Neue Rheinische Zeitung. Nr. 115. Köln, 13. Oktober 1848.Neue Rheinische Zeitung Organ der Demokratie. No 115. Köln, Freitag den 13. Oktober. 1848. Uebersicht. Deutschland. Köln. (Die "Kölnische Revolution." - Interpellationen.) Wien. (7. Oktober. - Der Tod Lataurs. - Verhalten des Volkes. - Jellachich. - Der Reichstag. - 8. Oktober. - Proklamationen. - Nähere Nachrichten. - Beschlüsse des Reichstags. - Proklamation des Vereins zur Wahrung der Volksrechte.) Frankfurt. (National-Versammlung.) Berlin. (National-Versammlung - Militairische Maßnahmen. - Das Bürgerwehrgesetz. - Bakunin's Ausweisung.) Potsdam. (Protest der Stadtverordneten gegen die Garde-du-Corps.) Posen. (Nachahmung der Kölner Gutgesinnten.) Dortmund. (Ein Arbeiteraufstand.) Zwickau (Befreiung eines Gefangenen.) Schleswig. (Statistik der im dänischen Krieg Gefallenen und Verwundeten.) Italien. Genua. (Der Angriff auf Venedig.) Belgien. Brüssel. (Die "Nation" über Engels und Dronke). Holland. Haag. (Annahme der neuen Constitution.) Frankreich. Paris. "La Presse" über Cavaignac. - Neue Justiz. - Journalurtheile über das Ministerium. - Vermischtes. - Nationalversammlung. Deutschland.
** Köln, 12. Oktober. Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden. * Köln, 12. October. Wie erlauben uns mehre unverfängliche Interpellationen an verschiedene hohe Behörden zu richten. Zuerst an Herrn Pfuel. Was ist aus Neufchatel geworden, das vor der Februarrevolution im preußischen Moniteur nicht mehr unter der Rubrik "Schweiz", sondern nur noch unter der Rubrik "Preußen" figurirte? Hat Herr Pfuel schon Anstalten getroffen, unser Neufchatel wiederzuerobern? Ein löbliches Justizministerium ersuchen wir, dem Publikum zu erklären, aus welchen tiefliegenden Gründen ein tauber 70jähriger Greis zum Präsidenten eines Anklagesenats ernannt worden ist? Die Göttin der Gerechtigkeit mag der Tradition gemäß blind sein. Sie auch des Hörsinns zu berauben ist eine frivole Neuerung. Vielleicht können die in Berlin beschäftigten Herren M., H. und S. einem hohen Ministerium Data zur Aufklärung dieses "Mißverständnisses" geben. Endlich erlauben wir uns eine Interpellation an den Herrn Reichsminister Schmerling zu richten. Hat er Anstalten getroffen, um Reichstruppen zur Aufrechthaltung der Ruhe nach Wien zu beordern? Offenbar sind die Unruhen in Wien gefahrdrohender für Deutschlands Ruhe, als die Unruhen in Siegmaringen. Jetzt ist der Moment für die Reichsgewalt gekommen, ihre energischen Erlasse zu bewahrheiten durch die That. 61 Wien, 7. Octob. 9 Uhr Abends. Ueber die Umstände bei Latour's Tode vernimmt man noch gar mancherlei, wovon vieles unwahr. Er soll weder auf dem Boden noch auch auf dem Abtritt, sondern in seinem Zimmer sitzend ergriffen worden sein und beim Eindringen des Volks ausgerufen haben: Für eine Kugel bin ich bereit! Ein Garde entgegnete ihm darauf: Eine Kugel bekommst du nicht, wohl aber wirst du gehängt. Nun wurde er die Stiege hinabgeschleppt, wobei er schon einen Hieb in's Genick und einen Stich in den Hals erhalten und dann die Hände gefalten haben soll. Nach andern führte man ihn ruhig in den Hof des Kriegsgebäudes und er soll daselbst, da der Hof mit Militär angefüllt war, plötzlich mit der gewöhnlichen Soldatenarroganz ausgerufen haben: Wißt ihr, wer ich bin? worauf ihm ein Garde einen Hieb in's Gesicht versetzt habe, ohne daß das rundumher aufgestellte Militär sich rührte. Latour war auch beim Militär durchaus verhaßt, so daß selbst das nicht übergetretene Militär sich geäußert haben soll: Wir erschießen zuerst die Studenten und dann den Kriegsminister. Sämmtliche Briefschaften Latour's wurden von Leuten aus dem Volke hinweggebracht; sie sollen eine Menge Personen, namentlich auch den ungarischen Ministerpräsidenten Batthyany bedeutend kompromittiren. - Eine schauerliche Oede herrscht in diesem Augenblick in den Straßen der Stadt. Das Volk, welches jetzt schon in der zweiten Nacht zu keinem Schlaf kommt, zeigt eine unglaubliche Ausdauer, einen entschlossenen Muth. Außer den Franzosen giebt es schwerlich ein Volk, was mit solcher gemüthlichen Scherzhaftigkeit in den Tod rennt, als das wiener und östreichische überhaupt. Man glaubt mit ihnen in's Kaffeehaus zu gehen, so leicht ziehen sie dem Feind entgegen. - Einem Gerüchte zufolge soll Jellachich in Eilmärschen auf Wien zueilen. Die ungarische Armee, vor welcher er flieht, soll ihm auf dem Fuße folgen. Man glaubt, er habe sich mit den nordslavischen Regimentern verstärkt. (In diesem Augenblick ertönt aus den fernen Vorstädten ein gewaltiger Generalmarsch [Fortsetzung] "Kein schöner Ding ist auf der Welt Als seine Feinde zu beißen." (Fortsetzung statt Schluß.) V. Da klang durch die Berge ein Posthorn hell; Es klang immer lust'ger und froher. Das ist, ich wette, der Postillon Von Lonjumeau, lieber Herr Soherr! Doch Soherr spitzte sein Ohr und sprach: "Sie irren sich! An den hellen Tönen, da hor ich, es ist die Post Die kommt von der heil'gen Stadt Köllen! Die bringt uns die Kölnische Zeitung." - Und Mein Jubel der wollte nicht enden. Und wahrlich, nach zehn Minuten hielt Ich das theure Blatt in den Händen. Und freute mich, daß die ehrliche Stadt Noch steh' auf demselben Flecke; Und daß man noch Pisporter trinke daheim Zu köstlichem Schnepfendrecke. Und daß die Bevölk'rung sich keineswegs Ueber all ihr Mißgeschick härme; Ja, daß man für die Soldaten jetzt Wie für kleine Mädchen schwärme. Und daß die Heuler am Leben noch Und die Wühler gekrochen zu Kreuze; Daß Herr Joseph gesund noch - und oben auf Seine vier literarischen Käuze. Daß Herr Levy noch schreibe die Feuilletons, Daß der Witz des Herrn Wolfers nicht holpre; Und daß der Herr Brüggemann wieder herum Auf dem alten Rechtsboden stolpre. Ja, die Kölnische las' ich! Drin annoncirt Citrone und Pumpernickel - In ihren Annoncen ist's, wo sie giebt Ihre besten polit'schen Artikel Bescheidenheit ist's, daß stets sie versteckt Ihr Bestes nur produciret - Die "Rheinische" trug es frech auf der Stirn, Drum ward sie suspendiret. Die arme Rheinische - ach! schon tod! Doch wartet: Empor einst rütteln Wird die zur Hölle Gefahrene sich Und keck ihre Locken schütteln. Ja, schüttelnd ihr ambrosisch Gelock, Wird hoch zu Gerichte sie sitzen: Zu spielen mit ihrem Donnerkeil Und mit ihren schlechten Witzen. IV. So sprachen wir wohl; und Soherr, mein Freund. Viel köstliche Spässe machte. Der junge Herr Morgen verschiedene Mal Seine herzlichen Thauthränen lachte. Und ein Lüftchen wehte von Rüdesheim Und kräuselte über die Wellen; Und küßte am Strande des Herbstes Blum Und die Trauben, die dunklen und hellen; Und schwang sich bergan und es tönte leis Die Aeolsharfe wieder - Und es war mir, als sänge der Geister Chor Ein Lied aus dem "Buche der Lieder." Aus deinem Buche, du kranker Schwan, Der du mußtest die Tage verbringen Im Exile, indeß der Heimath Höh'n Von deinem Ruhme klingen. - Doch Herr Soherr sprach: "Ich glaube, es ist Am besten, wir steigen zu Thale Und frühstücken Austern und Kaviar, Oder Käse, oder Lax, oder Aale. Ich gebe Ihnen ein gutes Glas Von einer verständigen Sorte. - " Sprach's. - Und ich erkannte den tiefen Sinn Dieser höchst gewichtigen Worte. Und der Keller erschloß sich. Und balde war'n Wir in sehr erfreulicher Andacht; Und nicht an Herrn Engels und nicht an Köln Sondern nur an den Wein Jedermann dacht. Und sangen: O Jerum, Jerum, Je! Und lagen uns in den Armen. Hosiannah! - Da flogen die Thüren auf Und herein traten zwei Gensdarmen. - - (Schluß folgt). Neue Rheinische Zeitung Organ der Demokratie. No 115. Köln, Freitag den 13. Oktober. 1848. Uebersicht. Deutschland. Köln. (Die „Kölnische Revolution.“ ‒ Interpellationen.) Wien. (7. Oktober. ‒ Der Tod Lataurs. ‒ Verhalten des Volkes. ‒ Jellachich. ‒ Der Reichstag. ‒ 8. Oktober. ‒ Proklamationen. ‒ Nähere Nachrichten. ‒ Beschlüsse des Reichstags. ‒ Proklamation des Vereins zur Wahrung der Volksrechte.) Frankfurt. (National-Versammlung.) Berlin. (National-Versammlung ‒ Militairische Maßnahmen. ‒ Das Bürgerwehrgesetz. ‒ Bakunin's Ausweisung.) Potsdam. (Protest der Stadtverordneten gegen die Garde-du-Corps.) Posen. (Nachahmung der Kölner Gutgesinnten.) Dortmund. (Ein Arbeiteraufstand.) Zwickau (Befreiung eines Gefangenen.) Schleswig. (Statistik der im dänischen Krieg Gefallenen und Verwundeten.) Italien. Genua. (Der Angriff auf Venedig.) Belgien. Brüssel. (Die „Nation“ über Engels und Dronke). Holland. Haag. (Annahme der neuen Constitution.) Frankreich. Paris. „La Presse“ über Cavaignac. ‒ Neue Justiz. ‒ Journalurtheile über das Ministerium. ‒ Vermischtes. ‒ Nationalversammlung. Deutschland.
** Köln, 12. Oktober. Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden. * Köln, 12. October. Wie erlauben uns mehre unverfängliche Interpellationen an verschiedene hohe Behörden zu richten. Zuerst an Herrn Pfuel. Was ist aus Neufchatel geworden, das vor der Februarrevolution im preußischen Moniteur nicht mehr unter der Rubrik „Schweiz“, sondern nur noch unter der Rubrik „Preußen“ figurirte? Hat Herr Pfuel schon Anstalten getroffen, unser Neufchatel wiederzuerobern? Ein löbliches Justizministerium ersuchen wir, dem Publikum zu erklären, aus welchen tiefliegenden Gründen ein tauber 70jähriger Greis zum Präsidenten eines Anklagesenats ernannt worden ist? Die Göttin der Gerechtigkeit mag der Tradition gemäß blind sein. Sie auch des Hörsinns zu berauben ist eine frivole Neuerung. Vielleicht können die in Berlin beschäftigten Herren M., H. und S. einem hohen Ministerium Data zur Aufklärung dieses „Mißverständnisses“ geben. Endlich erlauben wir uns eine Interpellation an den Herrn Reichsminister Schmerling zu richten. Hat er Anstalten getroffen, um Reichstruppen zur Aufrechthaltung der Ruhe nach Wien zu beordern? Offenbar sind die Unruhen in Wien gefahrdrohender für Deutschlands Ruhe, als die Unruhen in Siegmaringen. Jetzt ist der Moment für die Reichsgewalt gekommen, ihre energischen Erlasse zu bewahrheiten durch die That. 61 Wien, 7. Octob. 9 Uhr Abends. Ueber die Umstände bei Latour's Tode vernimmt man noch gar mancherlei, wovon vieles unwahr. Er soll weder auf dem Boden noch auch auf dem Abtritt, sondern in seinem Zimmer sitzend ergriffen worden sein und beim Eindringen des Volks ausgerufen haben: Für eine Kugel bin ich bereit! Ein Garde entgegnete ihm darauf: Eine Kugel bekommst du nicht, wohl aber wirst du gehängt. Nun wurde er die Stiege hinabgeschleppt, wobei er schon einen Hieb in's Genick und einen Stich in den Hals erhalten und dann die Hände gefalten haben soll. Nach andern führte man ihn ruhig in den Hof des Kriegsgebäudes und er soll daselbst, da der Hof mit Militär angefüllt war, plötzlich mit der gewöhnlichen Soldatenarroganz ausgerufen haben: Wißt ihr, wer ich bin? worauf ihm ein Garde einen Hieb in's Gesicht versetzt habe, ohne daß das rundumher aufgestellte Militär sich rührte. Latour war auch beim Militär durchaus verhaßt, so daß selbst das nicht übergetretene Militär sich geäußert haben soll: Wir erschießen zuerst die Studenten und dann den Kriegsminister. Sämmtliche Briefschaften Latour's wurden von Leuten aus dem Volke hinweggebracht; sie sollen eine Menge Personen, namentlich auch den ungarischen Ministerpräsidenten Batthyany bedeutend kompromittiren. ‒ Eine schauerliche Oede herrscht in diesem Augenblick in den Straßen der Stadt. Das Volk, welches jetzt schon in der zweiten Nacht zu keinem Schlaf kommt, zeigt eine unglaubliche Ausdauer, einen entschlossenen Muth. Außer den Franzosen giebt es schwerlich ein Volk, was mit solcher gemüthlichen Scherzhaftigkeit in den Tod rennt, als das wiener und östreichische überhaupt. Man glaubt mit ihnen in's Kaffeehaus zu gehen, so leicht ziehen sie dem Feind entgegen. ‒ Einem Gerüchte zufolge soll Jellachich in Eilmärschen auf Wien zueilen. Die ungarische Armee, vor welcher er flieht, soll ihm auf dem Fuße folgen. Man glaubt, er habe sich mit den nordslavischen Regimentern verstärkt. (In diesem Augenblick ertönt aus den fernen Vorstädten ein gewaltiger Generalmarsch [Fortsetzung] „Kein schöner Ding ist auf der Welt Als seine Feinde zu beißen.“ (Fortsetzung statt Schluß.) V. Da klang durch die Berge ein Posthorn hell; Es klang immer lust'ger und froher. Das ist, ich wette, der Postillon Von Lonjumeau, lieber Herr Soherr! Doch Soherr spitzte sein Ohr und sprach: „Sie irren sich! An den hellen Tönen, da hor ich, es ist die Post Die kommt von der heil'gen Stadt Köllen! Die bringt uns die Kölnische Zeitung.“ ‒ Und Mein Jubel der wollte nicht enden. Und wahrlich, nach zehn Minuten hielt Ich das theure Blatt in den Händen. Und freute mich, daß die ehrliche Stadt Noch steh' auf demselben Flecke; Und daß man noch Pisporter trinke daheim Zu köstlichem Schnepfendrecke. Und daß die Bevölk'rung sich keineswegs Ueber all ihr Mißgeschick härme; Ja, daß man für die Soldaten jetzt Wie für kleine Mädchen schwärme. Und daß die Heuler am Leben noch Und die Wühler gekrochen zu Kreuze; Daß Herr Joseph gesund noch ‒ und oben auf Seine vier literarischen Käuze. Daß Herr Levy noch schreibe die Feuilletons, Daß der Witz des Herrn Wolfers nicht holpre; Und daß der Herr Brüggemann wieder herum Auf dem alten Rechtsboden stolpre. Ja, die Kölnische las' ich! Drin annoncirt Citrone und Pumpernickel ‒ In ihren Annoncen ist's, wo sie giebt Ihre besten polit'schen Artikel Bescheidenheit ist's, daß stets sie versteckt Ihr Bestes nur produciret ‒ Die „Rheinische“ trug es frech auf der Stirn, Drum ward sie suspendiret. Die arme Rheinische ‒ ach! schon tod! Doch wartet: Empor einst rütteln Wird die zur Hölle Gefahrene sich Und keck ihre Locken schütteln. Ja, schüttelnd ihr ambrosisch Gelock, Wird hoch zu Gerichte sie sitzen: Zu spielen mit ihrem Donnerkeil Und mit ihren schlechten Witzen. IV. So sprachen wir wohl; und Soherr, mein Freund. Viel köstliche Spässe machte. Der junge Herr Morgen verschiedene Mal Seine herzlichen Thauthränen lachte. Und ein Lüftchen wehte von Rüdesheim Und kräuselte über die Wellen; Und küßte am Strande des Herbstes Blum Und die Trauben, die dunklen und hellen; Und schwang sich bergan und es tönte leis Die Aeolsharfe wieder ‒ Und es war mir, als sänge der Geister Chor Ein Lied aus dem „Buche der Lieder.“ Aus deinem Buche, du kranker Schwan, Der du mußtest die Tage verbringen Im Exile, indeß der Heimath Höh'n Von deinem Ruhme klingen. ‒ Doch Herr Soherr sprach: „Ich glaube, es ist Am besten, wir steigen zu Thale Und frühstücken Austern und Kaviar, Oder Käse, oder Lax, oder Aale. Ich gebe Ihnen ein gutes Glas Von einer verständigen Sorte. ‒ “ Sprach's. ‒ Und ich erkannte den tiefen Sinn Dieser höchst gewichtigen Worte. Und der Keller erschloß sich. Und balde war'n Wir in sehr erfreulicher Andacht; Und nicht an Herrn Engels und nicht an Köln Sondern nur an den Wein Jedermann dacht. Und sangen: O Jerum, Jerum, Je! Und lagen uns in den Armen. 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Sämmtliche Briefschaften Latour's wurden von Leuten aus dem Volke hinweggebracht; sie sollen eine Menge Personen, namentlich auch den ungarischen Ministerpräsidenten Batthyany bedeutend kompromittiren. ‒ Eine schauerliche Oede herrscht in diesem Augenblick in den Straßen der Stadt. Das Volk, welches jetzt schon in der zweiten Nacht zu keinem Schlaf kommt, zeigt eine unglaubliche Ausdauer, einen entschlossenen Muth. Außer den Franzosen giebt es schwerlich ein Volk, was mit solcher gemüthlichen Scherzhaftigkeit in den Tod rennt, als das wiener und östreichische überhaupt. Man glaubt mit ihnen in's Kaffeehaus zu gehen, so leicht ziehen sie dem Feind entgegen. ‒ Einem Gerüchte zufolge soll Jellachich in Eilmärschen auf Wien zueilen. Die ungarische Armee, vor welcher er flieht, soll ihm auf dem Fuße folgen. Man glaubt, er habe sich mit den nordslavischen Regimentern verstärkt. 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Holland. Haag. (Annahme der neuen Constitution.)
Frankreich. Paris. „La Presse“ über Cavaignac. ‒ Neue Justiz. ‒ Journalurtheile über das Ministerium. ‒ Vermischtes. ‒ Nationalversammlung.
Deutschland. ** Köln, 12. Oktober. _ * Köln, 12. October. Wie erlauben uns mehre unverfängliche Interpellationen an verschiedene hohe Behörden zu richten.
Zuerst an Herrn Pfuel. Was ist aus Neufchatel geworden, das vor der Februarrevolution im preußischen Moniteur nicht mehr unter der Rubrik „Schweiz“, sondern nur noch unter der Rubrik „Preußen“ figurirte? Hat Herr Pfuel schon Anstalten getroffen, unser Neufchatel wiederzuerobern?
Ein löbliches Justizministerium ersuchen wir, dem Publikum zu erklären, aus welchen tiefliegenden Gründen ein tauber 70jähriger Greis zum Präsidenten eines Anklagesenats ernannt worden ist? Die Göttin der Gerechtigkeit mag der Tradition gemäß blind sein. Sie auch des Hörsinns zu berauben ist eine frivole Neuerung. Vielleicht können die in Berlin beschäftigten Herren M., H. und S. einem hohen Ministerium Data zur Aufklärung dieses „Mißverständnisses“ geben.
Endlich erlauben wir uns eine Interpellation an den Herrn Reichsminister Schmerling zu richten. Hat er Anstalten getroffen, um Reichstruppen zur Aufrechthaltung der Ruhe nach Wien zu beordern? Offenbar sind die Unruhen in Wien gefahrdrohender für Deutschlands Ruhe, als die Unruhen in Siegmaringen. Jetzt ist der Moment für die Reichsgewalt gekommen, ihre energischen Erlasse zu bewahrheiten durch die That.
61 Wien, 7. Octob. 9 Uhr Abends. Ueber die Umstände bei Latour's Tode vernimmt man noch gar mancherlei, wovon vieles unwahr. Er soll weder auf dem Boden noch auch auf dem Abtritt, sondern in seinem Zimmer sitzend ergriffen worden sein und beim Eindringen des Volks ausgerufen haben: Für eine Kugel bin ich bereit! Ein Garde entgegnete ihm darauf: Eine Kugel bekommst du nicht, wohl aber wirst du gehängt. Nun wurde er die Stiege hinabgeschleppt, wobei er schon einen Hieb in's Genick und einen Stich in den Hals erhalten und dann die Hände gefalten haben soll. Nach andern führte man ihn ruhig in den Hof des Kriegsgebäudes und er soll daselbst, da der Hof mit Militär angefüllt war, plötzlich mit der gewöhnlichen Soldatenarroganz ausgerufen haben: Wißt ihr, wer ich bin? worauf ihm ein Garde einen Hieb in's Gesicht versetzt habe, ohne daß das rundumher aufgestellte Militär sich rührte. Latour war auch beim Militär durchaus verhaßt, so daß selbst das nicht übergetretene Militär sich geäußert haben soll: Wir erschießen zuerst die Studenten und dann den Kriegsminister. Sämmtliche Briefschaften Latour's wurden von Leuten aus dem Volke hinweggebracht; sie sollen eine Menge Personen, namentlich auch den ungarischen Ministerpräsidenten Batthyany bedeutend kompromittiren. ‒ Eine schauerliche Oede herrscht in diesem Augenblick in den Straßen der Stadt. Das Volk, welches jetzt schon in der zweiten Nacht zu keinem Schlaf kommt, zeigt eine unglaubliche Ausdauer, einen entschlossenen Muth. Außer den Franzosen giebt es schwerlich ein Volk, was mit solcher gemüthlichen Scherzhaftigkeit in den Tod rennt, als das wiener und östreichische überhaupt. Man glaubt mit ihnen in's Kaffeehaus zu gehen, so leicht ziehen sie dem Feind entgegen. ‒ Einem Gerüchte zufolge soll Jellachich in Eilmärschen auf Wien zueilen. Die ungarische Armee, vor welcher er flieht, soll ihm auf dem Fuße folgen. Man glaubt, er habe sich mit den nordslavischen Regimentern verstärkt. (In diesem Augenblick ertönt aus den fernen Vorstädten ein gewaltiger Generalmarsch[Fortsetzung]
„Kein schöner Ding ist auf der Welt Als seine Feinde zu beißen.“ (Fortsetzung statt Schluß.)
V.
Da klang durch die Berge ein Posthorn hell;
Es klang immer lust'ger und froher.
Das ist, ich wette, der Postillon
Von Lonjumeau, lieber Herr Soherr!
Doch Soherr spitzte sein Ohr und sprach:
„Sie irren sich! An den hellen
Tönen, da hor ich, es ist die Post
Die kommt von der heil'gen Stadt Köllen!
Die bringt uns die Kölnische Zeitung.“ ‒ Und
Mein Jubel der wollte nicht enden.
Und wahrlich, nach zehn Minuten hielt
Ich das theure Blatt in den Händen.
Und freute mich, daß die ehrliche Stadt
Noch steh' auf demselben Flecke;
Und daß man noch Pisporter trinke daheim
Zu köstlichem Schnepfendrecke.
Und daß die Bevölk'rung sich keineswegs
Ueber all ihr Mißgeschick härme;
Ja, daß man für die Soldaten jetzt
Wie für kleine Mädchen schwärme.
Und daß die Heuler am Leben noch
Und die Wühler gekrochen zu Kreuze;
Daß Herr Joseph gesund noch ‒ und oben auf
Seine vier literarischen Käuze.
Daß Herr Levy noch schreibe die Feuilletons,
Daß der Witz des Herrn Wolfers nicht holpre;
Und daß der Herr Brüggemann wieder herum
Auf dem alten Rechtsboden stolpre.
Ja, die Kölnische las' ich! Drin annoncirt
Citrone und Pumpernickel ‒
In ihren Annoncen ist's, wo sie giebt
Ihre besten polit'schen Artikel
Bescheidenheit ist's, daß stets sie versteckt
Ihr Bestes nur produciret ‒
Die „Rheinische“ trug es frech auf der Stirn,
Drum ward sie suspendiret.
Die arme Rheinische ‒ ach! schon tod!
Doch wartet: Empor einst rütteln
Wird die zur Hölle Gefahrene sich
Und keck ihre Locken schütteln.
Ja, schüttelnd ihr ambrosisch Gelock,
Wird hoch zu Gerichte sie sitzen:
Zu spielen mit ihrem Donnerkeil
Und mit ihren schlechten Witzen.
IV. So sprachen wir wohl; und Soherr, mein Freund.
Viel köstliche Spässe machte.
Der junge Herr Morgen verschiedene Mal
Seine herzlichen Thauthränen lachte.
Und ein Lüftchen wehte von Rüdesheim
Und kräuselte über die Wellen;
Und küßte am Strande des Herbstes Blum
Und die Trauben, die dunklen und hellen;
Und schwang sich bergan und es tönte leis
Die Aeolsharfe wieder ‒
Und es war mir, als sänge der Geister Chor
Ein Lied aus dem „Buche der Lieder.“
Aus deinem Buche, du kranker Schwan,
Der du mußtest die Tage verbringen
Im Exile, indeß der Heimath Höh'n
Von deinem Ruhme klingen. ‒
Doch Herr Soherr sprach: „Ich glaube, es ist
Am besten, wir steigen zu Thale
Und frühstücken Austern und Kaviar,
Oder Käse, oder Lax, oder Aale.
Ich gebe Ihnen ein gutes Glas
Von einer verständigen Sorte. ‒ “
Sprach's. ‒ Und ich erkannte den tiefen Sinn
Dieser höchst gewichtigen Worte.
Und der Keller erschloß sich. Und balde war'n
Wir in sehr erfreulicher Andacht;
Und nicht an Herrn Engels und nicht an Köln
Sondern nur an den Wein Jedermann dacht.
Und sangen: O Jerum, Jerum, Je!
Und lagen uns in den Armen.
Hosiannah! ‒ Da flogen die Thüren auf
Und herein traten zwei Gensdarmen. ‒ ‒
(Schluß folgt).
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Weitere Informationen:Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.
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