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Neue Rheinische Zeitung. Nr. 169. Köln, 15. Dezember 1848.

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Neue Rheinische Zeitung
Organ der Demokratie.
No 169. Köln, Freitag den 15. Dezember. 1848.

Keine Steuern mehr!!!

Zu Nr. 168 der "Neuen Rheinischen Zeitung" ist Mittwoch Morgen ein Extrablatt ausgegeben worden.

Uebersicht.

Deutschland. Köln. (Die Bourgeaisie und die Contrerevolution. -- Wozu das Volk Steuern zahlt. -- Die Demokratenhetze.) Düsseldorf. (Eine Confiskation der "N. Rh. Ztg.") Dortmund. (Verhaftungen.) Berlin. (Reibungen zwischen verschiedenen Truppentheilen. -- Unterthänigstes Adreßformular. -- Schicksale einzelner Abgeordneten von der Linken. -- Stiebers Antrag auf Verhandlung vor Geschworenen. -- Abermalige Suspension der Zeitungshalle. -- Appell der Studentenversammlung an die Oeffentlichkeit. -- Der Begriff eines "selbstständigen" Preußen.) Breslau. (Der "Verein für gesetzliche Ordnung" und die "Stadtverordneten". -- Erklärung des Abgeordneten Stein.) Wien. (Vermischtes. -- Plakate mit Marginalien. -- Standrechtliche Vermahnung an die Buchdrucker.) Kremsier. (Die 80 Millionen.) Frankfurt. (National-Versammlung. -- Minoritätsverwahrung.) Kiel. (Strafurtheil gegen die Pontoniere.)

Schweiz. Zürich. (Personensperre von deutscher Seite.)

Französische Republik. Paris. (Die Präsidiumskandidaten. Cavaignac. -- Journalschau. -- Vermischtes. -- Nationalversammlung.)

Großbritannien. London. (Verfälschung der Jury. -- Urtheil der englischen Presse über die französische Präsidentenwahl.)

Italien. (Die vom Pabst ernannte provisorische Regierung.) Rom (Die Kammer und das Breve. -- Mamiani's Zuschrift an das diplomatische Corps.) Gaeta. (Protest des Pabstes.)

Deutschland.
* Köln, 11. Dezbr.
Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden.
Leben und Thaten des berühmten Ritters Schnapphahnski.
Zweite Abtheilung. Kapitel I.

Ritter Schnapphanski war in demselben Falle wie Professor N. in Berlin -- -- es stand ihm etwas ganz Außerordentliches bevor. Doch erzählen wir zuerst die Geschichte des Professors.

Der Herr Professor war krank. Er ließ den Doktor kommen. Der Doktor kam. Arzt und Professor standen einander gegenüber. Der Erstere mit jenem heidnisch frohen Lächeln, welches den meisten Medizinern eigenthümlich ist; der Professor: lang, dürr, einer ausgetrunkenen Flasche ähnlich, mit sehr miserablem Antlitz.

""Doktor, ich bin krank --"" begann der Professor.

"Das freut mich --" erwiederte der Doctor.

""Ich glaube, ich habe die Schwindsucht, Doctor. --""

"Sehr leicht möglich, Herr Professor --"

""Nicht wahr, ich bin sehr krank?""

"Lassen Sie mich Ihren Puls fühlen --"

""Glauben Sie, daß die Sache gefährlich ist? --""

"Zeigen Sie mir Ihre Zunge --"

""Meinen Sie nicht, daß ich bald sterben werde?""

"Wann gehen Sie Abends zu Bett?"

""Soll ich nicht lieber mein Testament machen?""

"Wie sieht es mit Ihrem Appetit aus?"

""Soll ich nicht die Verwandten von meiner traurigen Lage benachrichtigen?""

"Haben Sie regelmäßigen Stuhlgang!"

""Doktor, retten Sie mich!""

"Herr Professor, antworten Sie auf meine Frage!"

Eine Pause entstand. Der Professor schaute auf den Doktor wie ein krankes Fohlen auf seine Mutter. Der Doktor fuhr fort:

"Antworten Sie mir also klar und bestimmt, Herr Professor."

""Ich bin ganz zu Ihren Diensten Herr Doktor.""

"Schildern Sie mir Ihren Zustand -- -- haben Sie Beschwerden?"

""Der Beschwerden habe ich manche -- --""

"Und welche, Herr Professor? Haben Sie z. B. eine gewisse Schwere in den Gliedern?"

""Ganz recht -- es liegt mir wie Blei in den Gliedern --"

"Haben Sie Kongestionen nach dem Kopfe, oder nach andern Theilen des Körpers?"

""Kongestionen -- ganz recht, ich habe Kongestionen -- fast nach allen Theilen.""

"Lassen Sie mich doch Ihre Augen sehen -- Sie scheinen ganz rothe Augen zu haben."

""Ach, allerdings, Herr Doktor. Das kommt von dem vielen Arbeiten in der Nacht.""

"Schlafen Sie Nachts auf dem Rücken?"

""Ich schlafe selten, Herr Doktor.""

"Also träumen Sie?"

""Ach, ich habe schwere Träume --"

"Haben Sie erotische Träume -- --?"

Der Professor schlug verschämt die Augen nieder. Wiederum entstand eine Pause. Der Doktor blickte auf den Professor, wie der Teufel auf einen armen Sünder.

"Setzen wir unsere Konversation fort -- nicht wahr, Sie sind unverheirathet Herr Professor?"

""Allerdings, Herr Doktor!""

"Sie haben auch sonst keinen Umgang mit Frauenzimmern?"

""Herr Doktor, das ist eine Gewissensfrage.""

"Verzeihen Sie, eine reine Gesundheitsfrage."

""Aber wie soll ich Ihnen darauf antworten?""

"Nun, ganz einfach mit Ja oder Nein; haben Sie Umgang mit Weibern oder nicht?"

""Nein, Herr Doktor! Das ist durchaus gegen mein Prinzip.""

"Aber es wäre gut für Ihre Gesundheit --"

""Mein Prinzip geht über die Gesundheit.""

"Aber Ihr Prinzip kann Sie in's Grab bringen."

""Mit meinem Prinzip will ich sterben.""

"Nun, so sterben Sie wohl, Herr Professor" -- der Doktor griff nach seinem Hute, um sich zu entfernen. Der Professor trat ihm in den Weg.

""Lieber Herr Doktor -- --""

"Verehrter Herr Professor -- --"

""Bleiben Sie um Gottes Willen!""

"Aber, gehorchen Sie meinen Befehlen!"

""Ich will Alles thun, was Sie wünschen.""

"Meine Befehle werden Ihnen nur angenehm sein."

""Ich will Moschus und Rhabarber fressen.""

"Würde Ihnen wenig helfen."

""Ich will Balsam und Fliederthee trinken.""

"Könnte von gar keinem Nutzen sein."

""Aber was wünschen Sie denn?""

"Ich wünsche nur das allermenschlichste, das allererfreulichste von Ihnen!"

""Sprechen Sie also!""

"Und gehorchen Sie mir."

""Was soll ich thun?""

"Sie soll'n sich verlieben -- ein Weib nehmen!"

-- Der Kopf des Professors sank auf die Brust, die Tabakspfeife entfiel seiner Hand und Wolken der tiefsten Verlegenheit, des innigsten Schmerzes verdunkelten die Stirn des unglückseligsten Mannes."

""Herr Doktor"" -- fuhr endlich der Gepeinigte in sehr gedrücktem, schleppendem Tone fort -- ""Herr Doktor, Sie wissen,

Neue Rheinische Zeitung
Organ der Demokratie.
No 169. Köln, Freitag den 15. Dezember. 1848.

Keine Steuern mehr!!!

Zu Nr. 168 der „Neuen Rheinischen Zeitung“ ist Mittwoch Morgen ein Extrablatt ausgegeben worden.

Uebersicht.

Deutschland. Köln. (Die Bourgeaisie und die Contrerevolution. — Wozu das Volk Steuern zahlt. — Die Demokratenhetze.) Düsseldorf. (Eine Confiskation der „N. Rh. Ztg.“) Dortmund. (Verhaftungen.) Berlin. (Reibungen zwischen verschiedenen Truppentheilen. — Unterthänigstes Adreßformular. — Schicksale einzelner Abgeordneten von der Linken. — Stiebers Antrag auf Verhandlung vor Geschworenen. — Abermalige Suspension der Zeitungshalle. — Appell der Studentenversammlung an die Oeffentlichkeit. — Der Begriff eines „selbstständigen“ Preußen.) Breslau. (Der „Verein für gesetzliche Ordnung“ und die „Stadtverordneten“. — Erklärung des Abgeordneten Stein.) Wien. (Vermischtes. — Plakate mit Marginalien. — Standrechtliche Vermahnung an die Buchdrucker.) Kremsier. (Die 80 Millionen.) Frankfurt. (National-Versammlung. — Minoritätsverwahrung.) Kiel. (Strafurtheil gegen die Pontoniere.)

Schweiz. Zürich. (Personensperre von deutscher Seite.)

Französische Republik. Paris. (Die Präsidiumskandidaten. Cavaignac. — Journalschau. — Vermischtes. — Nationalversammlung.)

Großbritannien. London. (Verfälschung der Jury. — Urtheil der englischen Presse über die französische Präsidentenwahl.)

Italien. (Die vom Pabst ernannte provisorische Regierung.) Rom (Die Kammer und das Breve. — Mamiani's Zuschrift an das diplomatische Corps.) Gaeta. (Protest des Pabstes.)

Deutschland.
* Köln, 11. Dezbr.
Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden.
Leben und Thaten des berühmten Ritters Schnapphahnski.
Zweite Abtheilung. Kapitel I.

Ritter Schnapphanski war in demselben Falle wie Professor N. in Berlin — — es stand ihm etwas ganz Außerordentliches bevor. Doch erzählen wir zuerst die Geschichte des Professors.

Der Herr Professor war krank. Er ließ den Doktor kommen. Der Doktor kam. Arzt und Professor standen einander gegenüber. Der Erstere mit jenem heidnisch frohen Lächeln, welches den meisten Medizinern eigenthümlich ist; der Professor: lang, dürr, einer ausgetrunkenen Flasche ähnlich, mit sehr miserablem Antlitz.

„„Doktor, ich bin krank —““ begann der Professor.

„Das freut mich —“ erwiederte der Doctor.

„„Ich glaube, ich habe die Schwindsucht, Doctor. —““

„Sehr leicht möglich, Herr Professor —“

„„Nicht wahr, ich bin sehr krank?““

„Lassen Sie mich Ihren Puls fühlen —“

„„Glauben Sie, daß die Sache gefährlich ist? —““

„Zeigen Sie mir Ihre Zunge —“

„„Meinen Sie nicht, daß ich bald sterben werde?““

„Wann gehen Sie Abends zu Bett?“

„„Soll ich nicht lieber mein Testament machen?““

„Wie sieht es mit Ihrem Appetit aus?“

„„Soll ich nicht die Verwandten von meiner traurigen Lage benachrichtigen?““

„Haben Sie regelmäßigen Stuhlgang!“

„„Doktor, retten Sie mich!““

„Herr Professor, antworten Sie auf meine Frage!“

Eine Pause entstand. Der Professor schaute auf den Doktor wie ein krankes Fohlen auf seine Mutter. Der Doktor fuhr fort:

„Antworten Sie mir also klar und bestimmt, Herr Professor.“

„„Ich bin ganz zu Ihren Diensten Herr Doktor.““

„Schildern Sie mir Ihren Zustand — — haben Sie Beschwerden?“

„„Der Beschwerden habe ich manche — —““

„Und welche, Herr Professor? Haben Sie z. B. eine gewisse Schwere in den Gliedern?“

„„Ganz recht — es liegt mir wie Blei in den Gliedern —“

„Haben Sie Kongestionen nach dem Kopfe, oder nach andern Theilen des Körpers?“

„„Kongestionen — ganz recht, ich habe Kongestionen — fast nach allen Theilen.““

„Lassen Sie mich doch Ihre Augen sehen — Sie scheinen ganz rothe Augen zu haben.“

„„Ach, allerdings, Herr Doktor. Das kommt von dem vielen Arbeiten in der Nacht.““

„Schlafen Sie Nachts auf dem Rücken?“

„„Ich schlafe selten, Herr Doktor.““

„Also träumen Sie?“

„„Ach, ich habe schwere Träume —“

„Haben Sie erotische Träume — —?“

Der Professor schlug verschämt die Augen nieder. Wiederum entstand eine Pause. Der Doktor blickte auf den Professor, wie der Teufel auf einen armen Sünder.

„Setzen wir unsere Konversation fort — nicht wahr, Sie sind unverheirathet Herr Professor?“

„„Allerdings, Herr Doktor!““

„Sie haben auch sonst keinen Umgang mit Frauenzimmern?“

„„Herr Doktor, das ist eine Gewissensfrage.““

„Verzeihen Sie, eine reine Gesundheitsfrage.“

„„Aber wie soll ich Ihnen darauf antworten?““

„Nun, ganz einfach mit Ja oder Nein; haben Sie Umgang mit Weibern oder nicht?“

„„Nein, Herr Doktor! Das ist durchaus gegen mein Prinzip.““

„Aber es wäre gut für Ihre Gesundheit —“

„„Mein Prinzip geht über die Gesundheit.““

„Aber Ihr Prinzip kann Sie in's Grab bringen.“

„„Mit meinem Prinzip will ich sterben.““

„Nun, so sterben Sie wohl, Herr Professor“ — der Doktor griff nach seinem Hute, um sich zu entfernen. Der Professor trat ihm in den Weg.

„„Lieber Herr Doktor — —““

„Verehrter Herr Professor — —“

„„Bleiben Sie um Gottes Willen!““

„Aber, gehorchen Sie meinen Befehlen!“

„„Ich will Alles thun, was Sie wünschen.““

„Meine Befehle werden Ihnen nur angenehm sein.“

„„Ich will Moschus und Rhabarber fressen.““

„Würde Ihnen wenig helfen.“

„„Ich will Balsam und Fliederthee trinken.““

„Könnte von gar keinem Nutzen sein.“

„„Aber was wünschen Sie denn?““

„Ich wünsche nur das allermenschlichste, das allererfreulichste von Ihnen!“

„„Sprechen Sie also!““

„Und gehorchen Sie mir.“

„„Was soll ich thun?““

„Sie soll'n sich verlieben — ein Weib nehmen!“

— Der Kopf des Professors sank auf die Brust, die Tabakspfeife entfiel seiner Hand und Wolken der tiefsten Verlegenheit, des innigsten Schmerzes verdunkelten die Stirn des unglückseligsten Mannes.“

„„Herr Doktor““ — fuhr endlich der Gepeinigte in sehr gedrücktem, schleppendem Tone fort — „„Herr Doktor, Sie wissen,

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[0907/0001] Neue Rheinische Zeitung Organ der Demokratie. No 169. Köln, Freitag den 15. Dezember. 1848. Keine Steuern mehr!!! Zu Nr. 168 der „Neuen Rheinischen Zeitung“ ist Mittwoch Morgen ein Extrablatt ausgegeben worden. Uebersicht. Deutschland. Köln. (Die Bourgeaisie und die Contrerevolution. — Wozu das Volk Steuern zahlt. — Die Demokratenhetze.) Düsseldorf. (Eine Confiskation der „N. Rh. Ztg.“) Dortmund. (Verhaftungen.) Berlin. (Reibungen zwischen verschiedenen Truppentheilen. — Unterthänigstes Adreßformular. — Schicksale einzelner Abgeordneten von der Linken. — Stiebers Antrag auf Verhandlung vor Geschworenen. — Abermalige Suspension der Zeitungshalle. — Appell der Studentenversammlung an die Oeffentlichkeit. — Der Begriff eines „selbstständigen“ Preußen.) Breslau. (Der „Verein für gesetzliche Ordnung“ und die „Stadtverordneten“. — Erklärung des Abgeordneten Stein.) Wien. (Vermischtes. — Plakate mit Marginalien. — Standrechtliche Vermahnung an die Buchdrucker.) Kremsier. (Die 80 Millionen.) Frankfurt. (National-Versammlung. — Minoritätsverwahrung.) Kiel. (Strafurtheil gegen die Pontoniere.) Schweiz. Zürich. (Personensperre von deutscher Seite.) Französische Republik. Paris. (Die Präsidiumskandidaten. Cavaignac. — Journalschau. — Vermischtes. — Nationalversammlung.) Großbritannien. London. (Verfälschung der Jury. — Urtheil der englischen Presse über die französische Präsidentenwahl.) Italien. (Die vom Pabst ernannte provisorische Regierung.) Rom (Die Kammer und das Breve. — Mamiani's Zuschrift an das diplomatische Corps.) Gaeta. (Protest des Pabstes.) Deutschland. * Köln, 11. Dezbr. _ Leben und Thaten des berühmten Ritters Schnapphahnski. Zweite Abtheilung. Kapitel I. Ritter Schnapphanski war in demselben Falle wie Professor N. in Berlin — — es stand ihm etwas ganz Außerordentliches bevor. Doch erzählen wir zuerst die Geschichte des Professors. Der Herr Professor war krank. Er ließ den Doktor kommen. Der Doktor kam. Arzt und Professor standen einander gegenüber. Der Erstere mit jenem heidnisch frohen Lächeln, welches den meisten Medizinern eigenthümlich ist; der Professor: lang, dürr, einer ausgetrunkenen Flasche ähnlich, mit sehr miserablem Antlitz. „„Doktor, ich bin krank —““ begann der Professor. „Das freut mich —“ erwiederte der Doctor. „„Ich glaube, ich habe die Schwindsucht, Doctor. —““ „Sehr leicht möglich, Herr Professor —“ „„Nicht wahr, ich bin sehr krank?““ „Lassen Sie mich Ihren Puls fühlen —“ „„Glauben Sie, daß die Sache gefährlich ist? —““ „Zeigen Sie mir Ihre Zunge —“ „„Meinen Sie nicht, daß ich bald sterben werde?““ „Wann gehen Sie Abends zu Bett?“ „„Soll ich nicht lieber mein Testament machen?““ „Wie sieht es mit Ihrem Appetit aus?“ „„Soll ich nicht die Verwandten von meiner traurigen Lage benachrichtigen?““ „Haben Sie regelmäßigen Stuhlgang!“ „„Doktor, retten Sie mich!““ „Herr Professor, antworten Sie auf meine Frage!“ Eine Pause entstand. Der Professor schaute auf den Doktor wie ein krankes Fohlen auf seine Mutter. Der Doktor fuhr fort: „Antworten Sie mir also klar und bestimmt, Herr Professor.“ „„Ich bin ganz zu Ihren Diensten Herr Doktor.““ „Schildern Sie mir Ihren Zustand — — haben Sie Beschwerden?“ „„Der Beschwerden habe ich manche — —““ „Und welche, Herr Professor? Haben Sie z. B. eine gewisse Schwere in den Gliedern?“ „„Ganz recht — es liegt mir wie Blei in den Gliedern —“ „Haben Sie Kongestionen nach dem Kopfe, oder nach andern Theilen des Körpers?“ „„Kongestionen — ganz recht, ich habe Kongestionen — fast nach allen Theilen.““ „Lassen Sie mich doch Ihre Augen sehen — Sie scheinen ganz rothe Augen zu haben.“ „„Ach, allerdings, Herr Doktor. Das kommt von dem vielen Arbeiten in der Nacht.““ „Schlafen Sie Nachts auf dem Rücken?“ „„Ich schlafe selten, Herr Doktor.““ „Also träumen Sie?“ „„Ach, ich habe schwere Träume —“ „Haben Sie erotische Träume — —?“ Der Professor schlug verschämt die Augen nieder. Wiederum entstand eine Pause. Der Doktor blickte auf den Professor, wie der Teufel auf einen armen Sünder. „Setzen wir unsere Konversation fort — nicht wahr, Sie sind unverheirathet Herr Professor?“ „„Allerdings, Herr Doktor!““ „Sie haben auch sonst keinen Umgang mit Frauenzimmern?“ „„Herr Doktor, das ist eine Gewissensfrage.““ „Verzeihen Sie, eine reine Gesundheitsfrage.“ „„Aber wie soll ich Ihnen darauf antworten?““ „Nun, ganz einfach mit Ja oder Nein; haben Sie Umgang mit Weibern oder nicht?“ „„Nein, Herr Doktor! Das ist durchaus gegen mein Prinzip.““ „Aber es wäre gut für Ihre Gesundheit —“ „„Mein Prinzip geht über die Gesundheit.““ „Aber Ihr Prinzip kann Sie in's Grab bringen.“ „„Mit meinem Prinzip will ich sterben.““ „Nun, so sterben Sie wohl, Herr Professor“ — der Doktor griff nach seinem Hute, um sich zu entfernen. Der Professor trat ihm in den Weg. „„Lieber Herr Doktor — —““ „Verehrter Herr Professor — —“ „„Bleiben Sie um Gottes Willen!““ „Aber, gehorchen Sie meinen Befehlen!“ „„Ich will Alles thun, was Sie wünschen.““ „Meine Befehle werden Ihnen nur angenehm sein.“ „„Ich will Moschus und Rhabarber fressen.““ „Würde Ihnen wenig helfen.“ „„Ich will Balsam und Fliederthee trinken.““ „Könnte von gar keinem Nutzen sein.“ „„Aber was wünschen Sie denn?““ „Ich wünsche nur das allermenschlichste, das allererfreulichste von Ihnen!“ „„Sprechen Sie also!““ „Und gehorchen Sie mir.“ „„Was soll ich thun?““ „Sie soll'n sich verlieben — ein Weib nehmen!“ — Der Kopf des Professors sank auf die Brust, die Tabakspfeife entfiel seiner Hand und Wolken der tiefsten Verlegenheit, des innigsten Schmerzes verdunkelten die Stirn des unglückseligsten Mannes.“ „„Herr Doktor““ — fuhr endlich der Gepeinigte in sehr gedrücktem, schleppendem Tone fort — „„Herr Doktor, Sie wissen,

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Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




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Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 169. Köln, 15. Dezember 1848, S. 0907. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz169_1848/1>, abgerufen am 18.04.2024.