Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Neue Rheinische Zeitung. Nr. 88/89. Köln, 30. August 1848.

Bild:
<< vorherige Seite

Alte Greise, die bettelnd am Wege saßen, wurden von Bürger- und Polizeischergen erschossen. -- Mittlerweile waren die Arbeiter aus der Brigittenau denen in der Taborau zu Hülfe geeilt; da rückte schwere Militärkavallerie heran und suchte mit den Bürgergrenadieren gemeinschaftlich zu operiren. Die Arbeiter wurden in die Taborstraße getrieben, viele wurden gefangen und eingebracht, die Nationalgarde rückte immer mehr von allen Seiten heran. Der Oberkommandant Streffleur berichtete, daß er das Militär sofort entfernt habe.

Diese Thatsachen werden in diesem Augenblicke immer bekannter, das Volk wird immer aufgeregter, es kann zu einem ernstern Kampfe kommen, wenn die Nationalgarde sich nicht besinnt und erkennt, daß sie ein Werkzeug des Absolutismus und eines verrätherischen Ministeriums ist. Schon spricht man von Barrikaden.

61 Wien, 24. Aug.

Die Stadt ist dem Anscheine nach ruhig; die Reaktion hat momentan einen Sieg errungen.

Die Erhebung des Sicherheitsausschusses in der Nacht des 21. auf den 22. war blos ein Schein; er hatte sich überhoben, denn er hattte sich durch die Berathung und Beschließung der Adresse an das Frankfurter Parlament über die Majorität des Wiener Spießbürgerthums hinausgehoben. Es gelang der Kamarilla, den Ausschuß mit der Legion zu republikanisiren und vor dem Bauch des Staats, dem Bürgerthum, als verschlingende Drachen darzustellen; es gelang, eine Arbeiterhetze herauf zu beschwören und den Minister Schwarzer dazu als Werkzeug zu benutzen, durch den die übrigen Minister Latour, Bach, dieser konstitutionell-demokratisch-monarchische Narr -- Dobblhof u. s. w. die Kastanien aus dem Feuer nehmen konnten. -- Die Studenten meinen, es müßten wieder Barrikaden gebaut werden; gut, aber wenn ihr sie nicht auch wieder die politischen Ischariots und wieder das Bürgerthum baut, werdet ihr auch nach Siegen immer wieder in die alten Zustände, mit denen sich nur noch die Gemeinheit paart, zurückgetrieben werden.

Als ich gestern Abend den Sicherheitsausschuß verließ, war er im Begriff sich freiwillig aufzulösen, denn er hatte bei der Ordnungswuth der Nationalgarde nicht mehr die Macht in Händen; er that, was ihm allein übrig blieb, er sendete Deputationen an's Ministerium und ließ den interimistischen Oberkommandanten der Nationalgarde beschwören, die bürgerliche Schachersoldateska zurückzuhalten. Doch überall folgte den Bemühungen des Sicherheitsausschusses der Geruch des Republikanismus, d. h. die Vernichtung an seiner Autorität vor der bewaffneten Macht von 40,000 Spießbürgern, die aus Furcht vor der bewaffneten Legion und den Arbeitern schon Miene machte, die Errungenschaften Oesterreichs wieder an die Henkersknechte des Absolutismus, an das Militär, zu verhandeln. -- Fischoff, ohnlängst noch Präsident des Sicherheitsausschusses, jetzt Ministerialrath, zuckte die Achseln, als der Ausschuß vor ihn hintrat, um humane Maßregeln zu erwirken und meinte, das Gesetz müsse gehandhabt werden; Streffleur, der Oberkommandant, fühlte, daß er mit 40,000 Bajonnetten nach keinem Ausschuß mehr zu fragen habe, und das Ministerium ließ durch Bach erklären, es selbst sei antirepublikanisch gesinnt und werde auch ohne Gesetze wider republikanische Vereine und dergleichen antirepublikanisch zu handeln verstehen. -- So stürzte die Wiener Demokratie in einer Nacht zusammen und wir werden sehen, ob sie sich wieder aufzurichten vermag. Das Wetter ändert sich hier sehr rasch.

Zwei Maueranschläge verrathen wohin das Staatsschiff rudert, der eine heißt:

1) Das Ministerium übernimmt die unmittelbare Leitung aller Maßregeln zur Aufrechthaltung der öffentlichen Ruhe und Sicherheit in der Residenz. Alle exekutiven Organe haben daher nur nach den Anordnungen der Ministeriums zu handeln;

2) Auf allen Arbeitsplätzen, wo die gestrigen Unruhen stattfanden, ist die Arbeit eingestellt, und alle jene Arbeiter, welche daselbst beschäftigt waren und neuerdings zu einer öffentlichen Arbeit zugelassen werden wollen, müssen sich über ihr bisheriges Verhalten auf den Bauplätzen (Sedinitzky's Polizei rückt also schan so schnell wieder ein?), sowie über ihre Zuständigkeit ausweisen, wonch ihnen ein Arbeitsschein von dem betreffenden Bezirkskommissariate ausgefertigt wird.

In einem zweiten Maueranschlag befiehlt derselbe Ministerrath sub poena langjährigen Kerker's Gehorsam gegen die Nationalgarde, die Bürgerwehr und Legion einbegriffen.

15 Wien, den 23. August.

Aus einem andern Berichte über die Arbeiteremeute geben wir folgendes: Dem Sicherheitsausschusse waren die Hände gebunden, man beharrte bei der Lohnherabsetzung und trieb mit Säbelhieben die Arbeitermassen auseinander. Die Erbitterung kam nun gestern Abend zum ersten Ausbruch. Die Arbeiter im Prater rotteten sich zu einer Demostration gegen Schwarzer, den Minister der Arbeiten, zusammen, den sie in essigie begraben wollten; die Munizipalgarde sperrte der Prozession den Weg, die Nationalgarde wurde allamirt und gegen die unbewaffnete Arbeitermasse sofort mit Macht eingeschritten. Aber die Municipalgarde war zu oft verhönt, die Nationalgarde zu oft von ihrem Arbeitsstuhl durch die Lärmtrommel aufgeschreckt worden, um in ihrem blinden Drange nach unbedingter Ruhe und Ordnung um jeden Preis die einfachsten Rücksichten der Menschlichkeit zu beobachten, sie hieb auf die Fliehenden ohne Unterschied des Alters und Geschlechtes ein und soll fürchterliche Grausamkeiten verübt haben, die, wenn sie nur halbwegs wahr sind, sich den Gräuelscenen der Pariser Junitage würdig anreihen dürfen. Nachdem kein Fliehender mehr zu erreichen und niederzustoßen war, zogen die Garden im Triumphzuge in die Stadt zurück, die in der fürchterlichsten Aufregung war. Die blutige Saat des gestrigen Tages wird desto fürchterlicher aufgehen; je weniger dringend ein solch barbarisches. Einschreiten erschien.

Die Schuld dieser traurigen Vorfälle trifft zunächst das Ministerium, das diesen Zusammenstoß auf die plumpste Art herbeigeführt und damit der Reaktion Thür und Thor geöffnet hat. Daß aber der erfolgte Zusammenstoß kein unerwarteter, kein nothwendiger, viellmehr ein wohlberechneter, angelegter war, dafür spricht die Bewilligung der Kammer zu einem Anlehen von 20 Millionen, dafür spricht die Haltung des Ministeriums in der Stunde der Gefahr selbst. Man will entzweien, man will die Auflösung des Sicherheitsausschusses als eines volksthümlichen und volksfreundlichen Tribunals, man will die Auflösung der academischen Legion, um zum militärischen Despotismus zu kommen und den Weg anzubahnen, der in die schöne, alte Zeit zurückführt.

Den 24. August. Die Nacht verlief ruhig, die Zahl der Todten und Verwundeten wird auf mehr als 100 veranschlagt. Die Arbeiter wüthen über das treulose und kanibalische Benehmen der Garde und brüten furchtbare Rache. Es stellt sich immer klarer heraus, daß die Treibjagd auf die wehrlosen und fliehenden Arbeiter ebenso unmenschlich als nutzlos war. Mitglieder der academischen Legion parlamentiren fortwährend mit den Arbeitern und suchen die mit Recht erbitterten Gemüther zu beschwichtigen. Unser Ministerium Dobbhoff wird an eben diesem seinem Siege über die Arbeiter zu Grunde gehen, und das Heft der Regierung wird in die Hände Stadion-Neumanns fallen, in deren Gefolge wir die ganze adliche und militärische Sippschaft, die vollständig organisirte schwarzgelbe Reaktion zu gewärtigen haben.

Der Sicherheitsausschuß hat sich heute aufgelöst, indem das Ministerium die Erklärung abgab, kein anderes Organ neben sich dulden zu können, und die Verwaltung allein und ungetheilt in seinen Händen besitzen will. Der Reichstag wird stets eine ministerielle Majorität haben und seine Mission, wie es bisher zu ersehen, kaum erfüllen. Jedenfalls gehen wir blutigen Ereignissen entgegen.

* Wien, 25. Aug.

Gestern begann der erste öffentliche Preßprozeß gegen die Redakteure des "Studenten-Courier" wegen eines Artikels: "die Republik in Wien". Der Staatsanwalt trug auf 6wöchentlichen Arrest an. Die Geschwornen erklärten: "Nicht schuldig", Mit unendlichem Jubel begleitete das Volk die Freigesprochenen nach Hause.

!!! Frankfurt, 26. August.

So eben (11 Uhr Abends) komme ich von dem mehr als glänzenden Empfang zurück, welchen Frankfurts Demokraten der Wiener Deputation gebracht haben, die jene vielbesprochene Adresse von 80,000 Wiener Bürgern, vom Demokratenverein, liberalen Verein. Studentenlegion, Wohlfahrtsausschuß etc. unterzeichnet, der äusersten Linken der Nationalversammlung überbringt. -- Die Deputation, nur aus dem Präsidenten des Wiener demokratischen Vereins, Dr. Deutsch, bestehend, kam um 10 Uhr Abends in Frankfurt an und wurde von den Arbeitern, einigen neugierigen Bürgern und Damen, einigen Mitgliedern der Linken etc. bei Fackelschein und Gesang im hiesigen Fai'schen Garten freudig empfangen. Friedrich Kapp hielt eine begrüßende Anrede, die Dr. Deutsch mit einem Hoch auf die äußerste Linke erwiederte. Nachher sprach Wiesner (Abgeordneter aus Wien) in einer kräftigen mit Jubelruf begrüßten Rede.) Hierauf begleitete die Menge in dichtgedrängtem, unabsehbarem Zuge mit vielen hundert Fackeln den Dr. Deutsch durch die Straßen Frankfurts nach dem Landsberg. Ununterbrochen erschallten Lebehochs auf Hecker, auf die Republik, besonders vor dem Hotel de Russie, der früheren Wohnung des Reichsverwesers. Der Geist Wiens war in die Freireichsstädter gefahren.

15 Berlin, 25. Aug.

Das Ungewitter, welches sich über dem Haupte der guten Bürger von Posen zusammengezogen, ist glücklich zertheilt. "Vater" Steinäcker bleibt wieder bei ihnen. Die Deputation, welche vor einigen Tagen hieher geschickt war, bekam Audienz beim Premier Auerswald, der ihnen mittheilte, daß die Regierung von einer beabsichtigten Entfernung des "allverehrten" Generals "mit den Silberhaaren" gar nichts wüßte. In Betreff der preußischen Politik im Großherzogthum Posen äußerte sich der Hr. Minister huldvoll, daß die Reorganisation und Demarkation ganz im Sinne des preußisch-jüdischen Race ausfallen würde.

Unterdessen haust die preußische Soldateska in der unglücklichen Provinz im Verein mit den Landräthen ganz nach der alten Manier. Vor wenigen Tagen stand im Städtchen Zerkow ein polnischer Bürger ganz ruhig in der Kirche, als ein Unteroffizier vom 21. Regiment hereinstürzt. Jener fragt, was er wolle? Statt aller Antwort fällt der Unteroffizier über ihn her und schlägt ihn mit seinem Säbel über Kopf und Arm. Der Pole ruft Hülfe und sucht in den obern Stock zum Schullehrer zu entfliehen. Allein nun bricht ein ganzer Schwarm von Soldaten in das Haus und mißhandelt den Mann mit Kolben, Säbeln und Ladestöcken bis er endlich halbtodt daliegt. Genugthuung ist natürlich dem Manne nicht geworden; ist er ja ein Pole.

In Folge der Exzesse vom 21. Aug. sind hier bis jetzt 58 Personen verhaftet und 46 davon dem Kriminalgericht übergeben worden. Trotzdem, daß die Sache sehr eifrig betrieben wird, und die Minister Auerswald, Kühlwetter und Märker bereits verhört worden sind, will sich bis jetzt nichts Erhebliches herausstellen.

103 Berlin, 26. Aug.

Sitzung der Vereinbarer-Versammlung. Tagesordnung: Berathung des Gesetzes zum Schutze der persönlichen Freiheit.

§. 5. "Die Wohnung ist unverletzlich. Während der Nacht hat Niemand das Recht, in dieselbe einzudringen, als in Fällen einer Feuer- oder Wassersnoth, einer Lebensgefahr oder eines aus dem Innern der Wohnung hervorgegangenen Ansuchens. Bei Tage kann wider den Willen des Hausherrn Niemand eindringen, außer in Folge einer in amtlicher Eigenschaft ihm gesetzlich beigelegten Befugniß oder eines von ihm von einer gesetzlich dazu ermächtigten Behörde ertheilten schriftlichen Auftrags.

"Haussuchungen dürften nur in den Fällen und nach den Formen des Gesetzes unter Mitwirkung des Richters, der gerichtlichen Polizei, und wo diese noch nicht eingeführt ist, der Polizeikommissarien oder der Kommunalbehörde, wo eine solche aber nicht besteht, der Polizeibehörde des Orts geschehen."

Der Berichterstatter Waldeck begründet den §.

Die Abg. Harrassowitz, Rintelen, Weichsel, Lisiecki, Borchardt stellen Amendements oder Zusätze. Der Borchardtsche Zusatz:

"und zwar unter Zuziehung des Angeschuldigten oder Falls dies unmöglich der Hausgenossen," wird angenommen.

§. 6. "Das aus der Nachtzeit hergeleitete Verbot besteht für die Zeit vom 1. Oktober bis 31. März während der Stunden von 6 Uhr Abends bis 6 Uhr Morgens, und für die Zeit vom 1. April bis 30. September während der Stunden von 9 Uhr Abends bis 4 Uhr Morgens. Auf diejenigen Orte jedoch, welche als Schlupfwinkel des Hazardspiels und der Ausschweifungen oder als gewöhnliche Zufluchtsorte von Verbrechern glaubhaft bezeichnet werden, findet dies Verbot keine Anwendung. In Betreff derjenigen Orte, in welchen während der Nachtzeit das Publikum ohne Unterschied zugelassen wird, bleibt es außer Anwendung, so lange sie dem Publikum geöffnet sind."

Berichterstatter Waldeck motivirt.

Abg. Blöm stellt das Amendement: statt des Wortes "glaubhaft" die Worte: "durch den gemeinen Ruf," zu setzen.

Abg. von Daniels stellt den Zusatz: hinter den Worten: "bezeichnet" einzuschalten: "und auf Wohnungen der Personen, welche durch ein Straferkenntniß unter besondere polizeiliche Aufsicht gestellt sind, findet dies Verbot keine Anwendung." Beide Amendements werden angenommen.

§. 7. "Im Falle eines Krieges oder Aufruhrs kann, wenn die Volksvertretung nicht versammelt ist, durch Beschluß und unter Verantwortlichkeit des Staatsministerii die zeit- und distriktsweise Suspendirung des §. 1 gegenwärtigen Gesetzes provisorisch ausgesprochen werden. Die Volksvertretung ist jedoch in diesem Falle zusammenzuberufen."

Dieser Paragraph, so einfach er ist, ruft wieder einmal eine der stürmischen Scenen hervor, welche die rechte Seite, wenn sie bei der Abstimmung unterliegt, durch ihr Lärmen und Geschrei eine neue Abstimmung zu erlangen, hervorruft. -- Der Abgeordnete Hartmann hat das, von der rechten Seite unterstützte Amendement gestellt, nicht allein den §. 1 wie hier vorgeschlagen, sondern auch noch die "§§. 2, 3, 5, 6." einzuschalten, damit dieselben bei einer desfallsigen Suspendirung mit einbegriffen sind. Der Vice-Präsident Kosch beobachtet nun das Verfahren, zuerst die Frage zu stellen, ob auch §. 2 hinzugefügt werde. Die rechte Seite erhebt sich dafür, und der Vice-Präsident Kosch erklärte es für die Minorität. Das will die Rechte nicht zugeben und verlangt nochmalige Abstimmung und Zählung. Der Lärm wird immer größer, bis endlich der Antragsteller Hartmann die Tribüne besteigt und der Rechten erklärt, daß er als Antragsteller sich mit der Abstimmung einverstanden erkläre, da ja der §. 2. ohne allen Einfluß bei einer desfallsigen Suspendirung des Gesetzes sei. Auch §§. 3 und 6 werden nicht zur Suspendirung hinzugenommen; nur §. 5 wird mit 159 gegen 151 Stimmen dazugezogen, so daß es nun im Text des §. 7 heißen muß: "die Suspendirung der §§. 1. und 5. des gegenwärtigen Gesetzes."

§. 8. "Es ist keine vorgängige Genehmigung der Behörden nöthig, um öffentliche Civil- und Militär-Beamten wegen der durch Ueberschreitung ihrer Amtsbefugnisse verübten Verletzungen vorstehender Bestimmungen gerichtlich zu belangen.

Berichterstatter Waldeck motivirt.

Da sich der Minister des Innern im Namen der Regierung für die Annahme des Paragraphen erklärte, so findet keine weitere Debatte statt, und der §. 8 wird einstimmig angenommen. --

Der Abgeordnete Arntz hat den Antrag gestellt: Folgende Bestimmung möge als §. 9. dem Gesetze hinzugefügt werden:

"Wer beschuldigt ist, vermittelst der Presse oder auf eine andere Weise ein politisches Vergehen verübt zu haben, welches als höchste Strafe im Bezirke des Rheinischen Appellationsgerichts fünf Jahre Gefängniß, in den übrigen Landestheilen vier Jahre Gefängniß, Zuchthaus oder Festungs-Arrest nach sich ziehen kann, soll, wenn er in Preußen einen festen Wohnsitz hat, vor der Verurtheilung nicht verhaftet werden, es sei denn, daß er der Vorladung vor dem Richter zu erscheinen nicht Folge leiste.

Als politische Vergehen werden, außer den im §. 2. der Verordnung vom 15. April 1848 bezeichneten, diejenigen Vergehen betrachtet, welche vorgesehen sind:

1) im Allgemeinen Landrecht Theil II. Titel 20. Abschnitt 2, 3, 4 und 5;
2) im Rheinischen Strafgesetzbuche, Buch III. Titel I. Kap. 3, Abschnitt 3 §. 1."

Minister des Innern Kühlwetter: Die Regierung muß sich der Annahme dieses Antrags ganz entschieden widersetzen. Wir sind im Begriff eine Verfassung zu begründen, an deren Spitze die Gleichheit Aller vor dem Gesetze als Prinzip gestellt ist. Dieses Prinzip wird beeinträchtigt, wenn Sie diesen Antrag annehmen, wenn Sie eine bestimmte Untersuchungs-Kategorie vor andern bevorzugen.

Abg. Jung: Die Presse und die politischen Vergehen befinden sich seit dem 18. März in der üblen Lage, stets nach den veralteten Gesetzen beurtheilt zu werden, welche durch die Ereignisse jenrs Tages faktisch aufgehoben sind, und von Gerichten, die dem Geiste der Zeit eben so wenig entsprechen, daß wir den Vorschlag des Abg. Arntz mit Freuden annehmen können. Die Einwendungen des Ministers des Innern beziehen sich fast nur auf formelle Bedenken. Er sagt: es sei gegen die Rechtsgleichheit für politische und Preßvergehen die Untersuchungshaft abzuschaffen. Diese Vergehen unterscheiden sich aber sehr bestimmt vor allen andern. Es sind Verbrechen, die aus sittlichen Antrieben entstehen. (Murren auf der Rechten.) Ja, der politische Verbrecher steht auf dem Boden der Sittlichkeit. (Beifallsbezeigung der Linken.)

Abg. Jungblut: Vor Allem muß ich Verwahrung dagegen einlegen, daß das, welches hier als Grundsatz der Sittlichkeit ausgesprochen worden, als Ausdruck der Gesinnung der ganzen Versammlung zu betrachten wäre. (Gelächter und allgemeine Heiterkeit.)

Nachdem der Abg. Borchardt sich noch für den Antrag ausgesprochen hat, bemerkt der Minister Kühlwetter: es sei nicht zu übersehen, daß die Untersuchungshaft nur vom Richter ausgehen kann, und der Richterstand stehe in Preußen unabhängig da, wie er immer unabhängig da gestanden habe. (Bezweifelnde Ausrufungen zur Linken.)

Abg. Stupp: Man möge nur Vertrauen haben zu dem Richter und "wir als Vertreter der Nation dürfen keinen Zweifel äußern an der Selbstständigkeit unserer Richter."

Reichenbach: Der Minister des Innern hat behauptet, der Antrag sei eine Verletzung der Gleichheit vor dem Gesetze. Man lasse sich nicht blenden von diesem Satze, der Antrag bezweckt nur die gleiche Befreiung aller Staatsbürger wegen eines und desselben Verbrechens.

Abg. Arntz erklärt als Antragsteller sich mit der Verweisung in die Centralabtheilung begnügen zu wollen. -- Nach einer Unterredung mit dem Abgeordneten Waldeck zieht er seinen Antrag jedoch ganz zurück, da ihm dieser als Vorsitzender der Verfassungs-Kommission mitgetheilt habe, daß ein Preßgesetz von dieser Kommission in den nächsten Tagen vorgelegt werden würde, wo er seinen Antrag wieder einreichen werde. --

Abg, Waldell berichtigt diese Angabe noch dahin, daß das Preßgesetz erst von einer engeren Kommission ausgearbeitet sei und noch die Berathung der Verfassungskommission durchzumachen habe.

103 Berlin, 27. Aug.

Das, vom Abgeordneten Waldeck, bei Gelegenheit der Debatten des Arntz'schen Antrages auf Aufhebung der Untersuchungshaft bei politischen und Preßvergehen, erwähnte Gesetz über die Untersuchung und Bestrafung der politischen und Preßvergehen ist von demselben ausgearbeitet, von der engern Kommission bereits genehmigt und gestern der Verfassungs-Kommission vorgelegt worden, welche es sofort berathen und alsdann den Abtheilungen zugehen lassen wird. -- Der Entwurf lautet:

§. 1. Vergehen, welche durch die Presse begangen werden, sind nach den allgemeinen Landesgesetzen zu bestrafen.

§. 2. Alle Verbreitungen durch den Druck oder eine dem Druck gleichstehende Vervielfältigungsart, auch durch Bildwerke, werden hier unter "Presse" verstanden.

§. 3. Das Wort Vergehen wird in diesem Gesetze für "strafbare Handlung" gebraucht.

§. 4. Folgende gesetzliche Bestimmungen:
Allgemeines Landrecht II. Titel 20 §§. 151-156, nebst der
Allgemeines Landrecht Theil II. Titel 20 §§. 196-209 daselbst §§. 620, 621
bleiben fortan außer Anwendung.

§. 5. In den Landestheilen, in welchen das gemeine Strafrecht gilt, fallen diejenigen Strafbestimmungen, welche vorgedachten Gesetzen entsprechen, ebenfalls weg.

§. 6. In den Landestheilen, in welchen das Allgemeine Landrecht Gültigkeit hat, werden durch die Presse verübte Beleidigungen der Ehre fortan nach den Gesetzen bestraft, welche bei Beleidigungen unter Personen höhern Bürgerstandes gelten, ohne daß der Stand des Beleidigers oder Beleidigten dabei weiter zur Berücksichtigung kommt. Bei einer Klage wegen Verleumdung ist die Einrede der Wahrheit der als verleumderisch bezeichneten Thatsachen zulässig.

§. 7. Auf jeder Druckschrift muß bei 5-20 Thlr. Strafe der Name und Wohnort des Druckers am Schlusse angegeben werden. Der Drucker übernimmt dadurch die Verantwortlichkeit. Sie geht auf den Verleger über, wenn dieser ebenfalls mit Namen und Wohnort genannt und in Preußen bei Einleitung des gerichtlichen Verfahrens wohnhaft und anwesend ist. Ist Letzteres mit dem Verfasser der Schrift der Fall, so dürfen Drucker und Verleger, wenn deren Mitschuld nicht durch andere Thatsachen begründet wird, nicht gerichtlich verfolgt werden.

§. 8. Als politische Vergehen gelten diejenigen, worüber sich der zweite, dritte und vierte Abschnitt des Titels 20, §§. 91-179, Allgemeinen Landrechts Theil II., die demselben im gemeinen Strafrechte und im Rheinischen Strafgesetzbuche gleichstehenden Vergehen verhält.

§. 9. Alle den Vorschriften dieses Gesetzes entgegenstehende Bestimmungen, namentlich das Gesetz über die Presse vom 17. März 1848, treten außer Kraft.

§. 10. In Ansehung der durch die Presse verübten Beleidigun-

Alte Greise, die bettelnd am Wege saßen, wurden von Bürger- und Polizeischergen erschossen. — Mittlerweile waren die Arbeiter aus der Brigittenau denen in der Taborau zu Hülfe geeilt; da rückte schwere Militärkavallerie heran und suchte mit den Bürgergrenadieren gemeinschaftlich zu operiren. Die Arbeiter wurden in die Taborstraße getrieben, viele wurden gefangen und eingebracht, die Nationalgarde rückte immer mehr von allen Seiten heran. Der Oberkommandant Streffleur berichtete, daß er das Militär sofort entfernt habe.

Diese Thatsachen werden in diesem Augenblicke immer bekannter, das Volk wird immer aufgeregter, es kann zu einem ernstern Kampfe kommen, wenn die Nationalgarde sich nicht besinnt und erkennt, daß sie ein Werkzeug des Absolutismus und eines verrätherischen Ministeriums ist. Schon spricht man von Barrikaden.

61 Wien, 24. Aug.

Die Stadt ist dem Anscheine nach ruhig; die Reaktion hat momentan einen Sieg errungen.

Die Erhebung des Sicherheitsausschusses in der Nacht des 21. auf den 22. war blos ein Schein; er hatte sich überhoben, denn er hattte sich durch die Berathung und Beschließung der Adresse an das Frankfurter Parlament über die Majorität des Wiener Spießbürgerthums hinausgehoben. Es gelang der Kamarilla, den Ausschuß mit der Legion zu republikanisiren und vor dem Bauch des Staats, dem Bürgerthum, als verschlingende Drachen darzustellen; es gelang, eine Arbeiterhetze herauf zu beschwören und den Minister Schwarzer dazu als Werkzeug zu benutzen, durch den die übrigen Minister Latour, Bach, dieser konstitutionell-demokratisch-monarchische Narr — Dobblhof u. s. w. die Kastanien aus dem Feuer nehmen konnten. — Die Studenten meinen, es müßten wieder Barrikaden gebaut werden; gut, aber wenn ihr sie nicht auch wieder die politischen Ischariots und wieder das Bürgerthum baut, werdet ihr auch nach Siegen immer wieder in die alten Zustände, mit denen sich nur noch die Gemeinheit paart, zurückgetrieben werden.

Als ich gestern Abend den Sicherheitsausschuß verließ, war er im Begriff sich freiwillig aufzulösen, denn er hatte bei der Ordnungswuth der Nationalgarde nicht mehr die Macht in Händen; er that, was ihm allein übrig blieb, er sendete Deputationen an's Ministerium und ließ den interimistischen Oberkommandanten der Nationalgarde beschwören, die bürgerliche Schachersoldateska zurückzuhalten. Doch überall folgte den Bemühungen des Sicherheitsausschusses der Geruch des Republikanismus, d. h. die Vernichtung an seiner Autorität vor der bewaffneten Macht von 40,000 Spießbürgern, die aus Furcht vor der bewaffneten Legion und den Arbeitern schon Miene machte, die Errungenschaften Oesterreichs wieder an die Henkersknechte des Absolutismus, an das Militär, zu verhandeln. — Fischoff, ohnlängst noch Präsident des Sicherheitsausschusses, jetzt Ministerialrath, zuckte die Achseln, als der Ausschuß vor ihn hintrat, um humane Maßregeln zu erwirken und meinte, das Gesetz müsse gehandhabt werden; Streffleur, der Oberkommandant, fühlte, daß er mit 40,000 Bajonnetten nach keinem Ausschuß mehr zu fragen habe, und das Ministerium ließ durch Bach erklären, es selbst sei antirepublikanisch gesinnt und werde auch ohne Gesetze wider republikanische Vereine und dergleichen antirepublikanisch zu handeln verstehen. — So stürzte die Wiener Demokratie in einer Nacht zusammen und wir werden sehen, ob sie sich wieder aufzurichten vermag. Das Wetter ändert sich hier sehr rasch.

Zwei Maueranschläge verrathen wohin das Staatsschiff rudert, der eine heißt:

1) Das Ministerium übernimmt die unmittelbare Leitung aller Maßregeln zur Aufrechthaltung der öffentlichen Ruhe und Sicherheit in der Residenz. Alle exekutiven Organe haben daher nur nach den Anordnungen der Ministeriums zu handeln;

2) Auf allen Arbeitsplätzen, wo die gestrigen Unruhen stattfanden, ist die Arbeit eingestellt, und alle jene Arbeiter, welche daselbst beschäftigt waren und neuerdings zu einer öffentlichen Arbeit zugelassen werden wollen, müssen sich über ihr bisheriges Verhalten auf den Bauplätzen (Sedinitzky's Polizei rückt also schan so schnell wieder ein?), sowie über ihre Zuständigkeit ausweisen, wonch ihnen ein Arbeitsschein von dem betreffenden Bezirkskommissariate ausgefertigt wird.

In einem zweiten Maueranschlag befiehlt derselbe Ministerrath sub poena langjährigen Kerker's Gehorsam gegen die Nationalgarde, die Bürgerwehr und Legion einbegriffen.

15 Wien, den 23. August.

Aus einem andern Berichte über die Arbeiteremeute geben wir folgendes: Dem Sicherheitsausschusse waren die Hände gebunden, man beharrte bei der Lohnherabsetzung und trieb mit Säbelhieben die Arbeitermassen auseinander. Die Erbitterung kam nun gestern Abend zum ersten Ausbruch. Die Arbeiter im Prater rotteten sich zu einer Demostration gegen Schwarzer, den Minister der Arbeiten, zusammen, den sie in essigie begraben wollten; die Munizipalgarde sperrte der Prozession den Weg, die Nationalgarde wurde allamirt und gegen die unbewaffnete Arbeitermasse sofort mit Macht eingeschritten. Aber die Municipalgarde war zu oft verhönt, die Nationalgarde zu oft von ihrem Arbeitsstuhl durch die Lärmtrommel aufgeschreckt worden, um in ihrem blinden Drange nach unbedingter Ruhe und Ordnung um jeden Preis die einfachsten Rücksichten der Menschlichkeit zu beobachten, sie hieb auf die Fliehenden ohne Unterschied des Alters und Geschlechtes ein und soll fürchterliche Grausamkeiten verübt haben, die, wenn sie nur halbwegs wahr sind, sich den Gräuelscenen der Pariser Junitage würdig anreihen dürfen. Nachdem kein Fliehender mehr zu erreichen und niederzustoßen war, zogen die Garden im Triumphzuge in die Stadt zurück, die in der fürchterlichsten Aufregung war. Die blutige Saat des gestrigen Tages wird desto fürchterlicher aufgehen; je weniger dringend ein solch barbarisches. Einschreiten erschien.

Die Schuld dieser traurigen Vorfälle trifft zunächst das Ministerium, das diesen Zusammenstoß auf die plumpste Art herbeigeführt und damit der Reaktion Thür und Thor geöffnet hat. Daß aber der erfolgte Zusammenstoß kein unerwarteter, kein nothwendiger, viellmehr ein wohlberechneter, angelegter war, dafür spricht die Bewilligung der Kammer zu einem Anlehen von 20 Millionen, dafür spricht die Haltung des Ministeriums in der Stunde der Gefahr selbst. Man will entzweien, man will die Auflösung des Sicherheitsausschusses als eines volksthümlichen und volksfreundlichen Tribunals, man will die Auflösung der academischen Legion, um zum militärischen Despotismus zu kommen und den Weg anzubahnen, der in die schöne, alte Zeit zurückführt.

Den 24. August. Die Nacht verlief ruhig, die Zahl der Todten und Verwundeten wird auf mehr als 100 veranschlagt. Die Arbeiter wüthen über das treulose und kanibalische Benehmen der Garde und brüten furchtbare Rache. Es stellt sich immer klarer heraus, daß die Treibjagd auf die wehrlosen und fliehenden Arbeiter ebenso unmenschlich als nutzlos war. Mitglieder der academischen Legion parlamentiren fortwährend mit den Arbeitern und suchen die mit Recht erbitterten Gemüther zu beschwichtigen. Unser Ministerium Dobbhoff wird an eben diesem seinem Siege über die Arbeiter zu Grunde gehen, und das Heft der Regierung wird in die Hände Stadion-Neumanns fallen, in deren Gefolge wir die ganze adliche und militärische Sippschaft, die vollständig organisirte schwarzgelbe Reaktion zu gewärtigen haben.

Der Sicherheitsausschuß hat sich heute aufgelöst, indem das Ministerium die Erklärung abgab, kein anderes Organ neben sich dulden zu können, und die Verwaltung allein und ungetheilt in seinen Händen besitzen will. Der Reichstag wird stets eine ministerielle Majorität haben und seine Mission, wie es bisher zu ersehen, kaum erfüllen. Jedenfalls gehen wir blutigen Ereignissen entgegen.

* Wien, 25. Aug.

Gestern begann der erste öffentliche Preßprozeß gegen die Redakteure des „Studenten-Courier“ wegen eines Artikels: „die Republik in Wien“. Der Staatsanwalt trug auf 6wöchentlichen Arrest an. Die Geschwornen erklärten: „Nicht schuldig“, Mit unendlichem Jubel begleitete das Volk die Freigesprochenen nach Hause.

!!! Frankfurt, 26. August.

So eben (11 Uhr Abends) komme ich von dem mehr als glänzenden Empfang zurück, welchen Frankfurts Demokraten der Wiener Deputation gebracht haben, die jene vielbesprochene Adresse von 80,000 Wiener Bürgern, vom Demokratenverein, liberalen Verein. Studentenlegion, Wohlfahrtsausschuß etc. unterzeichnet, der äusersten Linken der Nationalversammlung überbringt. — Die Deputation, nur aus dem Präsidenten des Wiener demokratischen Vereins, Dr. Deutsch, bestehend, kam um 10 Uhr Abends in Frankfurt an und wurde von den Arbeitern, einigen neugierigen Bürgern und Damen, einigen Mitgliedern der Linken etc. bei Fackelschein und Gesang im hiesigen Fai'schen Garten freudig empfangen. Friedrich Kapp hielt eine begrüßende Anrede, die Dr. Deutsch mit einem Hoch auf die äußerste Linke erwiederte. Nachher sprach Wiesner (Abgeordneter aus Wien) in einer kräftigen mit Jubelruf begrüßten Rede.) Hierauf begleitete die Menge in dichtgedrängtem, unabsehbarem Zuge mit vielen hundert Fackeln den Dr. Deutsch durch die Straßen Frankfurts nach dem Landsberg. Ununterbrochen erschallten Lebehochs auf Hecker, auf die Republik, besonders vor dem Hôtel de Russie, der früheren Wohnung des Reichsverwesers. Der Geist Wiens war in die Freireichsstädter gefahren.

15 Berlin, 25. Aug.

Das Ungewitter, welches sich über dem Haupte der guten Bürger von Posen zusammengezogen, ist glücklich zertheilt. „Vater“ Steinäcker bleibt wieder bei ihnen. Die Deputation, welche vor einigen Tagen hieher geschickt war, bekam Audienz beim Premier Auerswald, der ihnen mittheilte, daß die Regierung von einer beabsichtigten Entfernung des „allverehrten“ Generals „mit den Silberhaaren“ gar nichts wüßte. In Betreff der preußischen Politik im Großherzogthum Posen äußerte sich der Hr. Minister huldvoll, daß die Reorganisation und Demarkation ganz im Sinne des preußisch-jüdischen Raçe ausfallen würde.

Unterdessen haust die preußische Soldateska in der unglücklichen Provinz im Verein mit den Landräthen ganz nach der alten Manier. Vor wenigen Tagen stand im Städtchen Zerkow ein polnischer Bürger ganz ruhig in der Kirche, als ein Unteroffizier vom 21. Regiment hereinstürzt. Jener fragt, was er wolle? Statt aller Antwort fällt der Unteroffizier über ihn her und schlägt ihn mit seinem Säbel über Kopf und Arm. Der Pole ruft Hülfe und sucht in den obern Stock zum Schullehrer zu entfliehen. Allein nun bricht ein ganzer Schwarm von Soldaten in das Haus und mißhandelt den Mann mit Kolben, Säbeln und Ladestöcken bis er endlich halbtodt daliegt. Genugthuung ist natürlich dem Manne nicht geworden; ist er ja ein Pole.

In Folge der Exzesse vom 21. Aug. sind hier bis jetzt 58 Personen verhaftet und 46 davon dem Kriminalgericht übergeben worden. Trotzdem, daß die Sache sehr eifrig betrieben wird, und die Minister Auerswald, Kühlwetter und Märker bereits verhört worden sind, will sich bis jetzt nichts Erhebliches herausstellen.

103 Berlin, 26. Aug.

Sitzung der Vereinbarer-Versammlung. Tagesordnung: Berathung des Gesetzes zum Schutze der persönlichen Freiheit.

§. 5. „Die Wohnung ist unverletzlich. Während der Nacht hat Niemand das Recht, in dieselbe einzudringen, als in Fällen einer Feuer- oder Wassersnoth, einer Lebensgefahr oder eines aus dem Innern der Wohnung hervorgegangenen Ansuchens. Bei Tage kann wider den Willen des Hausherrn Niemand eindringen, außer in Folge einer in amtlicher Eigenschaft ihm gesetzlich beigelegten Befugniß oder eines von ihm von einer gesetzlich dazu ermächtigten Behörde ertheilten schriftlichen Auftrags.

„Haussuchungen dürften nur in den Fällen und nach den Formen des Gesetzes unter Mitwirkung des Richters, der gerichtlichen Polizei, und wo diese noch nicht eingeführt ist, der Polizeikommissarien oder der Kommunalbehörde, wo eine solche aber nicht besteht, der Polizeibehörde des Orts geschehen.“

Der Berichterstatter Waldeck begründet den §.

Die Abg. Harrassowitz, Rintelen, Weichsel, Lisiecki, Borchardt stellen Amendements oder Zusätze. Der Borchardtsche Zusatz:

„und zwar unter Zuziehung des Angeschuldigten oder Falls dies unmöglich der Hausgenossen,“ wird angenommen.

§. 6. „Das aus der Nachtzeit hergeleitete Verbot besteht für die Zeit vom 1. Oktober bis 31. März während der Stunden von 6 Uhr Abends bis 6 Uhr Morgens, und für die Zeit vom 1. April bis 30. September während der Stunden von 9 Uhr Abends bis 4 Uhr Morgens. Auf diejenigen Orte jedoch, welche als Schlupfwinkel des Hazardspiels und der Ausschweifungen oder als gewöhnliche Zufluchtsorte von Verbrechern glaubhaft bezeichnet werden, findet dies Verbot keine Anwendung. In Betreff derjenigen Orte, in welchen während der Nachtzeit das Publikum ohne Unterschied zugelassen wird, bleibt es außer Anwendung, so lange sie dem Publikum geöffnet sind.“

Berichterstatter Waldeck motivirt.

Abg. Blöm stellt das Amendement: statt des Wortes „glaubhaft“ die Worte: „durch den gemeinen Ruf,“ zu setzen.

Abg. von Daniels stellt den Zusatz: hinter den Worten: „bezeichnet“ einzuschalten: „und auf Wohnungen der Personen, welche durch ein Straferkenntniß unter besondere polizeiliche Aufsicht gestellt sind, findet dies Verbot keine Anwendung.“ Beide Amendements werden angenommen.

§. 7. „Im Falle eines Krieges oder Aufruhrs kann, wenn die Volksvertretung nicht versammelt ist, durch Beschluß und unter Verantwortlichkeit des Staatsministerii die zeit- und distriktsweise Suspendirung des §. 1 gegenwärtigen Gesetzes provisorisch ausgesprochen werden. Die Volksvertretung ist jedoch in diesem Falle zusammenzuberufen.“

Dieser Paragraph, so einfach er ist, ruft wieder einmal eine der stürmischen Scenen hervor, welche die rechte Seite, wenn sie bei der Abstimmung unterliegt, durch ihr Lärmen und Geschrei eine neue Abstimmung zu erlangen, hervorruft. — Der Abgeordnete Hartmann hat das, von der rechten Seite unterstützte Amendement gestellt, nicht allein den §. 1 wie hier vorgeschlagen, sondern auch noch die „§§. 2, 3, 5, 6.“ einzuschalten, damit dieselben bei einer desfallsigen Suspendirung mit einbegriffen sind. Der Vice-Präsident Kosch beobachtet nun das Verfahren, zuerst die Frage zu stellen, ob auch §. 2 hinzugefügt werde. Die rechte Seite erhebt sich dafür, und der Vice-Präsident Kosch erklärte es für die Minorität. Das will die Rechte nicht zugeben und verlangt nochmalige Abstimmung und Zählung. Der Lärm wird immer größer, bis endlich der Antragsteller Hartmann die Tribüne besteigt und der Rechten erklärt, daß er als Antragsteller sich mit der Abstimmung einverstanden erkläre, da ja der §. 2. ohne allen Einfluß bei einer desfallsigen Suspendirung des Gesetzes sei. Auch §§. 3 und 6 werden nicht zur Suspendirung hinzugenommen; nur §. 5 wird mit 159 gegen 151 Stimmen dazugezogen, so daß es nun im Text des §. 7 heißen muß: „die Suspendirung der §§. 1. und 5. des gegenwärtigen Gesetzes.“

§. 8. „Es ist keine vorgängige Genehmigung der Behörden nöthig, um öffentliche Civil- und Militär-Beamten wegen der durch Ueberschreitung ihrer Amtsbefugnisse verübten Verletzungen vorstehender Bestimmungen gerichtlich zu belangen.

Berichterstatter Waldeck motivirt.

Da sich der Minister des Innern im Namen der Regierung für die Annahme des Paragraphen erklärte, so findet keine weitere Debatte statt, und der §. 8 wird einstimmig angenommen. —

Der Abgeordnete Arntz hat den Antrag gestellt: Folgende Bestimmung möge als §. 9. dem Gesetze hinzugefügt werden:

„Wer beschuldigt ist, vermittelst der Presse oder auf eine andere Weise ein politisches Vergehen verübt zu haben, welches als höchste Strafe im Bezirke des Rheinischen Appellationsgerichts fünf Jahre Gefängniß, in den übrigen Landestheilen vier Jahre Gefängniß, Zuchthaus oder Festungs-Arrest nach sich ziehen kann, soll, wenn er in Preußen einen festen Wohnsitz hat, vor der Verurtheilung nicht verhaftet werden, es sei denn, daß er der Vorladung vor dem Richter zu erscheinen nicht Folge leiste.

Als politische Vergehen werden, außer den im §. 2. der Verordnung vom 15. April 1848 bezeichneten, diejenigen Vergehen betrachtet, welche vorgesehen sind:

1) im Allgemeinen Landrecht Theil II. Titel 20. Abschnitt 2, 3, 4 und 5;
2) im Rheinischen Strafgesetzbuche, Buch III. Titel I. Kap. 3, Abschnitt 3 §. 1.“

Minister des Innern Kühlwetter: Die Regierung muß sich der Annahme dieses Antrags ganz entschieden widersetzen. Wir sind im Begriff eine Verfassung zu begründen, an deren Spitze die Gleichheit Aller vor dem Gesetze als Prinzip gestellt ist. Dieses Prinzip wird beeinträchtigt, wenn Sie diesen Antrag annehmen, wenn Sie eine bestimmte Untersuchungs-Kategorie vor andern bevorzugen.

Abg. Jung: Die Presse und die politischen Vergehen befinden sich seit dem 18. März in der üblen Lage, stets nach den veralteten Gesetzen beurtheilt zu werden, welche durch die Ereignisse jenrs Tages faktisch aufgehoben sind, und von Gerichten, die dem Geiste der Zeit eben so wenig entsprechen, daß wir den Vorschlag des Abg. Arntz mit Freuden annehmen können. Die Einwendungen des Ministers des Innern beziehen sich fast nur auf formelle Bedenken. Er sagt: es sei gegen die Rechtsgleichheit für politische und Preßvergehen die Untersuchungshaft abzuschaffen. Diese Vergehen unterscheiden sich aber sehr bestimmt vor allen andern. Es sind Verbrechen, die aus sittlichen Antrieben entstehen. (Murren auf der Rechten.) Ja, der politische Verbrecher steht auf dem Boden der Sittlichkeit. (Beifallsbezeigung der Linken.)

Abg. Jungblut: Vor Allem muß ich Verwahrung dagegen einlegen, daß das, welches hier als Grundsatz der Sittlichkeit ausgesprochen worden, als Ausdruck der Gesinnung der ganzen Versammlung zu betrachten wäre. (Gelächter und allgemeine Heiterkeit.)

Nachdem der Abg. Borchardt sich noch für den Antrag ausgesprochen hat, bemerkt der Minister Kühlwetter: es sei nicht zu übersehen, daß die Untersuchungshaft nur vom Richter ausgehen kann, und der Richterstand stehe in Preußen unabhängig da, wie er immer unabhängig da gestanden habe. (Bezweifelnde Ausrufungen zur Linken.)

Abg. Stupp: Man möge nur Vertrauen haben zu dem Richter und „wir als Vertreter der Nation dürfen keinen Zweifel äußern an der Selbstständigkeit unserer Richter.“

Reichenbach: Der Minister des Innern hat behauptet, der Antrag sei eine Verletzung der Gleichheit vor dem Gesetze. Man lasse sich nicht blenden von diesem Satze, der Antrag bezweckt nur die gleiche Befreiung aller Staatsbürger wegen eines und desselben Verbrechens.

Abg. Arntz erklärt als Antragsteller sich mit der Verweisung in die Centralabtheilung begnügen zu wollen. — Nach einer Unterredung mit dem Abgeordneten Waldeck zieht er seinen Antrag jedoch ganz zurück, da ihm dieser als Vorsitzender der Verfassungs-Kommission mitgetheilt habe, daß ein Preßgesetz von dieser Kommission in den nächsten Tagen vorgelegt werden würde, wo er seinen Antrag wieder einreichen werde. —

Abg, Waldell berichtigt diese Angabe noch dahin, daß das Preßgesetz erst von einer engeren Kommission ausgearbeitet sei und noch die Berathung der Verfassungskommission durchzumachen habe.

103 Berlin, 27. Aug.

Das, vom Abgeordneten Waldeck, bei Gelegenheit der Debatten des Arntz'schen Antrages auf Aufhebung der Untersuchungshaft bei politischen und Preßvergehen, erwähnte Gesetz über die Untersuchung und Bestrafung der politischen und Preßvergehen ist von demselben ausgearbeitet, von der engern Kommission bereits genehmigt und gestern der Verfassungs-Kommission vorgelegt worden, welche es sofort berathen und alsdann den Abtheilungen zugehen lassen wird. — Der Entwurf lautet:

§. 1. Vergehen, welche durch die Presse begangen werden, sind nach den allgemeinen Landesgesetzen zu bestrafen.

§. 2. Alle Verbreitungen durch den Druck oder eine dem Druck gleichstehende Vervielfältigungsart, auch durch Bildwerke, werden hier unter „Presse“ verstanden.

§. 3. Das Wort Vergehen wird in diesem Gesetze für „strafbare Handlung“ gebraucht.

§. 4. Folgende gesetzliche Bestimmungen:
Allgemeines Landrecht II. Titel 20 §§. 151-156, nebst der
Allgemeines Landrecht Theil II. Titel 20 §§. 196-209 daselbst §§. 620, 621
bleiben fortan außer Anwendung.

§. 5. In den Landestheilen, in welchen das gemeine Strafrecht gilt, fallen diejenigen Strafbestimmungen, welche vorgedachten Gesetzen entsprechen, ebenfalls weg.

§. 6. In den Landestheilen, in welchen das Allgemeine Landrecht Gültigkeit hat, werden durch die Presse verübte Beleidigungen der Ehre fortan nach den Gesetzen bestraft, welche bei Beleidigungen unter Personen höhern Bürgerstandes gelten, ohne daß der Stand des Beleidigers oder Beleidigten dabei weiter zur Berücksichtigung kommt. Bei einer Klage wegen Verleumdung ist die Einrede der Wahrheit der als verleumderisch bezeichneten Thatsachen zulässig.

§. 7. Auf jeder Druckschrift muß bei 5-20 Thlr. Strafe der Name und Wohnort des Druckers am Schlusse angegeben werden. Der Drucker übernimmt dadurch die Verantwortlichkeit. Sie geht auf den Verleger über, wenn dieser ebenfalls mit Namen und Wohnort genannt und in Preußen bei Einleitung des gerichtlichen Verfahrens wohnhaft und anwesend ist. Ist Letzteres mit dem Verfasser der Schrift der Fall, so dürfen Drucker und Verleger, wenn deren Mitschuld nicht durch andere Thatsachen begründet wird, nicht gerichtlich verfolgt werden.

§. 8. Als politische Vergehen gelten diejenigen, worüber sich der zweite, dritte und vierte Abschnitt des Titels 20, §§. 91-179, Allgemeinen Landrechts Theil II., die demselben im gemeinen Strafrechte und im Rheinischen Strafgesetzbuche gleichstehenden Vergehen verhält.

§. 9. Alle den Vorschriften dieses Gesetzes entgegenstehende Bestimmungen, namentlich das Gesetz über die Presse vom 17. März 1848, treten außer Kraft.

§. 10. In Ansehung der durch die Presse verübten Beleidigun-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div xml:id="ar088-089_004" type="jArticle">
          <p><pb facs="#f0002" n="0452"/>
Alte Greise, die                         bettelnd am Wege saßen, wurden von Bürger- und Polizeischergen erschossen. &#x2014;                         Mittlerweile waren die Arbeiter aus der Brigittenau denen in der Taborau zu                         Hülfe geeilt; da rückte schwere Militärkavallerie heran und suchte mit den                         Bürgergrenadieren gemeinschaftlich zu operiren. Die Arbeiter wurden in die                         Taborstraße getrieben, viele wurden gefangen und eingebracht, die                         Nationalgarde rückte immer mehr von allen Seiten heran. Der Oberkommandant                         Streffleur berichtete, daß er das Militär sofort entfernt habe.</p>
          <p>Diese Thatsachen werden in diesem Augenblicke immer bekannter, das Volk wird                         immer aufgeregter, es kann zu einem ernstern Kampfe kommen, wenn die                         Nationalgarde sich nicht besinnt und erkennt, daß sie ein Werkzeug des                         Absolutismus und eines verrätherischen Ministeriums ist. Schon spricht man                         von Barrikaden.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar088-089_005" type="jArticle">
          <head><bibl><author>61</author></bibl> Wien, 24. Aug.</head>
          <p>Die Stadt ist dem Anscheine nach ruhig; die Reaktion hat momentan einen Sieg                         errungen.</p>
          <p>Die Erhebung des Sicherheitsausschusses in der Nacht des 21. auf den 22. war                         blos ein Schein; er hatte sich überhoben, denn er hattte sich durch die                         Berathung und Beschließung der Adresse an das Frankfurter Parlament über die                         Majorität des Wiener Spießbürgerthums hinausgehoben. Es gelang der                         Kamarilla, den Ausschuß mit der Legion zu republikanisiren und vor dem Bauch                         des Staats, dem Bürgerthum, als verschlingende Drachen darzustellen; es                         gelang, eine Arbeiterhetze herauf zu beschwören und den Minister Schwarzer                         dazu als Werkzeug zu benutzen, durch den die übrigen Minister Latour, Bach,                         dieser konstitutionell-demokratisch-monarchische Narr &#x2014; Dobblhof u. s. w.                         die Kastanien aus dem Feuer nehmen konnten. &#x2014; Die Studenten meinen, es                         müßten wieder Barrikaden gebaut werden; gut, aber wenn ihr sie nicht auch                         wieder die politischen Ischariots und wieder das Bürgerthum baut, werdet ihr                         auch nach Siegen immer wieder in die alten Zustände, mit denen sich nur noch                         die Gemeinheit paart, zurückgetrieben werden.</p>
          <p>Als ich gestern Abend den Sicherheitsausschuß verließ, war er im Begriff sich                         freiwillig aufzulösen, denn er hatte bei der Ordnungswuth der Nationalgarde                         nicht mehr die Macht in Händen; er that, was ihm allein übrig blieb, er                         sendete Deputationen an's Ministerium und ließ den interimistischen                         Oberkommandanten der Nationalgarde beschwören, die bürgerliche                         Schachersoldateska zurückzuhalten. Doch überall folgte den Bemühungen des                         Sicherheitsausschusses der Geruch des Republikanismus, d. h. die Vernichtung                         an seiner Autorität vor der bewaffneten Macht von 40,000 Spießbürgern, die                         aus Furcht vor der bewaffneten Legion und den Arbeitern schon Miene machte,                         die Errungenschaften Oesterreichs wieder an die Henkersknechte des                         Absolutismus, an das Militär, zu verhandeln. &#x2014; Fischoff, ohnlängst noch                         Präsident des Sicherheitsausschusses, jetzt Ministerialrath, zuckte die                         Achseln, als der Ausschuß vor ihn hintrat, um humane Maßregeln zu erwirken                         und meinte, das Gesetz müsse gehandhabt werden; Streffleur, der                         Oberkommandant, fühlte, daß er mit 40,000 Bajonnetten nach keinem Ausschuß                         mehr zu fragen habe, und das Ministerium ließ durch Bach erklären, es selbst                         sei antirepublikanisch gesinnt und werde auch ohne Gesetze wider                         republikanische Vereine und dergleichen antirepublikanisch zu handeln                         verstehen. &#x2014; So stürzte die Wiener Demokratie in einer Nacht zusammen und                         wir werden sehen, ob sie sich wieder aufzurichten vermag. Das Wetter ändert                         sich hier sehr rasch.</p>
          <p>Zwei Maueranschläge verrathen wohin das Staatsschiff rudert, der eine                         heißt:</p>
          <p>1) Das Ministerium übernimmt die unmittelbare Leitung aller Maßregeln zur                         Aufrechthaltung der öffentlichen Ruhe und Sicherheit in der Residenz. Alle                         exekutiven Organe haben daher nur nach den Anordnungen der Ministeriums zu                         handeln;</p>
          <p>2) Auf allen Arbeitsplätzen, wo die gestrigen Unruhen stattfanden, ist die                         Arbeit eingestellt, und alle jene Arbeiter, welche daselbst beschäftigt                         waren und neuerdings zu einer öffentlichen Arbeit zugelassen werden wollen,                         müssen sich über ihr bisheriges Verhalten auf den Bauplätzen (Sedinitzky's                         Polizei rückt also schan so schnell wieder ein?), sowie über ihre                         Zuständigkeit ausweisen, wonch ihnen ein Arbeitsschein von dem betreffenden                         Bezirkskommissariate ausgefertigt wird.</p>
          <p>In einem zweiten Maueranschlag befiehlt derselbe Ministerrath sub poena                         langjährigen Kerker's Gehorsam gegen die Nationalgarde, die Bürgerwehr und                         Legion einbegriffen.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar088-089_006" type="jArticle">
          <head><bibl><author>15</author></bibl> Wien, den 23. August.</head>
          <p>Aus einem andern Berichte über die Arbeiteremeute geben wir folgendes: Dem                         Sicherheitsausschusse waren die Hände gebunden, man beharrte bei der                         Lohnherabsetzung und trieb mit Säbelhieben die Arbeitermassen auseinander.                         Die Erbitterung kam nun gestern Abend zum ersten Ausbruch. Die Arbeiter im                         Prater rotteten sich zu einer Demostration gegen <hi rendition="#g">Schwarzer,</hi> den Minister der Arbeiten, zusammen, den sie in essigie                         begraben wollten; die Munizipalgarde sperrte der Prozession den Weg, die                         Nationalgarde wurde allamirt und gegen die unbewaffnete Arbeitermasse sofort                         mit Macht eingeschritten. Aber die Municipalgarde war zu oft verhönt, die                         Nationalgarde zu oft von ihrem Arbeitsstuhl durch die Lärmtrommel                         aufgeschreckt worden, um in ihrem blinden Drange nach unbedingter Ruhe und                         Ordnung um jeden Preis die einfachsten Rücksichten der Menschlichkeit zu                         beobachten, sie hieb auf die Fliehenden ohne Unterschied des Alters und                         Geschlechtes ein und soll fürchterliche Grausamkeiten verübt haben, die,                         wenn sie nur halbwegs wahr sind, sich den Gräuelscenen der Pariser Junitage                         würdig anreihen dürfen. Nachdem kein Fliehender mehr zu erreichen und                         niederzustoßen war, zogen die Garden im Triumphzuge in die Stadt zurück, die                         in der fürchterlichsten Aufregung war. Die blutige Saat des gestrigen Tages                         wird desto fürchterlicher aufgehen; je weniger dringend ein solch                         barbarisches. Einschreiten erschien.</p>
          <p>Die Schuld dieser traurigen Vorfälle trifft zunächst das Ministerium, das                         diesen Zusammenstoß auf die plumpste Art herbeigeführt und damit der                         Reaktion Thür und Thor geöffnet hat. Daß aber der erfolgte Zusammenstoß kein                         unerwarteter, kein nothwendiger, viellmehr ein wohlberechneter, angelegter                         war, dafür spricht die Bewilligung der Kammer zu einem Anlehen von 20                         Millionen, dafür spricht die Haltung des Ministeriums in der Stunde der                         Gefahr selbst. Man will entzweien, man will die Auflösung des                         Sicherheitsausschusses als eines volksthümlichen und volksfreundlichen                         Tribunals, man will die Auflösung der academischen Legion, um zum                         militärischen Despotismus zu kommen und den Weg anzubahnen, der in die                         schöne, alte Zeit zurückführt.</p>
          <p>Den 24. August. Die Nacht verlief ruhig, die Zahl der Todten und Verwundeten                         wird auf mehr als 100 veranschlagt. Die Arbeiter wüthen über das treulose                         und kanibalische Benehmen der Garde und brüten furchtbare Rache. Es stellt                         sich immer klarer heraus, daß die Treibjagd auf die wehrlosen und fliehenden                         Arbeiter ebenso unmenschlich als nutzlos war. Mitglieder der academischen                         Legion parlamentiren fortwährend mit den Arbeitern und suchen die mit Recht                         erbitterten Gemüther zu beschwichtigen. Unser Ministerium Dobbhoff wird an                         eben diesem seinem Siege über die Arbeiter zu Grunde gehen, und das Heft der                         Regierung wird in die Hände Stadion-Neumanns fallen, in deren Gefolge wir                         die ganze adliche und militärische Sippschaft, die vollständig organisirte                         schwarzgelbe Reaktion zu gewärtigen haben.</p>
          <p><hi rendition="#g">Der Sicherheitsausschuß hat sich heute aufgelöst,</hi> indem das Ministerium die Erklärung abgab, kein anderes Organ neben sich                         dulden zu können, und die Verwaltung allein und ungetheilt in seinen Händen                         besitzen will. Der Reichstag wird stets eine ministerielle Majorität haben                         und seine Mission, wie es bisher zu ersehen, kaum erfüllen. Jedenfalls gehen                         wir blutigen Ereignissen entgegen.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar088-089_007" type="jArticle">
          <head><bibl><author>*</author></bibl> Wien, 25. Aug.</head>
          <p>Gestern begann der erste öffentliche Preßprozeß gegen die Redakteure des                         &#x201E;Studenten-Courier&#x201C; wegen eines Artikels: &#x201E;die Republik in Wien&#x201C;. Der                         Staatsanwalt trug auf 6wöchentlichen Arrest an. Die Geschwornen erklärten:                         &#x201E;Nicht schuldig&#x201C;, Mit unendlichem Jubel begleitete das Volk die                         Freigesprochenen nach Hause.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar088-089_008" type="jArticle">
          <head><bibl><author>!!!</author></bibl> Frankfurt, 26. August.</head>
          <p>So eben (11 Uhr Abends) komme ich von dem mehr als glänzenden Empfang zurück,                         welchen Frankfurts Demokraten der Wiener Deputation gebracht haben, die jene                         vielbesprochene Adresse von 80,000 Wiener Bürgern, vom Demokratenverein,                         liberalen Verein. Studentenlegion, Wohlfahrtsausschuß etc. unterzeichnet,                         der äusersten Linken der Nationalversammlung überbringt. &#x2014; Die Deputation,                         nur aus dem Präsidenten des Wiener demokratischen Vereins, Dr. Deutsch,                         bestehend, kam um 10 Uhr Abends in Frankfurt an und wurde von den Arbeitern,                         einigen neugierigen Bürgern und Damen, einigen Mitgliedern der Linken etc.                         bei Fackelschein und Gesang im hiesigen Fai'schen Garten freudig empfangen.                         Friedrich Kapp hielt eine begrüßende Anrede, die Dr. Deutsch mit einem Hoch                         auf die äußerste Linke erwiederte. Nachher sprach Wiesner (Abgeordneter aus                         Wien) in einer kräftigen mit Jubelruf begrüßten Rede.) Hierauf begleitete                         die Menge in dichtgedrängtem, unabsehbarem Zuge mit vielen hundert Fackeln                         den Dr. Deutsch durch die Straßen Frankfurts nach dem Landsberg.                         Ununterbrochen erschallten Lebehochs auf <hi rendition="#g">Hecker,</hi> auf                         die Republik, besonders vor dem Hôtel de Russie, der früheren Wohnung des                         Reichsverwesers. Der Geist Wiens war in die Freireichsstädter gefahren.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar088-089_009" type="jArticle">
          <head><bibl><author>15</author></bibl> Berlin, 25. Aug.</head>
          <p>Das Ungewitter, welches sich über dem Haupte der guten Bürger von Posen                         zusammengezogen, ist glücklich zertheilt. &#x201E;Vater&#x201C; Steinäcker bleibt wieder                         bei ihnen. Die Deputation, welche vor einigen Tagen hieher geschickt war,                         bekam Audienz beim Premier Auerswald, der ihnen mittheilte, daß die                         Regierung von einer beabsichtigten Entfernung des &#x201E;allverehrten&#x201C; Generals                         &#x201E;mit den Silberhaaren&#x201C; gar nichts wüßte. In Betreff der preußischen Politik                         im Großherzogthum Posen äußerte sich der Hr. Minister huldvoll, daß die                         Reorganisation und Demarkation ganz im Sinne des preußisch-jüdischen Raçe                         ausfallen würde.</p>
          <p>Unterdessen haust die preußische Soldateska in der unglücklichen Provinz im                         Verein mit den Landräthen ganz nach der alten Manier. Vor wenigen Tagen                         stand im Städtchen Zerkow ein polnischer Bürger ganz ruhig in der Kirche,                         als ein Unteroffizier vom 21. Regiment hereinstürzt. Jener fragt, was er                         wolle? Statt aller Antwort fällt der Unteroffizier über ihn her und schlägt                         ihn mit seinem Säbel über Kopf und Arm. Der Pole ruft Hülfe und sucht in den                         obern Stock zum Schullehrer zu entfliehen. Allein nun bricht ein ganzer                         Schwarm von Soldaten in das Haus und mißhandelt den Mann mit Kolben, Säbeln                         und Ladestöcken bis er endlich halbtodt daliegt. Genugthuung ist natürlich                         dem Manne nicht geworden; <hi rendition="#g">ist er ja ein Pole</hi>.</p>
          <p>In Folge der Exzesse vom 21. Aug. sind hier bis jetzt 58 Personen verhaftet                         und 46 davon dem Kriminalgericht übergeben worden. Trotzdem, daß die Sache                         sehr eifrig betrieben wird, und die Minister Auerswald, Kühlwetter und                         Märker bereits verhört worden sind, will sich bis jetzt nichts Erhebliches                         herausstellen.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar088-089_010" type="jArticle">
          <head><bibl><author>103</author></bibl> Berlin, 26. Aug.</head>
          <p>Sitzung der Vereinbarer-Versammlung. Tagesordnung: Berathung des Gesetzes zum                         Schutze der persönlichen Freiheit.</p>
          <p>§. 5. &#x201E;Die Wohnung ist unverletzlich. Während der Nacht hat Niemand das                         Recht, in dieselbe einzudringen, als in Fällen einer Feuer- oder                         Wassersnoth, einer Lebensgefahr oder eines aus dem Innern der Wohnung                         hervorgegangenen Ansuchens. Bei Tage kann wider den Willen des Hausherrn                         Niemand eindringen, außer in Folge einer in amtlicher Eigenschaft ihm                         gesetzlich beigelegten Befugniß oder eines von ihm von einer gesetzlich dazu                         ermächtigten Behörde ertheilten schriftlichen Auftrags.</p>
          <p>&#x201E;Haussuchungen dürften nur in den Fällen und nach den Formen des Gesetzes                         unter Mitwirkung des Richters, der gerichtlichen Polizei, und wo diese noch                         nicht eingeführt ist, der Polizeikommissarien oder der Kommunalbehörde, wo                         eine solche aber nicht besteht, der Polizeibehörde des Orts geschehen.&#x201C;</p>
          <p>Der Berichterstatter Waldeck begründet den §.</p>
          <p>Die Abg. <hi rendition="#g">Harrassowitz, Rintelen, Weichsel, Lisiecki,                             Borchardt</hi> stellen Amendements oder Zusätze. Der Borchardtsche                         Zusatz:</p>
          <p rendition="#et">&#x201E;und zwar unter Zuziehung des Angeschuldigten oder Falls dies                         unmöglich der Hausgenossen,&#x201C; wird angenommen.</p>
          <p>§. 6. &#x201E;Das aus der Nachtzeit hergeleitete Verbot besteht für die Zeit vom 1.                         Oktober bis 31. März während der Stunden von 6 Uhr Abends bis 6 Uhr Morgens,                         und für die Zeit vom 1. April bis 30. September während der Stunden von 9                         Uhr Abends bis 4 Uhr Morgens. Auf diejenigen Orte jedoch, welche als                         Schlupfwinkel des Hazardspiels und der Ausschweifungen oder als gewöhnliche                         Zufluchtsorte von Verbrechern glaubhaft bezeichnet werden, findet dies                         Verbot keine Anwendung. In Betreff derjenigen Orte, in welchen während der                         Nachtzeit das Publikum ohne Unterschied zugelassen wird, bleibt es außer                         Anwendung, so lange sie dem Publikum geöffnet sind.&#x201C;</p>
          <p>Berichterstatter <hi rendition="#g">Waldeck</hi> motivirt.</p>
          <p>Abg. <hi rendition="#g">Blöm</hi> stellt das Amendement: statt des Wortes                         &#x201E;glaubhaft&#x201C; die Worte: &#x201E;durch den gemeinen Ruf,&#x201C; zu setzen.</p>
          <p>Abg. <hi rendition="#g">von Daniels</hi> stellt den Zusatz: hinter den                         Worten: &#x201E;bezeichnet&#x201C; einzuschalten: &#x201E;und auf Wohnungen der Personen, welche                         durch ein Straferkenntniß unter besondere polizeiliche Aufsicht gestellt                         sind, findet dies Verbot keine Anwendung.&#x201C; Beide Amendements werden                         angenommen.</p>
          <p>§. 7. &#x201E;Im Falle eines Krieges oder Aufruhrs kann, wenn die Volksvertretung                         nicht versammelt ist, durch Beschluß und unter Verantwortlichkeit des                         Staatsministerii die zeit- und distriktsweise Suspendirung des §. 1                         gegenwärtigen Gesetzes provisorisch ausgesprochen werden. Die                         Volksvertretung ist jedoch in diesem Falle zusammenzuberufen.&#x201C;</p>
          <p>Dieser Paragraph, so einfach er ist, ruft wieder einmal eine der stürmischen                         Scenen hervor, welche die <hi rendition="#g">rechte Seite,</hi> wenn sie bei                         der Abstimmung unterliegt, durch ihr Lärmen und Geschrei eine neue                         Abstimmung zu erlangen, hervorruft. &#x2014; Der Abgeordnete <hi rendition="#g">Hartmann</hi> hat das, von der rechten Seite unterstützte Amendement                         gestellt, nicht allein den §. 1 wie hier vorgeschlagen, sondern auch noch                         die &#x201E;§§. 2, 3, 5, 6.&#x201C; einzuschalten, damit dieselben bei einer desfallsigen                         Suspendirung mit einbegriffen sind. Der Vice-Präsident <hi rendition="#g">Kosch</hi> beobachtet nun das Verfahren, zuerst die Frage zu stellen,                         ob auch §. 2 hinzugefügt werde. Die rechte Seite erhebt sich dafür, und der                         Vice-Präsident Kosch erklärte es für die Minorität. Das will die Rechte                         nicht zugeben und verlangt nochmalige Abstimmung und Zählung. Der Lärm wird                         immer größer, bis endlich der Antragsteller Hartmann die Tribüne besteigt                         und der Rechten erklärt, daß er als Antragsteller sich mit der Abstimmung                         einverstanden erkläre, da ja der §. 2. ohne allen Einfluß bei einer                         desfallsigen Suspendirung des Gesetzes sei. Auch §§. 3 und 6 werden nicht                         zur Suspendirung hinzugenommen; nur §. 5 wird mit 159 gegen 151 Stimmen                         dazugezogen, so daß es nun im Text des §. 7 heißen muß: &#x201E;die Suspendirung                         der §§. 1. und 5. des gegenwärtigen Gesetzes.&#x201C;</p>
          <p>§. 8. &#x201E;Es ist keine vorgängige Genehmigung der Behörden nöthig, um                         öffentliche Civil- und Militär-Beamten wegen der durch Ueberschreitung ihrer                         Amtsbefugnisse verübten Verletzungen vorstehender Bestimmungen gerichtlich                         zu belangen.</p>
          <p>Berichterstatter <hi rendition="#g">Waldeck</hi> motivirt.</p>
          <p>Da sich der <hi rendition="#g">Minister des Innern</hi> im Namen der                         Regierung für die Annahme des Paragraphen erklärte, so findet keine weitere                         Debatte statt, und der §. 8 wird <hi rendition="#g">einstimmig</hi> angenommen. &#x2014;</p>
          <p>Der Abgeordnete <hi rendition="#g">Arntz</hi> hat den Antrag gestellt:                         Folgende Bestimmung möge als §. 9. dem Gesetze hinzugefügt werden:</p>
          <p rendition="#et">&#x201E;Wer beschuldigt ist, vermittelst der Presse oder auf eine                         andere Weise ein politisches Vergehen verübt zu haben, welches als höchste                         Strafe im Bezirke des Rheinischen Appellationsgerichts fünf Jahre Gefängniß,                         in den übrigen Landestheilen vier Jahre Gefängniß, Zuchthaus oder                         Festungs-Arrest nach sich ziehen kann, soll, wenn er in Preußen einen festen                         Wohnsitz hat, vor der Verurtheilung nicht verhaftet werden, es sei denn, daß                         er der Vorladung vor dem Richter zu erscheinen nicht Folge leiste.</p>
          <p>Als politische Vergehen werden, außer den im §. 2. der Verordnung vom 15.                         April 1848 bezeichneten, diejenigen Vergehen betrachtet, welche vorgesehen                         sind:</p>
          <p rendition="#et">1) im Allgemeinen Landrecht Theil II. Titel 20. Abschnitt 2,                         3, 4 und 5;<lb/>
2) im Rheinischen Strafgesetzbuche, Buch III. Titel I. Kap.                         3, Abschnitt 3 §. 1.&#x201C;</p>
          <p>Minister des Innern <hi rendition="#g">Kühlwetter:</hi> Die Regierung muß                         sich der Annahme dieses Antrags ganz entschieden widersetzen. Wir sind im                         Begriff eine Verfassung zu begründen, an deren Spitze die Gleichheit Aller                         vor dem Gesetze als Prinzip gestellt ist. Dieses Prinzip wird                         beeinträchtigt, wenn Sie diesen Antrag annehmen, wenn Sie eine bestimmte                         Untersuchungs-Kategorie vor andern bevorzugen.</p>
          <p>Abg. <hi rendition="#g">Jung:</hi> Die Presse und die politischen Vergehen                         befinden sich seit dem 18. März in der üblen Lage, stets nach den veralteten                         Gesetzen beurtheilt zu werden, welche durch die Ereignisse jenrs Tages                         faktisch aufgehoben sind, und von Gerichten, die dem Geiste der Zeit eben so                         wenig entsprechen, daß wir den Vorschlag des Abg. Arntz mit Freuden annehmen                         können. Die Einwendungen des Ministers des Innern beziehen sich fast nur auf                         formelle Bedenken. Er sagt: es sei gegen die Rechtsgleichheit für politische                         und Preßvergehen die Untersuchungshaft abzuschaffen. Diese Vergehen                         unterscheiden sich aber sehr bestimmt vor allen andern. Es sind Verbrechen,                         die aus sittlichen Antrieben entstehen. (Murren auf der Rechten.) Ja, der                         politische Verbrecher steht auf dem Boden der Sittlichkeit.                         (Beifallsbezeigung der Linken.)</p>
          <p>Abg. <hi rendition="#g">Jungblut:</hi> Vor Allem muß ich Verwahrung dagegen                         einlegen, daß das, welches hier als Grundsatz der Sittlichkeit ausgesprochen                         worden, als Ausdruck der Gesinnung der ganzen Versammlung zu betrachten                         wäre. (Gelächter und allgemeine Heiterkeit.)</p>
          <p>Nachdem der Abg. <hi rendition="#g">Borchardt</hi> sich noch für den Antrag                         ausgesprochen hat, bemerkt der Minister <hi rendition="#g">Kühlwetter:</hi> es sei nicht zu übersehen, daß die Untersuchungshaft nur vom Richter                         ausgehen kann, und der Richterstand stehe in Preußen unabhängig da, wie er                         immer unabhängig da gestanden habe. (Bezweifelnde Ausrufungen zur                         Linken.)</p>
          <p>Abg. <hi rendition="#g">Stupp:</hi> Man möge nur Vertrauen haben zu dem                         Richter und &#x201E;wir als Vertreter der Nation dürfen keinen Zweifel äußern an                         der Selbstständigkeit unserer Richter.&#x201C;</p>
          <p><hi rendition="#g">Reichenbach:</hi> Der Minister des Innern hat behauptet,                         der Antrag sei eine Verletzung der Gleichheit vor dem Gesetze. Man lasse                         sich nicht blenden von diesem Satze, der Antrag bezweckt nur die gleiche                         Befreiung aller Staatsbürger wegen eines und desselben Verbrechens.</p>
          <p>Abg. <hi rendition="#g">Arntz</hi> erklärt als Antragsteller sich mit der                         Verweisung in die Centralabtheilung begnügen zu wollen. &#x2014; Nach einer                         Unterredung mit dem Abgeordneten Waldeck zieht er seinen Antrag jedoch ganz                         zurück, da ihm dieser als Vorsitzender der Verfassungs-Kommission                         mitgetheilt habe, daß ein Preßgesetz von dieser Kommission in den nächsten                         Tagen vorgelegt werden würde, wo er seinen Antrag wieder einreichen werde.                         &#x2014;</p>
          <p>Abg, <hi rendition="#g">Waldell</hi> berichtigt diese Angabe noch dahin, daß                         das Preßgesetz erst von einer engeren Kommission ausgearbeitet sei und noch                         die Berathung der Verfassungskommission durchzumachen habe.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar088-089_011" type="jArticle">
          <head><bibl><author>103</author></bibl> Berlin, 27. Aug.</head>
          <p>Das, vom Abgeordneten <hi rendition="#g">Waldeck,</hi> bei Gelegenheit der                         Debatten des Arntz'schen Antrages auf Aufhebung der Untersuchungshaft bei                         politischen und Preßvergehen, erwähnte <hi rendition="#g">Gesetz über die                             Untersuchung und Bestrafung der politischen und Preßvergehen</hi> ist                         von demselben ausgearbeitet, von der engern Kommission bereits genehmigt und                         gestern der Verfassungs-Kommission vorgelegt worden, welche es sofort                         berathen und alsdann den Abtheilungen zugehen lassen wird. &#x2014; Der Entwurf                         lautet:</p>
          <p>§. 1. Vergehen, welche durch die Presse begangen werden, sind nach den                         allgemeinen Landesgesetzen zu bestrafen.</p>
          <p>§. 2. Alle Verbreitungen durch den Druck oder eine dem Druck gleichstehende                         Vervielfältigungsart, auch durch Bildwerke, werden hier unter &#x201E;Presse&#x201C;                         verstanden.</p>
          <p>§. 3. Das Wort Vergehen wird in diesem Gesetze für &#x201E;strafbare Handlung&#x201C;                         gebraucht.</p>
          <p>§. 4. Folgende gesetzliche Bestimmungen:<lb/>
Allgemeines Landrecht II. Titel                         20 §§. 151-156, nebst der<lb/>
Allgemeines Landrecht Theil II. Titel 20 §§.                         196-209 daselbst §§. 620, 621<lb/>
bleiben fortan außer Anwendung.</p>
          <p>§. 5. In den Landestheilen, in welchen das gemeine Strafrecht gilt, fallen                         diejenigen Strafbestimmungen, welche vorgedachten Gesetzen entsprechen,                         ebenfalls weg.</p>
          <p>§. 6. In den Landestheilen, in welchen das Allgemeine Landrecht Gültigkeit                         hat, werden durch die Presse verübte Beleidigungen der Ehre fortan nach den                         Gesetzen bestraft, welche bei Beleidigungen unter Personen höhern                         Bürgerstandes gelten, ohne daß der Stand des Beleidigers oder Beleidigten                         dabei weiter zur Berücksichtigung kommt. Bei einer Klage wegen Verleumdung                         ist die Einrede der Wahrheit der als verleumderisch bezeichneten Thatsachen                         zulässig.</p>
          <p>§. 7. Auf jeder Druckschrift muß bei 5-20 Thlr. Strafe der Name und Wohnort                         des Druckers am Schlusse angegeben werden. Der Drucker übernimmt dadurch die                         Verantwortlichkeit. Sie geht auf den Verleger über, wenn dieser ebenfalls                         mit Namen und Wohnort genannt und in Preußen bei Einleitung des                         gerichtlichen Verfahrens wohnhaft und anwesend ist. Ist Letzteres mit dem                         Verfasser der Schrift der Fall, so dürfen Drucker und Verleger, wenn deren                         Mitschuld nicht durch andere Thatsachen begründet wird, nicht gerichtlich                         verfolgt werden.</p>
          <p>§. 8. Als politische Vergehen gelten diejenigen, worüber sich der zweite,                         dritte und vierte Abschnitt des Titels 20, §§. 91-179, Allgemeinen                         Landrechts Theil II., die demselben im gemeinen Strafrechte und im                         Rheinischen Strafgesetzbuche gleichstehenden Vergehen verhält.</p>
          <p>§. 9. Alle den Vorschriften dieses Gesetzes entgegenstehende Bestimmungen,                         namentlich das Gesetz über die Presse vom 17. März 1848, treten außer                         Kraft.</p>
          <p>§. 10. In Ansehung der durch die Presse verübten Beleidigun-
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0452/0002] Alte Greise, die bettelnd am Wege saßen, wurden von Bürger- und Polizeischergen erschossen. — Mittlerweile waren die Arbeiter aus der Brigittenau denen in der Taborau zu Hülfe geeilt; da rückte schwere Militärkavallerie heran und suchte mit den Bürgergrenadieren gemeinschaftlich zu operiren. Die Arbeiter wurden in die Taborstraße getrieben, viele wurden gefangen und eingebracht, die Nationalgarde rückte immer mehr von allen Seiten heran. Der Oberkommandant Streffleur berichtete, daß er das Militär sofort entfernt habe. Diese Thatsachen werden in diesem Augenblicke immer bekannter, das Volk wird immer aufgeregter, es kann zu einem ernstern Kampfe kommen, wenn die Nationalgarde sich nicht besinnt und erkennt, daß sie ein Werkzeug des Absolutismus und eines verrätherischen Ministeriums ist. Schon spricht man von Barrikaden. 61 Wien, 24. Aug. Die Stadt ist dem Anscheine nach ruhig; die Reaktion hat momentan einen Sieg errungen. Die Erhebung des Sicherheitsausschusses in der Nacht des 21. auf den 22. war blos ein Schein; er hatte sich überhoben, denn er hattte sich durch die Berathung und Beschließung der Adresse an das Frankfurter Parlament über die Majorität des Wiener Spießbürgerthums hinausgehoben. Es gelang der Kamarilla, den Ausschuß mit der Legion zu republikanisiren und vor dem Bauch des Staats, dem Bürgerthum, als verschlingende Drachen darzustellen; es gelang, eine Arbeiterhetze herauf zu beschwören und den Minister Schwarzer dazu als Werkzeug zu benutzen, durch den die übrigen Minister Latour, Bach, dieser konstitutionell-demokratisch-monarchische Narr — Dobblhof u. s. w. die Kastanien aus dem Feuer nehmen konnten. — Die Studenten meinen, es müßten wieder Barrikaden gebaut werden; gut, aber wenn ihr sie nicht auch wieder die politischen Ischariots und wieder das Bürgerthum baut, werdet ihr auch nach Siegen immer wieder in die alten Zustände, mit denen sich nur noch die Gemeinheit paart, zurückgetrieben werden. Als ich gestern Abend den Sicherheitsausschuß verließ, war er im Begriff sich freiwillig aufzulösen, denn er hatte bei der Ordnungswuth der Nationalgarde nicht mehr die Macht in Händen; er that, was ihm allein übrig blieb, er sendete Deputationen an's Ministerium und ließ den interimistischen Oberkommandanten der Nationalgarde beschwören, die bürgerliche Schachersoldateska zurückzuhalten. Doch überall folgte den Bemühungen des Sicherheitsausschusses der Geruch des Republikanismus, d. h. die Vernichtung an seiner Autorität vor der bewaffneten Macht von 40,000 Spießbürgern, die aus Furcht vor der bewaffneten Legion und den Arbeitern schon Miene machte, die Errungenschaften Oesterreichs wieder an die Henkersknechte des Absolutismus, an das Militär, zu verhandeln. — Fischoff, ohnlängst noch Präsident des Sicherheitsausschusses, jetzt Ministerialrath, zuckte die Achseln, als der Ausschuß vor ihn hintrat, um humane Maßregeln zu erwirken und meinte, das Gesetz müsse gehandhabt werden; Streffleur, der Oberkommandant, fühlte, daß er mit 40,000 Bajonnetten nach keinem Ausschuß mehr zu fragen habe, und das Ministerium ließ durch Bach erklären, es selbst sei antirepublikanisch gesinnt und werde auch ohne Gesetze wider republikanische Vereine und dergleichen antirepublikanisch zu handeln verstehen. — So stürzte die Wiener Demokratie in einer Nacht zusammen und wir werden sehen, ob sie sich wieder aufzurichten vermag. Das Wetter ändert sich hier sehr rasch. Zwei Maueranschläge verrathen wohin das Staatsschiff rudert, der eine heißt: 1) Das Ministerium übernimmt die unmittelbare Leitung aller Maßregeln zur Aufrechthaltung der öffentlichen Ruhe und Sicherheit in der Residenz. Alle exekutiven Organe haben daher nur nach den Anordnungen der Ministeriums zu handeln; 2) Auf allen Arbeitsplätzen, wo die gestrigen Unruhen stattfanden, ist die Arbeit eingestellt, und alle jene Arbeiter, welche daselbst beschäftigt waren und neuerdings zu einer öffentlichen Arbeit zugelassen werden wollen, müssen sich über ihr bisheriges Verhalten auf den Bauplätzen (Sedinitzky's Polizei rückt also schan so schnell wieder ein?), sowie über ihre Zuständigkeit ausweisen, wonch ihnen ein Arbeitsschein von dem betreffenden Bezirkskommissariate ausgefertigt wird. In einem zweiten Maueranschlag befiehlt derselbe Ministerrath sub poena langjährigen Kerker's Gehorsam gegen die Nationalgarde, die Bürgerwehr und Legion einbegriffen. 15 Wien, den 23. August. Aus einem andern Berichte über die Arbeiteremeute geben wir folgendes: Dem Sicherheitsausschusse waren die Hände gebunden, man beharrte bei der Lohnherabsetzung und trieb mit Säbelhieben die Arbeitermassen auseinander. Die Erbitterung kam nun gestern Abend zum ersten Ausbruch. Die Arbeiter im Prater rotteten sich zu einer Demostration gegen Schwarzer, den Minister der Arbeiten, zusammen, den sie in essigie begraben wollten; die Munizipalgarde sperrte der Prozession den Weg, die Nationalgarde wurde allamirt und gegen die unbewaffnete Arbeitermasse sofort mit Macht eingeschritten. Aber die Municipalgarde war zu oft verhönt, die Nationalgarde zu oft von ihrem Arbeitsstuhl durch die Lärmtrommel aufgeschreckt worden, um in ihrem blinden Drange nach unbedingter Ruhe und Ordnung um jeden Preis die einfachsten Rücksichten der Menschlichkeit zu beobachten, sie hieb auf die Fliehenden ohne Unterschied des Alters und Geschlechtes ein und soll fürchterliche Grausamkeiten verübt haben, die, wenn sie nur halbwegs wahr sind, sich den Gräuelscenen der Pariser Junitage würdig anreihen dürfen. Nachdem kein Fliehender mehr zu erreichen und niederzustoßen war, zogen die Garden im Triumphzuge in die Stadt zurück, die in der fürchterlichsten Aufregung war. Die blutige Saat des gestrigen Tages wird desto fürchterlicher aufgehen; je weniger dringend ein solch barbarisches. Einschreiten erschien. Die Schuld dieser traurigen Vorfälle trifft zunächst das Ministerium, das diesen Zusammenstoß auf die plumpste Art herbeigeführt und damit der Reaktion Thür und Thor geöffnet hat. Daß aber der erfolgte Zusammenstoß kein unerwarteter, kein nothwendiger, viellmehr ein wohlberechneter, angelegter war, dafür spricht die Bewilligung der Kammer zu einem Anlehen von 20 Millionen, dafür spricht die Haltung des Ministeriums in der Stunde der Gefahr selbst. Man will entzweien, man will die Auflösung des Sicherheitsausschusses als eines volksthümlichen und volksfreundlichen Tribunals, man will die Auflösung der academischen Legion, um zum militärischen Despotismus zu kommen und den Weg anzubahnen, der in die schöne, alte Zeit zurückführt. Den 24. August. Die Nacht verlief ruhig, die Zahl der Todten und Verwundeten wird auf mehr als 100 veranschlagt. Die Arbeiter wüthen über das treulose und kanibalische Benehmen der Garde und brüten furchtbare Rache. Es stellt sich immer klarer heraus, daß die Treibjagd auf die wehrlosen und fliehenden Arbeiter ebenso unmenschlich als nutzlos war. Mitglieder der academischen Legion parlamentiren fortwährend mit den Arbeitern und suchen die mit Recht erbitterten Gemüther zu beschwichtigen. Unser Ministerium Dobbhoff wird an eben diesem seinem Siege über die Arbeiter zu Grunde gehen, und das Heft der Regierung wird in die Hände Stadion-Neumanns fallen, in deren Gefolge wir die ganze adliche und militärische Sippschaft, die vollständig organisirte schwarzgelbe Reaktion zu gewärtigen haben. Der Sicherheitsausschuß hat sich heute aufgelöst, indem das Ministerium die Erklärung abgab, kein anderes Organ neben sich dulden zu können, und die Verwaltung allein und ungetheilt in seinen Händen besitzen will. Der Reichstag wird stets eine ministerielle Majorität haben und seine Mission, wie es bisher zu ersehen, kaum erfüllen. Jedenfalls gehen wir blutigen Ereignissen entgegen. * Wien, 25. Aug. Gestern begann der erste öffentliche Preßprozeß gegen die Redakteure des „Studenten-Courier“ wegen eines Artikels: „die Republik in Wien“. Der Staatsanwalt trug auf 6wöchentlichen Arrest an. Die Geschwornen erklärten: „Nicht schuldig“, Mit unendlichem Jubel begleitete das Volk die Freigesprochenen nach Hause. !!! Frankfurt, 26. August. So eben (11 Uhr Abends) komme ich von dem mehr als glänzenden Empfang zurück, welchen Frankfurts Demokraten der Wiener Deputation gebracht haben, die jene vielbesprochene Adresse von 80,000 Wiener Bürgern, vom Demokratenverein, liberalen Verein. Studentenlegion, Wohlfahrtsausschuß etc. unterzeichnet, der äusersten Linken der Nationalversammlung überbringt. — Die Deputation, nur aus dem Präsidenten des Wiener demokratischen Vereins, Dr. Deutsch, bestehend, kam um 10 Uhr Abends in Frankfurt an und wurde von den Arbeitern, einigen neugierigen Bürgern und Damen, einigen Mitgliedern der Linken etc. bei Fackelschein und Gesang im hiesigen Fai'schen Garten freudig empfangen. Friedrich Kapp hielt eine begrüßende Anrede, die Dr. Deutsch mit einem Hoch auf die äußerste Linke erwiederte. Nachher sprach Wiesner (Abgeordneter aus Wien) in einer kräftigen mit Jubelruf begrüßten Rede.) Hierauf begleitete die Menge in dichtgedrängtem, unabsehbarem Zuge mit vielen hundert Fackeln den Dr. Deutsch durch die Straßen Frankfurts nach dem Landsberg. Ununterbrochen erschallten Lebehochs auf Hecker, auf die Republik, besonders vor dem Hôtel de Russie, der früheren Wohnung des Reichsverwesers. Der Geist Wiens war in die Freireichsstädter gefahren. 15 Berlin, 25. Aug. Das Ungewitter, welches sich über dem Haupte der guten Bürger von Posen zusammengezogen, ist glücklich zertheilt. „Vater“ Steinäcker bleibt wieder bei ihnen. Die Deputation, welche vor einigen Tagen hieher geschickt war, bekam Audienz beim Premier Auerswald, der ihnen mittheilte, daß die Regierung von einer beabsichtigten Entfernung des „allverehrten“ Generals „mit den Silberhaaren“ gar nichts wüßte. In Betreff der preußischen Politik im Großherzogthum Posen äußerte sich der Hr. Minister huldvoll, daß die Reorganisation und Demarkation ganz im Sinne des preußisch-jüdischen Raçe ausfallen würde. Unterdessen haust die preußische Soldateska in der unglücklichen Provinz im Verein mit den Landräthen ganz nach der alten Manier. Vor wenigen Tagen stand im Städtchen Zerkow ein polnischer Bürger ganz ruhig in der Kirche, als ein Unteroffizier vom 21. Regiment hereinstürzt. Jener fragt, was er wolle? Statt aller Antwort fällt der Unteroffizier über ihn her und schlägt ihn mit seinem Säbel über Kopf und Arm. Der Pole ruft Hülfe und sucht in den obern Stock zum Schullehrer zu entfliehen. Allein nun bricht ein ganzer Schwarm von Soldaten in das Haus und mißhandelt den Mann mit Kolben, Säbeln und Ladestöcken bis er endlich halbtodt daliegt. Genugthuung ist natürlich dem Manne nicht geworden; ist er ja ein Pole. In Folge der Exzesse vom 21. Aug. sind hier bis jetzt 58 Personen verhaftet und 46 davon dem Kriminalgericht übergeben worden. Trotzdem, daß die Sache sehr eifrig betrieben wird, und die Minister Auerswald, Kühlwetter und Märker bereits verhört worden sind, will sich bis jetzt nichts Erhebliches herausstellen. 103 Berlin, 26. Aug. Sitzung der Vereinbarer-Versammlung. Tagesordnung: Berathung des Gesetzes zum Schutze der persönlichen Freiheit. §. 5. „Die Wohnung ist unverletzlich. Während der Nacht hat Niemand das Recht, in dieselbe einzudringen, als in Fällen einer Feuer- oder Wassersnoth, einer Lebensgefahr oder eines aus dem Innern der Wohnung hervorgegangenen Ansuchens. Bei Tage kann wider den Willen des Hausherrn Niemand eindringen, außer in Folge einer in amtlicher Eigenschaft ihm gesetzlich beigelegten Befugniß oder eines von ihm von einer gesetzlich dazu ermächtigten Behörde ertheilten schriftlichen Auftrags. „Haussuchungen dürften nur in den Fällen und nach den Formen des Gesetzes unter Mitwirkung des Richters, der gerichtlichen Polizei, und wo diese noch nicht eingeführt ist, der Polizeikommissarien oder der Kommunalbehörde, wo eine solche aber nicht besteht, der Polizeibehörde des Orts geschehen.“ Der Berichterstatter Waldeck begründet den §. Die Abg. Harrassowitz, Rintelen, Weichsel, Lisiecki, Borchardt stellen Amendements oder Zusätze. Der Borchardtsche Zusatz: „und zwar unter Zuziehung des Angeschuldigten oder Falls dies unmöglich der Hausgenossen,“ wird angenommen. §. 6. „Das aus der Nachtzeit hergeleitete Verbot besteht für die Zeit vom 1. Oktober bis 31. März während der Stunden von 6 Uhr Abends bis 6 Uhr Morgens, und für die Zeit vom 1. April bis 30. September während der Stunden von 9 Uhr Abends bis 4 Uhr Morgens. Auf diejenigen Orte jedoch, welche als Schlupfwinkel des Hazardspiels und der Ausschweifungen oder als gewöhnliche Zufluchtsorte von Verbrechern glaubhaft bezeichnet werden, findet dies Verbot keine Anwendung. In Betreff derjenigen Orte, in welchen während der Nachtzeit das Publikum ohne Unterschied zugelassen wird, bleibt es außer Anwendung, so lange sie dem Publikum geöffnet sind.“ Berichterstatter Waldeck motivirt. Abg. Blöm stellt das Amendement: statt des Wortes „glaubhaft“ die Worte: „durch den gemeinen Ruf,“ zu setzen. Abg. von Daniels stellt den Zusatz: hinter den Worten: „bezeichnet“ einzuschalten: „und auf Wohnungen der Personen, welche durch ein Straferkenntniß unter besondere polizeiliche Aufsicht gestellt sind, findet dies Verbot keine Anwendung.“ Beide Amendements werden angenommen. §. 7. „Im Falle eines Krieges oder Aufruhrs kann, wenn die Volksvertretung nicht versammelt ist, durch Beschluß und unter Verantwortlichkeit des Staatsministerii die zeit- und distriktsweise Suspendirung des §. 1 gegenwärtigen Gesetzes provisorisch ausgesprochen werden. Die Volksvertretung ist jedoch in diesem Falle zusammenzuberufen.“ Dieser Paragraph, so einfach er ist, ruft wieder einmal eine der stürmischen Scenen hervor, welche die rechte Seite, wenn sie bei der Abstimmung unterliegt, durch ihr Lärmen und Geschrei eine neue Abstimmung zu erlangen, hervorruft. — Der Abgeordnete Hartmann hat das, von der rechten Seite unterstützte Amendement gestellt, nicht allein den §. 1 wie hier vorgeschlagen, sondern auch noch die „§§. 2, 3, 5, 6.“ einzuschalten, damit dieselben bei einer desfallsigen Suspendirung mit einbegriffen sind. Der Vice-Präsident Kosch beobachtet nun das Verfahren, zuerst die Frage zu stellen, ob auch §. 2 hinzugefügt werde. Die rechte Seite erhebt sich dafür, und der Vice-Präsident Kosch erklärte es für die Minorität. Das will die Rechte nicht zugeben und verlangt nochmalige Abstimmung und Zählung. Der Lärm wird immer größer, bis endlich der Antragsteller Hartmann die Tribüne besteigt und der Rechten erklärt, daß er als Antragsteller sich mit der Abstimmung einverstanden erkläre, da ja der §. 2. ohne allen Einfluß bei einer desfallsigen Suspendirung des Gesetzes sei. Auch §§. 3 und 6 werden nicht zur Suspendirung hinzugenommen; nur §. 5 wird mit 159 gegen 151 Stimmen dazugezogen, so daß es nun im Text des §. 7 heißen muß: „die Suspendirung der §§. 1. und 5. des gegenwärtigen Gesetzes.“ §. 8. „Es ist keine vorgängige Genehmigung der Behörden nöthig, um öffentliche Civil- und Militär-Beamten wegen der durch Ueberschreitung ihrer Amtsbefugnisse verübten Verletzungen vorstehender Bestimmungen gerichtlich zu belangen. Berichterstatter Waldeck motivirt. Da sich der Minister des Innern im Namen der Regierung für die Annahme des Paragraphen erklärte, so findet keine weitere Debatte statt, und der §. 8 wird einstimmig angenommen. — Der Abgeordnete Arntz hat den Antrag gestellt: Folgende Bestimmung möge als §. 9. dem Gesetze hinzugefügt werden: „Wer beschuldigt ist, vermittelst der Presse oder auf eine andere Weise ein politisches Vergehen verübt zu haben, welches als höchste Strafe im Bezirke des Rheinischen Appellationsgerichts fünf Jahre Gefängniß, in den übrigen Landestheilen vier Jahre Gefängniß, Zuchthaus oder Festungs-Arrest nach sich ziehen kann, soll, wenn er in Preußen einen festen Wohnsitz hat, vor der Verurtheilung nicht verhaftet werden, es sei denn, daß er der Vorladung vor dem Richter zu erscheinen nicht Folge leiste. Als politische Vergehen werden, außer den im §. 2. der Verordnung vom 15. April 1848 bezeichneten, diejenigen Vergehen betrachtet, welche vorgesehen sind: 1) im Allgemeinen Landrecht Theil II. Titel 20. Abschnitt 2, 3, 4 und 5; 2) im Rheinischen Strafgesetzbuche, Buch III. Titel I. Kap. 3, Abschnitt 3 §. 1.“ Minister des Innern Kühlwetter: Die Regierung muß sich der Annahme dieses Antrags ganz entschieden widersetzen. Wir sind im Begriff eine Verfassung zu begründen, an deren Spitze die Gleichheit Aller vor dem Gesetze als Prinzip gestellt ist. Dieses Prinzip wird beeinträchtigt, wenn Sie diesen Antrag annehmen, wenn Sie eine bestimmte Untersuchungs-Kategorie vor andern bevorzugen. Abg. Jung: Die Presse und die politischen Vergehen befinden sich seit dem 18. März in der üblen Lage, stets nach den veralteten Gesetzen beurtheilt zu werden, welche durch die Ereignisse jenrs Tages faktisch aufgehoben sind, und von Gerichten, die dem Geiste der Zeit eben so wenig entsprechen, daß wir den Vorschlag des Abg. Arntz mit Freuden annehmen können. Die Einwendungen des Ministers des Innern beziehen sich fast nur auf formelle Bedenken. Er sagt: es sei gegen die Rechtsgleichheit für politische und Preßvergehen die Untersuchungshaft abzuschaffen. Diese Vergehen unterscheiden sich aber sehr bestimmt vor allen andern. Es sind Verbrechen, die aus sittlichen Antrieben entstehen. (Murren auf der Rechten.) Ja, der politische Verbrecher steht auf dem Boden der Sittlichkeit. (Beifallsbezeigung der Linken.) Abg. Jungblut: Vor Allem muß ich Verwahrung dagegen einlegen, daß das, welches hier als Grundsatz der Sittlichkeit ausgesprochen worden, als Ausdruck der Gesinnung der ganzen Versammlung zu betrachten wäre. (Gelächter und allgemeine Heiterkeit.) Nachdem der Abg. Borchardt sich noch für den Antrag ausgesprochen hat, bemerkt der Minister Kühlwetter: es sei nicht zu übersehen, daß die Untersuchungshaft nur vom Richter ausgehen kann, und der Richterstand stehe in Preußen unabhängig da, wie er immer unabhängig da gestanden habe. (Bezweifelnde Ausrufungen zur Linken.) Abg. Stupp: Man möge nur Vertrauen haben zu dem Richter und „wir als Vertreter der Nation dürfen keinen Zweifel äußern an der Selbstständigkeit unserer Richter.“ Reichenbach: Der Minister des Innern hat behauptet, der Antrag sei eine Verletzung der Gleichheit vor dem Gesetze. Man lasse sich nicht blenden von diesem Satze, der Antrag bezweckt nur die gleiche Befreiung aller Staatsbürger wegen eines und desselben Verbrechens. Abg. Arntz erklärt als Antragsteller sich mit der Verweisung in die Centralabtheilung begnügen zu wollen. — Nach einer Unterredung mit dem Abgeordneten Waldeck zieht er seinen Antrag jedoch ganz zurück, da ihm dieser als Vorsitzender der Verfassungs-Kommission mitgetheilt habe, daß ein Preßgesetz von dieser Kommission in den nächsten Tagen vorgelegt werden würde, wo er seinen Antrag wieder einreichen werde. — Abg, Waldell berichtigt diese Angabe noch dahin, daß das Preßgesetz erst von einer engeren Kommission ausgearbeitet sei und noch die Berathung der Verfassungskommission durchzumachen habe. 103 Berlin, 27. Aug. Das, vom Abgeordneten Waldeck, bei Gelegenheit der Debatten des Arntz'schen Antrages auf Aufhebung der Untersuchungshaft bei politischen und Preßvergehen, erwähnte Gesetz über die Untersuchung und Bestrafung der politischen und Preßvergehen ist von demselben ausgearbeitet, von der engern Kommission bereits genehmigt und gestern der Verfassungs-Kommission vorgelegt worden, welche es sofort berathen und alsdann den Abtheilungen zugehen lassen wird. — Der Entwurf lautet: §. 1. Vergehen, welche durch die Presse begangen werden, sind nach den allgemeinen Landesgesetzen zu bestrafen. §. 2. Alle Verbreitungen durch den Druck oder eine dem Druck gleichstehende Vervielfältigungsart, auch durch Bildwerke, werden hier unter „Presse“ verstanden. §. 3. Das Wort Vergehen wird in diesem Gesetze für „strafbare Handlung“ gebraucht. §. 4. Folgende gesetzliche Bestimmungen: Allgemeines Landrecht II. Titel 20 §§. 151-156, nebst der Allgemeines Landrecht Theil II. Titel 20 §§. 196-209 daselbst §§. 620, 621 bleiben fortan außer Anwendung. §. 5. In den Landestheilen, in welchen das gemeine Strafrecht gilt, fallen diejenigen Strafbestimmungen, welche vorgedachten Gesetzen entsprechen, ebenfalls weg. §. 6. In den Landestheilen, in welchen das Allgemeine Landrecht Gültigkeit hat, werden durch die Presse verübte Beleidigungen der Ehre fortan nach den Gesetzen bestraft, welche bei Beleidigungen unter Personen höhern Bürgerstandes gelten, ohne daß der Stand des Beleidigers oder Beleidigten dabei weiter zur Berücksichtigung kommt. Bei einer Klage wegen Verleumdung ist die Einrede der Wahrheit der als verleumderisch bezeichneten Thatsachen zulässig. §. 7. Auf jeder Druckschrift muß bei 5-20 Thlr. Strafe der Name und Wohnort des Druckers am Schlusse angegeben werden. Der Drucker übernimmt dadurch die Verantwortlichkeit. Sie geht auf den Verleger über, wenn dieser ebenfalls mit Namen und Wohnort genannt und in Preußen bei Einleitung des gerichtlichen Verfahrens wohnhaft und anwesend ist. Ist Letzteres mit dem Verfasser der Schrift der Fall, so dürfen Drucker und Verleger, wenn deren Mitschuld nicht durch andere Thatsachen begründet wird, nicht gerichtlich verfolgt werden. §. 8. Als politische Vergehen gelten diejenigen, worüber sich der zweite, dritte und vierte Abschnitt des Titels 20, §§. 91-179, Allgemeinen Landrechts Theil II., die demselben im gemeinen Strafrechte und im Rheinischen Strafgesetzbuche gleichstehenden Vergehen verhält. §. 9. Alle den Vorschriften dieses Gesetzes entgegenstehende Bestimmungen, namentlich das Gesetz über die Presse vom 17. März 1848, treten außer Kraft. §. 10. In Ansehung der durch die Presse verübten Beleidigun-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Marx-Engels-Gesamtausgabe: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-20T13:08:10Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jürgen Herres: Konvertierung TUSTEP nach XML (2017-03-20T13:08:10Z)
Maria Ermakova, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Frank Wiegand: Konvertierung XML nach DTA-Basisformat (2017-03-20T13:08:10Z)

Weitere Informationen:

Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz088089_1848
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz088089_1848/2
Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 88/89. Köln, 30. August 1848, S. 0452. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz088089_1848/2>, abgerufen am 21.11.2024.