Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Neue Rheinische Zeitung. Nr. 117. Köln, 15. Oktober 1848.

Bild:
erste Seite
Neue Rheinische Zeitung
Organ der Demokratie.
No 117. Köln, Sonntag den 15. Oktober. 1848.
Uebersicht.

Deutschland. Wien 9. Okt. (Reichstagssitzung - Das Volk. - Belvedere. - Der englische Gesandte und die deutschen Gesandten - Proklamationen. - Scherzer. - Der Hof. - Schreiben aus Raab. - Der Redakteur der A. O.-Z. - Bach. - Hurban. - Jellachich. - Auersperg's Soldaten. - 10. Okt. Reichstag. - Herrannahen des Kampfes. - Die ungarische Armee). Prag. (Versammlung der anwesenden Reichstagsdeputirten und des Stadtverordneten-Kollegiums - Proklamation) Frankfurt. (National-Versammlung). Berlin. (National-Versammlung vom 11. und 12. Oktober. - Verwerfung der ministeriellen Vorlage zur Preßmaßregelung. - Eine Deputation aus Brandenburg und Wrangel). Brandenburg. (Militairgeschichte). Breslau. (Neuste Nachrichten aus Wien). Hadersleben. (Mißhandlung von Deutschen in Jütland und Fühnen). Triest. (Die Unruhen von Cattaro)

Ungarn. Pesth. Ein "Liebesbrief" Jellachichs. - Warnungsruf der Ungarn an die Oesterreicher).

Italien. Mailand. (Stimmung der Bevölkerung. - Feindseligkeiten auf dem Lande. - Truppenbewegungen). Turin. (Die englisch-französische Vermittelung) Messina. (Die franzosische Flotte. - Parker und Baudin)

Belgien. Brüssel (Die Affaire von Risquons-Tout

Franz. Republik Paris. (Vermisch es. - National-Versammlung).

Spanien. Madrid. (Figueras und Narvaez. - Die Insurgenten in Katalonien).

Großbritannien. London. (Cholera. - Eisenbahnspekulation). Dublin. (Mac Manus. - Meagher. - O'Brien).

Handelsnachrichten.

Deutschland.
61 Wien, 9. Okt.

Nachdem der Reichstag heute Vormittag in den Kommissionen die Grundrechte berathen hatte, wurde am Nachmittage Sitzung gehalten.

Schuselka als Berichterstatter des Wohlfahrtsausschusses: Durch einen Eisenbahnführer ist die Nachricht angekommen, daß das Heer Jelachichs in Brück an der Leytha eingerückt ist und daß er in Trantmannsdorf sein Lager aufgeschlagen habe. Der Minister Hornbostel ist darauf sogleich als Eilbote an den Kaiser mit der Bitte abgegangen, er möge an Jelachich den strengsten Befehl ergehen lassen, nicht weiter vorzurücken. Zugleich begab sich der Reichstagabgeordnete del Prato in Jellachichs Lager, um ihn in Kenntniß zu setzen, daß der Kaiser zufolge seiner Antwort an die Deputation des Reichstags beschlossen habe, ein volksthümliches Ministerium zu bilden und mit diesem die Angelegenheiten der ganzen Monarchie zu berathen, daß Jelachich also jede Feindseligkeit vermeiden solle. Durch das Ministerium sollen wir diese Nachricht drm Grafen Auersperg mittheilen und ihn ersuchen lassen, das Militär sogleich in die Kasernen zurückzuziehen. Die Bauern des Marchfeldes und des Weinlandes haben eine mit vielen tausend Unterschriften versehene Adresse eingesendet und stellen sich zur Verfügung des Reichstages, um der Soldatenherrschaft ein Ende zu machen und die Verräther des Volkes zu verjagen. (Bravo der sämmtlichen im Reichstag sitzenden Verräther).

Vertagung bis 6 1/2 Uhr.

Schuselka, wie oben: Nachdem wir den Grafen Auersperg wiederholt aufgefordert haben, seine drohende Stellung zu verändern, oder seine Truppen in die Kasernen zurückzuziehen, indem wir erklärten, daß die Nationalgarde und Legion dafür bürge, daß die Soldaten nicht insultirt würden; nachdem wir ihm ferner mitgetheilt, daß Jelachich sich in der Nähe Wiens befinde, hat derselbe uns antworten lassen, daß ihm über das Anrücken Jelachichs nichts bekannt geworden sei, er aber auch für diesen Fall seine Stellung behalten müsse. Uebrigens hege er durchaus keine feindseligen Absichten wider die Stadt, erhalte indessen wohl von anderer Seite fortwährend Drohungen. Wir haben uns darauf mit dem Gemeinderathe Wiens ins Einvernehmen gesetzt und ein zweites dringenderes Schreiben an Auersperg abgehen lassen, worin wir ihm mit Bestimmtheit zu erkennen geben, daß Jelachich nahe, daß die bevorstehende Nacht die Gefahren verdoppeln würde und die Dynastie unter solchen Umständen bedroht werden könne. Wir haben ihn auf die Verantwortlichkeit aufmerksam gemacht, die er beim Fortbeharren in seiner Stellung über sich nehme. Wir haben ihm angezeigt, daß der Oberkommandant Braun den Befehl habe, die Garde zu allarmiren, obwohl auch wir keineswegs feindselige Absichten hegten. Auf dieses letzte Schreiben erwarten wir die Antwort. Inzwischen ist der Abg. del Prato von seiner Sendung zurückgekehrt.(Nach Bruck führt nämlich eine Eisenbahn.) Er hat den Banus Jelachich schon in Schoda, (halbwegs Wien) angetroffen. Seine Vorposten bestehen in unregelmäßigen Truppen in fremdartigen Trachten (vulgo Gesindel, kaiserliche Räuber). Der Herr Berichterstatter verbreitet sich hierbei über das Idyllische des Anblicks dieser Vandalenhorden und über del Prato's zuvorkommenden Empfang beim Banus. Del Prato überbrachte nämlich, fährt Schuselka fort, den Beschluß des Reichstags hinsichtlich des Ansuchens der Stadt Preßburg, worauf Jelachich meinte, er habe von dem östreichischen Reichstage zwar keine Zusendungen zu empfangen, das Interesse der Gesammtmonarchie veranlasse ihn indessen, für diesmal davon eine Ausnahme zu machen. Als del Prato ihn ersuchte, den Befehlen des Kaisers nicht vorzugreifen und bis zum Eintreffen derselben nicht weiter vorzurücken, erklärte Jelachich, er kenne keinen andern Wunsch, kein anderes Streben, keinen andern Befehl, als den des Kaisers, seines Herrn. Auf Weiteres ließ er sich nicht ein. Die Truppen boten ein sehr klägliches Bild dar, sie bestehen aus regulären und irregulären und sind meistens in Lumpen gehüllt, selbst die Offiziere. Das Dorf, worin diese Truppen standen, schien sich von ihnen nicht belästigt zu fühlen. (Gute Empfehlung, Jelachich wird sie an Schuselka zu würdigen wissen. Der Reichstag hörte den ganzen Bericht mit stummem Schweigen an. Natürlich, alle Welt hatte sich zu empfehlen).

Wir haben auch die Freude gehabt, eine sehr zahlreiche Deputation aus Prag zu empfangen. Sie versicherte uns, es seien über die Vorgänge in Wien zu Prag außerordentlich beunruhigende Nachrichten eingetroffen, namentlich wegen Bedrohung der czechischen Deputation. Die Deputation sei beauftragt worden, die Czechen aufzufordern, für diesen Fall den Reichstag und Wien zu verlassen. Wir haben dieser Deputation im Namen des Reichstags die beruhigendsten Versicherungen gegeben, indem wir betheuerten, daß wir in diesen Tagen keinen Ruf wider die persönliche Sicherheit der Abgeordneten vernommen hätten und daß die akademische Legion erst gestern erklärt habe, für die Sicherheit der Reichstagsdeputirten einstehen zu wollen. Wir wiesen sie ferner an unsere Proklamation an die Völker Oestreichs, aus welcher hervorgehe, daß von einer Nationalitätsfrage in diesen Tagen keine Rede gewesen sei und nur die Sache des Vaterlandes obgewaltet habe. Wir forderten sie endlich auf, im Interesse der Gesammtheit dieses Vaterlandes, das begonnene Werk seines Neubaues nicht zu stören und ihm alle Sonderinteressen unterzuordnen. Darauf versicherte die Deputation, daß auch die Czechen für die demokratisch-konstitutionelle Freiheit Gut und Blut zu lassen bereit seien. (Bravo).

Auch aus Brünn ist uns eine Deputation zugekommen, welche uns des Beistandes der dortigen Nationalgarde versicherte.

Um auf alle Fälle gerüstet zu sein, haben wir, obgleich wir den vielen lügenhaften Berichten keinen Glauben schenken und die Besorgnisse ängstlicher Gemüther nicht theilen (die Sprache aller dumm-feigen Volksverräther, die den Kanonen gegenüber rechten und winseln) auch an die Vertheidigung Wiens gedacht; wir haben die Nationalgarde ersucht, allen Zwiespalt unter sich zu vermeiden; wir haben dafür gesorgt, daß die Garde und Legion zum Kampf erscheine, daß Munition beschafft und noch Waffen vertheilt werden. (Wie die Herrn sich verlauten lassen, sollen die Arbeiter, das Volk sich schlagen und tödten lassen, um nach dem Siege die Waffen gutmüthig an sie wieder abzuliefern.) Wir dürfen uns keiner Sorglosigkeit hingeben. Wien ist das Herz der Monarchie. Nur soll sich die Bevölkerung nicht von den aus Dummheit oder böswilliger Absicht ausgesprengten fabelhaften Gerüchten aufregen lassen; Schuselka erwähnt hierbei einige dieser Gerüchte. Wir werden unsere Sorgfalt auch in dieser Nacht auf das Eifrigste fortsetzen. (Tritt unter Beifall ab.)

Präs. Smolka: Nicht der Reichstag hat den Abgeordneten del Prato an Jellachich gesendet, sondern er hat nur einen Auftrag des Ministeriums an denselben besorgt, wozu ich ihm einen dreitägigen Urlaub bewilligt habe.

Goldmark verliest eine wegen der fabelhaften Gerüchte (?) an das Volk von Wien gerichtete eselhafte Proklamation. (Einziges Genie dieser matten linken Esel.)

Dilewski fragt den Minister (es ist immer nur einer da), was das Ministerium zu thun gedenke, da Jellachich mit nichtöstreichischem Militär den östreichischen Boden betreten. Er will nicht gleich Antwort.

Krauß (mit welchem das ganze Komödienspiel abgekartet ist und welcher hinwiederum im genauesten Einvernehmen mit Auersperg und Jellachich u. s. w. steht) antwortet demnach, Jellachich sei östreichischer General, befehle östreichisches Militär und man könne daher von keinem fremden General und Militär reden. Ich habe durch del Prato den Beschluß des Reichstags Jellachich überbringen lassen, er hat durchaus keine feindseligen Absichten. Wir müssen uns daher darauf beschränken, zu beobachten, was der Banus unternimmt, ich werde keinen Schritt thun, ohne den Wohlfahrtsausschuß davon in Kenntniß zu setzen. (Die ganze Kammer ruft unisono Bravo; selbst die Journalisten-Juden der Linken.)

Kavelkabo: Sind Nachrichten von Hornbostl eingetroffen?

Krauß: Noch nicht; er hat den Hof wahrscheinlich nicht getroffen und ist ihm weiter nachgereist. Es gehen die grundlosesten Gerüchte umher. So sprach man von einer in Grätz errichteten provisorischen Regierung; ich ließ deshalb durch den Telegraphen anfragen und erfuhr, daß kein wahres Wort daran sei.(Einige Journalisten merken, daß Krauß ein Spitzbube sei; er hat sein Gerücht selber erfunden und exploitirt es.)

Hierauf entsteht auf Umlaufts Veranlassung eine Debatte über das Einberufen der davongelaufenen czechischen Abgeordneten. Es wird beschlossen, dieselben durch die öffentlichen Blätter zur Rückkehr zu vermögen.

Umlauft beantragt ferner, sofort ein Nationalgardegesetz zu erlassen oder das bestehende Gesetz provisorisch als solches zu verkünden. Nach einer längern Debatte beschließt der Reichstag, das bestehende Gesetz, jedoch nur insoweit es die Disciplin betreffe, als Nationalgardegesetz zu verkünden und auch auf die Provinzen auszudehnen.

Das Protokoll vom 5. Oktober wird verlesen, woraus hervorgeht, daß der Reichstag für Gesandtschaften nur 500,000 Fl. bewilligt und das außerordentliche Militärbüdget von 34 Mill. Fl. gestrichen hat. Schluß 8 Uhr. Morgen 9 Uhr Berathung in den Kommission; jedoch hat der Reichstag sich auf das erste Alarmzeichen zu versammeln.

Entrüstet über die verrätherische Feigheit dieser Erbärmlichen und niedergeschlagen wegen des hirnlos-feigen Benehmens des demokratischen Judengesindels, welches das Steuer führt, verließ ich diese Versammlung, um mich unter das Volk in den Straßen und auf den Basteien zu begeben. Hier fand ich redlichen Muth und richtige Einsicht. Ueberall stand das Volk bewaffnet und aufmerksam hinter den Barrikaden und auf den Wällen, zahllose Wachtfeuer verliehen dem Anblick etwas Eigenthümliches. Von den Basteien aus lagen Wiens Vorstädte mit imponirender Gesammtmacht im herrlichen Mondschein da und von überall her verkündeten ferne Schüsse, daß man aufpasse. Doch mit gespensterhaftem Drohen ragte über sie hinaus das Belvedere und ich erkannte mit Ingrimm, daß Auersperg unser Windischgrätz, der Belvedere [Fortsetzung]

Audienz der Posener Deputation bei Sr. Maj dem Könige in Berlin am 23. Mai 1848.

Am 20. März wurde von Posen aus eine Deputation an Se. Majestat den König abgeschickt. Dieselbe kam am 22ten in Berlin an und erhielt am 23ten Audienz. Mehre in Berlin anwesende Polen, unter diesen Miroslawski, schlossen sich der Deputation an, so daß sie wohl an 30 Mitglieder zählte. Gleich nach der Audienz haben mehrere, die bei derselben zugegen gewesen, alles was während derselben gesprochen wurde, niedergeschrieben und aus der Uebereinstimmung dieser Schriftstücke eine Darstellung zusammengetragen, die als der möglichst getreue Bericht anerkannt wurde. Diese Darstellung ist daher als eine solche zu betrachten, die zwar nicht aus stenographischen Materialien, wohl aber aus der sofortigen Aufzeichnung verschiedener Personen nach der gewissenhaftesten Prüfung zusammengetragen worden ist. Und diese Eigenschaft bestimmt das Maaß ihres Werthes oder Unwerthes.

Die Deputirten erschienen vor Sr. Majestät und der Erzbischof las folgende Petition vor:

Königliche Majestät!

Die allgemeine Bewegung zur politischen Reorganisation der europäischen Völker und Staaten im Sinne des Fortschritts, hat auch auf das Großherzogthum Posen und namentlich auf die polnische Bevölkerung desselben, mächtig eingewirkt. Nachdem Deutschlands Regierung und Völker sich zu einem nationalen Staate vereinigten, hat sich der ganzen Bevölkerung der Provinz Posen der einmüthige Gedanke bemächtigt, daß hiermit auch die Stunde der Wiedergeburt Polens geschlagen hat.

Diese Stimme ist zu einer moralischen Macht geworden, sie wird von der öffentlichen Meinung von ganz Deutschland unterstützt und getragen, sie wird zu einer Bewegung führen, die selbst blutig sein dürfte, und es ist unseren Anstrengungen kaum gelungen, dieselbe aufzuhalten, indem wir es über uns genommen haben, Euer Königl. Majestät den Drang der Umstände vorzustellen und diejenigen Maßregeln zu erbitten, welche geeignet sein möchten, die wach gewordenen Hoffnungen der polnischen Bevölkerung im Großherzogthum Posen zu kräftigen. Indem wir uns als Organe des Großherzogthums Posen kund geben, schlagen wir ehrerbietigst Ew. Majestät vor, prinzipaliter eine National-Reorganisation des Großherzogthums Posen zu gestatten, welche sich schnell, aber ruhig und gesetzlich entwickeln soll unter dem Schirme Ew. Königl. Majestät; dazu ist aber zunächst erforderlich die Bildung einer provisorischen Commission für das Großherzogthum Posen, welche im Verein mit einem Königl. Commissarius diese nationale Reorganisation des Großherzogthums Posen regeln müßte. Die Mitglieder dieser Commission, die Männer des allgemeinen Vertrauens sein müßten, werden Ew. Königl. Majestät bald vorgeschlagen werden. Die nächste Aufgabe dieser Commission würde sein:

1) Die Umgestaltung der militärischen Besatzung in ein einheimisches Truppenkorps.

2) Besetzung der Aemter mit Eingebornen.

Zur Anbahnung dieser Reorganisation ist es vor allem nöthig, Ew. Königl. Majestät wolle allergnädigst befehl,n:

I. Die Bildung der Nationalgarde.

II. Aufhebung der bestehenden Polizeigewalten und Einführung selbstgewählter Polizeibeamten.

Hierauf erwiedert Se. Majestät etwa wie folgt:

Ich habe öfters von meinen Ministern erfahren, daß sich die Polen des Großherzogthums über die Besetzung aller Stellen durch Deutsche und die Nichtachtung ihrer Nationalität beklagen. Dies ist mir immer sehr unlieb gewesen; es hat aber nicht anders sein können, indem die Polen es vernachlässigten, sich die nöthige Befähigung zur amtlichen Thätigkeit zu erringen.

Sie haben jetzt, wo ganz Europa in Bewegung gerathen, von der Möglichkeit eines Aufstandes und einer blutigen Kollision im Großherzogthum Posen gesprochen. Diese Möglichkeit involvirte eine andere, die Möglichkeit einer Losreißung des Großherzogthums von meinen Staaten. Meine Herrn! Ich spreche ganz offen, aufrichtig und äußere mich so, wie der Augenblick es erheischt und mein Herz es fühlt. Es ist ein ganz natürlicher Wunsch, daß ich eine schöne blühende Provinz, die ich von meinen Vätern geerbt habe, behalten will. Reißen Sie sich los, bedenken Sie, in welch ein unabsehbares Unglück Sie sich stürzen. Eine jede Bewegung würde die Provinz in die Hände Rußlands spielen. Ich bin den Kaiser von Rußland mit flehentlichen Bitten angegangen, damit er in keinem Falle, was auch geschehen möge, einschreite, und ich habe die Versicherung erhalten, daß er dies vor des Hand nicht thuen und der Entwickelung Deutschlands keine Hindernisse in den Weg legen wolle. Auf das Wort dieses Kaisers kann ich mich fest verlassen, denn sein Entschluß ist unerschütterlich und er ein Mann von eisernem Willen, von dem edelsten und festesten Charakter, der mächtigste, weiseste, der alleinige unter den Souveränen Europas, der seine Macht mit unerschüterlicher Kraft und Energie aufrecht zu erhalten weiß. Sein Wort ist ja, ja; nein, nein! Er würde sich gewiß jedes Einschreitens enthalten, so lange seine polnischen Besitzungen nicht bedroht würden. Wenn aber mit oder ohne meinen Willen eine freie nationale Entwickelung im Großherzogthum Posen versucht werden sollte, die auf seine polnischen Provinzen von Einfluß und mit Gefahr für dieselben verbunden wäre, so würde er, hierdurch gereizt, zum Schutze seines eigenen Reiches sofort seine Truppen ins Großherzogthum Posen einrücken lassen. Meine Bitten würden dann gewiß nicht mächtig genug sein, um ihn davon zurückzu-

Neue Rheinische Zeitung
Organ der Demokratie.
No 117. Köln, Sonntag den 15. Oktober. 1848.
Uebersicht.

Deutschland. Wien 9. Okt. (Reichstagssitzung ‒ Das Volk. ‒ Belvedere. ‒ Der englische Gesandte und die deutschen Gesandten ‒ Proklamationen. ‒ Scherzer. ‒ Der Hof. ‒ Schreiben aus Raab. ‒ Der Redakteur der A. O.-Z. ‒ Bach. ‒ Hurban. ‒ Jellachich. ‒ Auersperg's Soldaten. ‒ 10. Okt. Reichstag. ‒ Herrannahen des Kampfes. ‒ Die ungarische Armee). Prag. (Versammlung der anwesenden Reichstagsdeputirten und des Stadtverordneten-Kollegiums ‒ Proklamation) Frankfurt. (National-Versammlung). Berlin. (National-Versammlung vom 11. und 12. Oktober. ‒ Verwerfung der ministeriellen Vorlage zur Preßmaßregelung. ‒ Eine Deputation aus Brandenburg und Wrangel). Brandenburg. (Militairgeschichte). Breslau. (Neuste Nachrichten aus Wien). Hadersleben. (Mißhandlung von Deutschen in Jütland und Fühnen). Triest. (Die Unruhen von Cattaro)

Ungarn. Pesth. Ein „Liebesbrief“ Jellachichs. ‒ Warnungsruf der Ungarn an die Oesterreicher).

Italien. Mailand. (Stimmung der Bevölkerung. ‒ Feindseligkeiten auf dem Lande. ‒ Truppenbewegungen). Turin. (Die englisch-französische Vermittelung) Messina. (Die franzosische Flotte. ‒ Parker und Baudin)

Belgien. Brüssel (Die Affaire von Risquons-Tout

Franz. Republik Paris. (Vermisch es. ‒ National-Versammlung).

Spanien. Madrid. (Figueras und Narvaez. ‒ Die Insurgenten in Katalonien).

Großbritannien. London. (Cholera. ‒ Eisenbahnspekulation). Dublin. (Mac Manus. ‒ Meagher. ‒ O'Brien).

Handelsnachrichten.

Deutschland.
61 Wien, 9. Okt.

Nachdem der Reichstag heute Vormittag in den Kommissionen die Grundrechte berathen hatte, wurde am Nachmittage Sitzung gehalten.

Schuselka als Berichterstatter des Wohlfahrtsausschusses: Durch einen Eisenbahnführer ist die Nachricht angekommen, daß das Heer Jelachichs in Brück an der Leytha eingerückt ist und daß er in Trantmannsdorf sein Lager aufgeschlagen habe. Der Minister Hornbostel ist darauf sogleich als Eilbote an den Kaiser mit der Bitte abgegangen, er möge an Jelachich den strengsten Befehl ergehen lassen, nicht weiter vorzurücken. Zugleich begab sich der Reichstagabgeordnete del Prato in Jellachichs Lager, um ihn in Kenntniß zu setzen, daß der Kaiser zufolge seiner Antwort an die Deputation des Reichstags beschlossen habe, ein volksthümliches Ministerium zu bilden und mit diesem die Angelegenheiten der ganzen Monarchie zu berathen, daß Jelachich also jede Feindseligkeit vermeiden solle. Durch das Ministerium sollen wir diese Nachricht drm Grafen Auersperg mittheilen und ihn ersuchen lassen, das Militär sogleich in die Kasernen zurückzuziehen. Die Bauern des Marchfeldes und des Weinlandes haben eine mit vielen tausend Unterschriften versehene Adresse eingesendet und stellen sich zur Verfügung des Reichstages, um der Soldatenherrschaft ein Ende zu machen und die Verräther des Volkes zu verjagen. (Bravo der sämmtlichen im Reichstag sitzenden Verräther).

Vertagung bis 6 1/2 Uhr.

Schuselka, wie oben: Nachdem wir den Grafen Auersperg wiederholt aufgefordert haben, seine drohende Stellung zu verändern, oder seine Truppen in die Kasernen zurückzuziehen, indem wir erklärten, daß die Nationalgarde und Legion dafür bürge, daß die Soldaten nicht insultirt würden; nachdem wir ihm ferner mitgetheilt, daß Jelachich sich in der Nähe Wiens befinde, hat derselbe uns antworten lassen, daß ihm über das Anrücken Jelachichs nichts bekannt geworden sei, er aber auch für diesen Fall seine Stellung behalten müsse. Uebrigens hege er durchaus keine feindseligen Absichten wider die Stadt, erhalte indessen wohl von anderer Seite fortwährend Drohungen. Wir haben uns darauf mit dem Gemeinderathe Wiens ins Einvernehmen gesetzt und ein zweites dringenderes Schreiben an Auersperg abgehen lassen, worin wir ihm mit Bestimmtheit zu erkennen geben, daß Jelachich nahe, daß die bevorstehende Nacht die Gefahren verdoppeln würde und die Dynastie unter solchen Umständen bedroht werden könne. Wir haben ihn auf die Verantwortlichkeit aufmerksam gemacht, die er beim Fortbeharren in seiner Stellung über sich nehme. Wir haben ihm angezeigt, daß der Oberkommandant Braun den Befehl habe, die Garde zu allarmiren, obwohl auch wir keineswegs feindselige Absichten hegten. Auf dieses letzte Schreiben erwarten wir die Antwort. Inzwischen ist der Abg. del Prato von seiner Sendung zurückgekehrt.(Nach Bruck führt nämlich eine Eisenbahn.) Er hat den Banus Jelachich schon in Schoda, (halbwegs Wien) angetroffen. Seine Vorposten bestehen in unregelmäßigen Truppen in fremdartigen Trachten (vulgo Gesindel, kaiserliche Räuber). Der Herr Berichterstatter verbreitet sich hierbei über das Idyllische des Anblicks dieser Vandalenhorden und über del Prato's zuvorkommenden Empfang beim Banus. Del Prato überbrachte nämlich, fährt Schuselka fort, den Beschluß des Reichstags hinsichtlich des Ansuchens der Stadt Preßburg, worauf Jelachich meinte, er habe von dem östreichischen Reichstage zwar keine Zusendungen zu empfangen, das Interesse der Gesammtmonarchie veranlasse ihn indessen, für diesmal davon eine Ausnahme zu machen. Als del Prato ihn ersuchte, den Befehlen des Kaisers nicht vorzugreifen und bis zum Eintreffen derselben nicht weiter vorzurücken, erklärte Jelachich, er kenne keinen andern Wunsch, kein anderes Streben, keinen andern Befehl, als den des Kaisers, seines Herrn. Auf Weiteres ließ er sich nicht ein. Die Truppen boten ein sehr klägliches Bild dar, sie bestehen aus regulären und irregulären und sind meistens in Lumpen gehüllt, selbst die Offiziere. Das Dorf, worin diese Truppen standen, schien sich von ihnen nicht belästigt zu fühlen. (Gute Empfehlung, Jelachich wird sie an Schuselka zu würdigen wissen. Der Reichstag hörte den ganzen Bericht mit stummem Schweigen an. Natürlich, alle Welt hatte sich zu empfehlen).

Wir haben auch die Freude gehabt, eine sehr zahlreiche Deputation aus Prag zu empfangen. Sie versicherte uns, es seien über die Vorgänge in Wien zu Prag außerordentlich beunruhigende Nachrichten eingetroffen, namentlich wegen Bedrohung der czechischen Deputation. Die Deputation sei beauftragt worden, die Czechen aufzufordern, für diesen Fall den Reichstag und Wien zu verlassen. Wir haben dieser Deputation im Namen des Reichstags die beruhigendsten Versicherungen gegeben, indem wir betheuerten, daß wir in diesen Tagen keinen Ruf wider die persönliche Sicherheit der Abgeordneten vernommen hätten und daß die akademische Legion erst gestern erklärt habe, für die Sicherheit der Reichstagsdeputirten einstehen zu wollen. Wir wiesen sie ferner an unsere Proklamation an die Völker Oestreichs, aus welcher hervorgehe, daß von einer Nationalitätsfrage in diesen Tagen keine Rede gewesen sei und nur die Sache des Vaterlandes obgewaltet habe. Wir forderten sie endlich auf, im Interesse der Gesammtheit dieses Vaterlandes, das begonnene Werk seines Neubaues nicht zu stören und ihm alle Sonderinteressen unterzuordnen. Darauf versicherte die Deputation, daß auch die Czechen für die demokratisch-konstitutionelle Freiheit Gut und Blut zu lassen bereit seien. (Bravo).

Auch aus Brünn ist uns eine Deputation zugekommen, welche uns des Beistandes der dortigen Nationalgarde versicherte.

Um auf alle Fälle gerüstet zu sein, haben wir, obgleich wir den vielen lügenhaften Berichten keinen Glauben schenken und die Besorgnisse ängstlicher Gemüther nicht theilen (die Sprache aller dumm-feigen Volksverräther, die den Kanonen gegenüber rechten und winseln) auch an die Vertheidigung Wiens gedacht; wir haben die Nationalgarde ersucht, allen Zwiespalt unter sich zu vermeiden; wir haben dafür gesorgt, daß die Garde und Legion zum Kampf erscheine, daß Munition beschafft und noch Waffen vertheilt werden. (Wie die Herrn sich verlauten lassen, sollen die Arbeiter, das Volk sich schlagen und tödten lassen, um nach dem Siege die Waffen gutmüthig an sie wieder abzuliefern.) Wir dürfen uns keiner Sorglosigkeit hingeben. Wien ist das Herz der Monarchie. Nur soll sich die Bevölkerung nicht von den aus Dummheit oder böswilliger Absicht ausgesprengten fabelhaften Gerüchten aufregen lassen; Schuselka erwähnt hierbei einige dieser Gerüchte. Wir werden unsere Sorgfalt auch in dieser Nacht auf das Eifrigste fortsetzen. (Tritt unter Beifall ab.)

Präs. Smolka: Nicht der Reichstag hat den Abgeordneten del Prato an Jellachich gesendet, sondern er hat nur einen Auftrag des Ministeriums an denselben besorgt, wozu ich ihm einen dreitägigen Urlaub bewilligt habe.

Goldmark verliest eine wegen der fabelhaften Gerüchte (?) an das Volk von Wien gerichtete eselhafte Proklamation. (Einziges Genie dieser matten linken Esel.)

Dilewski fragt den Minister (es ist immer nur einer da), was das Ministerium zu thun gedenke, da Jellachich mit nichtöstreichischem Militär den östreichischen Boden betreten. Er will nicht gleich Antwort.

Krauß (mit welchem das ganze Komödienspiel abgekartet ist und welcher hinwiederum im genauesten Einvernehmen mit Auersperg und Jellachich u. s. w. steht) antwortet demnach, Jellachich sei östreichischer General, befehle östreichisches Militär und man könne daher von keinem fremden General und Militär reden. Ich habe durch del Prato den Beschluß des Reichstags Jellachich überbringen lassen, er hat durchaus keine feindseligen Absichten. Wir müssen uns daher darauf beschränken, zu beobachten, was der Banus unternimmt, ich werde keinen Schritt thun, ohne den Wohlfahrtsausschuß davon in Kenntniß zu setzen. (Die ganze Kammer ruft unisono Bravo; selbst die Journalisten-Juden der Linken.)

Kavelkabo: Sind Nachrichten von Hornbostl eingetroffen?

Krauß: Noch nicht; er hat den Hof wahrscheinlich nicht getroffen und ist ihm weiter nachgereist. Es gehen die grundlosesten Gerüchte umher. So sprach man von einer in Grätz errichteten provisorischen Regierung; ich ließ deshalb durch den Telegraphen anfragen und erfuhr, daß kein wahres Wort daran sei.(Einige Journalisten merken, daß Krauß ein Spitzbube sei; er hat sein Gerücht selber erfunden und exploitirt es.)

Hierauf entsteht auf Umlaufts Veranlassung eine Debatte über das Einberufen der davongelaufenen czechischen Abgeordneten. Es wird beschlossen, dieselben durch die öffentlichen Blätter zur Rückkehr zu vermögen.

Umlauft beantragt ferner, sofort ein Nationalgardegesetz zu erlassen oder das bestehende Gesetz provisorisch als solches zu verkünden. Nach einer längern Debatte beschließt der Reichstag, das bestehende Gesetz, jedoch nur insoweit es die Disciplin betreffe, als Nationalgardegesetz zu verkünden und auch auf die Provinzen auszudehnen.

Das Protokoll vom 5. Oktober wird verlesen, woraus hervorgeht, daß der Reichstag für Gesandtschaften nur 500,000 Fl. bewilligt und das außerordentliche Militärbüdget von 34 Mill. Fl. gestrichen hat. Schluß 8 Uhr. Morgen 9 Uhr Berathung in den Kommission; jedoch hat der Reichstag sich auf das erste Alarmzeichen zu versammeln.

Entrüstet über die verrätherische Feigheit dieser Erbärmlichen und niedergeschlagen wegen des hirnlos-feigen Benehmens des demokratischen Judengesindels, welches das Steuer führt, verließ ich diese Versammlung, um mich unter das Volk in den Straßen und auf den Basteien zu begeben. Hier fand ich redlichen Muth und richtige Einsicht. Ueberall stand das Volk bewaffnet und aufmerksam hinter den Barrikaden und auf den Wällen, zahllose Wachtfeuer verliehen dem Anblick etwas Eigenthümliches. Von den Basteien aus lagen Wiens Vorstädte mit imponirender Gesammtmacht im herrlichen Mondschein da und von überall her verkündeten ferne Schüsse, daß man aufpasse. Doch mit gespensterhaftem Drohen ragte über sie hinaus das Belvedere und ich erkannte mit Ingrimm, daß Auersperg unser Windischgrätz, der Belvedere [Fortsetzung]

Audienz der Posener Deputation bei Sr. Maj dem Könige in Berlin am 23. Mai 1848.

Am 20. März wurde von Posen aus eine Deputation an Se. Majestat den König abgeschickt. Dieselbe kam am 22ten in Berlin an und erhielt am 23ten Audienz. Mehre in Berlin anwesende Polen, unter diesen Miroslawski, schlossen sich der Deputation an, so daß sie wohl an 30 Mitglieder zählte. Gleich nach der Audienz haben mehrere, die bei derselben zugegen gewesen, alles was während derselben gesprochen wurde, niedergeschrieben und aus der Uebereinstimmung dieser Schriftstücke eine Darstellung zusammengetragen, die als der möglichst getreue Bericht anerkannt wurde. Diese Darstellung ist daher als eine solche zu betrachten, die zwar nicht aus stenographischen Materialien, wohl aber aus der sofortigen Aufzeichnung verschiedener Personen nach der gewissenhaftesten Prüfung zusammengetragen worden ist. Und diese Eigenschaft bestimmt das Maaß ihres Werthes oder Unwerthes.

Die Deputirten erschienen vor Sr. Majestät und der Erzbischof las folgende Petition vor:

Königliche Majestät!

Die allgemeine Bewegung zur politischen Reorganisation der europäischen Völker und Staaten im Sinne des Fortschritts, hat auch auf das Großherzogthum Posen und namentlich auf die polnische Bevölkerung desselben, mächtig eingewirkt. Nachdem Deutschlands Regierung und Völker sich zu einem nationalen Staate vereinigten, hat sich der ganzen Bevölkerung der Provinz Posen der einmüthige Gedanke bemächtigt, daß hiermit auch die Stunde der Wiedergeburt Polens geschlagen hat.

Diese Stimme ist zu einer moralischen Macht geworden, sie wird von der öffentlichen Meinung von ganz Deutschland unterstützt und getragen, sie wird zu einer Bewegung führen, die selbst blutig sein dürfte, und es ist unseren Anstrengungen kaum gelungen, dieselbe aufzuhalten, indem wir es über uns genommen haben, Euer Königl. Majestät den Drang der Umstände vorzustellen und diejenigen Maßregeln zu erbitten, welche geeignet sein möchten, die wach gewordenen Hoffnungen der polnischen Bevölkerung im Großherzogthum Posen zu kräftigen. Indem wir uns als Organe des Großherzogthums Posen kund geben, schlagen wir ehrerbietigst Ew. Majestät vor, prinzipaliter eine National-Reorganisation des Großherzogthums Posen zu gestatten, welche sich schnell, aber ruhig und gesetzlich entwickeln soll unter dem Schirme Ew. Königl. Majestät; dazu ist aber zunächst erforderlich die Bildung einer provisorischen Commission für das Großherzogthum Posen, welche im Verein mit einem Königl. Commissarius diese nationale Reorganisation des Großherzogthums Posen regeln müßte. Die Mitglieder dieser Commission, die Männer des allgemeinen Vertrauens sein müßten, werden Ew. Königl. Majestät bald vorgeschlagen werden. Die nächste Aufgabe dieser Commission würde sein:

1) Die Umgestaltung der militärischen Besatzung in ein einheimisches Truppenkorps.

2) Besetzung der Aemter mit Eingebornen.

Zur Anbahnung dieser Reorganisation ist es vor allem nöthig, Ew. Königl. Majestät wolle allergnädigst befehl,n:

I. Die Bildung der Nationalgarde.

II. Aufhebung der bestehenden Polizeigewalten und Einführung selbstgewählter Polizeibeamten.

Hierauf erwiedert Se. Majestät etwa wie folgt:

Ich habe öfters von meinen Ministern erfahren, daß sich die Polen des Großherzogthums über die Besetzung aller Stellen durch Deutsche und die Nichtachtung ihrer Nationalität beklagen. Dies ist mir immer sehr unlieb gewesen; es hat aber nicht anders sein können, indem die Polen es vernachlässigten, sich die nöthige Befähigung zur amtlichen Thätigkeit zu erringen.

Sie haben jetzt, wo ganz Europa in Bewegung gerathen, von der Möglichkeit eines Aufstandes und einer blutigen Kollision im Großherzogthum Posen gesprochen. Diese Möglichkeit involvirte eine andere, die Möglichkeit einer Losreißung des Großherzogthums von meinen Staaten. Meine Herrn! Ich spreche ganz offen, aufrichtig und äußere mich so, wie der Augenblick es erheischt und mein Herz es fühlt. Es ist ein ganz natürlicher Wunsch, daß ich eine schöne blühende Provinz, die ich von meinen Vätern geerbt habe, behalten will. Reißen Sie sich los, bedenken Sie, in welch ein unabsehbares Unglück Sie sich stürzen. Eine jede Bewegung würde die Provinz in die Hände Rußlands spielen. Ich bin den Kaiser von Rußland mit flehentlichen Bitten angegangen, damit er in keinem Falle, was auch geschehen möge, einschreite, und ich habe die Versicherung erhalten, daß er dies vor des Hand nicht thuen und der Entwickelung Deutschlands keine Hindernisse in den Weg legen wolle. Auf das Wort dieses Kaisers kann ich mich fest verlassen, denn sein Entschluß ist unerschütterlich und er ein Mann von eisernem Willen, von dem edelsten und festesten Charakter, der mächtigste, weiseste, der alleinige unter den Souveränen Europas, der seine Macht mit unerschüterlicher Kraft und Energie aufrecht zu erhalten weiß. Sein Wort ist ja, ja; nein, nein! Er würde sich gewiß jedes Einschreitens enthalten, so lange seine polnischen Besitzungen nicht bedroht würden. Wenn aber mit oder ohne meinen Willen eine freie nationale Entwickelung im Großherzogthum Posen versucht werden sollte, die auf seine polnischen Provinzen von Einfluß und mit Gefahr für dieselben verbunden wäre, so würde er, hierdurch gereizt, zum Schutze seines eigenen Reiches sofort seine Truppen ins Großherzogthum Posen einrücken lassen. Meine Bitten würden dann gewiß nicht mächtig genug sein, um ihn davon zurückzu-

<TEI>
  <text>
    <pb facs="#f0001" n="0583"/>
    <front>
      <titlePage type="heading">
        <titlePart type="main">Neue Rheinische Zeitung</titlePart>
        <titlePart type="sub">Organ der Demokratie.</titlePart>
        <docImprint>
          <docDate>No 117. Köln, Sonntag den 15. Oktober. 1848.</docDate>
        </docImprint>
      </titlePage>
    </front>
    <body>
      <div type="contents" n="1">
        <head>Uebersicht.</head>
        <p><hi rendition="#g">Deutschland.</hi> Wien 9. Okt. (Reichstagssitzung &#x2012; Das Volk. &#x2012; Belvedere. &#x2012; Der englische Gesandte und die deutschen Gesandten &#x2012; Proklamationen. &#x2012; Scherzer. &#x2012; Der Hof. &#x2012; Schreiben aus Raab. &#x2012; Der Redakteur der A. O.-Z. &#x2012; Bach. &#x2012; Hurban. &#x2012; Jellachich. &#x2012; Auersperg's Soldaten. &#x2012; 10. Okt. Reichstag. &#x2012; Herrannahen des Kampfes. &#x2012; Die ungarische Armee). Prag. (Versammlung der anwesenden Reichstagsdeputirten und des Stadtverordneten-Kollegiums &#x2012; Proklamation) Frankfurt. (National-Versammlung). Berlin. (National-Versammlung vom 11. und 12. Oktober. &#x2012; Verwerfung der ministeriellen Vorlage zur Preßmaßregelung. &#x2012; Eine Deputation aus Brandenburg und Wrangel). Brandenburg. (Militairgeschichte). Breslau. (Neuste Nachrichten aus Wien). Hadersleben. (Mißhandlung von Deutschen in Jütland und Fühnen). Triest. (Die Unruhen von Cattaro)</p>
        <p><hi rendition="#g">Ungarn.</hi> Pesth. Ein &#x201E;Liebesbrief&#x201C; Jellachichs. &#x2012; Warnungsruf der Ungarn an die Oesterreicher).</p>
        <p><hi rendition="#g">Italien.</hi> Mailand. (Stimmung der Bevölkerung. &#x2012; Feindseligkeiten auf dem Lande. &#x2012; Truppenbewegungen). Turin. (Die englisch-französische Vermittelung) Messina. (Die franzosische Flotte. &#x2012; Parker und Baudin)</p>
        <p><hi rendition="#g">Belgien.</hi> Brüssel (Die Affaire von Risquons-Tout</p>
        <p><hi rendition="#g">Franz. Republik Paris.</hi> (Vermisch es. &#x2012; National-Versammlung).</p>
        <p><hi rendition="#g">Spanien.</hi> Madrid. (Figueras und Narvaez. &#x2012; Die Insurgenten in Katalonien).</p>
        <p><hi rendition="#g">Großbritannien.</hi> London. (Cholera. &#x2012; Eisenbahnspekulation). Dublin. (Mac Manus. &#x2012; Meagher. &#x2012; O'Brien).</p>
        <p> <hi rendition="#g">Handelsnachrichten.</hi> </p>
      </div>
      <div n="1">
        <head>Deutschland.</head>
        <div xml:id="ar117_001" type="jArticle">
          <head><bibl><author>61</author></bibl> Wien, 9. Okt.</head>
          <p>Nachdem der Reichstag heute Vormittag in den Kommissionen die Grundrechte berathen hatte, wurde am Nachmittage Sitzung gehalten.</p>
          <p><hi rendition="#g">Schuselka</hi> als Berichterstatter des Wohlfahrtsausschusses: Durch einen Eisenbahnführer ist die Nachricht angekommen, daß das Heer Jelachichs in Brück an der Leytha eingerückt ist und daß er in Trantmannsdorf sein Lager aufgeschlagen habe. Der Minister Hornbostel ist darauf sogleich als Eilbote an den Kaiser mit der Bitte abgegangen, er möge an Jelachich den strengsten Befehl ergehen lassen, nicht weiter vorzurücken. Zugleich begab sich der Reichstagabgeordnete del Prato in Jellachichs Lager, um ihn in Kenntniß zu setzen, daß der Kaiser zufolge seiner Antwort an die Deputation des Reichstags beschlossen habe, ein volksthümliches Ministerium zu bilden und mit diesem die Angelegenheiten der ganzen Monarchie zu berathen, daß Jelachich also jede Feindseligkeit vermeiden solle. Durch das Ministerium sollen wir diese Nachricht drm Grafen Auersperg mittheilen und ihn ersuchen lassen, das Militär sogleich in die Kasernen zurückzuziehen. Die Bauern des Marchfeldes und des Weinlandes haben eine mit vielen tausend Unterschriften versehene Adresse eingesendet und stellen sich zur Verfügung des Reichstages, um der Soldatenherrschaft ein Ende zu machen und die Verräther des Volkes zu verjagen. (Bravo der sämmtlichen im Reichstag sitzenden Verräther).</p>
          <p>Vertagung bis 6 1/2 Uhr.</p>
          <p><hi rendition="#g">Schuselka,</hi> wie oben: Nachdem wir den Grafen Auersperg wiederholt aufgefordert haben, seine drohende Stellung zu verändern, oder seine Truppen in die Kasernen zurückzuziehen, indem wir erklärten, daß die Nationalgarde und Legion dafür bürge, daß die Soldaten nicht insultirt würden; nachdem wir ihm ferner mitgetheilt, daß Jelachich sich in der Nähe Wiens befinde, hat derselbe uns antworten lassen, daß ihm über das Anrücken Jelachichs nichts bekannt geworden sei, er aber auch für diesen Fall seine Stellung behalten müsse. Uebrigens hege er durchaus keine feindseligen Absichten wider die Stadt, erhalte indessen wohl von anderer Seite fortwährend Drohungen. Wir haben uns darauf mit dem Gemeinderathe Wiens ins Einvernehmen gesetzt und ein zweites dringenderes Schreiben an Auersperg abgehen lassen, worin wir ihm mit Bestimmtheit zu erkennen geben, daß Jelachich nahe, daß die bevorstehende Nacht die Gefahren verdoppeln würde und die Dynastie unter solchen Umständen bedroht werden könne. Wir haben ihn auf die Verantwortlichkeit aufmerksam gemacht, die er beim Fortbeharren in seiner Stellung über sich nehme. Wir haben ihm angezeigt, daß der Oberkommandant Braun den Befehl habe, die Garde zu allarmiren, obwohl auch wir keineswegs feindselige Absichten hegten. Auf dieses letzte Schreiben erwarten wir die Antwort. Inzwischen ist der Abg. del Prato von seiner Sendung zurückgekehrt.(Nach Bruck führt nämlich eine Eisenbahn.) Er hat den Banus Jelachich schon in Schoda, (halbwegs Wien) angetroffen. Seine Vorposten bestehen in unregelmäßigen Truppen in fremdartigen Trachten (vulgo Gesindel, kaiserliche Räuber). Der Herr Berichterstatter verbreitet sich hierbei über das Idyllische des Anblicks dieser Vandalenhorden und über del Prato's zuvorkommenden Empfang beim Banus. Del Prato überbrachte nämlich, fährt Schuselka fort, den Beschluß des Reichstags hinsichtlich des Ansuchens der Stadt Preßburg, worauf Jelachich meinte, er habe von dem östreichischen Reichstage zwar keine Zusendungen zu empfangen, das Interesse der Gesammtmonarchie veranlasse ihn indessen, für diesmal davon eine Ausnahme zu machen. Als del Prato ihn ersuchte, den Befehlen des Kaisers nicht vorzugreifen und bis zum Eintreffen derselben nicht weiter vorzurücken, erklärte Jelachich, er kenne keinen andern Wunsch, kein anderes Streben, keinen andern Befehl, als den des Kaisers, seines Herrn. Auf Weiteres ließ er sich nicht ein. Die Truppen boten ein sehr klägliches Bild dar, sie bestehen aus regulären und irregulären und sind meistens in Lumpen gehüllt, selbst die Offiziere. Das Dorf, worin diese Truppen standen, schien sich von ihnen nicht belästigt zu fühlen. (Gute Empfehlung, Jelachich wird sie an Schuselka zu würdigen wissen. Der Reichstag hörte den ganzen Bericht mit stummem Schweigen an. Natürlich, alle Welt hatte sich zu empfehlen).</p>
          <p>Wir haben auch die Freude gehabt, eine sehr zahlreiche Deputation aus Prag zu empfangen. Sie versicherte uns, es seien über die Vorgänge in Wien zu Prag außerordentlich beunruhigende Nachrichten eingetroffen, namentlich wegen Bedrohung der czechischen Deputation. Die Deputation sei beauftragt worden, die Czechen aufzufordern, für diesen Fall den Reichstag und Wien zu verlassen. Wir haben dieser Deputation im Namen des Reichstags die beruhigendsten Versicherungen gegeben, indem wir betheuerten, daß wir in diesen Tagen keinen Ruf wider die persönliche Sicherheit der Abgeordneten vernommen hätten und daß die akademische Legion erst gestern erklärt habe, für die Sicherheit der Reichstagsdeputirten einstehen zu wollen. Wir wiesen sie ferner an unsere Proklamation an die Völker Oestreichs, aus welcher hervorgehe, daß von einer Nationalitätsfrage in diesen Tagen keine Rede gewesen sei und nur die Sache des Vaterlandes obgewaltet habe. Wir forderten sie endlich auf, im Interesse der Gesammtheit dieses Vaterlandes, das begonnene Werk seines Neubaues nicht zu stören und ihm alle Sonderinteressen unterzuordnen. Darauf versicherte die Deputation, daß auch die Czechen für die demokratisch-konstitutionelle Freiheit Gut und Blut zu lassen bereit seien. (Bravo).</p>
          <p>Auch aus Brünn ist uns eine Deputation zugekommen, welche uns des Beistandes der dortigen Nationalgarde versicherte.</p>
          <p>Um auf alle Fälle gerüstet zu sein, haben wir, obgleich wir den vielen lügenhaften Berichten keinen Glauben schenken und die Besorgnisse ängstlicher Gemüther nicht theilen (die Sprache aller dumm-feigen Volksverräther, die den Kanonen gegenüber rechten und winseln) auch an die Vertheidigung Wiens gedacht; wir haben die Nationalgarde ersucht, allen Zwiespalt unter sich zu vermeiden; wir haben dafür gesorgt, daß die Garde und Legion zum Kampf erscheine, daß Munition beschafft und noch Waffen vertheilt werden. (Wie die Herrn sich verlauten lassen, sollen die Arbeiter, das Volk sich schlagen und tödten lassen, um nach dem Siege die Waffen gutmüthig an sie wieder abzuliefern.) Wir dürfen uns keiner Sorglosigkeit hingeben. Wien ist das Herz der Monarchie. Nur soll sich die Bevölkerung nicht von den aus Dummheit oder böswilliger Absicht ausgesprengten fabelhaften Gerüchten aufregen lassen; Schuselka erwähnt hierbei einige dieser Gerüchte. Wir werden unsere Sorgfalt auch in dieser Nacht auf das Eifrigste fortsetzen. (Tritt unter Beifall ab.)</p>
          <p>Präs. <hi rendition="#g">Smolka:</hi> Nicht der Reichstag hat den Abgeordneten del Prato an Jellachich gesendet, sondern er hat nur einen Auftrag des Ministeriums an denselben besorgt, wozu ich ihm einen dreitägigen Urlaub bewilligt habe.</p>
          <p><hi rendition="#g">Goldmark</hi> verliest eine wegen der fabelhaften Gerüchte (?) an das Volk von Wien gerichtete eselhafte Proklamation. (Einziges Genie dieser matten linken Esel.)</p>
          <p><hi rendition="#g">Dilewski</hi> fragt den Minister (es ist immer nur einer da), was das Ministerium zu thun gedenke, da Jellachich mit nichtöstreichischem Militär den östreichischen Boden betreten. Er will nicht gleich Antwort.</p>
          <p><hi rendition="#g">Krauß</hi> (mit welchem das ganze Komödienspiel abgekartet ist und welcher hinwiederum im genauesten Einvernehmen mit Auersperg und Jellachich u. s. w. steht) antwortet demnach, Jellachich sei östreichischer General, befehle östreichisches Militär und man könne daher von keinem fremden General und Militär reden. Ich habe durch del Prato den Beschluß des Reichstags Jellachich überbringen lassen, er hat durchaus keine feindseligen Absichten. Wir müssen uns daher darauf beschränken, zu beobachten, was der Banus unternimmt, ich werde keinen Schritt thun, ohne den Wohlfahrtsausschuß davon in Kenntniß zu setzen. (Die ganze Kammer ruft unisono Bravo; selbst die Journalisten-Juden der Linken.)</p>
          <p><hi rendition="#g">Kavelkabo:</hi> Sind Nachrichten von Hornbostl eingetroffen?</p>
          <p><hi rendition="#g">Krauß:</hi> Noch nicht; er hat den Hof wahrscheinlich nicht getroffen und ist ihm weiter nachgereist. Es gehen die grundlosesten Gerüchte umher. So sprach man von einer in Grätz errichteten provisorischen Regierung; ich ließ deshalb durch den Telegraphen anfragen und erfuhr, daß kein wahres Wort daran sei.(Einige Journalisten merken, daß Krauß ein Spitzbube sei; er hat sein Gerücht selber erfunden und exploitirt es.)</p>
          <p>Hierauf entsteht auf Umlaufts Veranlassung eine Debatte über das Einberufen der davongelaufenen czechischen Abgeordneten. Es wird beschlossen, dieselben durch die öffentlichen Blätter zur Rückkehr zu vermögen.</p>
          <p><hi rendition="#g">Umlauft</hi> beantragt ferner, sofort ein Nationalgardegesetz zu erlassen oder das bestehende Gesetz provisorisch als solches zu verkünden. Nach einer längern Debatte beschließt der Reichstag, das bestehende Gesetz, jedoch nur insoweit es die Disciplin betreffe, als Nationalgardegesetz zu verkünden und auch auf die Provinzen auszudehnen.</p>
          <p>Das Protokoll vom 5. Oktober wird verlesen, woraus hervorgeht, daß der Reichstag für Gesandtschaften nur 500,000 Fl. bewilligt und das außerordentliche Militärbüdget von 34 Mill. Fl. gestrichen hat. Schluß 8 Uhr. Morgen 9 Uhr Berathung in den Kommission; jedoch hat der Reichstag sich auf das erste Alarmzeichen zu versammeln.</p>
          <p>Entrüstet über die verrätherische Feigheit dieser Erbärmlichen und niedergeschlagen wegen des hirnlos-feigen Benehmens des demokratischen Judengesindels, welches das Steuer führt, verließ ich diese Versammlung, um mich unter das Volk in den Straßen und auf den Basteien zu begeben. Hier fand ich redlichen Muth und richtige Einsicht. Ueberall stand das Volk bewaffnet und aufmerksam hinter den Barrikaden und auf den Wällen, zahllose Wachtfeuer verliehen dem Anblick etwas Eigenthümliches. Von den Basteien aus lagen Wiens Vorstädte mit imponirender Gesammtmacht im herrlichen Mondschein da und von überall her verkündeten ferne Schüsse, daß man aufpasse. Doch mit gespensterhaftem Drohen ragte über sie hinaus das Belvedere und ich erkannte mit Ingrimm, daß Auersperg unser Windischgrätz, der Belvedere <ref type="link_fsg">[Fortsetzung]</ref>                </p>
        </div>
      </div>
      <div type="jFeuilleton" n="1">
        <div xml:id="ar117_002" type="jArticle">
          <head>Audienz der Posener Deputation bei Sr. Maj dem Könige in Berlin am 23. Mai 1848.</head>
          <p>Am 20. März wurde von Posen aus eine Deputation an Se. Majestat den König abgeschickt. Dieselbe kam am 22ten in Berlin an und erhielt am 23ten Audienz. Mehre in Berlin anwesende Polen, unter diesen Miroslawski, schlossen sich der Deputation an, so daß sie wohl an 30 Mitglieder zählte. Gleich nach der Audienz haben mehrere, die bei derselben zugegen gewesen, alles was während derselben gesprochen wurde, niedergeschrieben und aus der Uebereinstimmung dieser Schriftstücke eine Darstellung zusammengetragen, die als der möglichst getreue Bericht anerkannt wurde. Diese Darstellung ist daher als eine solche zu betrachten, die zwar nicht aus stenographischen Materialien, wohl aber aus der sofortigen Aufzeichnung verschiedener Personen nach der gewissenhaftesten Prüfung zusammengetragen worden ist. Und diese Eigenschaft bestimmt das Maaß ihres Werthes oder Unwerthes.</p>
          <p>Die Deputirten erschienen vor Sr. Majestät und der Erzbischof las folgende Petition vor:</p>
          <p>Königliche Majestät!</p>
          <p>Die allgemeine Bewegung zur politischen Reorganisation der europäischen Völker und Staaten im Sinne des Fortschritts, hat auch auf das Großherzogthum Posen und namentlich auf die polnische Bevölkerung desselben, mächtig eingewirkt. Nachdem Deutschlands Regierung und Völker sich zu einem nationalen Staate vereinigten, hat sich der ganzen Bevölkerung der Provinz Posen der einmüthige Gedanke bemächtigt, daß hiermit auch die Stunde der Wiedergeburt Polens geschlagen hat.</p>
          <p>Diese Stimme ist zu einer moralischen Macht geworden, sie wird von der öffentlichen Meinung von ganz Deutschland unterstützt und getragen, sie wird zu einer Bewegung führen, die selbst blutig sein dürfte, und es ist unseren Anstrengungen kaum gelungen, dieselbe aufzuhalten, indem wir es über uns genommen haben, Euer Königl. Majestät den Drang der Umstände vorzustellen und diejenigen Maßregeln zu erbitten, welche geeignet sein möchten, die wach gewordenen Hoffnungen der polnischen Bevölkerung im Großherzogthum Posen zu kräftigen. Indem wir uns als Organe des Großherzogthums Posen kund geben, schlagen wir ehrerbietigst Ew. Majestät vor, prinzipaliter eine National-Reorganisation des Großherzogthums Posen zu gestatten, welche sich schnell, aber ruhig und gesetzlich entwickeln soll unter dem Schirme Ew. Königl. Majestät; dazu ist aber zunächst erforderlich die Bildung einer provisorischen Commission für das Großherzogthum Posen, welche im Verein mit einem Königl. Commissarius diese nationale Reorganisation des Großherzogthums Posen regeln müßte. Die Mitglieder dieser Commission, die Männer des allgemeinen Vertrauens sein müßten, werden Ew. Königl. Majestät bald vorgeschlagen werden. Die nächste Aufgabe dieser Commission würde sein:</p>
          <p>1) Die Umgestaltung der militärischen Besatzung in ein einheimisches Truppenkorps.</p>
          <p>2) Besetzung der Aemter mit Eingebornen.</p>
          <p>Zur Anbahnung dieser Reorganisation ist es vor allem nöthig, Ew. Königl. Majestät wolle allergnädigst befehl,n:</p>
          <p>I. Die Bildung der Nationalgarde.</p>
          <p>II. Aufhebung der bestehenden Polizeigewalten und Einführung selbstgewählter Polizeibeamten.</p>
          <p>Hierauf erwiedert Se. Majestät etwa wie folgt:</p>
          <p>Ich habe öfters von meinen Ministern erfahren, daß sich die Polen des Großherzogthums über die Besetzung aller Stellen durch Deutsche und die Nichtachtung ihrer Nationalität beklagen. Dies ist mir immer sehr unlieb gewesen; es hat aber nicht anders sein können, indem die Polen es vernachlässigten, sich die nöthige Befähigung zur amtlichen Thätigkeit zu erringen.</p>
          <p>Sie haben jetzt, wo ganz Europa in Bewegung gerathen, von der Möglichkeit eines Aufstandes und einer blutigen Kollision im Großherzogthum Posen gesprochen. Diese Möglichkeit involvirte eine andere, die Möglichkeit einer Losreißung des Großherzogthums von meinen Staaten. Meine Herrn! Ich spreche ganz offen, aufrichtig und äußere mich so, wie der Augenblick es erheischt und mein Herz es fühlt. Es ist ein ganz natürlicher Wunsch, daß ich eine schöne blühende Provinz, die ich von meinen Vätern geerbt habe, behalten will. Reißen Sie sich los, bedenken Sie, in welch ein unabsehbares Unglück Sie sich stürzen. Eine jede Bewegung würde die Provinz in die Hände Rußlands spielen. Ich bin den Kaiser von Rußland mit flehentlichen Bitten angegangen, damit er in keinem Falle, was auch geschehen möge, einschreite, und ich habe die Versicherung erhalten, daß er dies vor des Hand nicht thuen und der Entwickelung Deutschlands keine Hindernisse in den Weg legen wolle. Auf das Wort dieses Kaisers kann ich mich fest verlassen, denn sein Entschluß ist unerschütterlich und er ein Mann von eisernem Willen, von dem edelsten und festesten Charakter, der mächtigste, weiseste, der alleinige unter den Souveränen Europas, der seine Macht mit unerschüterlicher Kraft und Energie aufrecht zu erhalten weiß. Sein Wort ist ja, ja; nein, nein! Er würde sich gewiß jedes Einschreitens enthalten, so lange seine polnischen Besitzungen nicht bedroht würden. Wenn aber mit oder ohne meinen Willen eine freie nationale Entwickelung im Großherzogthum Posen versucht werden sollte, die auf seine polnischen Provinzen von Einfluß und mit Gefahr für dieselben verbunden wäre, so würde er, hierdurch gereizt, zum Schutze seines eigenen Reiches sofort seine Truppen ins Großherzogthum Posen einrücken lassen. Meine Bitten würden dann gewiß nicht mächtig genug sein, um ihn davon zurückzu- </p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0583/0001] Neue Rheinische Zeitung Organ der Demokratie. No 117. Köln, Sonntag den 15. Oktober. 1848. Uebersicht. Deutschland. Wien 9. Okt. (Reichstagssitzung ‒ Das Volk. ‒ Belvedere. ‒ Der englische Gesandte und die deutschen Gesandten ‒ Proklamationen. ‒ Scherzer. ‒ Der Hof. ‒ Schreiben aus Raab. ‒ Der Redakteur der A. O.-Z. ‒ Bach. ‒ Hurban. ‒ Jellachich. ‒ Auersperg's Soldaten. ‒ 10. Okt. Reichstag. ‒ Herrannahen des Kampfes. ‒ Die ungarische Armee). Prag. (Versammlung der anwesenden Reichstagsdeputirten und des Stadtverordneten-Kollegiums ‒ Proklamation) Frankfurt. (National-Versammlung). Berlin. (National-Versammlung vom 11. und 12. Oktober. ‒ Verwerfung der ministeriellen Vorlage zur Preßmaßregelung. ‒ Eine Deputation aus Brandenburg und Wrangel). Brandenburg. (Militairgeschichte). Breslau. (Neuste Nachrichten aus Wien). Hadersleben. (Mißhandlung von Deutschen in Jütland und Fühnen). Triest. (Die Unruhen von Cattaro) Ungarn. Pesth. Ein „Liebesbrief“ Jellachichs. ‒ Warnungsruf der Ungarn an die Oesterreicher). Italien. Mailand. (Stimmung der Bevölkerung. ‒ Feindseligkeiten auf dem Lande. ‒ Truppenbewegungen). Turin. (Die englisch-französische Vermittelung) Messina. (Die franzosische Flotte. ‒ Parker und Baudin) Belgien. Brüssel (Die Affaire von Risquons-Tout Franz. Republik Paris. (Vermisch es. ‒ National-Versammlung). Spanien. Madrid. (Figueras und Narvaez. ‒ Die Insurgenten in Katalonien). Großbritannien. London. (Cholera. ‒ Eisenbahnspekulation). Dublin. (Mac Manus. ‒ Meagher. ‒ O'Brien). Handelsnachrichten. Deutschland. 61 Wien, 9. Okt. Nachdem der Reichstag heute Vormittag in den Kommissionen die Grundrechte berathen hatte, wurde am Nachmittage Sitzung gehalten. Schuselka als Berichterstatter des Wohlfahrtsausschusses: Durch einen Eisenbahnführer ist die Nachricht angekommen, daß das Heer Jelachichs in Brück an der Leytha eingerückt ist und daß er in Trantmannsdorf sein Lager aufgeschlagen habe. Der Minister Hornbostel ist darauf sogleich als Eilbote an den Kaiser mit der Bitte abgegangen, er möge an Jelachich den strengsten Befehl ergehen lassen, nicht weiter vorzurücken. Zugleich begab sich der Reichstagabgeordnete del Prato in Jellachichs Lager, um ihn in Kenntniß zu setzen, daß der Kaiser zufolge seiner Antwort an die Deputation des Reichstags beschlossen habe, ein volksthümliches Ministerium zu bilden und mit diesem die Angelegenheiten der ganzen Monarchie zu berathen, daß Jelachich also jede Feindseligkeit vermeiden solle. Durch das Ministerium sollen wir diese Nachricht drm Grafen Auersperg mittheilen und ihn ersuchen lassen, das Militär sogleich in die Kasernen zurückzuziehen. Die Bauern des Marchfeldes und des Weinlandes haben eine mit vielen tausend Unterschriften versehene Adresse eingesendet und stellen sich zur Verfügung des Reichstages, um der Soldatenherrschaft ein Ende zu machen und die Verräther des Volkes zu verjagen. (Bravo der sämmtlichen im Reichstag sitzenden Verräther). Vertagung bis 6 1/2 Uhr. Schuselka, wie oben: Nachdem wir den Grafen Auersperg wiederholt aufgefordert haben, seine drohende Stellung zu verändern, oder seine Truppen in die Kasernen zurückzuziehen, indem wir erklärten, daß die Nationalgarde und Legion dafür bürge, daß die Soldaten nicht insultirt würden; nachdem wir ihm ferner mitgetheilt, daß Jelachich sich in der Nähe Wiens befinde, hat derselbe uns antworten lassen, daß ihm über das Anrücken Jelachichs nichts bekannt geworden sei, er aber auch für diesen Fall seine Stellung behalten müsse. Uebrigens hege er durchaus keine feindseligen Absichten wider die Stadt, erhalte indessen wohl von anderer Seite fortwährend Drohungen. Wir haben uns darauf mit dem Gemeinderathe Wiens ins Einvernehmen gesetzt und ein zweites dringenderes Schreiben an Auersperg abgehen lassen, worin wir ihm mit Bestimmtheit zu erkennen geben, daß Jelachich nahe, daß die bevorstehende Nacht die Gefahren verdoppeln würde und die Dynastie unter solchen Umständen bedroht werden könne. Wir haben ihn auf die Verantwortlichkeit aufmerksam gemacht, die er beim Fortbeharren in seiner Stellung über sich nehme. Wir haben ihm angezeigt, daß der Oberkommandant Braun den Befehl habe, die Garde zu allarmiren, obwohl auch wir keineswegs feindselige Absichten hegten. Auf dieses letzte Schreiben erwarten wir die Antwort. Inzwischen ist der Abg. del Prato von seiner Sendung zurückgekehrt.(Nach Bruck führt nämlich eine Eisenbahn.) Er hat den Banus Jelachich schon in Schoda, (halbwegs Wien) angetroffen. Seine Vorposten bestehen in unregelmäßigen Truppen in fremdartigen Trachten (vulgo Gesindel, kaiserliche Räuber). Der Herr Berichterstatter verbreitet sich hierbei über das Idyllische des Anblicks dieser Vandalenhorden und über del Prato's zuvorkommenden Empfang beim Banus. Del Prato überbrachte nämlich, fährt Schuselka fort, den Beschluß des Reichstags hinsichtlich des Ansuchens der Stadt Preßburg, worauf Jelachich meinte, er habe von dem östreichischen Reichstage zwar keine Zusendungen zu empfangen, das Interesse der Gesammtmonarchie veranlasse ihn indessen, für diesmal davon eine Ausnahme zu machen. Als del Prato ihn ersuchte, den Befehlen des Kaisers nicht vorzugreifen und bis zum Eintreffen derselben nicht weiter vorzurücken, erklärte Jelachich, er kenne keinen andern Wunsch, kein anderes Streben, keinen andern Befehl, als den des Kaisers, seines Herrn. Auf Weiteres ließ er sich nicht ein. Die Truppen boten ein sehr klägliches Bild dar, sie bestehen aus regulären und irregulären und sind meistens in Lumpen gehüllt, selbst die Offiziere. Das Dorf, worin diese Truppen standen, schien sich von ihnen nicht belästigt zu fühlen. (Gute Empfehlung, Jelachich wird sie an Schuselka zu würdigen wissen. Der Reichstag hörte den ganzen Bericht mit stummem Schweigen an. Natürlich, alle Welt hatte sich zu empfehlen). Wir haben auch die Freude gehabt, eine sehr zahlreiche Deputation aus Prag zu empfangen. Sie versicherte uns, es seien über die Vorgänge in Wien zu Prag außerordentlich beunruhigende Nachrichten eingetroffen, namentlich wegen Bedrohung der czechischen Deputation. Die Deputation sei beauftragt worden, die Czechen aufzufordern, für diesen Fall den Reichstag und Wien zu verlassen. Wir haben dieser Deputation im Namen des Reichstags die beruhigendsten Versicherungen gegeben, indem wir betheuerten, daß wir in diesen Tagen keinen Ruf wider die persönliche Sicherheit der Abgeordneten vernommen hätten und daß die akademische Legion erst gestern erklärt habe, für die Sicherheit der Reichstagsdeputirten einstehen zu wollen. Wir wiesen sie ferner an unsere Proklamation an die Völker Oestreichs, aus welcher hervorgehe, daß von einer Nationalitätsfrage in diesen Tagen keine Rede gewesen sei und nur die Sache des Vaterlandes obgewaltet habe. Wir forderten sie endlich auf, im Interesse der Gesammtheit dieses Vaterlandes, das begonnene Werk seines Neubaues nicht zu stören und ihm alle Sonderinteressen unterzuordnen. Darauf versicherte die Deputation, daß auch die Czechen für die demokratisch-konstitutionelle Freiheit Gut und Blut zu lassen bereit seien. (Bravo). Auch aus Brünn ist uns eine Deputation zugekommen, welche uns des Beistandes der dortigen Nationalgarde versicherte. Um auf alle Fälle gerüstet zu sein, haben wir, obgleich wir den vielen lügenhaften Berichten keinen Glauben schenken und die Besorgnisse ängstlicher Gemüther nicht theilen (die Sprache aller dumm-feigen Volksverräther, die den Kanonen gegenüber rechten und winseln) auch an die Vertheidigung Wiens gedacht; wir haben die Nationalgarde ersucht, allen Zwiespalt unter sich zu vermeiden; wir haben dafür gesorgt, daß die Garde und Legion zum Kampf erscheine, daß Munition beschafft und noch Waffen vertheilt werden. (Wie die Herrn sich verlauten lassen, sollen die Arbeiter, das Volk sich schlagen und tödten lassen, um nach dem Siege die Waffen gutmüthig an sie wieder abzuliefern.) Wir dürfen uns keiner Sorglosigkeit hingeben. Wien ist das Herz der Monarchie. Nur soll sich die Bevölkerung nicht von den aus Dummheit oder böswilliger Absicht ausgesprengten fabelhaften Gerüchten aufregen lassen; Schuselka erwähnt hierbei einige dieser Gerüchte. Wir werden unsere Sorgfalt auch in dieser Nacht auf das Eifrigste fortsetzen. (Tritt unter Beifall ab.) Präs. Smolka: Nicht der Reichstag hat den Abgeordneten del Prato an Jellachich gesendet, sondern er hat nur einen Auftrag des Ministeriums an denselben besorgt, wozu ich ihm einen dreitägigen Urlaub bewilligt habe. Goldmark verliest eine wegen der fabelhaften Gerüchte (?) an das Volk von Wien gerichtete eselhafte Proklamation. (Einziges Genie dieser matten linken Esel.) Dilewski fragt den Minister (es ist immer nur einer da), was das Ministerium zu thun gedenke, da Jellachich mit nichtöstreichischem Militär den östreichischen Boden betreten. Er will nicht gleich Antwort. Krauß (mit welchem das ganze Komödienspiel abgekartet ist und welcher hinwiederum im genauesten Einvernehmen mit Auersperg und Jellachich u. s. w. steht) antwortet demnach, Jellachich sei östreichischer General, befehle östreichisches Militär und man könne daher von keinem fremden General und Militär reden. Ich habe durch del Prato den Beschluß des Reichstags Jellachich überbringen lassen, er hat durchaus keine feindseligen Absichten. Wir müssen uns daher darauf beschränken, zu beobachten, was der Banus unternimmt, ich werde keinen Schritt thun, ohne den Wohlfahrtsausschuß davon in Kenntniß zu setzen. (Die ganze Kammer ruft unisono Bravo; selbst die Journalisten-Juden der Linken.) Kavelkabo: Sind Nachrichten von Hornbostl eingetroffen? Krauß: Noch nicht; er hat den Hof wahrscheinlich nicht getroffen und ist ihm weiter nachgereist. Es gehen die grundlosesten Gerüchte umher. So sprach man von einer in Grätz errichteten provisorischen Regierung; ich ließ deshalb durch den Telegraphen anfragen und erfuhr, daß kein wahres Wort daran sei.(Einige Journalisten merken, daß Krauß ein Spitzbube sei; er hat sein Gerücht selber erfunden und exploitirt es.) Hierauf entsteht auf Umlaufts Veranlassung eine Debatte über das Einberufen der davongelaufenen czechischen Abgeordneten. Es wird beschlossen, dieselben durch die öffentlichen Blätter zur Rückkehr zu vermögen. Umlauft beantragt ferner, sofort ein Nationalgardegesetz zu erlassen oder das bestehende Gesetz provisorisch als solches zu verkünden. Nach einer längern Debatte beschließt der Reichstag, das bestehende Gesetz, jedoch nur insoweit es die Disciplin betreffe, als Nationalgardegesetz zu verkünden und auch auf die Provinzen auszudehnen. Das Protokoll vom 5. Oktober wird verlesen, woraus hervorgeht, daß der Reichstag für Gesandtschaften nur 500,000 Fl. bewilligt und das außerordentliche Militärbüdget von 34 Mill. Fl. gestrichen hat. Schluß 8 Uhr. Morgen 9 Uhr Berathung in den Kommission; jedoch hat der Reichstag sich auf das erste Alarmzeichen zu versammeln. Entrüstet über die verrätherische Feigheit dieser Erbärmlichen und niedergeschlagen wegen des hirnlos-feigen Benehmens des demokratischen Judengesindels, welches das Steuer führt, verließ ich diese Versammlung, um mich unter das Volk in den Straßen und auf den Basteien zu begeben. Hier fand ich redlichen Muth und richtige Einsicht. Ueberall stand das Volk bewaffnet und aufmerksam hinter den Barrikaden und auf den Wällen, zahllose Wachtfeuer verliehen dem Anblick etwas Eigenthümliches. Von den Basteien aus lagen Wiens Vorstädte mit imponirender Gesammtmacht im herrlichen Mondschein da und von überall her verkündeten ferne Schüsse, daß man aufpasse. Doch mit gespensterhaftem Drohen ragte über sie hinaus das Belvedere und ich erkannte mit Ingrimm, daß Auersperg unser Windischgrätz, der Belvedere [Fortsetzung] Audienz der Posener Deputation bei Sr. Maj dem Könige in Berlin am 23. Mai 1848. Am 20. März wurde von Posen aus eine Deputation an Se. Majestat den König abgeschickt. Dieselbe kam am 22ten in Berlin an und erhielt am 23ten Audienz. Mehre in Berlin anwesende Polen, unter diesen Miroslawski, schlossen sich der Deputation an, so daß sie wohl an 30 Mitglieder zählte. Gleich nach der Audienz haben mehrere, die bei derselben zugegen gewesen, alles was während derselben gesprochen wurde, niedergeschrieben und aus der Uebereinstimmung dieser Schriftstücke eine Darstellung zusammengetragen, die als der möglichst getreue Bericht anerkannt wurde. Diese Darstellung ist daher als eine solche zu betrachten, die zwar nicht aus stenographischen Materialien, wohl aber aus der sofortigen Aufzeichnung verschiedener Personen nach der gewissenhaftesten Prüfung zusammengetragen worden ist. Und diese Eigenschaft bestimmt das Maaß ihres Werthes oder Unwerthes. Die Deputirten erschienen vor Sr. Majestät und der Erzbischof las folgende Petition vor: Königliche Majestät! Die allgemeine Bewegung zur politischen Reorganisation der europäischen Völker und Staaten im Sinne des Fortschritts, hat auch auf das Großherzogthum Posen und namentlich auf die polnische Bevölkerung desselben, mächtig eingewirkt. Nachdem Deutschlands Regierung und Völker sich zu einem nationalen Staate vereinigten, hat sich der ganzen Bevölkerung der Provinz Posen der einmüthige Gedanke bemächtigt, daß hiermit auch die Stunde der Wiedergeburt Polens geschlagen hat. Diese Stimme ist zu einer moralischen Macht geworden, sie wird von der öffentlichen Meinung von ganz Deutschland unterstützt und getragen, sie wird zu einer Bewegung führen, die selbst blutig sein dürfte, und es ist unseren Anstrengungen kaum gelungen, dieselbe aufzuhalten, indem wir es über uns genommen haben, Euer Königl. Majestät den Drang der Umstände vorzustellen und diejenigen Maßregeln zu erbitten, welche geeignet sein möchten, die wach gewordenen Hoffnungen der polnischen Bevölkerung im Großherzogthum Posen zu kräftigen. Indem wir uns als Organe des Großherzogthums Posen kund geben, schlagen wir ehrerbietigst Ew. Majestät vor, prinzipaliter eine National-Reorganisation des Großherzogthums Posen zu gestatten, welche sich schnell, aber ruhig und gesetzlich entwickeln soll unter dem Schirme Ew. Königl. Majestät; dazu ist aber zunächst erforderlich die Bildung einer provisorischen Commission für das Großherzogthum Posen, welche im Verein mit einem Königl. Commissarius diese nationale Reorganisation des Großherzogthums Posen regeln müßte. Die Mitglieder dieser Commission, die Männer des allgemeinen Vertrauens sein müßten, werden Ew. Königl. Majestät bald vorgeschlagen werden. Die nächste Aufgabe dieser Commission würde sein: 1) Die Umgestaltung der militärischen Besatzung in ein einheimisches Truppenkorps. 2) Besetzung der Aemter mit Eingebornen. Zur Anbahnung dieser Reorganisation ist es vor allem nöthig, Ew. Königl. Majestät wolle allergnädigst befehl,n: I. Die Bildung der Nationalgarde. II. Aufhebung der bestehenden Polizeigewalten und Einführung selbstgewählter Polizeibeamten. Hierauf erwiedert Se. Majestät etwa wie folgt: Ich habe öfters von meinen Ministern erfahren, daß sich die Polen des Großherzogthums über die Besetzung aller Stellen durch Deutsche und die Nichtachtung ihrer Nationalität beklagen. Dies ist mir immer sehr unlieb gewesen; es hat aber nicht anders sein können, indem die Polen es vernachlässigten, sich die nöthige Befähigung zur amtlichen Thätigkeit zu erringen. Sie haben jetzt, wo ganz Europa in Bewegung gerathen, von der Möglichkeit eines Aufstandes und einer blutigen Kollision im Großherzogthum Posen gesprochen. Diese Möglichkeit involvirte eine andere, die Möglichkeit einer Losreißung des Großherzogthums von meinen Staaten. Meine Herrn! Ich spreche ganz offen, aufrichtig und äußere mich so, wie der Augenblick es erheischt und mein Herz es fühlt. Es ist ein ganz natürlicher Wunsch, daß ich eine schöne blühende Provinz, die ich von meinen Vätern geerbt habe, behalten will. Reißen Sie sich los, bedenken Sie, in welch ein unabsehbares Unglück Sie sich stürzen. Eine jede Bewegung würde die Provinz in die Hände Rußlands spielen. Ich bin den Kaiser von Rußland mit flehentlichen Bitten angegangen, damit er in keinem Falle, was auch geschehen möge, einschreite, und ich habe die Versicherung erhalten, daß er dies vor des Hand nicht thuen und der Entwickelung Deutschlands keine Hindernisse in den Weg legen wolle. Auf das Wort dieses Kaisers kann ich mich fest verlassen, denn sein Entschluß ist unerschütterlich und er ein Mann von eisernem Willen, von dem edelsten und festesten Charakter, der mächtigste, weiseste, der alleinige unter den Souveränen Europas, der seine Macht mit unerschüterlicher Kraft und Energie aufrecht zu erhalten weiß. Sein Wort ist ja, ja; nein, nein! Er würde sich gewiß jedes Einschreitens enthalten, so lange seine polnischen Besitzungen nicht bedroht würden. Wenn aber mit oder ohne meinen Willen eine freie nationale Entwickelung im Großherzogthum Posen versucht werden sollte, die auf seine polnischen Provinzen von Einfluß und mit Gefahr für dieselben verbunden wäre, so würde er, hierdurch gereizt, zum Schutze seines eigenen Reiches sofort seine Truppen ins Großherzogthum Posen einrücken lassen. Meine Bitten würden dann gewiß nicht mächtig genug sein, um ihn davon zurückzu-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Marx-Engels-Gesamtausgabe: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-20T13:08:10Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jürgen Herres: Konvertierung TUSTEP nach XML (2017-03-20T13:08:10Z)
Maria Ermakova, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Frank Wiegand: Konvertierung XML nach DTA-Basisformat (2017-03-20T13:08:10Z)

Weitere Informationen:

Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz117_1848
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz117_1848/1
Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 117. Köln, 15. Oktober 1848, S. 0583. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz117_1848/1>, abgerufen am 21.11.2024.