Neue Rheinische Zeitung. Nr. 155. Köln, 29. November 1848.Neue Rheinische Zeitung Organ der Demokratie. No 155. Köln, Mittwoch den 29. November. 1848.
Zur Nachricht diene hiermit dem geehrten Publikum, daß unfrankirte Briefe außer von unsern Korrespondenten für die Folge keine Annahme finden von der Redaktion und Expedition der Neuen Rheinischen Zeitung. Köln, den 27. November 1848. Uebersicht. Deutschland. Köln. (Neuigkeiten). Düsseldorf. (Neue Loyalität. -- Cantador) Elberfeld. (v. d. Heydt). Münster. (Krawall -- Weitere Nachrichten. -- Belagerungszustand). Berlin. (Grabow. -- Brigadebefehl. -- Erlaß und Gegenerlaß zu Kulm). Erfurt. (Der "Pr. St-Anz." über die hiesigen Ereignisse). Breslau. (Das Sendschreiben des Fürstbischofs. -- Die Stadtverordneten). Cöslin. (Die Landwehr). Tilsit. (Unser Schwager). Wien. (Wegschaffung der abgenommenen Gewehre. -- Oedenburg und Vasarhely von den k. k. Truppen besetzt. -- Handschreiben Nikolaus an Jellachich). Zittau. (Oesterreichische Truppen an die Gränze). Darmstadt. (Großh. hessische Zustände). Dürkheim. (Mißtrauensvotum an die Frankfurter Versammlung). Schweiz. Bern. (Sitzung des Bundesraths und des Ständeraths. -- Die Persönlichkeiten des Bundesraths). Italien. Rom. (Die Revolution). Franz. Republik. Paris. (Die Kammerschlacht. -- Journalschau). Belgien. Brüssel. (Deutsche Bourgeois und deutsche Arbeiter). China. (Konflikt mit dem nordamerikanischen Gesandten). Deutschland. * Köln, 28. Nov. Die "N. Rh. Ztg." sagte in ihrer Nummer vom 17. November: "Und nun gar die Juden, die seit der Emancipation ihrer Sekte, wenigstens in ihren vornehmen Vertretern, überall an die Spitze der Contrerevolution getreten sind, was harrt ihrer? Man hat den Sieg nicht abgewartet, um sie in ihr Ghetto zurückzuschleudern." Wir citirten damals Bromberger Regierungserlasse. Eine noch schlagendere Thatsache haben wir heute zu berichten. Die große Freimaurerloge zu den drei Kronen in Berlin -- bekanntlich ist der Prinz von Preußen oberster Leiter der preußischen Freimaurerei, wie Friedrich Wilhelm IV. oberster Leiter der preußischen Religion -- hat die Loge Minerva zu Köln in Inaktivität erklärt. Warum? Weil sie Juden affiliirt hat. Zur Nachricht für die Juden! Ein uns zufällig zu Gesicht gekommenes Circulär des Ministerii Brandenburg an sämmtlich Regierungskollegien, fordert dieselben auf, Massenverhaftungen gegen die Führer der Klubs zu bewerkstelligen. Aus guter Quelle versichert man, daß Köln, Düsseldorf, Aachen u. s. w. Reichstruppen und zwar Oestreicher zum Weihnachtsangebinde von unserm Allergnädigsten erhalten werden. Wahrscheinlich Kroaten, Szereksaner, Czechen, Raizen, Serben u. s. w., damit auch in der Rheinprovinz wie in Wien "Ordnung und Ruhe" hergestellt werde. Die Rheinprovinz gränzt übrigens, so heißt es, nicht an Rußland, sondern an Frankreich. Zur Nachricht für den Allergnädigsten! * Düsseldorf, 27. Nov. Ein neuer Weg, um Ungesetzlichkeiten gesetzlich zu machen! Am 22. d. M. wurde hier der Belagerungszustand ausgesprochen resp. mit der Entwaffnung der Bürgerwehr den Anfang gemacht, und heute läßt Hr. Spiegel eine, jene Entwaffnung "anordnende", Friedrich-Wilhelm-Manteufflische Cabinetsordre, d. d. Bellevue 25. Nov., als Beilage zur Düsseldorfer Zeitung an die entwaffneten Abonnenten gratis verabreichen!!! Cantador hat einen Erscheinungsbefehl für morgen erhalten. Düsseldorf. Die Unterredung einer Deputation mit dem Regierungs-Präsidenten Herrn von Spiegel. Am 20. c. kam uns gegen Abend die Nachricht zu, man habe im hiesigen Regierungs-Kollegium, den ganzen Nachmittag über, wegen des am nächsten Morgen über die Stadt zu verhängenden Belagerungszustandes berathen, wobei sieben Mitglieder des Kollegiums sich gegen und drei, darunter der Regierungspräsident selbst, sich für diese Maßregel ausgesprochen hätten. Wir hielten es für unsere Schuldigkeit, uns sofort zu dem Letzteren zu begeben, um ihn sowohl über die Gründe zu diesem seinem angeblichen Antrage, als über einige andere, das Gemeinwohl betreffende Punkte zu befragen. Der in der Stadt allgemein herrschende aufgeregte Zustand schien uns keineswegs eine genügende Veranlassung zu der angedeuteten Gewaltmaßregel. Sollte denn eine Stadt wie Düsseldorf, deren Bewohner jederzeit eine lebhafte Betheiligung an den politischen Zuständen des Vaterlandes an den Tag gelegt, parteilos bleiben, während der ganze preußische Staat durch ein unpopuläres Ministerium und dessen Verordnungen und Maßregeln in zwei große Parteien, in die des Ministeriums Brandenburg-Manteuffel und in jene der von der Gewalt bedrohten Nationalversammlung, zerfiel! Bei so außerordentlichen historischen Ereignissen die Bewegung der Gemüther mit großartigen polizeilichen Maßregeln zügeln zu wollen, schien uns eben so ungeeignet als ungerecht, um so mehr, als dem mißliebigen Ministerium von keiner Seite, ja nicht einmal aus seinem eigenen Schooße, eine lange Dauer geweissagt wurde. Um dieses Ministeriums willen sollte -- vielleicht kurz vor seinem Hinscheiden -- über unsere Stadt ein Zustand verhängt werden, der im grellsten Widerspruche mit den Anforderungen und dem Aufschwunge unserer Zeit steht! Um dieses Ministeriums willen sollte eine Bürgerwehr aufgelöst werden, welche im Bewußtsein ihrer Pflicht, nach dem Grundparagraphen des betreffenden Gesetzes, zum Schutze der verfassungsmäßigen Freiheit in die Schranken zu treten gewillt war! Doch kommen wir nun auf die Unterredung mit dem Herrn Regierungspräsidenten. Wir Unterzeichnete und der von uns hinzugebetene stellvertretende Oberbürgermeister, Herr Dietze, ließen uns gegen fünf Uhr bei dem Präsidenten anmelden. Er empfing uns freundlich. "Herr Prasident," nahm Cantador das Wort, "es ist uns so eben mitgetheilt worden, man habe im Regierungs-Kollegium darauf angetragen, über unsere Stadt den Belagerungszustand zu verhängen. Wir nehmen uns die Freiheit, bei Ihnen anzufragen, ob dies der Fall sei und welche Gründe zu solcher Maßregel vorliegen." Der Präsident: Meine Herren, ich kann Sie versichern, daß dies nicht der Fall ist. In einer so bewegten Zeit, wie die jetzige, tauchen allerlei Geruchte auf. -- -- -- Einer der Deputation: Sie verzeihen, Herr Präsident, wir haben sogar das Stimmenverhältniß des Collegiums für und gegen diese Maßregel erfahren; man sagte uns, daß sieben dagegen und drei dafür gestimmt. Der Präsident: Meine Herren, ich versichere Sie, so lange Sie sich, wie bisher, auf gesetzlichem Boden bewegen, haben Sie dies nicht zu befürchten. Wie leicht man jetzt allerlei Gerüchte sofort für wahr ausgibt, geht schon wieder daraus hervor; daß in der heutigen Zeitung gesagt wird, der Oberpräsident, Herr Eichmann, habe sich bei mir zum Nachtessen befunden, als ihm jene Katzenmusik gebracht worden. Es ist dies nicht der Fall; der Herr Oberpräsident war vielmehr mit mir zugleich in die Kaserne zum Herrn General von Drigalski gebeten. Spohr: Ja, Herr Präsident, auch deßhalb wollten wir Sie befragen, da Sie an jenem Abend die Ordre gaben, daß, wenn die Herstellung der Ruhe, d. h. die Beseitigung der Katzenmusik, nicht binnen einer halben Stunde durch die Bürgerwehr erfolgen würde, sofort das Militär requirirt werden solle. Präsident: Lieber Herr Spohr, das war nur so eine Drohung, das würde doch nicht geschehen sein. Groote: Herr Präsident, ich muß gestehen, es scheint mir dies doch etwas stark, wegen einer Katzenmusik, die einem Oberpräsidenten gebracht wird, die ganze Stadt in die gefährlichste Lage zu bringen. Wie leicht hätte durch das unbefugte Einschreiten des Militärs ein blutiger Konflikt herbeigeführt werden können. Herr Dietze (sehr ernsthaft): Herr Präsident, wegen dieser Angelegenheit habe ich die entschiedenste Verwahrung einzulegen. Sie haben mich, den Chef der hiesigen Polizei, dabei gänzlich umgangen. Das darf ich nicht zulassen. Sie hätten allerdings die ganze Stadt in die größte Gefahr bringen können. Meine Sache war es, wenn die Polizei nicht ausreichte, die Bürgerwehr zu requiriren. Das darf nicht wieder vorkommen. Präsident (sehr freundlich): Ich bitte Sie, meine Herren, nehmen Sie die Sache nicht so von der schlimmsten Seite. Sie kennen mich ja, wie gut ich es mit den Bürgern meine. Ich will Ihnen den ganzen Hergang der Sache erzählen, und Sie werden sehen, wie unschuldig er ist. -- Ich war bei dem Hrn. General v. Drigalski in die Kaserne auf Kabeljau oder Schellfisch -- ich weiß es wahrhaftig nicht mehr -- mit Kartoffeln gebeten und da war denn auch der Oberpräsident und der Herr v. Mirbach. Da wurde uns gemeldet, was vor der Wohnung des Herrn Oberpräsidenten vorgehe. Ich ersuchte den Herrn v. Mirbach, an den Polizei-Inspektor deßhalb das Erforderliche zu verfügen. Er fertigte das Schreiben aus, ich unterschrieb es -- es wurde mit dem Divisionssiegel gesiegelt -- aber ich kann sie versichern, ich habe es nicht einmal gelesen." Groote: Wie, Herr Präsident, in einer so ernsten Zeit und in solcher Angelegenheit unterschreiben Sie eine Verfügung, ohne sie zu lesen! Präsident (besänftigend): Nun, sehen Sie, ich hatte das dem Herrn v Mirbach überlassen. -- -- -- Cantador: So? dem Herrn v. Mirbach, dieser durchaus mißliebigen Persönlichkeit, die man außerdem mit unter Denen nennt, die den Belagerungszustand herbeiwünschen. Herr Präsident, die hiesigen Behörden besitzen schon sehr wenig Vertrauen beim Volke, Herr v. Mirbach aber ist fast allgemein gehaßt. Ein Anderer: Herr v. Mirbach ist derselbe, der die Märzrevolution ein Strohfeuerchen nannte. Groote: Herr Präsident, ich muß sie wirklich bitten, sich in solchen Fällen nicht durch den Herrn v. Mirbach bestimmen, noch vertreten, noch überhaupt beeinflussen zu lassen. Präsident: Nein, meine Herren, nein, Sie können sich darauf verlassen, Herr v. Mirbach hat gar keinen Einfluß. -- Uebrigens bitte ich sehr, diese Sache nun zu vergessen; es soll künftig nicht mehr vorkommen, daß ich Sie, Herr stellvertretender Oberbürgermeister, übergehe, und eben so werde ich, Herr Cantador, immer erst die Bürgerwehr auffordern lassen. -- Lassen wir dies jetzt, Sie wissen, wie sehr mir das Wohl der Bürgerschaft am Herzen liegt. Ich glaube, ich habe dies jederzeit bewiesen. Clasen: Herr Präsident, ich muß auf unsere erste Frage noch einmal zurückkommen. Sagen Sie uns offen, wie es sich mit dem Gerücht von dem Belagerungszustand verhält, unter welchen Eventualitäten derselbe eintreten wird, ob Sie ihn zu verhängen gesonnen sind, oder ob derselbe allein von dem General Herrn Drigalski ausgehen wird. Wir müssen darüber das Publikum beruhigen. Präsident: Sie wissen, wie gesagt, liebster Herr Clasen, wie ich Alles aufbiete, einen solchen Zustand zu verhüten. Spohr: Herr Präsident, das scheint mir eine ausweichende Antwort auf die Frage des Herrn Clasen zu sein: Sagen Sie uns offen und ehrlich, was an der Sache ist. Präsident: Ja, meine Herren, ich will ganz offen gegen Sie sein. So lange Sie, Herr Cantador, sich auf dem gesetzlichen Boden verhalten, so lange Sie nicht weiter gehen, als Sie bis jetzt gegangen sind, so lange Sie mich nicht absetzen, oder eine provisorische Regierung einsetzen wollen, so lange Sie nicht die Regierungskassen von der Bürgerwehr besetzen lassen, oder einen Angriff auf die Kaserne machen: so lange haben Sie von mir nichts zu befürchten. Und selbst dann noch -- ich gebe Ihnen die feierliche Versicherung -- würde ich Sie vorher, meine Herren, zu mir bitten lassen, Ihnen das Ungesetzliche ihres Schrittes vorstellen, und jede Gewaltmaßregel unterlassen, wenn Sie Ihrerseits zurückgehen würden. -- Ja, glauben Sie mir, ich bin ein ehrlicher Mann, und ich würde, wenn Sie schon dem Militär gegenüberständen, dazwischen treten und zu einer friedlichen Lösung Alles aufbieten. [Fortsetzung] "Worte und Thaten in Berlin seit dem 9. November 1848." (Schluß.)
Neue Rheinische Zeitung Organ der Demokratie. No 155. Köln, Mittwoch den 29. November. 1848.
Zur Nachricht diene hiermit dem geehrten Publikum, daß unfrankirte Briefe außer von unsern Korrespondenten für die Folge keine Annahme finden von der Redaktion und Expedition der Neuen Rheinischen Zeitung. Köln, den 27. November 1848. Uebersicht. Deutschland. Köln. (Neuigkeiten). Düsseldorf. (Neue Loyalität. — Cantador) Elberfeld. (v. d. Heydt). Münster. (Krawall — Weitere Nachrichten. — Belagerungszustand). Berlin. (Grabow. — Brigadebefehl. — Erlaß und Gegenerlaß zu Kulm). Erfurt. (Der „Pr. St-Anz.“ über die hiesigen Ereignisse). Breslau. (Das Sendschreiben des Fürstbischofs. — Die Stadtverordneten). Cöslin. (Die Landwehr). Tilsit. (Unser Schwager). Wien. (Wegschaffung der abgenommenen Gewehre. — Oedenburg und Vasarhely von den k. k. Truppen besetzt. — Handschreiben Nikolaus an Jellachich). Zittau. (Oesterreichische Truppen an die Gränze). Darmstadt. (Großh. hessische Zustände). Dürkheim. (Mißtrauensvotum an die Frankfurter Versammlung). Schweiz. Bern. (Sitzung des Bundesraths und des Ständeraths. — Die Persönlichkeiten des Bundesraths). Italien. Rom. (Die Revolution). Franz. Republik. Paris. (Die Kammerschlacht. — Journalschau). Belgien. Brüssel. (Deutsche Bourgeois und deutsche Arbeiter). China. (Konflikt mit dem nordamerikanischen Gesandten). Deutschland. * Köln, 28. Nov. Die „N. Rh. Ztg.“ sagte in ihrer Nummer vom 17. November: „Und nun gar die Juden, die seit der Emancipation ihrer Sekte, wenigstens in ihren vornehmen Vertretern, überall an die Spitze der Contrerevolution getreten sind, was harrt ihrer? Man hat den Sieg nicht abgewartet, um sie in ihr Ghetto zurückzuschleudern.“ Wir citirten damals Bromberger Regierungserlasse. Eine noch schlagendere Thatsache haben wir heute zu berichten. Die große Freimaurerloge zu den drei Kronen in Berlin — bekanntlich ist der Prinz von Preußen oberster Leiter der preußischen Freimaurerei, wie Friedrich Wilhelm IV. oberster Leiter der preußischen Religion — hat die Loge Minerva zu Köln in Inaktivität erklärt. Warum? Weil sie Juden affiliirt hat. Zur Nachricht für die Juden! Ein uns zufällig zu Gesicht gekommenes Circulär des Ministerii Brandenburg an sämmtlich Regierungskollegien, fordert dieselben auf, Massenverhaftungen gegen die Führer der Klubs zu bewerkstelligen. Aus guter Quelle versichert man, daß Köln, Düsseldorf, Aachen u. s. w. Reichstruppen und zwar Oestreicher zum Weihnachtsangebinde von unserm Allergnädigsten erhalten werden. Wahrscheinlich Kroaten, Szereksaner, Czechen, Raizen, Serben u. s. w., damit auch in der Rheinprovinz wie in Wien „Ordnung und Ruhe“ hergestellt werde. Die Rheinprovinz gränzt übrigens, so heißt es, nicht an Rußland, sondern an Frankreich. Zur Nachricht für den Allergnädigsten! * Düsseldorf, 27. Nov. Ein neuer Weg, um Ungesetzlichkeiten gesetzlich zu machen! Am 22. d. M. wurde hier der Belagerungszustand ausgesprochen resp. mit der Entwaffnung der Bürgerwehr den Anfang gemacht, und heute läßt Hr. Spiegel eine, jene Entwaffnung „anordnende“, Friedrich-Wilhelm-Manteufflische Cabinetsordre, d. d. Bellevue 25. Nov., als Beilage zur Düsseldorfer Zeitung an die entwaffneten Abonnenten gratis verabreichen!!! Cantador hat einen Erscheinungsbefehl für morgen erhalten. Düsseldorf. Die Unterredung einer Deputation mit dem Regierungs-Präsidenten Herrn von Spiegel. Am 20. c. kam uns gegen Abend die Nachricht zu, man habe im hiesigen Regierungs-Kollegium, den ganzen Nachmittag über, wegen des am nächsten Morgen über die Stadt zu verhängenden Belagerungszustandes berathen, wobei sieben Mitglieder des Kollegiums sich gegen und drei, darunter der Regierungspräsident selbst, sich für diese Maßregel ausgesprochen hätten. Wir hielten es für unsere Schuldigkeit, uns sofort zu dem Letzteren zu begeben, um ihn sowohl über die Gründe zu diesem seinem angeblichen Antrage, als über einige andere, das Gemeinwohl betreffende Punkte zu befragen. Der in der Stadt allgemein herrschende aufgeregte Zustand schien uns keineswegs eine genügende Veranlassung zu der angedeuteten Gewaltmaßregel. Sollte denn eine Stadt wie Düsseldorf, deren Bewohner jederzeit eine lebhafte Betheiligung an den politischen Zuständen des Vaterlandes an den Tag gelegt, parteilos bleiben, während der ganze preußische Staat durch ein unpopuläres Ministerium und dessen Verordnungen und Maßregeln in zwei große Parteien, in die des Ministeriums Brandenburg-Manteuffel und in jene der von der Gewalt bedrohten Nationalversammlung, zerfiel! Bei so außerordentlichen historischen Ereignissen die Bewegung der Gemüther mit großartigen polizeilichen Maßregeln zügeln zu wollen, schien uns eben so ungeeignet als ungerecht, um so mehr, als dem mißliebigen Ministerium von keiner Seite, ja nicht einmal aus seinem eigenen Schooße, eine lange Dauer geweissagt wurde. Um dieses Ministeriums willen sollte — vielleicht kurz vor seinem Hinscheiden — über unsere Stadt ein Zustand verhängt werden, der im grellsten Widerspruche mit den Anforderungen und dem Aufschwunge unserer Zeit steht! Um dieses Ministeriums willen sollte eine Bürgerwehr aufgelöst werden, welche im Bewußtsein ihrer Pflicht, nach dem Grundparagraphen des betreffenden Gesetzes, zum Schutze der verfassungsmäßigen Freiheit in die Schranken zu treten gewillt war! Doch kommen wir nun auf die Unterredung mit dem Herrn Regierungspräsidenten. Wir Unterzeichnete und der von uns hinzugebetene stellvertretende Oberbürgermeister, Herr Dietze, ließen uns gegen fünf Uhr bei dem Präsidenten anmelden. Er empfing uns freundlich. „Herr Prasident,“ nahm Cantador das Wort, „es ist uns so eben mitgetheilt worden, man habe im Regierungs-Kollegium darauf angetragen, über unsere Stadt den Belagerungszustand zu verhängen. Wir nehmen uns die Freiheit, bei Ihnen anzufragen, ob dies der Fall sei und welche Gründe zu solcher Maßregel vorliegen.“ Der Präsident: Meine Herren, ich kann Sie versichern, daß dies nicht der Fall ist. In einer so bewegten Zeit, wie die jetzige, tauchen allerlei Geruchte auf. — — — Einer der Deputation: Sie verzeihen, Herr Präsident, wir haben sogar das Stimmenverhältniß des Collegiums für und gegen diese Maßregel erfahren; man sagte uns, daß sieben dagegen und drei dafür gestimmt. Der Präsident: Meine Herren, ich versichere Sie, so lange Sie sich, wie bisher, auf gesetzlichem Boden bewegen, haben Sie dies nicht zu befürchten. Wie leicht man jetzt allerlei Gerüchte sofort für wahr ausgibt, geht schon wieder daraus hervor; daß in der heutigen Zeitung gesagt wird, der Oberpräsident, Herr Eichmann, habe sich bei mir zum Nachtessen befunden, als ihm jene Katzenmusik gebracht worden. Es ist dies nicht der Fall; der Herr Oberpräsident war vielmehr mit mir zugleich in die Kaserne zum Herrn General von Drigalski gebeten. Spohr: Ja, Herr Präsident, auch deßhalb wollten wir Sie befragen, da Sie an jenem Abend die Ordre gaben, daß, wenn die Herstellung der Ruhe, d. h. die Beseitigung der Katzenmusik, nicht binnen einer halben Stunde durch die Bürgerwehr erfolgen würde, sofort das Militär requirirt werden solle. Präsident: Lieber Herr Spohr, das war nur so eine Drohung, das würde doch nicht geschehen sein. Groote: Herr Präsident, ich muß gestehen, es scheint mir dies doch etwas stark, wegen einer Katzenmusik, die einem Oberpräsidenten gebracht wird, die ganze Stadt in die gefährlichste Lage zu bringen. Wie leicht hätte durch das unbefugte Einschreiten des Militärs ein blutiger Konflikt herbeigeführt werden können. Herr Dietze (sehr ernsthaft): Herr Präsident, wegen dieser Angelegenheit habe ich die entschiedenste Verwahrung einzulegen. Sie haben mich, den Chef der hiesigen Polizei, dabei gänzlich umgangen. Das darf ich nicht zulassen. Sie hätten allerdings die ganze Stadt in die größte Gefahr bringen können. Meine Sache war es, wenn die Polizei nicht ausreichte, die Bürgerwehr zu requiriren. Das darf nicht wieder vorkommen. Präsident (sehr freundlich): Ich bitte Sie, meine Herren, nehmen Sie die Sache nicht so von der schlimmsten Seite. Sie kennen mich ja, wie gut ich es mit den Bürgern meine. Ich will Ihnen den ganzen Hergang der Sache erzählen, und Sie werden sehen, wie unschuldig er ist. — Ich war bei dem Hrn. General v. Drigalski in die Kaserne auf Kabeljau oder Schellfisch — ich weiß es wahrhaftig nicht mehr — mit Kartoffeln gebeten und da war denn auch der Oberpräsident und der Herr v. Mirbach. Da wurde uns gemeldet, was vor der Wohnung des Herrn Oberpräsidenten vorgehe. Ich ersuchte den Herrn v. Mirbach, an den Polizei-Inspektor deßhalb das Erforderliche zu verfügen. Er fertigte das Schreiben aus, ich unterschrieb es — es wurde mit dem Divisionssiegel gesiegelt — aber ich kann sie versichern, ich habe es nicht einmal gelesen.“ Groote: Wie, Herr Präsident, in einer so ernsten Zeit und in solcher Angelegenheit unterschreiben Sie eine Verfügung, ohne sie zu lesen! Präsident (besänftigend): Nun, sehen Sie, ich hatte das dem Herrn v Mirbach überlassen. — — — Cantador: So? dem Herrn v. Mirbach, dieser durchaus mißliebigen Persönlichkeit, die man außerdem mit unter Denen nennt, die den Belagerungszustand herbeiwünschen. Herr Präsident, die hiesigen Behörden besitzen schon sehr wenig Vertrauen beim Volke, Herr v. Mirbach aber ist fast allgemein gehaßt. Ein Anderer: Herr v. Mirbach ist derselbe, der die Märzrevolution ein Strohfeuerchen nannte. Groote: Herr Präsident, ich muß sie wirklich bitten, sich in solchen Fällen nicht durch den Herrn v. Mirbach bestimmen, noch vertreten, noch überhaupt beeinflussen zu lassen. Präsident: Nein, meine Herren, nein, Sie können sich darauf verlassen, Herr v. Mirbach hat gar keinen Einfluß. — Uebrigens bitte ich sehr, diese Sache nun zu vergessen; es soll künftig nicht mehr vorkommen, daß ich Sie, Herr stellvertretender Oberbürgermeister, übergehe, und eben so werde ich, Herr Cantador, immer erst die Bürgerwehr auffordern lassen. — Lassen wir dies jetzt, Sie wissen, wie sehr mir das Wohl der Bürgerschaft am Herzen liegt. Ich glaube, ich habe dies jederzeit bewiesen. Clasen: Herr Präsident, ich muß auf unsere erste Frage noch einmal zurückkommen. Sagen Sie uns offen, wie es sich mit dem Gerücht von dem Belagerungszustand verhält, unter welchen Eventualitäten derselbe eintreten wird, ob Sie ihn zu verhängen gesonnen sind, oder ob derselbe allein von dem General Herrn Drigalski ausgehen wird. Wir müssen darüber das Publikum beruhigen. Präsident: Sie wissen, wie gesagt, liebster Herr Clasen, wie ich Alles aufbiete, einen solchen Zustand zu verhüten. Spohr: Herr Präsident, das scheint mir eine ausweichende Antwort auf die Frage des Herrn Clasen zu sein: Sagen Sie uns offen und ehrlich, was an der Sache ist. Präsident: Ja, meine Herren, ich will ganz offen gegen Sie sein. So lange Sie, Herr Cantador, sich auf dem gesetzlichen Boden verhalten, so lange Sie nicht weiter gehen, als Sie bis jetzt gegangen sind, so lange Sie mich nicht absetzen, oder eine provisorische Regierung einsetzen wollen, so lange Sie nicht die Regierungskassen von der Bürgerwehr besetzen lassen, oder einen Angriff auf die Kaserne machen: so lange haben Sie von mir nichts zu befürchten. Und selbst dann noch — ich gebe Ihnen die feierliche Versicherung — würde ich Sie vorher, meine Herren, zu mir bitten lassen, Ihnen das Ungesetzliche ihres Schrittes vorstellen, und jede Gewaltmaßregel unterlassen, wenn Sie Ihrerseits zurückgehen würden. — Ja, glauben Sie mir, ich bin ein ehrlicher Mann, und ich würde, wenn Sie schon dem Militär gegenüberständen, dazwischen treten und zu einer friedlichen Lösung Alles aufbieten. [Fortsetzung] „Worte und Thaten in Berlin seit dem 9. November 1848.“ (Schluß.)
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Sollte denn eine Stadt wie Düsseldorf, deren Bewohner jederzeit eine lebhafte Betheiligung an den politischen Zuständen des Vaterlandes an den Tag gelegt, parteilos bleiben, während der ganze preußische Staat durch ein unpopuläres Ministerium und dessen Verordnungen und Maßregeln in zwei große Parteien, in die des Ministeriums Brandenburg-Manteuffel und in jene der von der Gewalt bedrohten Nationalversammlung, zerfiel! Bei so außerordentlichen historischen Ereignissen die Bewegung der Gemüther mit großartigen polizeilichen Maßregeln zügeln zu wollen, schien uns eben so ungeeignet als ungerecht, um so mehr, als dem mißliebigen Ministerium von keiner Seite, ja nicht einmal aus seinem eigenen Schooße, eine lange Dauer geweissagt wurde. Um dieses Ministeriums willen sollte — vielleicht kurz vor seinem Hinscheiden — über unsere Stadt ein Zustand verhängt werden, der im grellsten Widerspruche mit den Anforderungen und dem Aufschwunge unserer Zeit steht! Um dieses Ministeriums willen sollte eine Bürgerwehr aufgelöst werden, welche im Bewußtsein ihrer Pflicht, nach dem Grundparagraphen des betreffenden Gesetzes, zum Schutze der verfassungsmäßigen Freiheit in die Schranken zu treten gewillt war!</p> <p>Doch kommen wir nun auf die Unterredung mit dem Herrn Regierungspräsidenten.</p> <p>Wir Unterzeichnete und der von uns hinzugebetene stellvertretende Oberbürgermeister, Herr Dietze, ließen uns gegen fünf Uhr bei dem Präsidenten anmelden. Er empfing uns freundlich.</p> <p>„Herr Prasident,“ nahm <hi rendition="#g">Cantador</hi> das Wort, „es ist uns so eben mitgetheilt worden, man habe im Regierungs-Kollegium darauf angetragen, über unsere Stadt den Belagerungszustand zu verhängen. Wir nehmen uns die Freiheit, bei Ihnen anzufragen, ob dies der Fall sei und welche Gründe zu solcher Maßregel vorliegen.“</p> <p>Der <hi rendition="#g">Präsident</hi>: Meine Herren, ich kann Sie versichern, daß dies nicht der Fall ist. In einer so bewegten Zeit, wie die jetzige, tauchen allerlei Geruchte auf. — — —</p> <p><hi rendition="#g">Einer der Deputation</hi>: Sie verzeihen, Herr Präsident, wir haben sogar das Stimmenverhältniß des Collegiums für und gegen diese Maßregel erfahren; man sagte uns, daß sieben dagegen und drei dafür gestimmt.</p> <p>Der <hi rendition="#g">Präsident</hi>: Meine Herren, ich versichere Sie, so lange Sie sich, wie bisher, auf gesetzlichem Boden bewegen, haben Sie dies nicht zu befürchten. Wie leicht man jetzt allerlei Gerüchte sofort für wahr ausgibt, geht schon wieder daraus hervor; daß in der heutigen Zeitung gesagt wird, der Oberpräsident, Herr Eichmann, habe sich bei mir zum Nachtessen befunden, als ihm jene Katzenmusik gebracht worden. Es ist dies nicht der Fall; der Herr Oberpräsident war vielmehr mit mir zugleich in die Kaserne zum Herrn General von Drigalski gebeten.</p> <p><hi rendition="#g">Spohr</hi>: Ja, Herr Präsident, auch deßhalb wollten wir Sie befragen, da Sie an jenem Abend die Ordre gaben, daß, wenn die Herstellung der Ruhe, d. h. die Beseitigung der Katzenmusik, nicht binnen einer halben Stunde durch die Bürgerwehr erfolgen würde, sofort das Militär requirirt werden solle.</p> <p><hi rendition="#g">Präsident</hi>: Lieber Herr Spohr, das war nur so eine Drohung, das würde doch nicht geschehen sein.</p> <p><hi rendition="#g">Groote</hi>: Herr Präsident, ich muß gestehen, es scheint mir dies doch etwas stark, wegen einer Katzenmusik, die einem Oberpräsidenten gebracht wird, die ganze Stadt in die gefährlichste Lage zu bringen. Wie leicht hätte durch das unbefugte Einschreiten des Militärs ein blutiger Konflikt herbeigeführt werden können.</p> <p>Herr <hi rendition="#g">Dietze</hi> (sehr ernsthaft): Herr Präsident, wegen dieser Angelegenheit habe ich die entschiedenste Verwahrung einzulegen. Sie haben mich, den Chef der hiesigen Polizei, dabei gänzlich umgangen. Das darf ich nicht zulassen. Sie hätten allerdings die ganze Stadt in die größte Gefahr bringen können. Meine Sache war es, wenn die Polizei nicht ausreichte, die Bürgerwehr zu requiriren. Das darf nicht wieder vorkommen.</p> <p><hi rendition="#g">Präsident</hi> (sehr freundlich): Ich bitte Sie, meine Herren, nehmen Sie die Sache nicht so von der schlimmsten Seite. Sie kennen mich ja, wie gut ich es mit den Bürgern meine. Ich will Ihnen den ganzen Hergang der Sache erzählen, und Sie werden sehen, wie unschuldig er ist. — Ich war bei dem Hrn. General v. Drigalski in die Kaserne auf Kabeljau oder Schellfisch — ich weiß es wahrhaftig nicht mehr — mit Kartoffeln gebeten und da war denn auch der Oberpräsident und der Herr v. <hi rendition="#g">Mirbach</hi>. Da wurde uns gemeldet, was vor der Wohnung des Herrn Oberpräsidenten vorgehe. Ich ersuchte den Herrn v. Mirbach, an den Polizei-Inspektor deßhalb das Erforderliche zu verfügen. Er fertigte das Schreiben aus, ich unterschrieb es — es wurde mit dem Divisionssiegel gesiegelt — aber ich kann sie versichern, ich habe es nicht einmal gelesen.“</p> <p><hi rendition="#g">Groote</hi>: Wie, Herr Präsident, in einer so ernsten Zeit und in solcher Angelegenheit unterschreiben Sie eine Verfügung, ohne sie zu lesen!</p> <p><hi rendition="#g">Präsident</hi> (besänftigend): Nun, sehen Sie, ich hatte das dem Herrn v Mirbach überlassen. — — —</p> <p><hi rendition="#g">Cantador</hi>: So? dem Herrn v. Mirbach, dieser durchaus mißliebigen Persönlichkeit, die man außerdem mit unter Denen nennt, die den Belagerungszustand herbeiwünschen. Herr Präsident, die hiesigen Behörden besitzen schon sehr wenig Vertrauen beim Volke, Herr v. Mirbach aber ist fast allgemein gehaßt.</p> <p><hi rendition="#g">Ein Anderer</hi>: Herr v. Mirbach ist derselbe, der die Märzrevolution ein Strohfeuerchen nannte.</p> <p><hi rendition="#g">Groote</hi>: Herr Präsident, ich muß sie wirklich bitten, sich in solchen Fällen nicht durch den Herrn v. Mirbach bestimmen, noch vertreten, noch überhaupt beeinflussen zu lassen.</p> <p><hi rendition="#g">Präsident</hi>: Nein, meine Herren, nein, Sie können sich darauf verlassen, Herr v. Mirbach hat gar keinen Einfluß. — Uebrigens bitte ich sehr, diese Sache nun zu vergessen; es soll künftig nicht mehr vorkommen, daß ich Sie, Herr stellvertretender Oberbürgermeister, übergehe, und eben so werde ich, Herr Cantador, immer erst die Bürgerwehr auffordern lassen. — Lassen wir dies jetzt, Sie wissen, wie sehr mir das Wohl der Bürgerschaft am Herzen liegt. Ich glaube, ich habe dies jederzeit bewiesen.</p> <p><hi rendition="#g">Clasen</hi>: Herr Präsident, ich muß auf unsere erste Frage noch einmal zurückkommen. Sagen Sie uns offen, wie es sich mit dem Gerücht von dem Belagerungszustand verhält, unter welchen Eventualitäten derselbe eintreten wird, ob Sie ihn zu verhängen gesonnen sind, oder ob derselbe allein von dem General Herrn Drigalski ausgehen wird. Wir müssen darüber das Publikum beruhigen.</p> <p><hi rendition="#g">Präsident</hi>: Sie wissen, wie gesagt, liebster Herr Clasen, wie ich Alles aufbiete, einen solchen Zustand zu verhüten.</p> <p><hi rendition="#g">Spohr</hi>: Herr Präsident, das scheint mir eine ausweichende Antwort auf die Frage des Herrn Clasen zu sein: Sagen Sie uns offen und ehrlich, was an der Sache ist.</p> <p><hi rendition="#g">Präsident</hi>: Ja, meine Herren, ich will ganz offen gegen Sie sein. So lange Sie, Herr Cantador, sich auf dem gesetzlichen Boden verhalten, so lange Sie nicht weiter gehen, als Sie bis jetzt gegangen sind, so lange Sie mich nicht absetzen, oder eine provisorische Regierung einsetzen wollen, so lange Sie nicht die Regierungskassen von der Bürgerwehr besetzen lassen, oder einen Angriff auf die Kaserne machen: so lange haben Sie von mir nichts zu befürchten. Und selbst dann noch — ich gebe Ihnen die feierliche Versicherung — würde ich Sie vorher, meine Herren, zu mir bitten lassen, Ihnen das Ungesetzliche ihres Schrittes vorstellen, und jede Gewaltmaßregel unterlassen, wenn Sie Ihrerseits zurückgehen würden. — Ja, glauben Sie mir, ich bin ein ehrlicher Mann, und ich würde, wenn Sie schon dem Militär gegenüberständen, dazwischen treten und zu einer friedlichen Lösung Alles aufbieten. <ref type="link_fsg">[Fortsetzung]</ref> </p> </div> </div> <div type="jFeuilleton" n="1"> <div xml:id="ar155_004" type="jArticle"> <head>„Worte und Thaten<lb/> in<lb/> Berlin<lb/> seit dem 9. November 1848.“</head> <p> <ref type="link">(Schluß.)</ref> </p> <table> <row> <cell><hi rendition="#g">Worte</hi>.</cell> <cell><hi rendition="#g">Thaten und Thatsachen</hi>.</cell> </row> <row> <cell>Seit dem 6. April sind „alle Preußen berechtigt, sich friedlich und ohne Waffen in geschlossenen Räumen zu versammeln. Auch Versammlungen unter freiem Himmel können von der Obrigkeit gestattet werden.“</cell> <cell>In Berlin sind, vermöge Befehls des Generals Wrangel alle Klubs und Vereine zu politischen Zwecken geschlossen.</cell> </row> <row> <cell>Die Habeas-Corpus-Acte setzt fest: „Niemand darf vor einen andern als den im Gesetz bezeichneten Richter gestellt werden. Ausnahmsgerichte sind unstatthaft. Auch ein Belagerungszustand macht hierin keine Ausnahme.“</cell> <cell>General Wrangel verordnet über jeden, welcher auf das Militär nachtheilig einwirkt, Kriegsgericht und Standrecht, so wie das Kriegsgericht für die, welche die Anmeldung eines Fremden unterlassen.</cell> </row> <row> <cell>Laut der Habeas-Corpus-Acte vom 24. Sept. d. J. ist die persönliche Freiheit gewährleistet.</cell> <cell>Seit dem 12. November durchziehen fortwährend Soldatenhaufen mit der geladenen, mit dem Zündhütchen versehenen Schußwaffe alle Straßen. Die Bevölkerung geht ruhig ihres Weges. Den 14. November wird der Abgeordnete Schramm auf der Straße verhaftet, ohne allen Grund, so daß er am andern Tage wieder entlassen werden muß. Die Gefängnisse der Stadtvogtei und Hausvogtei fassen die Verhafteten nicht mehr.</cell> </row> <row> <cell>Die Wohnung ist unverletzlich, laut der Habeas-Corpus-Acte §. 6.</cell> <cell>Die Soldaten dringen in die Häuser, suchen nach Waffen, durchwühlen dabei Betten, treiben die darin Liegenden heraus.</cell> </row> <row> <cell>Nach den Zusatz-Paragraphen des Bürgerwehr-</cell> <cell>Die Soldaten holen die Waffen aus den Häu-</cell> </row> <row> <cell><hi rendition="#g">Worte</hi>.</cell> <cell><hi rendition="#g">Thaten und Thatsachen</hi>.</cell> </row> <row> <cell>Gesetzes vom 17. Oktober bleiben die vom Staate den Gemeinden verabreichten Waffen im Besitze der Gemeinden, bis die neue Verfassung und die neue Kreis- und Gemeinde-Ordnung in Kraft getreten sein wird.</cell> <cell>sern, verladen sie auf einen mitgeführten Wagen, und bringen sie nach den Staatsgebäuden, wo dieselben, laut der Bekanntmachung vom 12. November, „für die Gemeinde in Verwahrung genommen werden.“</cell> </row> <row> <cell>Im Falle eines Krieges oder Aufruhrs kann, laut der Habeas-Corpus-Acte §. 8., wenn die Volksvertretung nicht versammelt ist, durch Beschluß und unter Verantwortlichkeit des Staatsministeriums die zeit- und distriktsweise Suspendirung der persönlichen Freiheit und der Wohnungs-Unverletzlichkeit provisorisch ausgesprochen werden. Die Volksvertretung ist jedoch in diesem Falle sofort zusammenzuberufen.</cell> <cell>Krieg — giebt es nicht — Aufruhr — ist in Berlin nur in der Vorstellung des Ministeriums Brandenburg.<lb/> Die Volksvertretung ist versammelt. Sie hat den Belagerungszustand Berlin's für ungesetzlich erklärt.</cell> </row> <row> <cell>Die Volksvertreter haben gesetzliche Unverletzlichkeit, gemäß dem Gesetz vom 23. Juni.</cell> <cell>Am 13. November Nachmittags ist der Vicepräsident der Nationalversammlung, Plönnis, nebst drei Schriftführern im Sitzungssaale, um nach Beschluß der Nationalversammlung die häufig ankommenden Deputationen zu empfangen. Diese vier Volksverter werden durch Gardesoldaten aus dem Saale geschleppt.</cell> </row> <row> <cell>Die Nationalversammlung besteht aus den geheiligten Personen der Volksvertreter.</cell> <cell>Die Nationalversammlung ist am 15. November Abends, nachdem sie aus dem Schauspielhause und aus dem Schützenhause vertrieben, nachdem auch der ihr angebotene und einmal von ihr benutzte Saal der Stadtverordneten durch Soldaten abgesperrt war, in einem Privathause versammelt. Da dringen Soldaten ein, und nur die Festigkeit der Versammlung macht es möglich, noch den in Berathung stehenden Beschluß zu fassen, ehe sie durch größere Truppenmacht hinausgetrieben wird.</cell> </row> </table> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0817/0001]
Neue Rheinische Zeitung Organ der Demokratie. No 155. Köln, Mittwoch den 29. November. 1848. Keine Steuern mehr!!!
Zur Nachricht diene hiermit dem geehrten Publikum, daß unfrankirte Briefe außer von unsern Korrespondenten für die Folge keine Annahme finden von der Redaktion und Expedition der Neuen Rheinischen Zeitung.
Köln, den 27. November 1848.
Uebersicht. Deutschland. Köln. (Neuigkeiten). Düsseldorf. (Neue Loyalität. — Cantador) Elberfeld. (v. d. Heydt). Münster. (Krawall — Weitere Nachrichten. — Belagerungszustand). Berlin. (Grabow. — Brigadebefehl. — Erlaß und Gegenerlaß zu Kulm). Erfurt. (Der „Pr. St-Anz.“ über die hiesigen Ereignisse). Breslau. (Das Sendschreiben des Fürstbischofs. — Die Stadtverordneten). Cöslin. (Die Landwehr). Tilsit. (Unser Schwager). Wien. (Wegschaffung der abgenommenen Gewehre. — Oedenburg und Vasarhely von den k. k. Truppen besetzt. — Handschreiben Nikolaus an Jellachich). Zittau. (Oesterreichische Truppen an die Gränze). Darmstadt. (Großh. hessische Zustände). Dürkheim. (Mißtrauensvotum an die Frankfurter Versammlung).
Schweiz. Bern. (Sitzung des Bundesraths und des Ständeraths. — Die Persönlichkeiten des Bundesraths).
Italien. Rom. (Die Revolution).
Franz. Republik. Paris. (Die Kammerschlacht. — Journalschau).
Belgien. Brüssel. (Deutsche Bourgeois und deutsche Arbeiter).
China. (Konflikt mit dem nordamerikanischen Gesandten).
Deutschland. * Köln, 28. Nov. Die „N. Rh. Ztg.“ sagte in ihrer Nummer vom 17. November:
„Und nun gar die Juden, die seit der Emancipation ihrer Sekte, wenigstens in ihren vornehmen Vertretern, überall an die Spitze der Contrerevolution getreten sind, was harrt ihrer? Man hat den Sieg nicht abgewartet, um sie in ihr Ghetto zurückzuschleudern.“
Wir citirten damals Bromberger Regierungserlasse. Eine noch schlagendere Thatsache haben wir heute zu berichten. Die große Freimaurerloge zu den drei Kronen in Berlin — bekanntlich ist der Prinz von Preußen oberster Leiter der preußischen Freimaurerei, wie Friedrich Wilhelm IV. oberster Leiter der preußischen Religion — hat die Loge Minerva zu Köln in Inaktivität erklärt. Warum? Weil sie Juden affiliirt hat. Zur Nachricht für die Juden!
Ein uns zufällig zu Gesicht gekommenes Circulär des Ministerii Brandenburg an sämmtlich Regierungskollegien, fordert dieselben auf, Massenverhaftungen gegen die Führer der Klubs zu bewerkstelligen.
Aus guter Quelle versichert man, daß Köln, Düsseldorf, Aachen u. s. w. Reichstruppen und zwar Oestreicher zum Weihnachtsangebinde von unserm Allergnädigsten erhalten werden. Wahrscheinlich Kroaten, Szereksaner, Czechen, Raizen, Serben u. s. w., damit auch in der Rheinprovinz wie in Wien „Ordnung und Ruhe“ hergestellt werde. Die Rheinprovinz gränzt übrigens, so heißt es, nicht an Rußland, sondern an Frankreich. Zur Nachricht für den Allergnädigsten!
* Düsseldorf, 27. Nov. Ein neuer Weg, um Ungesetzlichkeiten gesetzlich zu machen! Am 22. d. M. wurde hier der Belagerungszustand ausgesprochen resp. mit der Entwaffnung der Bürgerwehr den Anfang gemacht, und heute läßt Hr. Spiegel eine, jene Entwaffnung „anordnende“, Friedrich-Wilhelm-Manteufflische Cabinetsordre, d. d. Bellevue 25. Nov., als Beilage zur Düsseldorfer Zeitung an die entwaffneten Abonnenten gratis verabreichen!!!
Cantador hat einen Erscheinungsbefehl für morgen erhalten.
Düsseldorf. Die Unterredung einer Deputation mit dem Regierungs-Präsidenten Herrn von Spiegel.
Am 20. c. kam uns gegen Abend die Nachricht zu, man habe im hiesigen Regierungs-Kollegium, den ganzen Nachmittag über, wegen des am nächsten Morgen über die Stadt zu verhängenden Belagerungszustandes berathen, wobei sieben Mitglieder des Kollegiums sich gegen und drei, darunter der Regierungspräsident selbst, sich für diese Maßregel ausgesprochen hätten.
Wir hielten es für unsere Schuldigkeit, uns sofort zu dem Letzteren zu begeben, um ihn sowohl über die Gründe zu diesem seinem angeblichen Antrage, als über einige andere, das Gemeinwohl betreffende Punkte zu befragen.
Der in der Stadt allgemein herrschende aufgeregte Zustand schien uns keineswegs eine genügende Veranlassung zu der angedeuteten Gewaltmaßregel. Sollte denn eine Stadt wie Düsseldorf, deren Bewohner jederzeit eine lebhafte Betheiligung an den politischen Zuständen des Vaterlandes an den Tag gelegt, parteilos bleiben, während der ganze preußische Staat durch ein unpopuläres Ministerium und dessen Verordnungen und Maßregeln in zwei große Parteien, in die des Ministeriums Brandenburg-Manteuffel und in jene der von der Gewalt bedrohten Nationalversammlung, zerfiel! Bei so außerordentlichen historischen Ereignissen die Bewegung der Gemüther mit großartigen polizeilichen Maßregeln zügeln zu wollen, schien uns eben so ungeeignet als ungerecht, um so mehr, als dem mißliebigen Ministerium von keiner Seite, ja nicht einmal aus seinem eigenen Schooße, eine lange Dauer geweissagt wurde. Um dieses Ministeriums willen sollte — vielleicht kurz vor seinem Hinscheiden — über unsere Stadt ein Zustand verhängt werden, der im grellsten Widerspruche mit den Anforderungen und dem Aufschwunge unserer Zeit steht! Um dieses Ministeriums willen sollte eine Bürgerwehr aufgelöst werden, welche im Bewußtsein ihrer Pflicht, nach dem Grundparagraphen des betreffenden Gesetzes, zum Schutze der verfassungsmäßigen Freiheit in die Schranken zu treten gewillt war!
Doch kommen wir nun auf die Unterredung mit dem Herrn Regierungspräsidenten.
Wir Unterzeichnete und der von uns hinzugebetene stellvertretende Oberbürgermeister, Herr Dietze, ließen uns gegen fünf Uhr bei dem Präsidenten anmelden. Er empfing uns freundlich.
„Herr Prasident,“ nahm Cantador das Wort, „es ist uns so eben mitgetheilt worden, man habe im Regierungs-Kollegium darauf angetragen, über unsere Stadt den Belagerungszustand zu verhängen. Wir nehmen uns die Freiheit, bei Ihnen anzufragen, ob dies der Fall sei und welche Gründe zu solcher Maßregel vorliegen.“
Der Präsident: Meine Herren, ich kann Sie versichern, daß dies nicht der Fall ist. In einer so bewegten Zeit, wie die jetzige, tauchen allerlei Geruchte auf. — — —
Einer der Deputation: Sie verzeihen, Herr Präsident, wir haben sogar das Stimmenverhältniß des Collegiums für und gegen diese Maßregel erfahren; man sagte uns, daß sieben dagegen und drei dafür gestimmt.
Der Präsident: Meine Herren, ich versichere Sie, so lange Sie sich, wie bisher, auf gesetzlichem Boden bewegen, haben Sie dies nicht zu befürchten. Wie leicht man jetzt allerlei Gerüchte sofort für wahr ausgibt, geht schon wieder daraus hervor; daß in der heutigen Zeitung gesagt wird, der Oberpräsident, Herr Eichmann, habe sich bei mir zum Nachtessen befunden, als ihm jene Katzenmusik gebracht worden. Es ist dies nicht der Fall; der Herr Oberpräsident war vielmehr mit mir zugleich in die Kaserne zum Herrn General von Drigalski gebeten.
Spohr: Ja, Herr Präsident, auch deßhalb wollten wir Sie befragen, da Sie an jenem Abend die Ordre gaben, daß, wenn die Herstellung der Ruhe, d. h. die Beseitigung der Katzenmusik, nicht binnen einer halben Stunde durch die Bürgerwehr erfolgen würde, sofort das Militär requirirt werden solle.
Präsident: Lieber Herr Spohr, das war nur so eine Drohung, das würde doch nicht geschehen sein.
Groote: Herr Präsident, ich muß gestehen, es scheint mir dies doch etwas stark, wegen einer Katzenmusik, die einem Oberpräsidenten gebracht wird, die ganze Stadt in die gefährlichste Lage zu bringen. Wie leicht hätte durch das unbefugte Einschreiten des Militärs ein blutiger Konflikt herbeigeführt werden können.
Herr Dietze (sehr ernsthaft): Herr Präsident, wegen dieser Angelegenheit habe ich die entschiedenste Verwahrung einzulegen. Sie haben mich, den Chef der hiesigen Polizei, dabei gänzlich umgangen. Das darf ich nicht zulassen. Sie hätten allerdings die ganze Stadt in die größte Gefahr bringen können. Meine Sache war es, wenn die Polizei nicht ausreichte, die Bürgerwehr zu requiriren. Das darf nicht wieder vorkommen.
Präsident (sehr freundlich): Ich bitte Sie, meine Herren, nehmen Sie die Sache nicht so von der schlimmsten Seite. Sie kennen mich ja, wie gut ich es mit den Bürgern meine. Ich will Ihnen den ganzen Hergang der Sache erzählen, und Sie werden sehen, wie unschuldig er ist. — Ich war bei dem Hrn. General v. Drigalski in die Kaserne auf Kabeljau oder Schellfisch — ich weiß es wahrhaftig nicht mehr — mit Kartoffeln gebeten und da war denn auch der Oberpräsident und der Herr v. Mirbach. Da wurde uns gemeldet, was vor der Wohnung des Herrn Oberpräsidenten vorgehe. Ich ersuchte den Herrn v. Mirbach, an den Polizei-Inspektor deßhalb das Erforderliche zu verfügen. Er fertigte das Schreiben aus, ich unterschrieb es — es wurde mit dem Divisionssiegel gesiegelt — aber ich kann sie versichern, ich habe es nicht einmal gelesen.“
Groote: Wie, Herr Präsident, in einer so ernsten Zeit und in solcher Angelegenheit unterschreiben Sie eine Verfügung, ohne sie zu lesen!
Präsident (besänftigend): Nun, sehen Sie, ich hatte das dem Herrn v Mirbach überlassen. — — —
Cantador: So? dem Herrn v. Mirbach, dieser durchaus mißliebigen Persönlichkeit, die man außerdem mit unter Denen nennt, die den Belagerungszustand herbeiwünschen. Herr Präsident, die hiesigen Behörden besitzen schon sehr wenig Vertrauen beim Volke, Herr v. Mirbach aber ist fast allgemein gehaßt.
Ein Anderer: Herr v. Mirbach ist derselbe, der die Märzrevolution ein Strohfeuerchen nannte.
Groote: Herr Präsident, ich muß sie wirklich bitten, sich in solchen Fällen nicht durch den Herrn v. Mirbach bestimmen, noch vertreten, noch überhaupt beeinflussen zu lassen.
Präsident: Nein, meine Herren, nein, Sie können sich darauf verlassen, Herr v. Mirbach hat gar keinen Einfluß. — Uebrigens bitte ich sehr, diese Sache nun zu vergessen; es soll künftig nicht mehr vorkommen, daß ich Sie, Herr stellvertretender Oberbürgermeister, übergehe, und eben so werde ich, Herr Cantador, immer erst die Bürgerwehr auffordern lassen. — Lassen wir dies jetzt, Sie wissen, wie sehr mir das Wohl der Bürgerschaft am Herzen liegt. Ich glaube, ich habe dies jederzeit bewiesen.
Clasen: Herr Präsident, ich muß auf unsere erste Frage noch einmal zurückkommen. Sagen Sie uns offen, wie es sich mit dem Gerücht von dem Belagerungszustand verhält, unter welchen Eventualitäten derselbe eintreten wird, ob Sie ihn zu verhängen gesonnen sind, oder ob derselbe allein von dem General Herrn Drigalski ausgehen wird. Wir müssen darüber das Publikum beruhigen.
Präsident: Sie wissen, wie gesagt, liebster Herr Clasen, wie ich Alles aufbiete, einen solchen Zustand zu verhüten.
Spohr: Herr Präsident, das scheint mir eine ausweichende Antwort auf die Frage des Herrn Clasen zu sein: Sagen Sie uns offen und ehrlich, was an der Sache ist.
Präsident: Ja, meine Herren, ich will ganz offen gegen Sie sein. So lange Sie, Herr Cantador, sich auf dem gesetzlichen Boden verhalten, so lange Sie nicht weiter gehen, als Sie bis jetzt gegangen sind, so lange Sie mich nicht absetzen, oder eine provisorische Regierung einsetzen wollen, so lange Sie nicht die Regierungskassen von der Bürgerwehr besetzen lassen, oder einen Angriff auf die Kaserne machen: so lange haben Sie von mir nichts zu befürchten. Und selbst dann noch — ich gebe Ihnen die feierliche Versicherung — würde ich Sie vorher, meine Herren, zu mir bitten lassen, Ihnen das Ungesetzliche ihres Schrittes vorstellen, und jede Gewaltmaßregel unterlassen, wenn Sie Ihrerseits zurückgehen würden. — Ja, glauben Sie mir, ich bin ein ehrlicher Mann, und ich würde, wenn Sie schon dem Militär gegenüberständen, dazwischen treten und zu einer friedlichen Lösung Alles aufbieten. [Fortsetzung]
„Worte und Thaten
in
Berlin
seit dem 9. November 1848.“ (Schluß.)
Worte. Thaten und Thatsachen.
Seit dem 6. April sind „alle Preußen berechtigt, sich friedlich und ohne Waffen in geschlossenen Räumen zu versammeln. Auch Versammlungen unter freiem Himmel können von der Obrigkeit gestattet werden.“ In Berlin sind, vermöge Befehls des Generals Wrangel alle Klubs und Vereine zu politischen Zwecken geschlossen.
Die Habeas-Corpus-Acte setzt fest: „Niemand darf vor einen andern als den im Gesetz bezeichneten Richter gestellt werden. Ausnahmsgerichte sind unstatthaft. Auch ein Belagerungszustand macht hierin keine Ausnahme.“ General Wrangel verordnet über jeden, welcher auf das Militär nachtheilig einwirkt, Kriegsgericht und Standrecht, so wie das Kriegsgericht für die, welche die Anmeldung eines Fremden unterlassen.
Laut der Habeas-Corpus-Acte vom 24. Sept. d. J. ist die persönliche Freiheit gewährleistet. Seit dem 12. November durchziehen fortwährend Soldatenhaufen mit der geladenen, mit dem Zündhütchen versehenen Schußwaffe alle Straßen. Die Bevölkerung geht ruhig ihres Weges. Den 14. November wird der Abgeordnete Schramm auf der Straße verhaftet, ohne allen Grund, so daß er am andern Tage wieder entlassen werden muß. Die Gefängnisse der Stadtvogtei und Hausvogtei fassen die Verhafteten nicht mehr.
Die Wohnung ist unverletzlich, laut der Habeas-Corpus-Acte §. 6. Die Soldaten dringen in die Häuser, suchen nach Waffen, durchwühlen dabei Betten, treiben die darin Liegenden heraus.
Nach den Zusatz-Paragraphen des Bürgerwehr- Die Soldaten holen die Waffen aus den Häu-
Worte. Thaten und Thatsachen.
Gesetzes vom 17. Oktober bleiben die vom Staate den Gemeinden verabreichten Waffen im Besitze der Gemeinden, bis die neue Verfassung und die neue Kreis- und Gemeinde-Ordnung in Kraft getreten sein wird. sern, verladen sie auf einen mitgeführten Wagen, und bringen sie nach den Staatsgebäuden, wo dieselben, laut der Bekanntmachung vom 12. November, „für die Gemeinde in Verwahrung genommen werden.“
Im Falle eines Krieges oder Aufruhrs kann, laut der Habeas-Corpus-Acte §. 8., wenn die Volksvertretung nicht versammelt ist, durch Beschluß und unter Verantwortlichkeit des Staatsministeriums die zeit- und distriktsweise Suspendirung der persönlichen Freiheit und der Wohnungs-Unverletzlichkeit provisorisch ausgesprochen werden. Die Volksvertretung ist jedoch in diesem Falle sofort zusammenzuberufen. Krieg — giebt es nicht — Aufruhr — ist in Berlin nur in der Vorstellung des Ministeriums Brandenburg.
Die Volksvertretung ist versammelt. Sie hat den Belagerungszustand Berlin's für ungesetzlich erklärt.
Die Volksvertreter haben gesetzliche Unverletzlichkeit, gemäß dem Gesetz vom 23. Juni. Am 13. November Nachmittags ist der Vicepräsident der Nationalversammlung, Plönnis, nebst drei Schriftführern im Sitzungssaale, um nach Beschluß der Nationalversammlung die häufig ankommenden Deputationen zu empfangen. Diese vier Volksverter werden durch Gardesoldaten aus dem Saale geschleppt.
Die Nationalversammlung besteht aus den geheiligten Personen der Volksvertreter. Die Nationalversammlung ist am 15. November Abends, nachdem sie aus dem Schauspielhause und aus dem Schützenhause vertrieben, nachdem auch der ihr angebotene und einmal von ihr benutzte Saal der Stadtverordneten durch Soldaten abgesperrt war, in einem Privathause versammelt. Da dringen Soldaten ein, und nur die Festigkeit der Versammlung macht es möglich, noch den in Berathung stehenden Beschluß zu fassen, ehe sie durch größere Truppenmacht hinausgetrieben wird.
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Weitere Informationen:Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.
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