Wegen meiner Ansichten und Abstimmungen als Abgeordneter bin ich auf Erden nur meinem Gewissen verantwortlich. In mir lebt die Ueberzeugung, daß ich meine Pflicht treu und gewissenhaft erfüllt habe. Darum kann selbst die Mißbilligung meiner Kollegen nicht geeignet sein, irgend einen Entschluß auf meiner Seite hervorzurufen.

Ew. Excellenz ersuche ich ganz ergebenst, diese meine Antwort den Unterzeichnern des Schreibens vom 20. d. M. gefälligst mittheilen zu wollen.

Berlin, den 23. Dezember 1848

Esser.

An den wirklichen geheimen Rath Chef-Präsidenten Herrn Sethe Excellenz.

Auch von Seiten der bei dem Hofe fungirenden Anwälte, der Advokaten Reusche, Volkmar und Dorn, ist ein Schreiben an den G. O. R. R. Esser abgesandt worden. Dasselbe lautet:

Geehrter Herr!

Der Präsident und die Mitglieder des Revisions- und Kassationshofes drücken in dem an Sie gerichteten Schreiben vom 20. d. M ihre Mißbilligung über das von Ihnen eingeschlagene Verhalten als Mitglied der Nationalversammlung aus; sie erklären, daß sie bereits durch die Art der Begegnung bei Ihrem Wiedereintritt in das Collegium ihre abweichende Gesinnung zu erkennen gegeben und durch diesen Ausdruck ihrer Gesinnung einen Entschluß auf Ihrer Seite herbeizuführen erwartet hätten.

Die unterzeichneten Anwälte des Hofes glauben im Interesse des Recht suchenden Publikums, welches sie repräsentiren, nicht schweigen zu dürfen; sie glauben die Bitte aussprechen zu müssen, daß selbst die in Worten ausgedrückte Mißbilligung Ihrer Collegen Sie nicht zu einem Entschlusse führen möge, welcher Trauer in der Rheinprovinz verbreiten würde. Das Vertrauen zum Richter wird nicht bedingt durch die Uebereinstimmung politischer Ansichten. So wenig unser Vertrauen zu einem andern Mitgliede des Hofes wankend geworden ist, welches als Mitglied der Nationalversammlung, unzweifelhaft gleich Ihnen durch innere Ueberzeugung geleitet, eine entgegengesetzte Richtung eingeschlagen hat; ebenso wenig kann auf Seiten Andersgesinnter das bisherige unbegränzte Vertrauen in Ihre richterliche Unparteilichkeit geschmälert sein.

Wir bitten, dies bei Fassung desjenigen Beschlusses, zu welchem Sie durch das Schreiben Ihrer Collegen veranlaßt werden könnten, in Erwägung zu nehmen; wir bitten um so mehr dies in Erwägung zu nehmen, als es sich hier um den wichtigen Grundsatz der richterlichen Unabhängigkeit und Unabsetzbarkeit handelt.

Indem wir diese Rücksichten Ihnen an's Herz legen, sprechen wir die zuversichtliche Hoffnung aus, daß Sie keinen Entschluß fassen werden, welcher die Lösung Ihres amtlichen Verhältnisses bezwecken könnte.

Berlin, den 22. December 1848.

gez. Reusche. Volkmar. Dorn.

An
den Geheimrn Ober-Revisions-Rath
Herrn Esser
hier.

20 Aus dem Reich.

In Hamburg „tagt“ die konstituirende Versammlung mächtig fort, nachdem sie sich mit ihren Patriziern vereinbart und einige diplomatische Redensarten von wegen des Eides dankerfüllt entgegengekommen hat. — In Rheinhessen lassen sich's unsere „Reichstruppen“ wohl sein. Die Herren von und ohne Gottes Gnaden schicken ihre Söldlinge dorthin, damit letztere sich ausfüttern und die Einwohner ruiniren helfen. In Worms sind die Herren „Reichstruppen“ so gütig, mehr Quartierbillets zu entnehmen, als „Leute“ da sind. „'s hoat Alls sei gute Grund,“ sagt der Schlossergesell in dem bekannten Liede. Wenn die alten Einquartirungsbillets nicht mehr taugen, so wird das Datum ausradirt und durch ein neues ersetzt. Das hat in diesen Tagen Worms erfahren, ja viel Schlimmeres! Trotzdem sind die Wormser ruhig, bei einem andern Volk würden die Herren Reichstruppen mit Mistgabeln etc. hinausgejagt. Wir Deutsche sind froh, daß man unsere Kartoffeln, unsern Most etc. von Seiten der (Siehe den Verfolg in der Beilage.)

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genhaftem Siegesgeschrei. Dagegen fuhren gestern einige 30 Wagen mit Verwundeten hier ein. Da allerorten, wo die Armee steht, namentlich aber in Preßburg, für Spitäler gesorgt ist, so muß das magyarische Volk trotz der Uebermacht einen furchtbar verzweifelten Widerstand leisten, wenn uns die kaiserl. Armee die Beweise davon bis nach Wien zurückschickt. Es kann auch nicht wohl anders sein, weil die Magyaren im Fall der Niederlage ausgerottet werden sollen, wie die Polen in Galizien. Italien und Deutschland haben doch wenigstens Fürsprecher gefunden, während der sogenannte freie Westen Europa's dem Völkermorde in Ungarn mit der kalkulirenden Schacherruhe des gemeinsten Juden zuschaut. Die Galle läuft mir über, wenn ich an diese Republik und an dieses Volk denke, welche von Freiheit reden, um die Völker, die auf diese Reden vertrauen, kaufmännisch-schlau in Tod und Verderben zu stürzen.</p>
          <p>Das Ministerium regiert mit dem rückschreitenden Fortschritt. Ein Preßgesetz mit Kautionen und den unerhörtesten Repressivmaßregeln soll nächstens erscheinen. Der Czeche Strohbach ist vom Reichstag wieder zum Präsidenten ernannt worden; er ist also in integrum restituirt. Der demokratische Charakter dieses Reichstags ist dadurch bis zur Ehrlosigkeit herabgesunken. Gleichzeitig hat Stadion diesen Strohbach, der als Czeche und wie er sich bisher gegeben hat, zu allem fähig ist, was Sedlnitzki und Czapka je gethan, zum Gouverneur von Böhmen, die Metternichsche Kreatur, Graf Gleispach, aber zum Gouverneur von Steiermark ernannt. Graf Wickenburg ist dort abgesetzt worden, weil das Ministerium ihm vorwirft, er habe sich in letzter Zeit mit der Demokratie eingelassen. Der wirkliche Grund ist, daß er mit Jellachich intim ist und Kroatien mit Steiermark in engen gefährlichen Verhältnissen steht. Das Ministerium hat ferner auch allen Staatsbeamten den Besuch der Vereine verboten. &#x2014; In der am Abend des 20. stattgehabten Wahlmännerversammlung vom 1. Bezirk verlangte der Wortführer Graf Jaafe, Wien solle dem Fürsten Schwarzenberg dadurch ein Kompliment machen, daß es ihn zum Abgeordneten wähle. Ein Kompliment als Glaubensbekenntniß! Neun Jägerbataillone werden gebildet und sollen vor der Hand durch Freiwillige aufgebracht werden. &#x2014; Die Sprache der Standrechtsblätter wird täglich unverschämter absolutistisch; sie übertrifft darin fast die der russischen. Da lauter für Geld arbeitende Juden dabei beschäftigt sind, so ist dies nicht befremdend. Die heutige Presse sagt, indem sie den Wahlmännern mit standrechtlicher Züchtigung droht, wenn sie den Minister Schwarzenberg nicht wählen, sondern Pillersdorff: &#x201E;Der französische Thron fiel nicht, weil man dem Volkswunsche nicht nachgab, sondern weil der Soldat seine Pflicht nicht erfüllte. Hätte Bugeaud so auftreten können, wie Cavaignac mit 100,000 Mann, dann wäre Frankreich nicht unter das Joch einer Koterie des National gekommen, die Emeute wäre nicht zur Revolution gekommen.&#x201C; Verstehst Du, deutscher Michel, diese Sprache, denn Du hast nur eine Emeute gemacht und wirst bestraft werden? Selbst der Finanzminister Kraus muß austreten; Stadion, dieser galizische Gladiator, wird auch dieses Ministerium übernehmen. &#x2014; Die &#x201E;Ost-Deutsche Post,&#x201C; ein ganz unschuldiges Blättchen, wird von den Preßhyänen des Absolutismus heute auf das Wüthendste angegriffen; die Ost-Deutsche Post ist eine Verbündete der Kölnischen Zeitung, gleichzeitig aber auch die absolutistische Preßhyäne, &#x201E;Presse.&#x201C; Das Standrechtsblatt Lloyd hat die Unverschämtheit, zu behaupten: &#x201E;Die Franzosen sind das revolutionsmüdeste Volk in diesem Momente, das in der weiten Welt zu finden ist. Eine gewaltsame Umwälzung, eine furchtbare Ueberraschung gab ihnen an einem schlimmen Tage die Republik, und die Mehrheit des Volkes hat seit jener Stunde darüber nachgesonnen, auf welche Weise es sich des unverhofften Geschenkes, das ihm das Unglück in den Schooß warf, entledigen sollte. Louis Napoleon kann die Republik stürzen und die Wähler von Frankreich wollen, daß die Republik sterbe und nicht mehr lebe.&#x201C;</p>
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          <head><bibl><author>24</author></bibl> Wien, 22. Dez.</head>
          <p>Windischgrätz hat Preßburg und das ganze Preßburger Komitat in <hi rendition="#g">Belagerungszustand</hi> erklärt; demzufolge: Auflösung der Nationalgarde, Ablieferung der Waffen, Unterdrückung der Preßfreiheit, des Vereinsrechts u. s. w., kurz Alles, wie hier. Ferner ist vom 2. Armee-Kommando folgender Erlaß an den Preßburger Magistrat ergangen:</p>
          <p>&#x201E;Nachdem folgende hier namentlich verzeichnete Individuen sich der Rebellion gegen ihren gesetzmäßigen König theils schuldig, theils verdächtig gemacht haben, als: Baron Bayer, alias Rupertus. &#x2014; Fillialkassabeamter Klemm &#x2014; Der Präses des demokratischen Klubs, Hr. Nikolaus Zerdahely &#x2014; Zeitungsredakteur Noisser. &#x2014; Buchhändler Reißbach. &#x2014; Evangelischer Prediger Razka, &#x2014; so wird hiermit der gemessene Auftrag, alles bewegliche und unbewegliche Vermögen obbenannter Inkulpaten, welches sich im Bereiche der Stadt befindet, mit gerichtlichem Beschlag zu belegen. Hingegen sind alle Individuen, welche wegen vermeinten politischen Verbrechen verhaftet wurden, unverzüglich zu entlassen, und über den Vollzug dieser Anordnung ist mit Angabe der Namen der Entlassenen und der Ursache, wegen welcher sie verhaftet waren, die schriftliche Anzeige zu erstatten.&#x201C;</p>
          <p>In der gestrigen Reichstagssitzung, wo es sich um Bewilligung der vom Finanzminister geforderten und schließlich auch bewilligten 80 Milliönchen neue Anleihe handelte, sprach sich <hi rendition="#g">Borkowski,</hi> wie folgt, aus:</p>
          <p>&#x201E;Als der Minister nach schönen Hoffnungen endlich sagte, man brauche 80 Millionen, um ins Paradies zu gelangen, stellte Zumialkowski einen würdigen Antrag, daß die Kammer es auf später verweise; er wurde natürlich verworfen. Seit wir zusammen kamen, machen wir Schulden auf Schulden; es wäre besser auseinanderzugehen. Bei solchen Umständen ist der Absolutismus besser. Ob wir es bewilligen oder nicht, die Staatsmaschine wird nicht in Stockung gerathen, die Regierung wird sich es schon verschaffen. Man werfe nicht ein, daß wir das Ministerium zu einem inkonstitutionellen Schritte verleiten; wir sind heute statt eines konstituirenden ein schuldenmachender Reichstag. Die Volksvertreter werden diskreditirt. Wir verfügen nicht über Armeen, aber wir können doch die Würde der National-Versammlung wahren. Unsere Sache ist es, gute Gesetze zu liefern; die Völker sollen sie zur Geltung bringen. Wenn sich Jemand terrorisirt glaubt, taugt er nicht zum Volksvertreter. Täuschen wir uns nicht, die österreichische Staatsschuld ist größer, als die anderer Staaten; sie beträgt die 10jährigen Einkünfte des Staates, folglich die Hälfte des ganzen Staatseigenthums. Mag der Staatsbankerott eintreten, wir waschen unsre Hände, wir sind nicht schuld daran; aber anders ist es, wenn wir diese 80 Millionen votiren. &#x2014; Weder Rothschild noch Sina werden klingende Münze herlegen, sondern Scheine, welche die Völker aus ihrer Tasche bezahlen müssen. Wenn die Regierung verzinsbare Schuldscheine ausgiebt, so zehrt sie an fremdem Eigenthum, und der Kommunismus ist fertig. (Lachen.) &#x2014; Die Banknoten haben schon keine entsprechenden Fonds; die alte Staatsschuld hat keinen Grund, denn der Absolutismus ist verschwunden. Papier ist Papier, wenn es auch Staatspapier heißt, und eines Tages ist es nicht mehr werth, als überhaupt Papier. Das alte System der Schuldenmacherei sei nicht mehr unser Sündenbock.</p>
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          <p>Man spricht heute allgemein davon, daß die Ungarn mit Macht wieder gegen Wieselburg vorgedrungen seien und die Kroaten aus dieser Stadt herausgeworfen haben. Es treffen täglich eine Masse Verwundete in den hiesigen Lazarethen ein.</p>
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          <head>Wien, 21. Dez.</head>
          <p>Die Armee-Bülletins vom 17., 18. und 19. d. Mts. haben eine Stimmung in Wien hervorgerufen, welche zur Genüge beweist, wie wenig das Volk überlegt. Windischgrätz ist schon in Carlburg! hört man aller Orten mit ungestümem Jubel ausrufen. Wir theilen diese Freude und wünschen gleich jedem Rechtlichgesinnten, daß der Kampf bald, und so viel es geht, ohne bedeutenden Verlust beendet werden möge. Allein so unbedingt und gedankenlos in den Tag hinein zu frohlocken, sind wir außer Stande. Es ist wohl wahr, die Eingangspunkte in das eigentliche Ungarn hat man bereits genommen. Preßburg und Eperies, Tyrnau und Oedenburg haben den kaiserlichen Truppen die Thore geöffnet, doch ist damit auch schon Alles geschehen? Eine entscheidende Schlacht ist noch nicht geschlagen. Die Ungesäumtheit, mit welcher die Magyaren bisher den Rückzug genommen haben, ist nicht minder bedenklich, als das Zaudern des Fabius Cunctator. Man hat nicht Grund, anzunehmen, daß Furcht und Gefühl der Schwäche die Insurgenten zum Weichen nöthige; auch die schleunige Kapitulation der genannten Städte rechtfertigt noch nicht die sanguinischen Hoffnungen der Magyarenfeinde. Es scheint vielmehr in der Absicht der Insurgenten zu liegen, das kaiserliche Militär in das Innere des Landes zu locken, und daselbst einen Hauptstreich gegen dasselbe auszuführen. Die Privatnachrichten lauten bereits jetzt schon umfangreicher, als die offiziellen Kriegs-Bülletins. Bei Oedenburg wurde die kaiserliche Heeresmacht von den Aufständischen überfallen und total geschlagen. Die Transporte von Verwundeten, welche täglich über die Gränze geschickt werden, beweisen zur Genüge, daß die Unsrigen bedeutendere Verluste erleiden, als uns auf amtlichem Wege zu Ohren kömmt. Nicht jede Stadt kostet so wenig Opfer wie Preßburg, je tiefer die Truppen in's Land eindringen werden, auf desto heftigern Widerstand werden sie stoßen, desto mehr Blut wird fließen. <hi rendition="#g">Wieselburg</hi> ist ein deutlicher Beleg hievon. Erst nach einem mehrstündigen heißen Gefechte, erst nach einem anhaltend furchtbaren Bombardement ergab sich diese Stadt. Die Ungarn berechnen sehr wohl, daß Windischgrätz die bereits genommenen Punkte nicht nur, sondern auch die gesammte Gränzlinie sammt den dieselbe deckenden Ortschaften mit Besatzung versehen müsse, welche einen nicht unbedeutenden Theil seiner Streitmacht bilde. Sie schonen daher ihre eigenen Kräfte, um desto energischer in Hauptschlachten auftreten zu können. Daß sie sich nicht bloß auf die kleinern Gefechte beschränken werden, zeigt schon der Schlachtplan, den sie entworfen haben. Bei Raab ist ihre Hauptmacht auf dem rechten Donauufer konzentrirt; sowohl hier als auf der Fläche, welche Egerszeg und Körmend scheidet, und auf der zwischen Pesth und Waizen sich ausdehnenden Ebene gedenken sie dem Feinde in Schlachtordnung entgegenzutreten, und den Kampf entscheidender anzubieten. So viel ist gewiß, die ungarischen Wirren werden keinesfalls innerhalb weniger Wochen gelöst sein. Nicht eine <hi rendition="#g">kleine</hi> Fraktion ist es, welche im Aufruhr sich befindet und den Kampf auf Leben und Tod eingeht. Das Wort &#x201E;Szabatsag&#x201C; (Freiheit) lallt das Kind, ruft die Jungfrau, begeistert den Jüngling, entflammt den Krieger. Man glaube nicht, daß der Bauer minder begeistert sei, als der demokratische Kossuthjünger.</p>
          <bibl>(Fr. O.-P.-A.-Z.)</bibl>
        </div>
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          <head><bibl><author>*</author></bibl> Berlin, 26. Dezbr.</head>
          <p>Wir haben letzthin über den Zweck der hiesigen Anwesenheit des Anhaltischen Ministers Habicht berichtet und sind nun in den Stand gesetzt, unsern Lesern aus gleich zuverlässiger Quelle die Mittheilung zu machen, daß der genannte Staatsmann den Zweck seiner Reise an unsern Hof nicht erreicht hat. Der Grund nämlich, weshalb das preußische Kabinet sich geweigert, zur Vereinigung der beiden Anhaltischen Herzogthümer seine Einwilligung zu geben, ist die Weigerung Habichts alle ausländischen, d. h. nicht-anhaltischen Demokraten aus Anhalt zu verweisen, &#x2014; eine Forderung, welche das hiesige Kabinet als conditio sine qua non gestellt hatte. Vergebens drohte das Ministerium Manteuffel dem dessauischen Staatsmann damit, daß es bei der Centralgewalt auf Mediatisirung der Herzogthümer Anhalt hinarbeiten und somit den in Dessau bedauerlicherweise zur Herrschaft gelangten demokratischen Unwesen (d. h. der dessauer Verfassung) ein Ende machen werde. Habicht blieb unerschütterlich und berief sich mit größter Kaltblütigkeit auf die in Frankfurt votirten Grundrechte, welche allen Deutschen den Aufenthalt in jedem deutschen Staate als Recht zugesteht.</p>
        </div>
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          <head><bibl><author>037</author></bibl> Berlin, 25. Dez.</head>
          <p>&#x201E;Kein Stück Papier soll sich zwischen mich und mein Volk drängen&#x201C;. &#x2014; Doch dieses Volk wandte sich ab von dem, &#x201E;der sich nie (außer dem 18. März) imponiren ließ&#x201C;. Die Kamarilla witterte Morgenluft &#x2014; das Stück Papier kam und drängte sich &#x2014; nicht zwischen Fürst und Volk, nein, zwischen Revolution und Contre-Revolution! &#x2014; Ach, es ist eine schöne Sache um die Schauspielkunst!!</p>
          <p>&#x201E;Alles wieder beim Alten!&#x201C; &#x2014; Nur an den in Belagerungszustand erklärten Städten merkt man, daß die Revolution auch unser Vaterland besuchte. Süddeutschland mit Reichstruppen überschwemmt; statt der Volksbewaffnung die Vermehrung der stehenden Heere; in Preußen die oktroyirte Verfassung statt der aus dem Volkswillen hervorgegangenen Nationalversammlung. Alles andre beim Alten!</p>
          <p>Sie erinnern sich doch der Ausweisung Hecker's und Itzstein's! Das Stück wird jetzt en gros ausgeführt. (Doch alles beim Alten!) Was haben wir überhaupt durch die Revolution gewonnen?? &#x2014; Schöne Frage! &#x2014; Ein Volk, das eine Revolution nicht zu Ende führt, hat gar keine gemacht. &#x2014; Haben wir aber doch z. B. Religionsfreiheit! &#x2014; Pah &#x2014; Luisen Aston wurde als &#x201E;Atheistin&#x201C; vor einigen Jahren ihr <hi rendition="#g">Kind</hi> &#x2014; von der Obervormundschaft (!) aus den Armen gerissen. Justizrath Gerlach bemerkte ihr damals im Gerichtssaale, indem <hi rendition="#g">er</hi> ihr die Tochter vom Busen riß: &#x201E;Sehen Sie, nun lernen Sie an Gott glauben!&#x201C; Das Kind wurde von den Beamten des ächt christlich-germanischen Staates der &#x201E;frommen&#x201C; (!) Stiefmutter &#x2014; (was sage ich? &#x2014; nein, der &#x201E;Schwester&#x201C; des Sam. Aston) zur &#x201E;frommen, gottgefälligen Erziehung gegeben. &#x2014; Das <hi rendition="#g">konnte</hi> vor der Märzrevolution geschehen, das konnten jene Geist- und Körpertödtenden Frömmler thun; das Kind der &#x201E;nicht frommen&#x201C; <hi rendition="#g">Mutter</hi> nehmen und es der &#x201E;frommen Betschwester&#x201C; &#x2014; einer &#x2014; &#x2014; &#x2014; (nun meinetwegen) &#x201E;Schwester&#x201C; (!) des <hi rendition="#g">Vaters</hi> geben. Alles &#x201E;zur größeren Ehre Gottes!&#x201C; Doch der März kam und alle hofften auf die schönen Früchte der Revolution! Wie bescheiden war das Hoffen einer unglücklichen Mutter &#x2014; endlich ihr einziges Kind aus den Heuchlerklauen, aus dem Intriguennetze befreien zu können! Das Recht schien wieder Geltung zu bekommen; wie sollte Aston, die von der &#x201E;willkührlichen Gewalt&#x201C; oder der &#x201E;gewaltigen Willkühr&#x201C; so viel zu dulden hatte, nicht hoffen, daß auch bei ihr die &#x201E;Rache&#x201C; vollendet sei. Indessen starb auch Luisens Gatte, Sam. Aston. Sie wollte nun ihr Kind, ihre Tochter wieder haben.</p>
          <p>Doch &#x2014; trotz der &#x201E;Märzerrungenschaften&#x201C;, trotz der oktroyirten Verfassung, trotz der Religionsfreiheit bekam Louise Aston ihr Kind <hi rendition="#g">nicht!</hi> Sie wollte es <hi rendition="#g">nur sehen</hi> &#x2014; das königl. Stadt- und Landgericht in Burg verfügt den 8. November 1848: &#x201E;Louisen Aston ihre Tochter Jenny durch &#x2014; &#x2014; die &#x2014; &#x201E;Schwester&#x201C; Fanny Aston zuzuführen, nachdem Herr Dr. Maizier die etwa entgegenstehenden Hindernisse beseitigt habe!&#x201C;</p>
          <p>Kurz &#x2014; die Mutter durfte das nunmehr vaterlose und durch die &#x201E;gottesfürchtigen Gerichte&#x201C; auch mutterlose Kind nicht einmal sehen! Das geschah 8 Monate nach der Märzrevolution! &#x2014; Alles beim Alten!</p>
          <p>Nur die &#x201E;Gläubigen&#x201C;, die Menschen &#x201E;für Gott und Vaterland&#x201C; haben ein Recht zu existiren. Alle andern sind geächtet.</p>
        </div>
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          <head>Berlin.</head>
          <p>Dem geheimen Ober-Revisionsrath Esser ist am 22 Dezember folgendes Schreiben zugegangen:</p>
          <p>Ew. Hochwohlgeboren werden bei Ihrem Wiedereintritt in unser Kollegium, an der Begegnung, welche Ihnen von sämmtlichen Mitgliedern desselben zu Theil wurde, wahrgenommen haben, wie wenig dieselben mit Ihrem Verhalten als Mitglied der National-Versammlung einverstanden sind. Wir hätten uns auf diesen Ausdruck unserer Gesinnung beschränkt und es abgewartet, welchen Erfolg derselbe auf Ihren Entschluß ausüben würde; da inzwischen ein solcher bis jetzt uns nicht bekannt geworden und die Maßregeln anderer Gerichtshöfe in Beziehung auf ihre sich in ähnlicher Lage befindenden Mitglieder bei längerem Schweigen uns der Deutung aussetzen könnten, als ob wir Ihre Handlungsweise in jener Eigenschaft nicht mißbilligten, so sehen wir uns genöthigt, Ihnen zu erklären, wie sehr wir es beklagen, daß ein Mitglied des höchsten Gerichtshofes der Rheinprovinz die von Ihnen befolgte Richtung eingeschlagen hat.</p>
          <p>Berlin, den 20. Dezember 1848.</p>
          <p rendition="#et">(gez.) <hi rendition="#g">Sethe. Jaehnigen. Graun. Liel. v. Oppen.<lb/>
Brewer. v. Daniels. Frech. Schnaase.</hi> </p>
          <p>An den königl. geh. Ober-Revisionsrath Herrn Esser Hochwohlgeboren.</p>
          <p>Das Antwortschreiben des Herrn geh. Ober-Revisionsraths Esser lautet:</p>
          <p>Auf die Zuschrift Ew. Excellenz, der Mitglieder des Revisions- und Kassationshofes und des Generalprokurators vom 20. d. M., welche mir zuerst durch die <hi rendition="#g">Zeitung</hi> bekannt wurde, habe ich die Ehre, Folgendes zu erwidern.</p>
          <p>Wohl ist mir bei meinem Wiedereintritt in das Kollegium das Benehmen meiner Kollegen auffallend erschienen. Aus Rücksicht auf den Dienst hielt ich mich jedoch für verpflichtet, dies ungerügt zu lassen.</p>
          <p>Jetzt sprechen meine Kollegen es aus, daß sie durch jenes Benehmen einen Entschluß von meiner Seite provociren wollten.</p>
          <p>Dies Motiv hatte ich nicht voraussetzen können; ich hatte geglaubt, meine Kollegen würden darin mit mir übereinstimmen, daß eine unparteiische Rechtspflege unabhängig ist von den politischen wie von den religiösen Ansichten des Richters.</p>
          <p>Weil ich schwieg, glauben meine Kollegen deutlicher sprechen zu müssen, sie glauben dem Beispiele anderer Gerichtshöfe folgen zu müssen, um sich vor Mißdeutungen zu bewahren; sie beklagen laut und öffentlich, daß ich, ein &#x201E;Mitglied des höchsten Gerichtshofes der Rheinprovinz,&#x201C; in meiner Eigenschaft als Abgeordneter &#x201E;die von mir befolgte Richtung&#x201C; eingeschlagen habe.</p>
          <p>Also nicht Thatsachen werfen meine Kollegen mir vor; zum Vorwurfe wird mir gemacht, daß ich eine <hi rendition="#g">Richtung</hi> eingeschlagen habe, welche von derjenigen abweicht, die meine Kollegen als Abgeordnete befolgt haben oder befolgt haben würden. Meine Antwort ist kurz; &#x2014; ich spreche dem Kollegium jede Befugniß ab, die Thätigkeit seiner Mitglieder in ihrer Eigenschaft als Abgeordnete zu überwachen; ich spreche dem Kollegium jede Befugniß ab, einen politischen Gewissenszwang gegen seine Mitglieder auszuüben.</p>
          <p>Wegen meiner Ansichten und Abstimmungen als Abgeordneter bin ich auf Erden nur meinem Gewissen verantwortlich. In mir lebt die Ueberzeugung, daß ich meine Pflicht treu und gewissenhaft erfüllt habe. Darum kann selbst die Mißbilligung meiner Kollegen nicht geeignet sein, irgend einen Entschluß auf meiner Seite hervorzurufen.</p>
          <p>Ew. Excellenz ersuche ich ganz ergebenst, diese meine Antwort den Unterzeichnern des Schreibens vom 20. d. M. gefälligst mittheilen zu wollen.</p>
          <p>Berlin, den 23. Dezember 1848</p>
          <p>Esser.</p>
          <p>An den wirklichen geheimen Rath Chef-Präsidenten Herrn Sethe Excellenz.</p>
          <p>Auch von Seiten der bei dem Hofe fungirenden Anwälte, der Advokaten Reusche, Volkmar und Dorn, ist ein Schreiben an den G. O. R. R. Esser abgesandt worden. Dasselbe lautet:</p>
          <p rendition="#et">Geehrter Herr!</p>
          <p>Der Präsident und die Mitglieder des Revisions- und Kassationshofes drücken in dem an Sie gerichteten Schreiben vom 20. d. M ihre Mißbilligung über das von Ihnen eingeschlagene Verhalten als Mitglied der Nationalversammlung aus; sie erklären, daß sie bereits durch die Art der Begegnung bei Ihrem Wiedereintritt in das Collegium ihre abweichende Gesinnung zu erkennen gegeben und durch diesen Ausdruck ihrer Gesinnung einen Entschluß auf Ihrer Seite herbeizuführen erwartet hätten.</p>
          <p>Die unterzeichneten Anwälte des Hofes glauben im Interesse des Recht suchenden Publikums, welches sie repräsentiren, nicht schweigen zu dürfen; sie glauben die Bitte aussprechen zu müssen, daß selbst die in Worten ausgedrückte Mißbilligung Ihrer Collegen Sie nicht zu einem Entschlusse führen möge, welcher Trauer in der Rheinprovinz verbreiten würde. Das Vertrauen zum Richter wird nicht bedingt durch die Uebereinstimmung politischer Ansichten. So wenig unser Vertrauen zu einem andern Mitgliede des Hofes wankend geworden ist, welches als Mitglied der Nationalversammlung, unzweifelhaft gleich Ihnen durch innere Ueberzeugung geleitet, eine entgegengesetzte Richtung eingeschlagen hat; ebenso wenig kann auf Seiten Andersgesinnter das bisherige unbegränzte Vertrauen in Ihre richterliche Unparteilichkeit geschmälert sein.</p>
          <p>Wir bitten, dies bei Fassung desjenigen Beschlusses, zu welchem Sie durch das Schreiben Ihrer Collegen veranlaßt werden könnten, in Erwägung zu nehmen; wir bitten um so mehr dies in Erwägung zu nehmen, als es sich hier um den wichtigen Grundsatz der richterlichen Unabhängigkeit und Unabsetzbarkeit handelt.</p>
          <p>Indem wir diese Rücksichten Ihnen an's Herz legen, sprechen wir die zuversichtliche Hoffnung aus, daß Sie keinen Entschluß fassen werden, welcher die Lösung Ihres amtlichen Verhältnisses bezwecken könnte.</p>
          <p>Berlin, den 22. December 1848.</p>
          <p>gez. <hi rendition="#g">Reusche. Volkmar. Dorn</hi>.</p>
          <p rendition="#et">An<lb/>
den Geheimrn Ober-Revisions-Rath<lb/>
Herrn <hi rendition="#g">Esser</hi><lb/>
hier.</p>
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          <head><bibl><author>20</author></bibl> Aus dem Reich.</head>
          <p>In Hamburg &#x201E;tagt&#x201C; die konstituirende Versammlung mächtig fort, nachdem sie sich mit ihren Patriziern vereinbart und einige diplomatische Redensarten von wegen des Eides dankerfüllt entgegengekommen hat. &#x2014; In Rheinhessen lassen sich's unsere &#x201E;Reichstruppen&#x201C; wohl sein. Die Herren von und ohne Gottes Gnaden schicken ihre Söldlinge dorthin, damit letztere sich ausfüttern und die Einwohner ruiniren helfen. In Worms sind die Herren &#x201E;Reichstruppen&#x201C; so gütig, mehr Quartierbillets zu entnehmen, als &#x201E;Leute&#x201C; da sind. &#x201E;'s hoat Alls sei gute Grund,&#x201C; sagt der Schlossergesell in dem bekannten Liede. Wenn die alten Einquartirungsbillets nicht mehr taugen, so wird das Datum ausradirt und durch ein neues ersetzt. Das hat in diesen Tagen <hi rendition="#g">Worms</hi> erfahren, ja viel Schlimmeres! Trotzdem sind die Wormser ruhig, bei einem andern Volk würden die Herren Reichstruppen mit Mistgabeln etc. hinausgejagt. Wir Deutsche sind froh, daß man unsere Kartoffeln, unsern Most etc. von Seiten der <ref type="link"><hi rendition="#b">(Siehe den Verfolg in der Beilage.)</hi></ref>                </p>
        </div>
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    </body>
  </text>
</TEI>
[0975/0003] genhaftem Siegesgeschrei. Dagegen fuhren gestern einige 30 Wagen mit Verwundeten hier ein. Da allerorten, wo die Armee steht, namentlich aber in Preßburg, für Spitäler gesorgt ist, so muß das magyarische Volk trotz der Uebermacht einen furchtbar verzweifelten Widerstand leisten, wenn uns die kaiserl. Armee die Beweise davon bis nach Wien zurückschickt. Es kann auch nicht wohl anders sein, weil die Magyaren im Fall der Niederlage ausgerottet werden sollen, wie die Polen in Galizien. Italien und Deutschland haben doch wenigstens Fürsprecher gefunden, während der sogenannte freie Westen Europa's dem Völkermorde in Ungarn mit der kalkulirenden Schacherruhe des gemeinsten Juden zuschaut. Die Galle läuft mir über, wenn ich an diese Republik und an dieses Volk denke, welche von Freiheit reden, um die Völker, die auf diese Reden vertrauen, kaufmännisch-schlau in Tod und Verderben zu stürzen. Das Ministerium regiert mit dem rückschreitenden Fortschritt. Ein Preßgesetz mit Kautionen und den unerhörtesten Repressivmaßregeln soll nächstens erscheinen. Der Czeche Strohbach ist vom Reichstag wieder zum Präsidenten ernannt worden; er ist also in integrum restituirt. Der demokratische Charakter dieses Reichstags ist dadurch bis zur Ehrlosigkeit herabgesunken. Gleichzeitig hat Stadion diesen Strohbach, der als Czeche und wie er sich bisher gegeben hat, zu allem fähig ist, was Sedlnitzki und Czapka je gethan, zum Gouverneur von Böhmen, die Metternichsche Kreatur, Graf Gleispach, aber zum Gouverneur von Steiermark ernannt. Graf Wickenburg ist dort abgesetzt worden, weil das Ministerium ihm vorwirft, er habe sich in letzter Zeit mit der Demokratie eingelassen. Der wirkliche Grund ist, daß er mit Jellachich intim ist und Kroatien mit Steiermark in engen gefährlichen Verhältnissen steht. Das Ministerium hat ferner auch allen Staatsbeamten den Besuch der Vereine verboten. — In der am Abend des 20. stattgehabten Wahlmännerversammlung vom 1. Bezirk verlangte der Wortführer Graf Jaafe, Wien solle dem Fürsten Schwarzenberg dadurch ein Kompliment machen, daß es ihn zum Abgeordneten wähle. Ein Kompliment als Glaubensbekenntniß! Neun Jägerbataillone werden gebildet und sollen vor der Hand durch Freiwillige aufgebracht werden. — Die Sprache der Standrechtsblätter wird täglich unverschämter absolutistisch; sie übertrifft darin fast die der russischen. Da lauter für Geld arbeitende Juden dabei beschäftigt sind, so ist dies nicht befremdend. Die heutige Presse sagt, indem sie den Wahlmännern mit standrechtlicher Züchtigung droht, wenn sie den Minister Schwarzenberg nicht wählen, sondern Pillersdorff: „Der französische Thron fiel nicht, weil man dem Volkswunsche nicht nachgab, sondern weil der Soldat seine Pflicht nicht erfüllte. Hätte Bugeaud so auftreten können, wie Cavaignac mit 100,000 Mann, dann wäre Frankreich nicht unter das Joch einer Koterie des National gekommen, die Emeute wäre nicht zur Revolution gekommen.“ Verstehst Du, deutscher Michel, diese Sprache, denn Du hast nur eine Emeute gemacht und wirst bestraft werden? Selbst der Finanzminister Kraus muß austreten; Stadion, dieser galizische Gladiator, wird auch dieses Ministerium übernehmen. — Die „Ost-Deutsche Post,“ ein ganz unschuldiges Blättchen, wird von den Preßhyänen des Absolutismus heute auf das Wüthendste angegriffen; die Ost-Deutsche Post ist eine Verbündete der Kölnischen Zeitung, gleichzeitig aber auch die absolutistische Preßhyäne, „Presse.“ Das Standrechtsblatt Lloyd hat die Unverschämtheit, zu behaupten: „Die Franzosen sind das revolutionsmüdeste Volk in diesem Momente, das in der weiten Welt zu finden ist. Eine gewaltsame Umwälzung, eine furchtbare Ueberraschung gab ihnen an einem schlimmen Tage die Republik, und die Mehrheit des Volkes hat seit jener Stunde darüber nachgesonnen, auf welche Weise es sich des unverhofften Geschenkes, das ihm das Unglück in den Schooß warf, entledigen sollte. Louis Napoleon kann die Republik stürzen und die Wähler von Frankreich wollen, daß die Republik sterbe und nicht mehr lebe.“ 24 Wien, 22. Dez. Windischgrätz hat Preßburg und das ganze Preßburger Komitat in Belagerungszustand erklärt; demzufolge: Auflösung der Nationalgarde, Ablieferung der Waffen, Unterdrückung der Preßfreiheit, des Vereinsrechts u. s. w., kurz Alles, wie hier. Ferner ist vom 2. Armee-Kommando folgender Erlaß an den Preßburger Magistrat ergangen: „Nachdem folgende hier namentlich verzeichnete Individuen sich der Rebellion gegen ihren gesetzmäßigen König theils schuldig, theils verdächtig gemacht haben, als: Baron Bayer, alias Rupertus. — Fillialkassabeamter Klemm — Der Präses des demokratischen Klubs, Hr. Nikolaus Zerdahely — Zeitungsredakteur Noisser. — Buchhändler Reißbach. — Evangelischer Prediger Razka, — so wird hiermit der gemessene Auftrag, alles bewegliche und unbewegliche Vermögen obbenannter Inkulpaten, welches sich im Bereiche der Stadt befindet, mit gerichtlichem Beschlag zu belegen. Hingegen sind alle Individuen, welche wegen vermeinten politischen Verbrechen verhaftet wurden, unverzüglich zu entlassen, und über den Vollzug dieser Anordnung ist mit Angabe der Namen der Entlassenen und der Ursache, wegen welcher sie verhaftet waren, die schriftliche Anzeige zu erstatten.“ In der gestrigen Reichstagssitzung, wo es sich um Bewilligung der vom Finanzminister geforderten und schließlich auch bewilligten 80 Milliönchen neue Anleihe handelte, sprach sich Borkowski, wie folgt, aus: „Als der Minister nach schönen Hoffnungen endlich sagte, man brauche 80 Millionen, um ins Paradies zu gelangen, stellte Zumialkowski einen würdigen Antrag, daß die Kammer es auf später verweise; er wurde natürlich verworfen. Seit wir zusammen kamen, machen wir Schulden auf Schulden; es wäre besser auseinanderzugehen. Bei solchen Umständen ist der Absolutismus besser. Ob wir es bewilligen oder nicht, die Staatsmaschine wird nicht in Stockung gerathen, die Regierung wird sich es schon verschaffen. Man werfe nicht ein, daß wir das Ministerium zu einem inkonstitutionellen Schritte verleiten; wir sind heute statt eines konstituirenden ein schuldenmachender Reichstag. Die Volksvertreter werden diskreditirt. Wir verfügen nicht über Armeen, aber wir können doch die Würde der National-Versammlung wahren. Unsere Sache ist es, gute Gesetze zu liefern; die Völker sollen sie zur Geltung bringen. Wenn sich Jemand terrorisirt glaubt, taugt er nicht zum Volksvertreter. Täuschen wir uns nicht, die österreichische Staatsschuld ist größer, als die anderer Staaten; sie beträgt die 10jährigen Einkünfte des Staates, folglich die Hälfte des ganzen Staatseigenthums. Mag der Staatsbankerott eintreten, wir waschen unsre Hände, wir sind nicht schuld daran; aber anders ist es, wenn wir diese 80 Millionen votiren. — Weder Rothschild noch Sina werden klingende Münze herlegen, sondern Scheine, welche die Völker aus ihrer Tasche bezahlen müssen. Wenn die Regierung verzinsbare Schuldscheine ausgiebt, so zehrt sie an fremdem Eigenthum, und der Kommunismus ist fertig. (Lachen.) — Die Banknoten haben schon keine entsprechenden Fonds; die alte Staatsschuld hat keinen Grund, denn der Absolutismus ist verschwunden. Papier ist Papier, wenn es auch Staatspapier heißt, und eines Tages ist es nicht mehr werth, als überhaupt Papier. Das alte System der Schuldenmacherei sei nicht mehr unser Sündenbock. Die Schuldverschreibungen dieser 80 Mill. werden mehr Werth haben, weil wir sie bewilligen; aber je mehr sie Glauben einfloßen, desto gefährlicher ist der verkappte Feind. Diese 80 Millionen wären ein ewiger Blutegel; dann wird es heißen, der Reichstag hat sie bewilligt. Der Staatscredit ist immer ein Gift gewesen, das einen müßigen Schwarm ernährt. Seit 200 Jahren ist dieses System aufgetaucht, und wie oft wurde dabei Bankerott gemacht! Der Finanzminister verspricht viel, und unterdessen ist eine Anleihe von 80 Millionen nothwendig; aber wissen Sie, was der künftige Finanzminister sagen wird? Man hätte nichts bewilligen, keine neuen Schulden machen, keine unnützen Kriege führen sollen. (Lärm.) Ich sehe keine Hoffnung, daß Einnahmen und Ausgaben sich ausgleichen. 1846 war die Einnahme 193 Mill., 1847 war sie 144 Mill., 1849 ist sie nur 101 Mill.; also von 1846 bis 1849 haben sich die Einnahmen um 92 Mill. vermindert. Die Ausgaben haben sich vergrößert um 7 Mill.; 1846 war ein Deficit von 22 Mill., im Jahre 1847 ein Ausfall von 31 Mill., 1849 schon von 47 Mill. Die außerordentlichen Ausgaben sind für 1849 auf 59 Mill. angegeben. Sollte die Progression fortgehen, so ist der Ausgleich ein pium desiderium. Der Muth, den Staatsbankerott auszusprechen, wäre ein kleineres Unglück, als das die Schulden zu vermehren. Man beschließe, die Zinsen der Staatsschuld sollen auf 3 Jahre vorenthalten werden! — — Auf diese Weise könnte man neue Schulden vermeiden. Die Staatsgläubiger sollen zufrieden sein, daß sie so leicht davon kommen. (Lachen.) Sie waren die Compagnons des Absolutismus, die Begünstigsten — Ich erlaube mir daher einen Antrag zu stellen, den ich mit meinem Gewissen vereinigen kann: Die hohe Kammer beschließe, das Ministerium zu ermächtigen: Im Laufe 1849 eine Anleihe von _ Million Gulden zu machen, und zur Deckung der Bedürfnisse die Zinsen der Staatsschuld für 1850 und 1851 zurückzubehalten. (Staunen.) Ich muß erklären, warum ich dennoch die halbe Million beantrage. In der Geschäftsordnung heißt es, daß kein Antrag vorgelegt werden dürfe, der den Hauptantrag annullirt“ (Lachen. — Sein Antrag wird gehörig unterstützt.) 24 Wien, 23. Dez. Heute ist hier zum Abgeordneten nach Kremsier der Ex-Reichsminister Hr. Schmerling gewählt worden. Er bekam 54 Stimmen, sein Mitbewerber, v. Pillersdorf, 32 Stimmen. Die heutige „Wiener Zeitung“ publizirt schon wieder ein gestern vollstrecktes Kriegsurtheil. Es betraf den Fr. Stockhammer aus Botzen, Feldwebel bei dem Grenadierbataillon Richter, das sich am 6. October weigerte nach Preßburg zu marschiren, dann Mitglied der Wiener Mobilgarde, bei der er zum Lieutenant und bald auch zum Hauptmann ernannt wurde, in welcher Eigenschaft er bis zum 30. Oct. ununterbrochen am Kampfe gegen die Truppen des Fürsten Windischgrätz theilnahm. Er wurde zum Strange verurtheilt, zu „Pulver und Blei“ begnadigt und gestern erschossen. Man spricht heute allgemein davon, daß die Ungarn mit Macht wieder gegen Wieselburg vorgedrungen seien und die Kroaten aus dieser Stadt herausgeworfen haben. Es treffen täglich eine Masse Verwundete in den hiesigen Lazarethen ein. Wien, 21. Dez. Die Armee-Bülletins vom 17., 18. und 19. d. Mts. haben eine Stimmung in Wien hervorgerufen, welche zur Genüge beweist, wie wenig das Volk überlegt. Windischgrätz ist schon in Carlburg! hört man aller Orten mit ungestümem Jubel ausrufen. Wir theilen diese Freude und wünschen gleich jedem Rechtlichgesinnten, daß der Kampf bald, und so viel es geht, ohne bedeutenden Verlust beendet werden möge. Allein so unbedingt und gedankenlos in den Tag hinein zu frohlocken, sind wir außer Stande. Es ist wohl wahr, die Eingangspunkte in das eigentliche Ungarn hat man bereits genommen. Preßburg und Eperies, Tyrnau und Oedenburg haben den kaiserlichen Truppen die Thore geöffnet, doch ist damit auch schon Alles geschehen? Eine entscheidende Schlacht ist noch nicht geschlagen. Die Ungesäumtheit, mit welcher die Magyaren bisher den Rückzug genommen haben, ist nicht minder bedenklich, als das Zaudern des Fabius Cunctator. Man hat nicht Grund, anzunehmen, daß Furcht und Gefühl der Schwäche die Insurgenten zum Weichen nöthige; auch die schleunige Kapitulation der genannten Städte rechtfertigt noch nicht die sanguinischen Hoffnungen der Magyarenfeinde. Es scheint vielmehr in der Absicht der Insurgenten zu liegen, das kaiserliche Militär in das Innere des Landes zu locken, und daselbst einen Hauptstreich gegen dasselbe auszuführen. Die Privatnachrichten lauten bereits jetzt schon umfangreicher, als die offiziellen Kriegs-Bülletins. Bei Oedenburg wurde die kaiserliche Heeresmacht von den Aufständischen überfallen und total geschlagen. Die Transporte von Verwundeten, welche täglich über die Gränze geschickt werden, beweisen zur Genüge, daß die Unsrigen bedeutendere Verluste erleiden, als uns auf amtlichem Wege zu Ohren kömmt. Nicht jede Stadt kostet so wenig Opfer wie Preßburg, je tiefer die Truppen in's Land eindringen werden, auf desto heftigern Widerstand werden sie stoßen, desto mehr Blut wird fließen. Wieselburg ist ein deutlicher Beleg hievon. Erst nach einem mehrstündigen heißen Gefechte, erst nach einem anhaltend furchtbaren Bombardement ergab sich diese Stadt. Die Ungarn berechnen sehr wohl, daß Windischgrätz die bereits genommenen Punkte nicht nur, sondern auch die gesammte Gränzlinie sammt den dieselbe deckenden Ortschaften mit Besatzung versehen müsse, welche einen nicht unbedeutenden Theil seiner Streitmacht bilde. Sie schonen daher ihre eigenen Kräfte, um desto energischer in Hauptschlachten auftreten zu können. Daß sie sich nicht bloß auf die kleinern Gefechte beschränken werden, zeigt schon der Schlachtplan, den sie entworfen haben. Bei Raab ist ihre Hauptmacht auf dem rechten Donauufer konzentrirt; sowohl hier als auf der Fläche, welche Egerszeg und Körmend scheidet, und auf der zwischen Pesth und Waizen sich ausdehnenden Ebene gedenken sie dem Feinde in Schlachtordnung entgegenzutreten, und den Kampf entscheidender anzubieten. So viel ist gewiß, die ungarischen Wirren werden keinesfalls innerhalb weniger Wochen gelöst sein. Nicht eine kleine Fraktion ist es, welche im Aufruhr sich befindet und den Kampf auf Leben und Tod eingeht. Das Wort „Szabatsag“ (Freiheit) lallt das Kind, ruft die Jungfrau, begeistert den Jüngling, entflammt den Krieger. Man glaube nicht, daß der Bauer minder begeistert sei, als der demokratische Kossuthjünger. (Fr. O.-P.-A.-Z.) * Berlin, 26. Dezbr. Wir haben letzthin über den Zweck der hiesigen Anwesenheit des Anhaltischen Ministers Habicht berichtet und sind nun in den Stand gesetzt, unsern Lesern aus gleich zuverlässiger Quelle die Mittheilung zu machen, daß der genannte Staatsmann den Zweck seiner Reise an unsern Hof nicht erreicht hat. Der Grund nämlich, weshalb das preußische Kabinet sich geweigert, zur Vereinigung der beiden Anhaltischen Herzogthümer seine Einwilligung zu geben, ist die Weigerung Habichts alle ausländischen, d. h. nicht-anhaltischen Demokraten aus Anhalt zu verweisen, — eine Forderung, welche das hiesige Kabinet als conditio sine qua non gestellt hatte. Vergebens drohte das Ministerium Manteuffel dem dessauischen Staatsmann damit, daß es bei der Centralgewalt auf Mediatisirung der Herzogthümer Anhalt hinarbeiten und somit den in Dessau bedauerlicherweise zur Herrschaft gelangten demokratischen Unwesen (d. h. der dessauer Verfassung) ein Ende machen werde. Habicht blieb unerschütterlich und berief sich mit größter Kaltblütigkeit auf die in Frankfurt votirten Grundrechte, welche allen Deutschen den Aufenthalt in jedem deutschen Staate als Recht zugesteht. 037 Berlin, 25. Dez. „Kein Stück Papier soll sich zwischen mich und mein Volk drängen“. — Doch dieses Volk wandte sich ab von dem, „der sich nie (außer dem 18. März) imponiren ließ“. Die Kamarilla witterte Morgenluft — das Stück Papier kam und drängte sich — nicht zwischen Fürst und Volk, nein, zwischen Revolution und Contre-Revolution! — Ach, es ist eine schöne Sache um die Schauspielkunst!! „Alles wieder beim Alten!“ — Nur an den in Belagerungszustand erklärten Städten merkt man, daß die Revolution auch unser Vaterland besuchte. Süddeutschland mit Reichstruppen überschwemmt; statt der Volksbewaffnung die Vermehrung der stehenden Heere; in Preußen die oktroyirte Verfassung statt der aus dem Volkswillen hervorgegangenen Nationalversammlung. Alles andre beim Alten! Sie erinnern sich doch der Ausweisung Hecker's und Itzstein's! Das Stück wird jetzt en gros ausgeführt. (Doch alles beim Alten!) Was haben wir überhaupt durch die Revolution gewonnen?? — Schöne Frage! — Ein Volk, das eine Revolution nicht zu Ende führt, hat gar keine gemacht. — Haben wir aber doch z. B. Religionsfreiheit! — Pah — Luisen Aston wurde als „Atheistin“ vor einigen Jahren ihr Kind — von der Obervormundschaft (!) aus den Armen gerissen. Justizrath Gerlach bemerkte ihr damals im Gerichtssaale, indem er ihr die Tochter vom Busen riß: „Sehen Sie, nun lernen Sie an Gott glauben!“ Das Kind wurde von den Beamten des ächt christlich-germanischen Staates der „frommen“ (!) Stiefmutter — (was sage ich? — nein, der „Schwester“ des Sam. Aston) zur „frommen, gottgefälligen Erziehung gegeben. — Das konnte vor der Märzrevolution geschehen, das konnten jene Geist- und Körpertödtenden Frömmler thun; das Kind der „nicht frommen“ Mutter nehmen und es der „frommen Betschwester“ — einer — — — (nun meinetwegen) „Schwester“ (!) des Vaters geben. Alles „zur größeren Ehre Gottes!“ Doch der März kam und alle hofften auf die schönen Früchte der Revolution! Wie bescheiden war das Hoffen einer unglücklichen Mutter — endlich ihr einziges Kind aus den Heuchlerklauen, aus dem Intriguennetze befreien zu können! Das Recht schien wieder Geltung zu bekommen; wie sollte Aston, die von der „willkührlichen Gewalt“ oder der „gewaltigen Willkühr“ so viel zu dulden hatte, nicht hoffen, daß auch bei ihr die „Rache“ vollendet sei. Indessen starb auch Luisens Gatte, Sam. Aston. Sie wollte nun ihr Kind, ihre Tochter wieder haben. Doch — trotz der „Märzerrungenschaften“, trotz der oktroyirten Verfassung, trotz der Religionsfreiheit bekam Louise Aston ihr Kind nicht! Sie wollte es nur sehen — das königl. Stadt- und Landgericht in Burg verfügt den 8. November 1848: „Louisen Aston ihre Tochter Jenny durch — — die — „Schwester“ Fanny Aston zuzuführen, nachdem Herr Dr. Maizier die etwa entgegenstehenden Hindernisse beseitigt habe!“ Kurz — die Mutter durfte das nunmehr vaterlose und durch die „gottesfürchtigen Gerichte“ auch mutterlose Kind nicht einmal sehen! Das geschah 8 Monate nach der Märzrevolution! — Alles beim Alten! Nur die „Gläubigen“, die Menschen „für Gott und Vaterland“ haben ein Recht zu existiren. Alle andern sind geächtet. Berlin. Dem geheimen Ober-Revisionsrath Esser ist am 22 Dezember folgendes Schreiben zugegangen: Ew. Hochwohlgeboren werden bei Ihrem Wiedereintritt in unser Kollegium, an der Begegnung, welche Ihnen von sämmtlichen Mitgliedern desselben zu Theil wurde, wahrgenommen haben, wie wenig dieselben mit Ihrem Verhalten als Mitglied der National-Versammlung einverstanden sind. Wir hätten uns auf diesen Ausdruck unserer Gesinnung beschränkt und es abgewartet, welchen Erfolg derselbe auf Ihren Entschluß ausüben würde; da inzwischen ein solcher bis jetzt uns nicht bekannt geworden und die Maßregeln anderer Gerichtshöfe in Beziehung auf ihre sich in ähnlicher Lage befindenden Mitglieder bei längerem Schweigen uns der Deutung aussetzen könnten, als ob wir Ihre Handlungsweise in jener Eigenschaft nicht mißbilligten, so sehen wir uns genöthigt, Ihnen zu erklären, wie sehr wir es beklagen, daß ein Mitglied des höchsten Gerichtshofes der Rheinprovinz die von Ihnen befolgte Richtung eingeschlagen hat. Berlin, den 20. Dezember 1848. (gez.) Sethe. Jaehnigen. Graun. Liel. v. Oppen. Brewer. v. Daniels. Frech. Schnaase. An den königl. geh. Ober-Revisionsrath Herrn Esser Hochwohlgeboren. Das Antwortschreiben des Herrn geh. Ober-Revisionsraths Esser lautet: Auf die Zuschrift Ew. Excellenz, der Mitglieder des Revisions- und Kassationshofes und des Generalprokurators vom 20. d. M., welche mir zuerst durch die Zeitung bekannt wurde, habe ich die Ehre, Folgendes zu erwidern. Wohl ist mir bei meinem Wiedereintritt in das Kollegium das Benehmen meiner Kollegen auffallend erschienen. Aus Rücksicht auf den Dienst hielt ich mich jedoch für verpflichtet, dies ungerügt zu lassen. Jetzt sprechen meine Kollegen es aus, daß sie durch jenes Benehmen einen Entschluß von meiner Seite provociren wollten. Dies Motiv hatte ich nicht voraussetzen können; ich hatte geglaubt, meine Kollegen würden darin mit mir übereinstimmen, daß eine unparteiische Rechtspflege unabhängig ist von den politischen wie von den religiösen Ansichten des Richters. Weil ich schwieg, glauben meine Kollegen deutlicher sprechen zu müssen, sie glauben dem Beispiele anderer Gerichtshöfe folgen zu müssen, um sich vor Mißdeutungen zu bewahren; sie beklagen laut und öffentlich, daß ich, ein „Mitglied des höchsten Gerichtshofes der Rheinprovinz,“ in meiner Eigenschaft als Abgeordneter „die von mir befolgte Richtung“ eingeschlagen habe. Also nicht Thatsachen werfen meine Kollegen mir vor; zum Vorwurfe wird mir gemacht, daß ich eine Richtung eingeschlagen habe, welche von derjenigen abweicht, die meine Kollegen als Abgeordnete befolgt haben oder befolgt haben würden. Meine Antwort ist kurz; — ich spreche dem Kollegium jede Befugniß ab, die Thätigkeit seiner Mitglieder in ihrer Eigenschaft als Abgeordnete zu überwachen; ich spreche dem Kollegium jede Befugniß ab, einen politischen Gewissenszwang gegen seine Mitglieder auszuüben. Wegen meiner Ansichten und Abstimmungen als Abgeordneter bin ich auf Erden nur meinem Gewissen verantwortlich. In mir lebt die Ueberzeugung, daß ich meine Pflicht treu und gewissenhaft erfüllt habe. Darum kann selbst die Mißbilligung meiner Kollegen nicht geeignet sein, irgend einen Entschluß auf meiner Seite hervorzurufen. Ew. Excellenz ersuche ich ganz ergebenst, diese meine Antwort den Unterzeichnern des Schreibens vom 20. d. M. gefälligst mittheilen zu wollen. Berlin, den 23. Dezember 1848 Esser. An den wirklichen geheimen Rath Chef-Präsidenten Herrn Sethe Excellenz. Auch von Seiten der bei dem Hofe fungirenden Anwälte, der Advokaten Reusche, Volkmar und Dorn, ist ein Schreiben an den G. O. R. R. Esser abgesandt worden. Dasselbe lautet: Geehrter Herr! Der Präsident und die Mitglieder des Revisions- und Kassationshofes drücken in dem an Sie gerichteten Schreiben vom 20. d. M ihre Mißbilligung über das von Ihnen eingeschlagene Verhalten als Mitglied der Nationalversammlung aus; sie erklären, daß sie bereits durch die Art der Begegnung bei Ihrem Wiedereintritt in das Collegium ihre abweichende Gesinnung zu erkennen gegeben und durch diesen Ausdruck ihrer Gesinnung einen Entschluß auf Ihrer Seite herbeizuführen erwartet hätten. Die unterzeichneten Anwälte des Hofes glauben im Interesse des Recht suchenden Publikums, welches sie repräsentiren, nicht schweigen zu dürfen; sie glauben die Bitte aussprechen zu müssen, daß selbst die in Worten ausgedrückte Mißbilligung Ihrer Collegen Sie nicht zu einem Entschlusse führen möge, welcher Trauer in der Rheinprovinz verbreiten würde. Das Vertrauen zum Richter wird nicht bedingt durch die Uebereinstimmung politischer Ansichten. So wenig unser Vertrauen zu einem andern Mitgliede des Hofes wankend geworden ist, welches als Mitglied der Nationalversammlung, unzweifelhaft gleich Ihnen durch innere Ueberzeugung geleitet, eine entgegengesetzte Richtung eingeschlagen hat; ebenso wenig kann auf Seiten Andersgesinnter das bisherige unbegränzte Vertrauen in Ihre richterliche Unparteilichkeit geschmälert sein. Wir bitten, dies bei Fassung desjenigen Beschlusses, zu welchem Sie durch das Schreiben Ihrer Collegen veranlaßt werden könnten, in Erwägung zu nehmen; wir bitten um so mehr dies in Erwägung zu nehmen, als es sich hier um den wichtigen Grundsatz der richterlichen Unabhängigkeit und Unabsetzbarkeit handelt. Indem wir diese Rücksichten Ihnen an's Herz legen, sprechen wir die zuversichtliche Hoffnung aus, daß Sie keinen Entschluß fassen werden, welcher die Lösung Ihres amtlichen Verhältnisses bezwecken könnte. Berlin, den 22. December 1848. gez. Reusche. Volkmar. Dorn. An den Geheimrn Ober-Revisions-Rath Herrn Esser hier. 20 Aus dem Reich. In Hamburg „tagt“ die konstituirende Versammlung mächtig fort, nachdem sie sich mit ihren Patriziern vereinbart und einige diplomatische Redensarten von wegen des Eides dankerfüllt entgegengekommen hat. — In Rheinhessen lassen sich's unsere „Reichstruppen“ wohl sein. Die Herren von und ohne Gottes Gnaden schicken ihre Söldlinge dorthin, damit letztere sich ausfüttern und die Einwohner ruiniren helfen. In Worms sind die Herren „Reichstruppen“ so gütig, mehr Quartierbillets zu entnehmen, als „Leute“ da sind. „'s hoat Alls sei gute Grund,“ sagt der Schlossergesell in dem bekannten Liede. Wenn die alten Einquartirungsbillets nicht mehr taugen, so wird das Datum ausradirt und durch ein neues ersetzt. Das hat in diesen Tagen Worms erfahren, ja viel Schlimmeres! Trotzdem sind die Wormser ruhig, bei einem andern Volk würden die Herren Reichstruppen mit Mistgabeln etc. hinausgejagt. Wir Deutsche sind froh, daß man unsere Kartoffeln, unsern Most etc. von Seiten der (Siehe den Verfolg in der Beilage.)

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Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




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Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 181. Köln, 29. Dezember 1848, S. 0975. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz181_1848/3>, abgerufen am 21.11.2024.