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Neue Rheinische Zeitung. Nr. 162. Köln, 7. Dezember 1848.

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auch unterfangen, etwas zu verkaufen und zu kaufen, vorzuschießen oder zu verhypotheziren, ohne den allmächtigen Dey Radetzky um Erlaubniß zu fragen! Wieder eine Probe davon, was man im Oesterreichischen unter Garantie des Eigenthums versteht.

Auf diese Weise bringt Radetzky den Mailändern bei, was Völkerrecht, bürgerliches Recht u. s. w. für Dinge sind. Und die piemontesische Kammer begnügt sich mit einer Nichtigkeitserklärung die selbst nichtig ist, und die Mächte, die die Mediation übernommen haben, sehen ruhig zu! Die französische Republik hat 90,000 Mann an den Alpen stehn, um ihre Mediation zu unterstützen; aber während wir hier erschossen, gebrandschatzt, ausgeplündert werden, rühren die 90,000 Mann keinen Finger, und während Radetzky alle Verträge mit Füßen tritt, erklärt Herr Bastide in der Kammer: die Befreiung Italiens werde die Grundlage des Friedens sein. Die Befreiung Italiens! Noch ein paar Monate Unterdrückung, noch etwas Zeit, daß die römische Revolution überall in Italien wiederhallen kann, und wir werden dieser wortbrüchigen, verrätherischen, feigen französischen Regierung, dieser zweiten verschlechterten Auflage Casimir Perrier's abermals zurufen: L'Italia fara da se!

Apropos! In der Augsb. Ztg. habe ich gelesen, daß Ihre Reichsminister versichert haben, auch sie hätten ein Händchen im Spiel bei dem Frieden, den man für Italien brauen will. Ich will nicht davon sprechen, daß die meisten hiesigen "Kroaten" im Grund lauter deutsche "Reichstruppen" sind; ich möchte nur fragen, ob die Reichsminister, als mitvermittelnde Macht, nicht geneigt wären, die Herren Welcker und Mosle an Radetzky mit der Bitte abzuordnen, gütigst die Verträge halten zu wollen?

* Genua, 28. Novbr.

Nach heute hier empfangenen Nachrichten aus Neapel war der politische Moment daselbst ein sehr gewichtiger. Der König, heißt es, hat Rom und Toskana den Krieg erklärt. Darf man einer Korrespondenz Glauben beimessen, so hat das neapolitanische Ministerium seine Entlassung eingereicht. Hr. Temple, der englische Bevollmächtigte, war am 22. Novbr. noch nicht zu Neapel angekommen. Er soll das Ultimatum in Betreff Siziliens in der Tasche haben, und da der König dem Vernehmen nach die Kammer nicht vor Erledigung der sizilianischen Angelegenheit eröffnen will, so dürfte das längere Ausbleiben Temple's vielleicht unangenehme Folgen haben.

Aus Turin vernehmen wir, daß die Ministerkrise so gut wie sicher ist.

Rom, 25. Nov.

Die Kammern erklärten sich permanent und ernannten eine Kommission von fünf Gliedern zur Redigirung von Proklamationen etc.

Pius IX. verließ Rom am 25. November. Er wird jeden Augenblick in Toulon oder Marseille erwartet. Er hat unter Andern auch den französischen Gesandten, d'Harcourt, zu seinem Begleiter. Es befinden sich mehrere Kardinäle bei ihm, die sich in Rom nicht mehr sicher glaubten. Der Papst schrieb vor seiner Abreise folgenden Brief an Marquis Sacchetti:

"Wir vertrauen Ihrer wohlbekannten Klugheit und Ehrenhaftigkeit die Sorge an, den Minister Galletti von unserer Abreise zu benachrichtigen, indem Sie ihn, wie alle übrigen Minister, ersuchen, nicht blos die öffentlichen Gebäude sondern noch mehr die Personen zu schirmen, die zu unsrer Umgebung gehören und die, gleich Ihnen, über unsern Entschluß in völliger Unkenntniß waren. Allein wenn wir für Sie und die Leute unsers Hauses, weil Sie Alle, wir wiederholen es, von unserm Plan nicht wußten, eine solche Besorgtheit an den Tag legen: so liegt es uns noch mehr am Herzen, diesen Herren (den Ministern) die Ruhe und Ordnung der ganzen Stadt zu empfehlen."

24. November 1848.

"P. P. P. IX."

Als die Flucht des Papstes in Rom bekannt wurde, erließ das neue Ministerium nachstehende Proklamation ans Volk:

"Durch traurige Rathschläge angestachelt hat der Pabst in heutiger Nacht Rom verlassen. In einem so ernsten Augenblick wird das Ministerium die Pflichten uicht vernachlässigen, die ihm das Wohl des Vaterlandes und das Vertrauen des Volkes auferlegen.

Es sind zur Aufrechthaltung der Ordnung und zum Schutze des Lebens und der Interessen der Bürger alle Maaßregeln getroffen.

Es wird alsbald eine permanente Kommission eingesetzt werden, um Jeden, der auf die öffentliche Ordnung oder das Leben der Bürger einen Angriff wagen sollte, mit aller Gesetzesstrenge zu bestrafen. Alle Truppen und Nationalgarden werden in ihren betreffenden Vierteln unter Waffen bleiben und sich auf den ersten Ruf bereit halten. Das Ministerium wird, im Verein mit der Repräsentantenkammer und dem römischen Senat weiter alle Maaßregeln ergreifen, welche die Umstände erheischen werden.

Römer! Baut auf uns! Bleibt Eures Namens würdig und antwortet den Verläumdungen Eurer Feinde durch Eure Seelengröße."

Rom, 25. November.

Muzzarelli, (Conseilspräsident); Galletti;
Lunati; Sterbini; Campello; Sereni.

Welche Stimmung in Rom bei dieser Nachricht herrschte, läßt sich daraus entnehmen, daß, wie berichtet wird, das Volk auf das Hotel des franz. Gesandten, der des Pabstes Flucht begünstigt hatte, mehrere Schüsse abfeuerte.

Es wurde früher viel von den Trasteverinern, als deu fanatischen Anhängern des Pabstes, gesprochen. Allein bei der letzten Revolution haben sie sich in einer ganz andern Weise gezeigt. Sie verhielteu sich keineswegs passiv, wie einige Nachrichten meldeten. Im Gegentheil waren sie es, die mit an der Spitze der Bewegung standen. Ein Trasteveriner, Namens Bietta, war es, der Guizot's Freund, Rossi, erdolchte. Trasteveriner waren es, die auf Straßen und Plätzen den Ruf hören ließen: "Gesegnet sei die Hand, die den Tyrannen erdolcht hat!"

Die neuen Minister haben auf die Hälfte ihres Gehalts zu Gunsten des Staatsschatzes verzichtet. Es heißt, daß Abbe Rosmini nicht nach Paris gereist, sondern in Rom geblieben ist.

Mit vorstehenden Nachrichten trafen in Marseille die römischen Prälaten Piccolomini und della Palma, so wie Rossi's Wittwe und Kinder in Marseille ein.

Rom, 26. Nov.

Das Volk, erzürnt über Harcourts Begünstigung der Flucht des Papstes, schießt gegen das französische Gesandtschaftshaus etc.

Civita-Vecchia, 27. Novbr.

Rom ist vollkommen ruhig. Der Volkszirkel hat seine Macht in die Hände einer provisorischen Regierung niedergelegt.

* Florenz, 26. Nov.

Gestern erfolgte die Abreise des neapolitanischen Gesandten. Sie ist einer Kriegserklärung gleich zu achten.

Der sicilianische Geschäftsträger, der sich hier seit geraumer Zeit aufhält, hatte bei dem Ministerium des Innern um die Erlaubniß nachgesucht, das sicilianische Wappen an seiner Wohnung anbringen zu dürfen. Das Ministerium trug kein Bedenken, ihm zu willfahren, da es hier nicht verboten ist, irgend ein Wappen an beliebiger Stelle anzubringen. Der neapolitanische Gesandte machte jedoch gegen dieses Anbringen des Wappens die lebhaftesten Vorstellungen nnd reiste, als sie nicht berücksichtigt wurden, schleunigst ab.

* Es wiederholt sich das Gerücht, daß der Scharfrichter Ferdinand an Rom und Toskana den Krieg erkärt habe.

Französische Republik.
17 Paris, 4. Dez.

Während die Cavaignac'schen des Generals Biographie und Reden in etlichen Millionen Exemplaren für das Landvolk abdrucken und das Militär auf alle Art cavaignaciren, erlassen viele höhere, theils disponible theils aktive Offiziere, an deren Spitze ein Baron (trotz der republikanischen Adelsabschaffung) folgendes: "In Erwägung, daß die Bürger Cavaignac, Lamoriciere und Charras, in Afrika auf seltsam hastige Weise avancirt sind und zwar ganz außerhalb allen gewöhnlichen Rechts und Administrativwesens; in Erwägung, daß sie seit ihrem Eintritt in die Staatsmacht sich über die Militärreglements hinweggesetzt, obschon darauf die Konstitution und die Kriegsdisciplin beruht; daß sie gegen viele würdige Militärchefs sehr undankbar gewesen, und nur in herber, verachtungsvoller Manier stets mit Bürgern und Kameraden korrespondirten; in Betracht ihres sonderbaren Militärverfahrens am 24 Februar, am 15. Mai und 24. Juni, woraus ihre Ungeschicklichkeit und Böswilligkeit hervorgeht, wie das viele nutzlos verspritzte Blut bezeugt; in Betracht des Mißbrauchs, den sie von ihren hohen Stellungen machen, um die Kandidatur zur Präsidentschaft eines der Ihrigen auf jedwede Weise durchzusetzen, nnd selber ihre jetzigen Aemter zu behalten; in Betracht ihrer Verbindung mit einer unwissenden, ausschließlichen, selbstsüchtigen, verläumderischen, gehässigen, aller Vaterlandsliebe baaren Clique: anderseits in Betracht der rühmlichen Erinnerungen der Kaiserzeit und des unsterblichen Genius, des zweimaligen Opfers, das der Kaiser dem ihm so theuren Frankreich in seiner Krone, Familie, Person und in seinen Schätzen dargebracht hat; in Betracht auch des Exils, der Wackerheit, der Beherztheit, der großartigen Kenntnisse in den Gesetzen, der Kriegskunst, der Verwaltung und der Sitten Frankreichs, in Betracht der honetten, lautern Gesinnungen, des so wesentlich nationalfranzösischen Manifestes und der edeln Gelöbnisse des kaiserlichen Neffen Louis Napoleon Bonaparte gegen Volk und Heer; in Betracht der Situation Europas und Frankreichs endlich, sind die Rivolistraße Nr. 26 vereinigten Offi[z]iere der Ansicht vor Gott und Menschen, daß die Armee, die Offiziere, Unteroffiziere und Soldaten fortan keinen Unterthänigkeits- sondern freien Bürgerakt als Wahlmänner vollziehen müssen, folglich Eugen Cavaignacs Kandidatur zurückweisen und für Louis Bonaparte stimmen." Auch der greise Runkelrübenbauer und Niedermetzler der Arbeiter und Arbeiterinnen nebst Säuglingen in der Straße Transnonain, der Haudegen Marschall Bugeaud, "der Eroberer des marokanischen Sonnenschirms" wie Peuple souverain ihn spöttelnd nennt, meldet heute mit Pomp seine Beistimmung zur bonapartistischen Kandidatur "als Mann der Ordnung." Dito die bekannten "grauköpfigen Staatsschurken" Adolf Thiers, Odilon Barrot, Graf Mole, Berryer, die louis-philippistischen und legitimistischen Generale Oudinot, Baraguay d' Hilliers, Rulhieres, Changarnier (Kommandant der pariser Nationalgarde), und Lebreton endlich, alle "diese Schnurrbärte und Glatzhäupter durch deren Kanonen und Bosheit die französische Nation seit 1831 so elend und thöricht geworden ist", umgeben den spaßhaften Prinzen Bonaparte in schönstem Kranze. Und der Polizeipräfekt, dieser Freund Cavaignacs, zittert und weiß nicht Rath; in der Verzweiflung befahl er den pariser Konstablern, sich zu rasiren "da ein Bart der Polizei nicht gezieme;" der brave Dr. med. Gervais de Caen! Er hat sich sehr erboßt über seinen Vorgänger in der Präfektur, Dr. med. Ducoux, der mit naiver Offenheit publicirt hatte: "die pariser Prostitution sei ungemein gestiegen sowohl durch das Vorhandensein der Mobilgarde, als auch (horribile dictu) seit und durch die Gegenwart so vieler Provinzialnationalgardisten zu Paris in Folge der Juniereignisse." Dies Geständniß war zu toll, und der grobe Ducoux mußte dem fein rasirten Gervais Platz machen.

Die Associationen wachsen; schon haben die Köche eine Vereinsküche und bedienen billig und gut. Noch sind diese Anfänge winzig; " sobald sie den hohen Bourgeois gefährlich zu werden drohen, wird man ein Koalitionsgesetz zu machen versuchen, und dann geht der Socialkrieg los, denn der Arbeiter, der einmal, auch nur einen Tag lang, das Glück einer Association empfunden, schlägt sich wie ein Löwe dafür," bemerkt der Republicain des Ardennes in Sedan.

Das gestrige Bankett der Studenten, Normalschulzöglinge, Bergwerksschüler u. s. w. auf der Barriere du Maine war 800 Mann stark und streng socialdemokratisch.

Die Gährung steigt, da viele kleine Bourgeois ins Proletariat hinabgestürzt sind und dort revolutionär agitiren, und nach mäßiger Berechnung geht das Schiff, auch ohne Stürme, zum Frühlinge sanft zu Grunde. Das Budget von 39 sieht entsetzlich aus. Wenn die Bank ihre Wechsel einforderte, sinken mit einem Schlage wieder tausend Familien hinab. Die Bankette werden daher von vielen, kürzlich noch als Erzbourgeois sich aufführenden Kleinhändlern, Contremaitren, Kleinmeistern u. s. w. selbst in Offiziersuniform der Nationalgarde, besucht; letzten Sonntag fanden neue in und um Paris statt. "Sammelt Euch, Soldaten der Freiheit und des Völkerglücks (Constituant democrate zu Toulouse) und zaudert nicht; schon triumphirt die Contrerevolution auf allen Schlachtfeldern Europas, von dem Weichselstrome bis zur Seine, vom Escurialpalast bis zum Schlosse von Schönbrunn tönt das wüste Hurrah des Despotismus, der die schamlosen Orgien seines theils erkauften Sieges feiert und Rache schnaubt. Windischgrätz, der Blutmann von Wien, präsidirt kaltblütig den Hinrichtungen der dutzendweise herbeigeschleiften Patrioten; Narvaez, der Blutmann von Madrid, versteht es, den edeln Freiheitsmärtyrern sowohl die Kerker der Presidios, als die Kugeln seiner Garden zukommen zu lassen; in Mailand macht Radetzky Brandschatzungen; in Paris amnestirt eine aus dem Volk hervorgegangene Kammer den Chef der Exekutive, der mit souveränem Säbel keck und tyrannisch einige tausend Sieger des Februars, die im Juni das Unglück hatten, sich durch Hunger verführen zu lassen, zu verbannen. Ueberall schmachten die Freiheitskämpfer als Gespenster und lebendige Leichen hinter dem Eisengitter, oder modern im Regen und Wind, unbedeckt mit einer Schaufel Erde. Diese scheußliche Rache nehmen die Herrscher, deren Thron wackelt und nächstens einbrechen wird. Der General Cavaignac ist ein Knecht der Pfäffischen geworden, er ist kapabel, dem Maulthier des Pabstes um den Hals zu fallen. Aber wir wollen das Volk aufwecken... Prinz Bonaparte, dieser brave Abentheurer, hat jetzt 200 Provinzialblätter gegen sich; aber ein großer Held wie er, kehrt sich an keinen Stein des Anstoßes; er stolpert, bis er endlich fällt, um nicht mehr aufzustehen."

12 Paris, 4. Dez.

Die Präsidentschaft: das ist der Glanzpunkt von ganz Frankreich, um den sich Journale, Korrespondenzen, Intriguen und Conversationen drehen. Je näher die Periode heranrückt, je lebendiger werden die Debatten. Wer wird Präsident werden? Wer wird Frankreich retten? "Frankreich muß gerettet werden", das ist der allgemeine Ruf, und es kann nur gerettet werden durch die Wahl eines Präsidenten, durch Cavaignac, sagen die einen, durch Napoleon antworten die andern. Unterdessen lebt man nur noch von der Hoffnung. Das Leben, d. h. das was man im kommerziellen und bürgerlichen Leben so nennt, die Wiederkehr des Kredits, der Ruhe, der Sicherheit, ist völlig suspendirt; man lebt, wie gesagt, nur von der Hoffnung, daß der neue Präsident das alles wiederbringen wird.

Unmittelbar nach der Februarrevolution war ebenfalls mit einem Male Handel und Wandel verschwunden: aber man war im Rausche des Sieges; man übersah das augenblickliche Elend, und man dachte mit der Wahl der konstituirenden Deputirten werde der Credit und die Industrie einen blühendern Aufschwung nehmen als je. In dieser bestimmten Voraussicht fühlte man weniger den Druck des Augenblicks: man war großmüthig, und lebte von der Großmuth. Aber von der Großmuth zehrt man nicht lange. Die konstituirende Versammlung kam zusammen; aber sie brachte den Kredit nicht wieder. Eine Revolution, dachte man, läßt sich nicht so schnell beseitigen; der Kredit hatte schon viel vor der Revolution gelitten; die Verwaltung Guizot's und Louis Philipp's haben die Finanzen verschleudert. Zudem war noch alles im provisorischen Zustande und man erwartete die Wiederkehr des Kredits und die Sicherheit der Transaktionen von der Feststellung der Gewalten. Eiee exekutive Kommission wurde eingesetzt; eine definitive Gewalt trat ein, aber der Verkehr, der Kredit kehrte immer nicht wieder.

"Das ist die Schuld der Spaltung innerhalb der Kommission selbst", hieß es. "Ein Ministerium mit Cavaignac an der Spitze vermag allein das gestörte Zutrauen wiederzubringen." Aber das Ministerium brachte weiter nichts als noch größeres Elend, noch größere Noth und da richtete man sein Augenmerk auf die Vollendung der Constitution. Die Constitution ward fertig und dies Zutrauen, der Kredit, der Handel und Wandel, Ruhe und Ordnung -- alles fiel noch tiefer als je. So halten wir denn jetzt an der Wahl des Präsidenten. Der soll das große Wunder thun! Mit seinem Auftreten sollen die Leute auf einmal gegenseitig Zutrauen fassen und mit völliger Sicherheit den Austansch, den Verkehr betreiben. Die jetzt herrschende Partei ist die des Nationals und diese Partei kann nur am Ruder bleiben durch die Wahl Cavaignac's.

Betrachten wir nun die bevorstehenden Wahlen, vom praktischen, vom "bürgerlichen" Standpunkte, vom Standpunkte des Handels, der Curse, der Rente, so müssen wir vor allen Dingen uns am Journal des Debats halten, das einzig und allein die Rothschildschen Interessen vertritt, und vertreten muß, da Bertin Besitzer von Staatsrenten ist. Nun sehen wir: das Journal des Debats tritt für Cavaignac auf, und alle seine Freunde, seine frühern Helden wenden sich auf Seite Napoleon's. Der Marschall Bugeaud, der selbst anfangs als gepriesener Kandidat der Präsidentschaft da stand, schreibt dem Blatte Bertins, daß er sich zu der Candidatur Napoleons bekenne, weil von daher bloß "die Ordnung" wiederkommen könne. Alle Philippisten und Orleanisten, wie Thiers, Mole und Barrot stehen auf Seite Napoleon's, weil sie durch ihn und mit seinem Sturze wieder zu der alten "königlichen Ruhe" zu kommen hoffen, und das Journal des Debats, dessen königl. Gesinnungen nicht bezweifelt werden können, stimmt für Cavaignac!

Mole und Thiers uud Bugeaud stimmen für einen Mann, dem sie früher Fußtritte gaben, und mit Fußtritten vor die Thüren Frankreichs warfen, und das Alles der banquerutt gewordenen Ruhe und Ordnung wegen; und die Debats stimmen für einen Mann, der ihm und seinen Helden etwas mehr als Fußtritte gegeben hat, damit die Ruhe und Ordnung, wie sie jetzt bestehe, nicht abermals Bankerutt machen. Wie ist das zu verstehen? Was ist denn die Ruhe und Ordnung der Einen und der Andern? Giebt es zwei Arten von Ordnung und Ruhe?

In den pariser Hospitälern herrscht, wie man weiß, die größte Ordnung, die größte Reinlichkeit. Zu beiden Seiten eines ungeheuren Saales erstreckt sich eine unabsehbare Reihe von Betten mit blendend weißen Ueberzügen und die schwarzen Schwestern wandeln auf und ab mit den Krankenwärtern zur Seite, und machen, daß Alles in der größten Ordnung und Ruhe und Reinlichkeit verbleibe. Nichts wandelbarer als die Kranken in diesen Sälen.

Kaum ist Einer verschieden, und es verscheiden in einem ungeheuern Saale und in der jetzigen Noth manchmal 10, 20 zu gleicher Zeit, so werden die Betten auf der Stelle gereinigt, gelüftet und 2 Stunden nachher nimmt ein anderer Kranker die Stelle des Verschiedenen ein. Der Reichthum eines Pariser Hospitals besteht in seinen Betten; die hauptsächlichste Wachsamkeit der Schwestern erstreckt sich auf die Betten; die Betten sind das Permanente in dem revolutionären Wechsel der Kranken.

Die Betten, das ist die Ruhe und Ordnung -- das ist der Reichthum, der die Zinsen abwirft; das sind die eigentlichen Fonds des Journals des Debats, und die schwarze Schwester, das Journal des Debats, wacht über seine Betten mit wahrhafter Besorgniß: es will die Betten -- die Ruhe und Ordnung -- um jeden möglichen Preis aufrecht halten, damit noch andere Kranke, noch tausende Kranker in ihnen verscheiden können. Denn die Zeiten sind schlecht und von jedem Kranken erhält der sogenannte Entrepreneur einen Franken!

Thiers, Mole, Bugeaud u. s. w. verstehen nicht mehr das ehemals so gut von ihnen verstandene Journal des Debats, so wie das Journal des Debats seine ehemaligen Freunde nicht mehr versteht. So lange Thiers und Mole und Bugeaud u. s. w. an der Spitze der Regierung standen, so lange sie "die Ruhe und Ordnung" des Kapitals aufrecht hielten und die Betten des Hrn. Rothschild's machten, war das Journal des Debats ihr natürliches Organ. Jetzt sehen sie sich auf einmal von Leuten auf die Seite geschoben, die ihnen zwar beständig Opposition machten, aber die in ihren kühnsten Erwartungen sich nie träumen ließen, so plötzlich und mit einem Male an die Spitze zu kommen.

Ein Marrast, Präsident der Nationalversammlung, Fabrikant der Konstitution, vor dem nun eine ganze Reihe von Nationalgardisten die Gewehre präsentiren, wenn er, der frühere Dominospieler, gravitätisch seinem Präsidentenstuhl zuschreitet. Und nun noch gar ein Bastide, ein Cavaignac! Das ist natürlich zu arg für einen Mole und Bugeaud und Thiers, und sie schlagen sich auf die Seite Louis Napoleons, weil sie denken: Wir haben schon einmal den Napoleon mit einem Fußtritt über's Meer geschleudert, wir können ihn noch einmal zu den Konstablern schicken! Dem Hrn. Rothschild und seinem Organe, den Debats, ist es natürlich gleichgültig, wer seine Betten macht, wenn sie nur schnell und sicher gemacht werden und recht viele Kranken aufnehmen können. Cavaignac hat seine Probe überstanden und er ist der Mann Rothschilds. Die armen Kranken! sie sind am meisten zu bedaueru. Man zankt sich um ihre "Ruhe und Ordnung!" Es ist die Ruhe und Ordnung des Hospitals und wenn nun noch gar Cavaignac ihr Krankenwächter wird, so sei ihnen der Himmel gnädig.

* Paris, 4. Dezember.

Der Telegraph meldete heute Morgen der Regierung, der Papst sei am 2. Dezbr. in Marseille gelandet. Er hätte bei Corsika Halt gemacht wegen stürmischem Wetter. Kultusminister Freslon war bereits am Tage vorher in Marseille eingetroffen.

Eine spätere Nachricht 4 Uhr Nachmittags meldet, der Papst sei noch in Gaeta. Ein Courier des Admirals Parker bringt dagegen (5 Uhr Nachmittags) durch Paris nach London dem dortigen Kabinet die Nachricht, der Papst sei in Malta gelandet.

Einstweilen ist also der Aufenthaltsort des Papstes noch Geheimniß.

Paris, den 4. Dec.

"Die Nationalversammlung schickt ihr ganzes Bureau dem Papste bis Bourges entgegen. Sr. Heiligkeit wird sicher sehr erfreut sein, dieses Häuflein Voltairianer ihr ent-

* Der "Nouvelliste de Marseille" vom 29. November theilt Folgendes mit:

auch unterfangen, etwas zu verkaufen und zu kaufen, vorzuschießen oder zu verhypotheziren, ohne den allmächtigen Dey Radetzky um Erlaubniß zu fragen! Wieder eine Probe davon, was man im Oesterreichischen unter Garantie des Eigenthums versteht.

Auf diese Weise bringt Radetzky den Mailändern bei, was Völkerrecht, bürgerliches Recht u. s. w. für Dinge sind. Und die piemontesische Kammer begnügt sich mit einer Nichtigkeitserklärung die selbst nichtig ist, und die Mächte, die die Mediation übernommen haben, sehen ruhig zu! Die französische Republik hat 90,000 Mann an den Alpen stehn, um ihre Mediation zu unterstützen; aber während wir hier erschossen, gebrandschatzt, ausgeplündert werden, rühren die 90,000 Mann keinen Finger, und während Radetzky alle Verträge mit Füßen tritt, erklärt Herr Bastide in der Kammer: die Befreiung Italiens werde die Grundlage des Friedens sein. Die Befreiung Italiens! Noch ein paar Monate Unterdrückung, noch etwas Zeit, daß die römische Revolution überall in Italien wiederhallen kann, und wir werden dieser wortbrüchigen, verrätherischen, feigen französischen Regierung, dieser zweiten verschlechterten Auflage Casimir Perrier's abermals zurufen: L'Italia farà da se!

Apropos! In der Augsb. Ztg. habe ich gelesen, daß Ihre Reichsminister versichert haben, auch sie hätten ein Händchen im Spiel bei dem Frieden, den man für Italien brauen will. Ich will nicht davon sprechen, daß die meisten hiesigen „Kroaten“ im Grund lauter deutsche „Reichstruppen“ sind; ich möchte nur fragen, ob die Reichsminister, als mitvermittelnde Macht, nicht geneigt wären, die Herren Welcker und Mosle an Radetzky mit der Bitte abzuordnen, gütigst die Verträge halten zu wollen?

* Genua, 28. Novbr.

Nach heute hier empfangenen Nachrichten aus Neapel war der politische Moment daselbst ein sehr gewichtiger. Der König, heißt es, hat Rom und Toskana den Krieg erklärt. Darf man einer Korrespondenz Glauben beimessen, so hat das neapolitanische Ministerium seine Entlassung eingereicht. Hr. Temple, der englische Bevollmächtigte, war am 22. Novbr. noch nicht zu Neapel angekommen. Er soll das Ultimatum in Betreff Siziliens in der Tasche haben, und da der König dem Vernehmen nach die Kammer nicht vor Erledigung der sizilianischen Angelegenheit eröffnen will, so dürfte das längere Ausbleiben Temple's vielleicht unangenehme Folgen haben.

Aus Turin vernehmen wir, daß die Ministerkrise so gut wie sicher ist.

Rom, 25. Nov.

Die Kammern erklärten sich permanent und ernannten eine Kommission von fünf Gliedern zur Redigirung von Proklamationen etc.

Pius IX. verließ Rom am 25. November. Er wird jeden Augenblick in Toulon oder Marseille erwartet. Er hat unter Andern auch den französischen Gesandten, d'Harcourt, zu seinem Begleiter. Es befinden sich mehrere Kardinäle bei ihm, die sich in Rom nicht mehr sicher glaubten. Der Papst schrieb vor seiner Abreise folgenden Brief an Marquis Sacchetti:

„Wir vertrauen Ihrer wohlbekannten Klugheit und Ehrenhaftigkeit die Sorge an, den Minister Galletti von unserer Abreise zu benachrichtigen, indem Sie ihn, wie alle übrigen Minister, ersuchen, nicht blos die öffentlichen Gebäude sondern noch mehr die Personen zu schirmen, die zu unsrer Umgebung gehören und die, gleich Ihnen, über unsern Entschluß in völliger Unkenntniß waren. Allein wenn wir für Sie und die Leute unsers Hauses, weil Sie Alle, wir wiederholen es, von unserm Plan nicht wußten, eine solche Besorgtheit an den Tag legen: so liegt es uns noch mehr am Herzen, diesen Herren (den Ministern) die Ruhe und Ordnung der ganzen Stadt zu empfehlen.“

24. November 1848.

„P. P. P. IX.“

Als die Flucht des Papstes in Rom bekannt wurde, erließ das neue Ministerium nachstehende Proklamation ans Volk:

„Durch traurige Rathschläge angestachelt hat der Pabst in heutiger Nacht Rom verlassen. In einem so ernsten Augenblick wird das Ministerium die Pflichten uicht vernachlässigen, die ihm das Wohl des Vaterlandes und das Vertrauen des Volkes auferlegen.

Es sind zur Aufrechthaltung der Ordnung und zum Schutze des Lebens und der Interessen der Bürger alle Maaßregeln getroffen.

Es wird alsbald eine permanente Kommission eingesetzt werden, um Jeden, der auf die öffentliche Ordnung oder das Leben der Bürger einen Angriff wagen sollte, mit aller Gesetzesstrenge zu bestrafen. Alle Truppen und Nationalgarden werden in ihren betreffenden Vierteln unter Waffen bleiben und sich auf den ersten Ruf bereit halten. Das Ministerium wird, im Verein mit der Repräsentantenkammer und dem römischen Senat weiter alle Maaßregeln ergreifen, welche die Umstände erheischen werden.

Römer! Baut auf uns! Bleibt Eures Namens würdig und antwortet den Verläumdungen Eurer Feinde durch Eure Seelengröße.“

Rom, 25. November.

Muzzarelli, (Conseilspräsident); Galletti;
Lunati; Sterbini; Campello; Sereni.

Welche Stimmung in Rom bei dieser Nachricht herrschte, läßt sich daraus entnehmen, daß, wie berichtet wird, das Volk auf das Hotel des franz. Gesandten, der des Pabstes Flucht begünstigt hatte, mehrere Schüsse abfeuerte.

Es wurde früher viel von den Trasteverinern, als deu fanatischen Anhängern des Pabstes, gesprochen. Allein bei der letzten Revolution haben sie sich in einer ganz andern Weise gezeigt. Sie verhielteu sich keineswegs passiv, wie einige Nachrichten meldeten. Im Gegentheil waren sie es, die mit an der Spitze der Bewegung standen. Ein Trasteveriner, Namens Bietta, war es, der Guizot's Freund, Rossi, erdolchte. Trasteveriner waren es, die auf Straßen und Plätzen den Ruf hören ließen: „Gesegnet sei die Hand, die den Tyrannen erdolcht hat!“

Die neuen Minister haben auf die Hälfte ihres Gehalts zu Gunsten des Staatsschatzes verzichtet. Es heißt, daß Abbe Rosmini nicht nach Paris gereist, sondern in Rom geblieben ist.

Mit vorstehenden Nachrichten trafen in Marseille die römischen Prälaten Piccolomini und della Palma, so wie Rossi's Wittwe und Kinder in Marseille ein.

Rom, 26. Nov.

Das Volk, erzürnt über Harcourts Begünstigung der Flucht des Papstes, schießt gegen das französische Gesandtschaftshaus etc.

Civita-Vecchia, 27. Novbr.

Rom ist vollkommen ruhig. Der Volkszirkel hat seine Macht in die Hände einer provisorischen Regierung niedergelegt.

* Florenz, 26. Nov.

Gestern erfolgte die Abreise des neapolitanischen Gesandten. Sie ist einer Kriegserklärung gleich zu achten.

Der sicilianische Geschäftsträger, der sich hier seit geraumer Zeit aufhält, hatte bei dem Ministerium des Innern um die Erlaubniß nachgesucht, das sicilianische Wappen an seiner Wohnung anbringen zu dürfen. Das Ministerium trug kein Bedenken, ihm zu willfahren, da es hier nicht verboten ist, irgend ein Wappen an beliebiger Stelle anzubringen. Der neapolitanische Gesandte machte jedoch gegen dieses Anbringen des Wappens die lebhaftesten Vorstellungen nnd reiste, als sie nicht berücksichtigt wurden, schleunigst ab.

* Es wiederholt sich das Gerücht, daß der Scharfrichter Ferdinand an Rom und Toskana den Krieg erkärt habe.

Französische Republik.
17 Paris, 4. Dez.

Während die Cavaignac'schen des Generals Biographie und Reden in etlichen Millionen Exemplaren für das Landvolk abdrucken und das Militär auf alle Art cavaignaciren, erlassen viele höhere, theils disponible theils aktive Offiziere, an deren Spitze ein Baron (trotz der republikanischen Adelsabschaffung) folgendes: „In Erwägung, daß die Bürger Cavaignac, Lamoriciere und Charras, in Afrika auf seltsam hastige Weise avancirt sind und zwar ganz außerhalb allen gewöhnlichen Rechts und Administrativwesens; in Erwägung, daß sie seit ihrem Eintritt in die Staatsmacht sich über die Militärreglements hinweggesetzt, obschon darauf die Konstitution und die Kriegsdisciplin beruht; daß sie gegen viele würdige Militärchefs sehr undankbar gewesen, und nur in herber, verachtungsvoller Manier stets mit Bürgern und Kameraden korrespondirten; in Betracht ihres sonderbaren Militärverfahrens am 24 Februar, am 15. Mai und 24. Juni, woraus ihre Ungeschicklichkeit und Böswilligkeit hervorgeht, wie das viele nutzlos verspritzte Blut bezeugt; in Betracht des Mißbrauchs, den sie von ihren hohen Stellungen machen, um die Kandidatur zur Präsidentschaft eines der Ihrigen auf jedwede Weise durchzusetzen, nnd selber ihre jetzigen Aemter zu behalten; in Betracht ihrer Verbindung mit einer unwissenden, ausschließlichen, selbstsüchtigen, verläumderischen, gehässigen, aller Vaterlandsliebe baaren Clique: anderseits in Betracht der rühmlichen Erinnerungen der Kaiserzeit und des unsterblichen Genius, des zweimaligen Opfers, das der Kaiser dem ihm so theuren Frankreich in seiner Krone, Familie, Person und in seinen Schätzen dargebracht hat; in Betracht auch des Exils, der Wackerheit, der Beherztheit, der großartigen Kenntnisse in den Gesetzen, der Kriegskunst, der Verwaltung und der Sitten Frankreichs, in Betracht der honetten, lautern Gesinnungen, des so wesentlich nationalfranzösischen Manifestes und der edeln Gelöbnisse des kaiserlichen Neffen Louis Napoleon Bonaparte gegen Volk und Heer; in Betracht der Situation Europas und Frankreichs endlich, sind die Rivolistraße Nr. 26 vereinigten Offi[z]iere der Ansicht vor Gott und Menschen, daß die Armee, die Offiziere, Unteroffiziere und Soldaten fortan keinen Unterthänigkeits- sondern freien Bürgerakt als Wahlmänner vollziehen müssen, folglich Eugen Cavaignacs Kandidatur zurückweisen und für Louis Bonaparte stimmen.“ Auch der greise Runkelrübenbauer und Niedermetzler der Arbeiter und Arbeiterinnen nebst Säuglingen in der Straße Transnonain, der Haudegen Marschall Bugeaud, „der Eroberer des marokanischen Sonnenschirms“ wie Peuple souverain ihn spöttelnd nennt, meldet heute mit Pomp seine Beistimmung zur bonapartistischen Kandidatur „als Mann der Ordnung.“ Dito die bekannten „grauköpfigen Staatsschurken“ Adolf Thiers, Odilon Barrot, Graf Molé, Berryer, die louis-philippistischen und legitimistischen Generale Oudinot, Baraguay d' Hilliers, Rulhieres, Changarnier (Kommandant der pariser Nationalgarde), und Lebreton endlich, alle „diese Schnurrbärte und Glatzhäupter durch deren Kanonen und Bosheit die französische Nation seit 1831 so elend und thöricht geworden ist“, umgeben den spaßhaften Prinzen Bonaparte in schönstem Kranze. Und der Polizeipräfekt, dieser Freund Cavaignacs, zittert und weiß nicht Rath; in der Verzweiflung befahl er den pariser Konstablern, sich zu rasiren „da ein Bart der Polizei nicht gezieme;“ der brave Dr. med. Gervais de Caen! Er hat sich sehr erboßt über seinen Vorgänger in der Präfektur, Dr. med. Ducoux, der mit naiver Offenheit publicirt hatte: „die pariser Prostitution sei ungemein gestiegen sowohl durch das Vorhandensein der Mobilgarde, als auch (horribile dictu) seit und durch die Gegenwart so vieler Provinzialnationalgardisten zu Paris in Folge der Juniereignisse.“ Dies Geständniß war zu toll, und der grobe Ducoux mußte dem fein rasirten Gervais Platz machen.

Die Associationen wachsen; schon haben die Köche eine Vereinsküche und bedienen billig und gut. Noch sind diese Anfänge winzig; „ sobald sie den hohen Bourgeois gefährlich zu werden drohen, wird man ein Koalitionsgesetz zu machen versuchen, und dann geht der Socialkrieg los, denn der Arbeiter, der einmal, auch nur einen Tag lang, das Glück einer Association empfunden, schlägt sich wie ein Löwe dafür,“ bemerkt der Republicain des Ardennes in Sedan.

Das gestrige Bankett der Studenten, Normalschulzöglinge, Bergwerksschüler u. s. w. auf der Barriere du Maine war 800 Mann stark und streng socialdemokratisch.

Die Gährung steigt, da viele kleine Bourgeois ins Proletariat hinabgestürzt sind und dort revolutionär agitiren, und nach mäßiger Berechnung geht das Schiff, auch ohne Stürme, zum Frühlinge sanft zu Grunde. Das Budget von 39 sieht entsetzlich aus. Wenn die Bank ihre Wechsel einforderte, sinken mit einem Schlage wieder tausend Familien hinab. Die Bankette werden daher von vielen, kürzlich noch als Erzbourgeois sich aufführenden Kleinhändlern, Contremaitren, Kleinmeistern u. s. w. selbst in Offiziersuniform der Nationalgarde, besucht; letzten Sonntag fanden neue in und um Paris statt. „Sammelt Euch, Soldaten der Freiheit und des Völkerglücks (Constituant democrate zu Toulouse) und zaudert nicht; schon triumphirt die Contrerevolution auf allen Schlachtfeldern Europas, von dem Weichselstrome bis zur Seine, vom Escurialpalast bis zum Schlosse von Schönbrunn tönt das wüste Hurrah des Despotismus, der die schamlosen Orgien seines theils erkauften Sieges feiert und Rache schnaubt. Windischgrätz, der Blutmann von Wien, präsidirt kaltblütig den Hinrichtungen der dutzendweise herbeigeschleiften Patrioten; Narvaez, der Blutmann von Madrid, versteht es, den edeln Freiheitsmärtyrern sowohl die Kerker der Presidios, als die Kugeln seiner Garden zukommen zu lassen; in Mailand macht Radetzky Brandschatzungen; in Paris amnestirt eine aus dem Volk hervorgegangene Kammer den Chef der Exekutive, der mit souveränem Säbel keck und tyrannisch einige tausend Sieger des Februars, die im Juni das Unglück hatten, sich durch Hunger verführen zu lassen, zu verbannen. Ueberall schmachten die Freiheitskämpfer als Gespenster und lebendige Leichen hinter dem Eisengitter, oder modern im Regen und Wind, unbedeckt mit einer Schaufel Erde. Diese scheußliche Rache nehmen die Herrscher, deren Thron wackelt und nächstens einbrechen wird. Der General Cavaignac ist ein Knecht der Pfäffischen geworden, er ist kapabel, dem Maulthier des Pabstes um den Hals zu fallen. Aber wir wollen das Volk aufwecken… Prinz Bonaparte, dieser brave Abentheurer, hat jetzt 200 Provinzialblätter gegen sich; aber ein großer Held wie er, kehrt sich an keinen Stein des Anstoßes; er stolpert, bis er endlich fällt, um nicht mehr aufzustehen.“

12 Paris, 4. Dez.

Die Präsidentschaft: das ist der Glanzpunkt von ganz Frankreich, um den sich Journale, Korrespondenzen, Intriguen und Conversationen drehen. Je näher die Periode heranrückt, je lebendiger werden die Debatten. Wer wird Präsident werden? Wer wird Frankreich retten? „Frankreich muß gerettet werden“, das ist der allgemeine Ruf, und es kann nur gerettet werden durch die Wahl eines Präsidenten, durch Cavaignac, sagen die einen, durch Napoleon antworten die andern. Unterdessen lebt man nur noch von der Hoffnung. Das Leben, d. h. das was man im kommerziellen und bürgerlichen Leben so nennt, die Wiederkehr des Kredits, der Ruhe, der Sicherheit, ist völlig suspendirt; man lebt, wie gesagt, nur von der Hoffnung, daß der neue Präsident das alles wiederbringen wird.

Unmittelbar nach der Februarrevolution war ebenfalls mit einem Male Handel und Wandel verschwunden: aber man war im Rausche des Sieges; man übersah das augenblickliche Elend, und man dachte mit der Wahl der konstituirenden Deputirten werde der Credit und die Industrie einen blühendern Aufschwung nehmen als je. In dieser bestimmten Voraussicht fühlte man weniger den Druck des Augenblicks: man war großmüthig, und lebte von der Großmuth. Aber von der Großmuth zehrt man nicht lange. Die konstituirende Versammlung kam zusammen; aber sie brachte den Kredit nicht wieder. Eine Revolution, dachte man, läßt sich nicht so schnell beseitigen; der Kredit hatte schon viel vor der Revolution gelitten; die Verwaltung Guizot's und Louis Philipp's haben die Finanzen verschleudert. Zudem war noch alles im provisorischen Zustande und man erwartete die Wiederkehr des Kredits und die Sicherheit der Transaktionen von der Feststellung der Gewalten. Eiee exekutive Kommission wurde eingesetzt; eine definitive Gewalt trat ein, aber der Verkehr, der Kredit kehrte immer nicht wieder.

„Das ist die Schuld der Spaltung innerhalb der Kommission selbst“, hieß es. „Ein Ministerium mit Cavaignac an der Spitze vermag allein das gestörte Zutrauen wiederzubringen.“ Aber das Ministerium brachte weiter nichts als noch größeres Elend, noch größere Noth und da richtete man sein Augenmerk auf die Vollendung der Constitution. Die Constitution ward fertig und dies Zutrauen, der Kredit, der Handel und Wandel, Ruhe und Ordnung — alles fiel noch tiefer als je. So halten wir denn jetzt an der Wahl des Präsidenten. Der soll das große Wunder thun! Mit seinem Auftreten sollen die Leute auf einmal gegenseitig Zutrauen fassen und mit völliger Sicherheit den Austansch, den Verkehr betreiben. Die jetzt herrschende Partei ist die des Nationals und diese Partei kann nur am Ruder bleiben durch die Wahl Cavaignac's.

Betrachten wir nun die bevorstehenden Wahlen, vom praktischen, vom „bürgerlichen“ Standpunkte, vom Standpunkte des Handels, der Curse, der Rente, so müssen wir vor allen Dingen uns am Journal des Debats halten, das einzig und allein die Rothschildschen Interessen vertritt, und vertreten muß, da Bertin Besitzer von Staatsrenten ist. Nun sehen wir: das Journal des Debats tritt für Cavaignac auf, und alle seine Freunde, seine frühern Helden wenden sich auf Seite Napoleon's. Der Marschall Bugeaud, der selbst anfangs als gepriesener Kandidat der Präsidentschaft da stand, schreibt dem Blatte Bertins, daß er sich zu der Candidatur Napoleons bekenne, weil von daher bloß „die Ordnung“ wiederkommen könne. Alle Philippisten und Orleanisten, wie Thiers, Molé und Barrot stehen auf Seite Napoleon's, weil sie durch ihn und mit seinem Sturze wieder zu der alten „königlichen Ruhe“ zu kommen hoffen, und das Journal des Debats, dessen königl. Gesinnungen nicht bezweifelt werden können, stimmt für Cavaignac!

Molé und Thiers uud Bugeaud stimmen für einen Mann, dem sie früher Fußtritte gaben, und mit Fußtritten vor die Thüren Frankreichs warfen, und das Alles der banquerutt gewordenen Ruhe und Ordnung wegen; und die Debats stimmen für einen Mann, der ihm und seinen Helden etwas mehr als Fußtritte gegeben hat, damit die Ruhe und Ordnung, wie sie jetzt bestehe, nicht abermals Bankerutt machen. Wie ist das zu verstehen? Was ist denn die Ruhe und Ordnung der Einen und der Andern? Giebt es zwei Arten von Ordnung und Ruhe?

In den pariser Hospitälern herrscht, wie man weiß, die größte Ordnung, die größte Reinlichkeit. Zu beiden Seiten eines ungeheuren Saales erstreckt sich eine unabsehbare Reihe von Betten mit blendend weißen Ueberzügen und die schwarzen Schwestern wandeln auf und ab mit den Krankenwärtern zur Seite, und machen, daß Alles in der größten Ordnung und Ruhe und Reinlichkeit verbleibe. Nichts wandelbarer als die Kranken in diesen Sälen.

Kaum ist Einer verschieden, und es verscheiden in einem ungeheuern Saale und in der jetzigen Noth manchmal 10, 20 zu gleicher Zeit, so werden die Betten auf der Stelle gereinigt, gelüftet und 2 Stunden nachher nimmt ein anderer Kranker die Stelle des Verschiedenen ein. Der Reichthum eines Pariser Hospitals besteht in seinen Betten; die hauptsächlichste Wachsamkeit der Schwestern erstreckt sich auf die Betten; die Betten sind das Permanente in dem revolutionären Wechsel der Kranken.

Die Betten, das ist die Ruhe und Ordnung — das ist der Reichthum, der die Zinsen abwirft; das sind die eigentlichen Fonds des Journals des Debats, und die schwarze Schwester, das Journal des Debats, wacht über seine Betten mit wahrhafter Besorgniß: es will die Betten — die Ruhe und Ordnung — um jeden möglichen Preis aufrecht halten, damit noch andere Kranke, noch tausende Kranker in ihnen verscheiden können. Denn die Zeiten sind schlecht und von jedem Kranken erhält der sogenannte Entrepreneur einen Franken!

Thiers, Molé, Bugeaud u. s. w. verstehen nicht mehr das ehemals so gut von ihnen verstandene Journal des Debats, so wie das Journal des Debats seine ehemaligen Freunde nicht mehr versteht. So lange Thiers und Molé und Bugeaud u. s. w. an der Spitze der Regierung standen, so lange sie „die Ruhe und Ordnung“ des Kapitals aufrecht hielten und die Betten des Hrn. Rothschild's machten, war das Journal des Debats ihr natürliches Organ. Jetzt sehen sie sich auf einmal von Leuten auf die Seite geschoben, die ihnen zwar beständig Opposition machten, aber die in ihren kühnsten Erwartungen sich nie träumen ließen, so plötzlich und mit einem Male an die Spitze zu kommen.

Ein Marrast, Präsident der Nationalversammlung, Fabrikant der Konstitution, vor dem nun eine ganze Reihe von Nationalgardisten die Gewehre präsentiren, wenn er, der frühere Dominospieler, gravitätisch seinem Präsidentenstuhl zuschreitet. Und nun noch gar ein Bastide, ein Cavaignac! Das ist natürlich zu arg für einen Molé und Bugeaud und Thiers, und sie schlagen sich auf die Seite Louis Napoleons, weil sie denken: Wir haben schon einmal den Napoleon mit einem Fußtritt über's Meer geschleudert, wir können ihn noch einmal zu den Konstablern schicken! Dem Hrn. Rothschild und seinem Organe, den Debats, ist es natürlich gleichgültig, wer seine Betten macht, wenn sie nur schnell und sicher gemacht werden und recht viele Kranken aufnehmen können. Cavaignac hat seine Probe überstanden und er ist der Mann Rothschilds. Die armen Kranken! sie sind am meisten zu bedaueru. Man zankt sich um ihre „Ruhe und Ordnung!“ Es ist die Ruhe und Ordnung des Hospitals und wenn nun noch gar Cavaignac ihr Krankenwächter wird, so sei ihnen der Himmel gnädig.

* Paris, 4. Dezember.

Der Telegraph meldete heute Morgen der Regierung, der Papst sei am 2. Dezbr. in Marseille gelandet. Er hätte bei Corsika Halt gemacht wegen stürmischem Wetter. Kultusminister Freslon war bereits am Tage vorher in Marseille eingetroffen.

Eine spätere Nachricht 4 Uhr Nachmittags meldet, der Papst sei noch in Gaeta. Ein Courier des Admirals Parker bringt dagegen (5 Uhr Nachmittags) durch Paris nach London dem dortigen Kabinet die Nachricht, der Papst sei in Malta gelandet.

Einstweilen ist also der Aufenthaltsort des Papstes noch Geheimniß.

Paris, den 4. Dec.

„Die Nationalversammlung schickt ihr ganzes Bureau dem Papste bis Bourges entgegen. Sr. Heiligkeit wird sicher sehr erfreut sein, dieses Häuflein Voltairianer ihr ent-

* Der „Nouvelliste de Marseille“ vom 29. November theilt Folgendes mit:
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          <p><pb facs="#f0003" n="0865"/>
auch unterfangen, etwas zu verkaufen und zu kaufen, vorzuschießen oder zu verhypotheziren, ohne den allmächtigen Dey Radetzky um Erlaubniß zu fragen! Wieder eine Probe davon, was man im Oesterreichischen unter Garantie des Eigenthums versteht.</p>
          <p>Auf diese Weise bringt Radetzky den Mailändern bei, was Völkerrecht, bürgerliches Recht u. s. w. für Dinge sind. Und die piemontesische Kammer begnügt sich mit einer Nichtigkeitserklärung die selbst nichtig ist, und die Mächte, die die Mediation übernommen haben, sehen ruhig zu! Die französische Republik hat 90,000 Mann an den Alpen stehn, um ihre Mediation zu unterstützen; aber während wir hier erschossen, gebrandschatzt, ausgeplündert werden, rühren die 90,000 Mann keinen Finger, und während Radetzky alle Verträge mit Füßen tritt, erklärt Herr Bastide in der Kammer: die Befreiung Italiens werde die Grundlage des Friedens sein. Die Befreiung Italiens! Noch ein paar Monate Unterdrückung, noch etwas Zeit, daß die römische Revolution überall in Italien wiederhallen kann, und wir werden dieser wortbrüchigen, verrätherischen, feigen französischen Regierung, dieser zweiten verschlechterten Auflage Casimir Perrier's abermals zurufen: L'Italia farà da se!</p>
          <p>Apropos! In der Augsb. Ztg. habe ich gelesen, daß Ihre Reichsminister versichert haben, auch sie hätten ein Händchen im Spiel bei dem Frieden, den man für Italien brauen will. Ich will nicht davon sprechen, daß die meisten hiesigen &#x201E;Kroaten&#x201C; im Grund lauter deutsche &#x201E;Reichstruppen&#x201C; sind; ich möchte nur fragen, ob die Reichsminister, als mitvermittelnde Macht, nicht geneigt wären, die Herren Welcker und Mosle an Radetzky mit der Bitte abzuordnen, gütigst die Verträge halten zu wollen?</p>
        </div>
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          <head><bibl><author>*</author></bibl> Genua, 28. Novbr.</head>
          <p>Nach heute hier empfangenen Nachrichten aus Neapel war der politische Moment daselbst ein sehr gewichtiger. Der König, heißt es, hat Rom und Toskana den Krieg erklärt. Darf man einer Korrespondenz Glauben beimessen, so hat das neapolitanische Ministerium seine Entlassung eingereicht. Hr. Temple, der englische Bevollmächtigte, war am 22. Novbr. noch nicht zu Neapel angekommen. Er soll das Ultimatum in Betreff Siziliens in der Tasche haben, und da der König dem Vernehmen nach die Kammer nicht vor Erledigung der sizilianischen Angelegenheit eröffnen will, so dürfte das längere Ausbleiben Temple's vielleicht unangenehme Folgen haben.</p>
          <p>Aus Turin vernehmen wir, daß die Ministerkrise so gut wie sicher ist.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar162_016" type="jArticle">
          <head>Rom, 25. Nov.</head>
          <p>Die Kammern erklärten sich permanent und ernannten eine Kommission von fünf Gliedern zur Redigirung von Proklamationen etc.</p>
          <note place="foot">* Der &#x201E;Nouvelliste de Marseille&#x201C; vom 29. November theilt Folgendes mit:</note>
          <p>Pius IX. verließ Rom am 25. November. Er wird jeden Augenblick in Toulon oder Marseille erwartet. Er hat unter Andern auch den französischen Gesandten, d'Harcourt, zu seinem Begleiter. Es befinden sich mehrere Kardinäle bei ihm, die sich in Rom nicht mehr sicher glaubten. Der Papst schrieb vor seiner Abreise folgenden Brief an Marquis Sacchetti:</p>
          <p>&#x201E;Wir vertrauen Ihrer wohlbekannten Klugheit und Ehrenhaftigkeit die Sorge an, den Minister Galletti von unserer Abreise zu benachrichtigen, indem Sie ihn, wie alle übrigen Minister, ersuchen, nicht blos die öffentlichen Gebäude sondern noch mehr die Personen zu schirmen, die zu unsrer Umgebung gehören und die, gleich Ihnen, über unsern Entschluß in völliger Unkenntniß waren. Allein wenn wir für Sie und die Leute unsers Hauses, weil Sie Alle, wir wiederholen es, von unserm Plan nicht wußten, eine solche Besorgtheit an den Tag legen: so liegt es uns noch mehr am Herzen, diesen Herren (den Ministern) die Ruhe und Ordnung der ganzen Stadt zu empfehlen.&#x201C;</p>
          <p>24. November 1848.</p>
          <p>&#x201E;P. P. P. IX.&#x201C;</p>
          <p>Als die Flucht des Papstes in Rom bekannt wurde, erließ das neue Ministerium nachstehende Proklamation ans Volk:</p>
          <p>&#x201E;Durch traurige Rathschläge angestachelt hat der Pabst in heutiger Nacht Rom verlassen. In einem so ernsten Augenblick wird das Ministerium die Pflichten uicht vernachlässigen, die ihm das Wohl des Vaterlandes und das Vertrauen des Volkes auferlegen.</p>
          <p>Es sind zur Aufrechthaltung der Ordnung und zum Schutze des Lebens und der Interessen der Bürger alle Maaßregeln getroffen.</p>
          <p>Es wird alsbald eine permanente Kommission eingesetzt werden, um Jeden, der auf die öffentliche Ordnung oder das Leben der Bürger einen Angriff wagen sollte, mit aller Gesetzesstrenge zu bestrafen. Alle Truppen und Nationalgarden werden in ihren betreffenden Vierteln unter Waffen bleiben und sich auf den ersten Ruf bereit halten. Das Ministerium wird, im Verein mit der Repräsentantenkammer und dem römischen Senat weiter alle Maaßregeln ergreifen, welche die Umstände erheischen werden.</p>
          <p>Römer! Baut auf uns! Bleibt Eures Namens würdig und antwortet den Verläumdungen Eurer Feinde durch Eure Seelengröße.&#x201C;</p>
          <p>Rom, 25. November.</p>
          <p rendition="#et">Muzzarelli, (Conseilspräsident); Galletti;<lb/>
Lunati; Sterbini; Campello; Sereni.</p>
          <p>Welche Stimmung in Rom bei dieser Nachricht herrschte, läßt sich daraus entnehmen, daß, wie berichtet wird, das Volk auf das Hotel des franz. Gesandten, der des Pabstes Flucht begünstigt hatte, mehrere Schüsse abfeuerte.</p>
          <p>Es wurde früher viel von den Trasteverinern, als deu fanatischen Anhängern des Pabstes, gesprochen. Allein bei der letzten Revolution haben sie sich in einer ganz andern Weise gezeigt. Sie verhielteu sich keineswegs passiv, wie einige Nachrichten meldeten. Im Gegentheil waren sie es, die mit an der Spitze der Bewegung standen. Ein Trasteveriner, Namens Bietta, war es, der Guizot's Freund, Rossi, erdolchte. Trasteveriner waren es, die auf Straßen und Plätzen den Ruf hören ließen: &#x201E;Gesegnet sei die Hand, die den Tyrannen erdolcht hat!&#x201C;</p>
          <p>Die neuen Minister haben auf die Hälfte ihres Gehalts zu Gunsten des Staatsschatzes verzichtet. Es heißt, daß Abbe Rosmini nicht nach Paris gereist, sondern in Rom geblieben ist.</p>
          <p>Mit vorstehenden Nachrichten trafen in Marseille die römischen Prälaten Piccolomini und della Palma, so wie Rossi's Wittwe und Kinder in Marseille ein.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar162_017" type="jArticle">
          <head>Rom, 26. Nov.</head>
          <p>Das Volk, erzürnt über Harcourts Begünstigung der Flucht des Papstes, schießt gegen das französische Gesandtschaftshaus etc.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar162_018" type="jArticle">
          <head>Civita-Vecchia, 27. Novbr.</head>
          <p>Rom ist vollkommen ruhig. Der Volkszirkel hat seine Macht in die Hände einer provisorischen Regierung niedergelegt.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar162_019" type="jArticle">
          <head><bibl><author>*</author></bibl> Florenz, 26. Nov.</head>
          <p>Gestern erfolgte die Abreise des neapolitanischen Gesandten. Sie ist einer Kriegserklärung gleich zu achten.</p>
          <p>Der sicilianische Geschäftsträger, der sich hier seit geraumer Zeit aufhält, hatte bei dem Ministerium des Innern um die Erlaubniß nachgesucht, das sicilianische Wappen an seiner Wohnung anbringen zu dürfen. Das Ministerium trug kein Bedenken, ihm zu willfahren, da es hier nicht verboten ist, irgend ein Wappen an beliebiger Stelle anzubringen. Der neapolitanische Gesandte machte jedoch gegen dieses Anbringen des Wappens die lebhaftesten Vorstellungen nnd reiste, als sie nicht berücksichtigt wurden, schleunigst ab.</p>
          <p>* Es wiederholt sich das Gerücht, daß der Scharfrichter <hi rendition="#g">Ferdinand</hi> an Rom und Toskana den Krieg erkärt habe.</p>
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        <head>Französische Republik.</head>
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          <head><bibl><author>17</author></bibl> Paris, 4. Dez.</head>
          <p>Während die Cavaignac'schen des Generals Biographie und Reden in etlichen Millionen Exemplaren für das Landvolk abdrucken und das Militär auf alle Art cavaignaciren, erlassen viele höhere, theils disponible theils aktive Offiziere, an deren Spitze ein Baron (trotz der republikanischen Adelsabschaffung) folgendes: &#x201E;In Erwägung, daß die Bürger Cavaignac, Lamoriciere und Charras, in Afrika auf seltsam hastige Weise avancirt sind und zwar ganz außerhalb allen gewöhnlichen Rechts und Administrativwesens; in Erwägung, daß sie seit ihrem Eintritt in die Staatsmacht sich über die Militärreglements hinweggesetzt, obschon darauf die Konstitution und die Kriegsdisciplin beruht; daß sie gegen viele würdige Militärchefs sehr undankbar gewesen, und nur in herber, verachtungsvoller Manier stets mit Bürgern und Kameraden korrespondirten; in Betracht ihres sonderbaren Militärverfahrens am 24 Februar, am 15. Mai und 24. Juni, woraus ihre Ungeschicklichkeit und Böswilligkeit hervorgeht, wie das viele nutzlos verspritzte Blut bezeugt; in Betracht des Mißbrauchs, den sie von ihren hohen Stellungen machen, um die Kandidatur zur Präsidentschaft eines der Ihrigen auf jedwede Weise durchzusetzen, nnd selber ihre jetzigen Aemter zu behalten; in Betracht ihrer Verbindung mit einer unwissenden, ausschließlichen, selbstsüchtigen, verläumderischen, gehässigen, aller Vaterlandsliebe baaren Clique: anderseits in Betracht der rühmlichen Erinnerungen der Kaiserzeit und des unsterblichen Genius, des zweimaligen Opfers, das der Kaiser dem ihm so theuren Frankreich in seiner Krone, Familie, Person und in seinen Schätzen dargebracht hat; in Betracht auch des Exils, der Wackerheit, der Beherztheit, der großartigen Kenntnisse in den Gesetzen, der Kriegskunst, der Verwaltung und der Sitten Frankreichs, in Betracht der honetten, lautern Gesinnungen, des so wesentlich nationalfranzösischen Manifestes und der edeln Gelöbnisse des kaiserlichen Neffen Louis Napoleon Bonaparte gegen Volk und Heer; in Betracht der Situation Europas und Frankreichs endlich, sind die Rivolistraße Nr. 26 vereinigten Offi[z]iere der Ansicht vor Gott und Menschen, daß die Armee, die Offiziere, Unteroffiziere und Soldaten fortan keinen Unterthänigkeits- sondern freien Bürgerakt als Wahlmänner vollziehen müssen, folglich Eugen Cavaignacs Kandidatur zurückweisen und für Louis Bonaparte stimmen.&#x201C; Auch der greise Runkelrübenbauer und Niedermetzler der Arbeiter und Arbeiterinnen nebst Säuglingen in der Straße Transnonain, der Haudegen Marschall Bugeaud, &#x201E;der Eroberer des marokanischen Sonnenschirms&#x201C; wie Peuple souverain ihn spöttelnd nennt, meldet heute mit Pomp seine Beistimmung zur bonapartistischen Kandidatur &#x201E;als Mann der Ordnung.&#x201C; Dito die bekannten &#x201E;grauköpfigen Staatsschurken&#x201C; Adolf Thiers, Odilon Barrot, Graf Molé, Berryer, die louis-philippistischen und legitimistischen Generale Oudinot, Baraguay d' Hilliers, Rulhieres, Changarnier (Kommandant der pariser Nationalgarde), und Lebreton endlich, alle &#x201E;diese Schnurrbärte und Glatzhäupter durch deren Kanonen und Bosheit die französische Nation seit 1831 so elend und thöricht geworden ist&#x201C;, umgeben den spaßhaften Prinzen Bonaparte in schönstem Kranze. Und der Polizeipräfekt, dieser Freund Cavaignacs, zittert und weiß nicht Rath; in der Verzweiflung befahl er den pariser Konstablern, sich zu rasiren &#x201E;da ein Bart der Polizei nicht gezieme;&#x201C; der brave Dr. med. Gervais de Caen! Er hat sich sehr erboßt über seinen Vorgänger in der Präfektur, Dr. med. Ducoux, der mit naiver Offenheit publicirt hatte: &#x201E;die pariser Prostitution sei ungemein gestiegen sowohl durch das Vorhandensein der Mobilgarde, als auch (horribile dictu) <hi rendition="#g">seit</hi> und <hi rendition="#g">durch</hi> die Gegenwart so vieler Provinzialnationalgardisten zu Paris in Folge der Juniereignisse.&#x201C; Dies Geständniß war zu toll, und der grobe Ducoux mußte dem fein rasirten Gervais Platz machen.</p>
          <p>Die Associationen wachsen; schon haben die Köche eine Vereinsküche und bedienen billig und gut. Noch sind diese Anfänge winzig; &#x201E; sobald sie den hohen Bourgeois gefährlich zu werden drohen, wird man ein Koalitionsgesetz zu machen versuchen, und dann geht der Socialkrieg los, denn der Arbeiter, der einmal, auch nur einen Tag lang, das Glück einer Association empfunden, schlägt sich wie ein Löwe dafür,&#x201C; bemerkt der Republicain des Ardennes in Sedan.</p>
          <p>Das gestrige Bankett der Studenten, Normalschulzöglinge, Bergwerksschüler u. s. w. auf der Barriere du Maine war 800 Mann stark und streng socialdemokratisch.</p>
          <p>Die Gährung steigt, da viele kleine Bourgeois ins Proletariat hinabgestürzt sind und dort revolutionär agitiren, und nach mäßiger Berechnung geht das Schiff, auch ohne Stürme, zum Frühlinge sanft zu Grunde. Das Budget von 39 sieht entsetzlich aus. Wenn die Bank ihre Wechsel einforderte, sinken mit einem Schlage wieder tausend Familien hinab. Die Bankette werden daher von vielen, kürzlich noch als Erzbourgeois sich aufführenden Kleinhändlern, Contremaitren, Kleinmeistern u. s. w. selbst in Offiziersuniform der Nationalgarde, besucht; letzten Sonntag fanden neue in und um Paris statt. &#x201E;Sammelt Euch, Soldaten der Freiheit und des Völkerglücks (Constituant democrate zu Toulouse) und zaudert nicht; schon triumphirt die Contrerevolution auf allen Schlachtfeldern Europas, von dem Weichselstrome bis zur Seine, vom Escurialpalast bis zum Schlosse von Schönbrunn tönt das wüste Hurrah des Despotismus, der die schamlosen Orgien seines theils erkauften Sieges feiert und Rache schnaubt. Windischgrätz, der Blutmann von Wien, präsidirt kaltblütig den Hinrichtungen der dutzendweise herbeigeschleiften Patrioten; Narvaez, der Blutmann von Madrid, versteht es, den edeln Freiheitsmärtyrern sowohl die Kerker der Presidios, als die Kugeln seiner Garden zukommen zu lassen; in Mailand macht Radetzky Brandschatzungen; in Paris amnestirt eine aus dem Volk hervorgegangene Kammer den Chef der Exekutive, der mit souveränem Säbel keck und tyrannisch einige tausend Sieger des Februars, die im Juni das Unglück hatten, sich durch Hunger verführen zu lassen, zu verbannen. Ueberall schmachten die Freiheitskämpfer als Gespenster und lebendige Leichen hinter dem Eisengitter, oder modern im Regen und Wind, unbedeckt mit einer Schaufel Erde. Diese scheußliche Rache nehmen die Herrscher, deren Thron wackelt und nächstens einbrechen wird. Der General Cavaignac ist ein Knecht der Pfäffischen geworden, er ist kapabel, dem Maulthier des Pabstes um den Hals zu fallen. Aber wir wollen das Volk aufwecken&#x2026; <hi rendition="#g">Prinz</hi> Bonaparte, dieser brave Abentheurer, hat jetzt 200 Provinzialblätter gegen sich; aber ein großer Held wie er, kehrt sich an keinen Stein des Anstoßes; er stolpert, bis er endlich fällt, um nicht mehr aufzustehen.&#x201C;</p>
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          <head><bibl><author>12</author></bibl> Paris, 4. Dez.</head>
          <p>Die Präsidentschaft: das ist der Glanzpunkt von ganz Frankreich, um den sich Journale, Korrespondenzen, Intriguen und Conversationen drehen. Je näher die Periode heranrückt, je lebendiger werden die Debatten. Wer wird Präsident werden? Wer wird Frankreich retten? &#x201E;Frankreich muß gerettet werden&#x201C;, das ist der allgemeine Ruf, und es kann nur gerettet werden durch die Wahl eines Präsidenten, durch Cavaignac, sagen die einen, durch Napoleon antworten die andern. Unterdessen lebt man nur noch von der Hoffnung. Das Leben, d. h. das was man im kommerziellen und bürgerlichen Leben so nennt, die Wiederkehr des Kredits, der Ruhe, der Sicherheit, ist völlig suspendirt; man lebt, wie gesagt, nur von der Hoffnung, daß der neue Präsident das alles wiederbringen wird.</p>
          <p>Unmittelbar nach der Februarrevolution war ebenfalls mit einem Male Handel und Wandel verschwunden: aber man war im Rausche des Sieges; man übersah das augenblickliche Elend, und man dachte mit der Wahl der konstituirenden Deputirten werde der Credit und die Industrie einen blühendern Aufschwung nehmen als je. In dieser bestimmten Voraussicht fühlte man weniger den Druck des Augenblicks: man war großmüthig, und lebte von der Großmuth. Aber von der Großmuth zehrt man nicht lange. Die konstituirende Versammlung kam zusammen; aber sie brachte den Kredit nicht wieder. Eine Revolution, dachte man, läßt sich nicht so schnell beseitigen; der Kredit hatte schon viel vor der Revolution gelitten; die Verwaltung Guizot's und Louis Philipp's haben die Finanzen verschleudert. Zudem war noch alles im provisorischen Zustande und man erwartete die Wiederkehr des Kredits und die Sicherheit der Transaktionen von der Feststellung der Gewalten. Eiee exekutive Kommission wurde eingesetzt; eine definitive Gewalt trat ein, aber der Verkehr, der Kredit kehrte immer nicht wieder.</p>
          <p>&#x201E;Das ist die Schuld der Spaltung innerhalb der Kommission selbst&#x201C;, hieß es. &#x201E;Ein Ministerium mit Cavaignac an der Spitze vermag allein das gestörte Zutrauen wiederzubringen.&#x201C; Aber das Ministerium brachte weiter nichts als noch größeres Elend, noch größere Noth und da richtete man sein Augenmerk auf die Vollendung der Constitution. Die Constitution ward fertig und dies Zutrauen, der Kredit, der Handel und Wandel, Ruhe und Ordnung &#x2014; alles fiel noch tiefer als je. So halten wir denn jetzt an der Wahl des Präsidenten. Der soll das große Wunder thun! Mit seinem Auftreten sollen die Leute auf einmal gegenseitig Zutrauen fassen und mit völliger Sicherheit den Austansch, den Verkehr betreiben. Die jetzt herrschende Partei ist die des Nationals und diese Partei kann nur am Ruder bleiben durch die Wahl Cavaignac's.</p>
          <p>Betrachten wir nun die bevorstehenden Wahlen, vom praktischen, vom &#x201E;bürgerlichen&#x201C; Standpunkte, vom Standpunkte des Handels, der Curse, der Rente, so müssen wir vor allen Dingen uns am Journal des Debats halten, das einzig und allein die Rothschildschen Interessen vertritt, und vertreten muß, da Bertin Besitzer von Staatsrenten ist. Nun sehen wir: das Journal des Debats tritt für Cavaignac auf, und alle seine Freunde, seine frühern Helden wenden sich auf Seite Napoleon's. Der Marschall Bugeaud, der selbst anfangs als gepriesener Kandidat der Präsidentschaft da stand, schreibt dem Blatte Bertins, daß er sich zu der Candidatur Napoleons bekenne, weil von daher bloß &#x201E;die Ordnung&#x201C; wiederkommen könne. Alle Philippisten und Orleanisten, wie Thiers, Molé und Barrot stehen auf Seite Napoleon's, weil sie durch ihn und mit seinem Sturze wieder zu der alten &#x201E;königlichen Ruhe&#x201C; zu kommen hoffen, und das Journal des Debats, dessen königl. Gesinnungen nicht bezweifelt werden können, stimmt für Cavaignac!</p>
          <p>Molé und Thiers uud Bugeaud stimmen für einen Mann, dem sie früher Fußtritte gaben, und mit Fußtritten vor die Thüren Frankreichs warfen, und das Alles der banquerutt gewordenen Ruhe und Ordnung wegen; und die Debats stimmen für einen Mann, der ihm und seinen Helden etwas mehr als Fußtritte gegeben hat, damit die Ruhe und Ordnung, wie sie jetzt bestehe, nicht abermals Bankerutt machen. Wie ist das zu verstehen? Was ist denn die Ruhe und Ordnung der Einen und der Andern? Giebt es zwei Arten von Ordnung und Ruhe?</p>
          <p>In den pariser Hospitälern herrscht, wie man weiß, die größte Ordnung, die größte Reinlichkeit. Zu beiden Seiten eines ungeheuren Saales erstreckt sich eine unabsehbare Reihe von Betten mit blendend weißen Ueberzügen und die schwarzen Schwestern wandeln auf und ab mit den Krankenwärtern zur Seite, und machen, daß Alles in der größten Ordnung und Ruhe und Reinlichkeit verbleibe. Nichts wandelbarer als die Kranken in diesen Sälen.</p>
          <p>Kaum ist Einer verschieden, und es verscheiden in einem ungeheuern Saale und in der jetzigen Noth manchmal 10, 20 zu gleicher Zeit, so werden die Betten auf der Stelle gereinigt, gelüftet und 2 Stunden nachher nimmt ein anderer Kranker die Stelle des Verschiedenen ein. Der Reichthum eines Pariser Hospitals besteht in seinen Betten; die hauptsächlichste Wachsamkeit der Schwestern erstreckt sich auf die Betten; die Betten sind das Permanente in dem revolutionären Wechsel der Kranken.</p>
          <p>Die Betten, das ist die Ruhe und Ordnung &#x2014; das ist der Reichthum, der die Zinsen abwirft; das sind die eigentlichen Fonds des Journals des Debats, und die schwarze Schwester, das Journal des Debats, wacht über seine Betten mit wahrhafter Besorgniß: es will die Betten &#x2014; die Ruhe und Ordnung &#x2014; um jeden möglichen Preis aufrecht halten, damit noch andere Kranke, noch tausende Kranker in ihnen verscheiden können. Denn die Zeiten sind schlecht und von jedem Kranken erhält der sogenannte Entrepreneur einen Franken!</p>
          <p>Thiers, Molé, Bugeaud u. s. w. verstehen nicht mehr das ehemals so gut von ihnen verstandene Journal des Debats, so wie das Journal des Debats seine ehemaligen Freunde nicht mehr versteht. So lange Thiers und Molé und Bugeaud u. s. w. an der Spitze der Regierung standen, so lange sie &#x201E;die Ruhe und Ordnung&#x201C; des Kapitals aufrecht hielten und die Betten des Hrn. Rothschild's machten, war das Journal des Debats ihr natürliches Organ. Jetzt sehen sie sich auf einmal von Leuten auf die Seite geschoben, die ihnen zwar beständig Opposition machten, aber die in ihren kühnsten Erwartungen sich nie träumen ließen, so plötzlich und mit einem Male an die Spitze zu kommen.</p>
          <p>Ein Marrast, Präsident der Nationalversammlung, Fabrikant der Konstitution, vor dem nun eine ganze Reihe von Nationalgardisten die Gewehre präsentiren, wenn er, der frühere Dominospieler, gravitätisch seinem Präsidentenstuhl zuschreitet. Und nun noch gar ein Bastide, ein Cavaignac! Das ist natürlich zu arg für einen Molé und Bugeaud und Thiers, und sie schlagen sich auf die Seite Louis Napoleons, weil sie denken: Wir haben schon einmal den Napoleon mit einem Fußtritt über's Meer geschleudert, wir können ihn noch einmal zu den Konstablern schicken! Dem Hrn. Rothschild und seinem Organe, den Debats, ist es natürlich gleichgültig, wer seine Betten macht, wenn sie nur schnell und sicher gemacht werden und recht viele Kranken aufnehmen können. Cavaignac hat seine Probe überstanden und er ist der Mann Rothschilds. Die armen Kranken! sie sind am meisten zu bedaueru. Man zankt sich um ihre &#x201E;Ruhe und Ordnung!&#x201C; Es ist die Ruhe und Ordnung des Hospitals und wenn nun noch gar Cavaignac ihr Krankenwächter wird, so sei ihnen der Himmel gnädig.</p>
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          <head><bibl><author>*</author></bibl> Paris, 4. Dezember.</head>
          <p>Der Telegraph meldete heute Morgen der Regierung, der Papst sei am 2. Dezbr. in Marseille gelandet. Er hätte bei Corsika Halt gemacht wegen stürmischem Wetter. Kultusminister Freslon war bereits am Tage vorher in Marseille eingetroffen.</p>
          <p>Eine spätere Nachricht 4 Uhr Nachmittags meldet, der Papst sei noch in Gaeta. Ein Courier des Admirals Parker bringt dagegen (5 Uhr Nachmittags) durch Paris nach London dem dortigen Kabinet die Nachricht, der Papst sei in Malta gelandet.</p>
          <p>Einstweilen ist also der Aufenthaltsort des Papstes noch Geheimniß.</p>
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          <head>Paris, den 4. Dec.</head>
          <p>&#x201E;Die Nationalversammlung schickt ihr ganzes Bureau dem Papste bis Bourges entgegen. Sr. Heiligkeit wird sicher sehr erfreut sein, dieses Häuflein Voltairianer ihr ent-
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[0865/0003] auch unterfangen, etwas zu verkaufen und zu kaufen, vorzuschießen oder zu verhypotheziren, ohne den allmächtigen Dey Radetzky um Erlaubniß zu fragen! Wieder eine Probe davon, was man im Oesterreichischen unter Garantie des Eigenthums versteht. Auf diese Weise bringt Radetzky den Mailändern bei, was Völkerrecht, bürgerliches Recht u. s. w. für Dinge sind. Und die piemontesische Kammer begnügt sich mit einer Nichtigkeitserklärung die selbst nichtig ist, und die Mächte, die die Mediation übernommen haben, sehen ruhig zu! Die französische Republik hat 90,000 Mann an den Alpen stehn, um ihre Mediation zu unterstützen; aber während wir hier erschossen, gebrandschatzt, ausgeplündert werden, rühren die 90,000 Mann keinen Finger, und während Radetzky alle Verträge mit Füßen tritt, erklärt Herr Bastide in der Kammer: die Befreiung Italiens werde die Grundlage des Friedens sein. Die Befreiung Italiens! Noch ein paar Monate Unterdrückung, noch etwas Zeit, daß die römische Revolution überall in Italien wiederhallen kann, und wir werden dieser wortbrüchigen, verrätherischen, feigen französischen Regierung, dieser zweiten verschlechterten Auflage Casimir Perrier's abermals zurufen: L'Italia farà da se! Apropos! In der Augsb. Ztg. habe ich gelesen, daß Ihre Reichsminister versichert haben, auch sie hätten ein Händchen im Spiel bei dem Frieden, den man für Italien brauen will. Ich will nicht davon sprechen, daß die meisten hiesigen „Kroaten“ im Grund lauter deutsche „Reichstruppen“ sind; ich möchte nur fragen, ob die Reichsminister, als mitvermittelnde Macht, nicht geneigt wären, die Herren Welcker und Mosle an Radetzky mit der Bitte abzuordnen, gütigst die Verträge halten zu wollen? * Genua, 28. Novbr. Nach heute hier empfangenen Nachrichten aus Neapel war der politische Moment daselbst ein sehr gewichtiger. Der König, heißt es, hat Rom und Toskana den Krieg erklärt. Darf man einer Korrespondenz Glauben beimessen, so hat das neapolitanische Ministerium seine Entlassung eingereicht. Hr. Temple, der englische Bevollmächtigte, war am 22. Novbr. noch nicht zu Neapel angekommen. Er soll das Ultimatum in Betreff Siziliens in der Tasche haben, und da der König dem Vernehmen nach die Kammer nicht vor Erledigung der sizilianischen Angelegenheit eröffnen will, so dürfte das längere Ausbleiben Temple's vielleicht unangenehme Folgen haben. Aus Turin vernehmen wir, daß die Ministerkrise so gut wie sicher ist. Rom, 25. Nov. Die Kammern erklärten sich permanent und ernannten eine Kommission von fünf Gliedern zur Redigirung von Proklamationen etc. Pius IX. verließ Rom am 25. November. Er wird jeden Augenblick in Toulon oder Marseille erwartet. Er hat unter Andern auch den französischen Gesandten, d'Harcourt, zu seinem Begleiter. Es befinden sich mehrere Kardinäle bei ihm, die sich in Rom nicht mehr sicher glaubten. Der Papst schrieb vor seiner Abreise folgenden Brief an Marquis Sacchetti: „Wir vertrauen Ihrer wohlbekannten Klugheit und Ehrenhaftigkeit die Sorge an, den Minister Galletti von unserer Abreise zu benachrichtigen, indem Sie ihn, wie alle übrigen Minister, ersuchen, nicht blos die öffentlichen Gebäude sondern noch mehr die Personen zu schirmen, die zu unsrer Umgebung gehören und die, gleich Ihnen, über unsern Entschluß in völliger Unkenntniß waren. Allein wenn wir für Sie und die Leute unsers Hauses, weil Sie Alle, wir wiederholen es, von unserm Plan nicht wußten, eine solche Besorgtheit an den Tag legen: so liegt es uns noch mehr am Herzen, diesen Herren (den Ministern) die Ruhe und Ordnung der ganzen Stadt zu empfehlen.“ 24. November 1848. „P. P. P. IX.“ Als die Flucht des Papstes in Rom bekannt wurde, erließ das neue Ministerium nachstehende Proklamation ans Volk: „Durch traurige Rathschläge angestachelt hat der Pabst in heutiger Nacht Rom verlassen. In einem so ernsten Augenblick wird das Ministerium die Pflichten uicht vernachlässigen, die ihm das Wohl des Vaterlandes und das Vertrauen des Volkes auferlegen. Es sind zur Aufrechthaltung der Ordnung und zum Schutze des Lebens und der Interessen der Bürger alle Maaßregeln getroffen. Es wird alsbald eine permanente Kommission eingesetzt werden, um Jeden, der auf die öffentliche Ordnung oder das Leben der Bürger einen Angriff wagen sollte, mit aller Gesetzesstrenge zu bestrafen. Alle Truppen und Nationalgarden werden in ihren betreffenden Vierteln unter Waffen bleiben und sich auf den ersten Ruf bereit halten. Das Ministerium wird, im Verein mit der Repräsentantenkammer und dem römischen Senat weiter alle Maaßregeln ergreifen, welche die Umstände erheischen werden. Römer! Baut auf uns! Bleibt Eures Namens würdig und antwortet den Verläumdungen Eurer Feinde durch Eure Seelengröße.“ Rom, 25. November. Muzzarelli, (Conseilspräsident); Galletti; Lunati; Sterbini; Campello; Sereni. Welche Stimmung in Rom bei dieser Nachricht herrschte, läßt sich daraus entnehmen, daß, wie berichtet wird, das Volk auf das Hotel des franz. Gesandten, der des Pabstes Flucht begünstigt hatte, mehrere Schüsse abfeuerte. Es wurde früher viel von den Trasteverinern, als deu fanatischen Anhängern des Pabstes, gesprochen. Allein bei der letzten Revolution haben sie sich in einer ganz andern Weise gezeigt. Sie verhielteu sich keineswegs passiv, wie einige Nachrichten meldeten. Im Gegentheil waren sie es, die mit an der Spitze der Bewegung standen. Ein Trasteveriner, Namens Bietta, war es, der Guizot's Freund, Rossi, erdolchte. Trasteveriner waren es, die auf Straßen und Plätzen den Ruf hören ließen: „Gesegnet sei die Hand, die den Tyrannen erdolcht hat!“ Die neuen Minister haben auf die Hälfte ihres Gehalts zu Gunsten des Staatsschatzes verzichtet. Es heißt, daß Abbe Rosmini nicht nach Paris gereist, sondern in Rom geblieben ist. Mit vorstehenden Nachrichten trafen in Marseille die römischen Prälaten Piccolomini und della Palma, so wie Rossi's Wittwe und Kinder in Marseille ein. Rom, 26. Nov. Das Volk, erzürnt über Harcourts Begünstigung der Flucht des Papstes, schießt gegen das französische Gesandtschaftshaus etc. Civita-Vecchia, 27. Novbr. Rom ist vollkommen ruhig. Der Volkszirkel hat seine Macht in die Hände einer provisorischen Regierung niedergelegt. * Florenz, 26. Nov. Gestern erfolgte die Abreise des neapolitanischen Gesandten. Sie ist einer Kriegserklärung gleich zu achten. Der sicilianische Geschäftsträger, der sich hier seit geraumer Zeit aufhält, hatte bei dem Ministerium des Innern um die Erlaubniß nachgesucht, das sicilianische Wappen an seiner Wohnung anbringen zu dürfen. Das Ministerium trug kein Bedenken, ihm zu willfahren, da es hier nicht verboten ist, irgend ein Wappen an beliebiger Stelle anzubringen. Der neapolitanische Gesandte machte jedoch gegen dieses Anbringen des Wappens die lebhaftesten Vorstellungen nnd reiste, als sie nicht berücksichtigt wurden, schleunigst ab. * Es wiederholt sich das Gerücht, daß der Scharfrichter Ferdinand an Rom und Toskana den Krieg erkärt habe. Französische Republik. 17 Paris, 4. Dez. Während die Cavaignac'schen des Generals Biographie und Reden in etlichen Millionen Exemplaren für das Landvolk abdrucken und das Militär auf alle Art cavaignaciren, erlassen viele höhere, theils disponible theils aktive Offiziere, an deren Spitze ein Baron (trotz der republikanischen Adelsabschaffung) folgendes: „In Erwägung, daß die Bürger Cavaignac, Lamoriciere und Charras, in Afrika auf seltsam hastige Weise avancirt sind und zwar ganz außerhalb allen gewöhnlichen Rechts und Administrativwesens; in Erwägung, daß sie seit ihrem Eintritt in die Staatsmacht sich über die Militärreglements hinweggesetzt, obschon darauf die Konstitution und die Kriegsdisciplin beruht; daß sie gegen viele würdige Militärchefs sehr undankbar gewesen, und nur in herber, verachtungsvoller Manier stets mit Bürgern und Kameraden korrespondirten; in Betracht ihres sonderbaren Militärverfahrens am 24 Februar, am 15. Mai und 24. Juni, woraus ihre Ungeschicklichkeit und Böswilligkeit hervorgeht, wie das viele nutzlos verspritzte Blut bezeugt; in Betracht des Mißbrauchs, den sie von ihren hohen Stellungen machen, um die Kandidatur zur Präsidentschaft eines der Ihrigen auf jedwede Weise durchzusetzen, nnd selber ihre jetzigen Aemter zu behalten; in Betracht ihrer Verbindung mit einer unwissenden, ausschließlichen, selbstsüchtigen, verläumderischen, gehässigen, aller Vaterlandsliebe baaren Clique: anderseits in Betracht der rühmlichen Erinnerungen der Kaiserzeit und des unsterblichen Genius, des zweimaligen Opfers, das der Kaiser dem ihm so theuren Frankreich in seiner Krone, Familie, Person und in seinen Schätzen dargebracht hat; in Betracht auch des Exils, der Wackerheit, der Beherztheit, der großartigen Kenntnisse in den Gesetzen, der Kriegskunst, der Verwaltung und der Sitten Frankreichs, in Betracht der honetten, lautern Gesinnungen, des so wesentlich nationalfranzösischen Manifestes und der edeln Gelöbnisse des kaiserlichen Neffen Louis Napoleon Bonaparte gegen Volk und Heer; in Betracht der Situation Europas und Frankreichs endlich, sind die Rivolistraße Nr. 26 vereinigten Offi[z]iere der Ansicht vor Gott und Menschen, daß die Armee, die Offiziere, Unteroffiziere und Soldaten fortan keinen Unterthänigkeits- sondern freien Bürgerakt als Wahlmänner vollziehen müssen, folglich Eugen Cavaignacs Kandidatur zurückweisen und für Louis Bonaparte stimmen.“ Auch der greise Runkelrübenbauer und Niedermetzler der Arbeiter und Arbeiterinnen nebst Säuglingen in der Straße Transnonain, der Haudegen Marschall Bugeaud, „der Eroberer des marokanischen Sonnenschirms“ wie Peuple souverain ihn spöttelnd nennt, meldet heute mit Pomp seine Beistimmung zur bonapartistischen Kandidatur „als Mann der Ordnung.“ Dito die bekannten „grauköpfigen Staatsschurken“ Adolf Thiers, Odilon Barrot, Graf Molé, Berryer, die louis-philippistischen und legitimistischen Generale Oudinot, Baraguay d' Hilliers, Rulhieres, Changarnier (Kommandant der pariser Nationalgarde), und Lebreton endlich, alle „diese Schnurrbärte und Glatzhäupter durch deren Kanonen und Bosheit die französische Nation seit 1831 so elend und thöricht geworden ist“, umgeben den spaßhaften Prinzen Bonaparte in schönstem Kranze. Und der Polizeipräfekt, dieser Freund Cavaignacs, zittert und weiß nicht Rath; in der Verzweiflung befahl er den pariser Konstablern, sich zu rasiren „da ein Bart der Polizei nicht gezieme;“ der brave Dr. med. Gervais de Caen! Er hat sich sehr erboßt über seinen Vorgänger in der Präfektur, Dr. med. Ducoux, der mit naiver Offenheit publicirt hatte: „die pariser Prostitution sei ungemein gestiegen sowohl durch das Vorhandensein der Mobilgarde, als auch (horribile dictu) seit und durch die Gegenwart so vieler Provinzialnationalgardisten zu Paris in Folge der Juniereignisse.“ Dies Geständniß war zu toll, und der grobe Ducoux mußte dem fein rasirten Gervais Platz machen. Die Associationen wachsen; schon haben die Köche eine Vereinsküche und bedienen billig und gut. Noch sind diese Anfänge winzig; „ sobald sie den hohen Bourgeois gefährlich zu werden drohen, wird man ein Koalitionsgesetz zu machen versuchen, und dann geht der Socialkrieg los, denn der Arbeiter, der einmal, auch nur einen Tag lang, das Glück einer Association empfunden, schlägt sich wie ein Löwe dafür,“ bemerkt der Republicain des Ardennes in Sedan. Das gestrige Bankett der Studenten, Normalschulzöglinge, Bergwerksschüler u. s. w. auf der Barriere du Maine war 800 Mann stark und streng socialdemokratisch. Die Gährung steigt, da viele kleine Bourgeois ins Proletariat hinabgestürzt sind und dort revolutionär agitiren, und nach mäßiger Berechnung geht das Schiff, auch ohne Stürme, zum Frühlinge sanft zu Grunde. Das Budget von 39 sieht entsetzlich aus. Wenn die Bank ihre Wechsel einforderte, sinken mit einem Schlage wieder tausend Familien hinab. Die Bankette werden daher von vielen, kürzlich noch als Erzbourgeois sich aufführenden Kleinhändlern, Contremaitren, Kleinmeistern u. s. w. selbst in Offiziersuniform der Nationalgarde, besucht; letzten Sonntag fanden neue in und um Paris statt. „Sammelt Euch, Soldaten der Freiheit und des Völkerglücks (Constituant democrate zu Toulouse) und zaudert nicht; schon triumphirt die Contrerevolution auf allen Schlachtfeldern Europas, von dem Weichselstrome bis zur Seine, vom Escurialpalast bis zum Schlosse von Schönbrunn tönt das wüste Hurrah des Despotismus, der die schamlosen Orgien seines theils erkauften Sieges feiert und Rache schnaubt. Windischgrätz, der Blutmann von Wien, präsidirt kaltblütig den Hinrichtungen der dutzendweise herbeigeschleiften Patrioten; Narvaez, der Blutmann von Madrid, versteht es, den edeln Freiheitsmärtyrern sowohl die Kerker der Presidios, als die Kugeln seiner Garden zukommen zu lassen; in Mailand macht Radetzky Brandschatzungen; in Paris amnestirt eine aus dem Volk hervorgegangene Kammer den Chef der Exekutive, der mit souveränem Säbel keck und tyrannisch einige tausend Sieger des Februars, die im Juni das Unglück hatten, sich durch Hunger verführen zu lassen, zu verbannen. Ueberall schmachten die Freiheitskämpfer als Gespenster und lebendige Leichen hinter dem Eisengitter, oder modern im Regen und Wind, unbedeckt mit einer Schaufel Erde. Diese scheußliche Rache nehmen die Herrscher, deren Thron wackelt und nächstens einbrechen wird. Der General Cavaignac ist ein Knecht der Pfäffischen geworden, er ist kapabel, dem Maulthier des Pabstes um den Hals zu fallen. Aber wir wollen das Volk aufwecken… Prinz Bonaparte, dieser brave Abentheurer, hat jetzt 200 Provinzialblätter gegen sich; aber ein großer Held wie er, kehrt sich an keinen Stein des Anstoßes; er stolpert, bis er endlich fällt, um nicht mehr aufzustehen.“ 12 Paris, 4. Dez. Die Präsidentschaft: das ist der Glanzpunkt von ganz Frankreich, um den sich Journale, Korrespondenzen, Intriguen und Conversationen drehen. Je näher die Periode heranrückt, je lebendiger werden die Debatten. Wer wird Präsident werden? Wer wird Frankreich retten? „Frankreich muß gerettet werden“, das ist der allgemeine Ruf, und es kann nur gerettet werden durch die Wahl eines Präsidenten, durch Cavaignac, sagen die einen, durch Napoleon antworten die andern. Unterdessen lebt man nur noch von der Hoffnung. Das Leben, d. h. das was man im kommerziellen und bürgerlichen Leben so nennt, die Wiederkehr des Kredits, der Ruhe, der Sicherheit, ist völlig suspendirt; man lebt, wie gesagt, nur von der Hoffnung, daß der neue Präsident das alles wiederbringen wird. Unmittelbar nach der Februarrevolution war ebenfalls mit einem Male Handel und Wandel verschwunden: aber man war im Rausche des Sieges; man übersah das augenblickliche Elend, und man dachte mit der Wahl der konstituirenden Deputirten werde der Credit und die Industrie einen blühendern Aufschwung nehmen als je. In dieser bestimmten Voraussicht fühlte man weniger den Druck des Augenblicks: man war großmüthig, und lebte von der Großmuth. Aber von der Großmuth zehrt man nicht lange. Die konstituirende Versammlung kam zusammen; aber sie brachte den Kredit nicht wieder. Eine Revolution, dachte man, läßt sich nicht so schnell beseitigen; der Kredit hatte schon viel vor der Revolution gelitten; die Verwaltung Guizot's und Louis Philipp's haben die Finanzen verschleudert. Zudem war noch alles im provisorischen Zustande und man erwartete die Wiederkehr des Kredits und die Sicherheit der Transaktionen von der Feststellung der Gewalten. Eiee exekutive Kommission wurde eingesetzt; eine definitive Gewalt trat ein, aber der Verkehr, der Kredit kehrte immer nicht wieder. „Das ist die Schuld der Spaltung innerhalb der Kommission selbst“, hieß es. „Ein Ministerium mit Cavaignac an der Spitze vermag allein das gestörte Zutrauen wiederzubringen.“ Aber das Ministerium brachte weiter nichts als noch größeres Elend, noch größere Noth und da richtete man sein Augenmerk auf die Vollendung der Constitution. Die Constitution ward fertig und dies Zutrauen, der Kredit, der Handel und Wandel, Ruhe und Ordnung — alles fiel noch tiefer als je. So halten wir denn jetzt an der Wahl des Präsidenten. Der soll das große Wunder thun! Mit seinem Auftreten sollen die Leute auf einmal gegenseitig Zutrauen fassen und mit völliger Sicherheit den Austansch, den Verkehr betreiben. Die jetzt herrschende Partei ist die des Nationals und diese Partei kann nur am Ruder bleiben durch die Wahl Cavaignac's. Betrachten wir nun die bevorstehenden Wahlen, vom praktischen, vom „bürgerlichen“ Standpunkte, vom Standpunkte des Handels, der Curse, der Rente, so müssen wir vor allen Dingen uns am Journal des Debats halten, das einzig und allein die Rothschildschen Interessen vertritt, und vertreten muß, da Bertin Besitzer von Staatsrenten ist. Nun sehen wir: das Journal des Debats tritt für Cavaignac auf, und alle seine Freunde, seine frühern Helden wenden sich auf Seite Napoleon's. Der Marschall Bugeaud, der selbst anfangs als gepriesener Kandidat der Präsidentschaft da stand, schreibt dem Blatte Bertins, daß er sich zu der Candidatur Napoleons bekenne, weil von daher bloß „die Ordnung“ wiederkommen könne. Alle Philippisten und Orleanisten, wie Thiers, Molé und Barrot stehen auf Seite Napoleon's, weil sie durch ihn und mit seinem Sturze wieder zu der alten „königlichen Ruhe“ zu kommen hoffen, und das Journal des Debats, dessen königl. Gesinnungen nicht bezweifelt werden können, stimmt für Cavaignac! Molé und Thiers uud Bugeaud stimmen für einen Mann, dem sie früher Fußtritte gaben, und mit Fußtritten vor die Thüren Frankreichs warfen, und das Alles der banquerutt gewordenen Ruhe und Ordnung wegen; und die Debats stimmen für einen Mann, der ihm und seinen Helden etwas mehr als Fußtritte gegeben hat, damit die Ruhe und Ordnung, wie sie jetzt bestehe, nicht abermals Bankerutt machen. Wie ist das zu verstehen? Was ist denn die Ruhe und Ordnung der Einen und der Andern? Giebt es zwei Arten von Ordnung und Ruhe? In den pariser Hospitälern herrscht, wie man weiß, die größte Ordnung, die größte Reinlichkeit. Zu beiden Seiten eines ungeheuren Saales erstreckt sich eine unabsehbare Reihe von Betten mit blendend weißen Ueberzügen und die schwarzen Schwestern wandeln auf und ab mit den Krankenwärtern zur Seite, und machen, daß Alles in der größten Ordnung und Ruhe und Reinlichkeit verbleibe. Nichts wandelbarer als die Kranken in diesen Sälen. Kaum ist Einer verschieden, und es verscheiden in einem ungeheuern Saale und in der jetzigen Noth manchmal 10, 20 zu gleicher Zeit, so werden die Betten auf der Stelle gereinigt, gelüftet und 2 Stunden nachher nimmt ein anderer Kranker die Stelle des Verschiedenen ein. Der Reichthum eines Pariser Hospitals besteht in seinen Betten; die hauptsächlichste Wachsamkeit der Schwestern erstreckt sich auf die Betten; die Betten sind das Permanente in dem revolutionären Wechsel der Kranken. Die Betten, das ist die Ruhe und Ordnung — das ist der Reichthum, der die Zinsen abwirft; das sind die eigentlichen Fonds des Journals des Debats, und die schwarze Schwester, das Journal des Debats, wacht über seine Betten mit wahrhafter Besorgniß: es will die Betten — die Ruhe und Ordnung — um jeden möglichen Preis aufrecht halten, damit noch andere Kranke, noch tausende Kranker in ihnen verscheiden können. Denn die Zeiten sind schlecht und von jedem Kranken erhält der sogenannte Entrepreneur einen Franken! Thiers, Molé, Bugeaud u. s. w. verstehen nicht mehr das ehemals so gut von ihnen verstandene Journal des Debats, so wie das Journal des Debats seine ehemaligen Freunde nicht mehr versteht. So lange Thiers und Molé und Bugeaud u. s. w. an der Spitze der Regierung standen, so lange sie „die Ruhe und Ordnung“ des Kapitals aufrecht hielten und die Betten des Hrn. Rothschild's machten, war das Journal des Debats ihr natürliches Organ. Jetzt sehen sie sich auf einmal von Leuten auf die Seite geschoben, die ihnen zwar beständig Opposition machten, aber die in ihren kühnsten Erwartungen sich nie träumen ließen, so plötzlich und mit einem Male an die Spitze zu kommen. Ein Marrast, Präsident der Nationalversammlung, Fabrikant der Konstitution, vor dem nun eine ganze Reihe von Nationalgardisten die Gewehre präsentiren, wenn er, der frühere Dominospieler, gravitätisch seinem Präsidentenstuhl zuschreitet. Und nun noch gar ein Bastide, ein Cavaignac! Das ist natürlich zu arg für einen Molé und Bugeaud und Thiers, und sie schlagen sich auf die Seite Louis Napoleons, weil sie denken: Wir haben schon einmal den Napoleon mit einem Fußtritt über's Meer geschleudert, wir können ihn noch einmal zu den Konstablern schicken! Dem Hrn. Rothschild und seinem Organe, den Debats, ist es natürlich gleichgültig, wer seine Betten macht, wenn sie nur schnell und sicher gemacht werden und recht viele Kranken aufnehmen können. Cavaignac hat seine Probe überstanden und er ist der Mann Rothschilds. Die armen Kranken! sie sind am meisten zu bedaueru. Man zankt sich um ihre „Ruhe und Ordnung!“ Es ist die Ruhe und Ordnung des Hospitals und wenn nun noch gar Cavaignac ihr Krankenwächter wird, so sei ihnen der Himmel gnädig. * Paris, 4. Dezember. Der Telegraph meldete heute Morgen der Regierung, der Papst sei am 2. Dezbr. in Marseille gelandet. Er hätte bei Corsika Halt gemacht wegen stürmischem Wetter. Kultusminister Freslon war bereits am Tage vorher in Marseille eingetroffen. Eine spätere Nachricht 4 Uhr Nachmittags meldet, der Papst sei noch in Gaeta. Ein Courier des Admirals Parker bringt dagegen (5 Uhr Nachmittags) durch Paris nach London dem dortigen Kabinet die Nachricht, der Papst sei in Malta gelandet. Einstweilen ist also der Aufenthaltsort des Papstes noch Geheimniß. Paris, den 4. Dec. „Die Nationalversammlung schickt ihr ganzes Bureau dem Papste bis Bourges entgegen. Sr. Heiligkeit wird sicher sehr erfreut sein, dieses Häuflein Voltairianer ihr ent- * Der „Nouvelliste de Marseille“ vom 29. November theilt Folgendes mit:

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Marx-Engels-Gesamtausgabe: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-20T13:08:10Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
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Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




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Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 162. Köln, 7. Dezember 1848, S. 0865. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz162_1848/3>, abgerufen am 21.11.2024.