Neue Rheinische Zeitung. Nr. 153. Köln, 26. November 1848. * Köln, 24. November. Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden. * Köln, 25. Novbr. Gestern sind die Herren v. Gagern, v. Vincke und v. Radowitz (letzterer kann nicht garantirt werden) hier durchgereist, um sich nach Berlin zu begeben. Wie uns aus zuverlässiger Quelle berichtet wird, hat sich ein Bataillon des 40. Regiments, das zu Mainz garnisonirt und nach Köln verschifft werden sollte, thätlich dem Befehle seiner Vorgesetzten widersetzt. Die näheren Umstände und Motive dieses Vorfalls können erst in der zweiten Ausgabe dieser Zeitung mitgetheilt werden. 15 Düsseldorf, 24. November. Herr Eichmann hat heute sechs der gesinnungstüchtigsten und gediegensten Räthe des hiesigen Regierungs-Kollegiums von ihrem Amte suspendirt, weil dieselben, ihrer Ueberzeugung getreu, bei einer Abstimmung sich für die National-Versammlung ausgesprochen haben. Der betreffende Erlaß traf diesen Mittag um 1 Uhr von Koblenz hier ein. Trotz des Belagerungszustandes ist die Aufregung über diesen neuen Gewaltstreich ungeheuer. * Trier, 24. November. Die "Triersche Zeitung" beginnt jetzt ihre Gelehrsamkeit auszuschütten, noch ehe die "freie deutsche Akademie" zur Welt geboren ist. Ihre Gelehrsamkeit ist trotz des letzteren Umstandes bereits ziemlich frei. Sie zitirt die Namen römischer Klassiker, als wären sie ihr täglich Brodt: ihr Citat aber zeigt, daß die "freie" Gelehrsamkeit sich mit der Lektüre dieser Klassiker niemals abgegeben. So passirt es ihr heute, daß sie "von Vater Cicero" das "harmlose quos ego" entlehnt, worüber sie von Virgil bei der "freien deutschen Akademie" zur Verantwortung gezogen zu werden, ernstliche Gefahr lauft. Die gute "Trier'sche" ist so lange sie blos in's Grüne schwebelt und nebelt, langweilig. Kramt sie aber ihre Klassizität aus und hetzt die Schatten Cicero's und Virgil's zu einem Prozeß über geistiges Eigenthum an einander, so macht das Langweilige dem Lächerlichen Platz. 103 Berlin, 23. Nov. Wir vernehmen aus einer ganz zuverläßigen Quelle, daß die Regierung um jeden Preis entschlossen ist, die jetzige Nationalversammlung aufzulösen, und daß sie nur noch nach dem Vorwande sucht, der diese mit dem Märzversprechen im Widerspruch stehende ungesetzliche Maßregel beschönigen kann. Ihr Plan ist, die Mitglieder der jetzigen Versammlung zu mystificiren und vor dem Lande lächerlich zu machen. Beamte des Ministeriums des Innern suchen die Abgeordneten zu bewegen, am 27. nach Brandenburg zu gehen, und lassen durchblicken, daß dann das Ministerium Brandenburg abtreten und ein freisinniges Ministerium folgen würde. Lassen aber die Abgeordneten sich wirklich verleiten, am 27. in Brandenburg zu erscheinen, so wird ihnen die Auflösungsverordnung, oder, was dasselbe ist, die Vertagung auf unbestimmte Zeit vorgelesen. Die Regierung schwankt noch, ob sie im Fall des Nichterscheinens der 276 treugebliebenen Abgeordneten die Stellvertreter derselben einberufen, und mit diesem reaktionären Element verbunden, mit dem allgemein diskreditirten und vom ganzen Lande mit Katzenmusik und Mißtrauensvoten aufgenommenen Rumpfe der alten Rechte eine sehr schlechte, auf ganz aristokratischen Grundsätzen beruhende Verfassung fabriciren, oder ob sie gleich am 27. die Versammlung auflösen soll. Vorgestern Abend hat bekanntlich eine Besprechung zwischen den Commissaren der Centralgewalt Simson und Hergenhahn und mehreren Abgeordneten aus den verschiedenen Fraktionen der hiesigen Nationalversammlung stattgefunden. Die Commissarien theilten mit, daß ihre Aufgabe zunächst sei, den Konflikt zwischen der Krone und der Nationalversammlung im Sinne der Beschlüsse der deutsch. Nat.-Vers. zu beseitigen, daß ihre Instruktion indessen auch dahin laute, für den Fall, daß jene Vermittlung nicht zu Stande komme, eine Entscheidung zu treffen. Die Abgeordneten erklärten sich einstimmig dahin, daß sie mit der Ausführung der von der deutschen Nat.-Vers. am 14. d. M. gefaßten Beschlüsse einverstanden seien. (!!) Nach diesen Beschlüssen soll dahin gewirkt werden, daß die Regierung von der Verlegung der Nat.-Vers. abstehe, sobald durch geeignete Maßregeln die Freiheit der Berathung in Berlin sichergestellt sei, ferner daß die Krone ein volksthümliches Ministerium ernenne. Durch die ohne allen Widerstand erfolgte militärische Besetzung Berlins und durch die Entwaffnung sei ohne allen Zweifel jedem Angriff auf die Nat.-Vers. oder auf einzelne Mitglieder derselben vorgebeugt; auch fehle es nicht an Gesetzen, nach denen solche Angriffe bestraft werden könnten. Die Regierung befinde sich also jetzt vollkommen in der Lage für die Freiheit der Berathungen bürgen zu können, das in der kön. Botschaft vom 8. d. M. für die Verlegung nach Brandenburg angeführte Motiv sei jetzt gar nicht mehr vorhanden. Jetzt komme es allein noch darauf an, daß die Krone den andern Theil der Frankfurter Beschlüsse ausführe und ein volksthümliches Ministerium ernenne. Dadurch sei der Konflikt von selbst gehoben. Die Commissarien gingen auf diese Erklärung nicht ein, sondern deuteten wiederholt darauf hin, die Versammlung solle sich zunächst nach Brandenburg begeben, um dort ein Gesetz, ähnlich dem Frankfurter, zum Schutze der Versammlung zu berathen und anzunehmen. Diese Zumuthung wurde von den Abgeordneten einstimmig abgelehnt, unter wiederholter Hinweisung darauf, daß mehr als genügender Schutz für die Berathungen und Personen in Berlin vorhanden sei, also jeder Grund zur Verlegung nach Brandenburg fehle. Auf die Frage, ob die Versammlung sich einer Entscheidung der Centralgewalt und der Frankfurter Versammlung fügen werde, antwortete ein Abgeordneter der Linken mit: Nein, die andern Fraktionen behielten sich ihren Beschluß vor. Folgende Erklärung wird von den Präsidenten und mehr als 200 Mitglieder der hiesigen Nat.-Vers. unterschrieben an die deutsche Reichsversammlung in Frankfurt abgehen: Hohe Versammlung! Der Hr. Unterstaatssekretär Bassermann hat in der 118. Sitzung der deutschen Reichsversammlung über seine Sendung nach Berlin Bericht erstattet. Wir verschmähen es, mit Hrn. Bassermann darüber zu rechten, wie und wo er seine Anschauungen von der Physiognomie der Stadt, von der Haltung der Bevölkerung, gegenüber den Gewaltstreichen der Regierung gewonnen hat. Der 9. November ist schon der Geschichte anheimgefallen. Der Presse mag es überlassen sein, nachzuweisen, daß Hrn. Bassermanns Schilderung bis in die kleinsten Züge falsch ist. Wenn aber ein Beamter des Reichs über seine amtliche Thätigkeit die hohe Versammlung mit so folgenreichen Unwahrheiten zu hintergehen sucht, so wäre Schweigen ein Verrath an der heiligen Sache, für die wir im ehrlichen Kampfe stehen und fallen, die wir aber nicht meuchlings wollen morden lassen. Wir erklären daher unter Zustimmung aller unserer Kollegen: "daß Hr. Bassermann, als Abgesandter der deutschen Centralgewalt, mit der preuß. Nat.-Vers., oder mit den zurückgebliebenen Abgeordneten, wie er sich auszudrücken beliebt, gar nicht unterhandelt, zu unterhandeln nicht einmal versucht hat." Seine ganze Thätigkeit in dieser Richtung hat sich, soviel wir durch die sorgfältigste Nachforschung haben ermitteln können, darauf beschränkt, daß er unter der ausdrücklichen Erklärung, er komme als Privatmann, dem Präsidenten v. Unruh einen Besuch gemacht, einen, nach der Ansicht des Hrn. v. Unruh unausführbaren Vorschlag geäußert, und daß er bei Gelegenheit eines Krankenbesuchs ein Mitglied des linken Centrums seine persönliche Meinung über die Bedingungen einer Transaktion hat aussprechen hören, ohne dieselbe richtig erfaßt zu haben. Daß die preußische Nat.-Vers. nur auf die von Hrn. Bassermann angegebenen Bedingungen mit der Krone unterhandeln wolle, ist eine Unwahrheit. * Berlin, 21. November. Der Unterstaatssekretair und Reichskommissar Bassermann hat in der Sitzung der Frankfurter verfassungsgebenden Versammlung vom 18. d. über seine Mission in Berlin einen Bericht erstattet, welcher eher an einen leichtfertigen Pamphletschreiber oder bezahlten Parteischriftsteller erinnert, als der deutschen Gründlichkeit und Würde eines "Reichskommissars" entsprechen mochte. Wir finden in diesem Bericht ein Gewebe theils rein erdichteter, theils entstellter Thatsachen, woran sich perfide Insinuationen und haltlose Schlußfolgen knüpfen. Herr Bassermann hat den Zustand Berlins in den Kreis seiner Untersuchungen gezogen. Dies war an sich gewiß richtig, da eben dieser Zustand, wie bekannt, den Vorwand zu allen den Gewaltstreichen dargeboten hat, die nach einander gegen die National-Versammlung und gegen die Grundrechte des preußischen Volkes in Berlin ausgeübt worden sind. Allein wie ist diese Untersuchung angestellt? Was hat zunächst Herr Bassermann selbst wahrgenommen? Er findet die Stadt ruhig, aber auf den Straßen Gestalten, die ihn erschrecken. Wer so leicht erschrickt, sollte nicht in fremde Länder reisen, am wenigsten als deutscher Reichskommissar. Wir, die wir uns hier geraume Zeit aufhalten, wissen nichts von diesem Schreck, nichts von diesen abschreckenden Gestalten. Wir können der Bevölkerung von Berlin nur das Zeugniß geben, daß sie ihren alten Ruf der Gesittung und Gutmuthigkeit behauptet hat, und wahrlich, das ist in den letzten Tagen geschehen, trotz der unerträglichsten Aufstachelung durch die Gewaltmaßregeln von oben. Wir halten uns aber auch nicht berechtigt, Leuten die Straße zu verbieten, weil ihr Aeußeres uns nicht gefällt; wir sehen ferner nicht ein, wie Hrn. Bassermanns Schreck dadurch geringer werden kann, daß die Personen, welche ihn erregten, zu Hause bleiben. Herr Bassermann denke an die Gegenseitigkeit. Sein Erscheinen hat ohne Zweifel manchen Freund der gesetzlichen Freiheit erschreckt, aber Niemand schließt ihn darum von der öffentlichen Straße aus. -- Wrangels Einzug soll sofort eine andere Straßenbevölkerung hergezaubert haben. Das hat Hr. Bassermann, so viel die ersten Tage betrifft, wohl nur allein bemerkt. Später konnten freilich nicht diejenigen auf den Straßen gehen, welche unter den geringfügigsten Vorwänden eingesperrt worden sind. Haben sich jene dem Herrn Bassermann mißfällige Personen aber von den Straßen entfernt, so enthalten jetzt Schauspielhaus, Universitätsgebäude, königl. Schloß, Seehandlung, sogar das eben fertige prachtvolle neue Museum, die herrliche Rotunde des alten, eine Schaar von Bewohnern, die den Zwecken dieser Gebäude sehr fremd ist, Kinder des Volkes, welche dem Volke Schreck einjagen sollen, und dafür zur größten Unbequemlichkeit von allen äußeren Umgebungen abgesperrt und mit lugenhaften Druckschriften, wohin z. B. ein Aufruf, "Bürger, Bauern, Preußen!" gehört, über die äußere Lage der Sache im Dunkel gelassen werden. -- Solche Maßregeln, deren Lächerlichkeit mit dem Wahnsinn wetteifert, sollen dem Bürger ein Gefühl der Sicherheit gegeben haben, während jeder Verständige den Vulkan fühlt, auf den wir eben gerathen sind. Nun erschrecken den Herrn Bassermann die Maueranschläge: "der Traum eines Republikaners mit Laternenpfahlen" von dem Traum eines Reaktionärs, dem Seitenstücke dieses Plakats, sagt er nichts. Hätte er sich die Mühe genommen, sein Schreckbild anzusehen, so würde er eine humoristische Satyre gerade auf die Volksredner gefunden haben, die, wie er auch freilich allein weiß, das Volk mit Beilen und Messern versehen haben sollen. -- Die Presse sei nicht frei, sondern terrorisirt gewesen. Von wem terrorisirt? Gewiß wohl von Leuten aus dem Volke, sonst würden die unverschämten Angriffe der "Neuen Preußischen Zeitung" auf die ehrenwerthesten Deputirten und auf die National-Versammlung selbst unmöglich gewesen sein, sonst würden die Spenersche und Vossische Zeitung nicht ihre täglichen bezahlten Inserate haben liefern können, welche so oft zu den Maßregeln auffordern, worunter wir jetzt leiden. Oder war etwa die freimüthige National-Zeitung terrorisirt, von der Reform und Zeitungshalle zu schweigen? Völlige Straflosigkeit, meint der Herr Bassermann, herrsche in der Stadt, während gerade im Gegentheil die fortwährende Anwendung der alten, nicht mehr passenden Gesetze den Gegenstand fortdauernder Beschwerden ausmachte; während der Gang der Gerichte keinen Augenblick gestört gewesen ist. Herr Bassermann berührt den Unfug, welcher am hiesigen Schauspielhause leider vorgekommen ist. Auch hier jedoch hat er sehr leichtfertig einseitigen Erzählungen Gehör gegeben, ohne im mindesten näher die Sache zu prüfen. Sonst würde er wissen, daß von einer Lebensgefahr der Deputirten nie die Rede gewesen, daß die sehr beklagenswerthen Insulten einzelner Deputirten nur sehr vereinzelt vorgekommen, daß sie nur wenigen Individuen zur Last fallen, daß der Exceß am 31. Oktober zunächst nur unzweckmäßiger Verwendung der Bürgerwehr zuzuschreiben war, daß ein terrorisirender Einfluß nie stattgefunden, namentlich nicht am 31., wo der Volksmenge ungeachtet die Stimmen so fielen, wie sie der Fraktionsbildung nach schon vorher zu erwarten waren, und gegen die muthmaßliche Ansicht dieser Volkshaufen, daß die Bewachung durch die Bürgerwehr vollkommen ausreichte, jede Insulte * Köln, 24. November. Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden. * Köln, 25. Novbr. Gestern sind die Herren v. Gagern, v. Vincke und v. Radowitz (letzterer kann nicht garantirt werden) hier durchgereist, um sich nach Berlin zu begeben. Wie uns aus zuverlässiger Quelle berichtet wird, hat sich ein Bataillon des 40. Regiments, das zu Mainz garnisonirt und nach Köln verschifft werden sollte, thätlich dem Befehle seiner Vorgesetzten widersetzt. Die näheren Umstände und Motive dieses Vorfalls können erst in der zweiten Ausgabe dieser Zeitung mitgetheilt werden. 15 Düsseldorf, 24. November. Herr Eichmann hat heute sechs der gesinnungstüchtigsten und gediegensten Räthe des hiesigen Regierungs-Kollegiums von ihrem Amte suspendirt, weil dieselben, ihrer Ueberzeugung getreu, bei einer Abstimmung sich für die National-Versammlung ausgesprochen haben. Der betreffende Erlaß traf diesen Mittag um 1 Uhr von Koblenz hier ein. Trotz des Belagerungszustandes ist die Aufregung über diesen neuen Gewaltstreich ungeheuer. * Trier, 24. November. Die „Triersche Zeitung“ beginnt jetzt ihre Gelehrsamkeit auszuschütten, noch ehe die „freie deutsche Akademie“ zur Welt geboren ist. Ihre Gelehrsamkeit ist trotz des letzteren Umstandes bereits ziemlich frei. Sie zitirt die Namen römischer Klassiker, als wären sie ihr täglich Brodt: ihr Citat aber zeigt, daß die „freie“ Gelehrsamkeit sich mit der Lektüre dieser Klassiker niemals abgegeben. So passirt es ihr heute, daß sie „von Vater Cicero“ das „harmlose quos ego“ entlehnt, worüber sie von Virgil bei der „freien deutschen Akademie“ zur Verantwortung gezogen zu werden, ernstliche Gefahr lauft. Die gute „Trier'sche“ ist so lange sie blos in's Grüne schwebelt und nebelt, langweilig. Kramt sie aber ihre Klassizität aus und hetzt die Schatten Cicero's und Virgil's zu einem Prozeß über geistiges Eigenthum an einander, so macht das Langweilige dem Lächerlichen Platz. 103 Berlin, 23. Nov. Wir vernehmen aus einer ganz zuverläßigen Quelle, daß die Regierung um jeden Preis entschlossen ist, die jetzige Nationalversammlung aufzulösen, und daß sie nur noch nach dem Vorwande sucht, der diese mit dem Märzversprechen im Widerspruch stehende ungesetzliche Maßregel beschönigen kann. Ihr Plan ist, die Mitglieder der jetzigen Versammlung zu mystificiren und vor dem Lande lächerlich zu machen. Beamte des Ministeriums des Innern suchen die Abgeordneten zu bewegen, am 27. nach Brandenburg zu gehen, und lassen durchblicken, daß dann das Ministerium Brandenburg abtreten und ein freisinniges Ministerium folgen würde. Lassen aber die Abgeordneten sich wirklich verleiten, am 27. in Brandenburg zu erscheinen, so wird ihnen die Auflösungsverordnung, oder, was dasselbe ist, die Vertagung auf unbestimmte Zeit vorgelesen. Die Regierung schwankt noch, ob sie im Fall des Nichterscheinens der 276 treugebliebenen Abgeordneten die Stellvertreter derselben einberufen, und mit diesem reaktionären Element verbunden, mit dem allgemein diskreditirten und vom ganzen Lande mit Katzenmusik und Mißtrauensvoten aufgenommenen Rumpfe der alten Rechte eine sehr schlechte, auf ganz aristokratischen Grundsätzen beruhende Verfassung fabriciren, oder ob sie gleich am 27. die Versammlung auflösen soll. Vorgestern Abend hat bekanntlich eine Besprechung zwischen den Commissaren der Centralgewalt Simson und Hergenhahn und mehreren Abgeordneten aus den verschiedenen Fraktionen der hiesigen Nationalversammlung stattgefunden. Die Commissarien theilten mit, daß ihre Aufgabe zunächst sei, den Konflikt zwischen der Krone und der Nationalversammlung im Sinne der Beschlüsse der deutsch. Nat.-Vers. zu beseitigen, daß ihre Instruktion indessen auch dahin laute, für den Fall, daß jene Vermittlung nicht zu Stande komme, eine Entscheidung zu treffen. Die Abgeordneten erklärten sich einstimmig dahin, daß sie mit der Ausführung der von der deutschen Nat.-Vers. am 14. d. M. gefaßten Beschlüsse einverstanden seien. (!!) Nach diesen Beschlüssen soll dahin gewirkt werden, daß die Regierung von der Verlegung der Nat.-Vers. abstehe, sobald durch geeignete Maßregeln die Freiheit der Berathung in Berlin sichergestellt sei, ferner daß die Krone ein volksthümliches Ministerium ernenne. Durch die ohne allen Widerstand erfolgte militärische Besetzung Berlins und durch die Entwaffnung sei ohne allen Zweifel jedem Angriff auf die Nat.-Vers. oder auf einzelne Mitglieder derselben vorgebeugt; auch fehle es nicht an Gesetzen, nach denen solche Angriffe bestraft werden könnten. Die Regierung befinde sich also jetzt vollkommen in der Lage für die Freiheit der Berathungen bürgen zu können, das in der kön. Botschaft vom 8. d. M. für die Verlegung nach Brandenburg angeführte Motiv sei jetzt gar nicht mehr vorhanden. Jetzt komme es allein noch darauf an, daß die Krone den andern Theil der Frankfurter Beschlüsse ausführe und ein volksthümliches Ministerium ernenne. Dadurch sei der Konflikt von selbst gehoben. Die Commissarien gingen auf diese Erklärung nicht ein, sondern deuteten wiederholt darauf hin, die Versammlung solle sich zunächst nach Brandenburg begeben, um dort ein Gesetz, ähnlich dem Frankfurter, zum Schutze der Versammlung zu berathen und anzunehmen. Diese Zumuthung wurde von den Abgeordneten einstimmig abgelehnt, unter wiederholter Hinweisung darauf, daß mehr als genügender Schutz für die Berathungen und Personen in Berlin vorhanden sei, also jeder Grund zur Verlegung nach Brandenburg fehle. Auf die Frage, ob die Versammlung sich einer Entscheidung der Centralgewalt und der Frankfurter Versammlung fügen werde, antwortete ein Abgeordneter der Linken mit: Nein, die andern Fraktionen behielten sich ihren Beschluß vor. Folgende Erklärung wird von den Präsidenten und mehr als 200 Mitglieder der hiesigen Nat.-Vers. unterschrieben an die deutsche Reichsversammlung in Frankfurt abgehen: Hohe Versammlung! Der Hr. Unterstaatssekretär Bassermann hat in der 118. Sitzung der deutschen Reichsversammlung über seine Sendung nach Berlin Bericht erstattet. Wir verschmähen es, mit Hrn. Bassermann darüber zu rechten, wie und wo er seine Anschauungen von der Physiognomie der Stadt, von der Haltung der Bevölkerung, gegenüber den Gewaltstreichen der Regierung gewonnen hat. Der 9. November ist schon der Geschichte anheimgefallen. Der Presse mag es überlassen sein, nachzuweisen, daß Hrn. Bassermanns Schilderung bis in die kleinsten Züge falsch ist. Wenn aber ein Beamter des Reichs über seine amtliche Thätigkeit die hohe Versammlung mit so folgenreichen Unwahrheiten zu hintergehen sucht, so wäre Schweigen ein Verrath an der heiligen Sache, für die wir im ehrlichen Kampfe stehen und fallen, die wir aber nicht meuchlings wollen morden lassen. Wir erklären daher unter Zustimmung aller unserer Kollegen: „daß Hr. Bassermann, als Abgesandter der deutschen Centralgewalt, mit der preuß. Nat.-Vers., oder mit den zurückgebliebenen Abgeordneten, wie er sich auszudrücken beliebt, gar nicht unterhandelt, zu unterhandeln nicht einmal versucht hat.“ Seine ganze Thätigkeit in dieser Richtung hat sich, soviel wir durch die sorgfältigste Nachforschung haben ermitteln können, darauf beschränkt, daß er unter der ausdrücklichen Erklärung, er komme als Privatmann, dem Präsidenten v. Unruh einen Besuch gemacht, einen, nach der Ansicht des Hrn. v. Unruh unausführbaren Vorschlag geäußert, und daß er bei Gelegenheit eines Krankenbesuchs ein Mitglied des linken Centrums seine persönliche Meinung über die Bedingungen einer Transaktion hat aussprechen hören, ohne dieselbe richtig erfaßt zu haben. Daß die preußische Nat.-Vers. nur auf die von Hrn. Bassermann angegebenen Bedingungen mit der Krone unterhandeln wolle, ist eine Unwahrheit. * Berlin, 21. November. Der Unterstaatssekretair und Reichskommissar Bassermann hat in der Sitzung der Frankfurter verfassungsgebenden Versammlung vom 18. d. über seine Mission in Berlin einen Bericht erstattet, welcher eher an einen leichtfertigen Pamphletschreiber oder bezahlten Parteischriftsteller erinnert, als der deutschen Gründlichkeit und Würde eines „Reichskommissars“ entsprechen mochte. Wir finden in diesem Bericht ein Gewebe theils rein erdichteter, theils entstellter Thatsachen, woran sich perfide Insinuationen und haltlose Schlußfolgen knüpfen. Herr Bassermann hat den Zustand Berlins in den Kreis seiner Untersuchungen gezogen. Dies war an sich gewiß richtig, da eben dieser Zustand, wie bekannt, den Vorwand zu allen den Gewaltstreichen dargeboten hat, die nach einander gegen die National-Versammlung und gegen die Grundrechte des preußischen Volkes in Berlin ausgeübt worden sind. Allein wie ist diese Untersuchung angestellt? Was hat zunächst Herr Bassermann selbst wahrgenommen? Er findet die Stadt ruhig, aber auf den Straßen Gestalten, die ihn erschrecken. Wer so leicht erschrickt, sollte nicht in fremde Länder reisen, am wenigsten als deutscher Reichskommissar. Wir, die wir uns hier geraume Zeit aufhalten, wissen nichts von diesem Schreck, nichts von diesen abschreckenden Gestalten. Wir können der Bevölkerung von Berlin nur das Zeugniß geben, daß sie ihren alten Ruf der Gesittung und Gutmuthigkeit behauptet hat, und wahrlich, das ist in den letzten Tagen geschehen, trotz der unerträglichsten Aufstachelung durch die Gewaltmaßregeln von oben. Wir halten uns aber auch nicht berechtigt, Leuten die Straße zu verbieten, weil ihr Aeußeres uns nicht gefällt; wir sehen ferner nicht ein, wie Hrn. Bassermanns Schreck dadurch geringer werden kann, daß die Personen, welche ihn erregten, zu Hause bleiben. Herr Bassermann denke an die Gegenseitigkeit. Sein Erscheinen hat ohne Zweifel manchen Freund der gesetzlichen Freiheit erschreckt, aber Niemand schließt ihn darum von der öffentlichen Straße aus. — Wrangels Einzug soll sofort eine andere Straßenbevölkerung hergezaubert haben. Das hat Hr. Bassermann, so viel die ersten Tage betrifft, wohl nur allein bemerkt. Später konnten freilich nicht diejenigen auf den Straßen gehen, welche unter den geringfügigsten Vorwänden eingesperrt worden sind. Haben sich jene dem Herrn Bassermann mißfällige Personen aber von den Straßen entfernt, so enthalten jetzt Schauspielhaus, Universitätsgebäude, königl. Schloß, Seehandlung, sogar das eben fertige prachtvolle neue Museum, die herrliche Rotunde des alten, eine Schaar von Bewohnern, die den Zwecken dieser Gebäude sehr fremd ist, Kinder des Volkes, welche dem Volke Schreck einjagen sollen, und dafür zur größten Unbequemlichkeit von allen äußeren Umgebungen abgesperrt und mit lugenhaften Druckschriften, wohin z. B. ein Aufruf, „Bürger, Bauern, Preußen!“ gehört, über die äußere Lage der Sache im Dunkel gelassen werden. — Solche Maßregeln, deren Lächerlichkeit mit dem Wahnsinn wetteifert, sollen dem Bürger ein Gefühl der Sicherheit gegeben haben, während jeder Verständige den Vulkan fühlt, auf den wir eben gerathen sind. Nun erschrecken den Herrn Bassermann die Maueranschläge: „der Traum eines Republikaners mit Laternenpfahlen“ von dem Traum eines Reaktionärs, dem Seitenstücke dieses Plakats, sagt er nichts. Hätte er sich die Mühe genommen, sein Schreckbild anzusehen, so würde er eine humoristische Satyre gerade auf die Volksredner gefunden haben, die, wie er auch freilich allein weiß, das Volk mit Beilen und Messern versehen haben sollen. — Die Presse sei nicht frei, sondern terrorisirt gewesen. Von wem terrorisirt? Gewiß wohl von Leuten aus dem Volke, sonst würden die unverschämten Angriffe der „Neuen Preußischen Zeitung“ auf die ehrenwerthesten Deputirten und auf die National-Versammlung selbst unmöglich gewesen sein, sonst würden die Spenersche und Vossische Zeitung nicht ihre täglichen bezahlten Inserate haben liefern können, welche so oft zu den Maßregeln auffordern, worunter wir jetzt leiden. Oder war etwa die freimüthige National-Zeitung terrorisirt, von der Reform und Zeitungshalle zu schweigen? Völlige Straflosigkeit, meint der Herr Bassermann, herrsche in der Stadt, während gerade im Gegentheil die fortwährende Anwendung der alten, nicht mehr passenden Gesetze den Gegenstand fortdauernder Beschwerden ausmachte; während der Gang der Gerichte keinen Augenblick gestört gewesen ist. Herr Bassermann berührt den Unfug, welcher am hiesigen Schauspielhause leider vorgekommen ist. Auch hier jedoch hat er sehr leichtfertig einseitigen Erzählungen Gehör gegeben, ohne im mindesten näher die Sache zu prüfen. Sonst würde er wissen, daß von einer Lebensgefahr der Deputirten nie die Rede gewesen, daß die sehr beklagenswerthen Insulten einzelner Deputirten nur sehr vereinzelt vorgekommen, daß sie nur wenigen Individuen zur Last fallen, daß der Exceß am 31. Oktober zunächst nur unzweckmäßiger Verwendung der Bürgerwehr zuzuschreiben war, daß ein terrorisirender Einfluß nie stattgefunden, namentlich nicht am 31., wo der Volksmenge ungeachtet die Stimmen so fielen, wie sie der Fraktionsbildung nach schon vorher zu erwarten waren, und gegen die muthmaßliche Ansicht dieser Volkshaufen, daß die Bewachung durch die Bürgerwehr vollkommen ausreichte, jede Insulte <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0003" n="0803"/> <div xml:id="ar153-1_005_c" type="jArticle"> <note type="editorial">Edition: <bibl>Karl Marx: Drigalski der Gesetzgeber, Bürger und Kommunist, vorgesehen für: MEGA<hi rendition="#sup">2</hi>, I/8. </bibl> </note> <head><bibl><author>*</author></bibl> Köln, 24. November.</head> <gap reason="copyright"/> </div> <div xml:id="ar153-1_006" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl> Köln, 25. Novbr.</head> <p>Gestern sind die Herren v. Gagern, v. Vincke und v. 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Lassen aber die Abgeordneten sich wirklich verleiten, am 27. in Brandenburg zu erscheinen, so wird ihnen die Auflösungsverordnung, oder, was dasselbe ist, die Vertagung auf unbestimmte Zeit vorgelesen. Die Regierung schwankt noch, ob sie im Fall des Nichterscheinens der 276 treugebliebenen Abgeordneten die Stellvertreter derselben einberufen, und mit diesem reaktionären Element verbunden, mit dem allgemein diskreditirten und vom ganzen Lande mit Katzenmusik und Mißtrauensvoten aufgenommenen Rumpfe der alten Rechte eine sehr schlechte, auf ganz aristokratischen Grundsätzen beruhende Verfassung fabriciren, oder ob sie gleich am 27. die Versammlung auflösen soll.</p> <p>Vorgestern Abend hat bekanntlich eine Besprechung zwischen den Commissaren der Centralgewalt <hi rendition="#g">Simson</hi> und <hi rendition="#g">Hergenhahn</hi> und mehreren Abgeordneten aus den verschiedenen Fraktionen der hiesigen Nationalversammlung stattgefunden. 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Durch die ohne allen Widerstand erfolgte militärische Besetzung Berlins und durch die Entwaffnung sei ohne allen Zweifel jedem Angriff auf die Nat.-Vers. oder auf einzelne Mitglieder derselben vorgebeugt; auch fehle es nicht an Gesetzen, nach denen solche Angriffe bestraft werden könnten. Die Regierung befinde sich also jetzt vollkommen in der Lage für die Freiheit der Berathungen bürgen zu können, das in der kön. Botschaft vom 8. d. M. für die Verlegung nach Brandenburg angeführte Motiv sei jetzt gar nicht mehr vorhanden. Jetzt komme es allein noch darauf an, daß die Krone den andern Theil der Frankfurter Beschlüsse ausführe und ein volksthümliches Ministerium ernenne. Dadurch sei der Konflikt von selbst gehoben.</p> <p>Die Commissarien gingen auf diese Erklärung nicht ein, sondern deuteten wiederholt darauf hin, die Versammlung solle sich zunächst nach Brandenburg begeben, um dort ein Gesetz, ähnlich dem Frankfurter, zum Schutze der Versammlung zu berathen und anzunehmen.</p> <p>Diese Zumuthung wurde von den Abgeordneten einstimmig abgelehnt, unter wiederholter Hinweisung darauf, daß mehr als genügender Schutz für die Berathungen und Personen in Berlin vorhanden sei, also jeder Grund zur Verlegung nach Brandenburg fehle.</p> <p>Auf die Frage, ob die Versammlung sich einer <hi rendition="#g">Entscheidung</hi> der Centralgewalt und der Frankfurter Versammlung fügen werde, antwortete ein Abgeordneter der Linken mit: <hi rendition="#g">Nein</hi>, die andern Fraktionen behielten sich ihren Beschluß vor.</p> <p>Folgende Erklärung wird von den Präsidenten und mehr als 200 Mitglieder der hiesigen Nat.-Vers. unterschrieben an die deutsche Reichsversammlung in Frankfurt abgehen:</p> <p><hi rendition="#g">Hohe Versammlung</hi>!</p> <p>Der Hr. Unterstaatssekretär <hi rendition="#g">Bassermann</hi> hat in der 118. Sitzung der deutschen Reichsversammlung über seine Sendung nach Berlin Bericht erstattet.</p> <p>Wir verschmähen es, mit Hrn. <hi rendition="#g">Bassermann</hi> darüber zu rechten, wie und wo er seine Anschauungen von der Physiognomie der Stadt, von der Haltung der Bevölkerung, gegenüber den Gewaltstreichen der Regierung gewonnen hat.</p> <p>Der 9. November ist schon der Geschichte anheimgefallen. Der Presse mag es überlassen sein, nachzuweisen, daß Hrn. <hi rendition="#g">Bassermanns</hi> Schilderung bis in die kleinsten Züge falsch ist. Wenn aber ein Beamter des Reichs über seine amtliche Thätigkeit die hohe Versammlung mit so folgenreichen Unwahrheiten zu hintergehen sucht, so wäre Schweigen ein Verrath an der heiligen Sache, für die wir im ehrlichen Kampfe stehen und fallen, die wir aber nicht meuchlings wollen morden lassen. Wir erklären daher unter Zustimmung aller unserer Kollegen:</p> <p rendition="#et">„daß Hr. <hi rendition="#g">Bassermann</hi>, als Abgesandter der deutschen Centralgewalt, mit der preuß. Nat.-Vers., oder mit den zurückgebliebenen Abgeordneten, wie er sich auszudrücken beliebt, <hi rendition="#g">gar nicht unterhandelt, zu unterhandeln nicht einmal versucht hat</hi>.“</p> <p>Seine ganze Thätigkeit in dieser Richtung hat sich, soviel wir durch die sorgfältigste Nachforschung haben ermitteln können, darauf beschränkt, daß er unter der ausdrücklichen Erklärung, er komme als Privatmann, dem Präsidenten v. <hi rendition="#g">Unruh</hi> einen Besuch gemacht, einen, nach der Ansicht des Hrn. v. <hi rendition="#g">Unruh</hi> unausführbaren Vorschlag geäußert, und daß er bei Gelegenheit eines Krankenbesuchs ein Mitglied des linken Centrums seine persönliche Meinung über die Bedingungen einer Transaktion hat aussprechen hören, ohne dieselbe richtig erfaßt zu haben. Daß die preußische Nat.-Vers. nur auf die von Hrn. <hi rendition="#g">Bassermann</hi> angegebenen Bedingungen mit der Krone unterhandeln wolle, <hi rendition="#g">ist eine Unwahrheit</hi>.</p> </div> <div xml:id="ar153-1_010" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl> Berlin, 21. November.</head> <p>Der Unterstaatssekretair und Reichskommissar Bassermann hat in der Sitzung der Frankfurter verfassungsgebenden Versammlung vom 18. d. über seine Mission in Berlin einen Bericht erstattet, welcher eher an einen leichtfertigen Pamphletschreiber oder bezahlten Parteischriftsteller erinnert, als der deutschen Gründlichkeit und Würde eines „Reichskommissars“ entsprechen mochte. Wir finden in diesem Bericht ein Gewebe theils rein erdichteter, theils entstellter Thatsachen, woran sich perfide Insinuationen und haltlose Schlußfolgen knüpfen.</p> <p>Herr Bassermann hat den Zustand Berlins in den Kreis seiner Untersuchungen gezogen. Dies war an sich gewiß richtig, da eben dieser Zustand, wie bekannt, den Vorwand zu allen den Gewaltstreichen dargeboten hat, die nach einander gegen die National-Versammlung und gegen die Grundrechte des preußischen Volkes in Berlin ausgeübt worden sind. Allein wie ist diese Untersuchung angestellt? Was hat zunächst Herr Bassermann selbst wahrgenommen? Er findet die Stadt ruhig, aber auf den Straßen Gestalten, die ihn erschrecken. Wer so leicht erschrickt, sollte nicht in fremde Länder reisen, am wenigsten als deutscher Reichskommissar. Wir, die wir uns hier geraume Zeit aufhalten, wissen nichts von diesem Schreck, nichts von diesen abschreckenden Gestalten. Wir können der Bevölkerung von Berlin nur das Zeugniß geben, daß sie ihren alten Ruf der Gesittung und Gutmuthigkeit behauptet hat, und wahrlich, das ist in den letzten Tagen geschehen, trotz der unerträglichsten Aufstachelung durch die Gewaltmaßregeln von oben. Wir halten uns aber auch nicht berechtigt, Leuten die Straße zu verbieten, weil ihr Aeußeres uns nicht gefällt; wir sehen ferner nicht ein, wie Hrn. Bassermanns Schreck dadurch geringer werden kann, daß die Personen, welche ihn erregten, zu Hause bleiben. Herr Bassermann denke an die Gegenseitigkeit. Sein Erscheinen hat ohne Zweifel manchen Freund der gesetzlichen Freiheit erschreckt, aber Niemand schließt ihn darum von der öffentlichen Straße aus. — Wrangels Einzug soll sofort eine andere Straßenbevölkerung hergezaubert haben. Das hat Hr. Bassermann, so viel die ersten Tage betrifft, wohl nur allein bemerkt. Später konnten freilich nicht diejenigen auf den Straßen gehen, welche unter den geringfügigsten Vorwänden eingesperrt worden sind.</p> <p>Haben sich jene dem Herrn Bassermann mißfällige Personen aber von den Straßen entfernt, so enthalten jetzt Schauspielhaus, Universitätsgebäude, königl. Schloß, Seehandlung, sogar das eben fertige prachtvolle neue Museum, die herrliche Rotunde des alten, eine Schaar von Bewohnern, die den Zwecken dieser Gebäude sehr fremd ist, Kinder des Volkes, welche dem Volke Schreck einjagen sollen, und dafür zur größten Unbequemlichkeit von allen äußeren Umgebungen abgesperrt und mit lugenhaften Druckschriften, wohin z. B. ein Aufruf, „Bürger, Bauern, Preußen!“ gehört, über die äußere Lage der Sache im Dunkel gelassen werden. — Solche Maßregeln, deren Lächerlichkeit mit dem Wahnsinn wetteifert, sollen dem Bürger ein Gefühl der Sicherheit gegeben haben, während jeder Verständige den Vulkan fühlt, auf den wir eben gerathen sind.</p> <p>Nun erschrecken den Herrn Bassermann die Maueranschläge: „der Traum eines Republikaners mit Laternenpfahlen“ von dem Traum eines Reaktionärs, dem Seitenstücke dieses Plakats, sagt er nichts. Hätte er sich die Mühe genommen, sein Schreckbild anzusehen, so würde er eine humoristische Satyre gerade auf die Volksredner gefunden haben, die, wie er auch freilich allein weiß, das Volk mit Beilen und Messern versehen haben sollen. — Die Presse sei nicht frei, sondern terrorisirt gewesen. Von wem terrorisirt? Gewiß wohl von Leuten aus dem Volke, sonst würden die unverschämten Angriffe der „Neuen Preußischen Zeitung“ auf die ehrenwerthesten Deputirten und auf die National-Versammlung selbst unmöglich gewesen sein, sonst würden die Spenersche und Vossische Zeitung nicht ihre täglichen bezahlten Inserate haben liefern können, welche so oft zu den Maßregeln auffordern, worunter wir jetzt leiden. Oder war etwa die freimüthige National-Zeitung terrorisirt, von der Reform und Zeitungshalle zu schweigen? Völlige Straflosigkeit, meint der Herr Bassermann, herrsche in der Stadt, während gerade im Gegentheil die fortwährende Anwendung der alten, nicht mehr passenden Gesetze den Gegenstand fortdauernder Beschwerden ausmachte; während der Gang der Gerichte keinen Augenblick gestört gewesen ist.</p> <p>Herr Bassermann berührt den Unfug, welcher am hiesigen Schauspielhause leider vorgekommen ist. Auch hier jedoch hat er sehr leichtfertig einseitigen Erzählungen Gehör gegeben, ohne im mindesten näher die Sache zu prüfen. Sonst würde er wissen, daß von einer Lebensgefahr der Deputirten nie die Rede gewesen, daß die sehr beklagenswerthen Insulten einzelner Deputirten nur sehr vereinzelt vorgekommen, daß sie nur wenigen Individuen zur Last fallen, daß der Exceß am 31. Oktober zunächst nur unzweckmäßiger Verwendung der Bürgerwehr zuzuschreiben war, daß ein terrorisirender Einfluß nie stattgefunden, namentlich nicht am 31., wo der Volksmenge ungeachtet die Stimmen so fielen, wie sie der Fraktionsbildung nach schon vorher zu erwarten waren, und gegen die muthmaßliche Ansicht dieser Volkshaufen, daß die Bewachung durch die Bürgerwehr vollkommen ausreichte, jede Insulte </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0803/0003]
* Köln, 24. November. _ * Köln, 25. Novbr. Gestern sind die Herren v. Gagern, v. Vincke und v. Radowitz (letzterer kann nicht garantirt werden) hier durchgereist, um sich nach Berlin zu begeben.
Wie uns aus zuverlässiger Quelle berichtet wird, hat sich ein Bataillon des 40. Regiments, das zu Mainz garnisonirt und nach Köln verschifft werden sollte, thätlich dem Befehle seiner Vorgesetzten widersetzt. Die näheren Umstände und Motive dieses Vorfalls können erst in der zweiten Ausgabe dieser Zeitung mitgetheilt werden.
15 Düsseldorf, 24. November. Herr Eichmann hat heute sechs der gesinnungstüchtigsten und gediegensten Räthe des hiesigen Regierungs-Kollegiums von ihrem Amte suspendirt, weil dieselben, ihrer Ueberzeugung getreu, bei einer Abstimmung sich für die National-Versammlung ausgesprochen haben. Der betreffende Erlaß traf diesen Mittag um 1 Uhr von Koblenz hier ein. Trotz des Belagerungszustandes ist die Aufregung über diesen neuen Gewaltstreich ungeheuer.
* Trier, 24. November. Die „Triersche Zeitung“ beginnt jetzt ihre Gelehrsamkeit auszuschütten, noch ehe die „freie deutsche Akademie“ zur Welt geboren ist. Ihre Gelehrsamkeit ist trotz des letzteren Umstandes bereits ziemlich frei. Sie zitirt die Namen römischer Klassiker, als wären sie ihr täglich Brodt: ihr Citat aber zeigt, daß die „freie“ Gelehrsamkeit sich mit der Lektüre dieser Klassiker niemals abgegeben. So passirt es ihr heute, daß sie „von Vater Cicero“ das „harmlose quos ego“ entlehnt, worüber sie von Virgil bei der „freien deutschen Akademie“ zur Verantwortung gezogen zu werden, ernstliche Gefahr lauft.
Die gute „Trier'sche“ ist so lange sie blos in's Grüne schwebelt und nebelt, langweilig. Kramt sie aber ihre Klassizität aus und hetzt die Schatten Cicero's und Virgil's zu einem Prozeß über geistiges Eigenthum an einander, so macht das Langweilige dem Lächerlichen Platz.
103 Berlin, 23. Nov. Wir vernehmen aus einer ganz zuverläßigen Quelle, daß die Regierung um jeden Preis entschlossen ist, die jetzige Nationalversammlung aufzulösen, und daß sie nur noch nach dem Vorwande sucht, der diese mit dem Märzversprechen im Widerspruch stehende ungesetzliche Maßregel beschönigen kann. Ihr Plan ist, die Mitglieder der jetzigen Versammlung zu mystificiren und vor dem Lande lächerlich zu machen. Beamte des Ministeriums des Innern suchen die Abgeordneten zu bewegen, am 27. nach Brandenburg zu gehen, und lassen durchblicken, daß dann das Ministerium Brandenburg abtreten und ein freisinniges Ministerium folgen würde. Lassen aber die Abgeordneten sich wirklich verleiten, am 27. in Brandenburg zu erscheinen, so wird ihnen die Auflösungsverordnung, oder, was dasselbe ist, die Vertagung auf unbestimmte Zeit vorgelesen. Die Regierung schwankt noch, ob sie im Fall des Nichterscheinens der 276 treugebliebenen Abgeordneten die Stellvertreter derselben einberufen, und mit diesem reaktionären Element verbunden, mit dem allgemein diskreditirten und vom ganzen Lande mit Katzenmusik und Mißtrauensvoten aufgenommenen Rumpfe der alten Rechte eine sehr schlechte, auf ganz aristokratischen Grundsätzen beruhende Verfassung fabriciren, oder ob sie gleich am 27. die Versammlung auflösen soll.
Vorgestern Abend hat bekanntlich eine Besprechung zwischen den Commissaren der Centralgewalt Simson und Hergenhahn und mehreren Abgeordneten aus den verschiedenen Fraktionen der hiesigen Nationalversammlung stattgefunden. Die Commissarien theilten mit, daß ihre Aufgabe zunächst sei, den Konflikt zwischen der Krone und der Nationalversammlung im Sinne der Beschlüsse der deutsch. Nat.-Vers. zu beseitigen, daß ihre Instruktion indessen auch dahin laute, für den Fall, daß jene Vermittlung nicht zu Stande komme, eine Entscheidung zu treffen.
Die Abgeordneten erklärten sich einstimmig dahin, daß sie mit der Ausführung der von der deutschen Nat.-Vers. am 14. d. M. gefaßten Beschlüsse einverstanden seien. (!!) Nach diesen Beschlüssen soll dahin gewirkt werden, daß die Regierung von der Verlegung der Nat.-Vers. abstehe, sobald durch geeignete Maßregeln die Freiheit der Berathung in Berlin sichergestellt sei, ferner daß die Krone ein volksthümliches Ministerium ernenne. Durch die ohne allen Widerstand erfolgte militärische Besetzung Berlins und durch die Entwaffnung sei ohne allen Zweifel jedem Angriff auf die Nat.-Vers. oder auf einzelne Mitglieder derselben vorgebeugt; auch fehle es nicht an Gesetzen, nach denen solche Angriffe bestraft werden könnten. Die Regierung befinde sich also jetzt vollkommen in der Lage für die Freiheit der Berathungen bürgen zu können, das in der kön. Botschaft vom 8. d. M. für die Verlegung nach Brandenburg angeführte Motiv sei jetzt gar nicht mehr vorhanden. Jetzt komme es allein noch darauf an, daß die Krone den andern Theil der Frankfurter Beschlüsse ausführe und ein volksthümliches Ministerium ernenne. Dadurch sei der Konflikt von selbst gehoben.
Die Commissarien gingen auf diese Erklärung nicht ein, sondern deuteten wiederholt darauf hin, die Versammlung solle sich zunächst nach Brandenburg begeben, um dort ein Gesetz, ähnlich dem Frankfurter, zum Schutze der Versammlung zu berathen und anzunehmen.
Diese Zumuthung wurde von den Abgeordneten einstimmig abgelehnt, unter wiederholter Hinweisung darauf, daß mehr als genügender Schutz für die Berathungen und Personen in Berlin vorhanden sei, also jeder Grund zur Verlegung nach Brandenburg fehle.
Auf die Frage, ob die Versammlung sich einer Entscheidung der Centralgewalt und der Frankfurter Versammlung fügen werde, antwortete ein Abgeordneter der Linken mit: Nein, die andern Fraktionen behielten sich ihren Beschluß vor.
Folgende Erklärung wird von den Präsidenten und mehr als 200 Mitglieder der hiesigen Nat.-Vers. unterschrieben an die deutsche Reichsversammlung in Frankfurt abgehen:
Hohe Versammlung!
Der Hr. Unterstaatssekretär Bassermann hat in der 118. Sitzung der deutschen Reichsversammlung über seine Sendung nach Berlin Bericht erstattet.
Wir verschmähen es, mit Hrn. Bassermann darüber zu rechten, wie und wo er seine Anschauungen von der Physiognomie der Stadt, von der Haltung der Bevölkerung, gegenüber den Gewaltstreichen der Regierung gewonnen hat.
Der 9. November ist schon der Geschichte anheimgefallen. Der Presse mag es überlassen sein, nachzuweisen, daß Hrn. Bassermanns Schilderung bis in die kleinsten Züge falsch ist. Wenn aber ein Beamter des Reichs über seine amtliche Thätigkeit die hohe Versammlung mit so folgenreichen Unwahrheiten zu hintergehen sucht, so wäre Schweigen ein Verrath an der heiligen Sache, für die wir im ehrlichen Kampfe stehen und fallen, die wir aber nicht meuchlings wollen morden lassen. Wir erklären daher unter Zustimmung aller unserer Kollegen:
„daß Hr. Bassermann, als Abgesandter der deutschen Centralgewalt, mit der preuß. Nat.-Vers., oder mit den zurückgebliebenen Abgeordneten, wie er sich auszudrücken beliebt, gar nicht unterhandelt, zu unterhandeln nicht einmal versucht hat.“
Seine ganze Thätigkeit in dieser Richtung hat sich, soviel wir durch die sorgfältigste Nachforschung haben ermitteln können, darauf beschränkt, daß er unter der ausdrücklichen Erklärung, er komme als Privatmann, dem Präsidenten v. Unruh einen Besuch gemacht, einen, nach der Ansicht des Hrn. v. Unruh unausführbaren Vorschlag geäußert, und daß er bei Gelegenheit eines Krankenbesuchs ein Mitglied des linken Centrums seine persönliche Meinung über die Bedingungen einer Transaktion hat aussprechen hören, ohne dieselbe richtig erfaßt zu haben. Daß die preußische Nat.-Vers. nur auf die von Hrn. Bassermann angegebenen Bedingungen mit der Krone unterhandeln wolle, ist eine Unwahrheit.
* Berlin, 21. November. Der Unterstaatssekretair und Reichskommissar Bassermann hat in der Sitzung der Frankfurter verfassungsgebenden Versammlung vom 18. d. über seine Mission in Berlin einen Bericht erstattet, welcher eher an einen leichtfertigen Pamphletschreiber oder bezahlten Parteischriftsteller erinnert, als der deutschen Gründlichkeit und Würde eines „Reichskommissars“ entsprechen mochte. Wir finden in diesem Bericht ein Gewebe theils rein erdichteter, theils entstellter Thatsachen, woran sich perfide Insinuationen und haltlose Schlußfolgen knüpfen.
Herr Bassermann hat den Zustand Berlins in den Kreis seiner Untersuchungen gezogen. Dies war an sich gewiß richtig, da eben dieser Zustand, wie bekannt, den Vorwand zu allen den Gewaltstreichen dargeboten hat, die nach einander gegen die National-Versammlung und gegen die Grundrechte des preußischen Volkes in Berlin ausgeübt worden sind. Allein wie ist diese Untersuchung angestellt? Was hat zunächst Herr Bassermann selbst wahrgenommen? Er findet die Stadt ruhig, aber auf den Straßen Gestalten, die ihn erschrecken. Wer so leicht erschrickt, sollte nicht in fremde Länder reisen, am wenigsten als deutscher Reichskommissar. Wir, die wir uns hier geraume Zeit aufhalten, wissen nichts von diesem Schreck, nichts von diesen abschreckenden Gestalten. Wir können der Bevölkerung von Berlin nur das Zeugniß geben, daß sie ihren alten Ruf der Gesittung und Gutmuthigkeit behauptet hat, und wahrlich, das ist in den letzten Tagen geschehen, trotz der unerträglichsten Aufstachelung durch die Gewaltmaßregeln von oben. Wir halten uns aber auch nicht berechtigt, Leuten die Straße zu verbieten, weil ihr Aeußeres uns nicht gefällt; wir sehen ferner nicht ein, wie Hrn. Bassermanns Schreck dadurch geringer werden kann, daß die Personen, welche ihn erregten, zu Hause bleiben. Herr Bassermann denke an die Gegenseitigkeit. Sein Erscheinen hat ohne Zweifel manchen Freund der gesetzlichen Freiheit erschreckt, aber Niemand schließt ihn darum von der öffentlichen Straße aus. — Wrangels Einzug soll sofort eine andere Straßenbevölkerung hergezaubert haben. Das hat Hr. Bassermann, so viel die ersten Tage betrifft, wohl nur allein bemerkt. Später konnten freilich nicht diejenigen auf den Straßen gehen, welche unter den geringfügigsten Vorwänden eingesperrt worden sind.
Haben sich jene dem Herrn Bassermann mißfällige Personen aber von den Straßen entfernt, so enthalten jetzt Schauspielhaus, Universitätsgebäude, königl. Schloß, Seehandlung, sogar das eben fertige prachtvolle neue Museum, die herrliche Rotunde des alten, eine Schaar von Bewohnern, die den Zwecken dieser Gebäude sehr fremd ist, Kinder des Volkes, welche dem Volke Schreck einjagen sollen, und dafür zur größten Unbequemlichkeit von allen äußeren Umgebungen abgesperrt und mit lugenhaften Druckschriften, wohin z. B. ein Aufruf, „Bürger, Bauern, Preußen!“ gehört, über die äußere Lage der Sache im Dunkel gelassen werden. — Solche Maßregeln, deren Lächerlichkeit mit dem Wahnsinn wetteifert, sollen dem Bürger ein Gefühl der Sicherheit gegeben haben, während jeder Verständige den Vulkan fühlt, auf den wir eben gerathen sind.
Nun erschrecken den Herrn Bassermann die Maueranschläge: „der Traum eines Republikaners mit Laternenpfahlen“ von dem Traum eines Reaktionärs, dem Seitenstücke dieses Plakats, sagt er nichts. Hätte er sich die Mühe genommen, sein Schreckbild anzusehen, so würde er eine humoristische Satyre gerade auf die Volksredner gefunden haben, die, wie er auch freilich allein weiß, das Volk mit Beilen und Messern versehen haben sollen. — Die Presse sei nicht frei, sondern terrorisirt gewesen. Von wem terrorisirt? Gewiß wohl von Leuten aus dem Volke, sonst würden die unverschämten Angriffe der „Neuen Preußischen Zeitung“ auf die ehrenwerthesten Deputirten und auf die National-Versammlung selbst unmöglich gewesen sein, sonst würden die Spenersche und Vossische Zeitung nicht ihre täglichen bezahlten Inserate haben liefern können, welche so oft zu den Maßregeln auffordern, worunter wir jetzt leiden. Oder war etwa die freimüthige National-Zeitung terrorisirt, von der Reform und Zeitungshalle zu schweigen? Völlige Straflosigkeit, meint der Herr Bassermann, herrsche in der Stadt, während gerade im Gegentheil die fortwährende Anwendung der alten, nicht mehr passenden Gesetze den Gegenstand fortdauernder Beschwerden ausmachte; während der Gang der Gerichte keinen Augenblick gestört gewesen ist.
Herr Bassermann berührt den Unfug, welcher am hiesigen Schauspielhause leider vorgekommen ist. Auch hier jedoch hat er sehr leichtfertig einseitigen Erzählungen Gehör gegeben, ohne im mindesten näher die Sache zu prüfen. Sonst würde er wissen, daß von einer Lebensgefahr der Deputirten nie die Rede gewesen, daß die sehr beklagenswerthen Insulten einzelner Deputirten nur sehr vereinzelt vorgekommen, daß sie nur wenigen Individuen zur Last fallen, daß der Exceß am 31. Oktober zunächst nur unzweckmäßiger Verwendung der Bürgerwehr zuzuschreiben war, daß ein terrorisirender Einfluß nie stattgefunden, namentlich nicht am 31., wo der Volksmenge ungeachtet die Stimmen so fielen, wie sie der Fraktionsbildung nach schon vorher zu erwarten waren, und gegen die muthmaßliche Ansicht dieser Volkshaufen, daß die Bewachung durch die Bürgerwehr vollkommen ausreichte, jede Insulte
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Weitere Informationen:Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.
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