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Neue Rheinische Zeitung. Nr. 164. Köln, 9. Dezember 1848.

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Truppen keinen Schaden gethan habe, indem er einen Befehl Messenhausers besitze, wonach er als Befehlshaber der kleinen nußdorfer Linien von seinen fünf Geschützen keinen Gebrauch machen durfte. Auch am folgenden Tage waren wir früh und Abends bei Blum und versprachen, am 3ten wieder zu kommen; an diesem Tage waren aber früh 6 Uhr beide Abgeordnete mit 30 Mann Militair gefänglich eingezogen worden. Die beiden Mit-Abgeordneten der frankfurter Linken, Hartmann und Trampusch, begaben sich sofort zum Stadt-Commandanten General Cordon, um ihn auf die Stellung der Verhafteten und ihre gesetzliche Unverletzlichkeit aufmerksam zu machen. "Ich habe nur dem Befehle gehorcht," antwortete dieser, "die Stellung eines Abgeordneten kommt jetzt nicht in Betracht; eigentlich sollten auch Sie verhaftet sein, ich habe es aber auf meine eigene Verantwortung nicht gethan, da sie Oesterreicher sind. Am 8. nun stand Blum vor dem Puppenspiele, das man Kriegsgericht zu taufen beliebt hatte, und welches aus einem Oberst-Lieutenant und aus je zwei Stabs-Offizieren, Hauptleuten, Lieutenannts, Feldwebeln Corporalen und Gemeinen gebildet war. -- Blum protestirte zunächst gegen die Berechtigung eines solchen Gerichtshofes, erklärte sich jedoch bereit, auf die an ihn gerichteten Fragen zu antworten, und gestand zu, daß er in der Aula am 34. October eine Rede gehalten und den Truppen Windischgrätz's bewaffneten Widerstand geleistet; er habe nie gelogen und in seinen letzten Stunden wolle er nicht erst Zeugen gegen sich und seine Worte aussagen lassen. In der Frühstunde des 9. ward ihm das Todesurtheil verkündet und er sofort abgeführt. Im Wagen, umgeben von der Bedeckung, soll er die Hand vor die Augen gehalten und laut geschluchzt haben; plötzlich sich erhebend, spricht er: "Ja Robert Blum hat geweint, aber nicht der Abgeordnete Blum, der stirbt für seine Ueberzeugung, sondern der Gatte, der Vater, ich dachte an mein liebes Weib und meine Kinder!" Die Worte sollten schmerzlich wahr werden, welche Blum aus Schiller's "Tell" in den Aufruf des Central-Ausschusses der demokratischen Vereine Wiens an die Bewohner der Stadt aufnahm: "Wir fechten für unsere Freiheit, für unsere Ehre, für unseren Heerd, für unser Weib und unsere Kinder!" Sie sollten wahr werden, die Worte, die er in Breslau beim Abschiede sprach: "Er komme wieder von Wien mit der Siegesbotschaft, oder er komme gar nicht wieder." An Ort und Stelle in der Brigittenau angelangt, fiel er nach der eigenen Aussage der Offiziere als Held, nicht mit zitternden Knieen, wie feige Schurken ihm nachsagen: nicht aufrecht erhalten durch die Hoffnung der Begnadigung, die einem Windischgrätz gegenüber ein unsinniger Gedanke gewesen wäre, auf den ein Blum wahrlich nicht fallen konnte. Er fiel, nicht im Kampfe für die Freiheit, wie er wünschte, nein, als Opfer des brutalen Sieges des Despotismus; er fiel, nicht wegen "aufrührerischer Reden," nicht wegen "bewaffneten Wiederstandes gegen das kaiserliche Heer," denn dazu hatte der Reichstag, denn dazu hatte der Ober-Commandant aufgefordert, nein, er fiel als das Opfer, das die wahnwitzige hohe Aristokratie den Manen ihrer Lychnowski, Auerswald, Latour und Lamberg unter hohnsprechenden gesetzlichen Formen schlachtete. Was sie damit gewonnen hat, lehrt schon jetzt die dumpfe Betäubung der schwarzgelben Partei Wiens und die Entrüstung aller Ehrenmänner; was sie gewinnen wird, wird die nächste Zukunft diese Unverbesserlichen lehren. Das Grab Blum's in der Brigittenau wird noch der Wallfahrtsort der Freunde der Freiheit im freien Wien sein, wenn Niemand mehr von dem Mordgeschlechte der Windischgrätz und Genossen zu sagen weiß.

Dingelstedt und Hackländer.

Im Feuilleton der Kölnischen Zeitung vom 7. Dez., Nr. 326, ist einiges Gewäsch aus der in Stuttgart wöchentlich einmal erscheinenden "Laterne" abgedruckt. Als Anmerkung wird hinzugefügt, daß Dingelstedt und Hackländer Pathenstelle bei dieser "Laterne" zu vertreten scheinen.

Dingelstedt ist der wegen seiner "Verhofrätherei" bekannte "Kosmopolitische Nachtwächter." Wir erinnern uns noch sehr wohl dieses Menschen. Im Jahre 1843 zog er essend und trinkend bei allen mitleidigen Leuten herum, viel bewundert wegen seines großen Bartes und wegen seiner "tüchtigen Gesinnung." Die Biedermänner "tüchtiger Gesinnung" waren nie einen Schuß Pulver werth -- auch Herr Dingelstedt schlug plötzlich um. Es zeigte sich dies zuerst bei seinem Aufenthalte in Wien, von wo er Artikel für die Augsb. Allg. Ztg. schrieb unter dem Zeichen: WW (Wiener Währung).

Einer seiner frühern Freunde schrieb ihm damals:

Ein stilles Herz, ein ruhiges Gemüthe,
Gesegnet ist, wem sie der Herr bescheert!
Gruß dir, o Wächter und Kosmopolite
An der Phäaken ew'gem Sonntagsheerd!
Sein friedlich Glühn im Dienste der Ernährung,
Wie dämpft' er rasch die Flamme deines Zorns!
Wie bald zerschmolz zu blanker "Wiener Währung"
Das rauhe Kupfer deines Wächterhorns!

Aber der "Kosmopolitische Nachtwächter" hatte längst aufgehört, zu erröthen. Einmal am Sinken, sank er immer mehr; aus einem Korrespondenten der Augsburgerin wurde er würtembergischer Hofrath, schließlich Legationsrath. Er opferte seine Mission einer Legation. -- Heine fragte damals unsern Renegaten:

"-- O, sprich,
Reitest du wirklich auf schwäbischen Krebsen?
Aeugelst du wirklich mit fürstlichen Kebsen?"
[Deutschland]

[Fortsetzung] rung deutlich; wenn er es weigern würde, durch Zusatz seiner eigenen Unterschrift die Autorität der "Herren" zu respektiren, drohte -- Kündigung der Arbeit -- der Hunger! -- So sind die Tausende der Unterschriften unter den Heuleradressen entstanden; so hat man das Volk, wie einen Jagdhund, gezwungen, die Peitsche zu apportiren mit der es geschlagen werden soll. Wir tragen nicht zu stark auf. Wir wissen Namen von Geldherren in Elberfeld und Barmen, die ihren abhängigen Geschäftsfreunden, Mäklern, Papierhändlern u. s. w. jeden Auftrag geweigert haben, wenn sie nicht aufhörten die "republikanischen Klubs" -- so nennt die Reaktion jeden politischen Verein, der nicht mit ihr heult -- zu besuchen.

Die Wahl von der Heydt's ist eins der schönsten Kunststücke der Reaktion. Barmen erklärte feierlichst, daß es keinen Mann besitze, der fähig sei, nach Berlin zu gehen. Es opferte jeden Lokalpatriotismus, der sonst immer so vehement gegen Elberfeld focht; es vergaß alles Bittere in den Konflikten beider Städte, was mit diesem Namen in Verbindung steht: das Landgerichtsgebäude, die Eisenbahnlinie, um einen Mann zu wählen, der sich für sofortige Auflösung der Nationalversammlung, für Wrangelsche Kurmethode und wer weiß, was sonst noch, entschieden hatte. Das Geheul der Contrerevolution erhielt in Barmen einen neuen Aufschwung durch die silberne Hochzeit in Potsdam. Aufs neue wurden Adressen fabrizirt in der schändlichsten Weise und, wo in der bedrängten Zeit zu dem harmlosen Feste ein einfacher Glückwunsch dem Herzen der Unterthanen hätte genügen können, sendet man Deputationen mit kostbaren Geschenke. Barmen liefert zwei prächtige Sessel, auf denen schon früher das Herscherpaar geruht hat; die "patriotischen Frauen und Jungfrauen" haben Kollekte gehalten und die Bürgerschaft, die gewiß lieber den hungernden Armen ein Opfer gebracht hätte, für 400 Thlr. in Kontribution genommen. Weigern [unleserliches Material]rfte nicht, wer nicht ganz frei stand und es nicht scheuen mußte, in den Geruch eines Republikaners zu kommen. Bezahlte Elberfelder Stickerinnen haben auf die Barmer Sessel unter passenden Emblemen die inhaltschweren Worte gepflanzt: "Von Gottes Gnaden" und "Gott mit uns!" Gewiß wird den Barmer Jungfrauen für ihren patriotischen Kunstfleiß binnen Kurzem das gebührende Lob von Potsdam erfolgen. Jede Regung von Sympathie für die Nationalversammlung wird nun auch mit Gewalt unterdrückt. Die patriotischen Fabrikherren haben jüngst "ihre Leute" kommandirt, um in Barmen eine Zustimmungsadresse an den Abgeordneten Bredt zu verhindern. Hunderte dieser blind gehorsamen Arbeiter, die das Lied singen müssen, deß Brod sie essen, hielten vor der Eröffnungstunde der zu jenem Zweck berufenen Versammlung das Lokal besetzt. Sie erhielten Bier und Cigarren, und als sie ihren Zweck erreicht, d. h. durch Schreien und Lärmen nach dem ihnen von ihren Herren gegebenen Signal, die Versammlung gestört und den Vorschlag, keine Adresse abzusenden, durchgebracht hatten, waren sie bereit, die wenigen Redner, denen es gelungen war, in das Lokal zu gelangen, auf das Kommando eines patriotischen Färbermeisters, der sich durch Ergebenheit für die Zwecke der Geldsäcke, aus denen er selbst sein Theil erhält, durchzuprügeln. Einige Patrioten empfanden aber ein menschliches Rühren und es gelang durch ihre Hülfe, die Redner vor dem preußischen Patriotismus in Sicherheit zu bringen.

68 Berlin, 6. Dezbr.

Die Vereinbarer-Versammlung ist also aufgelöst und eine Verfassung octroyirt. Ganz abgesehen von dem Inhalt dieser letztern, ist die bloße Thatsache der Octroyirung, das entscheidende des Moments. Die Verfassung octroyiren, heißt ein für allemal den Rechtsboden der Vereinbarung aufgeben, heißt ein für allemal den Rechtsboden der Vereinbarung aufgeben, heißt den Kampf zwischen Volkssouverainetät und Einzelnwille unvermeidlich machen.

Die vereinbarende Versammlung, gewählt nach dem, vom vereinigten Landtage gegebenen Wahlgesetze, war der That nach freilich eine Revolutions-Errungenschaft, aber formell konnte doch Camphausen, wenigsten mit einigem Schein von Wahrheit behaupten, sie diene dazu Preußen aus alten Zuständen legal und nicht revolutionär in neue hinnüber zu führen. Die Vereinbarung anerkannte eben principiell zwei gleichberechtigte Mächte. Sie war eine Transaction zwischen ihnen. Mit der Octroyirung dagegen wird ausgesprochen: l'etat c'est moi! und dieses moi heißt: Jo el rey, "Ich der König." Ich kann thun mit meiner Machtvollkommenheit und vermöge derselben was ich will. Ich kann mich eines Theils meiner absoluten Gewalt freiwillig begeben und ihn in die Hände von Volksvertretern legen. Ich kann mein Volk begnaden, weil Ich die volle Macht habe. Ich halte mein Wort aus den Märztagen, weil Ich eben will und nicht weil ich verpflichtet bin. Was folgt aber hieraus? Wer geben kann, wer schenken kann, der kann das Gegebene, das Geschenkte auch wieder an sich nehmen sobald er die Macht dazu hat. Ein Gnadengeschenk verleiht kein Recht. Wer heut gnädig ist und giebt, kann morgen zürnen und wiederwegnehmen. Jener Zustand der Sicherheit, welchen eine auf rechtliches Uebereinkommen begründete Verfassung, wenigstens für einige Zeit, einem Staate giebt, wird durch eine octroyirte Verfassung nie herbeigeführt werden. Sie ist eben nur ein schwankes Rohr, das von jedem Windhauch, von des Volkes wie von des Königs Zorn geknickt werden kann. Das Volk hat jeder Zeit ein unbestreitbares Recht diese Verfassung von sich zu weisen, eben weil sie ihm von Außen auferlegt worden und nicht eine organische Geburt aus dem Volke heraus ist.

Nach Artikel 112 der neuen Verfassung soll dieselbe "sofort nach dem ersten Zusammentritt der Kammern einer Revision auf dem Wege der Gesetzgebung unterworfen werden". Wer in dieser Bestimmung ein Mittel sieht, die neue Verfassung wieder auf den Rechtsboden der Vereinbarung zu stellen, giebt nur einen Beweis von seinem gänzlichen Mangel an Logik, denn er begeht den Fehler, den man in dieser Wissenschaft eine petitio principii nennt, und geräth dadurch in einen fehlerhaften Kreis. Auf Grund wessen werden denn die neuen Kammern zusammentreten? Wer ruft sie in's Leben? Wer bestimmt ihren Wahlmodus? -- Alles der König durch Ordonnanzen. Denn die neue Verfassung und das dazu emanirte Wahlgesetz sind eben nur Ordonanzen, keine Gesetze. Die neuen Kammern selbst also sind illegal, denn sie haben keinen legalen Boden. Wie sollen sie nun die Verfassung wieder legalisiren? Das dem Lande auferlegte, nicht mit ihm vereinbarte Wahlgesetz und die hieraus hervorgegangene Kammer, können in gesunder Logik nicht das Mittel werden, um die octroyirte Verfassung in eine rechtlich bestehende umzuwandeln.

* Berlin, 6. Dezbr.

Tante Voß, die seit der Küssung und Umarmung durch Hrn. Wrangel mit der Kamarilla noch vertrauter geworden, theilt uns heute folgendes mit:

Nach einem vielfach in der Stadt verbreiteten und lebhaft besprochenen Gerücht soll der Staatsanwalt Hr. Sethe die Absicht haben, gegen die Abgeordneten der Nationalversammlung, welche nach dem 9. Nov. die Berathungen in Berlin fortgesetzt und dort die bekannten Beschlüsse und Proklamationen erlassen haben, eine Untersuchung zu beantragen. Bisher ist etwas Zuverlässiges hierüber noch in keiner Weise bekannt geworden und scheint ein wirklicher Beschluß in dieser Angelegenheit jedenfalls noch nicht gefaßt zu sein. Nur wegen einiger von den Abgeordneten abgefaßten Druckschriften sind bereits Schritte geschehen, doch scheinen diese mehr den betreffenden Druckern und Verlegern als den Verfassern zu gelten. Wohl aber werden die ministeriellen Behörden bereits die Frage in Erwägung gezogen haben, in wiefern sich eine gerichtliche Verfolgung gegen die betreffenden Abgeordneten durchführen läßt. Jedenfalls konnte hiervon nicht eher die Rede sein, als jetzt, wo die Versammlung aufgelöst ist, da die Versammlung während der Dauer ihrer Verhandlungen schwerlich die Genehmigung zu einer gerichtlichen Verfolgung gegen den größten Theil ihrer eigenen Mitglieder geben dürfte. Die gerichtliche Verfolgung würde sich auch wohl eher auf die Schriftstücke beziehen, welche die Abgeordneten außerhalb den Sitzungen abgefaßt und verbreitet haben, als auf die in den Sitzungen gefaßten Beschlüsse selbst, weil die Abgeordneten für die in den Sitzungen von ihnen unternommenen Schritte niemals verantwortlich gemacht werden dürfen. Eine Verfolgung wegen der in den Sitzungen selbst vorgekommenen Thatsachen würde nur dann von Erfolg sein, wenn man sich der Hoffnung hingeben könnte, daß der Gerichtshof sich dazu verstehen werde, die Sitzungen, welche nach dem 9. Novbr. gehalten worden sind, für nichtige und also nichtamtliche zu erklären. Würde eine Untersuchung dieser Art eingeleitet, so würde dieselbe vor dem Kriminalsenat des Kammergerichts und nicht vor dem Kriminalgericht verhandelt werden müssen, weil unter den betreffenden Abgeordneten an 60 Richter sind und weil der eximirte Gerichtsstand der Richter und Patrimonialgerichtsherren noch nicht aufgehoben ist. Eine sehr streitige Frage wird es dann sein, ob die unter den Abgeordneten befindlichen Rheinländer das Verlangen stellen können, vor ihre heimathlichen Geschworenengerichte gestellt zu werden!!!

43 Berlin, 6. Dez.

Es gehen gegenwärtig bei den Gerichtsbehörden täglich eine Menge von Denunciationen wegen politischer Vergehen, namentlich wegen Majestätsbeleidigungen ein, so daß uns in nicht langer Zeit eine Unzahl von Gerichtsverhandlungen dieser Art bevorsteht. Die meisten dieser Denunciationen gehen anonym ein, und man hat sich dadurch veranlaßt gefunden, von dem frühern Grundsatz [unleserliches Material] daß anonyme Denunciationen keine Berücksichtigung verdienen -- abzuweichen und auch auf Grund solcher Denunciationen Voruntersuchungen zu eröffnen. Sie sehen hieraus, wie rasch wir in der letzten Zeit rückwärts marschirt sind. Allein, täuschet Euch nicht, liebe, gnädige Herrn und Gebieter! Das Volk wird in kurzer Zeit eine solche Wendung linksum und vorwärts machen, daß Euch sein Sturmschritt gleich Würmern zerquetschen wird.

Der Fürst zu Lippe-Schaumburg hat um ein Militär-Kommando von Minden zu seinem persönlichen Schutz gebeten, wegen Aufregung, die unter den dortigen Bauern herrscht.

68 Berlin, 6. Dez.

Bei der kurzen Zeit, die seit der Emanirung der Verfassung verflossen, ist natürlich ein vollständiges Gesammturtheil über dieselbe noch nicht möglich. Nur die ersten unmittelbarsten Eindrücke, die sie auf uns machte, können wir hier wiedergeben. Offen gestanden, wir waren überrascht von dieser Verfassung. So freisinnig als sie namentlich betreffs gewisser Punkte ist, hätten wir sie nicht erwartet. Physiologisch betrachtet, d. h. wenn man gewisse individuelle Ansichten und bekannte Sympathien des Königs bedenkt, und sie mit einzelnen Artikeln der Verfassung, namentlich Artikel 11, 16, 21 u. a. m. zusammenstellt, ist diese Verfassung ein unheimliches Räthsel. Niemand kann daran glauben, daß der König, der einen Eichhorn zum Minister, einen Thile zum Vertrauten hatte, es ehrlich meine, wenn er vollständige Religionsfreiheit und Gleichheit der Religionsbekenntnisse in staatsbürgerlicher Beziehung, bürgerliche Ehe, Freiheit der Wissenschaft und ihrer Lehre, unbeschränkteste Preßfreiheit u. dgl. m. proklamirt. Und diese Unehrlichkeit drängt sich, selbst bei oberflächlichem Lesen auch aus andern Artikeln hervor. Jesuitische Fassung und vieldeutige Wendungen fehlen in dieser Verfassung nicht, namentlich wenn man einzelne Artikel gegeneinander hält. Eines übrigens muß vor Allem hervorgehoben werden. Es ist die Linke der auseinandergejagten Nationalversammlung, der wir, was immer die neue Verfassung Freisinniges enthält, verdanken. Denn wie die ganze Verfassung nur ein Ergebniß der innern geheimen Furcht der Kamarilla ist, obgleich dieselbe scheinbar jetzt einen Triumph feiert, so hat ersichtlich der Wunsch, sich populärer zu machen als die beim Volke beliebtesten Vertreter, gewisse freisinnige Bestimmungen der Verfassung herbeigeführt. Haben doch selbst die Redakteure der octroyirten Verfassung anerkennen müssen, daß ihnen die, von den gewählten Vertretern des Volkes ausgegangenen umfassenden Vorarbeiten große Dienste geleistet haben. Schließlich noch die eine allgemeine Bemerkung, daß gar manche Bestimmungen der neuen Verfassung nur den Schein der Freisinnigkeit haben, und daß namentlich aus den beiden Anmerkungen zu Art 63 und 67 der Pferdefuß der Neuen Preußischen Zeitung etwas gar zu ungeschickt hervorguckt. Auch ist der Rückschritt gegen das Wahlgesetz vom 8. April vielen unangenehm aufgefallen, daß Artikel 67 nur "selbstständigen Preußen" die Stimmberechtigung als Urwähler verleiht. Sind Hauslehrer, Kommis, Diener, Knechte, Soldaten u. dgl. m. selbstständig? Die große Mehrheit namentlich der Bourgeoisie ist natürlich weit über ihre Erwartungen hinaus befriedigt, aber auch sie fühlt das Unsichere, das in dem Mangel des Rechtsbodens liegt; auch sie sieht ein, daß sehr viele Bestimmungen des neuen Grundgesetzes ihren wesentlichen und wahren Charakter erst durch die versprochenen organischen Gesetze erhalten werden, für den Augenblick also nur papierne Verheißungen sind.

27 Breslau, 6. Dez.

An vielen Orten finden jetzt Verhaftungen statt; ein Zeichen, daß die Contrerevolution ihr Spiel bereits völlig gewonnen glaubt. Der Abgeordnete Stein hatte auf gestern Abend eine Versammlung der Wahlmänner berufen, um über das Verhalten der Nationalversammlung seit dem 11. Novbr. einen kurzen Bericht zu erstatten und die Ansichten der Wahlmänner in Betreff der Verlegung der Nat.-Vers. nach Brandenburg kennen zu lernen. Stein gab die Gründe an, weshalb er mit circa 30 andern Abgeordneten beschlossen gehabt, nicht nach Brandenburg zu gehen. Die Wahlmänner sprachen sich mit großer Mehrheit für das Hingehen aus, damit die Reaktion um so kräftiger bekämpft werden könne.

Der Schneidergeselle Falkenhain ist in erster Instanz wegen Majestätsbeleidigung und Anleitung zum Versuch von Hochverrath zu 6jähriger Zuchthausstrafe verurtheilt worden.

Aus dem nördlichen Böhmen und aus Mähren laufen weitere Nachrichten von Verweigerung der Rekrutenstellung ein. Auch hören wir, daß der Aufstand der Häusler gegen die Hofbauern in Mähren und Schlesien weiter um sich greift.

102 Wien, 3. Dezember.

Im "Kourier" vom 2ten steht Folgendes:

"Unter den Gefangenen, welche man gleich nach der Einnahme der Stadt eingezogen, und in Folge der gravirenden Erhebungen (quel mot!), die gegen sie vorliegen, noch nicht auf freien Fuß (als ob's schon Beispiele gäbe!) gesetzt hat, befindet sich auch der an der Spitze einer Freischaar aus Grätz hieher gekommene pensionirte Hauptmann Eisenbach. Er wurde am 8. Nov. in Wr. Neustadt aufgehalten (wie zart!), weil in seinem Passe eine Unrichtigkeit vorgesunden wurde, und in das Gefangenhaus der Stadthauptmannschaft gebracht. Verleugnet er sein gränzenlos barsches Benehmen (!! Lüge) auch seinen Richtern (!) gegenüber nicht, "so dürfte er sich eben keiner besondern Milde erfreuen". Schon der Umstand, daß er einer der Präsidenten des Grätzer demokratischen Vereins gewesen sein soll, wird besonders erschwerend einfließen. Dazu kommt noch seine ehemalige Stellung in der Armee, welcher er seine Pension dankt, und daß er als pensionirter Offizier gegen die Truppen focht. Er mag etwa 50 Jahre alt sein. Seine Statur ist groß, in seinem Gesichte liegt ein gewisser Ausdruck der Strenge, und seine Augen verrathen ein unzufriedenes, tobendes Gemüth. Sein Gang ist gemessen, wie der eines Militärs überhaupt, und in seiner prägnanten, bald leisen, bald stürmischen Redeweise, manifestirt sich der Charakter eines Mannes, der, für Revolutionen geschaffen, kein organisirendes Talent in sich trägt." -- Die "Wiener Neuigkeiten" dieses Henkerblattes bringen fortwährend ähnliche Verworfenheiten, die mit der satanischsten Besonnenheit verfaßt sind. Selbst die "Geißel" erröthet darüber. -- Eisenbach's Verderben ist nun sicher.

Wie weit die Purifikation des Reichstags getrieben werden soll, das können Sie daraus abnehmen, daß selbst für Pillersdorf ein standrechtliches Mißtrauensvotum erzwungen worden ist. -- Man spricht von englisch-französischen Noten, die Italiens wegen in Ollmütz eingelaufen sein und einen panischen Schrecken verursacht haben sollen. Ein Kabinetsrath soll darauf stattgefunden haben, zu welchem Jellachich und Windischgrätz herangezogen worden. Das Ministerium scheint, lächerlich genug, selbst dem Auslande gegenüber eine herausfordernde Stellung einnehmen zu wollen, und spricht in seinem Programm: "In allen äußern Beziehungen des Reiches werden wir die Interessen und die Würde Oestreichs zu wahren wissen, und keinerlei beirrenden Einfluß von Außen auf die unabhängige Gestaltung unserer innern Verhältnisse zulassen." Die heutige "Presse" fährt giftig über Palmerston her. Dies Blatt Stadion's sagt: "Frankreich und England hätten

Truppen keinen Schaden gethan habe, indem er einen Befehl Messenhausers besitze, wonach er als Befehlshaber der kleinen nußdorfer Linien von seinen fünf Geschützen keinen Gebrauch machen durfte. Auch am folgenden Tage waren wir früh und Abends bei Blum und versprachen, am 3ten wieder zu kommen; an diesem Tage waren aber früh 6 Uhr beide Abgeordnete mit 30 Mann Militair gefänglich eingezogen worden. Die beiden Mit-Abgeordneten der frankfurter Linken, Hartmann und Trampusch, begaben sich sofort zum Stadt-Commandanten General Cordon, um ihn auf die Stellung der Verhafteten und ihre gesetzliche Unverletzlichkeit aufmerksam zu machen. „Ich habe nur dem Befehle gehorcht,“ antwortete dieser, „die Stellung eines Abgeordneten kommt jetzt nicht in Betracht; eigentlich sollten auch Sie verhaftet sein, ich habe es aber auf meine eigene Verantwortung nicht gethan, da sie Oesterreicher sind. Am 8. nun stand Blum vor dem Puppenspiele, das man Kriegsgericht zu taufen beliebt hatte, und welches aus einem Oberst-Lieutenant und aus je zwei Stabs-Offizieren, Hauptleuten, Lieutenannts, Feldwebeln Corporalen und Gemeinen gebildet war. — Blum protestirte zunächst gegen die Berechtigung eines solchen Gerichtshofes, erklärte sich jedoch bereit, auf die an ihn gerichteten Fragen zu antworten, und gestand zu, daß er in der Aula am 34. October eine Rede gehalten und den Truppen Windischgrätz's bewaffneten Widerstand geleistet; er habe nie gelogen und in seinen letzten Stunden wolle er nicht erst Zeugen gegen sich und seine Worte aussagen lassen. In der Frühstunde des 9. ward ihm das Todesurtheil verkündet und er sofort abgeführt. Im Wagen, umgeben von der Bedeckung, soll er die Hand vor die Augen gehalten und laut geschluchzt haben; plötzlich sich erhebend, spricht er: „Ja Robert Blum hat geweint, aber nicht der Abgeordnete Blum, der stirbt für seine Ueberzeugung, sondern der Gatte, der Vater, ich dachte an mein liebes Weib und meine Kinder!“ Die Worte sollten schmerzlich wahr werden, welche Blum aus Schiller's „Tell“ in den Aufruf des Central-Ausschusses der demokratischen Vereine Wiens an die Bewohner der Stadt aufnahm: „Wir fechten für unsere Freiheit, für unsere Ehre, für unseren Heerd, für unser Weib und unsere Kinder!“ Sie sollten wahr werden, die Worte, die er in Breslau beim Abschiede sprach: „Er komme wieder von Wien mit der Siegesbotschaft, oder er komme gar nicht wieder.“ An Ort und Stelle in der Brigittenau angelangt, fiel er nach der eigenen Aussage der Offiziere als Held, nicht mit zitternden Knieen, wie feige Schurken ihm nachsagen: nicht aufrecht erhalten durch die Hoffnung der Begnadigung, die einem Windischgrätz gegenüber ein unsinniger Gedanke gewesen wäre, auf den ein Blum wahrlich nicht fallen konnte. Er fiel, nicht im Kampfe für die Freiheit, wie er wünschte, nein, als Opfer des brutalen Sieges des Despotismus; er fiel, nicht wegen „aufrührerischer Reden,“ nicht wegen „bewaffneten Wiederstandes gegen das kaiserliche Heer,“ denn dazu hatte der Reichstag, denn dazu hatte der Ober-Commandant aufgefordert, nein, er fiel als das Opfer, das die wahnwitzige hohe Aristokratie den Manen ihrer Lychnowski, Auerswald, Latour und Lamberg unter hohnsprechenden gesetzlichen Formen schlachtete. Was sie damit gewonnen hat, lehrt schon jetzt die dumpfe Betäubung der schwarzgelben Partei Wiens und die Entrüstung aller Ehrenmänner; was sie gewinnen wird, wird die nächste Zukunft diese Unverbesserlichen lehren. Das Grab Blum's in der Brigittenau wird noch der Wallfahrtsort der Freunde der Freiheit im freien Wien sein, wenn Niemand mehr von dem Mordgeschlechte der Windischgrätz und Genossen zu sagen weiß.

Dingelstedt und Hackländer.

Im Feuilleton der Kölnischen Zeitung vom 7. Dez., Nr. 326, ist einiges Gewäsch aus der in Stuttgart wöchentlich einmal erscheinenden „Laterne“ abgedruckt. Als Anmerkung wird hinzugefügt, daß Dingelstedt und Hackländer Pathenstelle bei dieser „Laterne“ zu vertreten scheinen.

Dingelstedt ist der wegen seiner „Verhofrätherei“ bekannte „Kosmopolitische Nachtwächter.“ Wir erinnern uns noch sehr wohl dieses Menschen. Im Jahre 1843 zog er essend und trinkend bei allen mitleidigen Leuten herum, viel bewundert wegen seines großen Bartes und wegen seiner „tüchtigen Gesinnung.“ Die Biedermänner „tüchtiger Gesinnung“ waren nie einen Schuß Pulver werth — auch Herr Dingelstedt schlug plötzlich um. Es zeigte sich dies zuerst bei seinem Aufenthalte in Wien, von wo er Artikel für die Augsb. Allg. Ztg. schrieb unter dem Zeichen: WW (Wiener Währung).

Einer seiner frühern Freunde schrieb ihm damals:

Ein stilles Herz, ein ruhiges Gemüthe,
Gesegnet ist, wem sie der Herr bescheert!
Gruß dir, o Wächter und Kosmopolite
An der Phäaken ew'gem Sonntagsheerd!
Sein friedlich Glühn im Dienste der Ernährung,
Wie dämpft' er rasch die Flamme deines Zorns!
Wie bald zerschmolz zu blanker „Wiener Währung“
Das rauhe Kupfer deines Wächterhorns!

Aber der „Kosmopolitische Nachtwächter“ hatte längst aufgehört, zu erröthen. Einmal am Sinken, sank er immer mehr; aus einem Korrespondenten der Augsburgerin wurde er würtembergischer Hofrath, schließlich Legationsrath. Er opferte seine Mission einer Legation. — Heine fragte damals unsern Renegaten:

„— O, sprich,
Reitest du wirklich auf schwäbischen Krebsen?
Aeugelst du wirklich mit fürstlichen Kebsen?“
[Deutschland]

[Fortsetzung] rung deutlich; wenn er es weigern würde, durch Zusatz seiner eigenen Unterschrift die Autorität der „Herren“ zu respektiren, drohte — Kündigung der Arbeit — der Hunger! — So sind die Tausende der Unterschriften unter den Heuleradressen entstanden; so hat man das Volk, wie einen Jagdhund, gezwungen, die Peitsche zu apportiren mit der es geschlagen werden soll. Wir tragen nicht zu stark auf. Wir wissen Namen von Geldherren in Elberfeld und Barmen, die ihren abhängigen Geschäftsfreunden, Mäklern, Papierhändlern u. s. w. jeden Auftrag geweigert haben, wenn sie nicht aufhörten die „republikanischen Klubs“ — so nennt die Reaktion jeden politischen Verein, der nicht mit ihr heult — zu besuchen.

Die Wahl von der Heydt's ist eins der schönsten Kunststücke der Reaktion. Barmen erklärte feierlichst, daß es keinen Mann besitze, der fähig sei, nach Berlin zu gehen. Es opferte jeden Lokalpatriotismus, der sonst immer so vehement gegen Elberfeld focht; es vergaß alles Bittere in den Konflikten beider Städte, was mit diesem Namen in Verbindung steht: das Landgerichtsgebäude, die Eisenbahnlinie, um einen Mann zu wählen, der sich für sofortige Auflösung der Nationalversammlung, für Wrangelsche Kurmethode und wer weiß, was sonst noch, entschieden hatte. Das Geheul der Contrerevolution erhielt in Barmen einen neuen Aufschwung durch die silberne Hochzeit in Potsdam. Aufs neue wurden Adressen fabrizirt in der schändlichsten Weise und, wo in der bedrängten Zeit zu dem harmlosen Feste ein einfacher Glückwunsch dem Herzen der Unterthanen hätte genügen können, sendet man Deputationen mit kostbaren Geschenke. Barmen liefert zwei prächtige Sessel, auf denen schon früher das Herscherpaar geruht hat; die „patriotischen Frauen und Jungfrauen“ haben Kollekte gehalten und die Bürgerschaft, die gewiß lieber den hungernden Armen ein Opfer gebracht hätte, für 400 Thlr. in Kontribution genommen. Weigern [unleserliches Material]rfte nicht, wer nicht ganz frei stand und es nicht scheuen mußte, in den Geruch eines Republikaners zu kommen. Bezahlte Elberfelder Stickerinnen haben auf die Barmer Sessel unter passenden Emblemen die inhaltschweren Worte gepflanzt: „Von Gottes Gnaden“ und „Gott mit uns!“ Gewiß wird den Barmer Jungfrauen für ihren patriotischen Kunstfleiß binnen Kurzem das gebührende Lob von Potsdam erfolgen. Jede Regung von Sympathie für die Nationalversammlung wird nun auch mit Gewalt unterdrückt. Die patriotischen Fabrikherren haben jüngst „ihre Leute“ kommandirt, um in Barmen eine Zustimmungsadresse an den Abgeordneten Bredt zu verhindern. Hunderte dieser blind gehorsamen Arbeiter, die das Lied singen müssen, deß Brod sie essen, hielten vor der Eröffnungstunde der zu jenem Zweck berufenen Versammlung das Lokal besetzt. Sie erhielten Bier und Cigarren, und als sie ihren Zweck erreicht, d. h. durch Schreien und Lärmen nach dem ihnen von ihren Herren gegebenen Signal, die Versammlung gestört und den Vorschlag, keine Adresse abzusenden, durchgebracht hatten, waren sie bereit, die wenigen Redner, denen es gelungen war, in das Lokal zu gelangen, auf das Kommando eines patriotischen Färbermeisters, der sich durch Ergebenheit für die Zwecke der Geldsäcke, aus denen er selbst sein Theil erhält, durchzuprügeln. Einige Patrioten empfanden aber ein menschliches Rühren und es gelang durch ihre Hülfe, die Redner vor dem preußischen Patriotismus in Sicherheit zu bringen.

68 Berlin, 6. Dezbr.

Die Vereinbarer-Versammlung ist also aufgelöst und eine Verfassung octroyirt. Ganz abgesehen von dem Inhalt dieser letztern, ist die bloße Thatsache der Octroyirung, das entscheidende des Moments. Die Verfassung octroyiren, heißt ein für allemal den Rechtsboden der Vereinbarung aufgeben, heißt ein für allemal den Rechtsboden der Vereinbarung aufgeben, heißt den Kampf zwischen Volkssouverainetät und Einzelnwille unvermeidlich machen.

Die vereinbarende Versammlung, gewählt nach dem, vom vereinigten Landtage gegebenen Wahlgesetze, war der That nach freilich eine Revolutions-Errungenschaft, aber formell konnte doch Camphausen, wenigsten mit einigem Schein von Wahrheit behaupten, sie diene dazu Preußen aus alten Zuständen legal und nicht revolutionär in neue hinnüber zu führen. Die Vereinbarung anerkannte eben principiell zwei gleichberechtigte Mächte. Sie war eine Transaction zwischen ihnen. Mit der Octroyirung dagegen wird ausgesprochen: l'etat c'est moi! und dieses moi heißt: Jo el rey, „Ich der König.“ Ich kann thun mit meiner Machtvollkommenheit und vermöge derselben was ich will. Ich kann mich eines Theils meiner absoluten Gewalt freiwillig begeben und ihn in die Hände von Volksvertretern legen. Ich kann mein Volk begnaden, weil Ich die volle Macht habe. Ich halte mein Wort aus den Märztagen, weil Ich eben will und nicht weil ich verpflichtet bin. Was folgt aber hieraus? Wer geben kann, wer schenken kann, der kann das Gegebene, das Geschenkte auch wieder an sich nehmen sobald er die Macht dazu hat. Ein Gnadengeschenk verleiht kein Recht. Wer heut gnädig ist und giebt, kann morgen zürnen und wiederwegnehmen. Jener Zustand der Sicherheit, welchen eine auf rechtliches Uebereinkommen begründete Verfassung, wenigstens für einige Zeit, einem Staate giebt, wird durch eine octroyirte Verfassung nie herbeigeführt werden. Sie ist eben nur ein schwankes Rohr, das von jedem Windhauch, von des Volkes wie von des Königs Zorn geknickt werden kann. Das Volk hat jeder Zeit ein unbestreitbares Recht diese Verfassung von sich zu weisen, eben weil sie ihm von Außen auferlegt worden und nicht eine organische Geburt aus dem Volke heraus ist.

Nach Artikel 112 der neuen Verfassung soll dieselbe „sofort nach dem ersten Zusammentritt der Kammern einer Revision auf dem Wege der Gesetzgebung unterworfen werden“. Wer in dieser Bestimmung ein Mittel sieht, die neue Verfassung wieder auf den Rechtsboden der Vereinbarung zu stellen, giebt nur einen Beweis von seinem gänzlichen Mangel an Logik, denn er begeht den Fehler, den man in dieser Wissenschaft eine petitio principii nennt, und geräth dadurch in einen fehlerhaften Kreis. Auf Grund wessen werden denn die neuen Kammern zusammentreten? Wer ruft sie in's Leben? Wer bestimmt ihren Wahlmodus? — Alles der König durch Ordonnanzen. Denn die neue Verfassung und das dazu emanirte Wahlgesetz sind eben nur Ordonanzen, keine Gesetze. Die neuen Kammern selbst also sind illegal, denn sie haben keinen legalen Boden. Wie sollen sie nun die Verfassung wieder legalisiren? Das dem Lande auferlegte, nicht mit ihm vereinbarte Wahlgesetz und die hieraus hervorgegangene Kammer, können in gesunder Logik nicht das Mittel werden, um die octroyirte Verfassung in eine rechtlich bestehende umzuwandeln.

* Berlin, 6. Dezbr.

Tante Voß, die seit der Küssung und Umarmung durch Hrn. Wrangel mit der Kamarilla noch vertrauter geworden, theilt uns heute folgendes mit:

Nach einem vielfach in der Stadt verbreiteten und lebhaft besprochenen Gerücht soll der Staatsanwalt Hr. Sethe die Absicht haben, gegen die Abgeordneten der Nationalversammlung, welche nach dem 9. Nov. die Berathungen in Berlin fortgesetzt und dort die bekannten Beschlüsse und Proklamationen erlassen haben, eine Untersuchung zu beantragen. Bisher ist etwas Zuverlässiges hierüber noch in keiner Weise bekannt geworden und scheint ein wirklicher Beschluß in dieser Angelegenheit jedenfalls noch nicht gefaßt zu sein. Nur wegen einiger von den Abgeordneten abgefaßten Druckschriften sind bereits Schritte geschehen, doch scheinen diese mehr den betreffenden Druckern und Verlegern als den Verfassern zu gelten. Wohl aber werden die ministeriellen Behörden bereits die Frage in Erwägung gezogen haben, in wiefern sich eine gerichtliche Verfolgung gegen die betreffenden Abgeordneten durchführen läßt. Jedenfalls konnte hiervon nicht eher die Rede sein, als jetzt, wo die Versammlung aufgelöst ist, da die Versammlung während der Dauer ihrer Verhandlungen schwerlich die Genehmigung zu einer gerichtlichen Verfolgung gegen den größten Theil ihrer eigenen Mitglieder geben dürfte. Die gerichtliche Verfolgung würde sich auch wohl eher auf die Schriftstücke beziehen, welche die Abgeordneten außerhalb den Sitzungen abgefaßt und verbreitet haben, als auf die in den Sitzungen gefaßten Beschlüsse selbst, weil die Abgeordneten für die in den Sitzungen von ihnen unternommenen Schritte niemals verantwortlich gemacht werden dürfen. Eine Verfolgung wegen der in den Sitzungen selbst vorgekommenen Thatsachen würde nur dann von Erfolg sein, wenn man sich der Hoffnung hingeben könnte, daß der Gerichtshof sich dazu verstehen werde, die Sitzungen, welche nach dem 9. Novbr. gehalten worden sind, für nichtige und also nichtamtliche zu erklären. Würde eine Untersuchung dieser Art eingeleitet, so würde dieselbe vor dem Kriminalsenat des Kammergerichts und nicht vor dem Kriminalgericht verhandelt werden müssen, weil unter den betreffenden Abgeordneten an 60 Richter sind und weil der eximirte Gerichtsstand der Richter und Patrimonialgerichtsherren noch nicht aufgehoben ist. Eine sehr streitige Frage wird es dann sein, ob die unter den Abgeordneten befindlichen Rheinländer das Verlangen stellen können, vor ihre heimathlichen Geschworenengerichte gestellt zu werden!!!

43 Berlin, 6. Dez.

Es gehen gegenwärtig bei den Gerichtsbehörden täglich eine Menge von Denunciationen wegen politischer Vergehen, namentlich wegen Majestätsbeleidigungen ein, so daß uns in nicht langer Zeit eine Unzahl von Gerichtsverhandlungen dieser Art bevorsteht. Die meisten dieser Denunciationen gehen anonym ein, und man hat sich dadurch veranlaßt gefunden, von dem frühern Grundsatz [unleserliches Material] daß anonyme Denunciationen keine Berücksichtigung verdienen — abzuweichen und auch auf Grund solcher Denunciationen Voruntersuchungen zu eröffnen. Sie sehen hieraus, wie rasch wir in der letzten Zeit rückwärts marschirt sind. Allein, täuschet Euch nicht, liebe, gnädige Herrn und Gebieter! Das Volk wird in kurzer Zeit eine solche Wendung linksum und vorwärts machen, daß Euch sein Sturmschritt gleich Würmern zerquetschen wird.

Der Fürst zu Lippe-Schaumburg hat um ein Militär-Kommando von Minden zu seinem persönlichen Schutz gebeten, wegen Aufregung, die unter den dortigen Bauern herrscht.

68 Berlin, 6. Dez.

Bei der kurzen Zeit, die seit der Emanirung der Verfassung verflossen, ist natürlich ein vollständiges Gesammturtheil über dieselbe noch nicht möglich. Nur die ersten unmittelbarsten Eindrücke, die sie auf uns machte, können wir hier wiedergeben. Offen gestanden, wir waren überrascht von dieser Verfassung. So freisinnig als sie namentlich betreffs gewisser Punkte ist, hätten wir sie nicht erwartet. Physiologisch betrachtet, d. h. wenn man gewisse individuelle Ansichten und bekannte Sympathien des Königs bedenkt, und sie mit einzelnen Artikeln der Verfassung, namentlich Artikel 11, 16, 21 u. a. m. zusammenstellt, ist diese Verfassung ein unheimliches Räthsel. Niemand kann daran glauben, daß der König, der einen Eichhorn zum Minister, einen Thile zum Vertrauten hatte, es ehrlich meine, wenn er vollständige Religionsfreiheit und Gleichheit der Religionsbekenntnisse in staatsbürgerlicher Beziehung, bürgerliche Ehe, Freiheit der Wissenschaft und ihrer Lehre, unbeschränkteste Preßfreiheit u. dgl. m. proklamirt. Und diese Unehrlichkeit drängt sich, selbst bei oberflächlichem Lesen auch aus andern Artikeln hervor. Jesuitische Fassung und vieldeutige Wendungen fehlen in dieser Verfassung nicht, namentlich wenn man einzelne Artikel gegeneinander hält. Eines übrigens muß vor Allem hervorgehoben werden. Es ist die Linke der auseinandergejagten Nationalversammlung, der wir, was immer die neue Verfassung Freisinniges enthält, verdanken. Denn wie die ganze Verfassung nur ein Ergebniß der innern geheimen Furcht der Kamarilla ist, obgleich dieselbe scheinbar jetzt einen Triumph feiert, so hat ersichtlich der Wunsch, sich populärer zu machen als die beim Volke beliebtesten Vertreter, gewisse freisinnige Bestimmungen der Verfassung herbeigeführt. Haben doch selbst die Redakteure der octroyirten Verfassung anerkennen müssen, daß ihnen die, von den gewählten Vertretern des Volkes ausgegangenen umfassenden Vorarbeiten große Dienste geleistet haben. Schließlich noch die eine allgemeine Bemerkung, daß gar manche Bestimmungen der neuen Verfassung nur den Schein der Freisinnigkeit haben, und daß namentlich aus den beiden Anmerkungen zu Art 63 und 67 der Pferdefuß der Neuen Preußischen Zeitung etwas gar zu ungeschickt hervorguckt. Auch ist der Rückschritt gegen das Wahlgesetz vom 8. April vielen unangenehm aufgefallen, daß Artikel 67 nur „selbstständigen Preußen“ die Stimmberechtigung als Urwähler verleiht. Sind Hauslehrer, Kommis, Diener, Knechte, Soldaten u. dgl. m. selbstständig? Die große Mehrheit namentlich der Bourgeoisie ist natürlich weit über ihre Erwartungen hinaus befriedigt, aber auch sie fühlt das Unsichere, das in dem Mangel des Rechtsbodens liegt; auch sie sieht ein, daß sehr viele Bestimmungen des neuen Grundgesetzes ihren wesentlichen und wahren Charakter erst durch die versprochenen organischen Gesetze erhalten werden, für den Augenblick also nur papierne Verheißungen sind.

27 Breslau, 6. Dez.

An vielen Orten finden jetzt Verhaftungen statt; ein Zeichen, daß die Contrerevolution ihr Spiel bereits völlig gewonnen glaubt. Der Abgeordnete Stein hatte auf gestern Abend eine Versammlung der Wahlmänner berufen, um über das Verhalten der Nationalversammlung seit dem 11. Novbr. einen kurzen Bericht zu erstatten und die Ansichten der Wahlmänner in Betreff der Verlegung der Nat.-Vers. nach Brandenburg kennen zu lernen. Stein gab die Gründe an, weshalb er mit circa 30 andern Abgeordneten beschlossen gehabt, nicht nach Brandenburg zu gehen. Die Wahlmänner sprachen sich mit großer Mehrheit für das Hingehen aus, damit die Reaktion um so kräftiger bekämpft werden könne.

Der Schneidergeselle Falkenhain ist in erster Instanz wegen Majestätsbeleidigung und Anleitung zum Versuch von Hochverrath zu 6jähriger Zuchthausstrafe verurtheilt worden.

Aus dem nördlichen Böhmen und aus Mähren laufen weitere Nachrichten von Verweigerung der Rekrutenstellung ein. Auch hören wir, daß der Aufstand der Häusler gegen die Hofbauern in Mähren und Schlesien weiter um sich greift.

102 Wien, 3. Dezember.

Im „Kourier“ vom 2ten steht Folgendes:

„Unter den Gefangenen, welche man gleich nach der Einnahme der Stadt eingezogen, und in Folge der gravirenden Erhebungen (quel mot!), die gegen sie vorliegen, noch nicht auf freien Fuß (als ob's schon Beispiele gäbe!) gesetzt hat, befindet sich auch der an der Spitze einer Freischaar aus Grätz hieher gekommene pensionirte Hauptmann Eisenbach. Er wurde am 8. Nov. in Wr. Neustadt aufgehalten (wie zart!), weil in seinem Passe eine Unrichtigkeit vorgesunden wurde, und in das Gefangenhaus der Stadthauptmannschaft gebracht. Verleugnet er sein gränzenlos barsches Benehmen (!! Lüge) auch seinen Richtern (!) gegenüber nicht, „so dürfte er sich eben keiner besondern Milde erfreuen“. Schon der Umstand, daß er einer der Präsidenten des Grätzer demokratischen Vereins gewesen sein soll, wird besonders erschwerend einfließen. Dazu kommt noch seine ehemalige Stellung in der Armee, welcher er seine Pension dankt, und daß er als pensionirter Offizier gegen die Truppen focht. Er mag etwa 50 Jahre alt sein. Seine Statur ist groß, in seinem Gesichte liegt ein gewisser Ausdruck der Strenge, und seine Augen verrathen ein unzufriedenes, tobendes Gemüth. Sein Gang ist gemessen, wie der eines Militärs überhaupt, und in seiner prägnanten, bald leisen, bald stürmischen Redeweise, manifestirt sich der Charakter eines Mannes, der, für Revolutionen geschaffen, kein organisirendes Talent in sich trägt.“ — Die „Wiener Neuigkeiten“ dieses Henkerblattes bringen fortwährend ähnliche Verworfenheiten, die mit der satanischsten Besonnenheit verfaßt sind. Selbst die „Geißel“ erröthet darüber. — Eisenbach's Verderben ist nun sicher.

Wie weit die Purifikation des Reichstags getrieben werden soll, das können Sie daraus abnehmen, daß selbst für Pillersdorf ein standrechtliches Mißtrauensvotum erzwungen worden ist. — Man spricht von englisch-französischen Noten, die Italiens wegen in Ollmütz eingelaufen sein und einen panischen Schrecken verursacht haben sollen. Ein Kabinetsrath soll darauf stattgefunden haben, zu welchem Jellachich und Windischgrätz herangezogen worden. Das Ministerium scheint, lächerlich genug, selbst dem Auslande gegenüber eine herausfordernde Stellung einnehmen zu wollen, und spricht in seinem Programm: „In allen äußern Beziehungen des Reiches werden wir die Interessen und die Würde Oestreichs zu wahren wissen, und keinerlei beirrenden Einfluß von Außen auf die unabhängige Gestaltung unserer innern Verhältnisse zulassen.“ Die heutige „Presse“ fährt giftig über Palmerston her. Dies Blatt Stadion's sagt: „Frankreich und England hätten

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Truppen keinen Schaden gethan habe, indem er einen Befehl Messenhausers besitze, wonach er als Befehlshaber der kleinen nußdorfer Linien von seinen fünf Geschützen keinen Gebrauch machen durfte. Auch am folgenden Tage waren wir früh und Abends bei Blum und versprachen, am 3ten wieder zu kommen; an diesem Tage waren aber früh 6 Uhr beide Abgeordnete mit 30 Mann Militair gefänglich eingezogen worden. Die beiden Mit-Abgeordneten der frankfurter Linken, Hartmann und Trampusch, begaben sich sofort zum Stadt-Commandanten General Cordon, um ihn auf die Stellung der Verhafteten und ihre gesetzliche Unverletzlichkeit aufmerksam zu machen. &#x201E;Ich habe nur dem Befehle gehorcht,&#x201C; antwortete dieser, &#x201E;die Stellung eines Abgeordneten kommt jetzt nicht in Betracht; eigentlich sollten auch Sie verhaftet sein, ich habe es aber auf meine eigene Verantwortung nicht gethan, da sie Oesterreicher sind. Am 8. nun stand Blum vor dem Puppenspiele, das man Kriegsgericht zu taufen beliebt hatte, und welches aus einem Oberst-Lieutenant und aus je zwei Stabs-Offizieren, Hauptleuten, Lieutenannts, Feldwebeln Corporalen und Gemeinen gebildet war. &#x2014; Blum protestirte zunächst gegen die Berechtigung eines solchen Gerichtshofes, erklärte sich jedoch bereit, auf die an ihn gerichteten Fragen zu antworten, und gestand zu, daß er in der Aula am 34. October eine Rede gehalten und den Truppen Windischgrätz's bewaffneten Widerstand geleistet; er habe nie gelogen und in seinen letzten Stunden wolle er nicht erst Zeugen gegen sich und seine Worte aussagen lassen. In der Frühstunde des 9. ward ihm das Todesurtheil verkündet und er sofort abgeführt. Im Wagen, umgeben von der Bedeckung, soll er die Hand vor die Augen gehalten und laut geschluchzt haben; plötzlich sich erhebend, spricht er: &#x201E;Ja Robert Blum hat geweint, aber nicht der Abgeordnete Blum, der stirbt für seine Ueberzeugung, sondern der Gatte, der Vater, ich dachte an mein liebes Weib und meine Kinder!&#x201C; Die Worte sollten schmerzlich wahr werden, welche Blum aus Schiller's &#x201E;Tell&#x201C; in den Aufruf des Central-Ausschusses der demokratischen Vereine Wiens an die Bewohner der Stadt aufnahm: &#x201E;Wir fechten für unsere Freiheit, für unsere Ehre, für unseren Heerd, für unser Weib und unsere Kinder!&#x201C; Sie sollten wahr werden, die Worte, die er in Breslau beim Abschiede sprach: &#x201E;Er komme wieder von Wien mit der Siegesbotschaft, oder er komme gar nicht wieder.&#x201C; An Ort und Stelle in der Brigittenau angelangt, fiel er nach der eigenen Aussage der Offiziere als Held, nicht mit zitternden Knieen, wie feige Schurken ihm nachsagen: nicht aufrecht erhalten durch die Hoffnung der Begnadigung, die einem Windischgrätz gegenüber ein unsinniger Gedanke gewesen wäre, auf den ein Blum wahrlich nicht fallen konnte. Er fiel, nicht im Kampfe für die Freiheit, wie er wünschte, nein, als Opfer des brutalen Sieges des Despotismus; er fiel, nicht wegen &#x201E;aufrührerischer Reden,&#x201C; nicht wegen &#x201E;bewaffneten Wiederstandes gegen das kaiserliche Heer,&#x201C; denn dazu hatte der Reichstag, denn dazu hatte der Ober-Commandant aufgefordert, nein, er fiel als das Opfer, das die wahnwitzige hohe Aristokratie den Manen ihrer Lychnowski, Auerswald, Latour und Lamberg unter hohnsprechenden gesetzlichen Formen schlachtete. Was sie damit gewonnen hat, lehrt schon jetzt die dumpfe Betäubung der schwarzgelben Partei Wiens und die Entrüstung aller Ehrenmänner; was sie gewinnen wird, wird die nächste Zukunft diese Unverbesserlichen lehren. Das Grab Blum's in der Brigittenau wird noch der Wallfahrtsort der Freunde der Freiheit im freien Wien sein, wenn Niemand mehr von dem Mordgeschlechte der Windischgrätz und Genossen zu sagen weiß.</p>
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          <head>Dingelstedt und Hackländer.</head>
          <p>Im Feuilleton der Kölnischen Zeitung vom 7. Dez., Nr. 326, ist einiges Gewäsch aus der in Stuttgart wöchentlich einmal erscheinenden &#x201E;Laterne&#x201C; abgedruckt. Als Anmerkung wird hinzugefügt, daß Dingelstedt und Hackländer Pathenstelle bei dieser &#x201E;Laterne&#x201C; zu vertreten scheinen.</p>
          <p>Dingelstedt ist der wegen seiner &#x201E;Verhofrätherei&#x201C; bekannte &#x201E;Kosmopolitische Nachtwächter.&#x201C; Wir erinnern uns noch sehr wohl dieses Menschen. Im Jahre 1843 zog er essend und trinkend bei allen mitleidigen Leuten herum, viel bewundert wegen seines großen Bartes und wegen seiner &#x201E;tüchtigen Gesinnung.&#x201C; Die Biedermänner &#x201E;tüchtiger Gesinnung&#x201C; waren nie einen Schuß Pulver werth &#x2014; auch Herr Dingelstedt schlug plötzlich um. Es zeigte sich dies zuerst bei seinem Aufenthalte in Wien, von wo er Artikel für die Augsb. Allg. Ztg. schrieb unter dem Zeichen: <hi rendition="#b">WW</hi> (Wiener Währung).</p>
          <p>Einer seiner frühern Freunde schrieb ihm damals:</p>
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            <l>Das rauhe Kupfer deines Wächterhorns!</l><lb/>
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          <p>Aber der &#x201E;Kosmopolitische Nachtwächter&#x201C; hatte längst aufgehört, zu erröthen. Einmal am Sinken, sank er immer mehr; aus einem Korrespondenten der Augsburgerin wurde er würtembergischer Hofrath, schließlich Legationsrath. Er opferte seine Mission einer Legation. &#x2014; Heine fragte damals unsern Renegaten:</p>
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            <l>&#x201E;&#x2014; O, sprich,</l><lb/>
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        <head>[Deutschland]</head>
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          <p><ref type="link_fsg">[Fortsetzung]</ref> rung deutlich; wenn er es weigern würde, durch Zusatz seiner eigenen Unterschrift die Autorität der &#x201E;Herren&#x201C; zu respektiren, drohte &#x2014; Kündigung der Arbeit &#x2014; der Hunger! &#x2014; So sind die Tausende der Unterschriften unter den Heuleradressen entstanden; so hat man das Volk, wie einen Jagdhund, gezwungen, die Peitsche zu apportiren mit der es geschlagen werden soll. Wir tragen nicht zu stark auf. Wir wissen Namen von Geldherren in Elberfeld und Barmen, die ihren abhängigen Geschäftsfreunden, Mäklern, Papierhändlern u. s. w. jeden Auftrag geweigert haben, wenn sie nicht aufhörten die &#x201E;republikanischen Klubs&#x201C; &#x2014; so nennt die Reaktion jeden politischen Verein, der nicht mit ihr heult &#x2014; zu besuchen.</p>
          <p>Die Wahl von der Heydt's ist eins der schönsten Kunststücke der Reaktion. Barmen erklärte feierlichst, daß es keinen Mann besitze, der fähig sei, nach Berlin zu gehen. Es opferte jeden Lokalpatriotismus, der sonst immer so vehement gegen Elberfeld focht; es vergaß alles Bittere in den Konflikten beider Städte, was mit diesem Namen in Verbindung steht: das Landgerichtsgebäude, die Eisenbahnlinie, um einen Mann zu wählen, der sich für sofortige Auflösung der Nationalversammlung, für Wrangelsche Kurmethode und wer weiß, was sonst noch, entschieden hatte. Das Geheul der Contrerevolution erhielt in Barmen einen neuen Aufschwung durch die silberne Hochzeit in Potsdam. Aufs neue wurden Adressen fabrizirt in der schändlichsten Weise und, wo in der bedrängten Zeit zu dem harmlosen Feste ein einfacher Glückwunsch dem Herzen der Unterthanen hätte genügen können, sendet man Deputationen mit kostbaren Geschenke. Barmen liefert zwei prächtige Sessel, auf denen schon früher das Herscherpaar geruht hat; die &#x201E;patriotischen Frauen und Jungfrauen&#x201C; haben Kollekte gehalten und die Bürgerschaft, die gewiß lieber den hungernden Armen ein Opfer gebracht hätte, für 400 Thlr. in Kontribution genommen. Weigern <gap reason="illegible"/>rfte nicht, wer nicht ganz frei stand und es nicht scheuen mußte, in den Geruch eines Republikaners zu kommen. Bezahlte Elberfelder Stickerinnen haben auf die Barmer Sessel unter passenden Emblemen die inhaltschweren Worte gepflanzt: &#x201E;Von Gottes Gnaden&#x201C; und &#x201E;Gott mit uns!&#x201C; Gewiß wird den Barmer Jungfrauen für ihren patriotischen Kunstfleiß binnen Kurzem das gebührende Lob von Potsdam erfolgen. Jede Regung von Sympathie für die Nationalversammlung wird nun auch mit Gewalt unterdrückt. Die patriotischen Fabrikherren haben jüngst &#x201E;ihre Leute&#x201C; kommandirt, um in Barmen eine Zustimmungsadresse an den Abgeordneten Bredt zu verhindern. Hunderte dieser blind gehorsamen Arbeiter, die das Lied singen müssen, deß Brod sie essen, hielten vor der Eröffnungstunde der zu jenem Zweck berufenen Versammlung das Lokal besetzt. Sie erhielten Bier und Cigarren, und als sie ihren Zweck erreicht, d. h. durch Schreien und Lärmen nach dem ihnen von ihren Herren gegebenen Signal, die Versammlung gestört und den Vorschlag, keine Adresse abzusenden, durchgebracht hatten, waren sie bereit, die wenigen Redner, denen es gelungen war, in das Lokal zu gelangen, auf das Kommando eines patriotischen Färbermeisters, der sich durch Ergebenheit für die Zwecke der Geldsäcke, aus denen er selbst sein Theil erhält, durchzuprügeln. Einige Patrioten empfanden aber ein menschliches Rühren und es gelang durch ihre Hülfe, die Redner vor dem preußischen Patriotismus in Sicherheit zu bringen.</p>
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          <head><bibl><author>68</author></bibl> Berlin, 6. Dezbr.</head>
          <p>Die Vereinbarer-Versammlung ist also aufgelöst und eine Verfassung octroyirt. Ganz abgesehen von dem Inhalt dieser letztern, ist die bloße Thatsache der Octroyirung, das entscheidende des Moments. Die Verfassung octroyiren, heißt ein für allemal den Rechtsboden der Vereinbarung aufgeben, heißt ein für allemal den Rechtsboden der Vereinbarung aufgeben, heißt den Kampf zwischen Volkssouverainetät und Einzelnwille unvermeidlich machen.</p>
          <p>Die vereinbarende Versammlung, gewählt nach dem, vom vereinigten Landtage gegebenen Wahlgesetze, war der That nach freilich eine Revolutions-Errungenschaft, aber formell konnte doch Camphausen, wenigsten mit einigem Schein von Wahrheit behaupten, sie diene dazu Preußen aus alten Zuständen legal und nicht revolutionär in neue hinnüber zu führen. Die Vereinbarung anerkannte eben principiell zwei gleichberechtigte Mächte. Sie war eine Transaction zwischen ihnen. Mit der Octroyirung dagegen wird ausgesprochen: l'etat c'est moi! und dieses moi heißt: Jo el rey, &#x201E;Ich der König.&#x201C; Ich kann thun mit meiner Machtvollkommenheit und vermöge derselben was ich will. Ich kann mich eines Theils meiner absoluten Gewalt freiwillig begeben und ihn in die Hände von Volksvertretern legen. Ich kann mein Volk begnaden, weil <hi rendition="#g">Ich</hi> die volle Macht habe. <hi rendition="#g">Ich</hi> halte mein Wort aus den Märztagen, weil <hi rendition="#g">Ich</hi> eben will und nicht weil ich verpflichtet bin. Was folgt aber hieraus? Wer geben kann, wer schenken kann, der kann das Gegebene, das Geschenkte auch wieder an sich nehmen sobald er die Macht dazu hat. Ein Gnadengeschenk verleiht kein Recht. Wer heut gnädig ist und giebt, kann morgen zürnen und wiederwegnehmen. Jener Zustand der Sicherheit, welchen eine auf rechtliches Uebereinkommen begründete Verfassung, wenigstens für einige Zeit, einem Staate giebt, wird durch eine octroyirte Verfassung nie herbeigeführt werden. Sie ist eben nur ein schwankes Rohr, das von jedem Windhauch, von des Volkes wie von des Königs Zorn geknickt werden kann. Das Volk hat jeder Zeit ein unbestreitbares Recht diese Verfassung von sich zu weisen, eben weil sie ihm von Außen auferlegt worden und nicht eine organische Geburt aus dem Volke heraus ist.</p>
          <p>Nach Artikel 112 der neuen Verfassung soll dieselbe &#x201E;sofort nach dem ersten Zusammentritt der Kammern einer Revision auf dem Wege der Gesetzgebung unterworfen werden&#x201C;. Wer in dieser Bestimmung ein Mittel sieht, die neue Verfassung wieder auf den Rechtsboden der Vereinbarung zu stellen, giebt nur einen Beweis von seinem gänzlichen Mangel an Logik, denn er begeht den Fehler, den man in dieser Wissenschaft eine petitio principii nennt, und geräth dadurch in einen fehlerhaften Kreis. Auf Grund wessen werden denn die neuen Kammern zusammentreten? Wer ruft sie in's Leben? Wer bestimmt ihren Wahlmodus? &#x2014; Alles der König durch Ordonnanzen. Denn die neue Verfassung und das dazu emanirte Wahlgesetz sind eben nur Ordonanzen, keine Gesetze. Die neuen Kammern selbst also sind <hi rendition="#g">illegal,</hi> denn sie haben keinen <hi rendition="#g">legalen</hi> Boden. Wie sollen sie nun die Verfassung wieder legalisiren? Das dem Lande auferlegte, nicht mit ihm vereinbarte Wahlgesetz und die hieraus hervorgegangene Kammer, können in gesunder Logik nicht das Mittel werden, um die octroyirte Verfassung in eine rechtlich bestehende umzuwandeln.</p>
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          <head><bibl><author>*</author></bibl> Berlin, 6. Dezbr.</head>
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          <head><bibl><author>27</author></bibl> Breslau, 6. Dez.</head>
          <p>An vielen Orten finden jetzt Verhaftungen statt; ein Zeichen, daß die Contrerevolution ihr Spiel bereits völlig gewonnen glaubt. Der Abgeordnete <hi rendition="#g">Stein</hi> hatte auf gestern Abend eine Versammlung der Wahlmänner berufen, um über das Verhalten der Nationalversammlung seit dem 11. Novbr. einen kurzen Bericht zu erstatten und die Ansichten der Wahlmänner in Betreff der Verlegung der Nat.-Vers. nach Brandenburg kennen zu lernen. Stein gab die Gründe an, weshalb er mit circa 30 andern Abgeordneten beschlossen gehabt, nicht nach Brandenburg zu gehen. Die Wahlmänner sprachen sich mit großer Mehrheit für das Hingehen aus, damit die Reaktion um so kräftiger bekämpft werden könne.</p>
          <p>Der Schneidergeselle <hi rendition="#g">Falkenhain</hi> ist in erster Instanz wegen Majestätsbeleidigung und Anleitung zum Versuch von Hochverrath zu 6jähriger Zuchthausstrafe verurtheilt worden.</p>
          <p>Aus dem nördlichen Böhmen und aus Mähren laufen weitere Nachrichten von <hi rendition="#g">Verweigerung der Rekrutenstellung</hi> ein. Auch hören wir, daß der Aufstand der Häusler gegen die Hofbauern in Mähren und Schlesien weiter um sich greift.</p>
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          <head><bibl><author>102</author></bibl> Wien, 3. Dezember.</head>
          <p>Im &#x201E;Kourier&#x201C; vom 2ten steht Folgendes:</p>
          <p>&#x201E;Unter den Gefangenen, welche man gleich nach der Einnahme der Stadt eingezogen, und in Folge der gravirenden Erhebungen (quel mot!), die gegen sie vorliegen, noch nicht auf freien Fuß (als ob's schon Beispiele gäbe!) gesetzt hat, befindet sich auch der an der Spitze einer Freischaar aus Grätz hieher gekommene pensionirte Hauptmann <hi rendition="#g">Eisenbach</hi>. Er wurde am 8. Nov. in Wr. Neustadt aufgehalten (wie zart!), weil in seinem Passe eine Unrichtigkeit vorgesunden wurde, und in das Gefangenhaus der Stadthauptmannschaft gebracht. Verleugnet er sein gränzenlos barsches Benehmen (!! Lüge) auch seinen Richtern (!) gegenüber nicht, &#x201E;so dürfte er sich eben keiner besondern Milde erfreuen&#x201C;. Schon der Umstand, daß er einer der Präsidenten des Grätzer demokratischen Vereins gewesen sein <hi rendition="#g">soll,</hi> wird besonders erschwerend einfließen. Dazu kommt noch seine ehemalige Stellung in der Armee, welcher er seine Pension dankt, und daß er als pensionirter Offizier gegen die Truppen focht. Er mag etwa 50 Jahre alt sein. Seine Statur ist groß, in seinem Gesichte liegt ein gewisser Ausdruck der Strenge, und seine Augen verrathen ein unzufriedenes, tobendes Gemüth. Sein Gang ist gemessen, wie der eines Militärs überhaupt, und in seiner prägnanten, bald leisen, bald stürmischen Redeweise, manifestirt sich der Charakter eines Mannes, der, für Revolutionen geschaffen, kein <hi rendition="#g">organisirendes</hi> Talent in sich trägt.&#x201C; &#x2014; Die &#x201E;Wiener Neuigkeiten&#x201C; dieses Henkerblattes bringen fortwährend ähnliche Verworfenheiten, die mit der satanischsten Besonnenheit verfaßt sind. Selbst die &#x201E;Geißel&#x201C; erröthet darüber. &#x2014; Eisenbach's Verderben ist nun sicher.</p>
          <p>Wie weit die Purifikation des Reichstags getrieben werden soll, das können Sie daraus abnehmen, daß selbst für Pillersdorf ein standrechtliches Mißtrauensvotum erzwungen worden ist. &#x2014; Man spricht von englisch-französischen Noten, die Italiens wegen in Ollmütz eingelaufen sein und einen panischen Schrecken verursacht haben sollen. Ein Kabinetsrath soll darauf stattgefunden haben, zu welchem Jellachich und Windischgrätz herangezogen worden. Das Ministerium scheint, lächerlich genug, selbst dem Auslande gegenüber eine herausfordernde Stellung einnehmen zu wollen, und spricht in seinem Programm: &#x201E;In allen äußern Beziehungen des Reiches werden wir die Interessen und die Würde Oestreichs zu wahren wissen, und keinerlei <hi rendition="#g">beirrenden Einfluß</hi> von Außen auf die unabhängige Gestaltung unserer innern Verhältnisse zulassen.&#x201C; Die heutige &#x201E;Presse&#x201C; fährt giftig über Palmerston her. Dies Blatt Stadion's sagt: &#x201E;Frankreich und England hätten</p>
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[0878/0002] Truppen keinen Schaden gethan habe, indem er einen Befehl Messenhausers besitze, wonach er als Befehlshaber der kleinen nußdorfer Linien von seinen fünf Geschützen keinen Gebrauch machen durfte. Auch am folgenden Tage waren wir früh und Abends bei Blum und versprachen, am 3ten wieder zu kommen; an diesem Tage waren aber früh 6 Uhr beide Abgeordnete mit 30 Mann Militair gefänglich eingezogen worden. Die beiden Mit-Abgeordneten der frankfurter Linken, Hartmann und Trampusch, begaben sich sofort zum Stadt-Commandanten General Cordon, um ihn auf die Stellung der Verhafteten und ihre gesetzliche Unverletzlichkeit aufmerksam zu machen. „Ich habe nur dem Befehle gehorcht,“ antwortete dieser, „die Stellung eines Abgeordneten kommt jetzt nicht in Betracht; eigentlich sollten auch Sie verhaftet sein, ich habe es aber auf meine eigene Verantwortung nicht gethan, da sie Oesterreicher sind. Am 8. nun stand Blum vor dem Puppenspiele, das man Kriegsgericht zu taufen beliebt hatte, und welches aus einem Oberst-Lieutenant und aus je zwei Stabs-Offizieren, Hauptleuten, Lieutenannts, Feldwebeln Corporalen und Gemeinen gebildet war. — Blum protestirte zunächst gegen die Berechtigung eines solchen Gerichtshofes, erklärte sich jedoch bereit, auf die an ihn gerichteten Fragen zu antworten, und gestand zu, daß er in der Aula am 34. October eine Rede gehalten und den Truppen Windischgrätz's bewaffneten Widerstand geleistet; er habe nie gelogen und in seinen letzten Stunden wolle er nicht erst Zeugen gegen sich und seine Worte aussagen lassen. In der Frühstunde des 9. ward ihm das Todesurtheil verkündet und er sofort abgeführt. Im Wagen, umgeben von der Bedeckung, soll er die Hand vor die Augen gehalten und laut geschluchzt haben; plötzlich sich erhebend, spricht er: „Ja Robert Blum hat geweint, aber nicht der Abgeordnete Blum, der stirbt für seine Ueberzeugung, sondern der Gatte, der Vater, ich dachte an mein liebes Weib und meine Kinder!“ Die Worte sollten schmerzlich wahr werden, welche Blum aus Schiller's „Tell“ in den Aufruf des Central-Ausschusses der demokratischen Vereine Wiens an die Bewohner der Stadt aufnahm: „Wir fechten für unsere Freiheit, für unsere Ehre, für unseren Heerd, für unser Weib und unsere Kinder!“ Sie sollten wahr werden, die Worte, die er in Breslau beim Abschiede sprach: „Er komme wieder von Wien mit der Siegesbotschaft, oder er komme gar nicht wieder.“ An Ort und Stelle in der Brigittenau angelangt, fiel er nach der eigenen Aussage der Offiziere als Held, nicht mit zitternden Knieen, wie feige Schurken ihm nachsagen: nicht aufrecht erhalten durch die Hoffnung der Begnadigung, die einem Windischgrätz gegenüber ein unsinniger Gedanke gewesen wäre, auf den ein Blum wahrlich nicht fallen konnte. Er fiel, nicht im Kampfe für die Freiheit, wie er wünschte, nein, als Opfer des brutalen Sieges des Despotismus; er fiel, nicht wegen „aufrührerischer Reden,“ nicht wegen „bewaffneten Wiederstandes gegen das kaiserliche Heer,“ denn dazu hatte der Reichstag, denn dazu hatte der Ober-Commandant aufgefordert, nein, er fiel als das Opfer, das die wahnwitzige hohe Aristokratie den Manen ihrer Lychnowski, Auerswald, Latour und Lamberg unter hohnsprechenden gesetzlichen Formen schlachtete. Was sie damit gewonnen hat, lehrt schon jetzt die dumpfe Betäubung der schwarzgelben Partei Wiens und die Entrüstung aller Ehrenmänner; was sie gewinnen wird, wird die nächste Zukunft diese Unverbesserlichen lehren. Das Grab Blum's in der Brigittenau wird noch der Wallfahrtsort der Freunde der Freiheit im freien Wien sein, wenn Niemand mehr von dem Mordgeschlechte der Windischgrätz und Genossen zu sagen weiß. Dingelstedt und Hackländer. Im Feuilleton der Kölnischen Zeitung vom 7. Dez., Nr. 326, ist einiges Gewäsch aus der in Stuttgart wöchentlich einmal erscheinenden „Laterne“ abgedruckt. Als Anmerkung wird hinzugefügt, daß Dingelstedt und Hackländer Pathenstelle bei dieser „Laterne“ zu vertreten scheinen. Dingelstedt ist der wegen seiner „Verhofrätherei“ bekannte „Kosmopolitische Nachtwächter.“ Wir erinnern uns noch sehr wohl dieses Menschen. Im Jahre 1843 zog er essend und trinkend bei allen mitleidigen Leuten herum, viel bewundert wegen seines großen Bartes und wegen seiner „tüchtigen Gesinnung.“ Die Biedermänner „tüchtiger Gesinnung“ waren nie einen Schuß Pulver werth — auch Herr Dingelstedt schlug plötzlich um. Es zeigte sich dies zuerst bei seinem Aufenthalte in Wien, von wo er Artikel für die Augsb. Allg. Ztg. schrieb unter dem Zeichen: WW (Wiener Währung). Einer seiner frühern Freunde schrieb ihm damals: Ein stilles Herz, ein ruhiges Gemüthe, Gesegnet ist, wem sie der Herr bescheert! Gruß dir, o Wächter und Kosmopolite An der Phäaken ew'gem Sonntagsheerd! Sein friedlich Glühn im Dienste der Ernährung, Wie dämpft' er rasch die Flamme deines Zorns! Wie bald zerschmolz zu blanker „Wiener Währung“ Das rauhe Kupfer deines Wächterhorns! Aber der „Kosmopolitische Nachtwächter“ hatte längst aufgehört, zu erröthen. Einmal am Sinken, sank er immer mehr; aus einem Korrespondenten der Augsburgerin wurde er würtembergischer Hofrath, schließlich Legationsrath. Er opferte seine Mission einer Legation. — Heine fragte damals unsern Renegaten: „— O, sprich, Reitest du wirklich auf schwäbischen Krebsen? Aeugelst du wirklich mit fürstlichen Kebsen?“ [Deutschland] [Fortsetzung] rung deutlich; wenn er es weigern würde, durch Zusatz seiner eigenen Unterschrift die Autorität der „Herren“ zu respektiren, drohte — Kündigung der Arbeit — der Hunger! — So sind die Tausende der Unterschriften unter den Heuleradressen entstanden; so hat man das Volk, wie einen Jagdhund, gezwungen, die Peitsche zu apportiren mit der es geschlagen werden soll. Wir tragen nicht zu stark auf. Wir wissen Namen von Geldherren in Elberfeld und Barmen, die ihren abhängigen Geschäftsfreunden, Mäklern, Papierhändlern u. s. w. jeden Auftrag geweigert haben, wenn sie nicht aufhörten die „republikanischen Klubs“ — so nennt die Reaktion jeden politischen Verein, der nicht mit ihr heult — zu besuchen. Die Wahl von der Heydt's ist eins der schönsten Kunststücke der Reaktion. Barmen erklärte feierlichst, daß es keinen Mann besitze, der fähig sei, nach Berlin zu gehen. Es opferte jeden Lokalpatriotismus, der sonst immer so vehement gegen Elberfeld focht; es vergaß alles Bittere in den Konflikten beider Städte, was mit diesem Namen in Verbindung steht: das Landgerichtsgebäude, die Eisenbahnlinie, um einen Mann zu wählen, der sich für sofortige Auflösung der Nationalversammlung, für Wrangelsche Kurmethode und wer weiß, was sonst noch, entschieden hatte. Das Geheul der Contrerevolution erhielt in Barmen einen neuen Aufschwung durch die silberne Hochzeit in Potsdam. Aufs neue wurden Adressen fabrizirt in der schändlichsten Weise und, wo in der bedrängten Zeit zu dem harmlosen Feste ein einfacher Glückwunsch dem Herzen der Unterthanen hätte genügen können, sendet man Deputationen mit kostbaren Geschenke. Barmen liefert zwei prächtige Sessel, auf denen schon früher das Herscherpaar geruht hat; die „patriotischen Frauen und Jungfrauen“ haben Kollekte gehalten und die Bürgerschaft, die gewiß lieber den hungernden Armen ein Opfer gebracht hätte, für 400 Thlr. in Kontribution genommen. Weigern _ rfte nicht, wer nicht ganz frei stand und es nicht scheuen mußte, in den Geruch eines Republikaners zu kommen. Bezahlte Elberfelder Stickerinnen haben auf die Barmer Sessel unter passenden Emblemen die inhaltschweren Worte gepflanzt: „Von Gottes Gnaden“ und „Gott mit uns!“ Gewiß wird den Barmer Jungfrauen für ihren patriotischen Kunstfleiß binnen Kurzem das gebührende Lob von Potsdam erfolgen. Jede Regung von Sympathie für die Nationalversammlung wird nun auch mit Gewalt unterdrückt. Die patriotischen Fabrikherren haben jüngst „ihre Leute“ kommandirt, um in Barmen eine Zustimmungsadresse an den Abgeordneten Bredt zu verhindern. Hunderte dieser blind gehorsamen Arbeiter, die das Lied singen müssen, deß Brod sie essen, hielten vor der Eröffnungstunde der zu jenem Zweck berufenen Versammlung das Lokal besetzt. Sie erhielten Bier und Cigarren, und als sie ihren Zweck erreicht, d. h. durch Schreien und Lärmen nach dem ihnen von ihren Herren gegebenen Signal, die Versammlung gestört und den Vorschlag, keine Adresse abzusenden, durchgebracht hatten, waren sie bereit, die wenigen Redner, denen es gelungen war, in das Lokal zu gelangen, auf das Kommando eines patriotischen Färbermeisters, der sich durch Ergebenheit für die Zwecke der Geldsäcke, aus denen er selbst sein Theil erhält, durchzuprügeln. Einige Patrioten empfanden aber ein menschliches Rühren und es gelang durch ihre Hülfe, die Redner vor dem preußischen Patriotismus in Sicherheit zu bringen. 68 Berlin, 6. Dezbr. Die Vereinbarer-Versammlung ist also aufgelöst und eine Verfassung octroyirt. Ganz abgesehen von dem Inhalt dieser letztern, ist die bloße Thatsache der Octroyirung, das entscheidende des Moments. Die Verfassung octroyiren, heißt ein für allemal den Rechtsboden der Vereinbarung aufgeben, heißt ein für allemal den Rechtsboden der Vereinbarung aufgeben, heißt den Kampf zwischen Volkssouverainetät und Einzelnwille unvermeidlich machen. Die vereinbarende Versammlung, gewählt nach dem, vom vereinigten Landtage gegebenen Wahlgesetze, war der That nach freilich eine Revolutions-Errungenschaft, aber formell konnte doch Camphausen, wenigsten mit einigem Schein von Wahrheit behaupten, sie diene dazu Preußen aus alten Zuständen legal und nicht revolutionär in neue hinnüber zu führen. Die Vereinbarung anerkannte eben principiell zwei gleichberechtigte Mächte. Sie war eine Transaction zwischen ihnen. Mit der Octroyirung dagegen wird ausgesprochen: l'etat c'est moi! und dieses moi heißt: Jo el rey, „Ich der König.“ Ich kann thun mit meiner Machtvollkommenheit und vermöge derselben was ich will. Ich kann mich eines Theils meiner absoluten Gewalt freiwillig begeben und ihn in die Hände von Volksvertretern legen. Ich kann mein Volk begnaden, weil Ich die volle Macht habe. Ich halte mein Wort aus den Märztagen, weil Ich eben will und nicht weil ich verpflichtet bin. Was folgt aber hieraus? Wer geben kann, wer schenken kann, der kann das Gegebene, das Geschenkte auch wieder an sich nehmen sobald er die Macht dazu hat. Ein Gnadengeschenk verleiht kein Recht. Wer heut gnädig ist und giebt, kann morgen zürnen und wiederwegnehmen. Jener Zustand der Sicherheit, welchen eine auf rechtliches Uebereinkommen begründete Verfassung, wenigstens für einige Zeit, einem Staate giebt, wird durch eine octroyirte Verfassung nie herbeigeführt werden. Sie ist eben nur ein schwankes Rohr, das von jedem Windhauch, von des Volkes wie von des Königs Zorn geknickt werden kann. Das Volk hat jeder Zeit ein unbestreitbares Recht diese Verfassung von sich zu weisen, eben weil sie ihm von Außen auferlegt worden und nicht eine organische Geburt aus dem Volke heraus ist. Nach Artikel 112 der neuen Verfassung soll dieselbe „sofort nach dem ersten Zusammentritt der Kammern einer Revision auf dem Wege der Gesetzgebung unterworfen werden“. Wer in dieser Bestimmung ein Mittel sieht, die neue Verfassung wieder auf den Rechtsboden der Vereinbarung zu stellen, giebt nur einen Beweis von seinem gänzlichen Mangel an Logik, denn er begeht den Fehler, den man in dieser Wissenschaft eine petitio principii nennt, und geräth dadurch in einen fehlerhaften Kreis. Auf Grund wessen werden denn die neuen Kammern zusammentreten? Wer ruft sie in's Leben? Wer bestimmt ihren Wahlmodus? — Alles der König durch Ordonnanzen. Denn die neue Verfassung und das dazu emanirte Wahlgesetz sind eben nur Ordonanzen, keine Gesetze. Die neuen Kammern selbst also sind illegal, denn sie haben keinen legalen Boden. Wie sollen sie nun die Verfassung wieder legalisiren? Das dem Lande auferlegte, nicht mit ihm vereinbarte Wahlgesetz und die hieraus hervorgegangene Kammer, können in gesunder Logik nicht das Mittel werden, um die octroyirte Verfassung in eine rechtlich bestehende umzuwandeln. * Berlin, 6. Dezbr. Tante Voß, die seit der Küssung und Umarmung durch Hrn. Wrangel mit der Kamarilla noch vertrauter geworden, theilt uns heute folgendes mit: Nach einem vielfach in der Stadt verbreiteten und lebhaft besprochenen Gerücht soll der Staatsanwalt Hr. Sethe die Absicht haben, gegen die Abgeordneten der Nationalversammlung, welche nach dem 9. Nov. die Berathungen in Berlin fortgesetzt und dort die bekannten Beschlüsse und Proklamationen erlassen haben, eine Untersuchung zu beantragen. Bisher ist etwas Zuverlässiges hierüber noch in keiner Weise bekannt geworden und scheint ein wirklicher Beschluß in dieser Angelegenheit jedenfalls noch nicht gefaßt zu sein. Nur wegen einiger von den Abgeordneten abgefaßten Druckschriften sind bereits Schritte geschehen, doch scheinen diese mehr den betreffenden Druckern und Verlegern als den Verfassern zu gelten. Wohl aber werden die ministeriellen Behörden bereits die Frage in Erwägung gezogen haben, in wiefern sich eine gerichtliche Verfolgung gegen die betreffenden Abgeordneten durchführen läßt. Jedenfalls konnte hiervon nicht eher die Rede sein, als jetzt, wo die Versammlung aufgelöst ist, da die Versammlung während der Dauer ihrer Verhandlungen schwerlich die Genehmigung zu einer gerichtlichen Verfolgung gegen den größten Theil ihrer eigenen Mitglieder geben dürfte. Die gerichtliche Verfolgung würde sich auch wohl eher auf die Schriftstücke beziehen, welche die Abgeordneten außerhalb den Sitzungen abgefaßt und verbreitet haben, als auf die in den Sitzungen gefaßten Beschlüsse selbst, weil die Abgeordneten für die in den Sitzungen von ihnen unternommenen Schritte niemals verantwortlich gemacht werden dürfen. Eine Verfolgung wegen der in den Sitzungen selbst vorgekommenen Thatsachen würde nur dann von Erfolg sein, wenn man sich der Hoffnung hingeben könnte, daß der Gerichtshof sich dazu verstehen werde, die Sitzungen, welche nach dem 9. Novbr. gehalten worden sind, für nichtige und also nichtamtliche zu erklären. Würde eine Untersuchung dieser Art eingeleitet, so würde dieselbe vor dem Kriminalsenat des Kammergerichts und nicht vor dem Kriminalgericht verhandelt werden müssen, weil unter den betreffenden Abgeordneten an 60 Richter sind und weil der eximirte Gerichtsstand der Richter und Patrimonialgerichtsherren noch nicht aufgehoben ist. Eine sehr streitige Frage wird es dann sein, ob die unter den Abgeordneten befindlichen Rheinländer das Verlangen stellen können, vor ihre heimathlichen Geschworenengerichte gestellt zu werden!!! 43 Berlin, 6. Dez. Es gehen gegenwärtig bei den Gerichtsbehörden täglich eine Menge von Denunciationen wegen politischer Vergehen, namentlich wegen Majestätsbeleidigungen ein, so daß uns in nicht langer Zeit eine Unzahl von Gerichtsverhandlungen dieser Art bevorsteht. Die meisten dieser Denunciationen gehen anonym ein, und man hat sich dadurch veranlaßt gefunden, von dem frühern Grundsatz _ daß anonyme Denunciationen keine Berücksichtigung verdienen — abzuweichen und auch auf Grund solcher Denunciationen Voruntersuchungen zu eröffnen. Sie sehen hieraus, wie rasch wir in der letzten Zeit rückwärts marschirt sind. Allein, täuschet Euch nicht, liebe, gnädige Herrn und Gebieter! Das Volk wird in kurzer Zeit eine solche Wendung linksum und vorwärts machen, daß Euch sein Sturmschritt gleich Würmern zerquetschen wird. Der Fürst zu Lippe-Schaumburg hat um ein Militär-Kommando von Minden zu seinem persönlichen Schutz gebeten, wegen Aufregung, die unter den dortigen Bauern herrscht. 68 Berlin, 6. Dez. Bei der kurzen Zeit, die seit der Emanirung der Verfassung verflossen, ist natürlich ein vollständiges Gesammturtheil über dieselbe noch nicht möglich. Nur die ersten unmittelbarsten Eindrücke, die sie auf uns machte, können wir hier wiedergeben. Offen gestanden, wir waren überrascht von dieser Verfassung. So freisinnig als sie namentlich betreffs gewisser Punkte ist, hätten wir sie nicht erwartet. Physiologisch betrachtet, d. h. wenn man gewisse individuelle Ansichten und bekannte Sympathien des Königs bedenkt, und sie mit einzelnen Artikeln der Verfassung, namentlich Artikel 11, 16, 21 u. a. m. zusammenstellt, ist diese Verfassung ein unheimliches Räthsel. Niemand kann daran glauben, daß der König, der einen Eichhorn zum Minister, einen Thile zum Vertrauten hatte, es ehrlich meine, wenn er vollständige Religionsfreiheit und Gleichheit der Religionsbekenntnisse in staatsbürgerlicher Beziehung, bürgerliche Ehe, Freiheit der Wissenschaft und ihrer Lehre, unbeschränkteste Preßfreiheit u. dgl. m. proklamirt. Und diese Unehrlichkeit drängt sich, selbst bei oberflächlichem Lesen auch aus andern Artikeln hervor. Jesuitische Fassung und vieldeutige Wendungen fehlen in dieser Verfassung nicht, namentlich wenn man einzelne Artikel gegeneinander hält. Eines übrigens muß vor Allem hervorgehoben werden. Es ist die Linke der auseinandergejagten Nationalversammlung, der wir, was immer die neue Verfassung Freisinniges enthält, verdanken. Denn wie die ganze Verfassung nur ein Ergebniß der innern geheimen Furcht der Kamarilla ist, obgleich dieselbe scheinbar jetzt einen Triumph feiert, so hat ersichtlich der Wunsch, sich populärer zu machen als die beim Volke beliebtesten Vertreter, gewisse freisinnige Bestimmungen der Verfassung herbeigeführt. Haben doch selbst die Redakteure der octroyirten Verfassung anerkennen müssen, daß ihnen die, von den gewählten Vertretern des Volkes ausgegangenen umfassenden Vorarbeiten große Dienste geleistet haben. Schließlich noch die eine allgemeine Bemerkung, daß gar manche Bestimmungen der neuen Verfassung nur den Schein der Freisinnigkeit haben, und daß namentlich aus den beiden Anmerkungen zu Art 63 und 67 der Pferdefuß der Neuen Preußischen Zeitung etwas gar zu ungeschickt hervorguckt. Auch ist der Rückschritt gegen das Wahlgesetz vom 8. April vielen unangenehm aufgefallen, daß Artikel 67 nur „selbstständigen Preußen“ die Stimmberechtigung als Urwähler verleiht. Sind Hauslehrer, Kommis, Diener, Knechte, Soldaten u. dgl. m. selbstständig? Die große Mehrheit namentlich der Bourgeoisie ist natürlich weit über ihre Erwartungen hinaus befriedigt, aber auch sie fühlt das Unsichere, das in dem Mangel des Rechtsbodens liegt; auch sie sieht ein, daß sehr viele Bestimmungen des neuen Grundgesetzes ihren wesentlichen und wahren Charakter erst durch die versprochenen organischen Gesetze erhalten werden, für den Augenblick also nur papierne Verheißungen sind. 27 Breslau, 6. Dez. An vielen Orten finden jetzt Verhaftungen statt; ein Zeichen, daß die Contrerevolution ihr Spiel bereits völlig gewonnen glaubt. Der Abgeordnete Stein hatte auf gestern Abend eine Versammlung der Wahlmänner berufen, um über das Verhalten der Nationalversammlung seit dem 11. Novbr. einen kurzen Bericht zu erstatten und die Ansichten der Wahlmänner in Betreff der Verlegung der Nat.-Vers. nach Brandenburg kennen zu lernen. Stein gab die Gründe an, weshalb er mit circa 30 andern Abgeordneten beschlossen gehabt, nicht nach Brandenburg zu gehen. Die Wahlmänner sprachen sich mit großer Mehrheit für das Hingehen aus, damit die Reaktion um so kräftiger bekämpft werden könne. Der Schneidergeselle Falkenhain ist in erster Instanz wegen Majestätsbeleidigung und Anleitung zum Versuch von Hochverrath zu 6jähriger Zuchthausstrafe verurtheilt worden. Aus dem nördlichen Böhmen und aus Mähren laufen weitere Nachrichten von Verweigerung der Rekrutenstellung ein. Auch hören wir, daß der Aufstand der Häusler gegen die Hofbauern in Mähren und Schlesien weiter um sich greift. 102 Wien, 3. Dezember. Im „Kourier“ vom 2ten steht Folgendes: „Unter den Gefangenen, welche man gleich nach der Einnahme der Stadt eingezogen, und in Folge der gravirenden Erhebungen (quel mot!), die gegen sie vorliegen, noch nicht auf freien Fuß (als ob's schon Beispiele gäbe!) gesetzt hat, befindet sich auch der an der Spitze einer Freischaar aus Grätz hieher gekommene pensionirte Hauptmann Eisenbach. Er wurde am 8. Nov. in Wr. Neustadt aufgehalten (wie zart!), weil in seinem Passe eine Unrichtigkeit vorgesunden wurde, und in das Gefangenhaus der Stadthauptmannschaft gebracht. Verleugnet er sein gränzenlos barsches Benehmen (!! Lüge) auch seinen Richtern (!) gegenüber nicht, „so dürfte er sich eben keiner besondern Milde erfreuen“. Schon der Umstand, daß er einer der Präsidenten des Grätzer demokratischen Vereins gewesen sein soll, wird besonders erschwerend einfließen. Dazu kommt noch seine ehemalige Stellung in der Armee, welcher er seine Pension dankt, und daß er als pensionirter Offizier gegen die Truppen focht. Er mag etwa 50 Jahre alt sein. Seine Statur ist groß, in seinem Gesichte liegt ein gewisser Ausdruck der Strenge, und seine Augen verrathen ein unzufriedenes, tobendes Gemüth. Sein Gang ist gemessen, wie der eines Militärs überhaupt, und in seiner prägnanten, bald leisen, bald stürmischen Redeweise, manifestirt sich der Charakter eines Mannes, der, für Revolutionen geschaffen, kein organisirendes Talent in sich trägt.“ — Die „Wiener Neuigkeiten“ dieses Henkerblattes bringen fortwährend ähnliche Verworfenheiten, die mit der satanischsten Besonnenheit verfaßt sind. Selbst die „Geißel“ erröthet darüber. — Eisenbach's Verderben ist nun sicher. Wie weit die Purifikation des Reichstags getrieben werden soll, das können Sie daraus abnehmen, daß selbst für Pillersdorf ein standrechtliches Mißtrauensvotum erzwungen worden ist. — Man spricht von englisch-französischen Noten, die Italiens wegen in Ollmütz eingelaufen sein und einen panischen Schrecken verursacht haben sollen. Ein Kabinetsrath soll darauf stattgefunden haben, zu welchem Jellachich und Windischgrätz herangezogen worden. Das Ministerium scheint, lächerlich genug, selbst dem Auslande gegenüber eine herausfordernde Stellung einnehmen zu wollen, und spricht in seinem Programm: „In allen äußern Beziehungen des Reiches werden wir die Interessen und die Würde Oestreichs zu wahren wissen, und keinerlei beirrenden Einfluß von Außen auf die unabhängige Gestaltung unserer innern Verhältnisse zulassen.“ Die heutige „Presse“ fährt giftig über Palmerston her. Dies Blatt Stadion's sagt: „Frankreich und England hätten

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Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




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Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 164. Köln, 9. Dezember 1848, S. 0878. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz164_1848/2>, abgerufen am 29.03.2024.