Neue Rheinische Zeitung. Nr. 118. Köln, 17. Oktober 1848. Zweite Beilage.[Fortsetzung] Von Ungarn sind Deputirte eingetroffen, daß der ungarische Landtag den General Moga beauftragt habe, mit seinen 40,000 Mann Jellachich zu verfolgen. Kossuth ist zum Präsidenten ernannt, die Ausschüsse sind unter seine Befehle gestellt. Alle Ortschaften an der Nordbahn haben sich für Wien erklärt. 600 Brünner Nationalgarden, welche den bereits hier befindlichen folgen wollten, sind durch den Gouverneur an der Abreise verhindert worden. Der Schwarzenberger Garten ist in solcher Eile vom Militär verlassen worden, daß Uniformen, Bücher, Waffen zurückgelassen worden sind. Ein entstellter Leichnam, mit Nägeln durchbohrt, wurde ausgegraben, mehre andere Opfer sollen ähnlich mißhandelt worden sein. Das Volk hat trotz der Aufregung, welche jene Gräuelthat veranlaßte, nichts von dem Eigenthum angerührt, welches sich in dem Pallaste vorfand, denn Gemälde, Spiegel - Alles wurde verschont. Der Telegraph der Südbahn ist vom Militär zerstört worden. Wir theilen unsern Lesern noch folgenden Brief aus Breslau mit: * Breslau, 14. Oktober. Die Nachrichten welche ein Reisender aus Wien, der gestern Nachmittag 4 Uhr abreiste, bringt, sind folgende: Die Kroaten greifen die Nationalgarden an; bis jetzt jedoch sind die Gefechte nur Plänkeleien gewesen, werden meist in der Nacht unternommen, sind jedoch für die Kroaten bis jetzt immer nachtheilig ausgefallen. Man schätzt ihre Macht auf 30-40,000 Mann, sie sind jedoch meist irreguläre Truppen; in Wien dagegen stehen 180,000 Mann vollständig gerüstet unter den Waffen, sind mit Munition hinlänglich versehen, da die Munition-Wagen für Jellachich genommen sind. In Wien wird außerdem eine Mobilgarde gebildet. Sold: täglich 45 Kreuzer. Außerdem sind 15,000 Ungarn im Anzug, wenn gleich ich auch bemerken muß, daß Windischgrätz mit 20,000 Mann von Prag aufgebrochen ist, um die Ungarn anzugreifen. Hierbei will ich als Kuriosum mittheilen: Auersperg frug an beim Reichstage, was er zu thun habe, wenn ihn die Ungarn im Rücken angreifen? Vom Erhabenen bis zum Lächerlichen ist nur ein Schritt!! Außer der bedeutenden Macht der Infanterie besitzen die Wiener 43 dem Auersperg weggenommene Kanonen. Der Reisende besagte: Es würden wohl keine Emigranten mehr herausgelassen werden. [Fortsetzung] Von Ungarn sind Deputirte eingetroffen, daß der ungarische Landtag den General Moga beauftragt habe, mit seinen 40,000 Mann Jellachich zu verfolgen. Kossuth ist zum Präsidenten ernannt, die Ausschüsse sind unter seine Befehle gestellt. Alle Ortschaften an der Nordbahn haben sich für Wien erklärt. 600 Brünner Nationalgarden, welche den bereits hier befindlichen folgen wollten, sind durch den Gouverneur an der Abreise verhindert worden. Der Schwarzenberger Garten ist in solcher Eile vom Militär verlassen worden, daß Uniformen, Bücher, Waffen zurückgelassen worden sind. Ein entstellter Leichnam, mit Nägeln durchbohrt, wurde ausgegraben, mehre andere Opfer sollen ähnlich mißhandelt worden sein. Das Volk hat trotz der Aufregung, welche jene Gräuelthat veranlaßte, nichts von dem Eigenthum angerührt, welches sich in dem Pallaste vorfand, denn Gemälde, Spiegel ‒ Alles wurde verschont. Der Telegraph der Südbahn ist vom Militär zerstört worden. Wir theilen unsern Lesern noch folgenden Brief aus Breslau mit: * Breslau, 14. Oktober. Die Nachrichten welche ein Reisender aus Wien, der gestern Nachmittag 4 Uhr abreiste, bringt, sind folgende: Die Kroaten greifen die Nationalgarden an; bis jetzt jedoch sind die Gefechte nur Plänkeleien gewesen, werden meist in der Nacht unternommen, sind jedoch für die Kroaten bis jetzt immer nachtheilig ausgefallen. Man schätzt ihre Macht auf 30-40,000 Mann, sie sind jedoch meist irreguläre Truppen; in Wien dagegen stehen 180,000 Mann vollständig gerüstet unter den Waffen, sind mit Munition hinlänglich versehen, da die Munition-Wagen für Jellachich genommen sind. In Wien wird außerdem eine Mobilgarde gebildet. Sold: täglich 45 Kreuzer. Außerdem sind 15,000 Ungarn im Anzug, wenn gleich ich auch bemerken muß, daß Windischgrätz mit 20,000 Mann von Prag aufgebrochen ist, um die Ungarn anzugreifen. Hierbei will ich als Kuriosum mittheilen: Auersperg frug an beim Reichstage, was er zu thun habe, wenn ihn die Ungarn im Rücken angreifen? Vom Erhabenen bis zum Lächerlichen ist nur ein Schritt!! Außer der bedeutenden Macht der Infanterie besitzen die Wiener 43 dem Auersperg weggenommene Kanonen. 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Man schätzt ihre Macht auf 30-40,000 Mann, sie sind jedoch meist irreguläre Truppen; in Wien dagegen stehen 180,000 Mann vollständig gerüstet unter den Waffen, sind mit Munition hinlänglich versehen, da die Munition-Wagen für Jellachich genommen sind. In Wien wird außerdem eine Mobilgarde gebildet. Sold: täglich 45 Kreuzer. Außerdem sind 15,000 Ungarn im Anzug, wenn gleich ich auch bemerken muß, daß Windischgrätz mit 20,000 Mann von Prag aufgebrochen ist, um die Ungarn anzugreifen. Hierbei will ich als Kuriosum mittheilen: Auersperg frug an beim Reichstage, was er zu thun habe, wenn ihn die Ungarn im Rücken angreifen?</p> <p>Vom Erhabenen bis zum Lächerlichen ist nur ein Schritt!! Außer der bedeutenden Macht der Infanterie besitzen die Wiener 43 dem Auersperg weggenommene Kanonen.</p> <p>Der Reisende besagte: Es würden wohl keine Emigranten mehr herausgelassen werden.</p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0596/0002]
[Fortsetzung] Von Ungarn sind Deputirte eingetroffen, daß der ungarische Landtag den General Moga beauftragt habe, mit seinen 40,000 Mann Jellachich zu verfolgen. Kossuth ist zum Präsidenten ernannt, die Ausschüsse sind unter seine Befehle gestellt. Alle Ortschaften an der Nordbahn haben sich für Wien erklärt.
600 Brünner Nationalgarden, welche den bereits hier befindlichen folgen wollten, sind durch den Gouverneur an der Abreise verhindert worden.
Der Schwarzenberger Garten ist in solcher Eile vom Militär verlassen worden, daß Uniformen, Bücher, Waffen zurückgelassen worden sind. Ein entstellter Leichnam, mit Nägeln durchbohrt, wurde ausgegraben, mehre andere Opfer sollen ähnlich mißhandelt worden sein. Das Volk hat trotz der Aufregung, welche jene Gräuelthat veranlaßte, nichts von dem Eigenthum angerührt, welches sich in dem Pallaste vorfand, denn Gemälde, Spiegel ‒ Alles wurde verschont.
Der Telegraph der Südbahn ist vom Militär zerstört worden. Wir theilen unsern Lesern noch folgenden Brief aus Breslau mit:
* Breslau, 14. Oktober. Die Nachrichten welche ein Reisender aus Wien, der gestern Nachmittag 4 Uhr abreiste, bringt, sind folgende:
Die Kroaten greifen die Nationalgarden an; bis jetzt jedoch sind die Gefechte nur Plänkeleien gewesen, werden meist in der Nacht unternommen, sind jedoch für die Kroaten bis jetzt immer nachtheilig ausgefallen. Man schätzt ihre Macht auf 30-40,000 Mann, sie sind jedoch meist irreguläre Truppen; in Wien dagegen stehen 180,000 Mann vollständig gerüstet unter den Waffen, sind mit Munition hinlänglich versehen, da die Munition-Wagen für Jellachich genommen sind. In Wien wird außerdem eine Mobilgarde gebildet. Sold: täglich 45 Kreuzer. Außerdem sind 15,000 Ungarn im Anzug, wenn gleich ich auch bemerken muß, daß Windischgrätz mit 20,000 Mann von Prag aufgebrochen ist, um die Ungarn anzugreifen. Hierbei will ich als Kuriosum mittheilen: Auersperg frug an beim Reichstage, was er zu thun habe, wenn ihn die Ungarn im Rücken angreifen?
Vom Erhabenen bis zum Lächerlichen ist nur ein Schritt!! Außer der bedeutenden Macht der Infanterie besitzen die Wiener 43 dem Auersperg weggenommene Kanonen.
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Weitere Informationen:Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.
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