Neue Rheinische Zeitung. Nr. 136. Köln, 7. November 1848.Neue Rheinische Zeitung Organ der Demokratie. No 136. Köln, Dienstag den 7. November. 1848. Uebersicht. Deutschland. Köln. (Sieg der Contre-Revolution zu Wien) Wien. (Wien. - Windisch-Grätz in Wien. - Der Reichstag prorogirt. - Das Ministerium. - Die Einnahme Wiens. - Proklamationen vom 29.-31. Okt) Prerau. (Berichte über die Einnahme Wiens, die Ungarn und das Hausen der Croaten). Gänserndorf. (Lage Wiens. - Die Croaten). Wien. (Bekanntmachung von Ramberg für die Leopoldstadt). Ratibor. (Die "N. Pr. Ztg." über die Einnahme Wiens). Brünn. (Unruhen). Olmütz (Protest der böhmischen Deputation. - Zwei telegraphische Depeschen von Ramberg). Berlin. (National-Versammlung. - Jacoby. - Rodbertus-Berg. - Weggelaufene Deputirte. - Adresse des demokratischen Clubs an Jacoby. - Ausbruchversuch der Gefangenen im Arbeitshause). Aus Oberschlesien. (Ein Hirtenbrief des Grafen Limburg-Stirum). Posen. (Unterschriftensammeln für die deusche Adresse). Wronke. (Adesse). Polen. Von der galizischen Gränze. (Der Czar an die Ungarn. - Zu Warschau veröffentlichte Urtheile). Ungarn. Pesth (Die Raizen. - Siebenbürgen. - Ein Schreiben Ferdinands). Preßburg. (Kossuths Zuschrift an Windisch-Grätz). Italien. (Der Aufstand im Veltlin unterdrückt. - Garibaldi. - Unruhen im Ghetto zu Rom). Schweiz. Lugano. (Scharmützel zwischen lombardischen Flüchtlingen und Oesterreicher in Coro). Bern (Konferenz in Freiburg). Französische Republik. Paris. (Nationalversammlung vom 3. Nov. - Nachrichten vom 3. Nov. - Nationalversammlung vom 4. Nov. - Neuigkeiten vom 4. Nov.) Großbritanien. London. (Die Conservativen. - Zunahme der Armenunterstützung. - Handelsnachrichten aus Manchester. - Die Bank von England. - Statistik der Unterhausverhandlungen. Frankfurt. (Bericht der Commission über Oesterreich.) Deutschland. * Köln, 6. Nov. Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden. Wien, 2. Nov. Ich höre so eben, daß heute zum ersten Male nach 14 Tagen Posten angekommen sind, und daß auch wir wieder durch die Gnade des Fürsten Windischgrätz für die Außenwelt existiren dürfen. Also vor Postabgang nur wenige Zeilen. Fürst Windischgrätz hat, nachdem der gestrige Tag bloß den Verhaftungen gewidmet war (man spricht von mehreren Hunderten), endlich eine Proklamation erlassen, in welcher er die früheren Bedingungen als durch den Bruch der Kapitulation für vernichtet erklärt und daher neue anordnet: im Wesentlichen Auflösung der Legion für immer, der Nationalgarde für unbestimmt; Suspendirung aller Blätter und Vereine; mehr als 10 Menschen dürfen nicht beisammen stehen, die strengsten Untersuchungen sind wegen Waffen und Individuen, die den Zweck ihres Hierseins nicht nachweisen können, angeordnet. - Der Reichstag hat sich auf 14 Tage prorogirt. Die Deutschen wollen hier zusammenkommen, aber Jeder fühlt und weiß es, daß der Reichstag jetzt nicht hier bestehen darf. Windischgrätz erklärt den hiesigen Reichstag für eine Partei und weist auf jenen, der in Kremsier zusammenkommen wird, als auf den einzig legalen hin. Gestern hatten sich die Deputirten versammelt. Fürst Felix Schwarzenberg ritt vorbei, ließ die Thüre zuschlagen und alle Eingänge zu den Tribünen militärisch besetzen, sie mußten eine geheime Sitzung halten. - Das Ministerium soll gebildet sein: Wessenberg, Präsident ohne Portefeuille; F. Schwarzenberg, Aeußeres; Bach, Inneres; Buchner, Krieg; Helfert, Unterricht; Bruck, Handel. Der Zustand der Stadt ist der schrecklichste; das Spioniersystem in voller Blüthe; die unbedeutendsten Leute werden auf der Straße gefangen. Die Stadtthore noch immer gesperrt, jede Kommunikation mit den Vorstädten aufgehoben. (B. Z. H.)Wir knüpfen an diese Nachrichten folgende der Breslauer Ztg. entnommenen Mittheilungen: Am 1. November Mittags gegen 11 Uhr ist Wien von den kaiserlichen Truppen vollständig besetzt worden. Am 30. v. M. hatte die Uebergabe der Stadt bereits begonnen, indem einzelne Korps die Abgabe der Waffen angefangen hatten. Als (wie wir berichtet haben) die Ankunft der Ungarn vom Stephansthurm signalisirt wurde, entbrannte der Kampf von Neuem, obschon früher bereits der Gemeinde-Ausschuß unter der Bedingung der Waffenniederlegung dem Proletariat den Unterhalt bis nach Herstellung geordneter Zustände versprochen, und Messenhauser dem Gemeinde-Ausschusse bereits zuvor erklärt hatte, daß er unter solchen Umständen von der Vertheidigung der Stadt abstehen wolle. Die Entwaffnung hatte in der Leopoldstadt begonnen und weiße Fahnen hingen aus; diese vertauschte man mit rothen und begann wiederum ein heftiges Feuer in der Wieden, in Mariahilf und dem Schottenfelde. Am Nachmittage dieses Tages, so wie am 31. Morgens blieb es still. Gegen 9 Uhr früh am 31. machte Windischgrätz mittelst Plakat bekannt, daß die Ungarn 21.000 Mann stark bei Schwechat geschlagen seien und daß Fürst Lichtenstein mit 10,500 Mann ihnen nachsetze. Um 12 Uhr an diesem Tage fielen neuerdings Schüsse von der (rothen) Bastei, dem Lamm gegenüber. Der Kampf hatte indeß nur die Natur einer Plänkelei angenommen. Das Lamm und das Stierbeck'sche Kaffeehaus lagen voll kaiserlicher Jäger, welche auf die Bedienung der städtischen Batterien geschossen. Um 3 Uhr begann eine furchtbare Kanonade, besonders in Mariahilf und dem Schottenfeld. Sie hörte auf, als es hieß, die Linie sei genommen. Nunmehr eilten die Garden gegen 4 Uhr auf die Basteien zur Vertheidigung, worauf es bis 6 Uhr still blieb. Da gerieth die kaiserliche Burg in Brand, ohne daß der Entstehungsgrund des Feuers bekannt geworden ist. Das fürstlich Kolowrat'sche Haus und die Kapuzinerkirche ist durch Bomben zerstört. Neun Kompagnien Nationalgarde löschten das Feuer in der Burg. Gegen 1 Uhr Nachts wurde das Burgthor mit einigen Schüssen aus Vierundzwanzigpfündern gesprengt und die Truppen rückten in die Stadt, ohne daß ein großes Gefecht stattgefunden hätte. Die Kroaten standen auf dem Graben. Da man in der Leopoldstadt nichts von dieser Besetzung der Stadt erfahren hatte, erwartete man den Wiederbeginn des Kampfes in der Wieden. Allein zwischen 10 und 11 Uhr rückten die Truppen in großen Massen ein, ohne daß eine weitere Vertheidigung stattgefunden hätte. Das Gerücht, als wolle die Legion mit 10,000 Mann die Universität auch dann noch vertheidigen, bestätigte sich nicht. General Bem soll gefangen sein. Schließlich noch einige Proklamationen vom 29sten bis 31. Oktober: 1. Mitbürger! Ich habe die Vertrauensmänner der Kompagnieen versammelt gehabt, ich habe mit ihnen gesprochen, ob ein Verzweiflungskampf stattfinden solle, oder die Unterwerfung unter die nun einmal nicht zu leugnende Uebermacht des Gegners. Der Verzweiflungskampf, um es mit der nackten Wahrheit des Soldaten zu sagen, hieße so viel, als die Blüte der Bevölkerung unter den gegenwärtigen Verhaltnissen auf die Schlachtbank fuhren. Jetzt, da es kein diplomatisches Geheimniß mehr ist, das ich mit bekümmertem Herzen in meiner Brust zu verschließen hatte, kann ich unsere Schwäche offen darlegen, nämlich: mit der angestrengtesten Thätigkeit, mit der Schwendung von Geldmitteln haben wir nur so viel Munition erzeugen önnen, daß für vier Stunden allgemeiner Vertheidigung Vorrath mehr da st. - Unter solchen Verhaltnissen kann man es auf keinen Sturm ankommen lassen. Die Verantwortung vor Gott und Menschen wäre zu unerläßlich, ich kann sie nicht auf mein Gewissen nehmen - Mitbürger! Vertrauet mir, als ehrlicher Mann habe ich nur den Verhältnissen gemäß gestimmt. - Es wird jetzt meine Angelegenheit sein, mit männlicher Offenheit mich an den Herrn Feldmarschall zu wenden und ihm beim Abschlusse der Convention den vollen Inhalt der Verheißungen Sr. Majestät zu Gemüth zu führen. Wien, 29. Oktbr. 1848. Messenhauser, provisorischer Ober-Commandant. II. Der heutige Tag ist wieder in Aufregung vollbracht worden. - Man hat das anrückende Heer der Ungarn fechtend gesehen: es ist aber leider für das Schicksal der Stadt zu spät gekommen. Die Ungarn fochten heute, wie man jetzt gewiß weiß, bei Schwadorf. Sie sollen nicht gesiegt haben. Wenigstens hat man von 3 Uhr an von einer Fortsetzung des Kampfes nichts sehen können! - Mitbürger! Ihr habt heute wieder gezeigt, daß Ihr kampfbereit für Ehre und Freiheit dasteht, wenn auf irgend eine sichere Aussicht auf Sieg und Erfolg zu rechnen ist. - Ich bin es mir schuldig zu erklären, daß unsere Lage am Abende die alte ist. Der Feldmarschall hat erklärt, daß, wenn bis heute Abend 8 Uhr die Unterwerfung nicht angezeigt ist, er die noch nicht besetzten Vorstädte mit aller Energie angreifen und nöhigenfalls in einen Schutthaufen verwandeln würde. - Diese Kundmachung ist alsogleich zu verlautbaren, und die Bezirke haben mir in der kürzesten Zeitfrist den Entschluß der Garden schriftlich mitzutheilen, nämlich: ob sie die Waffen strecken wollen oder nicht. Wien, am 30. Oktober 1848, 8 Uhr Abends. Messenhauser, provisorischer Ober-Commandant. III. Das unterzeichnete Ober-Commando der Wiener Nationalgarde protestirt hiermit feierlichst gegen jede Zumuthung, als seien die am 31. Oktober Nachmittags von Seiten einzelner mobiler Corps gegen die kaiserlichen Truppen begonnenen Feindseligkeiten auf seinen Befehl geschehen. Es fordert den loblichen Gemeinderath auf, ihm zu bezeugen, daß es im Gegentheil seit früh Morgens fortwährend mit der Entwaffnung der Garden beschäftigt, mehrere Geschützpiecen mit Lebensgefahr der Betheiligten von den Basteien schaffen und sich die Herstellung des Friedens und der Ruhe mit aller möglichen Energie angelegen sein ließ. Es erklärt sich daher nochmals entschieden gegen jede Anschuldigung, als hätte es einen Capitulationsbruch begünstigt oder gar anbefohlen. Wien, am 31. Oktober 1848. Fenneberg, Stellvertreter. Messenhauser, provisorischer Ober-Commandant. IV. Mitbürger! Der Gemeinderath der Stadt Wien hat von jenem Zeitpunkte an, als der hohe Reichstagsausschuß demselben aufgetragen hatte, in Vereinigung mit dem Nationalgarde-Ober-Commando die Stadt in Vertheidigungszustand zu setzen, alle strategischen Maßregeln dem Ober-Commando überlassen, ohne dasselbe in irgend einer Weise hierin zu beirren, vielmehr dasselbe auf jede ihm zustehende Weise auf das kräftigste unterstützt und in Allem dem Wunsche seiner Mitbürger zu entsprechen gesucht. - Bereits am 26sten Abends wurden die Vertreter der gesammten Volkswehr um ihre Ansicht über die Lage der Stadt befragt und neuerlich am 29sten Abends der Ober-Commandant eingeladen, sich nach dem Kampfe des 28sten über die Lage der Stadt zu erklären. - Nachdem derselbe erklärt hatte, nur eine oder zwei Stunden die innere Stadt mehr halten zu können, nachdem sich die Vertrauensmänner der sämmtlichen Volkswehr für den Frieden ausgesprochen hatten, die Vorsteher des Handelsstandes und mehrerer Innungen ebenfalls auf Uebergabe der Stadt drangen, hiermit alle hierzu berufenen Vertheidiger der Stadt und der größte Theil des Bürgerstandes selbst seinen Willen ausgesprochen hatte und die Stadt von Fürst Windischgrätz mit einer Beschießung bedroht war, war der Gemeinderath verpflichtet, diesen deutlich und klar ausgesprochenen Willen seiner Mitbürger zu erfüllen, und so wie er mit ihnen die herbe Wunde fühlt, welche durch zeitweilige Aufhebung der constitutionellen Zustände der Freiheit geschlagen wird, war er doch auch noch bedacht, seinen Mitbürgern wenigstens materiell den Uebergang in diese Periode zu erleichtern. Sogleich begab sich eine Deputation von Gemeinderäthen und Abgeordneten der gesammten Volkswehr zu Herrn Fürsten Windischgrätz, um demselben die auf diese Weise ausgesprochene Unterwerfung der Stadt kundzugeben, welche derselbe auch annahm, so daß die Capitulation als geschlossen anzusehen war. - Nun hat der Herr Fürst einer am Morgen des 30sten bei ihm eingetroffenen Deputation nachstehende neuerliche Bedingungen mitgetheilt, welche die Art der Entwaffnung betreffen: Die Proklamation Sr. Durchlaucht des Herrn Feldmarschalls Fürsten v. Windischgrätz vom 23. Oktober 1848 und die zum Punkte 3 derselben an den Gemeinderath erlassene Erläuterung vom 26. Oktbr. 1848 bleiben in ihrer vollen Wirksamkeit, sind von der Stadt vollständig durchzuführen, und es werden denselben nachstehende Bestimmungen beigefügt: 1) Auf dem St. Stephans-Thurme ist vor Allem eine große Kaiserlich österreichische Fahne aufzuziehen, und bei allen Linienthoren sind weiße Fahnen, zum Zeichen der friedlichen Unterwerfung, auszustecken. 2) Der Feldzeugmeister, Baron Recsey und alle in Gewahrsam gehaltenen Militärs und Beamten sind in allen Ehren nach Hetzendorf zu geleiten. 3) Rücksicht ich der bezirksweisen Entwaffnung sind die Kanonen aus der Stadt und demjenigen Theile der Vorstädte, welche vom Kärnthner-Thore und der Hauptstraße Wieden auf der Straße zur Spinnerin am Kreuz links liegen, in die Rennweger Artillerie-Kaserne, jene, welche von dieser Straße rechts Neue Rheinische Zeitung Organ der Demokratie. No 136. Köln, Dienstag den 7. November. 1848. Uebersicht. Deutschland. Köln. (Sieg der Contre-Revolution zu Wien) Wien. (Wien. ‒ Windisch-Grätz in Wien. ‒ Der Reichstag prorogirt. ‒ Das Ministerium. ‒ Die Einnahme Wiens. ‒ Proklamationen vom 29.-31. Okt) Prerau. (Berichte über die Einnahme Wiens, die Ungarn und das Hausen der Croaten). Gänserndorf. (Lage Wiens. ‒ Die Croaten). Wien. (Bekanntmachung von Ramberg für die Leopoldstadt). Ratibor. (Die „N. Pr. Ztg.“ über die Einnahme Wiens). Brünn. (Unruhen). Olmütz (Protest der böhmischen Deputation. ‒ Zwei telegraphische Depeschen von Ramberg). Berlin. (National-Versammlung. ‒ Jacoby. ‒ Rodbertus-Berg. ‒ Weggelaufene Deputirte. ‒ Adresse des demokratischen Clubs an Jacoby. ‒ Ausbruchversuch der Gefangenen im Arbeitshause). Aus Oberschlesien. (Ein Hirtenbrief des Grafen Limburg-Stirum). Posen. (Unterschriftensammeln für die deusche Adresse). Wronke. (Adesse). Polen. Von der galizischen Gränze. (Der Czar an die Ungarn. ‒ Zu Warschau veröffentlichte Urtheile). Ungarn. Pesth (Die Raizen. ‒ Siebenbürgen. ‒ Ein Schreiben Ferdinands). Preßburg. (Kossuths Zuschrift an Windisch-Grätz). Italien. (Der Aufstand im Veltlin unterdrückt. ‒ Garibaldi. ‒ Unruhen im Ghetto zu Rom). Schweiz. Lugano. (Scharmützel zwischen lombardischen Flüchtlingen und Oesterreicher in Coro). Bern (Konferenz in Freiburg). Französische Republik. Paris. (Nationalversammlung vom 3. Nov. ‒ Nachrichten vom 3. Nov. ‒ Nationalversammlung vom 4. Nov. ‒ Neuigkeiten vom 4. Nov.) Großbritanien. London. (Die Conservativen. ‒ Zunahme der Armenunterstützung. ‒ Handelsnachrichten aus Manchester. ‒ Die Bank von England. ‒ Statistik der Unterhausverhandlungen. Frankfurt. (Bericht der Commission über Oesterreich.) Deutschland. * Köln, 6. Nov. Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden. Wien, 2. Nov. Ich höre so eben, daß heute zum ersten Male nach 14 Tagen Posten angekommen sind, und daß auch wir wieder durch die Gnade des Fürsten Windischgrätz für die Außenwelt existiren dürfen. Also vor Postabgang nur wenige Zeilen. Fürst Windischgrätz hat, nachdem der gestrige Tag bloß den Verhaftungen gewidmet war (man spricht von mehreren Hunderten), endlich eine Proklamation erlassen, in welcher er die früheren Bedingungen als durch den Bruch der Kapitulation für vernichtet erklärt und daher neue anordnet: im Wesentlichen Auflösung der Legion für immer, der Nationalgarde für unbestimmt; Suspendirung aller Blätter und Vereine; mehr als 10 Menschen dürfen nicht beisammen stehen, die strengsten Untersuchungen sind wegen Waffen und Individuen, die den Zweck ihres Hierseins nicht nachweisen können, angeordnet. ‒ Der Reichstag hat sich auf 14 Tage prorogirt. Die Deutschen wollen hier zusammenkommen, aber Jeder fühlt und weiß es, daß der Reichstag jetzt nicht hier bestehen darf. Windischgrätz erklärt den hiesigen Reichstag für eine Partei und weist auf jenen, der in Kremsier zusammenkommen wird, als auf den einzig legalen hin. Gestern hatten sich die Deputirten versammelt. Fürst Felix Schwarzenberg ritt vorbei, ließ die Thüre zuschlagen und alle Eingänge zu den Tribünen militärisch besetzen, sie mußten eine geheime Sitzung halten. ‒ Das Ministerium soll gebildet sein: Wessenberg, Präsident ohne Portefeuille; F. Schwarzenberg, Aeußeres; Bach, Inneres; Buchner, Krieg; Helfert, Unterricht; Bruck, Handel. Der Zustand der Stadt ist der schrecklichste; das Spioniersystem in voller Blüthe; die unbedeutendsten Leute werden auf der Straße gefangen. Die Stadtthore noch immer gesperrt, jede Kommunikation mit den Vorstädten aufgehoben. (B. Z. H.)Wir knüpfen an diese Nachrichten folgende der Breslauer Ztg. entnommenen Mittheilungen: Am 1. November Mittags gegen 11 Uhr ist Wien von den kaiserlichen Truppen vollständig besetzt worden. Am 30. v. M. hatte die Uebergabe der Stadt bereits begonnen, indem einzelne Korps die Abgabe der Waffen angefangen hatten. Als (wie wir berichtet haben) die Ankunft der Ungarn vom Stephansthurm signalisirt wurde, entbrannte der Kampf von Neuem, obschon früher bereits der Gemeinde-Ausschuß unter der Bedingung der Waffenniederlegung dem Proletariat den Unterhalt bis nach Herstellung geordneter Zustände versprochen, und Messenhauser dem Gemeinde-Ausschusse bereits zuvor erklärt hatte, daß er unter solchen Umständen von der Vertheidigung der Stadt abstehen wolle. Die Entwaffnung hatte in der Leopoldstadt begonnen und weiße Fahnen hingen aus; diese vertauschte man mit rothen und begann wiederum ein heftiges Feuer in der Wieden, in Mariahilf und dem Schottenfelde. Am Nachmittage dieses Tages, so wie am 31. Morgens blieb es still. Gegen 9 Uhr früh am 31. machte Windischgrätz mittelst Plakat bekannt, daß die Ungarn 21.000 Mann stark bei Schwechat geschlagen seien und daß Fürst Lichtenstein mit 10,500 Mann ihnen nachsetze. Um 12 Uhr an diesem Tage fielen neuerdings Schüsse von der (rothen) Bastei, dem Lamm gegenüber. Der Kampf hatte indeß nur die Natur einer Plänkelei angenommen. Das Lamm und das Stierbeck'sche Kaffeehaus lagen voll kaiserlicher Jäger, welche auf die Bedienung der städtischen Batterien geschossen. Um 3 Uhr begann eine furchtbare Kanonade, besonders in Mariahilf und dem Schottenfeld. Sie hörte auf, als es hieß, die Linie sei genommen. Nunmehr eilten die Garden gegen 4 Uhr auf die Basteien zur Vertheidigung, worauf es bis 6 Uhr still blieb. Da gerieth die kaiserliche Burg in Brand, ohne daß der Entstehungsgrund des Feuers bekannt geworden ist. Das fürstlich Kolowrat'sche Haus und die Kapuzinerkirche ist durch Bomben zerstört. Neun Kompagnien Nationalgarde löschten das Feuer in der Burg. Gegen 1 Uhr Nachts wurde das Burgthor mit einigen Schüssen aus Vierundzwanzigpfündern gesprengt und die Truppen rückten in die Stadt, ohne daß ein großes Gefecht stattgefunden hätte. Die Kroaten standen auf dem Graben. Da man in der Leopoldstadt nichts von dieser Besetzung der Stadt erfahren hatte, erwartete man den Wiederbeginn des Kampfes in der Wieden. Allein zwischen 10 und 11 Uhr rückten die Truppen in großen Massen ein, ohne daß eine weitere Vertheidigung stattgefunden hätte. Das Gerücht, als wolle die Legion mit 10,000 Mann die Universität auch dann noch vertheidigen, bestätigte sich nicht. General Bem soll gefangen sein. Schließlich noch einige Proklamationen vom 29sten bis 31. Oktober: 1. Mitbürger! Ich habe die Vertrauensmänner der Kompagnieen versammelt gehabt, ich habe mit ihnen gesprochen, ob ein Verzweiflungskampf stattfinden solle, oder die Unterwerfung unter die nun einmal nicht zu leugnende Uebermacht des Gegners. Der Verzweiflungskampf, um es mit der nackten Wahrheit des Soldaten zu sagen, hieße so viel, als die Blüte der Bevölkerung unter den gegenwärtigen Verhaltnissen auf die Schlachtbank fuhren. Jetzt, da es kein diplomatisches Geheimniß mehr ist, das ich mit bekümmertem Herzen in meiner Brust zu verschließen hatte, kann ich unsere Schwäche offen darlegen, nämlich: mit der angestrengtesten Thätigkeit, mit der Schwendung von Geldmitteln haben wir nur so viel Munition erzeugen önnen, daß für vier Stunden allgemeiner Vertheidigung Vorrath mehr da st. ‒ Unter solchen Verhaltnissen kann man es auf keinen Sturm ankommen lassen. Die Verantwortung vor Gott und Menschen wäre zu unerläßlich, ich kann sie nicht auf mein Gewissen nehmen ‒ Mitbürger! Vertrauet mir, als ehrlicher Mann habe ich nur den Verhältnissen gemäß gestimmt. ‒ Es wird jetzt meine Angelegenheit sein, mit männlicher Offenheit mich an den Herrn Feldmarschall zu wenden und ihm beim Abschlusse der Convention den vollen Inhalt der Verheißungen Sr. Majestät zu Gemüth zu führen. Wien, 29. Oktbr. 1848. Messenhauser, provisorischer Ober-Commandant. II. Der heutige Tag ist wieder in Aufregung vollbracht worden. ‒ Man hat das anrückende Heer der Ungarn fechtend gesehen: es ist aber leider für das Schicksal der Stadt zu spät gekommen. Die Ungarn fochten heute, wie man jetzt gewiß weiß, bei Schwadorf. Sie sollen nicht gesiegt haben. Wenigstens hat man von 3 Uhr an von einer Fortsetzung des Kampfes nichts sehen können! ‒ Mitbürger! Ihr habt heute wieder gezeigt, daß Ihr kampfbereit für Ehre und Freiheit dasteht, wenn auf irgend eine sichere Aussicht auf Sieg und Erfolg zu rechnen ist. ‒ Ich bin es mir schuldig zu erklären, daß unsere Lage am Abende die alte ist. Der Feldmarschall hat erklärt, daß, wenn bis heute Abend 8 Uhr die Unterwerfung nicht angezeigt ist, er die noch nicht besetzten Vorstädte mit aller Energie angreifen und nöhigenfalls in einen Schutthaufen verwandeln würde. ‒ Diese Kundmachung ist alsogleich zu verlautbaren, und die Bezirke haben mir in der kürzesten Zeitfrist den Entschluß der Garden schriftlich mitzutheilen, nämlich: ob sie die Waffen strecken wollen oder nicht. Wien, am 30. Oktober 1848, 8 Uhr Abends. Messenhauser, provisorischer Ober-Commandant. III. Das unterzeichnete Ober-Commando der Wiener Nationalgarde protestirt hiermit feierlichst gegen jede Zumuthung, als seien die am 31. Oktober Nachmittags von Seiten einzelner mobiler Corps gegen die kaiserlichen Truppen begonnenen Feindseligkeiten auf seinen Befehl geschehen. Es fordert den loblichen Gemeinderath auf, ihm zu bezeugen, daß es im Gegentheil seit früh Morgens fortwährend mit der Entwaffnung der Garden beschäftigt, mehrere Geschützpiecen mit Lebensgefahr der Betheiligten von den Basteien schaffen und sich die Herstellung des Friedens und der Ruhe mit aller möglichen Energie angelegen sein ließ. Es erklärt sich daher nochmals entschieden gegen jede Anschuldigung, als hätte es einen Capitulationsbruch begünstigt oder gar anbefohlen. Wien, am 31. Oktober 1848. Fenneberg, Stellvertreter. Messenhauser, provisorischer Ober-Commandant. IV. Mitbürger! Der Gemeinderath der Stadt Wien hat von jenem Zeitpunkte an, als der hohe Reichstagsausschuß demselben aufgetragen hatte, in Vereinigung mit dem Nationalgarde-Ober-Commando die Stadt in Vertheidigungszustand zu setzen, alle strategischen Maßregeln dem Ober-Commando überlassen, ohne dasselbe in irgend einer Weise hierin zu beirren, vielmehr dasselbe auf jede ihm zustehende Weise auf das kräftigste unterstützt und in Allem dem Wunsche seiner Mitbürger zu entsprechen gesucht. ‒ Bereits am 26sten Abends wurden die Vertreter der gesammten Volkswehr um ihre Ansicht über die Lage der Stadt befragt und neuerlich am 29sten Abends der Ober-Commandant eingeladen, sich nach dem Kampfe des 28sten über die Lage der Stadt zu erklären. ‒ Nachdem derselbe erklärt hatte, nur eine oder zwei Stunden die innere Stadt mehr halten zu können, nachdem sich die Vertrauensmänner der sämmtlichen Volkswehr für den Frieden ausgesprochen hatten, die Vorsteher des Handelsstandes und mehrerer Innungen ebenfalls auf Uebergabe der Stadt drangen, hiermit alle hierzu berufenen Vertheidiger der Stadt und der größte Theil des Bürgerstandes selbst seinen Willen ausgesprochen hatte und die Stadt von Fürst Windischgrätz mit einer Beschießung bedroht war, war der Gemeinderath verpflichtet, diesen deutlich und klar ausgesprochenen Willen seiner Mitbürger zu erfüllen, und so wie er mit ihnen die herbe Wunde fühlt, welche durch zeitweilige Aufhebung der constitutionellen Zustände der Freiheit geschlagen wird, war er doch auch noch bedacht, seinen Mitbürgern wenigstens materiell den Uebergang in diese Periode zu erleichtern. Sogleich begab sich eine Deputation von Gemeinderäthen und Abgeordneten der gesammten Volkswehr zu Herrn Fürsten Windischgrätz, um demselben die auf diese Weise ausgesprochene Unterwerfung der Stadt kundzugeben, welche derselbe auch annahm, so daß die Capitulation als geschlossen anzusehen war. ‒ Nun hat der Herr Fürst einer am Morgen des 30sten bei ihm eingetroffenen Deputation nachstehende neuerliche Bedingungen mitgetheilt, welche die Art der Entwaffnung betreffen: Die Proklamation Sr. Durchlaucht des Herrn Feldmarschalls Fürsten v. Windischgrätz vom 23. Oktober 1848 und die zum Punkte 3 derselben an den Gemeinderath erlassene Erläuterung vom 26. Oktbr. 1848 bleiben in ihrer vollen Wirksamkeit, sind von der Stadt vollständig durchzuführen, und es werden denselben nachstehende Bestimmungen beigefügt: 1) Auf dem St. Stephans-Thurme ist vor Allem eine große Kaiserlich österreichische Fahne aufzuziehen, und bei allen Linienthoren sind weiße Fahnen, zum Zeichen der friedlichen Unterwerfung, auszustecken. 2) Der Feldzeugmeister, Baron Recsey und alle in Gewahrsam gehaltenen Militärs und Beamten sind in allen Ehren nach Hetzendorf zu geleiten. 3) Rücksicht ich der bezirksweisen Entwaffnung sind die Kanonen aus der Stadt und demjenigen Theile der Vorstädte, welche vom Kärnthner-Thore und der Hauptstraße Wieden auf der Straße zur Spinnerin am Kreuz links liegen, in die Rennweger Artillerie-Kaserne, jene, welche von dieser Straße rechts <TEI> <text> <pb facs="#f0001" n="0691"/> <front> <titlePage type="heading"> <titlePart type="main">Neue Rheinische Zeitung</titlePart> <titlePart type="sub">Organ der Demokratie.</titlePart> <docImprint> <docDate>No 136. 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Fürst Felix Schwarzenberg ritt vorbei, ließ die Thüre zuschlagen und alle Eingänge zu den Tribünen militärisch besetzen, sie mußten eine geheime Sitzung halten. ‒ Das Ministerium soll gebildet sein: Wessenberg, Präsident ohne Portefeuille; F. Schwarzenberg, Aeußeres; Bach, Inneres; Buchner, Krieg; Helfert, Unterricht; Bruck, Handel. Der Zustand der Stadt ist der schrecklichste; das Spioniersystem in voller Blüthe; die unbedeutendsten Leute werden auf der Straße gefangen. Die Stadtthore noch immer gesperrt, jede Kommunikation mit den Vorstädten aufgehoben.</p> <bibl>(B. Z. H.)</bibl> <p>Wir knüpfen an diese Nachrichten folgende der Breslauer Ztg. entnommenen Mittheilungen:</p> <p>Am 1. November Mittags gegen 11 Uhr ist Wien von den kaiserlichen Truppen vollständig besetzt worden. Am 30. v. M. hatte die Uebergabe der Stadt bereits begonnen, indem einzelne Korps die Abgabe der Waffen angefangen hatten. Als (wie wir berichtet haben) die Ankunft der Ungarn vom Stephansthurm signalisirt wurde, entbrannte der Kampf von Neuem, obschon früher bereits der Gemeinde-Ausschuß unter der Bedingung der Waffenniederlegung dem Proletariat den Unterhalt bis nach Herstellung geordneter Zustände versprochen, und Messenhauser dem Gemeinde-Ausschusse bereits zuvor erklärt hatte, daß er unter solchen Umständen von der Vertheidigung der Stadt abstehen wolle. Die Entwaffnung hatte in der Leopoldstadt begonnen und weiße Fahnen hingen aus; diese vertauschte man mit rothen und begann wiederum ein heftiges Feuer in der Wieden, in Mariahilf und dem Schottenfelde. Am Nachmittage dieses Tages, so wie am 31. Morgens blieb es still. Gegen 9 Uhr früh am 31. machte Windischgrätz mittelst Plakat bekannt, daß die Ungarn 21.000 Mann stark bei Schwechat geschlagen seien und daß Fürst Lichtenstein mit 10,500 Mann ihnen nachsetze. Um 12 Uhr an diesem Tage fielen neuerdings Schüsse von der (rothen) Bastei, dem Lamm gegenüber. Der Kampf hatte indeß nur die Natur einer Plänkelei angenommen. Das Lamm und das Stierbeck'sche Kaffeehaus lagen voll kaiserlicher Jäger, welche auf die Bedienung der städtischen Batterien geschossen. Um 3 Uhr begann eine furchtbare Kanonade, besonders in Mariahilf und dem Schottenfeld. Sie hörte auf, als es hieß, die Linie sei genommen. Nunmehr eilten die Garden gegen 4 Uhr auf die Basteien zur Vertheidigung, worauf es bis 6 Uhr still blieb. Da gerieth die kaiserliche Burg in Brand, ohne daß der Entstehungsgrund des Feuers bekannt geworden ist. Das fürstlich Kolowrat'sche Haus und die Kapuzinerkirche ist durch Bomben zerstört.</p> <p>Neun Kompagnien Nationalgarde löschten das Feuer in der Burg. Gegen 1 Uhr Nachts wurde das Burgthor mit einigen Schüssen aus Vierundzwanzigpfündern gesprengt und die Truppen rückten in die Stadt, ohne daß ein großes Gefecht stattgefunden hätte. Die Kroaten standen auf dem Graben. Da man in der Leopoldstadt nichts von dieser Besetzung der Stadt erfahren hatte, erwartete man den Wiederbeginn des Kampfes in der Wieden. Allein zwischen 10 und 11 Uhr rückten die Truppen in großen Massen ein, ohne daß eine weitere Vertheidigung stattgefunden hätte. Das Gerücht, als wolle die Legion mit 10,000 Mann die Universität auch dann noch vertheidigen, bestätigte sich nicht. General Bem soll gefangen sein.</p> <p>Schließlich noch einige Proklamationen vom 29sten bis 31. Oktober:</p> <p>1. <hi rendition="#g">Mitbürger!</hi> Ich habe die Vertrauensmänner der Kompagnieen versammelt gehabt, ich habe mit ihnen gesprochen, ob ein Verzweiflungskampf stattfinden solle, oder die Unterwerfung unter die nun einmal nicht zu leugnende Uebermacht des Gegners. Der Verzweiflungskampf, um es mit der nackten Wahrheit des Soldaten zu sagen, hieße so viel, als die Blüte der Bevölkerung unter den gegenwärtigen Verhaltnissen auf die Schlachtbank fuhren. Jetzt, da es kein diplomatisches Geheimniß mehr ist, das ich mit bekümmertem Herzen in meiner Brust zu verschließen hatte, kann ich unsere Schwäche offen darlegen, nämlich: mit der angestrengtesten Thätigkeit, mit der Schwendung von Geldmitteln haben wir nur so viel Munition erzeugen önnen, daß für vier Stunden allgemeiner Vertheidigung Vorrath mehr da st. ‒ Unter solchen Verhaltnissen kann man es auf keinen Sturm ankommen lassen. Die Verantwortung vor Gott und Menschen wäre zu unerläßlich, ich kann sie nicht auf mein Gewissen nehmen ‒ Mitbürger! Vertrauet mir, als ehrlicher Mann habe ich nur den Verhältnissen gemäß gestimmt. ‒ Es wird jetzt meine Angelegenheit sein, mit männlicher Offenheit mich an den Herrn Feldmarschall zu wenden und ihm beim Abschlusse der Convention den vollen Inhalt der Verheißungen Sr. Majestät zu Gemüth zu führen.</p> <p>Wien, 29. Oktbr. 1848.</p> <p><hi rendition="#g">Messenhauser,</hi> provisorischer Ober-Commandant.</p> <p>II. Der heutige Tag ist wieder in Aufregung vollbracht worden. ‒ Man hat das anrückende Heer der Ungarn fechtend gesehen: es ist aber leider für das Schicksal der Stadt zu spät gekommen. Die Ungarn fochten heute, wie man jetzt gewiß weiß, bei Schwadorf. Sie sollen nicht gesiegt haben. Wenigstens hat man von 3 Uhr an von einer Fortsetzung des Kampfes nichts sehen können! ‒ Mitbürger! Ihr habt heute wieder gezeigt, daß Ihr kampfbereit für Ehre und Freiheit dasteht, wenn auf irgend eine sichere Aussicht auf Sieg und Erfolg zu rechnen ist. ‒ Ich bin es mir schuldig zu erklären, daß unsere Lage am Abende die alte ist. Der Feldmarschall hat erklärt, daß, wenn bis heute Abend 8 Uhr die Unterwerfung nicht angezeigt ist, er die noch nicht besetzten Vorstädte mit aller Energie angreifen und nöhigenfalls in einen Schutthaufen verwandeln würde. ‒ Diese Kundmachung ist alsogleich zu verlautbaren, und die Bezirke haben mir in der kürzesten Zeitfrist den Entschluß der Garden schriftlich mitzutheilen, nämlich: ob sie die Waffen strecken wollen oder nicht.</p> <p>Wien, am 30. Oktober 1848, 8 Uhr Abends.</p> <p><hi rendition="#g">Messenhauser,</hi> provisorischer Ober-Commandant.</p> <p>III. Das unterzeichnete Ober-Commando der Wiener Nationalgarde protestirt hiermit feierlichst gegen jede Zumuthung, als seien die am 31. Oktober Nachmittags von Seiten einzelner mobiler Corps gegen die kaiserlichen Truppen begonnenen Feindseligkeiten auf seinen Befehl geschehen. Es fordert den loblichen Gemeinderath auf, ihm zu bezeugen, daß es im Gegentheil seit früh Morgens fortwährend mit der Entwaffnung der Garden beschäftigt, mehrere Geschützpiecen mit Lebensgefahr der Betheiligten von den Basteien schaffen und sich die Herstellung des Friedens und der Ruhe mit aller möglichen Energie angelegen sein ließ. Es erklärt sich daher nochmals entschieden gegen jede Anschuldigung, als hätte es einen Capitulationsbruch begünstigt oder gar anbefohlen.</p> <p>Wien, am 31. Oktober 1848.</p> <p><hi rendition="#g">Fenneberg,</hi> Stellvertreter. <hi rendition="#g">Messenhauser,</hi> provisorischer Ober-Commandant.</p> <p>IV. <hi rendition="#g">Mitbürger!</hi> Der Gemeinderath der Stadt Wien hat von jenem Zeitpunkte an, als der hohe Reichstagsausschuß demselben aufgetragen hatte, in Vereinigung mit dem Nationalgarde-Ober-Commando die Stadt in Vertheidigungszustand zu setzen, alle strategischen Maßregeln dem Ober-Commando überlassen, ohne dasselbe in irgend einer Weise hierin zu beirren, vielmehr dasselbe auf jede ihm zustehende Weise auf das kräftigste unterstützt und in Allem dem Wunsche seiner Mitbürger zu entsprechen gesucht. ‒ Bereits am 26sten Abends wurden die Vertreter der gesammten Volkswehr um ihre Ansicht über die Lage der Stadt befragt und neuerlich am 29sten Abends der Ober-Commandant eingeladen, sich nach dem Kampfe des 28sten über die Lage der Stadt zu erklären. ‒ Nachdem derselbe erklärt hatte, nur eine oder zwei Stunden die innere Stadt mehr halten zu können, nachdem sich die Vertrauensmänner der sämmtlichen Volkswehr für den Frieden ausgesprochen hatten, die Vorsteher des Handelsstandes und mehrerer Innungen ebenfalls auf Uebergabe der Stadt drangen, hiermit alle hierzu berufenen Vertheidiger der Stadt und der größte Theil des Bürgerstandes selbst seinen Willen ausgesprochen hatte und die Stadt von Fürst Windischgrätz mit einer Beschießung bedroht war, war der Gemeinderath verpflichtet, diesen deutlich und klar ausgesprochenen Willen seiner Mitbürger zu erfüllen, und so wie er mit ihnen die herbe Wunde fühlt, welche durch zeitweilige Aufhebung der constitutionellen Zustände der Freiheit geschlagen wird, war er doch auch noch bedacht, seinen Mitbürgern wenigstens materiell den Uebergang in diese Periode zu erleichtern. Sogleich begab sich eine Deputation von Gemeinderäthen und Abgeordneten der gesammten Volkswehr zu Herrn Fürsten Windischgrätz, um demselben die auf diese Weise ausgesprochene Unterwerfung der Stadt kundzugeben, welche derselbe auch annahm, so daß die Capitulation als geschlossen anzusehen war. ‒ Nun hat der Herr Fürst einer am Morgen des 30sten bei ihm eingetroffenen Deputation nachstehende neuerliche Bedingungen mitgetheilt, welche die Art der Entwaffnung betreffen:</p> <p>Die Proklamation Sr. Durchlaucht des Herrn Feldmarschalls Fürsten v. Windischgrätz vom 23. Oktober 1848 und die zum Punkte 3 derselben an den Gemeinderath erlassene Erläuterung vom 26. Oktbr. 1848 bleiben in ihrer vollen Wirksamkeit, sind von der Stadt vollständig durchzuführen, und es werden denselben nachstehende Bestimmungen beigefügt: 1) Auf dem St. Stephans-Thurme ist vor Allem eine große Kaiserlich österreichische Fahne aufzuziehen, und bei allen Linienthoren sind weiße Fahnen, zum Zeichen der friedlichen Unterwerfung, auszustecken. 2) Der Feldzeugmeister, Baron Recsey und alle in Gewahrsam gehaltenen Militärs und Beamten sind in allen Ehren nach Hetzendorf zu geleiten. 3) Rücksicht ich der bezirksweisen Entwaffnung sind die Kanonen aus der Stadt und demjenigen Theile der Vorstädte, welche vom Kärnthner-Thore und der Hauptstraße Wieden auf der Straße zur Spinnerin am Kreuz links liegen, in die Rennweger Artillerie-Kaserne, jene, welche von dieser Straße rechts </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0691/0001]
Neue Rheinische Zeitung Organ der Demokratie. No 136. Köln, Dienstag den 7. November. 1848. Uebersicht. Deutschland. Köln. (Sieg der Contre-Revolution zu Wien) Wien. (Wien. ‒ Windisch-Grätz in Wien. ‒ Der Reichstag prorogirt. ‒ Das Ministerium. ‒ Die Einnahme Wiens. ‒ Proklamationen vom 29.-31. Okt) Prerau. (Berichte über die Einnahme Wiens, die Ungarn und das Hausen der Croaten). Gänserndorf. (Lage Wiens. ‒ Die Croaten). Wien. (Bekanntmachung von Ramberg für die Leopoldstadt). Ratibor. (Die „N. Pr. Ztg.“ über die Einnahme Wiens). Brünn. (Unruhen). Olmütz (Protest der böhmischen Deputation. ‒ Zwei telegraphische Depeschen von Ramberg). Berlin. (National-Versammlung. ‒ Jacoby. ‒ Rodbertus-Berg. ‒ Weggelaufene Deputirte. ‒ Adresse des demokratischen Clubs an Jacoby. ‒ Ausbruchversuch der Gefangenen im Arbeitshause). Aus Oberschlesien. (Ein Hirtenbrief des Grafen Limburg-Stirum). Posen. (Unterschriftensammeln für die deusche Adresse). Wronke. (Adesse).
Polen. Von der galizischen Gränze. (Der Czar an die Ungarn. ‒ Zu Warschau veröffentlichte Urtheile).
Ungarn. Pesth (Die Raizen. ‒ Siebenbürgen. ‒ Ein Schreiben Ferdinands). Preßburg. (Kossuths Zuschrift an Windisch-Grätz).
Italien. (Der Aufstand im Veltlin unterdrückt. ‒ Garibaldi. ‒ Unruhen im Ghetto zu Rom).
Schweiz. Lugano. (Scharmützel zwischen lombardischen Flüchtlingen und Oesterreicher in Coro). Bern (Konferenz in Freiburg).
Französische Republik. Paris. (Nationalversammlung vom 3. Nov. ‒ Nachrichten vom 3. Nov. ‒ Nationalversammlung vom 4. Nov. ‒ Neuigkeiten vom 4. Nov.)
Großbritanien. London. (Die Conservativen. ‒ Zunahme der Armenunterstützung. ‒ Handelsnachrichten aus Manchester. ‒ Die Bank von England. ‒ Statistik der Unterhausverhandlungen.
Frankfurt. (Bericht der Commission über Oesterreich.)
Deutschland. * Köln, 6. Nov. _ Wien, 2. Nov. Ich höre so eben, daß heute zum ersten Male nach 14 Tagen Posten angekommen sind, und daß auch wir wieder durch die Gnade des Fürsten Windischgrätz für die Außenwelt existiren dürfen. Also vor Postabgang nur wenige Zeilen. Fürst Windischgrätz hat, nachdem der gestrige Tag bloß den Verhaftungen gewidmet war (man spricht von mehreren Hunderten), endlich eine Proklamation erlassen, in welcher er die früheren Bedingungen als durch den Bruch der Kapitulation für vernichtet erklärt und daher neue anordnet: im Wesentlichen Auflösung der Legion für immer, der Nationalgarde für unbestimmt; Suspendirung aller Blätter und Vereine; mehr als 10 Menschen dürfen nicht beisammen stehen, die strengsten Untersuchungen sind wegen Waffen und Individuen, die den Zweck ihres Hierseins nicht nachweisen können, angeordnet. ‒ Der Reichstag hat sich auf 14 Tage prorogirt. Die Deutschen wollen hier zusammenkommen, aber Jeder fühlt und weiß es, daß der Reichstag jetzt nicht hier bestehen darf. Windischgrätz erklärt den hiesigen Reichstag für eine Partei und weist auf jenen, der in Kremsier zusammenkommen wird, als auf den einzig legalen hin. Gestern hatten sich die Deputirten versammelt. Fürst Felix Schwarzenberg ritt vorbei, ließ die Thüre zuschlagen und alle Eingänge zu den Tribünen militärisch besetzen, sie mußten eine geheime Sitzung halten. ‒ Das Ministerium soll gebildet sein: Wessenberg, Präsident ohne Portefeuille; F. Schwarzenberg, Aeußeres; Bach, Inneres; Buchner, Krieg; Helfert, Unterricht; Bruck, Handel. Der Zustand der Stadt ist der schrecklichste; das Spioniersystem in voller Blüthe; die unbedeutendsten Leute werden auf der Straße gefangen. Die Stadtthore noch immer gesperrt, jede Kommunikation mit den Vorstädten aufgehoben.
(B. Z. H.) Wir knüpfen an diese Nachrichten folgende der Breslauer Ztg. entnommenen Mittheilungen:
Am 1. November Mittags gegen 11 Uhr ist Wien von den kaiserlichen Truppen vollständig besetzt worden. Am 30. v. M. hatte die Uebergabe der Stadt bereits begonnen, indem einzelne Korps die Abgabe der Waffen angefangen hatten. Als (wie wir berichtet haben) die Ankunft der Ungarn vom Stephansthurm signalisirt wurde, entbrannte der Kampf von Neuem, obschon früher bereits der Gemeinde-Ausschuß unter der Bedingung der Waffenniederlegung dem Proletariat den Unterhalt bis nach Herstellung geordneter Zustände versprochen, und Messenhauser dem Gemeinde-Ausschusse bereits zuvor erklärt hatte, daß er unter solchen Umständen von der Vertheidigung der Stadt abstehen wolle. Die Entwaffnung hatte in der Leopoldstadt begonnen und weiße Fahnen hingen aus; diese vertauschte man mit rothen und begann wiederum ein heftiges Feuer in der Wieden, in Mariahilf und dem Schottenfelde. Am Nachmittage dieses Tages, so wie am 31. Morgens blieb es still. Gegen 9 Uhr früh am 31. machte Windischgrätz mittelst Plakat bekannt, daß die Ungarn 21.000 Mann stark bei Schwechat geschlagen seien und daß Fürst Lichtenstein mit 10,500 Mann ihnen nachsetze. Um 12 Uhr an diesem Tage fielen neuerdings Schüsse von der (rothen) Bastei, dem Lamm gegenüber. Der Kampf hatte indeß nur die Natur einer Plänkelei angenommen. Das Lamm und das Stierbeck'sche Kaffeehaus lagen voll kaiserlicher Jäger, welche auf die Bedienung der städtischen Batterien geschossen. Um 3 Uhr begann eine furchtbare Kanonade, besonders in Mariahilf und dem Schottenfeld. Sie hörte auf, als es hieß, die Linie sei genommen. Nunmehr eilten die Garden gegen 4 Uhr auf die Basteien zur Vertheidigung, worauf es bis 6 Uhr still blieb. Da gerieth die kaiserliche Burg in Brand, ohne daß der Entstehungsgrund des Feuers bekannt geworden ist. Das fürstlich Kolowrat'sche Haus und die Kapuzinerkirche ist durch Bomben zerstört.
Neun Kompagnien Nationalgarde löschten das Feuer in der Burg. Gegen 1 Uhr Nachts wurde das Burgthor mit einigen Schüssen aus Vierundzwanzigpfündern gesprengt und die Truppen rückten in die Stadt, ohne daß ein großes Gefecht stattgefunden hätte. Die Kroaten standen auf dem Graben. Da man in der Leopoldstadt nichts von dieser Besetzung der Stadt erfahren hatte, erwartete man den Wiederbeginn des Kampfes in der Wieden. Allein zwischen 10 und 11 Uhr rückten die Truppen in großen Massen ein, ohne daß eine weitere Vertheidigung stattgefunden hätte. Das Gerücht, als wolle die Legion mit 10,000 Mann die Universität auch dann noch vertheidigen, bestätigte sich nicht. General Bem soll gefangen sein.
Schließlich noch einige Proklamationen vom 29sten bis 31. Oktober:
1. Mitbürger! Ich habe die Vertrauensmänner der Kompagnieen versammelt gehabt, ich habe mit ihnen gesprochen, ob ein Verzweiflungskampf stattfinden solle, oder die Unterwerfung unter die nun einmal nicht zu leugnende Uebermacht des Gegners. Der Verzweiflungskampf, um es mit der nackten Wahrheit des Soldaten zu sagen, hieße so viel, als die Blüte der Bevölkerung unter den gegenwärtigen Verhaltnissen auf die Schlachtbank fuhren. Jetzt, da es kein diplomatisches Geheimniß mehr ist, das ich mit bekümmertem Herzen in meiner Brust zu verschließen hatte, kann ich unsere Schwäche offen darlegen, nämlich: mit der angestrengtesten Thätigkeit, mit der Schwendung von Geldmitteln haben wir nur so viel Munition erzeugen önnen, daß für vier Stunden allgemeiner Vertheidigung Vorrath mehr da st. ‒ Unter solchen Verhaltnissen kann man es auf keinen Sturm ankommen lassen. Die Verantwortung vor Gott und Menschen wäre zu unerläßlich, ich kann sie nicht auf mein Gewissen nehmen ‒ Mitbürger! Vertrauet mir, als ehrlicher Mann habe ich nur den Verhältnissen gemäß gestimmt. ‒ Es wird jetzt meine Angelegenheit sein, mit männlicher Offenheit mich an den Herrn Feldmarschall zu wenden und ihm beim Abschlusse der Convention den vollen Inhalt der Verheißungen Sr. Majestät zu Gemüth zu führen.
Wien, 29. Oktbr. 1848.
Messenhauser, provisorischer Ober-Commandant.
II. Der heutige Tag ist wieder in Aufregung vollbracht worden. ‒ Man hat das anrückende Heer der Ungarn fechtend gesehen: es ist aber leider für das Schicksal der Stadt zu spät gekommen. Die Ungarn fochten heute, wie man jetzt gewiß weiß, bei Schwadorf. Sie sollen nicht gesiegt haben. Wenigstens hat man von 3 Uhr an von einer Fortsetzung des Kampfes nichts sehen können! ‒ Mitbürger! Ihr habt heute wieder gezeigt, daß Ihr kampfbereit für Ehre und Freiheit dasteht, wenn auf irgend eine sichere Aussicht auf Sieg und Erfolg zu rechnen ist. ‒ Ich bin es mir schuldig zu erklären, daß unsere Lage am Abende die alte ist. Der Feldmarschall hat erklärt, daß, wenn bis heute Abend 8 Uhr die Unterwerfung nicht angezeigt ist, er die noch nicht besetzten Vorstädte mit aller Energie angreifen und nöhigenfalls in einen Schutthaufen verwandeln würde. ‒ Diese Kundmachung ist alsogleich zu verlautbaren, und die Bezirke haben mir in der kürzesten Zeitfrist den Entschluß der Garden schriftlich mitzutheilen, nämlich: ob sie die Waffen strecken wollen oder nicht.
Wien, am 30. Oktober 1848, 8 Uhr Abends.
Messenhauser, provisorischer Ober-Commandant.
III. Das unterzeichnete Ober-Commando der Wiener Nationalgarde protestirt hiermit feierlichst gegen jede Zumuthung, als seien die am 31. Oktober Nachmittags von Seiten einzelner mobiler Corps gegen die kaiserlichen Truppen begonnenen Feindseligkeiten auf seinen Befehl geschehen. Es fordert den loblichen Gemeinderath auf, ihm zu bezeugen, daß es im Gegentheil seit früh Morgens fortwährend mit der Entwaffnung der Garden beschäftigt, mehrere Geschützpiecen mit Lebensgefahr der Betheiligten von den Basteien schaffen und sich die Herstellung des Friedens und der Ruhe mit aller möglichen Energie angelegen sein ließ. Es erklärt sich daher nochmals entschieden gegen jede Anschuldigung, als hätte es einen Capitulationsbruch begünstigt oder gar anbefohlen.
Wien, am 31. Oktober 1848.
Fenneberg, Stellvertreter. Messenhauser, provisorischer Ober-Commandant.
IV. Mitbürger! Der Gemeinderath der Stadt Wien hat von jenem Zeitpunkte an, als der hohe Reichstagsausschuß demselben aufgetragen hatte, in Vereinigung mit dem Nationalgarde-Ober-Commando die Stadt in Vertheidigungszustand zu setzen, alle strategischen Maßregeln dem Ober-Commando überlassen, ohne dasselbe in irgend einer Weise hierin zu beirren, vielmehr dasselbe auf jede ihm zustehende Weise auf das kräftigste unterstützt und in Allem dem Wunsche seiner Mitbürger zu entsprechen gesucht. ‒ Bereits am 26sten Abends wurden die Vertreter der gesammten Volkswehr um ihre Ansicht über die Lage der Stadt befragt und neuerlich am 29sten Abends der Ober-Commandant eingeladen, sich nach dem Kampfe des 28sten über die Lage der Stadt zu erklären. ‒ Nachdem derselbe erklärt hatte, nur eine oder zwei Stunden die innere Stadt mehr halten zu können, nachdem sich die Vertrauensmänner der sämmtlichen Volkswehr für den Frieden ausgesprochen hatten, die Vorsteher des Handelsstandes und mehrerer Innungen ebenfalls auf Uebergabe der Stadt drangen, hiermit alle hierzu berufenen Vertheidiger der Stadt und der größte Theil des Bürgerstandes selbst seinen Willen ausgesprochen hatte und die Stadt von Fürst Windischgrätz mit einer Beschießung bedroht war, war der Gemeinderath verpflichtet, diesen deutlich und klar ausgesprochenen Willen seiner Mitbürger zu erfüllen, und so wie er mit ihnen die herbe Wunde fühlt, welche durch zeitweilige Aufhebung der constitutionellen Zustände der Freiheit geschlagen wird, war er doch auch noch bedacht, seinen Mitbürgern wenigstens materiell den Uebergang in diese Periode zu erleichtern. Sogleich begab sich eine Deputation von Gemeinderäthen und Abgeordneten der gesammten Volkswehr zu Herrn Fürsten Windischgrätz, um demselben die auf diese Weise ausgesprochene Unterwerfung der Stadt kundzugeben, welche derselbe auch annahm, so daß die Capitulation als geschlossen anzusehen war. ‒ Nun hat der Herr Fürst einer am Morgen des 30sten bei ihm eingetroffenen Deputation nachstehende neuerliche Bedingungen mitgetheilt, welche die Art der Entwaffnung betreffen:
Die Proklamation Sr. Durchlaucht des Herrn Feldmarschalls Fürsten v. Windischgrätz vom 23. Oktober 1848 und die zum Punkte 3 derselben an den Gemeinderath erlassene Erläuterung vom 26. Oktbr. 1848 bleiben in ihrer vollen Wirksamkeit, sind von der Stadt vollständig durchzuführen, und es werden denselben nachstehende Bestimmungen beigefügt: 1) Auf dem St. Stephans-Thurme ist vor Allem eine große Kaiserlich österreichische Fahne aufzuziehen, und bei allen Linienthoren sind weiße Fahnen, zum Zeichen der friedlichen Unterwerfung, auszustecken. 2) Der Feldzeugmeister, Baron Recsey und alle in Gewahrsam gehaltenen Militärs und Beamten sind in allen Ehren nach Hetzendorf zu geleiten. 3) Rücksicht ich der bezirksweisen Entwaffnung sind die Kanonen aus der Stadt und demjenigen Theile der Vorstädte, welche vom Kärnthner-Thore und der Hauptstraße Wieden auf der Straße zur Spinnerin am Kreuz links liegen, in die Rennweger Artillerie-Kaserne, jene, welche von dieser Straße rechts
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Weitere Informationen:Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.
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