Neue Rheinische Zeitung. Nr. 75. Köln, 14. August 1848.Linke selbst mit vermehrter Stimmenzahl vor der Rechten nicht aufkommen wird. Diese tritt jetzt kompakter, organisirter als je auf; ihr Uebermuth kennt keine Gränzen. Wie erfolgreich auch die Reaktion den früheren Zustand der Dinge in Europa wiederherzustellen beginnt - der Czaar aller Reußen scheint diesem Bestand nicht zu trauen. Durch kaiserliches Manifest vom 26. Juli ist in den östlichen Gouvernements des russischen Reichs eine Rekrutenaushebung zu 7 von 1000 Mann anbefohlen worden, ja in 9 andern Gouvernements soll eine Aushebung von 10 auf 1000 und zwar von den Freisassen und städtischen Bürgern geschehen. 119 Berlin, 11. August. Nach der langen und dürren Debatte über Reform der Bergwerksgesetzgebung, als eben die Sitzung geschlossen werden sollte, wurde noch ein dissentirendes Votum wegen eines Beschlusses in der letzten Sitzung angekündigt. Man verlas es: Die Unterzeichneten sähen den in der letzten Sitzung gefaßten Beschluß, den Offizieren, die die jetzige Staatsform mit ihrem Gewissen nicht vereinigen könnten, den Austritt zur Ehrenpflicht zu machen, für einen beleidigenden Gewissenszwang und den Anfang einer politischen Inquisition an. Erstaunt über diese Beleidigung rief die Linke: Namen! Namen! und siehe da, die ganze Rechte, ich glaube hundert und einige dreißig hatten das "dissentirende Votum" unterschrieben. Die Entrüstung war unbeschreiblich. Schulz v. Wanzleben trat auf die Tribüne und beantragte, daß die Unterzeichneten, weil sie die Versammlung beleidigt hätten, zur Ordnung gerufen werden sollten. Da stürzte Hr. Petersen auf die Tribüne und schrie: "Das ist eine Fortsetzung der politischen Inquisition!" Natürlich wurde der Tumult immer größer. Der Präsident wies den Redner, allerdings in sehr wohlwollender Weise, zurecht, und erklärte, wie gewöhnlich aus der Geschäftsordnung, daß es nicht in seiner Befugniß stünde, die Unterzeichner des dissentirenden Votums zur Ordnung zu rufen. In den Centren beginnt jetzt eine Spaltung, die Mitglieder fangen an zu den entschiedenen Parteien überzugehen, je nachdem sie sich der einen oder der andern mehr zuneigen. Die Minister beginnen auch den Parteisitzungen beizuwohnen, so war Hr. Hansemann vorgestern in einer Sitzung der Rechten, in der Hr. v. Auerswald präsidirte und wo etwa 120 Mitglieder gegenwärtig waren; er forderte die Versammlung auf, Interpellationen und dringliche Anträge nicht zu unterstützen, weil sonst das Ministerium zu schwach würde, und die ehrlichen Volksvertreter unter Vorsitz des Exministers v. Auerswald, gingen in sich und gelobten fein artig zu sein und nicht interpelliren zu lassen. Darum frohlockten sie heute siegsgewiß, als eine Anzahl von dreißig Anträge und Interpellationen angekündigt wurden. - Morgen, am 11., werden einige Comite-Mitglieder und der Präsident des demokratischen Klubs vor dem Polizeigerichte stehen Weil diese Herren gegen die polizeiliche Bekanntmachung, in welcher Hr. v. Bardeleben eine so wunderliche Interpretation des Gesetzes über die Volksversammlungen versucht, gefehlt haben, sind sie in Anklagestand gesetzt worden. * Jarocin, Prov. Posen, 28. Juli. Einem von hier datirten Inserat der B. Z. H. entnehmen wir folgendes: Heut beklagte sich in einer Gesellschaft der Baron von Bock, Lieutenant des theilweise hierorts garnisonirenden 7. Infanterie-Regiments: "Daß es für ihn schwer halte, auf acht Tage Urlaub zu bekommen, und hieran die unruhigen Polen schuld seien. Diese hätten auch die Revolution in Berlin verursacht und es müßte, damit es ruhig werde, diese Brut bis auf den Letzten ausgerottet werden." 61 Wien, 9. Aug. Das in meinem zweiten Briefe gestern mitgetheilte, die Rückkehr des Kaisers verheißende, Straßen-Plakat des Minister-Präsidenten Doblhoff ist keineswegs, wie Sie denken könnten, ein dem Ministerium zugekommener Akt; vielmehr hat die Innsbrucker Deputation sich beeilt, die Antwort des Kaisers als Erfolg ihrer Sendung mit einem Begleitungsschreiben unmittelbar an den Reichstag zu schicken, in welchem sie ungefähr sagt: "Die Reichstags-Deputation kommt so eben von der bei Sr. Majestät gehabten Audienz zurück und beeilt sich, den Entschluß, welcher in der beiliegenden Antwort zugesichert ist, und der bereits vor der gestern Abends erfolgten Ankunft der Reichstagsdeputation gefaßt worden war, (soll damit die Freiheit des absoluten Prinzips etwa gewahrt worden sein?) zur Kenntniß des hohen Reichstags zu bringen, damit die Völker Oesterreichs nicht einen Augenblick in Zweifel über den Erfolg unserer Sendenz seien u. s. w. Nachdem in der gestrigen Sitzung Vice-Präsident Strobach beide Urkunden dem Reichstag unter lebhaften Freudenbezeugungen mitgetheilt hatte, bemerkte derselbe dazu: "Er sehe darin ein glückliches Vorzeichen, daß der erste entscheidende Schritt des Reichstags mit so glücklichem Erfolg gekrönt worden, und müsse seinen Glückwunsch zu künftigen gleichen Schritten aussprechen. Im Verfolg meines Argwohns über die italiänischen Vorgänge erlaube ich mir, Sie heute darauf aufmerksam zu machen, daß nachdem das zur Deckung Mailands bestimmte piemontesische Korps urplötzlich seinen Rückzug gen Pavia angetreten, am 5. Aug. Feldmarschall Radetzky den englischen Gesandten zu Turin, Mr. Aberkrombie, in seinem Hauptquartier zu Lodi empfangen und sich im Allgemeinen mit demselben über die Bedingungen, unter welchen Anträge zur Abschließung eines Waffenstillstandes angenommen werden könnten, besprochen hat. So heißt es auch in einem von der Wiener Abendzeitung mitgetheilten, aufgefangenen piemontesischen Briefe de dato Assola 28. Juli merkwürdigerweise: "Die Division von Volta unternahm einen Rückzug, der in Betracht der ungleichen (?) Stärke als eine Flucht angesehen werden kann. Ueber das Gros der Armee, welches sich in Goite befand, kann man keine bestimmte Nachricht haben." (?!) Zweifeln Sie noch an dem im Interesse des Königthums geschehenen Verrath des Sardenkönigs? Ja, er hat sich durch Metternich noch einmal dahin überzeugen lassen, daß es in einer so gefährlichen Periode, wie die gegenwärtige, wo die nationale Frage am Ende auch in Italien eine untergeordnete werden könnte, der Fürsten unerläßigste Aufgabe sei, wider das demokratische Völkerregiment zusammenzuhalten, wie Pech und jede dynastische Mißhelligkeit zu vermeiden. - Die englische royalistische Aristokratie steht mit diesem Prinzip im engsten Bunde, darum können Nikolaus-Metternich sich in diesen Fällen, wie vorliegender, diplomatisch-fein hinter John Bull verstecken. Die Katzenmusiken dauern in den Vorstädten fort. - Damit man nicht sagen könne, der Kaiser habe der Forderung seines Reichstags nachgegeben und dadurch sich vor der Volkssouveränetät gebeugt, läßt ihn die Kamarilla vorläufig nicht nach - Wien, sondern nach Schönbrunn zurückkommen, wo Alles zu seinem Empfang bereitet wird. Windischgrätz soll verkleidet vorgestern der militärischen Siegesfeier beigewohnt haben, und dann augenblicklich wieder abgereist. sein. Er hat wohl das Terrain rekognoszirt und seine Freunde gezählt? - Die Nachricht von Mailands Uebergabe wird auch durch die heutigen Blätter, obwohl noch nicht offiziell, bestätigt. 15 Wien, 8. August. In der heutigen Kammersitzung zeigte der Präsident den Abgeordneten die Ankunft des Hofes auf den 12. l. M. an, wonach die gestern dem Sicherheitsausschusse mitgetheilte offizielle Nachricht zu berichtigen ist. So groß nun der Jubel über dies Ereigniß in den Reihen unserer schwarz-gelben Reaktionäre, die nun mit doppelter Kühnheit ihr Haupt erheben werden, so groß ist die Bestürzung aller wahren Freunde der Freiheit und des Volkes, die von der Anwesenheit des Hofes in so unmittelbarer Nähe des Reichstags einen üblen Einfluß auf unser noch so zartes Parlament befürchten. Da in der gestrigen Reichstagssitzung die Geschäftsordnung und die Hausstatuten zu Ende geführt worden, beginnen die eigentlichen und wichtigeren Verhandlungen an Zeit zu gewinnen und so werden die eigentlichen Lebensfragen nacheinander auftauchen. So stellte in heutiger Sitzung der Abgeordnete Haus Kudlich den den Antrag: Die hohe Versammlung wolle beschließen: 1) daß die Einschränkung der persönlichen Freiheit durch das Band der Unterthänigkeit aufzuhören hat. 2) Daß Robot und Zehent, so wie alle andern, die der Freiheit des bäuerlichen Grundbesitzes beschränkenden, nicht privatrechtlichen, sondern aus dem Verhältnisse, der Grundherrlichkeit, Bergherrlichkeit, Schutzobrigkeit, Dorfobrigkeit und des Lehenbandes entspringenden Lasten nicht mehr zu leisten sind. 3) Daß eine aus den Vertretern aller Provinzen gewählte Kommission mit Zuziehung des Ministeriums mit möglichster Beschleunigung über die etwaige Entschädigung und über die Einführung der neuen Gerichtsverfassung, Gesetzentwürfe auszuarbeiten habe. 4) Daß die Gerichtsbarkeit und politische Geschäftsführung bis zur Einführung der neuen Gerichtsverfassung von den Patrimonialgerichten inzwischen noch ausgeübt werden soll. 5) Daß darüber zur Beruhigung des Landvolks eine feierliche Proklamation zu erlassen sei. Ueber den Verlauf der Debatte und die Lösung dieser entscheidenden, keiner andern an Wichtigkeit nachstehenden Frage, werde ich Ihnen morgen, sobald die Verhandlungen darüber zu Ende geführt sind, ausführlicher berichten. 15 Wien, 9. August. (Aus der Kammer.) Kriegsminister Latour theilt so eben (21/2 Uhr) der Reichsversammlung die telegraphische Depesche mit, worin die Einnahme Mailands durch die östreichischen Truppen angezeigt wird. Prag, 8. August.
Heute wurde Dr. Brauner seiner Haft entlassen. Es hat sich nichts Gravirendes gegen ihn herausgestellt. Morgen reist er nach Wien, um seinen Platz im Reichstag einzunehmen. Es bleiben noch 40 Gefangene auf dem Hradcin, die nicht mehr mit soldatischer Barschheit, sondern auf gemessenen Ministerialbefehl mit allem Anstande behandelt werden. (C. B. a. B.)Schweiz. * Bern, 9. Aug.
Ein direkt von Mailand hier angelangter Reisender giebt folgenden Bericht über die dortigen Vorfälle: Als die Nachricht von der mit solcher Heimlichkeit und Hinterlist zwischen Radetzky und dem Sardinerkönige abgeschlossenen Kapitulation sich in der Stadt verbreitete, wurde das Volk wie rasend und strömte massenweise vor den Palast des gekrönten "Judas." Letzterer war genöthigt, auf dem Balkon zu erscheinen, wo er den Abschluß der Kapitulation zu rechtfertigen suchte und bervorhb, daß er ja für Jeden Leben und Eigenthum und freien Abzug ausbedungen! Aber das Volk schrie: "Tod dem Verräther! Nieder mit dem Schurken u. s. w." Karl Albert wußte sich im blassen Schrecken nicht anders zu helfen, als daß er erklärte: Nun, wenn es sein muß, so will ich mich und meine Armee unter Mailands Trümmern begraben lassen. Er dachte natürlich an ganz andere Dinge, als an Erfüllung des Versprechens. Denn es zeigte sich bald, daß das Heer wirklich ohne Munition war. Das hatte der Sardinerkönig alles im Voraus so einrichten lassen. Denn war Munition vorhanden, so wurden die Piemontesen zum Kampf gezwungen, oder sie kamen zwischen zwei Feuer. Die Erbitterung, die Wuth stiegen nun aufs Höchste. Wer irgend konnte, suchte sein Heil in der Flucht. Blos 2 Thore waren noch frei. Eine Masse eilte durch sie fort, um sich auf schweizerisches Gebiet zu flüchten. Karl Albert's Pläne sind für immer in Dampf aufgegangen. Von nun an kann es im Herzen eines jeden braven Italiäners nur noch ein unvertilgbares Gefühl der Rache geben, gegen die königlich sardinische Perfidie und Verrätherei. Die scharfsichtigen unter den Italienern wußten längst, was von diesem Karl Albert zu halten sei; jetzt ist aber auch den bisher Ungläubigen der Glaube in die Hand gezwungen worden. Italien. Mailand, 7. August.
Nach den (gestern gemeldeten) Schüssen in die Wohnung Carl Alberts wurde die Straße durch die Kavallerie gesäubert, und eine bedeutende Truppenmasse in die Gegend versammelt, der König ließ sich nun seinen Schnurbart abnehmen, und entfloh mit seinen Söhnen zu Fuß bis auf den Platz Belgiojoso, wo er in Mitte seiner Dragoner zu Pferd stieg, und sich dann mit der ganzen Armee, die nach und nach zusammengezogen wurde, nach Mitternacht davon machte. - Sonntag Morgens früh war der Jammer in der ganzen Stadt ungeheuer, und wie ich 4 Uhr Morgens durch die Straßen ging, sah ich eine Menge Familien, Männer, Weiber und Kinder nur mit kleiner Bagage weinend fortziehen, die früher errichteten Barrikaden wurden so gut wie möglich abgetragen und Alles auf den Einzug der Oesterreicher bereit gemacht. Schon um 8 Uhr rückten die Vorposten ein, und um Mittag hielt Radetzky seinen Einzug. Es sind jetzt 80,000 Mann hier, und nächstens werden noch 20,000 unter Welden erwartet. Die Kapitulation von Mailand soll folgendermaßen lauten: 1) Die Stadt wird nicht geplündert. 2) Was vom Marschall abhängt, wird er hinsichtlich des Vorgefallenen jede mögliche Rücksicht haben. 3) Die Piemontesen werden sich in drei Tagreisen in Piemont zurückziehen. 4) Bis zum 6. Aug., um 8 Uhr Morgens, darf, wer will, sich von Mailand entfernen. 5) Morgens um 8 Uhr besetzt der Marschall Porta Romana, um 12 Uhr die Stadt. 6) Die Blessirten und Kranken werden in zwei Tagen transportirt. (?) 7) Alle Bedingungen bedürfen die Zustimmung Sr. Maj. Karl Alberts. 8) Der Marschall verlangt, daß alle Generale, Offiziere und österreichische Angestellte, die sich in Mailand befinden, sogleich in Freiheit gesetzt werden. San Donat, 5. August. Karl Albert hat die Lombarden arg getäuscht; Alles flucht über seine Feigheit und Doppelzüngigkeit. Am 5. ds. hatte er folgende Proklamation erlassen: "An die Einwohner von Mailand. Der Nachdruck, womit sich die Bevölkerung gegen jedweden Gedanken einer Verständigung mit dem Feinde erklärt hat, bestimmte mich, fortzufahren im Kampfe, wie ungünstig sich auch die Umstände gestalten mögen. Alles muß überwunden werden von dem Einen Gedanken: die Befreiung Italiens. Bürger! der Augenblick ist so ernst, daß Alle an's Werk schreiten müssen. Wir sind stark durch die Gerechtigkeit unserer Sache, krönen wird der Himmel die Bemühungen eines Heldenmüthigen Volkes, das mit einem Heere verbrüdert ist, welches schon so viel Blut für die italienische Sache vergossen hat. Ich bleibe mit meinen Söhnen unter Euch. Für die gemeine Sache ertrage ich mit dem Kerne meines Volkes seit vier Monaten das Ungemach des Krieges. Ich vertraue auf Euch: zeigt es Euerseits, daß mein Vertrauen gerecht ist, und alle vereint werden wir den ersten Tag der gemeinschaftlichen Befreiung begrüßen. Mailand, den 5. August 1848. Karl Albert. Wie die Italiener jetzt über Karl Albert urtheilen, mag man aus folgendem Bruchstück entnehmen: "Karl Albert hat den Krieg begonnen, um seine Truppen zu decimiren, d. h. gerade die, welche dem Liberalismus am meisten zugethan waren. Sein Heer hat 30,000 Mann, die Blüthe der piemontesischen Bevölkerung, verloren. Und wozu geschah dieß? Um im Einverständniß mit Oesterreich der Revolution den Kopf zu zertreten, um sie ihrer besten Stütze zu berauben." (N. Z. Z.)In Turin fanden am 4. d. auf das Gerücht von einer Uebergabe Mailands unruhige Bewegungen statt; das Volk schrie: Nieder mit den Uebergebern! Von Genua befürchtet man den Ausbruch einer Revolution. Französische Republik. 17 Paris, 11. Aug. Jetzt erst wird eingestanden, daß in dem ersten Zuge Transportirter die Mehrzahl aus alten Soldaten, Municipal- und sehr vielen Mobilgardisten bestanden, denen man ihre Uniformen gelassen hat. Das ehrenwerthe "Kommerce", das das Leibjournälchen sämmtlicher Wechsel und Börsenagenten, seufzt tief und spricht: "also selbst unter diejenigen, die für ihr Waffenhandwerk und zu unserm Schutz redlich (?) besolden, ist die Schlange der Verführung eingedrungen! Gott, Gott, in welcher Zeit leben wir!" und es wirft einen Liebesblick auf die biedern Bauern die an der alten Ordnung festhalten werden, wenn auch nochmals die fieberhaft erregten Städtearbeiter aufstehen sollten." Diese biedern Bauern, erzählte George Sand in der "Vrai Republique", waren noch vor kurzem in der Touraine des Glaubens, zu Paris hause " der grausame und düstre Herzog Rollin" (duc Rollin, statt Ledrürollin) der eine Armee aus allen Galeersträflingen formire und eine andere aus öffentlichen Dirnen um so die Provinzen zu plündern und die Güter zu theilen; sein Verwalter sei der Hexenmeister (Sorcier) "Pater Komüniß" (pere Communisse). George Sand berichtet, man habe ihr auf ihrem dortigen Landgute seit Februar mehrmals nach dem Leben getrachtet, obschon die Bauern sie früher verehrten. Sie erklärt eine Menge aristo- und büreaukratischer Umtriebe, und schließt: "jetzt schwimmt ihr oben, Reaktionsmänner, und laßt euch bequem tragen von dem starken Arme des von euch verdummten Landvolks; aber sein Geist ist so unverdorben, sein Herz ist so urkräftig, daß es vielleicht bald eure Tücken durchschauen lernt und dann - werden wir euch noch schützen müssen vor dem unversöhnlichsten Grimm des Landmanns, wenn er einsieht wie arglistig ihr ihn betrogen; bis dahin, gehabt euch wohl und erfreut euch eures schmutzigen Sieges." Vorläufig freilich blüht der Bourgeois-Absolutismus, wovon die gestrige Kammersitzung wieder ein Pröbchen gab. "Der Justitzminister Marie ist ungefähr auf dem Standpunkt Duchatels angelangt, die Todten reisten verdammt schnell, und wir gratuliren dem Extribun der Preßfreiheit für seine hurtige Krebsreise seit dem 24. Juni; auch möge das Publikum nicht vergessen, daß er im Fünferausschuß wie im Provisorium stets der Knüttel im Wagenrad gewesen, und durch seine barsche Paschaantwort die er den Delegirten der Nationalateliers in's Gesicht krähte, einen fürchterlichen Theil der Veranlassung des Aufstandes trägt. Möge unser Chef der Exekutive sich nur bald von diesem Renegaten losreißen!" (Vraie Republique) - Ausrufer des Proudhon'schen Journals hat der Herr Dr. med. Ducour, dermalen Polizeipräfekt, arretiren lassen, angeblich weil sie keine Permission geholt; auch verdient die Mobile wieder Sporen bei dieser Blätterjagd; ja, die Polizei droht jedem Ausrufer die Permission zu nehmen, der jenes Journal verkauft. Das Journal des Debats, jetzt offenbar offizielles Blatt, sagt, Cavaignac habe erklärt, der Degen allein könne die Gesellschaft nicht mehr schirmen, und er appellire an die Männer der Wien schaft; Thiers, Cousin (der Plagiator); Troplong (der Verfasser des miserablen Buches "Einfluß des Christenthums auf das Recht") und Gustav Beaumont (der hohle Schädel und "Menschenfreund") werden eine Reihe von Volksbüchern schreiben, um den Blousenkerlen Liebe zur Familie, zum Eigenthum, zur Kirche und zur Justiz einzuimpfen; das Ding wird vor der Akademie verhandelt. Hiezn la Republique: "Sehr brav, allein wenn nun der arme Mann Hungers stirbt, und er weiß nun, infolge der akademischen Traktätlein über Staatswirthschaft, daß er verhungert kraft eines akademisirten Nationalökonomiegesetzes, also recht secundum artem: ist damit etwas gewonnen? Von den ersten 2718 Gefangenen sind 1396 entlassen, 1206 zur Deportation verurtheilt, 116 vor's Kriegsgericht geschickt. Letztere sind geradezu Chefs der Barrikaden, oder eifrige Demokraten, die man durch Denunzirung und Lüge mit jenen assimilirt; z. B. Nationalgardeoffiziere, die ihre Kompagnie nicht auf die Insurgenten schießen ließen, und mit dem Ruf: vive la republique bei der Barrikade vorbeizogen, sind als Barrikadenchefs einregistrirt worden. Hier einige Namen: Ansart, Lieutenat der Nationalgarde; Aury, Kapitän in der Nationalgarde des Weichbilds; Belot, Nationalgardenlieutenant; Bisson, Ronda Kapitäne in der 11. Legion; Constantin, Stabsoffizier; Brün, Moreau, Lieutenant und Kapitän in der 12. Legion; Chaudesaignes (Vater und zwei Söhne) Korporal und zwei Sergenten in der 12. Legion; Dr. med. Grandchamp, Maire des 12. Arrondissements; Ottin, Kapitän in der 11. Legion; Jarquinet, Kapitän; angeklagt als Kommandanten der Insurgenten, oder als Aufwiegler mit Geld und Wort. Nur wenige sind Militärdeserteurs, noch weniger sind schon in Kerkern gewesen; manche sind in Kontumaz verurtheilt, so der Major in der 12. Legion, Professor Dupont am Lyceum Corneille. Der Galeerensträflinge sind so ungemein wenige, daß der Constitutionel jetzt wieder sehr lächerlich dasteht mit seinen 19,700 Bagnobewohnern, womit er Paris beschenkte; die (sehr undemokratische) "Gazette des Tribunaux" und "le Droit" rapportiren unter den ersten siebentausend nur 160. "Gut, ihr werdet transportiren, vielleicht füsiliren, und einkerkern und des Aktivbürgerrechts berauben, und unter das Auge der Polizei stellen, nach eurer Herzenslust. Ihr seid die Herren, wenn auch eben nicht von Gottes Gnaden, so doch von Macht und Geldes und Kanonen Gnaden, und ihr hofft immerdar oben zu bleiben. Bedenkt aber, am 24. Februar hätte das Volk die Herren Barrot, Thiers, Hauranne, Duchatel, Hebert, Montalembert kurz, alle Wortführer der Aristokratie, füsilirt oder nach den Markesasinseln transportirt: wie stände es jetzt? - und glaubt ihr denn an keinen Vergeltungstrieb im menschlichen Herzen?" Paris, 11. Aug. An der Börse geht das Gerücht: Oestreich nehme die englisch französischen Vermittelungsvorschläge unter der Bedingung an, daß man ihm eine bedeutende Kriegssteuer zahle. - Zwei neue Linienregimenter traten gestern von hier ihren Marsch an die Alpen an, wo sie die Observationsarmee verstärken sollen. - Der neueste Bankbericht, der bis zum 10. reicht, gibt die Höhe der leidenden Papiere immer noch auf nahe an 32 Mill. Francen an, wovon 20,691,549 Fr. 53 Cent. auf Paris allein, und 10,973,123 Fr. auf diejenigen Hülfsanstalten kommen, welche sich bis heute mit der hiesigen Bank vereinigt haben. Wehe dem Handelsstande, wenn die Bank auf unserem Platze zu exekutiren anfängt! - Der Staatskasse verblieben von den zuletzt geliehenen 50,000,000 Fr. bis gestern nur noch 18,725,583 Fr. 21 Cent. Sonst bietet der Bericht nichts Merkwürdiges. - Dem National wird aus Constantinopel, offenbar von einem Gliede der dortigen Gesandtschaft, ein langer Brief geschrieben, der das Datum vom 25. Juli trägt und neues Licht auf die Ereignisse in der Moldau und Wallachei wirft. Er bestätigt ferner, daß General Aupick die gemessensten Befehle erhalten hat, auf Anerkennung der Republik zu dringen, Die Pforte, heißt es weiter, hegt entschiedene Zuneigung für Frankreich; aber die In- Linke selbst mit vermehrter Stimmenzahl vor der Rechten nicht aufkommen wird. Diese tritt jetzt kompakter, organisirter als je auf; ihr Uebermuth kennt keine Gränzen. Wie erfolgreich auch die Reaktion den früheren Zustand der Dinge in Europa wiederherzustellen beginnt ‒ der Czaar aller Reußen scheint diesem Bestand nicht zu trauen. Durch kaiserliches Manifest vom 26. Juli ist in den östlichen Gouvernements des russischen Reichs eine Rekrutenaushebung zu 7 von 1000 Mann anbefohlen worden, ja in 9 andern Gouvernements soll eine Aushebung von 10 auf 1000 und zwar von den Freisassen und städtischen Bürgern geschehen. 119 Berlin, 11. August. Nach der langen und dürren Debatte über Reform der Bergwerksgesetzgebung, als eben die Sitzung geschlossen werden sollte, wurde noch ein dissentirendes Votum wegen eines Beschlusses in der letzten Sitzung angekündigt. Man verlas es: Die Unterzeichneten sähen den in der letzten Sitzung gefaßten Beschluß, den Offizieren, die die jetzige Staatsform mit ihrem Gewissen nicht vereinigen könnten, den Austritt zur Ehrenpflicht zu machen, für einen beleidigenden Gewissenszwang und den Anfang einer politischen Inquisition an. Erstaunt über diese Beleidigung rief die Linke: Namen! Namen! und siehe da, die ganze Rechte, ich glaube hundert und einige dreißig hatten das „dissentirende Votum“ unterschrieben. Die Entrüstung war unbeschreiblich. Schulz v. Wanzleben trat auf die Tribüne und beantragte, daß die Unterzeichneten, weil sie die Versammlung beleidigt hätten, zur Ordnung gerufen werden sollten. Da stürzte Hr. Petersen auf die Tribüne und schrie: „Das ist eine Fortsetzung der politischen Inquisition!“ Natürlich wurde der Tumult immer größer. Der Präsident wies den Redner, allerdings in sehr wohlwollender Weise, zurecht, und erklärte, wie gewöhnlich aus der Geschäftsordnung, daß es nicht in seiner Befugniß stünde, die Unterzeichner des dissentirenden Votums zur Ordnung zu rufen. In den Centren beginnt jetzt eine Spaltung, die Mitglieder fangen an zu den entschiedenen Parteien überzugehen, je nachdem sie sich der einen oder der andern mehr zuneigen. Die Minister beginnen auch den Parteisitzungen beizuwohnen, so war Hr. Hansemann vorgestern in einer Sitzung der Rechten, in der Hr. v. Auerswald präsidirte und wo etwa 120 Mitglieder gegenwärtig waren; er forderte die Versammlung auf, Interpellationen und dringliche Anträge nicht zu unterstützen, weil sonst das Ministerium zu schwach würde, und die ehrlichen Volksvertreter unter Vorsitz des Exministers v. Auerswald, gingen in sich und gelobten fein artig zu sein und nicht interpelliren zu lassen. Darum frohlockten sie heute siegsgewiß, als eine Anzahl von dreißig Anträge und Interpellationen angekündigt wurden. ‒ Morgen, am 11., werden einige Comité-Mitglieder und der Präsident des demokratischen Klubs vor dem Polizeigerichte stehen Weil diese Herren gegen die polizeiliche Bekanntmachung, in welcher Hr. v. Bardeleben eine so wunderliche Interpretation des Gesetzes über die Volksversammlungen versucht, gefehlt haben, sind sie in Anklagestand gesetzt worden. * Jarocin, Prov. Posen, 28. Juli. Einem von hier datirten Inserat der B. Z. H. entnehmen wir folgendes: Heut beklagte sich in einer Gesellschaft der Baron von Bock, Lieutenant des theilweise hierorts garnisonirenden 7. Infanterie-Regiments: „Daß es für ihn schwer halte, auf acht Tage Urlaub zu bekommen, und hieran die unruhigen Polen schuld seien. Diese hätten auch die Revolution in Berlin verursacht und es müßte, damit es ruhig werde, diese Brut bis auf den Letzten ausgerottet werden.“ 61 Wien, 9. Aug. Das in meinem zweiten Briefe gestern mitgetheilte, die Rückkehr des Kaisers verheißende, Straßen-Plakat des Minister-Präsidenten Doblhoff ist keineswegs, wie Sie denken könnten, ein dem Ministerium zugekommener Akt; vielmehr hat die Innsbrucker Deputation sich beeilt, die Antwort des Kaisers als Erfolg ihrer Sendung mit einem Begleitungsschreiben unmittelbar an den Reichstag zu schicken, in welchem sie ungefähr sagt: „Die Reichstags-Deputation kommt so eben von der bei Sr. Majestät gehabten Audienz zurück und beeilt sich, den Entschluß, welcher in der beiliegenden Antwort zugesichert ist, und der bereits vor der gestern Abends erfolgten Ankunft der Reichstagsdeputation gefaßt worden war, (soll damit die Freiheit des absoluten Prinzips etwa gewahrt worden sein?) zur Kenntniß des hohen Reichstags zu bringen, damit die Völker Oesterreichs nicht einen Augenblick in Zweifel über den Erfolg unserer Sendenz seien u. s. w. Nachdem in der gestrigen Sitzung Vice-Präsident Strobach beide Urkunden dem Reichstag unter lebhaften Freudenbezeugungen mitgetheilt hatte, bemerkte derselbe dazu: „Er sehe darin ein glückliches Vorzeichen, daß der erste entscheidende Schritt des Reichstags mit so glücklichem Erfolg gekrönt worden, und müsse seinen Glückwunsch zu künftigen gleichen Schritten aussprechen. Im Verfolg meines Argwohns über die italiänischen Vorgänge erlaube ich mir, Sie heute darauf aufmerksam zu machen, daß nachdem das zur Deckung Mailands bestimmte piemontesische Korps urplötzlich seinen Rückzug gen Pavia angetreten, am 5. Aug. Feldmarschall Radetzky den englischen Gesandten zu Turin, Mr. Aberkrombie, in seinem Hauptquartier zu Lodi empfangen und sich im Allgemeinen mit demselben über die Bedingungen, unter welchen Anträge zur Abschließung eines Waffenstillstandes angenommen werden könnten, besprochen hat. So heißt es auch in einem von der Wiener Abendzeitung mitgetheilten, aufgefangenen piemontesischen Briefe de dato Assola 28. Juli merkwürdigerweise: „Die Division von Volta unternahm einen Rückzug, der in Betracht der ungleichen (?) Stärke als eine Flucht angesehen werden kann. Ueber das Gros der Armee, welches sich in Goite befand, kann man keine bestimmte Nachricht haben.“ (?!) Zweifeln Sie noch an dem im Interesse des Königthums geschehenen Verrath des Sardenkönigs? Ja, er hat sich durch Metternich noch einmal dahin überzeugen lassen, daß es in einer so gefährlichen Periode, wie die gegenwärtige, wo die nationale Frage am Ende auch in Italien eine untergeordnete werden könnte, der Fürsten unerläßigste Aufgabe sei, wider das demokratische Völkerregiment zusammenzuhalten, wie Pech und jede dynastische Mißhelligkeit zu vermeiden. ‒ Die englische royalistische Aristokratie steht mit diesem Prinzip im engsten Bunde, darum können Nikolaus-Metternich sich in diesen Fällen, wie vorliegender, diplomatisch-fein hinter John Bull verstecken. Die Katzenmusiken dauern in den Vorstädten fort. ‒ Damit man nicht sagen könne, der Kaiser habe der Forderung seines Reichstags nachgegeben und dadurch sich vor der Volkssouveränetät gebeugt, läßt ihn die Kamarilla vorläufig nicht nach ‒ Wien, sondern nach Schönbrunn zurückkommen, wo Alles zu seinem Empfang bereitet wird. Windischgrätz soll verkleidet vorgestern der militärischen Siegesfeier beigewohnt haben, und dann augenblicklich wieder abgereist. sein. Er hat wohl das Terrain rekognoszirt und seine Freunde gezählt? ‒ Die Nachricht von Mailands Uebergabe wird auch durch die heutigen Blätter, obwohl noch nicht offiziell, bestätigt. 15 Wien, 8. August. In der heutigen Kammersitzung zeigte der Präsident den Abgeordneten die Ankunft des Hofes auf den 12. l. M. an, wonach die gestern dem Sicherheitsausschusse mitgetheilte offizielle Nachricht zu berichtigen ist. So groß nun der Jubel über dies Ereigniß in den Reihen unserer schwarz-gelben Reaktionäre, die nun mit doppelter Kühnheit ihr Haupt erheben werden, so groß ist die Bestürzung aller wahren Freunde der Freiheit und des Volkes, die von der Anwesenheit des Hofes in so unmittelbarer Nähe des Reichstags einen üblen Einfluß auf unser noch so zartes Parlament befürchten. Da in der gestrigen Reichstagssitzung die Geschäftsordnung und die Hausstatuten zu Ende geführt worden, beginnen die eigentlichen und wichtigeren Verhandlungen an Zeit zu gewinnen und so werden die eigentlichen Lebensfragen nacheinander auftauchen. So stellte in heutiger Sitzung der Abgeordnete Haus Kudlich den den Antrag: Die hohe Versammlung wolle beschließen: 1) daß die Einschränkung der persönlichen Freiheit durch das Band der Unterthänigkeit aufzuhören hat. 2) Daß Robot und Zehent, so wie alle andern, die der Freiheit des bäuerlichen Grundbesitzes beschränkenden, nicht privatrechtlichen, sondern aus dem Verhältnisse, der Grundherrlichkeit, Bergherrlichkeit, Schutzobrigkeit, Dorfobrigkeit und des Lehenbandes entspringenden Lasten nicht mehr zu leisten sind. 3) Daß eine aus den Vertretern aller Provinzen gewählte Kommission mit Zuziehung des Ministeriums mit möglichster Beschleunigung über die etwaige Entschädigung und über die Einführung der neuen Gerichtsverfassung, Gesetzentwürfe auszuarbeiten habe. 4) Daß die Gerichtsbarkeit und politische Geschäftsführung bis zur Einführung der neuen Gerichtsverfassung von den Patrimonialgerichten inzwischen noch ausgeübt werden soll. 5) Daß darüber zur Beruhigung des Landvolks eine feierliche Proklamation zu erlassen sei. Ueber den Verlauf der Debatte und die Lösung dieser entscheidenden, keiner andern an Wichtigkeit nachstehenden Frage, werde ich Ihnen morgen, sobald die Verhandlungen darüber zu Ende geführt sind, ausführlicher berichten. 15 Wien, 9. August. (Aus der Kammer.) Kriegsminister Latour theilt so eben (21/2 Uhr) der Reichsversammlung die telegraphische Depesche mit, worin die Einnahme Mailands durch die östreichischen Truppen angezeigt wird. Prag, 8. August.
Heute wurde Dr. Brauner seiner Haft entlassen. Es hat sich nichts Gravirendes gegen ihn herausgestellt. Morgen reist er nach Wien, um seinen Platz im Reichstag einzunehmen. Es bleiben noch 40 Gefangene auf dem Hradcin, die nicht mehr mit soldatischer Barschheit, sondern auf gemessenen Ministerialbefehl mit allem Anstande behandelt werden. (C. B. a. B.)Schweiz. * Bern, 9. Aug.
Ein direkt von Mailand hier angelangter Reisender giebt folgenden Bericht über die dortigen Vorfälle: Als die Nachricht von der mit solcher Heimlichkeit und Hinterlist zwischen Radetzky und dem Sardinerkönige abgeschlossenen Kapitulation sich in der Stadt verbreitete, wurde das Volk wie rasend und strömte massenweise vor den Palast des gekrönten „Judas.“ Letzterer war genöthigt, auf dem Balkon zu erscheinen, wo er den Abschluß der Kapitulation zu rechtfertigen suchte und bervorhb, daß er ja für Jeden Leben und Eigenthum und freien Abzug ausbedungen! Aber das Volk schrie: „Tod dem Verräther! Nieder mit dem Schurken u. s. w.“ Karl Albert wußte sich im blassen Schrecken nicht anders zu helfen, als daß er erklärte: Nun, wenn es sein muß, so will ich mich und meine Armee unter Mailands Trümmern begraben lassen. Er dachte natürlich an ganz andere Dinge, als an Erfüllung des Versprechens. Denn es zeigte sich bald, daß das Heer wirklich ohne Munition war. Das hatte der Sardinerkönig alles im Voraus so einrichten lassen. Denn war Munition vorhanden, so wurden die Piemontesen zum Kampf gezwungen, oder sie kamen zwischen zwei Feuer. Die Erbitterung, die Wuth stiegen nun aufs Höchste. Wer irgend konnte, suchte sein Heil in der Flucht. Blos 2 Thore waren noch frei. Eine Masse eilte durch sie fort, um sich auf schweizerisches Gebiet zu flüchten. Karl Albert's Pläne sind für immer in Dampf aufgegangen. Von nun an kann es im Herzen eines jeden braven Italiäners nur noch ein unvertilgbares Gefühl der Rache geben, gegen die königlich sardinische Perfidie und Verrätherei. Die scharfsichtigen unter den Italienern wußten längst, was von diesem Karl Albert zu halten sei; jetzt ist aber auch den bisher Ungläubigen der Glaube in die Hand gezwungen worden. Italien. Mailand, 7. August.
Nach den (gestern gemeldeten) Schüssen in die Wohnung Carl Alberts wurde die Straße durch die Kavallerie gesäubert, und eine bedeutende Truppenmasse in die Gegend versammelt, der König ließ sich nun seinen Schnurbart abnehmen, und entfloh mit seinen Söhnen zu Fuß bis auf den Platz Belgiojoso, wo er in Mitte seiner Dragoner zu Pferd stieg, und sich dann mit der ganzen Armee, die nach und nach zusammengezogen wurde, nach Mitternacht davon machte. ‒ Sonntag Morgens früh war der Jammer in der ganzen Stadt ungeheuer, und wie ich 4 Uhr Morgens durch die Straßen ging, sah ich eine Menge Familien, Männer, Weiber und Kinder nur mit kleiner Bagage weinend fortziehen, die früher errichteten Barrikaden wurden so gut wie möglich abgetragen und Alles auf den Einzug der Oesterreicher bereit gemacht. Schon um 8 Uhr rückten die Vorposten ein, und um Mittag hielt Radetzky seinen Einzug. Es sind jetzt 80,000 Mann hier, und nächstens werden noch 20,000 unter Welden erwartet. Die Kapitulation von Mailand soll folgendermaßen lauten: 1) Die Stadt wird nicht geplündert. 2) Was vom Marschall abhängt, wird er hinsichtlich des Vorgefallenen jede mögliche Rücksicht haben. 3) Die Piemontesen werden sich in drei Tagreisen in Piemont zurückziehen. 4) Bis zum 6. Aug., um 8 Uhr Morgens, darf, wer will, sich von Mailand entfernen. 5) Morgens um 8 Uhr besetzt der Marschall Porta Romana, um 12 Uhr die Stadt. 6) Die Blessirten und Kranken werden in zwei Tagen transportirt. (?) 7) Alle Bedingungen bedürfen die Zustimmung Sr. Maj. Karl Alberts. 8) Der Marschall verlangt, daß alle Generale, Offiziere und österreichische Angestellte, die sich in Mailand befinden, sogleich in Freiheit gesetzt werden. San Donat, 5. August. Karl Albert hat die Lombarden arg getäuscht; Alles flucht über seine Feigheit und Doppelzüngigkeit. Am 5. ds. hatte er folgende Proklamation erlassen: „An die Einwohner von Mailand. Der Nachdruck, womit sich die Bevölkerung gegen jedweden Gedanken einer Verständigung mit dem Feinde erklärt hat, bestimmte mich, fortzufahren im Kampfe, wie ungünstig sich auch die Umstände gestalten mögen. Alles muß überwunden werden von dem Einen Gedanken: die Befreiung Italiens. Bürger! der Augenblick ist so ernst, daß Alle an's Werk schreiten müssen. Wir sind stark durch die Gerechtigkeit unserer Sache, krönen wird der Himmel die Bemühungen eines Heldenmüthigen Volkes, das mit einem Heere verbrüdert ist, welches schon so viel Blut für die italienische Sache vergossen hat. Ich bleibe mit meinen Söhnen unter Euch. Für die gemeine Sache ertrage ich mit dem Kerne meines Volkes seit vier Monaten das Ungemach des Krieges. Ich vertraue auf Euch: zeigt es Euerseits, daß mein Vertrauen gerecht ist, und alle vereint werden wir den ersten Tag der gemeinschaftlichen Befreiung begrüßen. Mailand, den 5. August 1848. Karl Albert. Wie die Italiener jetzt über Karl Albert urtheilen, mag man aus folgendem Bruchstück entnehmen: „Karl Albert hat den Krieg begonnen, um seine Truppen zu decimiren, d. h. gerade die, welche dem Liberalismus am meisten zugethan waren. Sein Heer hat 30,000 Mann, die Blüthe der piemontesischen Bevölkerung, verloren. Und wozu geschah dieß? Um im Einverständniß mit Oesterreich der Revolution den Kopf zu zertreten, um sie ihrer besten Stütze zu berauben.“ (N. Z. Z.)In Turin fanden am 4. d. auf das Gerücht von einer Uebergabe Mailands unruhige Bewegungen statt; das Volk schrie: Nieder mit den Uebergebern! Von Genua befürchtet man den Ausbruch einer Revolution. Französische Republik. 17 Paris, 11. Aug. Jetzt erst wird eingestanden, daß in dem ersten Zuge Transportirter die Mehrzahl aus alten Soldaten, Municipal- und sehr vielen Mobilgardisten bestanden, denen man ihre Uniformen gelassen hat. Das ehrenwerthe „Kommerce“, das das Leibjournälchen sämmtlicher Wechsel und Börsenagenten, seufzt tief und spricht: „also selbst unter diejenigen, die für ihr Waffenhandwerk und zu unserm Schutz redlich (?) besolden, ist die Schlange der Verführung eingedrungen! Gott, Gott, in welcher Zeit leben wir!“ und es wirft einen Liebesblick auf die biedern Bauern die an der alten Ordnung festhalten werden, wenn auch nochmals die fieberhaft erregten Städtearbeiter aufstehen sollten.“ Diese biedern Bauern, erzählte George Sand in der „Vrai Republique“, waren noch vor kurzem in der Touraine des Glaubens, zu Paris hause „ der grausame und düstre Herzog Rollin“ (duc Rollin, statt Ledrürollin) der eine Armee aus allen Galeersträflingen formire und eine andere aus öffentlichen Dirnen um so die Provinzen zu plündern und die Güter zu theilen; sein Verwalter sei der Hexenmeister (Sorcier) „Pater Komüniß“ (père Communisse). George Sand berichtet, man habe ihr auf ihrem dortigen Landgute seit Februar mehrmals nach dem Leben getrachtet, obschon die Bauern sie früher verehrten. Sie erklärt eine Menge aristo- und büreaukratischer Umtriebe, und schließt: „jetzt schwimmt ihr oben, Reaktionsmänner, und laßt euch bequem tragen von dem starken Arme des von euch verdummten Landvolks; aber sein Geist ist so unverdorben, sein Herz ist so urkräftig, daß es vielleicht bald eure Tücken durchschauen lernt und dann ‒ werden wir euch noch schützen müssen vor dem unversöhnlichsten Grimm des Landmanns, wenn er einsieht wie arglistig ihr ihn betrogen; bis dahin, gehabt euch wohl und erfreut euch eures schmutzigen Sieges.“ Vorläufig freilich blüht der Bourgeois-Absolutismus, wovon die gestrige Kammersitzung wieder ein Pröbchen gab. „Der Justitzminister Marie ist ungefähr auf dem Standpunkt Duchatels angelangt, die Todten reisten verdammt schnell, und wir gratuliren dem Extribun der Preßfreiheit für seine hurtige Krebsreise seit dem 24. Juni; auch möge das Publikum nicht vergessen, daß er im Fünferausschuß wie im Provisorium stets der Knüttel im Wagenrad gewesen, und durch seine barsche Paschaantwort die er den Delegirten der Nationalateliers in's Gesicht krähte, einen fürchterlichen Theil der Veranlassung des Aufstandes trägt. Möge unser Chef der Exekutive sich nur bald von diesem Renegaten losreißen!“ (Vraie Republique) ‒ Ausrufer des Proudhon'schen Journals hat der Herr Dr. med. Ducour, dermalen Polizeipräfekt, arretiren lassen, angeblich weil sie keine Permission geholt; auch verdient die Mobile wieder Sporen bei dieser Blätterjagd; ja, die Polizei droht jedem Ausrufer die Permission zu nehmen, der jenes Journal verkauft. Das Journal des Debats, jetzt offenbar offizielles Blatt, sagt, Cavaignac habe erklärt, der Degen allein könne die Gesellschaft nicht mehr schirmen, und er appellire an die Männer der Wien schaft; Thiers, Cousin (der Plagiator); Troplong (der Verfasser des miserablen Buches „Einfluß des Christenthums auf das Recht“) und Gustav Beaumont (der hohle Schädel und „Menschenfreund“) werden eine Reihe von Volksbüchern schreiben, um den Blousenkerlen Liebe zur Familie, zum Eigenthum, zur Kirche und zur Justiz einzuimpfen; das Ding wird vor der Akademie verhandelt. Hiezn la Republique: „Sehr brav, allein wenn nun der arme Mann Hungers stirbt, und er weiß nun, infolge der akademischen Traktätlein über Staatswirthschaft, daß er verhungert kraft eines akademisirten Nationalökonomiegesetzes, also recht secundum artem: ist damit etwas gewonnen? Von den ersten 2718 Gefangenen sind 1396 entlassen, 1206 zur Deportation verurtheilt, 116 vor's Kriegsgericht geschickt. Letztere sind geradezu Chefs der Barrikaden, oder eifrige Demokraten, die man durch Denunzirung und Lüge mit jenen assimilirt; z. B. Nationalgardeoffiziere, die ihre Kompagnie nicht auf die Insurgenten schießen ließen, und mit dem Ruf: vive la république bei der Barrikade vorbeizogen, sind als Barrikadenchefs einregistrirt worden. Hier einige Namen: Ansart, Lieutenat der Nationalgarde; Aury, Kapitän in der Nationalgarde des Weichbilds; Belot, Nationalgardenlieutenant; Bisson, Ronda Kapitäne in der 11. Legion; Constantin, Stabsoffizier; Brün, Moreau, Lieutenant und Kapitän in der 12. Legion; Chaudesaignes (Vater und zwei Söhne) Korporal und zwei Sergenten in der 12. Legion; Dr. med. Grandchamp, Maire des 12. Arrondissements; Ottin, Kapitän in der 11. Legion; Jarquinet, Kapitän; angeklagt als Kommandanten der Insurgenten, oder als Aufwiegler mit Geld und Wort. Nur wenige sind Militärdeserteurs, noch weniger sind schon in Kerkern gewesen; manche sind in Kontumaz verurtheilt, so der Major in der 12. Legion, Professor Dupont am Lyceum Corneille. Der Galeerensträflinge sind so ungemein wenige, daß der Constitutionel jetzt wieder sehr lächerlich dasteht mit seinen 19,700 Bagnobewohnern, womit er Paris beschenkte; die (sehr undemokratische) „Gazette des Tribunaux“ und „le Droit“ rapportiren unter den ersten siebentausend nur 160. „Gut, ihr werdet transportiren, vielleicht füsiliren, und einkerkern und des Aktivbürgerrechts berauben, und unter das Auge der Polizei stellen, nach eurer Herzenslust. Ihr seid die Herren, wenn auch eben nicht von Gottes Gnaden, so doch von Macht und Geldes und Kanonen Gnaden, und ihr hofft immerdar oben zu bleiben. Bedenkt aber, am 24. Februar hätte das Volk die Herren Barrot, Thiers, Hauranne, Duchatel, Hebert, Montalembert kurz, alle Wortführer der Aristokratie, füsilirt oder nach den Markesasinseln transportirt: wie stände es jetzt? ‒ und glaubt ihr denn an keinen Vergeltungstrieb im menschlichen Herzen?“ Paris, 11. Aug. An der Börse geht das Gerücht: Oestreich nehme die englisch französischen Vermittelungsvorschläge unter der Bedingung an, daß man ihm eine bedeutende Kriegssteuer zahle. ‒ Zwei neue Linienregimenter traten gestern von hier ihren Marsch an die Alpen an, wo sie die Observationsarmee verstärken sollen. ‒ Der neueste Bankbericht, der bis zum 10. reicht, gibt die Höhe der leidenden Papiere immer noch auf nahe an 32 Mill. Francen an, wovon 20,691,549 Fr. 53 Cent. auf Paris allein, und 10,973,123 Fr. auf diejenigen Hülfsanstalten kommen, welche sich bis heute mit der hiesigen Bank vereinigt haben. Wehe dem Handelsstande, wenn die Bank auf unserem Platze zu exekutiren anfängt! ‒ Der Staatskasse verblieben von den zuletzt geliehenen 50,000,000 Fr. bis gestern nur noch 18,725,583 Fr. 21 Cent. Sonst bietet der Bericht nichts Merkwürdiges. ‒ Dem National wird aus Constantinopel, offenbar von einem Gliede der dortigen Gesandtschaft, ein langer Brief geschrieben, der das Datum vom 25. Juli trägt und neues Licht auf die Ereignisse in der Moldau und Wallachei wirft. Er bestätigt ferner, daß General Aupick die gemessensten Befehle erhalten hat, auf Anerkennung der Republik zu dringen, Die Pforte, heißt es weiter, hegt entschiedene Zuneigung für Frankreich; aber die In- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div xml:id="ar075_004" type="jArticle"> <p><pb facs="#f0002" n="0384"/> Linke selbst mit vermehrter Stimmenzahl vor der Rechten nicht aufkommen wird. Diese tritt jetzt kompakter, organisirter als je auf; ihr Uebermuth kennt keine Gränzen.</p> <p>Wie erfolgreich auch die Reaktion den früheren Zustand der Dinge in Europa wiederherzustellen beginnt ‒ der Czaar aller Reußen scheint diesem Bestand nicht zu trauen. Durch kaiserliches Manifest vom 26. Juli ist in den östlichen Gouvernements des russischen Reichs eine Rekrutenaushebung zu 7 von 1000 Mann anbefohlen worden, ja in 9 andern Gouvernements soll eine Aushebung von 10 auf 1000 und zwar von den Freisassen und städtischen Bürgern geschehen.</p> </div> <div xml:id="ar075_005" type="jArticle"> <head><bibl><author>119</author></bibl> Berlin, 11. August.</head> <p>Nach der langen und dürren Debatte über Reform der Bergwerksgesetzgebung, als eben die Sitzung geschlossen werden sollte, wurde noch ein dissentirendes Votum wegen eines Beschlusses in der letzten Sitzung angekündigt. Man verlas es: Die Unterzeichneten sähen den in der letzten Sitzung gefaßten Beschluß, den Offizieren, die die jetzige Staatsform mit ihrem Gewissen nicht vereinigen könnten, den Austritt zur Ehrenpflicht zu machen, für einen <hi rendition="#g">beleidigenden Gewissenszwang und den Anfang einer politischen Inquisition an.</hi> Erstaunt über diese Beleidigung rief die Linke: Namen! Namen! und siehe da, die ganze Rechte, ich glaube hundert und einige dreißig hatten das „dissentirende Votum“ unterschrieben. Die Entrüstung war unbeschreiblich. Schulz v. Wanzleben trat auf die Tribüne und beantragte, daß die Unterzeichneten, weil sie die Versammlung beleidigt hätten, zur Ordnung gerufen werden sollten. Da stürzte Hr. Petersen auf die Tribüne und schrie: „Das ist eine Fortsetzung der politischen Inquisition!“ Natürlich wurde der Tumult immer größer. Der Präsident wies den Redner, allerdings in sehr wohlwollender Weise, zurecht, und erklärte, wie gewöhnlich aus der Geschäftsordnung, daß es nicht in seiner Befugniß stünde, die Unterzeichner des dissentirenden Votums zur Ordnung zu rufen.</p> <p>In den Centren beginnt jetzt eine Spaltung, die Mitglieder fangen an zu den entschiedenen Parteien überzugehen, je nachdem sie sich der einen oder der andern mehr zuneigen. Die Minister beginnen auch den Parteisitzungen beizuwohnen, so war Hr. Hansemann vorgestern in einer Sitzung der Rechten, in der Hr. v. Auerswald präsidirte und wo etwa 120 Mitglieder gegenwärtig waren; er forderte die Versammlung auf, Interpellationen und dringliche Anträge nicht zu unterstützen, weil sonst das Ministerium zu schwach würde, und die ehrlichen Volksvertreter unter Vorsitz des Exministers v. Auerswald, gingen in sich und gelobten fein artig zu sein und nicht interpelliren zu lassen. Darum frohlockten sie heute siegsgewiß, als eine Anzahl von dreißig Anträge und Interpellationen angekündigt wurden.</p> <p>‒ Morgen, am 11., werden einige Comité-Mitglieder und der Präsident des demokratischen Klubs vor dem Polizeigerichte stehen Weil diese Herren gegen die polizeiliche Bekanntmachung, in welcher Hr. v. Bardeleben eine so wunderliche Interpretation des Gesetzes über die Volksversammlungen versucht, gefehlt haben, sind sie in Anklagestand gesetzt worden.</p> </div> <div xml:id="ar075_006" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl> Jarocin, Prov. Posen, 28. Juli.</head> <p>Einem von hier datirten Inserat der B. Z. H. entnehmen wir folgendes:</p> <p>Heut beklagte sich in einer Gesellschaft der Baron von Bock, Lieutenant des theilweise hierorts garnisonirenden 7. Infanterie-Regiments:</p> <p rendition="#et">„Daß es für ihn schwer halte, auf acht Tage Urlaub zu bekommen, und hieran die unruhigen Polen schuld seien. Diese hätten auch die Revolution in Berlin verursacht und es müßte, damit es ruhig werde, diese Brut bis auf den Letzten ausgerottet werden.“</p> </div> <div xml:id="ar075_007" type="jArticle"> <head><bibl><author>61</author></bibl> Wien, 9. Aug.</head> <p>Das in meinem zweiten Briefe gestern mitgetheilte, die Rückkehr des Kaisers verheißende, Straßen-Plakat des Minister-Präsidenten Doblhoff ist keineswegs, wie Sie denken könnten, ein dem Ministerium zugekommener Akt; vielmehr hat die Innsbrucker Deputation sich beeilt, die Antwort des Kaisers als Erfolg ihrer Sendung mit einem Begleitungsschreiben unmittelbar an den Reichstag zu schicken, in welchem sie ungefähr sagt: „Die Reichstags-Deputation kommt so eben von der bei Sr. Majestät gehabten Audienz zurück und beeilt sich, den Entschluß, welcher in der beiliegenden Antwort zugesichert ist, und der bereits vor der gestern Abends erfolgten Ankunft der Reichstagsdeputation gefaßt worden war, (soll damit die Freiheit des absoluten Prinzips etwa gewahrt worden sein?) zur Kenntniß des hohen Reichstags zu bringen, damit die Völker Oesterreichs nicht einen Augenblick in Zweifel über den Erfolg unserer Sendenz seien u. s. w. Nachdem in der gestrigen Sitzung Vice-Präsident Strobach beide Urkunden dem Reichstag unter lebhaften Freudenbezeugungen mitgetheilt hatte, bemerkte derselbe dazu: „Er sehe darin ein glückliches Vorzeichen, daß der erste entscheidende Schritt des Reichstags mit so glücklichem Erfolg gekrönt worden, und müsse seinen Glückwunsch zu künftigen gleichen Schritten aussprechen.</p> <p>Im Verfolg meines Argwohns über die italiänischen Vorgänge erlaube ich mir, Sie heute darauf aufmerksam zu machen, daß nachdem das zur Deckung Mailands bestimmte piemontesische Korps urplötzlich seinen Rückzug gen Pavia angetreten, am 5. Aug. Feldmarschall Radetzky den englischen Gesandten zu Turin, Mr. Aberkrombie, in seinem Hauptquartier zu Lodi empfangen und sich im Allgemeinen mit demselben über die Bedingungen, unter welchen Anträge zur Abschließung eines Waffenstillstandes angenommen werden könnten, besprochen hat. So heißt es auch in einem von der Wiener Abendzeitung mitgetheilten, aufgefangenen piemontesischen Briefe de dato Assola 28. Juli merkwürdigerweise: „Die Division von Volta unternahm einen Rückzug, der in Betracht der ungleichen (?) Stärke als eine Flucht angesehen werden kann. Ueber das Gros der Armee, welches sich in Goite befand, kann man keine bestimmte Nachricht haben.“ (?!) Zweifeln Sie noch an dem im Interesse des Königthums geschehenen Verrath des Sardenkönigs? Ja, er hat sich durch Metternich noch einmal dahin überzeugen lassen, daß es in einer so gefährlichen Periode, wie die gegenwärtige, wo die nationale Frage am Ende auch in Italien eine untergeordnete werden könnte, der Fürsten unerläßigste Aufgabe sei, wider das demokratische Völkerregiment zusammenzuhalten, wie Pech und jede dynastische Mißhelligkeit zu vermeiden. ‒ Die englische royalistische Aristokratie steht mit diesem Prinzip im engsten Bunde, darum können Nikolaus-Metternich sich in diesen Fällen, wie vorliegender, diplomatisch-fein hinter John Bull verstecken.</p> <p>Die Katzenmusiken dauern in den Vorstädten fort. ‒ Damit man nicht sagen könne, der Kaiser habe der Forderung seines Reichstags nachgegeben und dadurch sich vor der Volkssouveränetät gebeugt, läßt ihn die Kamarilla vorläufig nicht nach ‒ Wien, sondern nach Schönbrunn zurückkommen, wo Alles zu seinem Empfang bereitet wird.</p> <p>Windischgrätz soll verkleidet vorgestern der militärischen Siegesfeier beigewohnt haben, und dann augenblicklich wieder abgereist. sein. Er hat wohl das Terrain rekognoszirt und seine Freunde gezählt? ‒ Die Nachricht von Mailands Uebergabe wird auch durch die heutigen Blätter, obwohl noch nicht offiziell, bestätigt.</p> </div> <div xml:id="ar075_008" type="jArticle"> <head><bibl><author>15</author></bibl> Wien, 8. August.</head> <p>In der heutigen Kammersitzung zeigte der Präsident den Abgeordneten die Ankunft des Hofes auf den 12. l. M. an, wonach die gestern dem Sicherheitsausschusse mitgetheilte offizielle Nachricht zu berichtigen ist. So groß nun der Jubel über dies Ereigniß in den Reihen unserer schwarz-gelben Reaktionäre, die nun mit doppelter Kühnheit ihr Haupt erheben werden, so groß ist die Bestürzung aller wahren Freunde der Freiheit und des Volkes, die von der Anwesenheit des Hofes in so unmittelbarer Nähe des Reichstags einen üblen Einfluß auf unser noch so zartes Parlament befürchten.</p> <p>Da in der gestrigen Reichstagssitzung die Geschäftsordnung und die Hausstatuten zu Ende geführt worden, beginnen die eigentlichen und wichtigeren Verhandlungen an Zeit zu gewinnen und so werden die eigentlichen Lebensfragen nacheinander auftauchen. So stellte in heutiger Sitzung der Abgeordnete Haus <hi rendition="#g">Kudlich</hi> den den Antrag: Die hohe Versammlung wolle beschließen: 1) daß die Einschränkung der persönlichen Freiheit durch das Band der Unterthänigkeit aufzuhören hat. 2) Daß Robot und Zehent, so wie alle andern, die der Freiheit des bäuerlichen Grundbesitzes beschränkenden, nicht privatrechtlichen, sondern aus dem Verhältnisse, der Grundherrlichkeit, Bergherrlichkeit, Schutzobrigkeit, Dorfobrigkeit und des Lehenbandes entspringenden Lasten nicht mehr zu leisten sind. 3) Daß eine aus den Vertretern aller Provinzen gewählte Kommission mit Zuziehung des Ministeriums mit möglichster Beschleunigung über die etwaige Entschädigung und über die Einführung der neuen Gerichtsverfassung, Gesetzentwürfe auszuarbeiten habe. 4) Daß die Gerichtsbarkeit und politische Geschäftsführung bis zur Einführung der neuen Gerichtsverfassung von den Patrimonialgerichten inzwischen noch ausgeübt werden soll. 5) Daß darüber zur Beruhigung des Landvolks eine feierliche Proklamation zu erlassen sei. Ueber den Verlauf der Debatte und die Lösung dieser entscheidenden, keiner andern an Wichtigkeit nachstehenden Frage, werde ich Ihnen morgen, sobald die Verhandlungen darüber zu Ende geführt sind, ausführlicher berichten.</p> </div> <div xml:id="ar075_009" type="jArticle"> <head><bibl><author>15</author></bibl> Wien, 9. August.</head> <p>(Aus der Kammer.) Kriegsminister Latour theilt so eben (21/2 Uhr) der Reichsversammlung die telegraphische Depesche mit, worin die Einnahme Mailands durch die östreichischen Truppen angezeigt wird.</p> </div> <div xml:id="ar075_010" type="jArticle"> <head>Prag, 8. August.</head> <p>Heute wurde Dr. Brauner seiner Haft entlassen. Es hat sich nichts Gravirendes gegen ihn herausgestellt. Morgen reist er nach Wien, um seinen Platz im Reichstag einzunehmen. Es bleiben noch 40 Gefangene auf dem Hradcin, die nicht mehr mit soldatischer Barschheit, sondern auf gemessenen Ministerialbefehl mit allem Anstande behandelt werden.</p> <bibl>(C. B. a. B.)</bibl> </div> </div> <div n="1"> <head>Schweiz.</head> <div xml:id="ar075_011" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl> Bern, 9. Aug.</head> <p>Ein direkt von Mailand hier angelangter Reisender giebt folgenden Bericht über die dortigen Vorfälle: Als die Nachricht von der mit solcher Heimlichkeit und Hinterlist zwischen Radetzky und dem Sardinerkönige abgeschlossenen Kapitulation sich in der Stadt verbreitete, wurde das Volk wie rasend und strömte massenweise vor den Palast des gekrönten „Judas.“ Letzterer war genöthigt, auf dem Balkon zu erscheinen, wo er den Abschluß der Kapitulation zu rechtfertigen suchte und bervorhb, daß er ja für Jeden Leben und Eigenthum und freien Abzug ausbedungen! Aber das Volk schrie: „Tod dem Verräther! Nieder mit dem Schurken u. s. w.“ Karl Albert wußte sich im blassen Schrecken nicht anders zu helfen, als daß er erklärte: Nun, wenn es sein muß, so will ich mich und meine Armee unter Mailands Trümmern begraben lassen. Er dachte natürlich an ganz andere Dinge, als an Erfüllung des Versprechens. Denn es zeigte sich bald, daß das Heer wirklich ohne Munition war. Das hatte der Sardinerkönig alles im Voraus so einrichten lassen. Denn war Munition vorhanden, so wurden die Piemontesen zum Kampf gezwungen, oder sie kamen zwischen zwei Feuer. Die Erbitterung, die Wuth stiegen nun aufs Höchste. Wer irgend konnte, suchte sein Heil in der Flucht. Blos 2 Thore waren noch frei. Eine Masse eilte durch sie fort, um sich auf schweizerisches Gebiet zu flüchten. Karl Albert's Pläne sind für immer in Dampf aufgegangen. Von nun an kann es im Herzen eines jeden braven Italiäners nur noch ein unvertilgbares Gefühl der Rache geben, gegen die königlich sardinische Perfidie und Verrätherei. Die scharfsichtigen unter den Italienern wußten längst, was von diesem Karl Albert zu halten sei; jetzt ist aber auch den bisher Ungläubigen der Glaube in die Hand gezwungen worden.</p> </div> </div> <div n="1"> <head>Italien.</head> <div xml:id="ar075_012" type="jArticle"> <head>Mailand, 7. August.</head> <p>Nach den (gestern gemeldeten) Schüssen in die Wohnung Carl Alberts wurde die Straße durch die Kavallerie gesäubert, und eine bedeutende Truppenmasse in die Gegend versammelt, der König ließ sich nun seinen Schnurbart abnehmen, und entfloh mit seinen Söhnen zu Fuß bis auf den Platz Belgiojoso, wo er in Mitte seiner Dragoner zu Pferd stieg, und sich dann mit der ganzen Armee, die nach und nach zusammengezogen wurde, nach Mitternacht davon machte. ‒ Sonntag Morgens früh war der Jammer in der ganzen Stadt ungeheuer, und wie ich 4 Uhr Morgens durch die Straßen ging, sah ich eine Menge Familien, Männer, Weiber und Kinder nur mit kleiner Bagage weinend fortziehen, die früher errichteten Barrikaden wurden so gut wie möglich abgetragen und Alles auf den Einzug der Oesterreicher bereit gemacht. Schon um 8 Uhr rückten die Vorposten ein, und um Mittag hielt Radetzky seinen Einzug. Es sind jetzt 80,000 Mann hier, und nächstens werden noch 20,000 unter Welden erwartet.</p> <p>Die Kapitulation von Mailand soll folgendermaßen lauten: 1) Die Stadt wird nicht geplündert. 2) Was vom Marschall abhängt, wird er hinsichtlich des Vorgefallenen jede mögliche Rücksicht haben. 3) Die Piemontesen werden sich in drei Tagreisen in Piemont zurückziehen. 4) Bis zum 6. Aug., um 8 Uhr Morgens, darf, wer will, sich von Mailand entfernen. 5) Morgens um 8 Uhr besetzt der Marschall Porta Romana, um 12 Uhr die Stadt. 6) Die Blessirten und Kranken werden in zwei Tagen transportirt. (?) 7) Alle Bedingungen bedürfen die Zustimmung Sr. Maj. Karl Alberts. 8) Der Marschall verlangt, daß alle Generale, Offiziere und österreichische Angestellte, die sich in Mailand befinden, sogleich in Freiheit gesetzt werden. San Donat, 5. August.</p> <p>Karl Albert hat die Lombarden arg getäuscht; Alles flucht über seine Feigheit und Doppelzüngigkeit. Am 5. ds. hatte er folgende Proklamation erlassen: „An die Einwohner von Mailand. Der Nachdruck, womit sich die Bevölkerung gegen jedweden Gedanken einer Verständigung mit dem Feinde erklärt hat, bestimmte mich, fortzufahren im Kampfe, wie ungünstig sich auch die Umstände gestalten mögen. Alles muß überwunden werden von dem Einen Gedanken: die Befreiung Italiens. Bürger! der Augenblick ist so ernst, daß Alle an's Werk schreiten müssen. Wir sind stark durch die Gerechtigkeit unserer Sache, krönen wird der Himmel die Bemühungen eines Heldenmüthigen Volkes, das mit einem Heere verbrüdert ist, welches schon so viel Blut für die italienische Sache vergossen hat. Ich bleibe mit meinen Söhnen unter Euch. Für die gemeine Sache ertrage ich mit dem Kerne meines Volkes seit vier Monaten das Ungemach des Krieges. Ich vertraue auf Euch: zeigt es Euerseits, daß mein Vertrauen gerecht ist, und alle vereint werden wir den ersten Tag der gemeinschaftlichen Befreiung begrüßen. Mailand, den 5. August 1848. <hi rendition="#g">Karl Albert.</hi> </p> <p>Wie die Italiener jetzt über Karl Albert urtheilen, mag man aus folgendem Bruchstück entnehmen: „Karl Albert hat den Krieg begonnen, um seine Truppen zu decimiren, d. h. gerade die, welche dem Liberalismus am meisten zugethan waren. Sein Heer hat 30,000 Mann, die Blüthe der piemontesischen Bevölkerung, verloren. Und wozu geschah dieß? Um im Einverständniß mit Oesterreich der Revolution den Kopf zu zertreten, um sie ihrer besten Stütze zu berauben.“</p> <bibl>(N. Z. Z.)</bibl> <p>In Turin fanden am 4. d. auf das Gerücht von einer Uebergabe Mailands unruhige Bewegungen statt; das Volk schrie: Nieder mit den Uebergebern! Von Genua befürchtet man den Ausbruch einer Revolution.</p> </div> </div> <div n="1"> <head>Französische Republik.</head> <div xml:id="ar075_013" type="jArticle"> <head><bibl><author>17</author></bibl> Paris, 11. Aug.</head> <p>Jetzt erst wird eingestanden, daß in dem ersten Zuge Transportirter die Mehrzahl aus alten Soldaten, Municipal- und sehr vielen Mobilgardisten bestanden, denen man ihre Uniformen gelassen hat. Das ehrenwerthe „Kommerce“, das das Leibjournälchen sämmtlicher Wechsel und Börsenagenten, seufzt tief und spricht: „also selbst unter diejenigen, die für ihr Waffenhandwerk und zu unserm Schutz redlich (?) besolden, ist die Schlange der Verführung eingedrungen! Gott, Gott, in welcher Zeit leben wir!“ und es wirft einen Liebesblick auf die biedern Bauern die an der alten Ordnung festhalten werden, wenn auch nochmals die fieberhaft erregten Städtearbeiter aufstehen sollten.“ Diese biedern Bauern, erzählte George Sand in der „Vrai Republique“, waren noch vor kurzem in der Touraine des Glaubens, zu Paris hause „ der grausame und düstre Herzog Rollin“ (duc Rollin, statt Ledrürollin) der eine Armee aus allen Galeersträflingen formire und eine andere aus öffentlichen Dirnen um so die Provinzen zu plündern und die Güter zu theilen; sein Verwalter sei der Hexenmeister (Sorcier) „Pater Komüniß“ (père Communisse). George Sand berichtet, man habe ihr auf ihrem dortigen Landgute seit Februar mehrmals nach dem Leben getrachtet, obschon die Bauern sie früher verehrten. Sie erklärt eine Menge aristo- und büreaukratischer Umtriebe, und schließt: „jetzt schwimmt ihr oben, Reaktionsmänner, und laßt euch bequem tragen von dem starken Arme des von euch verdummten Landvolks; aber sein Geist ist so unverdorben, sein Herz ist so urkräftig, daß es vielleicht bald eure Tücken durchschauen lernt und dann ‒ werden wir euch noch schützen müssen vor dem unversöhnlichsten Grimm des Landmanns, wenn er einsieht wie arglistig ihr ihn betrogen; bis dahin, gehabt euch wohl und erfreut euch eures schmutzigen Sieges.“ Vorläufig freilich blüht der Bourgeois-Absolutismus, wovon die gestrige Kammersitzung wieder ein Pröbchen gab. „Der Justitzminister Marie ist ungefähr auf dem Standpunkt Duchatels angelangt, die Todten reisten verdammt schnell, und wir gratuliren dem Extribun der Preßfreiheit für seine hurtige Krebsreise seit dem 24. Juni; auch möge das Publikum nicht vergessen, daß er im Fünferausschuß wie im Provisorium stets der Knüttel im Wagenrad gewesen, und durch seine barsche Paschaantwort die er den Delegirten der Nationalateliers in's Gesicht krähte, einen fürchterlichen Theil der Veranlassung des Aufstandes trägt. Möge unser Chef der Exekutive sich nur bald von diesem Renegaten losreißen!“ (Vraie Republique) ‒ Ausrufer des Proudhon'schen Journals hat der Herr Dr. med. Ducour, dermalen Polizeipräfekt, arretiren lassen, angeblich weil sie keine Permission geholt; auch verdient die Mobile wieder Sporen bei dieser Blätterjagd; ja, die Polizei droht jedem Ausrufer die Permission zu nehmen, der jenes Journal verkauft. Das Journal des Debats, jetzt offenbar offizielles Blatt, sagt, Cavaignac habe erklärt, der Degen allein könne die Gesellschaft nicht mehr schirmen, und er appellire an die Männer der Wien schaft; Thiers, Cousin (der Plagiator); Troplong (der Verfasser des miserablen Buches „Einfluß des Christenthums auf das Recht“) und Gustav Beaumont (der hohle Schädel und „Menschenfreund“) werden eine Reihe von Volksbüchern schreiben, um den Blousenkerlen Liebe zur Familie, zum Eigenthum, zur Kirche und zur Justiz einzuimpfen; das Ding wird vor der Akademie verhandelt. Hiezn la Republique: „Sehr brav, allein wenn nun der arme Mann Hungers stirbt, und er weiß nun, infolge der akademischen Traktätlein über Staatswirthschaft, <hi rendition="#g">daß er verhungert kraft eines akademisirten Nationalökonomiegesetzes,</hi> also recht secundum artem: ist damit etwas gewonnen? Von den ersten 2718 Gefangenen sind 1396 entlassen, 1206 zur Deportation verurtheilt, 116 vor's Kriegsgericht geschickt. Letztere sind geradezu Chefs der Barrikaden, oder eifrige Demokraten, die man durch Denunzirung und Lüge mit jenen assimilirt; z. B. Nationalgardeoffiziere, die ihre Kompagnie nicht auf die Insurgenten schießen ließen, und mit dem Ruf: vive la république bei der Barrikade vorbeizogen, sind als Barrikadenchefs einregistrirt worden. Hier einige Namen: Ansart, Lieutenat der Nationalgarde; Aury, Kapitän in der Nationalgarde des Weichbilds; Belot, Nationalgardenlieutenant; Bisson, Ronda Kapitäne in der 11. Legion; Constantin, Stabsoffizier; Brün, Moreau, Lieutenant und Kapitän in der 12. Legion; Chaudesaignes (Vater und zwei Söhne) Korporal und zwei Sergenten in der 12. Legion; Dr. med. Grandchamp, Maire des 12. Arrondissements; Ottin, Kapitän in der 11. Legion; Jarquinet, Kapitän; angeklagt als Kommandanten der Insurgenten, oder als Aufwiegler mit Geld und Wort. Nur wenige sind Militärdeserteurs, noch weniger sind schon in Kerkern gewesen; manche sind in Kontumaz verurtheilt, so der Major in der 12. Legion, Professor Dupont am Lyceum Corneille. Der Galeerensträflinge sind so ungemein wenige, daß der Constitutionel jetzt wieder sehr lächerlich dasteht mit seinen 19,700 Bagnobewohnern, womit er Paris beschenkte; die (sehr undemokratische) „Gazette des Tribunaux“ und „le Droit“ rapportiren unter den ersten siebentausend nur 160. „Gut, ihr werdet transportiren, vielleicht füsiliren, und einkerkern und des Aktivbürgerrechts berauben, und unter das Auge der Polizei stellen, nach eurer Herzenslust. Ihr seid die Herren, wenn auch eben nicht von Gottes Gnaden, so doch von Macht und Geldes und Kanonen Gnaden, und ihr hofft immerdar oben zu bleiben. Bedenkt aber, am 24. Februar hätte das Volk die Herren Barrot, Thiers, Hauranne, Duchatel, Hebert, Montalembert kurz, alle Wortführer der Aristokratie, füsilirt oder nach den Markesasinseln transportirt: wie stände es jetzt? ‒ und glaubt ihr denn an keinen Vergeltungstrieb im menschlichen Herzen?“</p> </div> <div xml:id="ar075_014" type="jArticle"> <head>Paris, 11. Aug.</head> <p>An der Börse geht das Gerücht: Oestreich nehme die englisch französischen Vermittelungsvorschläge unter der Bedingung an, daß man ihm eine bedeutende Kriegssteuer zahle.</p> <p>‒ Zwei neue Linienregimenter traten gestern von hier ihren Marsch an die Alpen an, wo sie die Observationsarmee verstärken sollen.</p> <p>‒ Der neueste <hi rendition="#g">Bankbericht,</hi> der bis zum 10. reicht, gibt die Höhe der <hi rendition="#g">leidenden</hi> Papiere immer noch auf nahe an 32 Mill. Francen an, wovon 20,691,549 Fr. 53 Cent. auf Paris allein, und 10,973,123 Fr. auf diejenigen Hülfsanstalten kommen, welche sich bis heute mit der hiesigen Bank vereinigt haben. Wehe dem Handelsstande, wenn die Bank auf unserem Platze zu exekutiren anfängt! ‒ Der Staatskasse verblieben von den zuletzt geliehenen 50,000,000 Fr. bis gestern nur noch 18,725,583 Fr. 21 Cent. Sonst bietet der Bericht nichts Merkwürdiges.</p> <p>‒ Dem National wird aus Constantinopel, offenbar von einem Gliede der dortigen Gesandtschaft, ein langer Brief geschrieben, der das Datum vom 25. Juli trägt und neues Licht auf die Ereignisse in der Moldau und Wallachei wirft. Er bestätigt ferner, daß General Aupick die gemessensten Befehle erhalten hat, auf Anerkennung der Republik zu dringen, Die Pforte, heißt es weiter, hegt entschiedene Zuneigung für Frankreich; aber die In- </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0384/0002]
Linke selbst mit vermehrter Stimmenzahl vor der Rechten nicht aufkommen wird. Diese tritt jetzt kompakter, organisirter als je auf; ihr Uebermuth kennt keine Gränzen.
Wie erfolgreich auch die Reaktion den früheren Zustand der Dinge in Europa wiederherzustellen beginnt ‒ der Czaar aller Reußen scheint diesem Bestand nicht zu trauen. Durch kaiserliches Manifest vom 26. Juli ist in den östlichen Gouvernements des russischen Reichs eine Rekrutenaushebung zu 7 von 1000 Mann anbefohlen worden, ja in 9 andern Gouvernements soll eine Aushebung von 10 auf 1000 und zwar von den Freisassen und städtischen Bürgern geschehen.
119 Berlin, 11. August. Nach der langen und dürren Debatte über Reform der Bergwerksgesetzgebung, als eben die Sitzung geschlossen werden sollte, wurde noch ein dissentirendes Votum wegen eines Beschlusses in der letzten Sitzung angekündigt. Man verlas es: Die Unterzeichneten sähen den in der letzten Sitzung gefaßten Beschluß, den Offizieren, die die jetzige Staatsform mit ihrem Gewissen nicht vereinigen könnten, den Austritt zur Ehrenpflicht zu machen, für einen beleidigenden Gewissenszwang und den Anfang einer politischen Inquisition an. Erstaunt über diese Beleidigung rief die Linke: Namen! Namen! und siehe da, die ganze Rechte, ich glaube hundert und einige dreißig hatten das „dissentirende Votum“ unterschrieben. Die Entrüstung war unbeschreiblich. Schulz v. Wanzleben trat auf die Tribüne und beantragte, daß die Unterzeichneten, weil sie die Versammlung beleidigt hätten, zur Ordnung gerufen werden sollten. Da stürzte Hr. Petersen auf die Tribüne und schrie: „Das ist eine Fortsetzung der politischen Inquisition!“ Natürlich wurde der Tumult immer größer. Der Präsident wies den Redner, allerdings in sehr wohlwollender Weise, zurecht, und erklärte, wie gewöhnlich aus der Geschäftsordnung, daß es nicht in seiner Befugniß stünde, die Unterzeichner des dissentirenden Votums zur Ordnung zu rufen.
In den Centren beginnt jetzt eine Spaltung, die Mitglieder fangen an zu den entschiedenen Parteien überzugehen, je nachdem sie sich der einen oder der andern mehr zuneigen. Die Minister beginnen auch den Parteisitzungen beizuwohnen, so war Hr. Hansemann vorgestern in einer Sitzung der Rechten, in der Hr. v. Auerswald präsidirte und wo etwa 120 Mitglieder gegenwärtig waren; er forderte die Versammlung auf, Interpellationen und dringliche Anträge nicht zu unterstützen, weil sonst das Ministerium zu schwach würde, und die ehrlichen Volksvertreter unter Vorsitz des Exministers v. Auerswald, gingen in sich und gelobten fein artig zu sein und nicht interpelliren zu lassen. Darum frohlockten sie heute siegsgewiß, als eine Anzahl von dreißig Anträge und Interpellationen angekündigt wurden.
‒ Morgen, am 11., werden einige Comité-Mitglieder und der Präsident des demokratischen Klubs vor dem Polizeigerichte stehen Weil diese Herren gegen die polizeiliche Bekanntmachung, in welcher Hr. v. Bardeleben eine so wunderliche Interpretation des Gesetzes über die Volksversammlungen versucht, gefehlt haben, sind sie in Anklagestand gesetzt worden.
* Jarocin, Prov. Posen, 28. Juli. Einem von hier datirten Inserat der B. Z. H. entnehmen wir folgendes:
Heut beklagte sich in einer Gesellschaft der Baron von Bock, Lieutenant des theilweise hierorts garnisonirenden 7. Infanterie-Regiments:
„Daß es für ihn schwer halte, auf acht Tage Urlaub zu bekommen, und hieran die unruhigen Polen schuld seien. Diese hätten auch die Revolution in Berlin verursacht und es müßte, damit es ruhig werde, diese Brut bis auf den Letzten ausgerottet werden.“
61 Wien, 9. Aug. Das in meinem zweiten Briefe gestern mitgetheilte, die Rückkehr des Kaisers verheißende, Straßen-Plakat des Minister-Präsidenten Doblhoff ist keineswegs, wie Sie denken könnten, ein dem Ministerium zugekommener Akt; vielmehr hat die Innsbrucker Deputation sich beeilt, die Antwort des Kaisers als Erfolg ihrer Sendung mit einem Begleitungsschreiben unmittelbar an den Reichstag zu schicken, in welchem sie ungefähr sagt: „Die Reichstags-Deputation kommt so eben von der bei Sr. Majestät gehabten Audienz zurück und beeilt sich, den Entschluß, welcher in der beiliegenden Antwort zugesichert ist, und der bereits vor der gestern Abends erfolgten Ankunft der Reichstagsdeputation gefaßt worden war, (soll damit die Freiheit des absoluten Prinzips etwa gewahrt worden sein?) zur Kenntniß des hohen Reichstags zu bringen, damit die Völker Oesterreichs nicht einen Augenblick in Zweifel über den Erfolg unserer Sendenz seien u. s. w. Nachdem in der gestrigen Sitzung Vice-Präsident Strobach beide Urkunden dem Reichstag unter lebhaften Freudenbezeugungen mitgetheilt hatte, bemerkte derselbe dazu: „Er sehe darin ein glückliches Vorzeichen, daß der erste entscheidende Schritt des Reichstags mit so glücklichem Erfolg gekrönt worden, und müsse seinen Glückwunsch zu künftigen gleichen Schritten aussprechen.
Im Verfolg meines Argwohns über die italiänischen Vorgänge erlaube ich mir, Sie heute darauf aufmerksam zu machen, daß nachdem das zur Deckung Mailands bestimmte piemontesische Korps urplötzlich seinen Rückzug gen Pavia angetreten, am 5. Aug. Feldmarschall Radetzky den englischen Gesandten zu Turin, Mr. Aberkrombie, in seinem Hauptquartier zu Lodi empfangen und sich im Allgemeinen mit demselben über die Bedingungen, unter welchen Anträge zur Abschließung eines Waffenstillstandes angenommen werden könnten, besprochen hat. So heißt es auch in einem von der Wiener Abendzeitung mitgetheilten, aufgefangenen piemontesischen Briefe de dato Assola 28. Juli merkwürdigerweise: „Die Division von Volta unternahm einen Rückzug, der in Betracht der ungleichen (?) Stärke als eine Flucht angesehen werden kann. Ueber das Gros der Armee, welches sich in Goite befand, kann man keine bestimmte Nachricht haben.“ (?!) Zweifeln Sie noch an dem im Interesse des Königthums geschehenen Verrath des Sardenkönigs? Ja, er hat sich durch Metternich noch einmal dahin überzeugen lassen, daß es in einer so gefährlichen Periode, wie die gegenwärtige, wo die nationale Frage am Ende auch in Italien eine untergeordnete werden könnte, der Fürsten unerläßigste Aufgabe sei, wider das demokratische Völkerregiment zusammenzuhalten, wie Pech und jede dynastische Mißhelligkeit zu vermeiden. ‒ Die englische royalistische Aristokratie steht mit diesem Prinzip im engsten Bunde, darum können Nikolaus-Metternich sich in diesen Fällen, wie vorliegender, diplomatisch-fein hinter John Bull verstecken.
Die Katzenmusiken dauern in den Vorstädten fort. ‒ Damit man nicht sagen könne, der Kaiser habe der Forderung seines Reichstags nachgegeben und dadurch sich vor der Volkssouveränetät gebeugt, läßt ihn die Kamarilla vorläufig nicht nach ‒ Wien, sondern nach Schönbrunn zurückkommen, wo Alles zu seinem Empfang bereitet wird.
Windischgrätz soll verkleidet vorgestern der militärischen Siegesfeier beigewohnt haben, und dann augenblicklich wieder abgereist. sein. Er hat wohl das Terrain rekognoszirt und seine Freunde gezählt? ‒ Die Nachricht von Mailands Uebergabe wird auch durch die heutigen Blätter, obwohl noch nicht offiziell, bestätigt.
15 Wien, 8. August. In der heutigen Kammersitzung zeigte der Präsident den Abgeordneten die Ankunft des Hofes auf den 12. l. M. an, wonach die gestern dem Sicherheitsausschusse mitgetheilte offizielle Nachricht zu berichtigen ist. So groß nun der Jubel über dies Ereigniß in den Reihen unserer schwarz-gelben Reaktionäre, die nun mit doppelter Kühnheit ihr Haupt erheben werden, so groß ist die Bestürzung aller wahren Freunde der Freiheit und des Volkes, die von der Anwesenheit des Hofes in so unmittelbarer Nähe des Reichstags einen üblen Einfluß auf unser noch so zartes Parlament befürchten.
Da in der gestrigen Reichstagssitzung die Geschäftsordnung und die Hausstatuten zu Ende geführt worden, beginnen die eigentlichen und wichtigeren Verhandlungen an Zeit zu gewinnen und so werden die eigentlichen Lebensfragen nacheinander auftauchen. So stellte in heutiger Sitzung der Abgeordnete Haus Kudlich den den Antrag: Die hohe Versammlung wolle beschließen: 1) daß die Einschränkung der persönlichen Freiheit durch das Band der Unterthänigkeit aufzuhören hat. 2) Daß Robot und Zehent, so wie alle andern, die der Freiheit des bäuerlichen Grundbesitzes beschränkenden, nicht privatrechtlichen, sondern aus dem Verhältnisse, der Grundherrlichkeit, Bergherrlichkeit, Schutzobrigkeit, Dorfobrigkeit und des Lehenbandes entspringenden Lasten nicht mehr zu leisten sind. 3) Daß eine aus den Vertretern aller Provinzen gewählte Kommission mit Zuziehung des Ministeriums mit möglichster Beschleunigung über die etwaige Entschädigung und über die Einführung der neuen Gerichtsverfassung, Gesetzentwürfe auszuarbeiten habe. 4) Daß die Gerichtsbarkeit und politische Geschäftsführung bis zur Einführung der neuen Gerichtsverfassung von den Patrimonialgerichten inzwischen noch ausgeübt werden soll. 5) Daß darüber zur Beruhigung des Landvolks eine feierliche Proklamation zu erlassen sei. Ueber den Verlauf der Debatte und die Lösung dieser entscheidenden, keiner andern an Wichtigkeit nachstehenden Frage, werde ich Ihnen morgen, sobald die Verhandlungen darüber zu Ende geführt sind, ausführlicher berichten.
15 Wien, 9. August. (Aus der Kammer.) Kriegsminister Latour theilt so eben (21/2 Uhr) der Reichsversammlung die telegraphische Depesche mit, worin die Einnahme Mailands durch die östreichischen Truppen angezeigt wird.
Prag, 8. August. Heute wurde Dr. Brauner seiner Haft entlassen. Es hat sich nichts Gravirendes gegen ihn herausgestellt. Morgen reist er nach Wien, um seinen Platz im Reichstag einzunehmen. Es bleiben noch 40 Gefangene auf dem Hradcin, die nicht mehr mit soldatischer Barschheit, sondern auf gemessenen Ministerialbefehl mit allem Anstande behandelt werden.
(C. B. a. B.) Schweiz. * Bern, 9. Aug. Ein direkt von Mailand hier angelangter Reisender giebt folgenden Bericht über die dortigen Vorfälle: Als die Nachricht von der mit solcher Heimlichkeit und Hinterlist zwischen Radetzky und dem Sardinerkönige abgeschlossenen Kapitulation sich in der Stadt verbreitete, wurde das Volk wie rasend und strömte massenweise vor den Palast des gekrönten „Judas.“ Letzterer war genöthigt, auf dem Balkon zu erscheinen, wo er den Abschluß der Kapitulation zu rechtfertigen suchte und bervorhb, daß er ja für Jeden Leben und Eigenthum und freien Abzug ausbedungen! Aber das Volk schrie: „Tod dem Verräther! Nieder mit dem Schurken u. s. w.“ Karl Albert wußte sich im blassen Schrecken nicht anders zu helfen, als daß er erklärte: Nun, wenn es sein muß, so will ich mich und meine Armee unter Mailands Trümmern begraben lassen. Er dachte natürlich an ganz andere Dinge, als an Erfüllung des Versprechens. Denn es zeigte sich bald, daß das Heer wirklich ohne Munition war. Das hatte der Sardinerkönig alles im Voraus so einrichten lassen. Denn war Munition vorhanden, so wurden die Piemontesen zum Kampf gezwungen, oder sie kamen zwischen zwei Feuer. Die Erbitterung, die Wuth stiegen nun aufs Höchste. Wer irgend konnte, suchte sein Heil in der Flucht. Blos 2 Thore waren noch frei. Eine Masse eilte durch sie fort, um sich auf schweizerisches Gebiet zu flüchten. Karl Albert's Pläne sind für immer in Dampf aufgegangen. Von nun an kann es im Herzen eines jeden braven Italiäners nur noch ein unvertilgbares Gefühl der Rache geben, gegen die königlich sardinische Perfidie und Verrätherei. Die scharfsichtigen unter den Italienern wußten längst, was von diesem Karl Albert zu halten sei; jetzt ist aber auch den bisher Ungläubigen der Glaube in die Hand gezwungen worden.
Italien. Mailand, 7. August. Nach den (gestern gemeldeten) Schüssen in die Wohnung Carl Alberts wurde die Straße durch die Kavallerie gesäubert, und eine bedeutende Truppenmasse in die Gegend versammelt, der König ließ sich nun seinen Schnurbart abnehmen, und entfloh mit seinen Söhnen zu Fuß bis auf den Platz Belgiojoso, wo er in Mitte seiner Dragoner zu Pferd stieg, und sich dann mit der ganzen Armee, die nach und nach zusammengezogen wurde, nach Mitternacht davon machte. ‒ Sonntag Morgens früh war der Jammer in der ganzen Stadt ungeheuer, und wie ich 4 Uhr Morgens durch die Straßen ging, sah ich eine Menge Familien, Männer, Weiber und Kinder nur mit kleiner Bagage weinend fortziehen, die früher errichteten Barrikaden wurden so gut wie möglich abgetragen und Alles auf den Einzug der Oesterreicher bereit gemacht. Schon um 8 Uhr rückten die Vorposten ein, und um Mittag hielt Radetzky seinen Einzug. Es sind jetzt 80,000 Mann hier, und nächstens werden noch 20,000 unter Welden erwartet.
Die Kapitulation von Mailand soll folgendermaßen lauten: 1) Die Stadt wird nicht geplündert. 2) Was vom Marschall abhängt, wird er hinsichtlich des Vorgefallenen jede mögliche Rücksicht haben. 3) Die Piemontesen werden sich in drei Tagreisen in Piemont zurückziehen. 4) Bis zum 6. Aug., um 8 Uhr Morgens, darf, wer will, sich von Mailand entfernen. 5) Morgens um 8 Uhr besetzt der Marschall Porta Romana, um 12 Uhr die Stadt. 6) Die Blessirten und Kranken werden in zwei Tagen transportirt. (?) 7) Alle Bedingungen bedürfen die Zustimmung Sr. Maj. Karl Alberts. 8) Der Marschall verlangt, daß alle Generale, Offiziere und österreichische Angestellte, die sich in Mailand befinden, sogleich in Freiheit gesetzt werden. San Donat, 5. August.
Karl Albert hat die Lombarden arg getäuscht; Alles flucht über seine Feigheit und Doppelzüngigkeit. Am 5. ds. hatte er folgende Proklamation erlassen: „An die Einwohner von Mailand. Der Nachdruck, womit sich die Bevölkerung gegen jedweden Gedanken einer Verständigung mit dem Feinde erklärt hat, bestimmte mich, fortzufahren im Kampfe, wie ungünstig sich auch die Umstände gestalten mögen. Alles muß überwunden werden von dem Einen Gedanken: die Befreiung Italiens. Bürger! der Augenblick ist so ernst, daß Alle an's Werk schreiten müssen. Wir sind stark durch die Gerechtigkeit unserer Sache, krönen wird der Himmel die Bemühungen eines Heldenmüthigen Volkes, das mit einem Heere verbrüdert ist, welches schon so viel Blut für die italienische Sache vergossen hat. Ich bleibe mit meinen Söhnen unter Euch. Für die gemeine Sache ertrage ich mit dem Kerne meines Volkes seit vier Monaten das Ungemach des Krieges. Ich vertraue auf Euch: zeigt es Euerseits, daß mein Vertrauen gerecht ist, und alle vereint werden wir den ersten Tag der gemeinschaftlichen Befreiung begrüßen. Mailand, den 5. August 1848. Karl Albert.
Wie die Italiener jetzt über Karl Albert urtheilen, mag man aus folgendem Bruchstück entnehmen: „Karl Albert hat den Krieg begonnen, um seine Truppen zu decimiren, d. h. gerade die, welche dem Liberalismus am meisten zugethan waren. Sein Heer hat 30,000 Mann, die Blüthe der piemontesischen Bevölkerung, verloren. Und wozu geschah dieß? Um im Einverständniß mit Oesterreich der Revolution den Kopf zu zertreten, um sie ihrer besten Stütze zu berauben.“
(N. Z. Z.) In Turin fanden am 4. d. auf das Gerücht von einer Uebergabe Mailands unruhige Bewegungen statt; das Volk schrie: Nieder mit den Uebergebern! Von Genua befürchtet man den Ausbruch einer Revolution.
Französische Republik. 17 Paris, 11. Aug. Jetzt erst wird eingestanden, daß in dem ersten Zuge Transportirter die Mehrzahl aus alten Soldaten, Municipal- und sehr vielen Mobilgardisten bestanden, denen man ihre Uniformen gelassen hat. Das ehrenwerthe „Kommerce“, das das Leibjournälchen sämmtlicher Wechsel und Börsenagenten, seufzt tief und spricht: „also selbst unter diejenigen, die für ihr Waffenhandwerk und zu unserm Schutz redlich (?) besolden, ist die Schlange der Verführung eingedrungen! Gott, Gott, in welcher Zeit leben wir!“ und es wirft einen Liebesblick auf die biedern Bauern die an der alten Ordnung festhalten werden, wenn auch nochmals die fieberhaft erregten Städtearbeiter aufstehen sollten.“ Diese biedern Bauern, erzählte George Sand in der „Vrai Republique“, waren noch vor kurzem in der Touraine des Glaubens, zu Paris hause „ der grausame und düstre Herzog Rollin“ (duc Rollin, statt Ledrürollin) der eine Armee aus allen Galeersträflingen formire und eine andere aus öffentlichen Dirnen um so die Provinzen zu plündern und die Güter zu theilen; sein Verwalter sei der Hexenmeister (Sorcier) „Pater Komüniß“ (père Communisse). George Sand berichtet, man habe ihr auf ihrem dortigen Landgute seit Februar mehrmals nach dem Leben getrachtet, obschon die Bauern sie früher verehrten. Sie erklärt eine Menge aristo- und büreaukratischer Umtriebe, und schließt: „jetzt schwimmt ihr oben, Reaktionsmänner, und laßt euch bequem tragen von dem starken Arme des von euch verdummten Landvolks; aber sein Geist ist so unverdorben, sein Herz ist so urkräftig, daß es vielleicht bald eure Tücken durchschauen lernt und dann ‒ werden wir euch noch schützen müssen vor dem unversöhnlichsten Grimm des Landmanns, wenn er einsieht wie arglistig ihr ihn betrogen; bis dahin, gehabt euch wohl und erfreut euch eures schmutzigen Sieges.“ Vorläufig freilich blüht der Bourgeois-Absolutismus, wovon die gestrige Kammersitzung wieder ein Pröbchen gab. „Der Justitzminister Marie ist ungefähr auf dem Standpunkt Duchatels angelangt, die Todten reisten verdammt schnell, und wir gratuliren dem Extribun der Preßfreiheit für seine hurtige Krebsreise seit dem 24. Juni; auch möge das Publikum nicht vergessen, daß er im Fünferausschuß wie im Provisorium stets der Knüttel im Wagenrad gewesen, und durch seine barsche Paschaantwort die er den Delegirten der Nationalateliers in's Gesicht krähte, einen fürchterlichen Theil der Veranlassung des Aufstandes trägt. Möge unser Chef der Exekutive sich nur bald von diesem Renegaten losreißen!“ (Vraie Republique) ‒ Ausrufer des Proudhon'schen Journals hat der Herr Dr. med. Ducour, dermalen Polizeipräfekt, arretiren lassen, angeblich weil sie keine Permission geholt; auch verdient die Mobile wieder Sporen bei dieser Blätterjagd; ja, die Polizei droht jedem Ausrufer die Permission zu nehmen, der jenes Journal verkauft. Das Journal des Debats, jetzt offenbar offizielles Blatt, sagt, Cavaignac habe erklärt, der Degen allein könne die Gesellschaft nicht mehr schirmen, und er appellire an die Männer der Wien schaft; Thiers, Cousin (der Plagiator); Troplong (der Verfasser des miserablen Buches „Einfluß des Christenthums auf das Recht“) und Gustav Beaumont (der hohle Schädel und „Menschenfreund“) werden eine Reihe von Volksbüchern schreiben, um den Blousenkerlen Liebe zur Familie, zum Eigenthum, zur Kirche und zur Justiz einzuimpfen; das Ding wird vor der Akademie verhandelt. Hiezn la Republique: „Sehr brav, allein wenn nun der arme Mann Hungers stirbt, und er weiß nun, infolge der akademischen Traktätlein über Staatswirthschaft, daß er verhungert kraft eines akademisirten Nationalökonomiegesetzes, also recht secundum artem: ist damit etwas gewonnen? Von den ersten 2718 Gefangenen sind 1396 entlassen, 1206 zur Deportation verurtheilt, 116 vor's Kriegsgericht geschickt. Letztere sind geradezu Chefs der Barrikaden, oder eifrige Demokraten, die man durch Denunzirung und Lüge mit jenen assimilirt; z. B. Nationalgardeoffiziere, die ihre Kompagnie nicht auf die Insurgenten schießen ließen, und mit dem Ruf: vive la république bei der Barrikade vorbeizogen, sind als Barrikadenchefs einregistrirt worden. Hier einige Namen: Ansart, Lieutenat der Nationalgarde; Aury, Kapitän in der Nationalgarde des Weichbilds; Belot, Nationalgardenlieutenant; Bisson, Ronda Kapitäne in der 11. Legion; Constantin, Stabsoffizier; Brün, Moreau, Lieutenant und Kapitän in der 12. Legion; Chaudesaignes (Vater und zwei Söhne) Korporal und zwei Sergenten in der 12. Legion; Dr. med. Grandchamp, Maire des 12. Arrondissements; Ottin, Kapitän in der 11. Legion; Jarquinet, Kapitän; angeklagt als Kommandanten der Insurgenten, oder als Aufwiegler mit Geld und Wort. Nur wenige sind Militärdeserteurs, noch weniger sind schon in Kerkern gewesen; manche sind in Kontumaz verurtheilt, so der Major in der 12. Legion, Professor Dupont am Lyceum Corneille. Der Galeerensträflinge sind so ungemein wenige, daß der Constitutionel jetzt wieder sehr lächerlich dasteht mit seinen 19,700 Bagnobewohnern, womit er Paris beschenkte; die (sehr undemokratische) „Gazette des Tribunaux“ und „le Droit“ rapportiren unter den ersten siebentausend nur 160. „Gut, ihr werdet transportiren, vielleicht füsiliren, und einkerkern und des Aktivbürgerrechts berauben, und unter das Auge der Polizei stellen, nach eurer Herzenslust. Ihr seid die Herren, wenn auch eben nicht von Gottes Gnaden, so doch von Macht und Geldes und Kanonen Gnaden, und ihr hofft immerdar oben zu bleiben. Bedenkt aber, am 24. Februar hätte das Volk die Herren Barrot, Thiers, Hauranne, Duchatel, Hebert, Montalembert kurz, alle Wortführer der Aristokratie, füsilirt oder nach den Markesasinseln transportirt: wie stände es jetzt? ‒ und glaubt ihr denn an keinen Vergeltungstrieb im menschlichen Herzen?“
Paris, 11. Aug. An der Börse geht das Gerücht: Oestreich nehme die englisch französischen Vermittelungsvorschläge unter der Bedingung an, daß man ihm eine bedeutende Kriegssteuer zahle.
‒ Zwei neue Linienregimenter traten gestern von hier ihren Marsch an die Alpen an, wo sie die Observationsarmee verstärken sollen.
‒ Der neueste Bankbericht, der bis zum 10. reicht, gibt die Höhe der leidenden Papiere immer noch auf nahe an 32 Mill. Francen an, wovon 20,691,549 Fr. 53 Cent. auf Paris allein, und 10,973,123 Fr. auf diejenigen Hülfsanstalten kommen, welche sich bis heute mit der hiesigen Bank vereinigt haben. Wehe dem Handelsstande, wenn die Bank auf unserem Platze zu exekutiren anfängt! ‒ Der Staatskasse verblieben von den zuletzt geliehenen 50,000,000 Fr. bis gestern nur noch 18,725,583 Fr. 21 Cent. Sonst bietet der Bericht nichts Merkwürdiges.
‒ Dem National wird aus Constantinopel, offenbar von einem Gliede der dortigen Gesandtschaft, ein langer Brief geschrieben, der das Datum vom 25. Juli trägt und neues Licht auf die Ereignisse in der Moldau und Wallachei wirft. Er bestätigt ferner, daß General Aupick die gemessensten Befehle erhalten hat, auf Anerkennung der Republik zu dringen, Die Pforte, heißt es weiter, hegt entschiedene Zuneigung für Frankreich; aber die In-
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(2017-03-20T13:08:10Z)
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Maria Ermakova, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Frank Wiegand: Konvertierung XML nach DTA-Basisformat
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Weitere Informationen:Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.
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