Neue Rheinische Zeitung. Nr. 155. Köln, 29. November 1848.so wird derselbe zum Feldwebel oder Unteroffizier du jour desjenigen, den er besuchen will, geführt und von diesem wird die Erlaubniß dazu gegeben; diese haben auch den Besuch zu kontrolliren. Gilt der Besuch einem der Herren Offiziere, so muß ein Wachtmann den Fremden bis zum Offizier begleiten. Berlin den 26. Nov. 1848. gez. v. Geyl, General-Major. X Berlin, den 25. Nov. Aus Culm gehen uns folgende amtliche Nachrichten zu: Die Regierung des Königs hat gesucht, den Berathungen der Versammlung zur Vereinbarung der Verfassung, durch Verlegung nach Brandenburg, den Schutz zu gewähren, dessen sie in Berlin entbehrten. Diejenigen Mitglieder der National-Versammlung, welche sich dieser Anordnung ohne irgend einen Grund des Rechtes oder der Zweckmäßigkeit widersetzten, haben in ungerechter Anmaßung der höchsten Gewalt die Fahne der Empörung gegen den König ergriffen. Bewohner der Preußischen Lande! wir erfahren daß Menschen welche ihr Heil in gesetzlosen Zuständen suchen, diese Veranlassung benutzen, um Euch über die Absichten der Regierung zu belügen; Euch die Heiligkeit der von dem Könige gemachten Versprechungen zu verdächtigen und ein treues Volk zum Abfall von seinem rechtmäßigen Herrscher zu verleiten. Auf der einen Seite steht der König, der fest entschlossen ist, Euch unverkürzt die Vortheile und Freiheiten zu gewähren, welche sein Königliches Versprechen, verheißen hat und der den Tag herbei wünscht, an welchem diese Freiheiten förmlich festgestellt sein werden; auf der andern Seite stehen rebellische Abgeordnete, welche der Beendigung des Verfassungswerks fortwährend Schwierigkeiten entgegen stellten und jetzt zur Befriedigung ihres eigenen Ehrgeizes offen und heimlich bemüht sind, den König vom Throne zu stoßen und damit das Vaterland in Krieg und Verderben zu stürzen. Ihr Bewohner der Preußischen Provinzen müßt Euch jetzt entscheiden, ob Ihr mit dem Könige nach göttlichen und menschlichen Gesetzen leben, oder ob Ihr ohne den König in den Zustand blutiger und rechtloser Verwirrung fallen wollet, dem die Feinde des Gesetzes und der wahren Freiheit, unter Täuschungen aller Art, Euch zu Eurem eigenem Verderben entgegen führen wollen. Wir glauben fest, daß die große Mehrzahl des Preußischen Volkes in treuer Anhänglichkeit an den König keinen Augenblick wanken wird, aber wir wissen, daß die Lügner und Verführer thätig unter Euch sind, und deshalb warnen wir die Schwankenden unter Euch, damit nicht der Arm der strafenden Gerechtigkeit die Verblendeten zugleich mit den Schuldigen erreiche. Berlin, den 17. November 1848. Vorstehendes wird im Auftrage des Herrn Ministers des Innern hierdurch zur allgemeinen Kenntniß gebracht. Culm, den 21. November 1848. Königl. Landraths-Amt. v. Schrötter. Mitbürger! Das hiesige Königliche Landraths-Amt hat angeblich im Auftrage des Herrn Minister des Innern gestern einen Aufruf von Berlin vom 17. d. Mts. zur allgemeinen Kenntniß gebracht, welcher die in Berlin tagenden Abgeordneten des Preußischen Volks als Rebellen darstellt, die bemüht sind, den König vom Throne zu stoßen und damit das Vaterland in Krieg und Verderben zu stürzen. Zunächst haben wir die triftigsten Gründe es zu bezweifeln, daß das Königliche Landraths-Amt einen Auftrag des Herrn Minister des Innern zur Veröffentlichung dieses Aufrufs erhalten hat, zumal derselbe keine Unterschrift trägt. Wer die Wahrheit für eine gute Sache sagt, darf sich nicht scheuen, seinen Namen dazu herzugeben. Demnächst dürfen wir Euch kaum sagen, daß die in dem Aufrufe enthaltenen Anschuldigungen offene Unwahrheiten sind; es fällt unseren Abgeordneten nicht bei, irgend wie gegen den König sich aufzulehnen. Sie streiten nur mit den Waffen des Gesetzes für die Rechte des Volkes, dessen Wohl und Wehe auch das Wohl und Wehe des Königs ist. Es handelt sich gegenwärtig in Preußen in keiner Weise um einen Abfall vom Könige, dem wir alle treu ergeben sind, sondern nur darum, daß es einer alles Recht, alles Gesetz mit Füßen tretenden Partei, welche sich zwischen den König und das Volk gedrängt hat, ferner unmöglich gemacht wird, ihre für Beide gleich verderblichen eigennützigen Pläne auszuführen. Mitbürger seid wachsam und prüfet, was Lüge und was Wahrheit ist. Culm, den 22. November 1848. Döring. Fink. Knorr. E. Eitner. H. Alberty. Ba.chmann. Wollenschläger. Utesch. F. Rauch. Groch. Werner. F. Reichhold. Erfurt, 25. Nov. Der preußische "Moniteur" berichtet über die Erfurter Ereignisse: Am 24. d. Mts. sollte die 1ste und 4te Kompagnie des erfurter Landwehr-Bataillons eingekleidet werden. Schon am Abend vorher hatte die demokratische Partei daselbst alle Mittel in Bewegung gesetzt, um dies zu hintertreiben. Als am 24. d. Mts. Vormittags 123 Mann der erfurter Kompagnie sich gestellt hatten und die Einkleidung beginnen sollte, drängte sich der Pöbel in großen Massen hinzu. Es wurde die Bürgerwehr aufgefordert, den Platz vor dem Zeughause frei zu machen. Nachdem hierüber 1 1/2 Stunden vergangen waren, während welcher Zeit die zusammenberufene Garnison aufs vielfachste insultirt worden war, erklärten die Bürgerwehr-Kommandeure, sie könnten nicht allein den Platz nicht säubern, sondern sie müßten auf das bestimmteste erklären, daß selbst die Bürgerwehr gesonnen sei, sich der Einkleidung und dem Militär, wenn letzteres dieselbe mit Gewalt durchsetzen wollte, mit den Waffen in Hand zu widersetzen. Nachdem den Bürgerwehr-Kommandeuren nochmals eine Frist gegeben worden war, um die Bürger anderen Sinnes zu machen, erklärten dieselben abermals für nichts einstehen zu können. Inzwischen war bereits ein Zug Kürassiere, der nach dem Wilhelmsplatz rücken sollte, von dem Volke mit Steinen und Schüssen angegriffen worden, und da gleichzeitig sich die Wuth des Pöbels, der mit Sensen, Aexten etc. bewaffnet war, immer mehr steigerte, so wurde von dem Kommand. und Regierungs-Präsidenten die Stadt in den Belagerungszustand erklärt. Es rückte hierauf eine halbe Schwadron Kürassiere gegen die Zusammenrottung vor, welche das Zeughaus bedrohte und auf die gesetzliche Aufforderung nicht wich, vielmehr die Kürassiere mit Schüssen, Steinwürfen und Stichen von allen Arten Waffen empfing. Der sie führende Lieutenant von Krug erhielt hierbei 4 Schüsse, ohne jedoch dadurch verletzt zu werden. Die hierauf nachrückende Infanterie erhielt Feuer aus dem Haufen und aus den Häusern, sie erwiederte dies Feuer und es fand nun ein Straßengefecht statt, in welchem die Truppen bald Sieger waren. Eine Barrikade in der Auguststraße wurde von der Artillerie beschossen, dann von der Infanterie genommen. Viele Häuser, aus denen auf die Truppen geschossen worden war, wurden gestürmt. Die Truppen sind hierbei ohne Unterschied mit dem größten Bravour aufgetreten. Der Verlust der Truppen beträgt: 6 Soldaten todt, 1 Offizier, 1 Unteroffizier, 7 Soldaten verwundet, darunter 1 Unteroffizier und 3 Soldaten gefährlich. 2 Pferde todt und mehrere verwundet. Die Zahl der todten und verwundeten Rebellen ist noch nicht ermittelt; 102 derselben, darunter die gefährlichsten Führer, befinden sich gefangen auf dem Petersberg. Die Truppen bivouakiren auf den Plätzen und werden von den Bürgern auf das zuvorkommendste und freundlichste verpflegt. * Breslau, 25. Nov. In einem hiesigen Blatt lesen wir heute folgende Erklärung, betitelt: "Steuerverweigerungssache." "In dem am gestrigen Tage Seitens des Hrn. Fürstbischofs v. Diepenbrock an die schlesischen Katholiken gerichteten salbungsreichen Aufrufe ergeht an uns die dringende Mahnung, den von Berlin ausgehenden sündhaften Verlockungen zur Steuerverweigerung schon um deshalb kein Gehör zu schenken, weil Christus ausdrücklich geboten: "Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist," und jegliche Steuerverweigerung als diesem Ausspruche zuwider, uns der ewigen Verdammniß zuführen würde. Diese Ansprache unseres geistlichen Oberhirten hat in uns, wie natürlich, die ernstesten Betrachtungen erweckt, welche logisch die lebhaftesten Besorgnisse nicht für das eigene, sondern das jenseitige Schicksal sowohl des Hrn. Fürstbischofs als überhaupt das des gesammten keine Steuern zahlenden Klerus im preußischen Staate hervorriefen, indem die frommen Herren aus purem Eifer für unser Seelenheil das ihrige wahrzunehmen vergessen zu haben scheinen. Wir beschwören deshalb die gesammte hohe und niedere Geistlichkeit Schlesiens und der übrigen Provinzen, nicht um des guten Beispiels wegen, sondern hauptsächlich um deshalb, damit sie der ewigen Verdammniß entgehe, von heute ab "dem Kaiser zu geben, was des Kaisers ist," d. h. gleich uns übrigen Himmelskandidaten dem Staate Steuern zu entrichten, damit wir im Jenseits gemeinschaftlich mit unseren geliebten Seelenhirten dereinst die ewigen Freuden genießen mögen. Oberschlesien, 22. Nov. 1848. Mehrere Katholiken Oberschlesiens, die von Jugend auf Steuern zahlen." 24 Breslau, 25. Nov. Gab es je eine erbärmliche Stadtverordnetenversammlung, so ist es die hiesige. Der Royalismus tropft ihr wieder aus allen Poren, die blos einige Tage lang von Furcht und Schrecken vor dem Auftreten des Volkes verstopft waren. Dieselben Stadtverordneten, die sich vor einigen Tagen in einer Adresse ganz für die Nationalversammlung erklärt, waren in ihrer gestrigen Sitzung nahe daran, in einer Adresse an den König ein reuiges pater peccavi zu stammeln. Schaam oder Furcht ließen zur genauen Noth den Antrag verwerfen. Die Stadtverordneten hatten auch beschlossen, daß die Steuern zwar forterhoben, aber Seitens der Kommune in Verwahr gehalten würden, bis die Nationalversammlung anders beschließe. Diesen ihren früheren Beschluß nahmen sie gestern mit 42 gegen 36 Stimmen zurück. Wir haben zwar von der hiesigen Bourgeoisie niemals viel gehalten; daß sie aber so inkonsequent, feig und hündisch auftreten würde, hatten wir gleichwohl nicht erwartet. Durch ihren gestrigen Beschluß ist sie gerichtet; sie hat sich selbst den Hals abgeschnitten. Heute wird die Versammlung über den Antrag ihrer freiwilligen Auflösung berathen. Der Ausgang wird zeigen, ob sie ihren Zustand erkennt. Es ist nicht blos der der Auflösung, sondern der Verwesung. Cöslin. Mitbürger! Obschon ein äußerer Feind, soweit uns bekannt ist, die Grenzen des theuren Vaterlandes nicht bedroht, obschon wir gesetzlich nur verpflichtet sind, gegen einen solchen Feind zu der Waffe zu greifen, sind wir doch der Ordre, welche uns uns jetzt zu den Fahnen gerufen hat, gefolgt, und haben den Rock des Bürgers mit dem des Soldaten vertauscht. Aber beruhigt Euch, Mitbürger, wir werden mit dem Rocke nicht unsere Gesinnung ändern; wir wissen, daß unsere Vertreter in Berlin die heiligen Rechte des Volkes vertheidigen, daß Sie nur das Beste des Landes und das wahre Wohl des Königs wollen. Wir werden den Lügen derer nicht glauben, welche aus eigennützigen Absichten uns bereden wollen, daß unsere Mitbürger in Berlin und in andern Provinzen Verräther und Empörer sind. -- Glaubt uns, Mitbürger, wir werden unsere Waffen nicht gegen unsere Brüder wenden, nicht ihr Blut vergießen. Wir wissen, daß wir dadurch einen Mord begehen würden, für den wir vor dem Richterstuhle des Allerhöchsten dereinst Rechenschaft ablegen müssen, vor welcher uns kein menschlicher Befehl schützen kann. In dieser Gesinnung scheiden wir von Euch, in dieser Gesinnung, -- rufen wir, indem wir unseren Führern folgen, Euch unser Lebewohl zu! -- Cöslin, 20. November 1848. Die Landwehrmänner des 2ten Bataillons 9ten Landwehr-Regiments. Vorstehende Erklärung ist von 2 Offizieren, vielen Unteroffizieren und einigen Hundert Gemeinen, welche an der Abendsitzung der Bürgerversammlung Theil nahmen, mit dem größten Enthusiasmus abgegeben, und unterzeichnet worden. Es spricht sich darin die Gesinnung fast sämmtlicher Wehrmänner aus. Vergeblich versuchten einige reaktionäre Führer dieselben für das Königthum zu fanatisiren. Tilsit, 20. Nov. (Echo a. M.) Von mehreren glaubwürdigen Personen von der "russischen Grenze," die wir namhaft machen könnten, wenn wir nicht befürchten müßten, diese Personen in große Gefahr zu bringen, ist uns Folgendes übereinstimmend mitgetheilt worden: In sämmtlichen Russischen Zeitungen befindet sich eine Erklärung des Kaisers, in der er mit Bezug auf den gegenwärtig in Preußen zwischen der Krone und dem Volke ausgebrochenen Kampf versichert: Er, der Kaiser werde unter keinen Umständen dulden,"daß seinem geliebten Schwager von dem aufständischen Volke irgend welche Rechte genommen, und irgendwie seine Macht geraubt werde; um denselben zu schützen, werde er auf den ersten Wink mit seinen 500,000 Mann braven Truppen einrücken, um in Preußen die Ordnung wieder herzustellen" -- Dieselben Personen versicherten, "daß das Militär überall marschfertig und zum Einrücken bereit sei." Auch wollten sie bereits wissen, "daß für die Straße von Tauroggen und Schmaleningken Kosaken-Regimenter bestimmt wären, die den Befehl erhalten würden, direkt auf Tilsit zu marschieren." 24 Wien, 24. Nov. Der größte Theil der weggenommenen circa 70,000 Gewehre wird von hier weggeschafft nach Ollmütz, Linz etc. Daß Oedenburg von den kaiserlichen Truppen besetzt worden, wird durch eine amtliche Mittheilung bestätigt. Nachrichten aus Siebenbürgen vom 14. sagen, daß der Kommandirende, F. M. L. Buchner, Maro-Basarhely besetzt habe. * Wien, 24. November. Das allergnädigste Handschreiben des Kaisers Nikolaus an Jellachich lautet: "Ihre edlen Bestrebungen, General, um die Grundsätze der gesellschaftlichen Ordnung und der Gleichberechtigung, welche durch eine zügellose, an den empörendsten Exzessen schuldig gewordene Partei mit Füßen getreten wurden, vor einem Schiffbruche zu retten, haben Ihnen gerechte Ansprüche auf Meine Achtung erworben. Ich folgte mit lebhafter Sympathie Ihren geschickten Operationen seit dem Tage, wo Ihr Patriotismus Sie die Waffe ergreifen ließ, um in Ungarn den umwälzenden Tendenzen zu widerstehen. Ihre talentvollen Bewegungen führten Sie unter die Mauern Wiens, gerade im Augenblicke eines entscheidenden Kampfes. Der Sieg, an welchem Sie einen so glänzenden Antheil nahmen, wendete sich auf Seiten des guten Rechts. Indem Ich die Wichtigkeit der Dienste, welche Sie und die Ihnen anvertrauten braven Truppen so eben erwiesen haben, vollkommen würdige, und indem es Mir am Herzen liegt, Ihnen einen Beweis Meiner völligen Anerkennung darüber zu liefern, habe Ich Sie zum Ritter des heiligen Wladimirordens erster Klasse ernannt, dessen Insignien nebst Patent Ich Ihnen anbei übersende. Ich ergreife diese Gelegenheit, um Ihnen die Versicherung der Theilnahme und der besonderen Achtung auszudrücken, die Ich Ihnen unabänderlich gewidmet habe. Zarskoe-Selo, den 29. Oktober (10. Nov.) 1848. Nikolaus." * Wien, 17. November. Die Triestiner haben nun definitiv in ihrem Gemeinderathe beschlossen, die Neuwahl für Frankfurt einstweilen zu sistiren, bis sie sehen werden, wie es Frankfurt verstehe, seiner Deputirten Unverletzlichkeit zu schützen. Zittau, 22. November. Sicherm Vernehmen nach werden in den nächsten Tagen die der Lausitz benachbarten Gränzorte Böhmens von österreichischen Truppen aller Waffengattungen besetzt werden, um die Recrutirung, welche in jenen Ortschaften vielfachen Widerstand gefunden hat, ja in manchen völlig vereitelt worden ist, gewaltsam durchzusetzen. Bereits vorgestern sind 1000 Mann Infanterie und zwei Batterien Kanonen in Reichenberg eingerückt, und größere Truppenmassen, wie es heißt, Kroaten, sollen diesen unverweilt folgen und bis zum Städtchen Grottau, eine halbe Stunde von Zittau entfernt, vorgeschoben werden. Der Kommandant dieses Truppenkorps hat den gemessenen Befehl, die Stadt Reichenberg, sobald sie den geringsten Widerstand versuche, sofort in Belagerungszustand zu erklären und sodann mit unnachsichtlicher Strenge zu verfahren. (Leipz. Z.) 14 Darmstadt, 24. Novbr. Wenn Sie das Glück hatten, den Verhandlungen des Vorparlaments beizuwohnen, so erinnern Sie sich vielleicht eines schwatzhaften alten Mannes, der sich stets mit großer Selbstgefälligkeit mit den Worten: "Jaup aus Darmstadt" ankündigte. Derselbe schwatzhafte Alte ist jetzt unser Ministerpräsident. Unter dem alten System galt er für einen freisinniger Mann, d. h. er sprach viel von Geschwornengerichten, besuchte die Germanistenversammlungen und feierte bei 4000 Fl. Pension ein für das Land gerade nicht wohlfeiles Märtyrerthum. Sobald Hr. Jung im Laufe dieses Sommers Minister geworden war, bekam er, wie alle Minister der Bourgeoisie, die fixe Idee, sich dem Hofe für das in ihn gesetzte rührende Vertrauen als "Mann der That" zu zeigen, wie Zeitungsartikel melden, als deren Verfasser die böse Welt ihn selbst nennt. Er unterdrückte die freien Gemeinden, er versetzte fast alle demokratischen Zeitungen in Anklagezustand, und ließ die Demokraten zu Dutzenden in seine Staatsnothställe einsperren. Als Hr. Jaup an's Ruder kam, waren die Provinzen Oberhessen und Rheinhessen fast gänzlich demokratisirt; Hr. Jaup als "Mann der That" und Nachfolger des "kühnen Griffs" wußte Rath zu schaffen: er benutzte den 18. September, diesen Allerseelentag der Reaktion, und ließ die Häupter der Gießner Demokratie, darunter A. Becker, Redakteur des "jüngsten Tags", einstecken; gegen andere demokratische Blätter, wie die "Neue Deutsche Zeitung", wurden Preßprozesse anhängig gemacht. Trotz der sogenannten "Märzerrungenschaften", auf die man sich hier zu Lande lange Zeit etwas zu Gute that, schleppte noch die unter dem alten System des Census und der büreaukratischen Intriguen gewählte Kammer ihr langweiliges Dasein fort -- dieselbe Kammer, aus deren Mitte einst der Mann mit dem "kühnen Griff und den buschigen Augenbrauen", der bekanntlich so großen Ueberfluß an Zuversicht und so großen Mangel an Einsicht hat, als Minister von Hessen-Darmstadt hervorgegangen war. Im Laufe des Sommers verließen die Rheinhessischen Deputirten Zitz, Mohr, Bohlen und Grode die Kammer, weil ihr längeres Fortbestehen die Volkssouveränetät beeinträchtige. Ihr Austritt ward von ihren Kollegen nicht genehmigt. Aber am Ende fanden es die Herrn doch selbst nicht mehr gerathen, dem Volkswillen, der ein neues Wahlgesetz und eine konstituirende Versammlung verlangte, länger zu widerstreben. Sie forderten selbst ihre Auflösung. Hr. Jaup aber trat eines schönen Morgens in die Kammer, und verlas nach einer langathmigen Einleitung ein großherzogliches Rescript, worin den "lieben, getreuen Ständen" der Wunsch untergeschoben ward, "zu ihren gewohnten heimathlichen Beschäftigungen zurückzukehren." Die Opposition reckte schon die Köpfe, um das Wort zu nehmen; aber Hr. Jaup empfahl sich den Herren zu Gnaden und schlich fort wie die Katze vom Taubenschlag. Die Kammer war vertagt, die "N. Deutsche Zeitung" meinte, sie wäre geprellt; aber Hr. Jaup verstand diesen Ausdruck, der eigentlich foppen bedeuten sollte, unrecht, und machte wegen seiner abhanden gekommenen Amts- und Dienstehre einen Preßprozeß anhängig. Auf den 21. November nun wurden die Kammern wieder einberufen, um ihnen das "Wahlgesetz im liberalsten Sinne," das er versprochen hatte, vorzulegen. In diesem Wahlgesetz ist zwar für die 2. Kammer der Vermögenscensus aufgehoben, aber für die aktive Wahlfähigkeit ein Alterscensus von 25 Jahren, für die passive von 30 Jahren festgesetzt, während man doch bei uns mit 21 Jahren schon volljährig ist. Die zweite Kammer vertritt dagegen nach altem Schnitt den großen Grundbesitz; um in sie gewählt zu werden, muß man 40 Jahren zählen und jährlich 100 Fl. direkte Steuern zahlen; zahlt mun nur 30 Fl., so muß man 5 Jahre lang Beamter gewesen sein. Also eine Vertretung des Geldadels und der hohen Büreaukratie, die, wenn sie wirklich zu Stande käme, alle freisinnigen Beschlüsse der zweiten Kammer überflüssig machen würde. Dies das "Wahlgesetz im liberalsten Sinne", welches der "Mann der That" erlassen. Die erste Sitzung am 21. November war sehr stürmisch; Zitz, Mohr und Bohlen wurden wegen ihres Wiedererscheinens angefeindet, aber die Gallerieen jubelten Zitz ihre Bravo's zu; es ertönten sogar Hochs auf Hecker, was den Präsidenten, welcher mit der ersten Liebe des Jünglings für die Geliebte für Tages- und Geschäftsordnungen schwärmt, so sehr verdroß, daß er mit "bewaffneter Macht" drohte, und in der nächsten Sitzung diese Drohung in Gestalt von 10 Konstablern mit weißen polizeilich gestempelten Binden und armdicken Knüppeln verwirklichte. Die hessischen Soldaten werden von Tag zu Tag demokratischer; hier in Darmstadt betheiligen sie sich sehr fleißig an dem demokratischen Volksleseverein, und prügeln ihre Offiziere durch, wenn sie ihnen zu reaktionär sind. So hatten wir gestern Abend hier einen bedeutenden Militärkrawall, wobei die Gemeinen zu Gunsten eines liberalen Offiziers, den die Oberoffiziere ausstoßen wollten, Demonstrationen machten. Nachdem sie dem liberalen Lieutenant eine Nachtmusik gemacht hatten, stürmten sie die Kaserne und befreiten einen Kameraden, der, weil er mit Hecker in Verbindung gestanden, 21 Jahre Zuchthaus bekommen hatte. In allen Kasernen hört man hier Heckerlieder singen. Dürkheim a. d. H., 22. Nov.
Der hiesige Volksverein hat vorgestern eine Adresse an die deutsche Nationalversammlung beschlossen, worin unter Anderm ausgesprochen wird, daß das Verhalten der provisorischen Centralgewalt, sich stützend auf die Majorität der Nationalversammlung, bei allen wichtigen Momenten der Entwickelung der allgemein deutschen sowie der besondern Verhältnisse einzelner deutschen Staaten, durchaus nicht geeignet sei, das Vertrauen der Mehrzahl des deutschen Volkes zu erhalten und zu befestigen. Gegen aus dem Volke hier und da auftauchende Erscheinungen der Gesetzlosigkeit, sei sie entschieden, der Gesetzlosigkeit von Oben aber nicht entgegengetreten. Die Adresse verweist auf den schleswig-holsteinischen Krieg, auf Wien, die Hinrichtung Blum's und auf die preußische Frage. Wenn sich nunmehr die Centralgewalt und die Nationalversammlung nicht offen, ehrlich und entschieden auf die Seite des mißhandelten Volkes stellen und nicht energische Maßregeln gegen die con trerevolutionären Bestrebungen der preußischen Regierung ergreifen würden, dann sei das schwache Vertrauen auf beide im Volke gänzlich verschwunden, und es müsse dieses auf anderm Wege sich erringen, was es von der Nationalversammlung und der Centralgewalt für immer gesichert glaubte. so wird derselbe zum Feldwebel oder Unteroffizier du jour desjenigen, den er besuchen will, geführt und von diesem wird die Erlaubniß dazu gegeben; diese haben auch den Besuch zu kontrolliren. Gilt der Besuch einem der Herren Offiziere, so muß ein Wachtmann den Fremden bis zum Offizier begleiten. Berlin den 26. Nov. 1848. gez. v. Geyl, General-Major. X Berlin, den 25. Nov. Aus Culm gehen uns folgende amtliche Nachrichten zu: Die Regierung des Königs hat gesucht, den Berathungen der Versammlung zur Vereinbarung der Verfassung, durch Verlegung nach Brandenburg, den Schutz zu gewähren, dessen sie in Berlin entbehrten. Diejenigen Mitglieder der National-Versammlung, welche sich dieser Anordnung ohne irgend einen Grund des Rechtes oder der Zweckmäßigkeit widersetzten, haben in ungerechter Anmaßung der höchsten Gewalt die Fahne der Empörung gegen den König ergriffen. Bewohner der Preußischen Lande! wir erfahren daß Menschen welche ihr Heil in gesetzlosen Zuständen suchen, diese Veranlassung benutzen, um Euch über die Absichten der Regierung zu belügen; Euch die Heiligkeit der von dem Könige gemachten Versprechungen zu verdächtigen und ein treues Volk zum Abfall von seinem rechtmäßigen Herrscher zu verleiten. Auf der einen Seite steht der König, der fest entschlossen ist, Euch unverkürzt die Vortheile und Freiheiten zu gewähren, welche sein Königliches Versprechen, verheißen hat und der den Tag herbei wünscht, an welchem diese Freiheiten förmlich festgestellt sein werden; auf der andern Seite stehen rebellische Abgeordnete, welche der Beendigung des Verfassungswerks fortwährend Schwierigkeiten entgegen stellten und jetzt zur Befriedigung ihres eigenen Ehrgeizes offen und heimlich bemüht sind, den König vom Throne zu stoßen und damit das Vaterland in Krieg und Verderben zu stürzen. Ihr Bewohner der Preußischen Provinzen müßt Euch jetzt entscheiden, ob Ihr mit dem Könige nach göttlichen und menschlichen Gesetzen leben, oder ob Ihr ohne den König in den Zustand blutiger und rechtloser Verwirrung fallen wollet, dem die Feinde des Gesetzes und der wahren Freiheit, unter Täuschungen aller Art, Euch zu Eurem eigenem Verderben entgegen führen wollen. Wir glauben fest, daß die große Mehrzahl des Preußischen Volkes in treuer Anhänglichkeit an den König keinen Augenblick wanken wird, aber wir wissen, daß die Lügner und Verführer thätig unter Euch sind, und deshalb warnen wir die Schwankenden unter Euch, damit nicht der Arm der strafenden Gerechtigkeit die Verblendeten zugleich mit den Schuldigen erreiche. Berlin, den 17. November 1848. Vorstehendes wird im Auftrage des Herrn Ministers des Innern hierdurch zur allgemeinen Kenntniß gebracht. Culm, den 21. November 1848. Königl. Landraths-Amt. v. Schrötter. Mitbürger! Das hiesige Königliche Landraths-Amt hat angeblich im Auftrage des Herrn Minister des Innern gestern einen Aufruf von Berlin vom 17. d. Mts. zur allgemeinen Kenntniß gebracht, welcher die in Berlin tagenden Abgeordneten des Preußischen Volks als Rebellen darstellt, die bemüht sind, den König vom Throne zu stoßen und damit das Vaterland in Krieg und Verderben zu stürzen. Zunächst haben wir die triftigsten Gründe es zu bezweifeln, daß das Königliche Landraths-Amt einen Auftrag des Herrn Minister des Innern zur Veröffentlichung dieses Aufrufs erhalten hat, zumal derselbe keine Unterschrift trägt. Wer die Wahrheit für eine gute Sache sagt, darf sich nicht scheuen, seinen Namen dazu herzugeben. Demnächst dürfen wir Euch kaum sagen, daß die in dem Aufrufe enthaltenen Anschuldigungen offene Unwahrheiten sind; es fällt unseren Abgeordneten nicht bei, irgend wie gegen den König sich aufzulehnen. Sie streiten nur mit den Waffen des Gesetzes für die Rechte des Volkes, dessen Wohl und Wehe auch das Wohl und Wehe des Königs ist. Es handelt sich gegenwärtig in Preußen in keiner Weise um einen Abfall vom Könige, dem wir alle treu ergeben sind, sondern nur darum, daß es einer alles Recht, alles Gesetz mit Füßen tretenden Partei, welche sich zwischen den König und das Volk gedrängt hat, ferner unmöglich gemacht wird, ihre für Beide gleich verderblichen eigennützigen Pläne auszuführen. Mitbürger seid wachsam und prüfet, was Lüge und was Wahrheit ist. Culm, den 22. November 1848. Döring. Fink. Knorr. E. Eitner. H. Alberty. Ba.chmann. Wollenschläger. Utesch. F. Rauch. Groch. Werner. F. Reichhold. Erfurt, 25. Nov. Der preußische „Moniteur“ berichtet über die Erfurter Ereignisse: Am 24. d. Mts. sollte die 1ste und 4te Kompagnie des erfurter Landwehr-Bataillons eingekleidet werden. Schon am Abend vorher hatte die demokratische Partei daselbst alle Mittel in Bewegung gesetzt, um dies zu hintertreiben. Als am 24. d. Mts. Vormittags 123 Mann der erfurter Kompagnie sich gestellt hatten und die Einkleidung beginnen sollte, drängte sich der Pöbel in großen Massen hinzu. Es wurde die Bürgerwehr aufgefordert, den Platz vor dem Zeughause frei zu machen. Nachdem hierüber 1 1/2 Stunden vergangen waren, während welcher Zeit die zusammenberufene Garnison aufs vielfachste insultirt worden war, erklärten die Bürgerwehr-Kommandeure, sie könnten nicht allein den Platz nicht säubern, sondern sie müßten auf das bestimmteste erklären, daß selbst die Bürgerwehr gesonnen sei, sich der Einkleidung und dem Militär, wenn letzteres dieselbe mit Gewalt durchsetzen wollte, mit den Waffen in Hand zu widersetzen. Nachdem den Bürgerwehr-Kommandeuren nochmals eine Frist gegeben worden war, um die Bürger anderen Sinnes zu machen, erklärten dieselben abermals für nichts einstehen zu können. Inzwischen war bereits ein Zug Kürassiere, der nach dem Wilhelmsplatz rücken sollte, von dem Volke mit Steinen und Schüssen angegriffen worden, und da gleichzeitig sich die Wuth des Pöbels, der mit Sensen, Aexten etc. bewaffnet war, immer mehr steigerte, so wurde von dem Kommand. und Regierungs-Präsidenten die Stadt in den Belagerungszustand erklärt. Es rückte hierauf eine halbe Schwadron Kürassiere gegen die Zusammenrottung vor, welche das Zeughaus bedrohte und auf die gesetzliche Aufforderung nicht wich, vielmehr die Kürassiere mit Schüssen, Steinwürfen und Stichen von allen Arten Waffen empfing. Der sie führende Lieutenant von Krug erhielt hierbei 4 Schüsse, ohne jedoch dadurch verletzt zu werden. Die hierauf nachrückende Infanterie erhielt Feuer aus dem Haufen und aus den Häusern, sie erwiederte dies Feuer und es fand nun ein Straßengefecht statt, in welchem die Truppen bald Sieger waren. Eine Barrikade in der Auguststraße wurde von der Artillerie beschossen, dann von der Infanterie genommen. Viele Häuser, aus denen auf die Truppen geschossen worden war, wurden gestürmt. Die Truppen sind hierbei ohne Unterschied mit dem größten Bravour aufgetreten. Der Verlust der Truppen beträgt: 6 Soldaten todt, 1 Offizier, 1 Unteroffizier, 7 Soldaten verwundet, darunter 1 Unteroffizier und 3 Soldaten gefährlich. 2 Pferde todt und mehrere verwundet. Die Zahl der todten und verwundeten Rebellen ist noch nicht ermittelt; 102 derselben, darunter die gefährlichsten Führer, befinden sich gefangen auf dem Petersberg. Die Truppen bivouakiren auf den Plätzen und werden von den Bürgern auf das zuvorkommendste und freundlichste verpflegt. * Breslau, 25. Nov. In einem hiesigen Blatt lesen wir heute folgende Erklärung, betitelt: „Steuerverweigerungssache.“ „In dem am gestrigen Tage Seitens des Hrn. Fürstbischofs v. Diepenbrock an die schlesischen Katholiken gerichteten salbungsreichen Aufrufe ergeht an uns die dringende Mahnung, den von Berlin ausgehenden sündhaften Verlockungen zur Steuerverweigerung schon um deshalb kein Gehör zu schenken, weil Christus ausdrücklich geboten: „Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist,“ und jegliche Steuerverweigerung als diesem Ausspruche zuwider, uns der ewigen Verdammniß zuführen würde. Diese Ansprache unseres geistlichen Oberhirten hat in uns, wie natürlich, die ernstesten Betrachtungen erweckt, welche logisch die lebhaftesten Besorgnisse nicht für das eigene, sondern das jenseitige Schicksal sowohl des Hrn. Fürstbischofs als überhaupt das des gesammten keine Steuern zahlenden Klerus im preußischen Staate hervorriefen, indem die frommen Herren aus purem Eifer für unser Seelenheil das ihrige wahrzunehmen vergessen zu haben scheinen. Wir beschwören deshalb die gesammte hohe und niedere Geistlichkeit Schlesiens und der übrigen Provinzen, nicht um des guten Beispiels wegen, sondern hauptsächlich um deshalb, damit sie der ewigen Verdammniß entgehe, von heute ab „dem Kaiser zu geben, was des Kaisers ist,“ d. h. gleich uns übrigen Himmelskandidaten dem Staate Steuern zu entrichten, damit wir im Jenseits gemeinschaftlich mit unseren geliebten Seelenhirten dereinst die ewigen Freuden genießen mögen. Oberschlesien, 22. Nov. 1848. Mehrere Katholiken Oberschlesiens, die von Jugend auf Steuern zahlen.“ 24 Breslau, 25. Nov. Gab es je eine erbärmliche Stadtverordnetenversammlung, so ist es die hiesige. Der Royalismus tropft ihr wieder aus allen Poren, die blos einige Tage lang von Furcht und Schrecken vor dem Auftreten des Volkes verstopft waren. Dieselben Stadtverordneten, die sich vor einigen Tagen in einer Adresse ganz für die Nationalversammlung erklärt, waren in ihrer gestrigen Sitzung nahe daran, in einer Adresse an den König ein reuiges pater peccavi zu stammeln. Schaam oder Furcht ließen zur genauen Noth den Antrag verwerfen. Die Stadtverordneten hatten auch beschlossen, daß die Steuern zwar forterhoben, aber Seitens der Kommune in Verwahr gehalten würden, bis die Nationalversammlung anders beschließe. Diesen ihren früheren Beschluß nahmen sie gestern mit 42 gegen 36 Stimmen zurück. Wir haben zwar von der hiesigen Bourgeoisie niemals viel gehalten; daß sie aber so inkonsequent, feig und hündisch auftreten würde, hatten wir gleichwohl nicht erwartet. Durch ihren gestrigen Beschluß ist sie gerichtet; sie hat sich selbst den Hals abgeschnitten. Heute wird die Versammlung über den Antrag ihrer freiwilligen Auflösung berathen. Der Ausgang wird zeigen, ob sie ihren Zustand erkennt. Es ist nicht blos der der Auflösung, sondern der Verwesung. Cöslin. Mitbürger! Obschon ein äußerer Feind, soweit uns bekannt ist, die Grenzen des theuren Vaterlandes nicht bedroht, obschon wir gesetzlich nur verpflichtet sind, gegen einen solchen Feind zu der Waffe zu greifen, sind wir doch der Ordre, welche uns uns jetzt zu den Fahnen gerufen hat, gefolgt, und haben den Rock des Bürgers mit dem des Soldaten vertauscht. Aber beruhigt Euch, Mitbürger, wir werden mit dem Rocke nicht unsere Gesinnung ändern; wir wissen, daß unsere Vertreter in Berlin die heiligen Rechte des Volkes vertheidigen, daß Sie nur das Beste des Landes und das wahre Wohl des Königs wollen. Wir werden den Lügen derer nicht glauben, welche aus eigennützigen Absichten uns bereden wollen, daß unsere Mitbürger in Berlin und in andern Provinzen Verräther und Empörer sind. — Glaubt uns, Mitbürger, wir werden unsere Waffen nicht gegen unsere Brüder wenden, nicht ihr Blut vergießen. Wir wissen, daß wir dadurch einen Mord begehen würden, für den wir vor dem Richterstuhle des Allerhöchsten dereinst Rechenschaft ablegen müssen, vor welcher uns kein menschlicher Befehl schützen kann. In dieser Gesinnung scheiden wir von Euch, in dieser Gesinnung, — rufen wir, indem wir unseren Führern folgen, Euch unser Lebewohl zu! — Cöslin, 20. November 1848. Die Landwehrmänner des 2ten Bataillons 9ten Landwehr-Regiments. Vorstehende Erklärung ist von 2 Offizieren, vielen Unteroffizieren und einigen Hundert Gemeinen, welche an der Abendsitzung der Bürgerversammlung Theil nahmen, mit dem größten Enthusiasmus abgegeben, und unterzeichnet worden. Es spricht sich darin die Gesinnung fast sämmtlicher Wehrmänner aus. Vergeblich versuchten einige reaktionäre Führer dieselben für das Königthum zu fanatisiren. Tilsit, 20. Nov. (Echo a. M.) Von mehreren glaubwürdigen Personen von der „russischen Grenze,“ die wir namhaft machen könnten, wenn wir nicht befürchten müßten, diese Personen in große Gefahr zu bringen, ist uns Folgendes übereinstimmend mitgetheilt worden: In sämmtlichen Russischen Zeitungen befindet sich eine Erklärung des Kaisers, in der er mit Bezug auf den gegenwärtig in Preußen zwischen der Krone und dem Volke ausgebrochenen Kampf versichert: Er, der Kaiser werde unter keinen Umständen dulden,„daß seinem geliebten Schwager von dem aufständischen Volke irgend welche Rechte genommen, und irgendwie seine Macht geraubt werde; um denselben zu schützen, werde er auf den ersten Wink mit seinen 500,000 Mann braven Truppen einrücken, um in Preußen die Ordnung wieder herzustellen“ — Dieselben Personen versicherten, „daß das Militär überall marschfertig und zum Einrücken bereit sei.“ Auch wollten sie bereits wissen, „daß für die Straße von Tauroggen und Schmaleningken Kosaken-Regimenter bestimmt wären, die den Befehl erhalten würden, direkt auf Tilsit zu marschieren.“ 24 Wien, 24. Nov. Der größte Theil der weggenommenen circa 70,000 Gewehre wird von hier weggeschafft nach Ollmütz, Linz etc. Daß Oedenburg von den kaiserlichen Truppen besetzt worden, wird durch eine amtliche Mittheilung bestätigt. Nachrichten aus Siebenbürgen vom 14. sagen, daß der Kommandirende, F. M. L. Buchner, Maro-Basarhely besetzt habe. * Wien, 24. November. Das allergnädigste Handschreiben des Kaisers Nikolaus an Jellachich lautet: „Ihre edlen Bestrebungen, General, um die Grundsätze der gesellschaftlichen Ordnung und der Gleichberechtigung, welche durch eine zügellose, an den empörendsten Exzessen schuldig gewordene Partei mit Füßen getreten wurden, vor einem Schiffbruche zu retten, haben Ihnen gerechte Ansprüche auf Meine Achtung erworben. Ich folgte mit lebhafter Sympathie Ihren geschickten Operationen seit dem Tage, wo Ihr Patriotismus Sie die Waffe ergreifen ließ, um in Ungarn den umwälzenden Tendenzen zu widerstehen. Ihre talentvollen Bewegungen führten Sie unter die Mauern Wiens, gerade im Augenblicke eines entscheidenden Kampfes. Der Sieg, an welchem Sie einen so glänzenden Antheil nahmen, wendete sich auf Seiten des guten Rechts. Indem Ich die Wichtigkeit der Dienste, welche Sie und die Ihnen anvertrauten braven Truppen so eben erwiesen haben, vollkommen würdige, und indem es Mir am Herzen liegt, Ihnen einen Beweis Meiner völligen Anerkennung darüber zu liefern, habe Ich Sie zum Ritter des heiligen Wladimirordens erster Klasse ernannt, dessen Insignien nebst Patent Ich Ihnen anbei übersende. Ich ergreife diese Gelegenheit, um Ihnen die Versicherung der Theilnahme und der besonderen Achtung auszudrücken, die Ich Ihnen unabänderlich gewidmet habe. Zarskoe-Selo, den 29. Oktober (10. Nov.) 1848. Nikolaus.“ * Wien, 17. November. Die Triestiner haben nun definitiv in ihrem Gemeinderathe beschlossen, die Neuwahl für Frankfurt einstweilen zu sistiren, bis sie sehen werden, wie es Frankfurt verstehe, seiner Deputirten Unverletzlichkeit zu schützen. Zittau, 22. November. Sicherm Vernehmen nach werden in den nächsten Tagen die der Lausitz benachbarten Gränzorte Böhmens von österreichischen Truppen aller Waffengattungen besetzt werden, um die Recrutirung, welche in jenen Ortschaften vielfachen Widerstand gefunden hat, ja in manchen völlig vereitelt worden ist, gewaltsam durchzusetzen. Bereits vorgestern sind 1000 Mann Infanterie und zwei Batterien Kanonen in Reichenberg eingerückt, und größere Truppenmassen, wie es heißt, Kroaten, sollen diesen unverweilt folgen und bis zum Städtchen Grottau, eine halbe Stunde von Zittau entfernt, vorgeschoben werden. Der Kommandant dieses Truppenkorps hat den gemessenen Befehl, die Stadt Reichenberg, sobald sie den geringsten Widerstand versuche, sofort in Belagerungszustand zu erklären und sodann mit unnachsichtlicher Strenge zu verfahren. (Leipz. Z.) 14 Darmstadt, 24. Novbr. Wenn Sie das Glück hatten, den Verhandlungen des Vorparlaments beizuwohnen, so erinnern Sie sich vielleicht eines schwatzhaften alten Mannes, der sich stets mit großer Selbstgefälligkeit mit den Worten: „Jaup aus Darmstadt“ ankündigte. Derselbe schwatzhafte Alte ist jetzt unser Ministerpräsident. Unter dem alten System galt er für einen freisinniger Mann, d. h. er sprach viel von Geschwornengerichten, besuchte die Germanistenversammlungen und feierte bei 4000 Fl. Pension ein für das Land gerade nicht wohlfeiles Märtyrerthum. Sobald Hr. Jung im Laufe dieses Sommers Minister geworden war, bekam er, wie alle Minister der Bourgeoisie, die fixe Idee, sich dem Hofe für das in ihn gesetzte rührende Vertrauen als „Mann der That“ zu zeigen, wie Zeitungsartikel melden, als deren Verfasser die böse Welt ihn selbst nennt. Er unterdrückte die freien Gemeinden, er versetzte fast alle demokratischen Zeitungen in Anklagezustand, und ließ die Demokraten zu Dutzenden in seine Staatsnothställe einsperren. Als Hr. Jaup an's Ruder kam, waren die Provinzen Oberhessen und Rheinhessen fast gänzlich demokratisirt; Hr. Jaup als „Mann der That“ und Nachfolger des „kühnen Griffs“ wußte Rath zu schaffen: er benutzte den 18. September, diesen Allerseelentag der Reaktion, und ließ die Häupter der Gießner Demokratie, darunter A. Becker, Redakteur des „jüngsten Tags“, einstecken; gegen andere demokratische Blätter, wie die „Neue Deutsche Zeitung“, wurden Preßprozesse anhängig gemacht. Trotz der sogenannten „Märzerrungenschaften“, auf die man sich hier zu Lande lange Zeit etwas zu Gute that, schleppte noch die unter dem alten System des Census und der büreaukratischen Intriguen gewählte Kammer ihr langweiliges Dasein fort — dieselbe Kammer, aus deren Mitte einst der Mann mit dem „kühnen Griff und den buschigen Augenbrauen“, der bekanntlich so großen Ueberfluß an Zuversicht und so großen Mangel an Einsicht hat, als Minister von Hessen-Darmstadt hervorgegangen war. Im Laufe des Sommers verließen die Rheinhessischen Deputirten Zitz, Mohr, Bohlen und Grode die Kammer, weil ihr längeres Fortbestehen die Volkssouveränetät beeinträchtige. Ihr Austritt ward von ihren Kollegen nicht genehmigt. Aber am Ende fanden es die Herrn doch selbst nicht mehr gerathen, dem Volkswillen, der ein neues Wahlgesetz und eine konstituirende Versammlung verlangte, länger zu widerstreben. Sie forderten selbst ihre Auflösung. Hr. Jaup aber trat eines schönen Morgens in die Kammer, und verlas nach einer langathmigen Einleitung ein großherzogliches Rescript, worin den „lieben, getreuen Ständen“ der Wunsch untergeschoben ward, „zu ihren gewohnten heimathlichen Beschäftigungen zurückzukehren.“ Die Opposition reckte schon die Köpfe, um das Wort zu nehmen; aber Hr. Jaup empfahl sich den Herren zu Gnaden und schlich fort wie die Katze vom Taubenschlag. Die Kammer war vertagt, die „N. Deutsche Zeitung“ meinte, sie wäre geprellt; aber Hr. Jaup verstand diesen Ausdruck, der eigentlich foppen bedeuten sollte, unrecht, und machte wegen seiner abhanden gekommenen Amts- und Dienstehre einen Preßprozeß anhängig. Auf den 21. November nun wurden die Kammern wieder einberufen, um ihnen das „Wahlgesetz im liberalsten Sinne,“ das er versprochen hatte, vorzulegen. In diesem Wahlgesetz ist zwar für die 2. Kammer der Vermögenscensus aufgehoben, aber für die aktive Wahlfähigkeit ein Alterscensus von 25 Jahren, für die passive von 30 Jahren festgesetzt, während man doch bei uns mit 21 Jahren schon volljährig ist. Die zweite Kammer vertritt dagegen nach altem Schnitt den großen Grundbesitz; um in sie gewählt zu werden, muß man 40 Jahren zählen und jährlich 100 Fl. direkte Steuern zahlen; zahlt mun nur 30 Fl., so muß man 5 Jahre lang Beamter gewesen sein. Also eine Vertretung des Geldadels und der hohen Büreaukratie, die, wenn sie wirklich zu Stande käme, alle freisinnigen Beschlüsse der zweiten Kammer überflüssig machen würde. Dies das „Wahlgesetz im liberalsten Sinne“, welches der „Mann der That“ erlassen. Die erste Sitzung am 21. November war sehr stürmisch; Zitz, Mohr und Bohlen wurden wegen ihres Wiedererscheinens angefeindet, aber die Gallerieen jubelten Zitz ihre Bravo's zu; es ertönten sogar Hochs auf Hecker, was den Präsidenten, welcher mit der ersten Liebe des Jünglings für die Geliebte für Tages- und Geschäftsordnungen schwärmt, so sehr verdroß, daß er mit „bewaffneter Macht“ drohte, und in der nächsten Sitzung diese Drohung in Gestalt von 10 Konstablern mit weißen polizeilich gestempelten Binden und armdicken Knüppeln verwirklichte. Die hessischen Soldaten werden von Tag zu Tag demokratischer; hier in Darmstadt betheiligen sie sich sehr fleißig an dem demokratischen Volksleseverein, und prügeln ihre Offiziere durch, wenn sie ihnen zu reaktionär sind. So hatten wir gestern Abend hier einen bedeutenden Militärkrawall, wobei die Gemeinen zu Gunsten eines liberalen Offiziers, den die Oberoffiziere ausstoßen wollten, Demonstrationen machten. Nachdem sie dem liberalen Lieutenant eine Nachtmusik gemacht hatten, stürmten sie die Kaserne und befreiten einen Kameraden, der, weil er mit Hecker in Verbindung gestanden, 21 Jahre Zuchthaus bekommen hatte. In allen Kasernen hört man hier Heckerlieder singen. Dürkheim a. d. H., 22. Nov.
Der hiesige Volksverein hat vorgestern eine Adresse an die deutsche Nationalversammlung beschlossen, worin unter Anderm ausgesprochen wird, daß das Verhalten der provisorischen Centralgewalt, sich stützend auf die Majorität der Nationalversammlung, bei allen wichtigen Momenten der Entwickelung der allgemein deutschen sowie der besondern Verhältnisse einzelner deutschen Staaten, durchaus nicht geeignet sei, das Vertrauen der Mehrzahl des deutschen Volkes zu erhalten und zu befestigen. Gegen aus dem Volke hier und da auftauchende Erscheinungen der Gesetzlosigkeit, sei sie entschieden, der Gesetzlosigkeit von Oben aber nicht entgegengetreten. Die Adresse verweist auf den schleswig-holsteinischen Krieg, auf Wien, die Hinrichtung Blum's und auf die preußische Frage. Wenn sich nunmehr die Centralgewalt und die Nationalversammlung nicht offen, ehrlich und entschieden auf die Seite des mißhandelten Volkes stellen und nicht energische Maßregeln gegen die con trerevolutionären Bestrebungen der preußischen Regierung ergreifen würden, dann sei das schwache Vertrauen auf beide im Volke gänzlich verschwunden, und es müsse dieses auf anderm Wege sich erringen, was es von der Nationalversammlung und der Centralgewalt für immer gesichert glaubte. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div xml:id="ar155_012" type="jArticle"> <p><pb facs="#f0003" n="0819"/> so wird derselbe zum Feldwebel oder Unteroffizier du jour desjenigen, den er besuchen will, geführt und von diesem wird die Erlaubniß dazu gegeben; diese haben auch den Besuch zu kontrolliren. Gilt der Besuch einem der Herren Offiziere, so muß ein Wachtmann den Fremden bis zum Offizier begleiten.</p> <p>Berlin den 26. Nov. 1848. gez. v. <hi rendition="#g">Geyl</hi>, General-Major.</p> </div> <div xml:id="ar155_013" type="jArticle"> <head><bibl><author>X</author></bibl>Berlin, den 25. Nov.</head> <p>Aus Culm gehen uns folgende amtliche Nachrichten zu: Die Regierung des Königs hat gesucht, den Berathungen der Versammlung zur Vereinbarung der Verfassung, durch Verlegung nach Brandenburg, den Schutz zu gewähren, dessen sie in Berlin entbehrten.</p> <p>Diejenigen Mitglieder der National-Versammlung, welche sich dieser Anordnung ohne irgend einen Grund des Rechtes oder der Zweckmäßigkeit widersetzten, haben in ungerechter Anmaßung der höchsten Gewalt die Fahne der Empörung gegen den König ergriffen.</p> <p>Bewohner der Preußischen Lande! wir erfahren daß Menschen welche ihr Heil in gesetzlosen Zuständen suchen, diese Veranlassung benutzen, um Euch über die Absichten der Regierung zu belügen; Euch die Heiligkeit der von dem Könige gemachten Versprechungen zu verdächtigen und ein treues Volk zum Abfall von seinem rechtmäßigen Herrscher zu verleiten.</p> <p>Auf der einen Seite steht der König, der fest entschlossen ist, Euch unverkürzt die Vortheile und Freiheiten zu gewähren, welche sein Königliches Versprechen, verheißen hat und der den Tag herbei wünscht, an welchem diese Freiheiten förmlich festgestellt sein werden; auf der andern Seite stehen rebellische Abgeordnete, welche der Beendigung des Verfassungswerks fortwährend Schwierigkeiten entgegen stellten und jetzt zur Befriedigung ihres eigenen Ehrgeizes offen und heimlich bemüht sind, den König vom Throne zu stoßen und damit das Vaterland in Krieg und Verderben zu stürzen.</p> <p>Ihr Bewohner der Preußischen Provinzen müßt Euch jetzt entscheiden, ob Ihr mit dem Könige nach göttlichen und menschlichen Gesetzen leben, oder ob Ihr ohne den König in den Zustand blutiger und rechtloser Verwirrung fallen wollet, dem die Feinde des Gesetzes und der wahren Freiheit, unter Täuschungen aller Art, Euch zu Eurem eigenem Verderben entgegen führen wollen.</p> <p>Wir glauben fest, daß die große Mehrzahl des Preußischen Volkes in treuer Anhänglichkeit an den König keinen Augenblick wanken wird, aber wir wissen, daß die Lügner und Verführer thätig unter Euch sind, und deshalb warnen wir die Schwankenden unter Euch, damit nicht der Arm der strafenden Gerechtigkeit die Verblendeten zugleich mit den Schuldigen erreiche.</p> <p>Berlin, den 17. November 1848.</p> <p>Vorstehendes wird im Auftrage des Herrn Ministers des Innern hierdurch zur allgemeinen Kenntniß gebracht.</p> <p>Culm, den 21. November 1848.</p> <p>Königl. Landraths-Amt. v. <hi rendition="#g">Schrötter</hi>.</p> <p><hi rendition="#g">Mitbürger</hi>!</p> <p>Das hiesige Königliche Landraths-Amt hat angeblich im Auftrage des Herrn Minister des Innern gestern einen Aufruf von Berlin vom 17. d. Mts. zur allgemeinen Kenntniß gebracht, welcher die in Berlin tagenden Abgeordneten des Preußischen Volks als Rebellen darstellt, die bemüht sind, den König vom Throne zu stoßen und damit das Vaterland in Krieg und Verderben zu stürzen.</p> <p>Zunächst haben wir die triftigsten Gründe es zu bezweifeln, daß das Königliche Landraths-Amt einen Auftrag des Herrn Minister des Innern zur Veröffentlichung dieses Aufrufs erhalten hat, zumal derselbe keine Unterschrift trägt. Wer die Wahrheit für eine gute Sache sagt, darf sich nicht scheuen, seinen Namen dazu herzugeben.</p> <p>Demnächst dürfen wir Euch kaum sagen, daß die in dem Aufrufe enthaltenen Anschuldigungen offene Unwahrheiten sind; es fällt unseren Abgeordneten nicht bei, irgend wie gegen den König sich aufzulehnen. Sie streiten nur mit den Waffen des Gesetzes für die Rechte des Volkes, dessen Wohl und Wehe auch das Wohl und Wehe des Königs ist. Es handelt sich gegenwärtig in Preußen in keiner Weise um einen Abfall vom Könige, dem wir alle treu ergeben sind, sondern nur darum, daß es einer alles Recht, alles Gesetz mit Füßen tretenden Partei, welche sich zwischen den König und das Volk gedrängt hat, ferner unmöglich gemacht wird, ihre für Beide gleich verderblichen eigennützigen Pläne auszuführen.</p> <p>Mitbürger seid wachsam und prüfet, was Lüge und was Wahrheit ist.</p> <p>Culm, den 22. November 1848.</p> <p> <hi rendition="#g">Döring. Fink. Knorr. E. Eitner. H. Alberty. Ba.chmann. Wollenschläger. Utesch. F. Rauch. Groch. Werner. F. Reichhold.</hi> </p> </div> <div xml:id="ar155_014" type="jArticle"> <head>Erfurt, 25. Nov.</head> <p>Der preußische „Moniteur“ berichtet über die Erfurter Ereignisse:</p> <p>Am 24. d. Mts. sollte die 1ste und 4te Kompagnie des erfurter Landwehr-Bataillons eingekleidet werden. Schon am Abend vorher hatte die demokratische Partei daselbst alle Mittel in Bewegung gesetzt, um dies zu hintertreiben. Als am 24. d. Mts. Vormittags 123 Mann der erfurter Kompagnie sich gestellt hatten und die Einkleidung beginnen sollte, drängte sich der Pöbel in großen Massen hinzu. Es wurde die Bürgerwehr aufgefordert, den Platz vor dem Zeughause frei zu machen. Nachdem hierüber 1 1/2 Stunden vergangen waren, während welcher Zeit die zusammenberufene Garnison aufs vielfachste insultirt worden war, erklärten die Bürgerwehr-Kommandeure, sie könnten nicht allein den Platz nicht säubern, sondern sie müßten auf das bestimmteste erklären, daß selbst die Bürgerwehr gesonnen sei, sich der Einkleidung und dem Militär, wenn letzteres dieselbe mit Gewalt durchsetzen wollte, mit den Waffen in Hand zu widersetzen. Nachdem den Bürgerwehr-Kommandeuren nochmals eine Frist gegeben worden war, um die Bürger anderen Sinnes zu machen, erklärten dieselben abermals für nichts einstehen zu können. Inzwischen war bereits ein Zug Kürassiere, der nach dem Wilhelmsplatz rücken sollte, von dem Volke mit Steinen und Schüssen angegriffen worden, und da gleichzeitig sich die Wuth des Pöbels, der mit Sensen, Aexten etc. bewaffnet war, immer mehr steigerte, so wurde von dem Kommand. und Regierungs-Präsidenten die Stadt in den Belagerungszustand erklärt. Es rückte hierauf eine halbe Schwadron Kürassiere gegen die Zusammenrottung vor, welche das Zeughaus bedrohte und auf die gesetzliche Aufforderung nicht wich, vielmehr die Kürassiere mit Schüssen, Steinwürfen und Stichen von allen Arten Waffen empfing. Der sie führende Lieutenant von Krug erhielt hierbei 4 Schüsse, ohne jedoch dadurch verletzt zu werden. Die hierauf nachrückende Infanterie erhielt Feuer aus dem Haufen und aus den Häusern, sie erwiederte dies Feuer und es fand nun ein Straßengefecht statt, in welchem die Truppen bald Sieger waren. Eine Barrikade in der Auguststraße wurde von der Artillerie beschossen, dann von der Infanterie genommen. Viele Häuser, aus denen auf die Truppen geschossen worden war, wurden gestürmt. Die Truppen sind hierbei ohne Unterschied mit dem größten Bravour aufgetreten. Der Verlust der Truppen beträgt: 6 Soldaten todt, 1 Offizier, 1 Unteroffizier, 7 Soldaten verwundet, darunter 1 Unteroffizier und 3 Soldaten gefährlich. 2 Pferde todt und mehrere verwundet. Die Zahl der todten und verwundeten Rebellen ist noch nicht ermittelt; 102 derselben, darunter die gefährlichsten Führer, befinden sich gefangen auf dem Petersberg. Die Truppen bivouakiren auf den Plätzen und werden von den Bürgern auf das zuvorkommendste und freundlichste verpflegt.</p> </div> <div xml:id="ar155_015" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl> Breslau, 25. Nov.</head> <p>In einem hiesigen Blatt lesen wir heute folgende Erklärung, betitelt: „Steuerverweigerungssache.“</p> <p>„In dem am gestrigen Tage Seitens des Hrn. Fürstbischofs v. Diepenbrock an die schlesischen Katholiken gerichteten salbungsreichen Aufrufe ergeht an uns die dringende Mahnung, den von Berlin ausgehenden sündhaften Verlockungen zur Steuerverweigerung schon um deshalb kein Gehör zu schenken, weil Christus ausdrücklich geboten: „Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist,“ und jegliche Steuerverweigerung als diesem Ausspruche zuwider, uns der ewigen Verdammniß zuführen würde.</p> <p>Diese Ansprache unseres geistlichen Oberhirten hat in uns, wie natürlich, die ernstesten Betrachtungen erweckt, welche logisch die lebhaftesten Besorgnisse nicht für das eigene, sondern das jenseitige Schicksal sowohl des Hrn. Fürstbischofs als überhaupt das des gesammten <hi rendition="#b">keine Steuern zahlenden Klerus</hi> im preußischen Staate hervorriefen, indem die frommen Herren aus purem Eifer für unser Seelenheil das ihrige wahrzunehmen vergessen zu haben scheinen.</p> <p>Wir beschwören deshalb die gesammte hohe und niedere Geistlichkeit Schlesiens und der übrigen Provinzen, nicht um des guten Beispiels wegen, sondern hauptsächlich um deshalb, damit sie der ewigen Verdammniß entgehe, von heute ab „dem Kaiser zu geben, was des Kaisers ist,“ d. h. gleich uns übrigen Himmelskandidaten dem Staate Steuern zu entrichten, damit wir im Jenseits gemeinschaftlich mit unseren geliebten Seelenhirten dereinst die ewigen Freuden genießen mögen.</p> <p>Oberschlesien, 22. Nov. 1848.</p> <p rendition="#et"><hi rendition="#g">Mehrere Katholiken Oberschlesiens, die von Jugend auf Steuern zahlen.</hi>“</p> </div> <div xml:id="ar155_016" type="jArticle"> <head><bibl><author>24</author></bibl> Breslau, 25. Nov.</head> <p>Gab es je eine erbärmliche Stadtverordnetenversammlung, so ist es die hiesige. Der Royalismus tropft ihr wieder aus allen Poren, die blos einige Tage lang von Furcht und Schrecken vor dem Auftreten des Volkes verstopft waren. Dieselben Stadtverordneten, die sich vor einigen Tagen in einer Adresse ganz für die Nationalversammlung erklärt, waren in ihrer gestrigen Sitzung nahe daran, in einer Adresse an den König ein reuiges pater peccavi zu stammeln. Schaam oder Furcht ließen zur genauen Noth den Antrag verwerfen.</p> <p>Die Stadtverordneten hatten auch beschlossen, daß die Steuern zwar forterhoben, aber Seitens der Kommune in Verwahr gehalten würden, bis die Nationalversammlung anders beschließe. Diesen ihren früheren Beschluß nahmen sie gestern mit 42 gegen 36 Stimmen zurück. Wir haben zwar von der hiesigen Bourgeoisie niemals viel gehalten; daß sie aber so inkonsequent, feig und hündisch auftreten würde, hatten wir gleichwohl nicht erwartet. Durch ihren gestrigen Beschluß ist sie gerichtet; sie hat sich selbst den Hals abgeschnitten. Heute wird die Versammlung über den Antrag ihrer freiwilligen Auflösung berathen. Der Ausgang wird zeigen, ob sie ihren Zustand erkennt. Es ist nicht blos der der Auflösung, sondern der Verwesung.</p> </div> <div xml:id="ar155_017" type="jArticle"> <head>Cöslin.</head> <p><hi rendition="#g">Mitbürger</hi>!</p> <p>Obschon ein äußerer Feind, soweit uns bekannt ist, die Grenzen des theuren Vaterlandes nicht bedroht, obschon wir gesetzlich nur verpflichtet sind, gegen einen <hi rendition="#g">solchen</hi> Feind zu der Waffe zu greifen, sind wir doch der Ordre, welche uns uns jetzt zu den Fahnen gerufen hat, gefolgt, und haben den Rock des Bürgers mit dem des Soldaten vertauscht. Aber beruhigt Euch, Mitbürger, wir werden mit dem Rocke nicht unsere Gesinnung ändern; wir wissen, daß unsere Vertreter in Berlin die heiligen Rechte des Volkes vertheidigen, daß Sie nur das Beste des Landes und das <hi rendition="#g">wahre</hi> Wohl des Königs wollen.</p> <p>Wir werden den Lügen derer nicht glauben, welche aus eigennützigen Absichten uns bereden wollen, daß unsere Mitbürger in Berlin und in andern Provinzen Verräther und Empörer sind. —</p> <p>Glaubt uns, Mitbürger, wir werden unsere Waffen <hi rendition="#g">nicht</hi> gegen unsere Brüder wenden, nicht ihr Blut vergießen. Wir wissen, daß wir dadurch einen Mord begehen würden, für den wir vor dem Richterstuhle des Allerhöchsten dereinst Rechenschaft ablegen müssen, vor welcher uns kein menschlicher Befehl schützen kann.</p> <p>In dieser Gesinnung scheiden wir von Euch, in dieser Gesinnung, — rufen wir, indem wir unseren Führern folgen, Euch unser Lebewohl zu! —</p> <p>Cöslin, 20. November 1848.</p> <p>Die Landwehrmänner des 2ten Bataillons 9ten Landwehr-Regiments.</p> <p>Vorstehende Erklärung ist von 2 Offizieren, vielen Unteroffizieren und einigen Hundert Gemeinen, welche an der Abendsitzung der Bürgerversammlung Theil nahmen, mit dem größten Enthusiasmus abgegeben, und unterzeichnet worden. Es spricht sich darin die Gesinnung fast sämmtlicher Wehrmänner aus. Vergeblich versuchten einige reaktionäre Führer dieselben für das Königthum zu fanatisiren.</p> </div> <div xml:id="ar155_018" type="jArticle"> <head>Tilsit, 20. Nov.</head> <bibl>(Echo a. M.)</bibl> <p>Von mehreren glaubwürdigen Personen von der „russischen Grenze,“ die wir namhaft machen könnten, wenn wir nicht befürchten müßten, diese Personen in große Gefahr zu bringen, ist uns Folgendes übereinstimmend mitgetheilt worden:</p> <p>In sämmtlichen Russischen Zeitungen befindet sich eine Erklärung des Kaisers, in der er mit Bezug auf den gegenwärtig in Preußen zwischen der Krone und dem Volke ausgebrochenen Kampf versichert: Er, der Kaiser werde unter keinen Umständen dulden,„daß seinem geliebten Schwager von dem aufständischen Volke irgend welche Rechte genommen, und irgendwie seine Macht geraubt werde; um denselben zu schützen, werde er auf den ersten Wink mit seinen 500,000 <hi rendition="#g">Mann braven Truppen einrücken</hi>, um in Preußen die Ordnung wieder herzustellen“ — Dieselben Personen versicherten, „daß das Militär überall marschfertig und zum Einrücken bereit sei.“ Auch wollten sie bereits wissen, „daß für die Straße von Tauroggen und Schmaleningken Kosaken-Regimenter bestimmt wären, die den Befehl erhalten würden, direkt auf Tilsit zu marschieren.“</p> </div> <div xml:id="ar155_019" type="jArticle"> <head><bibl><author>24</author></bibl> Wien, 24. Nov.</head> <p>Der größte Theil der weggenommenen circa 70,000 Gewehre wird von hier weggeschafft nach Ollmütz, Linz etc. Daß Oedenburg von den kaiserlichen Truppen besetzt worden, wird durch eine amtliche Mittheilung bestätigt. Nachrichten aus Siebenbürgen vom 14. sagen, daß der Kommandirende, F. M. L. Buchner, Maro-Basarhely besetzt habe.</p> </div> <div xml:id="ar155_020" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl> Wien, 24. November.</head> <p>Das allergnädigste Handschreiben des Kaisers Nikolaus an Jellachich lautet:</p> <p>„Ihre edlen Bestrebungen, General, um die Grundsätze der gesellschaftlichen Ordnung und der Gleichberechtigung, welche durch eine zügellose, an den empörendsten Exzessen schuldig gewordene Partei mit Füßen getreten wurden, vor einem Schiffbruche zu retten, haben Ihnen gerechte Ansprüche auf Meine Achtung erworben. Ich folgte mit lebhafter Sympathie Ihren geschickten Operationen seit dem Tage, wo Ihr Patriotismus Sie die Waffe ergreifen ließ, um in Ungarn den umwälzenden Tendenzen zu widerstehen. Ihre talentvollen Bewegungen führten Sie unter die Mauern Wiens, gerade im Augenblicke eines entscheidenden Kampfes. Der Sieg, an welchem Sie einen so glänzenden Antheil nahmen, wendete sich auf Seiten des guten Rechts. Indem Ich die Wichtigkeit der Dienste, welche Sie und die Ihnen anvertrauten braven Truppen so eben erwiesen haben, vollkommen würdige, und indem es Mir am Herzen liegt, Ihnen einen Beweis Meiner völligen Anerkennung darüber zu liefern, habe Ich Sie zum Ritter des heiligen Wladimirordens erster Klasse ernannt, dessen Insignien nebst Patent Ich Ihnen anbei übersende. Ich ergreife diese Gelegenheit, um Ihnen die Versicherung der Theilnahme und der besonderen Achtung auszudrücken, die Ich Ihnen unabänderlich gewidmet habe.</p> <p>Zarskoe-Selo, den 29. Oktober (10. Nov.) 1848.</p> <p><hi rendition="#g">Nikolaus</hi>.“</p> </div> <div xml:id="ar155_021" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl> Wien, 17. November.</head> <p>Die Triestiner haben nun definitiv in ihrem Gemeinderathe beschlossen, die Neuwahl für Frankfurt einstweilen zu sistiren, bis sie sehen werden, wie es Frankfurt verstehe, seiner Deputirten Unverletzlichkeit zu schützen.</p> </div> <div xml:id="ar155_022" type="jArticle"> <head>Zittau, 22. November.</head> <p>Sicherm Vernehmen nach werden in den nächsten Tagen die der Lausitz benachbarten Gränzorte Böhmens von österreichischen Truppen aller Waffengattungen besetzt werden, um die Recrutirung, welche in jenen Ortschaften vielfachen Widerstand gefunden hat, ja in manchen völlig vereitelt worden ist, gewaltsam durchzusetzen. Bereits vorgestern sind 1000 Mann Infanterie und zwei Batterien Kanonen in Reichenberg eingerückt, und größere Truppenmassen, wie es heißt, Kroaten, sollen diesen unverweilt folgen und bis zum Städtchen Grottau, eine halbe Stunde von Zittau entfernt, vorgeschoben werden. Der Kommandant dieses Truppenkorps hat den gemessenen Befehl, die Stadt Reichenberg, sobald sie den geringsten Widerstand versuche, sofort in Belagerungszustand zu erklären und sodann mit unnachsichtlicher Strenge zu verfahren.</p> <bibl>(Leipz. Z.)</bibl> </div> <div xml:id="ar155_023" type="jArticle"> <head><bibl><author>14</author></bibl> Darmstadt, 24. Novbr.</head> <p>Wenn Sie das Glück hatten, den Verhandlungen des Vorparlaments beizuwohnen, so erinnern Sie sich vielleicht eines schwatzhaften alten Mannes, der sich stets mit großer Selbstgefälligkeit mit den Worten: „<hi rendition="#g">Jaup</hi> aus Darmstadt“ ankündigte. Derselbe schwatzhafte Alte ist jetzt unser Ministerpräsident. Unter dem alten System galt er für einen freisinniger Mann, d. h. er sprach viel von Geschwornengerichten, besuchte die Germanistenversammlungen und feierte bei 4000 Fl. Pension ein für das Land gerade nicht wohlfeiles Märtyrerthum. Sobald Hr. Jung im Laufe dieses Sommers Minister geworden war, bekam er, wie alle Minister der Bourgeoisie, die fixe Idee, sich dem Hofe für das in ihn gesetzte rührende Vertrauen als „Mann der That“ zu zeigen, wie Zeitungsartikel melden, als deren Verfasser die böse Welt ihn selbst nennt. Er unterdrückte die freien Gemeinden, er versetzte fast alle demokratischen Zeitungen in Anklagezustand, und ließ die Demokraten zu Dutzenden in seine Staatsnothställe einsperren. Als Hr. Jaup an's Ruder kam, waren die Provinzen Oberhessen und Rheinhessen fast gänzlich demokratisirt; Hr. Jaup als „Mann der That“ und Nachfolger des „kühnen Griffs“ wußte Rath zu schaffen: er benutzte den 18. September, diesen Allerseelentag der Reaktion, und ließ die Häupter der Gießner Demokratie, darunter A. Becker, Redakteur des „jüngsten Tags“, einstecken; gegen andere demokratische Blätter, wie die „Neue Deutsche Zeitung“, wurden Preßprozesse anhängig gemacht. Trotz der sogenannten „Märzerrungenschaften“, auf die man sich hier zu Lande lange Zeit etwas zu Gute that, schleppte noch die unter dem alten System des Census und der büreaukratischen Intriguen gewählte Kammer ihr langweiliges Dasein fort — dieselbe Kammer, aus deren Mitte einst der Mann mit dem „kühnen Griff und den buschigen Augenbrauen“, der bekanntlich so großen Ueberfluß an Zuversicht und so großen Mangel an Einsicht hat, als Minister von Hessen-Darmstadt hervorgegangen war. Im Laufe des Sommers verließen die Rheinhessischen Deputirten Zitz, Mohr, Bohlen und Grode die Kammer, weil ihr längeres Fortbestehen die Volkssouveränetät beeinträchtige. Ihr Austritt ward von ihren Kollegen nicht genehmigt. Aber am Ende fanden es die Herrn doch selbst nicht mehr gerathen, dem Volkswillen, der ein neues Wahlgesetz und eine konstituirende Versammlung verlangte, länger zu widerstreben. Sie forderten selbst ihre Auflösung. Hr. Jaup aber trat eines schönen Morgens in die Kammer, und verlas nach einer langathmigen Einleitung ein großherzogliches Rescript, worin den „lieben, getreuen Ständen“ der Wunsch untergeschoben ward, „zu ihren gewohnten heimathlichen Beschäftigungen zurückzukehren.“ Die Opposition reckte schon die Köpfe, um das Wort zu nehmen; aber Hr. Jaup empfahl sich den Herren zu Gnaden und schlich fort wie die Katze vom Taubenschlag. Die Kammer war vertagt, die „N. Deutsche Zeitung“ meinte, sie wäre geprellt; aber Hr. Jaup verstand diesen Ausdruck, der eigentlich foppen bedeuten sollte, unrecht, und machte wegen seiner abhanden gekommenen Amts- und Dienstehre einen Preßprozeß anhängig.</p> <p>Auf den 21. November nun wurden die Kammern wieder einberufen, um ihnen das „Wahlgesetz im liberalsten Sinne,“ das er versprochen hatte, vorzulegen. In diesem Wahlgesetz ist zwar für die 2. Kammer der Vermögenscensus aufgehoben, aber für die aktive Wahlfähigkeit ein Alterscensus von 25 Jahren, für die passive von 30 Jahren festgesetzt, während man doch bei uns mit 21 Jahren schon volljährig ist. Die zweite Kammer vertritt dagegen nach altem Schnitt den großen Grundbesitz; um in sie gewählt zu werden, muß man 40 Jahren zählen und jährlich 100 Fl. direkte Steuern zahlen; zahlt mun nur 30 Fl., so muß man 5 Jahre lang Beamter gewesen sein. Also eine Vertretung des Geldadels und der hohen Büreaukratie, die, wenn sie wirklich zu Stande käme, alle freisinnigen Beschlüsse der zweiten Kammer überflüssig machen würde. Dies das „Wahlgesetz im liberalsten Sinne“, welches der „Mann der That“ erlassen. Die erste Sitzung am 21. November war sehr stürmisch; Zitz, Mohr und Bohlen wurden wegen ihres Wiedererscheinens angefeindet, aber die Gallerieen jubelten Zitz ihre Bravo's zu; es ertönten sogar Hochs auf Hecker, was den Präsidenten, welcher mit der ersten Liebe des Jünglings für die Geliebte für Tages- und Geschäftsordnungen schwärmt, so sehr verdroß, daß er mit „bewaffneter Macht“ drohte, und in der nächsten Sitzung diese Drohung in Gestalt von 10 Konstablern mit weißen polizeilich gestempelten Binden und armdicken Knüppeln verwirklichte. Die hessischen Soldaten werden von Tag zu Tag demokratischer; hier in Darmstadt betheiligen sie sich sehr fleißig an dem demokratischen Volksleseverein, und prügeln ihre Offiziere durch, wenn sie ihnen zu reaktionär sind. So hatten wir gestern Abend hier einen bedeutenden Militärkrawall, wobei die Gemeinen zu Gunsten eines liberalen Offiziers, den die Oberoffiziere ausstoßen wollten, Demonstrationen machten. Nachdem sie dem liberalen Lieutenant eine Nachtmusik gemacht hatten, stürmten sie die Kaserne und befreiten einen Kameraden, der, weil er mit Hecker in Verbindung gestanden, 21 Jahre Zuchthaus bekommen hatte. In allen Kasernen hört man hier Heckerlieder singen.</p> </div> <div xml:id="ar155_024" type="jArticle"> <head>Dürkheim a. d. H., 22. Nov.</head> <p>Der hiesige Volksverein hat vorgestern eine Adresse an die deutsche Nationalversammlung beschlossen, worin unter Anderm ausgesprochen wird, daß das Verhalten der provisorischen Centralgewalt, sich stützend auf die Majorität der Nationalversammlung, bei allen wichtigen Momenten der Entwickelung der allgemein deutschen sowie der besondern Verhältnisse einzelner deutschen Staaten, durchaus nicht geeignet sei, das Vertrauen der Mehrzahl des deutschen Volkes zu erhalten und zu befestigen. Gegen aus dem Volke hier und da auftauchende Erscheinungen der Gesetzlosigkeit, sei sie entschieden, der Gesetzlosigkeit von Oben aber nicht entgegengetreten. Die Adresse verweist auf den schleswig-holsteinischen Krieg, auf Wien, die Hinrichtung Blum's und auf die preußische Frage. Wenn sich nunmehr die Centralgewalt und die Nationalversammlung nicht offen, ehrlich und entschieden auf die Seite des mißhandelten Volkes stellen und nicht energische Maßregeln gegen die con trerevolutionären Bestrebungen der preußischen Regierung ergreifen würden, dann sei das schwache Vertrauen auf beide im Volke gänzlich verschwunden, und es müsse dieses auf anderm Wege sich erringen, was es von der Nationalversammlung und der Centralgewalt für immer gesichert glaubte.</p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0819/0003]
so wird derselbe zum Feldwebel oder Unteroffizier du jour desjenigen, den er besuchen will, geführt und von diesem wird die Erlaubniß dazu gegeben; diese haben auch den Besuch zu kontrolliren. Gilt der Besuch einem der Herren Offiziere, so muß ein Wachtmann den Fremden bis zum Offizier begleiten.
Berlin den 26. Nov. 1848. gez. v. Geyl, General-Major.
X Berlin, den 25. Nov. Aus Culm gehen uns folgende amtliche Nachrichten zu: Die Regierung des Königs hat gesucht, den Berathungen der Versammlung zur Vereinbarung der Verfassung, durch Verlegung nach Brandenburg, den Schutz zu gewähren, dessen sie in Berlin entbehrten.
Diejenigen Mitglieder der National-Versammlung, welche sich dieser Anordnung ohne irgend einen Grund des Rechtes oder der Zweckmäßigkeit widersetzten, haben in ungerechter Anmaßung der höchsten Gewalt die Fahne der Empörung gegen den König ergriffen.
Bewohner der Preußischen Lande! wir erfahren daß Menschen welche ihr Heil in gesetzlosen Zuständen suchen, diese Veranlassung benutzen, um Euch über die Absichten der Regierung zu belügen; Euch die Heiligkeit der von dem Könige gemachten Versprechungen zu verdächtigen und ein treues Volk zum Abfall von seinem rechtmäßigen Herrscher zu verleiten.
Auf der einen Seite steht der König, der fest entschlossen ist, Euch unverkürzt die Vortheile und Freiheiten zu gewähren, welche sein Königliches Versprechen, verheißen hat und der den Tag herbei wünscht, an welchem diese Freiheiten förmlich festgestellt sein werden; auf der andern Seite stehen rebellische Abgeordnete, welche der Beendigung des Verfassungswerks fortwährend Schwierigkeiten entgegen stellten und jetzt zur Befriedigung ihres eigenen Ehrgeizes offen und heimlich bemüht sind, den König vom Throne zu stoßen und damit das Vaterland in Krieg und Verderben zu stürzen.
Ihr Bewohner der Preußischen Provinzen müßt Euch jetzt entscheiden, ob Ihr mit dem Könige nach göttlichen und menschlichen Gesetzen leben, oder ob Ihr ohne den König in den Zustand blutiger und rechtloser Verwirrung fallen wollet, dem die Feinde des Gesetzes und der wahren Freiheit, unter Täuschungen aller Art, Euch zu Eurem eigenem Verderben entgegen führen wollen.
Wir glauben fest, daß die große Mehrzahl des Preußischen Volkes in treuer Anhänglichkeit an den König keinen Augenblick wanken wird, aber wir wissen, daß die Lügner und Verführer thätig unter Euch sind, und deshalb warnen wir die Schwankenden unter Euch, damit nicht der Arm der strafenden Gerechtigkeit die Verblendeten zugleich mit den Schuldigen erreiche.
Berlin, den 17. November 1848.
Vorstehendes wird im Auftrage des Herrn Ministers des Innern hierdurch zur allgemeinen Kenntniß gebracht.
Culm, den 21. November 1848.
Königl. Landraths-Amt. v. Schrötter.
Mitbürger!
Das hiesige Königliche Landraths-Amt hat angeblich im Auftrage des Herrn Minister des Innern gestern einen Aufruf von Berlin vom 17. d. Mts. zur allgemeinen Kenntniß gebracht, welcher die in Berlin tagenden Abgeordneten des Preußischen Volks als Rebellen darstellt, die bemüht sind, den König vom Throne zu stoßen und damit das Vaterland in Krieg und Verderben zu stürzen.
Zunächst haben wir die triftigsten Gründe es zu bezweifeln, daß das Königliche Landraths-Amt einen Auftrag des Herrn Minister des Innern zur Veröffentlichung dieses Aufrufs erhalten hat, zumal derselbe keine Unterschrift trägt. Wer die Wahrheit für eine gute Sache sagt, darf sich nicht scheuen, seinen Namen dazu herzugeben.
Demnächst dürfen wir Euch kaum sagen, daß die in dem Aufrufe enthaltenen Anschuldigungen offene Unwahrheiten sind; es fällt unseren Abgeordneten nicht bei, irgend wie gegen den König sich aufzulehnen. Sie streiten nur mit den Waffen des Gesetzes für die Rechte des Volkes, dessen Wohl und Wehe auch das Wohl und Wehe des Königs ist. Es handelt sich gegenwärtig in Preußen in keiner Weise um einen Abfall vom Könige, dem wir alle treu ergeben sind, sondern nur darum, daß es einer alles Recht, alles Gesetz mit Füßen tretenden Partei, welche sich zwischen den König und das Volk gedrängt hat, ferner unmöglich gemacht wird, ihre für Beide gleich verderblichen eigennützigen Pläne auszuführen.
Mitbürger seid wachsam und prüfet, was Lüge und was Wahrheit ist.
Culm, den 22. November 1848.
Döring. Fink. Knorr. E. Eitner. H. Alberty. Ba.chmann. Wollenschläger. Utesch. F. Rauch. Groch. Werner. F. Reichhold.
Erfurt, 25. Nov. Der preußische „Moniteur“ berichtet über die Erfurter Ereignisse:
Am 24. d. Mts. sollte die 1ste und 4te Kompagnie des erfurter Landwehr-Bataillons eingekleidet werden. Schon am Abend vorher hatte die demokratische Partei daselbst alle Mittel in Bewegung gesetzt, um dies zu hintertreiben. Als am 24. d. Mts. Vormittags 123 Mann der erfurter Kompagnie sich gestellt hatten und die Einkleidung beginnen sollte, drängte sich der Pöbel in großen Massen hinzu. Es wurde die Bürgerwehr aufgefordert, den Platz vor dem Zeughause frei zu machen. Nachdem hierüber 1 1/2 Stunden vergangen waren, während welcher Zeit die zusammenberufene Garnison aufs vielfachste insultirt worden war, erklärten die Bürgerwehr-Kommandeure, sie könnten nicht allein den Platz nicht säubern, sondern sie müßten auf das bestimmteste erklären, daß selbst die Bürgerwehr gesonnen sei, sich der Einkleidung und dem Militär, wenn letzteres dieselbe mit Gewalt durchsetzen wollte, mit den Waffen in Hand zu widersetzen. Nachdem den Bürgerwehr-Kommandeuren nochmals eine Frist gegeben worden war, um die Bürger anderen Sinnes zu machen, erklärten dieselben abermals für nichts einstehen zu können. Inzwischen war bereits ein Zug Kürassiere, der nach dem Wilhelmsplatz rücken sollte, von dem Volke mit Steinen und Schüssen angegriffen worden, und da gleichzeitig sich die Wuth des Pöbels, der mit Sensen, Aexten etc. bewaffnet war, immer mehr steigerte, so wurde von dem Kommand. und Regierungs-Präsidenten die Stadt in den Belagerungszustand erklärt. Es rückte hierauf eine halbe Schwadron Kürassiere gegen die Zusammenrottung vor, welche das Zeughaus bedrohte und auf die gesetzliche Aufforderung nicht wich, vielmehr die Kürassiere mit Schüssen, Steinwürfen und Stichen von allen Arten Waffen empfing. Der sie führende Lieutenant von Krug erhielt hierbei 4 Schüsse, ohne jedoch dadurch verletzt zu werden. Die hierauf nachrückende Infanterie erhielt Feuer aus dem Haufen und aus den Häusern, sie erwiederte dies Feuer und es fand nun ein Straßengefecht statt, in welchem die Truppen bald Sieger waren. Eine Barrikade in der Auguststraße wurde von der Artillerie beschossen, dann von der Infanterie genommen. Viele Häuser, aus denen auf die Truppen geschossen worden war, wurden gestürmt. Die Truppen sind hierbei ohne Unterschied mit dem größten Bravour aufgetreten. Der Verlust der Truppen beträgt: 6 Soldaten todt, 1 Offizier, 1 Unteroffizier, 7 Soldaten verwundet, darunter 1 Unteroffizier und 3 Soldaten gefährlich. 2 Pferde todt und mehrere verwundet. Die Zahl der todten und verwundeten Rebellen ist noch nicht ermittelt; 102 derselben, darunter die gefährlichsten Führer, befinden sich gefangen auf dem Petersberg. Die Truppen bivouakiren auf den Plätzen und werden von den Bürgern auf das zuvorkommendste und freundlichste verpflegt.
* Breslau, 25. Nov. In einem hiesigen Blatt lesen wir heute folgende Erklärung, betitelt: „Steuerverweigerungssache.“
„In dem am gestrigen Tage Seitens des Hrn. Fürstbischofs v. Diepenbrock an die schlesischen Katholiken gerichteten salbungsreichen Aufrufe ergeht an uns die dringende Mahnung, den von Berlin ausgehenden sündhaften Verlockungen zur Steuerverweigerung schon um deshalb kein Gehör zu schenken, weil Christus ausdrücklich geboten: „Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist,“ und jegliche Steuerverweigerung als diesem Ausspruche zuwider, uns der ewigen Verdammniß zuführen würde.
Diese Ansprache unseres geistlichen Oberhirten hat in uns, wie natürlich, die ernstesten Betrachtungen erweckt, welche logisch die lebhaftesten Besorgnisse nicht für das eigene, sondern das jenseitige Schicksal sowohl des Hrn. Fürstbischofs als überhaupt das des gesammten keine Steuern zahlenden Klerus im preußischen Staate hervorriefen, indem die frommen Herren aus purem Eifer für unser Seelenheil das ihrige wahrzunehmen vergessen zu haben scheinen.
Wir beschwören deshalb die gesammte hohe und niedere Geistlichkeit Schlesiens und der übrigen Provinzen, nicht um des guten Beispiels wegen, sondern hauptsächlich um deshalb, damit sie der ewigen Verdammniß entgehe, von heute ab „dem Kaiser zu geben, was des Kaisers ist,“ d. h. gleich uns übrigen Himmelskandidaten dem Staate Steuern zu entrichten, damit wir im Jenseits gemeinschaftlich mit unseren geliebten Seelenhirten dereinst die ewigen Freuden genießen mögen.
Oberschlesien, 22. Nov. 1848.
Mehrere Katholiken Oberschlesiens, die von Jugend auf Steuern zahlen.“
24 Breslau, 25. Nov. Gab es je eine erbärmliche Stadtverordnetenversammlung, so ist es die hiesige. Der Royalismus tropft ihr wieder aus allen Poren, die blos einige Tage lang von Furcht und Schrecken vor dem Auftreten des Volkes verstopft waren. Dieselben Stadtverordneten, die sich vor einigen Tagen in einer Adresse ganz für die Nationalversammlung erklärt, waren in ihrer gestrigen Sitzung nahe daran, in einer Adresse an den König ein reuiges pater peccavi zu stammeln. Schaam oder Furcht ließen zur genauen Noth den Antrag verwerfen.
Die Stadtverordneten hatten auch beschlossen, daß die Steuern zwar forterhoben, aber Seitens der Kommune in Verwahr gehalten würden, bis die Nationalversammlung anders beschließe. Diesen ihren früheren Beschluß nahmen sie gestern mit 42 gegen 36 Stimmen zurück. Wir haben zwar von der hiesigen Bourgeoisie niemals viel gehalten; daß sie aber so inkonsequent, feig und hündisch auftreten würde, hatten wir gleichwohl nicht erwartet. Durch ihren gestrigen Beschluß ist sie gerichtet; sie hat sich selbst den Hals abgeschnitten. Heute wird die Versammlung über den Antrag ihrer freiwilligen Auflösung berathen. Der Ausgang wird zeigen, ob sie ihren Zustand erkennt. Es ist nicht blos der der Auflösung, sondern der Verwesung.
Cöslin. Mitbürger!
Obschon ein äußerer Feind, soweit uns bekannt ist, die Grenzen des theuren Vaterlandes nicht bedroht, obschon wir gesetzlich nur verpflichtet sind, gegen einen solchen Feind zu der Waffe zu greifen, sind wir doch der Ordre, welche uns uns jetzt zu den Fahnen gerufen hat, gefolgt, und haben den Rock des Bürgers mit dem des Soldaten vertauscht. Aber beruhigt Euch, Mitbürger, wir werden mit dem Rocke nicht unsere Gesinnung ändern; wir wissen, daß unsere Vertreter in Berlin die heiligen Rechte des Volkes vertheidigen, daß Sie nur das Beste des Landes und das wahre Wohl des Königs wollen.
Wir werden den Lügen derer nicht glauben, welche aus eigennützigen Absichten uns bereden wollen, daß unsere Mitbürger in Berlin und in andern Provinzen Verräther und Empörer sind. —
Glaubt uns, Mitbürger, wir werden unsere Waffen nicht gegen unsere Brüder wenden, nicht ihr Blut vergießen. Wir wissen, daß wir dadurch einen Mord begehen würden, für den wir vor dem Richterstuhle des Allerhöchsten dereinst Rechenschaft ablegen müssen, vor welcher uns kein menschlicher Befehl schützen kann.
In dieser Gesinnung scheiden wir von Euch, in dieser Gesinnung, — rufen wir, indem wir unseren Führern folgen, Euch unser Lebewohl zu! —
Cöslin, 20. November 1848.
Die Landwehrmänner des 2ten Bataillons 9ten Landwehr-Regiments.
Vorstehende Erklärung ist von 2 Offizieren, vielen Unteroffizieren und einigen Hundert Gemeinen, welche an der Abendsitzung der Bürgerversammlung Theil nahmen, mit dem größten Enthusiasmus abgegeben, und unterzeichnet worden. Es spricht sich darin die Gesinnung fast sämmtlicher Wehrmänner aus. Vergeblich versuchten einige reaktionäre Führer dieselben für das Königthum zu fanatisiren.
Tilsit, 20. Nov. (Echo a. M.) Von mehreren glaubwürdigen Personen von der „russischen Grenze,“ die wir namhaft machen könnten, wenn wir nicht befürchten müßten, diese Personen in große Gefahr zu bringen, ist uns Folgendes übereinstimmend mitgetheilt worden:
In sämmtlichen Russischen Zeitungen befindet sich eine Erklärung des Kaisers, in der er mit Bezug auf den gegenwärtig in Preußen zwischen der Krone und dem Volke ausgebrochenen Kampf versichert: Er, der Kaiser werde unter keinen Umständen dulden,„daß seinem geliebten Schwager von dem aufständischen Volke irgend welche Rechte genommen, und irgendwie seine Macht geraubt werde; um denselben zu schützen, werde er auf den ersten Wink mit seinen 500,000 Mann braven Truppen einrücken, um in Preußen die Ordnung wieder herzustellen“ — Dieselben Personen versicherten, „daß das Militär überall marschfertig und zum Einrücken bereit sei.“ Auch wollten sie bereits wissen, „daß für die Straße von Tauroggen und Schmaleningken Kosaken-Regimenter bestimmt wären, die den Befehl erhalten würden, direkt auf Tilsit zu marschieren.“
24 Wien, 24. Nov. Der größte Theil der weggenommenen circa 70,000 Gewehre wird von hier weggeschafft nach Ollmütz, Linz etc. Daß Oedenburg von den kaiserlichen Truppen besetzt worden, wird durch eine amtliche Mittheilung bestätigt. Nachrichten aus Siebenbürgen vom 14. sagen, daß der Kommandirende, F. M. L. Buchner, Maro-Basarhely besetzt habe.
* Wien, 24. November. Das allergnädigste Handschreiben des Kaisers Nikolaus an Jellachich lautet:
„Ihre edlen Bestrebungen, General, um die Grundsätze der gesellschaftlichen Ordnung und der Gleichberechtigung, welche durch eine zügellose, an den empörendsten Exzessen schuldig gewordene Partei mit Füßen getreten wurden, vor einem Schiffbruche zu retten, haben Ihnen gerechte Ansprüche auf Meine Achtung erworben. Ich folgte mit lebhafter Sympathie Ihren geschickten Operationen seit dem Tage, wo Ihr Patriotismus Sie die Waffe ergreifen ließ, um in Ungarn den umwälzenden Tendenzen zu widerstehen. Ihre talentvollen Bewegungen führten Sie unter die Mauern Wiens, gerade im Augenblicke eines entscheidenden Kampfes. Der Sieg, an welchem Sie einen so glänzenden Antheil nahmen, wendete sich auf Seiten des guten Rechts. Indem Ich die Wichtigkeit der Dienste, welche Sie und die Ihnen anvertrauten braven Truppen so eben erwiesen haben, vollkommen würdige, und indem es Mir am Herzen liegt, Ihnen einen Beweis Meiner völligen Anerkennung darüber zu liefern, habe Ich Sie zum Ritter des heiligen Wladimirordens erster Klasse ernannt, dessen Insignien nebst Patent Ich Ihnen anbei übersende. Ich ergreife diese Gelegenheit, um Ihnen die Versicherung der Theilnahme und der besonderen Achtung auszudrücken, die Ich Ihnen unabänderlich gewidmet habe.
Zarskoe-Selo, den 29. Oktober (10. Nov.) 1848.
Nikolaus.“
* Wien, 17. November. Die Triestiner haben nun definitiv in ihrem Gemeinderathe beschlossen, die Neuwahl für Frankfurt einstweilen zu sistiren, bis sie sehen werden, wie es Frankfurt verstehe, seiner Deputirten Unverletzlichkeit zu schützen.
Zittau, 22. November. Sicherm Vernehmen nach werden in den nächsten Tagen die der Lausitz benachbarten Gränzorte Böhmens von österreichischen Truppen aller Waffengattungen besetzt werden, um die Recrutirung, welche in jenen Ortschaften vielfachen Widerstand gefunden hat, ja in manchen völlig vereitelt worden ist, gewaltsam durchzusetzen. Bereits vorgestern sind 1000 Mann Infanterie und zwei Batterien Kanonen in Reichenberg eingerückt, und größere Truppenmassen, wie es heißt, Kroaten, sollen diesen unverweilt folgen und bis zum Städtchen Grottau, eine halbe Stunde von Zittau entfernt, vorgeschoben werden. Der Kommandant dieses Truppenkorps hat den gemessenen Befehl, die Stadt Reichenberg, sobald sie den geringsten Widerstand versuche, sofort in Belagerungszustand zu erklären und sodann mit unnachsichtlicher Strenge zu verfahren.
(Leipz. Z.) 14 Darmstadt, 24. Novbr. Wenn Sie das Glück hatten, den Verhandlungen des Vorparlaments beizuwohnen, so erinnern Sie sich vielleicht eines schwatzhaften alten Mannes, der sich stets mit großer Selbstgefälligkeit mit den Worten: „Jaup aus Darmstadt“ ankündigte. Derselbe schwatzhafte Alte ist jetzt unser Ministerpräsident. Unter dem alten System galt er für einen freisinniger Mann, d. h. er sprach viel von Geschwornengerichten, besuchte die Germanistenversammlungen und feierte bei 4000 Fl. Pension ein für das Land gerade nicht wohlfeiles Märtyrerthum. Sobald Hr. Jung im Laufe dieses Sommers Minister geworden war, bekam er, wie alle Minister der Bourgeoisie, die fixe Idee, sich dem Hofe für das in ihn gesetzte rührende Vertrauen als „Mann der That“ zu zeigen, wie Zeitungsartikel melden, als deren Verfasser die böse Welt ihn selbst nennt. Er unterdrückte die freien Gemeinden, er versetzte fast alle demokratischen Zeitungen in Anklagezustand, und ließ die Demokraten zu Dutzenden in seine Staatsnothställe einsperren. Als Hr. Jaup an's Ruder kam, waren die Provinzen Oberhessen und Rheinhessen fast gänzlich demokratisirt; Hr. Jaup als „Mann der That“ und Nachfolger des „kühnen Griffs“ wußte Rath zu schaffen: er benutzte den 18. September, diesen Allerseelentag der Reaktion, und ließ die Häupter der Gießner Demokratie, darunter A. Becker, Redakteur des „jüngsten Tags“, einstecken; gegen andere demokratische Blätter, wie die „Neue Deutsche Zeitung“, wurden Preßprozesse anhängig gemacht. Trotz der sogenannten „Märzerrungenschaften“, auf die man sich hier zu Lande lange Zeit etwas zu Gute that, schleppte noch die unter dem alten System des Census und der büreaukratischen Intriguen gewählte Kammer ihr langweiliges Dasein fort — dieselbe Kammer, aus deren Mitte einst der Mann mit dem „kühnen Griff und den buschigen Augenbrauen“, der bekanntlich so großen Ueberfluß an Zuversicht und so großen Mangel an Einsicht hat, als Minister von Hessen-Darmstadt hervorgegangen war. Im Laufe des Sommers verließen die Rheinhessischen Deputirten Zitz, Mohr, Bohlen und Grode die Kammer, weil ihr längeres Fortbestehen die Volkssouveränetät beeinträchtige. Ihr Austritt ward von ihren Kollegen nicht genehmigt. Aber am Ende fanden es die Herrn doch selbst nicht mehr gerathen, dem Volkswillen, der ein neues Wahlgesetz und eine konstituirende Versammlung verlangte, länger zu widerstreben. Sie forderten selbst ihre Auflösung. Hr. Jaup aber trat eines schönen Morgens in die Kammer, und verlas nach einer langathmigen Einleitung ein großherzogliches Rescript, worin den „lieben, getreuen Ständen“ der Wunsch untergeschoben ward, „zu ihren gewohnten heimathlichen Beschäftigungen zurückzukehren.“ Die Opposition reckte schon die Köpfe, um das Wort zu nehmen; aber Hr. Jaup empfahl sich den Herren zu Gnaden und schlich fort wie die Katze vom Taubenschlag. Die Kammer war vertagt, die „N. Deutsche Zeitung“ meinte, sie wäre geprellt; aber Hr. Jaup verstand diesen Ausdruck, der eigentlich foppen bedeuten sollte, unrecht, und machte wegen seiner abhanden gekommenen Amts- und Dienstehre einen Preßprozeß anhängig.
Auf den 21. November nun wurden die Kammern wieder einberufen, um ihnen das „Wahlgesetz im liberalsten Sinne,“ das er versprochen hatte, vorzulegen. In diesem Wahlgesetz ist zwar für die 2. Kammer der Vermögenscensus aufgehoben, aber für die aktive Wahlfähigkeit ein Alterscensus von 25 Jahren, für die passive von 30 Jahren festgesetzt, während man doch bei uns mit 21 Jahren schon volljährig ist. Die zweite Kammer vertritt dagegen nach altem Schnitt den großen Grundbesitz; um in sie gewählt zu werden, muß man 40 Jahren zählen und jährlich 100 Fl. direkte Steuern zahlen; zahlt mun nur 30 Fl., so muß man 5 Jahre lang Beamter gewesen sein. Also eine Vertretung des Geldadels und der hohen Büreaukratie, die, wenn sie wirklich zu Stande käme, alle freisinnigen Beschlüsse der zweiten Kammer überflüssig machen würde. Dies das „Wahlgesetz im liberalsten Sinne“, welches der „Mann der That“ erlassen. Die erste Sitzung am 21. November war sehr stürmisch; Zitz, Mohr und Bohlen wurden wegen ihres Wiedererscheinens angefeindet, aber die Gallerieen jubelten Zitz ihre Bravo's zu; es ertönten sogar Hochs auf Hecker, was den Präsidenten, welcher mit der ersten Liebe des Jünglings für die Geliebte für Tages- und Geschäftsordnungen schwärmt, so sehr verdroß, daß er mit „bewaffneter Macht“ drohte, und in der nächsten Sitzung diese Drohung in Gestalt von 10 Konstablern mit weißen polizeilich gestempelten Binden und armdicken Knüppeln verwirklichte. Die hessischen Soldaten werden von Tag zu Tag demokratischer; hier in Darmstadt betheiligen sie sich sehr fleißig an dem demokratischen Volksleseverein, und prügeln ihre Offiziere durch, wenn sie ihnen zu reaktionär sind. So hatten wir gestern Abend hier einen bedeutenden Militärkrawall, wobei die Gemeinen zu Gunsten eines liberalen Offiziers, den die Oberoffiziere ausstoßen wollten, Demonstrationen machten. Nachdem sie dem liberalen Lieutenant eine Nachtmusik gemacht hatten, stürmten sie die Kaserne und befreiten einen Kameraden, der, weil er mit Hecker in Verbindung gestanden, 21 Jahre Zuchthaus bekommen hatte. In allen Kasernen hört man hier Heckerlieder singen.
Dürkheim a. d. H., 22. Nov. Der hiesige Volksverein hat vorgestern eine Adresse an die deutsche Nationalversammlung beschlossen, worin unter Anderm ausgesprochen wird, daß das Verhalten der provisorischen Centralgewalt, sich stützend auf die Majorität der Nationalversammlung, bei allen wichtigen Momenten der Entwickelung der allgemein deutschen sowie der besondern Verhältnisse einzelner deutschen Staaten, durchaus nicht geeignet sei, das Vertrauen der Mehrzahl des deutschen Volkes zu erhalten und zu befestigen. Gegen aus dem Volke hier und da auftauchende Erscheinungen der Gesetzlosigkeit, sei sie entschieden, der Gesetzlosigkeit von Oben aber nicht entgegengetreten. Die Adresse verweist auf den schleswig-holsteinischen Krieg, auf Wien, die Hinrichtung Blum's und auf die preußische Frage. Wenn sich nunmehr die Centralgewalt und die Nationalversammlung nicht offen, ehrlich und entschieden auf die Seite des mißhandelten Volkes stellen und nicht energische Maßregeln gegen die con trerevolutionären Bestrebungen der preußischen Regierung ergreifen würden, dann sei das schwache Vertrauen auf beide im Volke gänzlich verschwunden, und es müsse dieses auf anderm Wege sich erringen, was es von der Nationalversammlung und der Centralgewalt für immer gesichert glaubte.
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Weitere Informationen:Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.
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