Neue Rheinische Zeitung. Nr. 74. Köln, 13. August 1848.und die er hoffentlich nie so schmählich auf den Mont de piete getragen haben wird, wie ich die meinige, Sela!" Armer Schnapphahnski! nicht mehr erfreut ihn in der Stille der Nacht die süße Musik seiner alten Gefährtin, das trauliche "Tick-Tack" der Uhr, das einem daran erinnert, wie man doch noch nicht ganz unter die Füsse gekommen gekommen ist, daß man wenigstens noch etwas zu versetzen hat, daß man wenigstens noch ein lebendes Wesen hat das man sein nennen kann. "Wo ist Ihre Uhr?" "chez ma tante!" O es ist traurig, wenn man also antworten muß. Unwillkührlich greift man noch oft in die Westentasche, in die einsame Wohnung der geschiedenen Gefährtin: aber ach, diese Wohnung ist wüst und leer geworden. Die Stürme des Jahrhunderts sind durch sie hindurchgefahren, und wenn nun der Abend kommt und die Nacht und die Sterne emporziehen und die riesigen Schatten sich breiten über Berge und Thäler wie die Geister der Ossianischen Helden, und man die Unterhose auszieht um nach Bett zu gehen und den Uhrschlüssel ergreift um das althergebrachte Geschäft zu vollziehen, so pünktlich wie der Onkel Toby oder der Vater Tristrams - ach, da schrickt man zurück, dann o, die alte Genossin: "- blieb zurück zu Pampeluna In dem Leihhaus. War ein Erbstück, Kostbar und von echtem Silber." Heldenunglück rührt die Weiber - die Tochter Atta Troll's möchte weinen, Seufzer entringen sich ihrem zottigen Busen, als sie die Blässe des fahrenden Ritters bemerkt; sie glaubt natürlich nur einen welthistorischen Schmerz zu sehen; die tragischen Züge des Heldenantlitzes scheinen ihr nur das Resultat jenes riesigen Grames zu sein, der einst auf den Zügen Priamus lag, oder in Deinem Antlitz, Du herrlicher Dulder Odusseus - denn O, die treffliche Bärin, die vierfüßige Lilie der Pyrenäen, sie ist zu arglos, zu unerfahren, um daran zu denken, daß ein Herr von Schnapphahnski in der trivialen Wehmuth der Finanznoth stecken könnte, im Kummer um seine Uhr, von echtem Silber, zurückgelassen im Leihhause von Pampeluna. (Fortsetzung folgt.) [Deutschland] nungsruf erfolgte, ist eingegangen. Auf den Antrag der Linken nicht. Will augenblickliche Diskussion. Dem Ausschuß den Antrag übergeben heißt ihn unter den Tisch werfen. Soiron: Noch einmal gleich Untersuchung Graf Schwerin will Tagesordnung und Uebertragung an den Ausschuß. (Schluß.) Scheller: Man solle im Namen des Friedens dem Antrage keine weitern Folgen geben. Nachdem noch Welcker, Gagern, Lychnowsky, Schaffrath, Vinke, Cell, Simon von Trier, Wernher (der Deklamator), Schwerin, Nauwerk, Jordan, Soiron sich über die Fragestellung, wie sie betreffs dieser Anklageschrift der Nationalversammlung jetzt vorzulegen sei, gestritten haben, entschließt sich endlich Gagern folgendermaßen zu fragen: "Will die Nationalversammlung daß wegen Dringlichkeit sofort zur Berathung dieser Angelegenheit übergegangen werde?" Antwort: "Nein!" Also geht sie erst zur Begutachtung an den Geschäftsordnungsausschuß. Lindenau: Bei Berathung über diese Sache sollten zu dem Geschäftsordnungsausschuß noch andere Mitglieder zugelassen werden. Gagern: Ob die Versammlung dies will? Ja! Vinke will keinen Zankapfel in die Versammlung schleudern; nimmt, (auf einmal sanftmüthig) wie er glaubt im Sinne der 170, seinen Antrag von vorgestern zurück. Löwe aus Magdeburg: Vinke's Friedensanträge kommen zu spät. Vorgestern war Zeit dazu. Durch jenen abscheulichen Auftritt ist tödtlicher Haß in die Parteien geworfen. Spricht vom Terrorismus der Majorität. Protestirt (als Preuße) feierlich dagegen, daß das preußische Volk durch Brentano's Aeußerung beleidigt. Der Prinz von Preußen ist keine exceptionelle Person mehr, er ist ein einfacher Staatsbürger; die Beleidigung desselben, wenn es überhaupt eine Beleidigung gewesen wäre, ist keineswegs eine Ehrenkränkung des preußischen Volks. (Lautes Bravo.) Gagern: Es bleibt dabei, daß über Vinke's jetzige Erklärung zur Tagesordnung übergegangen wird. (Bravo!) Ueber dieselbe wird der Ausschuß mit zu entscheiden haben. Er ersucht den Vicepräsidenten v. Hermann weiter zu präsidiren. Soiron (mit zerschmetterter Stimme) bittet noch Jordan zu einem Antrage das Wort zu geben, den derselbe bei ihm, in der Meinung er sei der heute Präsidirende, eingebracht habe. Jordan aus Berlin beantragt über Hecker's Angelegenheit gleich abzustimmen, weil mit der Diskussion und Abstimmung über die Amnestie bereits mittelbar über die Hecker'sche Angelegenheit mitentschieden sei. Schaffrath: Die Frage über Amnestie und diese Wahlfrage sind ganz verschieden. Präsident v. Hermann: Ob Jordan's Antrag unterstützt? (Wird von rechts unterstützt.) Eisenmann: Es handle sich ja nicht um Hecker allein, sondern auch um eine neue Wahl. Wydenbrugk: Jordan's Antrag sei weiter nichts als ein Amendement zu den Ausschußanträgen in der Hecker'schen Frage und sei später bei diesen mit zu erwähnen. Tagesordnung. Die Ausschußanträge, sowie die verschiedenen Amendements in der Heckerschen Wahlangelegenheit werden nun verlesen. Mohr und Simon aus Trier stellen neue Amendements: Hecker's Wahl formell und materiell zu billigen Jordan aus Berlin taucht mit seinem Antrag noch einmal auf und findet keine Unterstützung. Der Berichterstatter Wiedenmann (der neue und der Staatssekretär) spricht in seiner gewöhnlichen Art und Weise über die Ausschußanträge). v. Itzstein beweist, daß Hecker weiter nichts gesündigt hat als die Nationalversammlung selber. Er meint zum Schluß, man würde dem Volke eine große Beruhigung verschaffen, wenn man Hecker in die Nationalversammlung eintreten ließe. Bei seinem Abtritt (leises Bravo links; die Gallerien eingeschüchtert von vorgestern, enthalten sich der Akklamation; einige Gallerien sind sogar ganz abgerissen). Plathner (der Pistolenschütze). Ob Hecker Hochverräther oder nicht, wird die Geschichte entscheiden; ich halte mich nur daran, daß er, mit der Nationalversammlung im Widerspruch, die Republik will. (Der Oberlandsgerichts-Assessor Plathner accentuirt jedes seiner Worte so nachdrücklich wie ein Schulmeister die Ermahnungen, die er seinem Scholar giebt, indem er ihm dabei auf die Finger klopft). Diese Accentuation erregt große Heiterkeit. Der Wahlkreis von Thingen meint Plathner, sei nicht souverän. Wir sind allerdings hier in Folge der Revolution, Hecker aber ist kein Revolutionär, sondern ein Rebeller. Ihr Entschluß über ihn wird entscheiden, ob der Kampf der Zukunft der deutschen Nation hier in der Paulskirche mit dem Wort (nach Plathner mit dem Prügel) oder draußen mit dem Schwert ausgemacht werden soll. Wiesner aus Oesterreich. Friedrich Hecker ist durch seine Wahl freigesprochen. Dieser Wahl haben Millionen andre Deutsche (auch Nicht-Badener) ihr Echo zugejauchzt. Ich muß den Wählern von Thingen vor den Augen der Vertreter der deutschen Nation meine Achtung zu erkennen geben. (Bravo und Zischen). Die Polizei hat ihn geächtet, das Volk ihn auf den Schild erhoben. Wenn Heckers That Hochverrath, mußten die neusten Barrikaden Wiens auch das Produkt des Hochverraths sein. Diese wurden gebaut auch als die Nationalversammlung schon tagte. Haben Sie den Muth, die Wiener und Oesterreicher Hochverräther zu nennen. (Links Ei bewahre!) Dagegen protestire ich. (Bravo). Hecker hat übrigens erklärt zu keinen gewaltsamen Mitteln mehr greifen zu wollen, deshalb dürfen wir ihn nicht ausschließen, denn sonst entziehen wir ihm die gesetzlichen Mittel zur Verfolgung seiner Ideen und rufen sein Martyrerthum hervor. Die Sympathien für Hecker sind in Baden und anderwärts jetzt gewachsen, auch bei uns in Oesterreich. (Rechts Oho! links bravo). In der Wiener Reichsversammlung sitzen viele sogenannte Hochverräther. v. Rappard und Compes verzichten auf's Wort. Simson (aus Königsberg!) Gegen Heckers Zulassung. Sehr wenig Talent gehöre dazu die Anträge des Ausschusses zu bekräftigen. Die Kompetenz der Versammlung in dieser Sache ist selbst von Hecker unbestritten. Wir sitzen hier nicht als Gerichtshof, wir brauchen nur unsre moralische Ueberzeugung. Heckers Unternehmen war nicht bloß gegen Baden, sondern gegen ganz Deutschland gerichtet. Wenn er sich auch den Eintritt in alle Ruhmeshallen gebahnt hätte, den Eintritt in diese Versammlung hat er sich verwehrt. Wir sind freilich aus der Revolution hervorgegangen, aber unsre Verfahrungsart ist von der Heilmethode Heckers sehr verschieden. Wenn die Versammlung den Hecker aufnimmt, stellt sie sich auf den Standpunkt des badischen Oberlandes. Hiezu (der Redner spricht mit unendlichem Nachdruck) bedürfen wir des Muthes des Selbstmörders. (Rechts sehr brav). Ich kann es nicht ohne Wehmuth denken, daß Hecker sich selbst ausgeschlossen. Aber er hat den Boden des Vaterlandes mit Blut getränkt. (Murren, der Redner schlägt fortwährend kräftig auf die Tribüne, was den Eindruck seiner Rede schwächt). Vogt hat das sonderbare Geschick gegen drei preußische Redner, Plathner, Simson, Wiedenmann, sprechen zu müssen, man möge dies nicht auch als Beleidigung des deutschen Volkes ansehen. (Freudiges lautes Bravo). Hr. Welker hat gesagt, das Verlangen Fiklers und Struves, im badenschen Volk über Republik oder nicht Republik abstimmen zu lassen, sei ein abgeschmaktes genannt. Diese Abgeschmacktheit allein ist das Mittel ohne Blut über den Willen des Volkes klar zu werden. Beispiel: der Kanton Bern. - Der Ausschuß hat so sehr auf die Notorietät der Verbrechen Heckers hingewiesen. Im Polizeistaat war alles notorisch. Wir sollen den Polizeistaat mit Füßen treten, den Rechtsstaat gründen. Dieser verlangt Urtheil und Beweise. - Daß Hecker Hochverräther ist nirgendwie nachgewiesen; er nirgends verurtheilt. Wenn sie ihn verurtheilen, usurpiren sie das Recht der Jury. Wenn nun Hecker später freigesprochen werden sollte? (Arndt mit kindischer Gestikulation vom Platz: Das ist nicht möglich!) Dieser Weg einen Deputirten wegen materieller Unfähigkeit auszuschließen führt zu unseligen Konsequenzen. Sie werden so mit der Zeit uns alle ausschließen, die der Majorität nicht beipflichten. (Bravo). In keinem Wahlgesetz steht etwas über materielle Ausschließungsgründe. - Das Verlangen der badenschen Regierung, die Wähler Heckers als Hochverräther zu erklären, ist monströs! - Also durch einen Stimmzettel kann man Hochverräther werden. Das ist also die regenerirte badensche Regierung? Vogt frägt den Präsidenten, ob nicht Uhl (der von der Minorität im Thiengenschen Wahlkreis Gewählte) gestern mit einer Legitimation der badenschen Regierung im Sack, hier gewesen, und in die Nationalversammlung habe anstatt Heckers treten wollen? Gagern (sehr erbost) [denn Uhl ist sein Privatfreund]. Hr. Uhl ist nicht hier gewesen und hat nichts im Sacke gehabt. Sachs aus Mannheim schreit von links her: "es ist doch wahr, er hat mir seine Legitimation gezeigt." Gagern wird wüthend. Sachs wiederholt seine Behauptung. Vogt fährt fort. Daß Hecker einen neuen Einfall beabsichtigt, ist nicht wahr; er hat überhaupt keinen Einfall gemacht, sondern nur einen Aufstand. (Gelächter). Beantragt: "Ueber die betreffende Erklärung der badenschen Regierung und die verschiedenen Petitionen im entgegengesetzten Sinne zur Tagesordnung überzugehen, und der badenschen Regierung zu überlassen, von der Nationalversammlung Ermächtigung zum Verfolg des Heckerschen Prozesses zu verlangen." (Bravo). Präsident Hermann verliest eine eben abgegebene Erklärung des Abg. Sachs aus Mannheim auf Ehrenwort, daß ihm Uhl persönlich eine Legitimationsurkunde der badenschen Regierung zum Eintritt in die Nationalversammlung vorgewiesen habe. v. Gagern (halb weinend) will davon nichts wissen. Uhl hätte ihm gesagt, er würde eine Minoritätswahl nie annehmen. Vogt. Er hätte vorhin dies nicht behauptet, sondern eben, weil er zweifelhaft gewesen, den Präsidenten v. Gagern darum befragt. (Bravo. Schluß. Schluß!) Sachs von Mannheim. Die badensche Regierung hat aber doch diese Legitimation ausgestellt. Gagern. Ob Vogt, Uhl habe persönlich angreifen wollen? Vogt. Dies sei ihm gar nicht eingefallen, er kenne den Uhl gar nicht. Die Debatte wird geschlossen. Nachdem Lichnowsky und Schaffrath namentliche Abstimmung beantragt haben, spricht der Berichterstatter von Wiedenmann und bekämpft sehr schwach die Angriffe Vogt's auf den Ausschußbericht. Hierauf werden die Anträge und Amendements verlesen und nach der üblichen Debatte, wie gewöhnlich zuerst über den Ausschußantrag abgestimmt. Das Resultat dieser Abstimmung habe ich gestern schon mitgetheilt. Frankfurt, 11. August. In der heutigen 59. Sitzung beschloß die verfassunggebende Reichsversammlung, daß ihrem Präsidenten ein Gehalt von 2000 fl. monatlich, vom Tage der stattgefundenen Wahl an, auszuzahlen sey und es dem Präsidenten nicht zustehen soll, auf diesen Gehalt zu verzichten. An der Tagesordnung war die Berathung über den Bericht des völkerrechtlichen Ausschusses, Separatverhandlungen deutscher Staaten mit Dänemark und die Entschädigung für die Wegnahme deutscher Schiffe betreffend. Die Versammlung beschließt zur Tagesordnung überzugehen. Deßgleichen über die andern Anträge wegen Einleitung gemeinschaftlicher Maßregeln gegen Dänemark, wegen der von früherher bestehenden Verträge deutscher Staaten mit Dänemark, wegen des Sundzolls, der Entschädigung für das Embargo unter Verweisung der Anträge etc. an die Centralgewalt. Ferner beschloß die Versammlung die Petition der Dampfschifffahrt zu Ulm um Schutz gegen gewaltsame Eingriffe der Centralgewalt zu überweisen. 15 Berlin, 10. Aug. Während hier kein Tag vergeht, wo nicht zahlreiche Verhaftungen vorfallen, setzt der liberale Senat einen Studenten in die freie Luft - er relegirt. Mit Erstaunen las ich heute an dem schwarzen Brett der Universität folgenden Anschlag, den ich hiermit aus der lateinischen Urschrift in's Deutsche übertrage: "Rektor und Senat Königl. Friedrich Wilhelms-Universität zu Berlin. Sintemal Du, Heinr. Phil. Chr. Langfeldt aus Mecklenburg-Schwerin, stud. phil., als bei Gelegenheit der dem Stifter dieser Anstalt gewidmeten akademischen Feierlichkeiten eine preußische Fahne zwischen den beiden deutschen auf dem Balkon der Universität öffentlich aufgesteckt wurde, durch ausgestoßene Schmähungen die Würde jener Fahne zu verringern, und durch aufrührerische Reden zur Herunterreißung derselben aufzureizen gewagt und zugleich im Haufen Geld ausgetheilt hast, so verbannen wir dich Heinr. Christ. Langfeldt, der Du jenes aufrührerischen (factiosi) Unternehmens und der frechen (superbiter) Verachtung des Ansehens der Obrigkeiten angeklagt und überführt bist, von dieser Universität, und theilen diesen Beschluß den verbündeten Universitäten nach gewöhnter Sitte mit. Berlin, 10. August 1848. Joh. Müller, derzeit Rektor." - Lassen Sie mich berichten, was eigentlich der grause Verbrecher begangen hat, oder vielmehr was ihm eigentlich angeschuldigt wird. Es war am 3. August. Einige Mitglieder des Senats standen am Balkon der Universität, vor welche die famose schwarzweiße Fahne eine große Menschenmenge herangelockt hatte. Da kam ein Unterbeamter der Universität eiligst zu den Herren des Senats mit der in obigem Aktenstück bezeichneten Meldung; er habe gehört, wie der Langfeldt die Aeußerung gethan: "Runter mit dem Dreck!" gesehen und wie er in der Menge Geld ausgetheilt. Gestern früh wird der Angeklagte vor das Universitätsgericht geladen, der Denunciant beschwört seine Aussage, Entlastungszeugen werden nicht zugelassen; der Verklagte wird verurtheilt, der Pedell begleitet ihn nach Haus, läßt ihn dort seine Sachen einpacken und führt ihn dann nach dem Carcer, von wo er, nachdem er die Nacht über daselbst verweilt, abermals vom Pedell geleitet, nach der Eisenbahn hinausgeschafft wird. Ueber ein anderes Dokument unseres hochweisen Rathes muß ich Ihnen ein Längeres berichten, da sich noch einige andere interessante Thatsachen daran knüpfen. Das Aktenstück selbst ist seit gestern an das schwarze Brett angeschlagen und lautet wie folgt: "Es ist zur Kenntniß der Universitätsbehörde gekommen, daß eine Fraktion der Studierenden unter dem allgemeinen Namen der Studentenschaft öffentlich auftritt und Beschlüsse zu fassen unternimmt, wodurch auch die Nichttheilnehmenden gebunden sein sollen. Hierin liegt eine Anmaßung, welche die Freiheit, Ueberzeugungen und Rechte jedes Einzelnen, so wie der gesammten Universität verletzt. Rektor und Senat erklären daher, daß gegen diejenigen, welche sich an der dergleichen Usurpationen betheiligen, disciplinarisch eingeschritten werden wird." Daß dies Dokument in der Studentenschaft die tiefste Entrüstung hervorrufen mußte, ist klar. Sofort wurde an Müller eine Deputation gesandt, welche demselben vorerst einige faktische Irrthümer in seiner Bekanntmachung nachwies. Es wurde ihm gezeigt, daß in den rein formellen Statuten der Berliner Studentenschaft allerdings früher ein Paragraph existirt habe, wonach bei Beschlüssen der Majorität kein Protest der Minorität zulässig sei; daß aber, da diese Stelle Anlaß zu der irrigen Meinung geben konnte, als solle dadurch jeder einzelne Student an die Beschlüsse der Allgemeinen Studentenschaft gebunden sein, dieselbe jenen Paragraphen bereits vor anderthalb Wochen gestrichen habe. Wenn also der hochweise Senat irgend ein Gesetz oder Verbot erlassen wolle, so möge er in Zukunft sich zuvor etwas genauer über die Verhältnisse unterrichten. Der Rektor erwiderte, das habe er allerdings nicht gewußt, aber trotzdem könne er das Bestehen einer allgemeinen Studentenschaft nicht dulden, und eben so wenig die vor der Universität aufgestellte schwarze Tafel, welche von den vorübergehenden höhern Beamten sehr mißfällig wahrgenommen sei. Im Uebrigen sei der Paragraph in den Statuten ein ungesetzlicher, wonach auch fremden Studirenden bei der Studentenversammlung der Zutritt gestattet werde. - Morgen wird das Comite der hiesigen Buchdruckergehülfen, welche bis zur Erledigung der Mainzer Beschlüsse feiern, verhaftet werden, an der Spitze Hr. Born, einer der Hauptleiter der ganzen Bewegung. Man wendet nämlich gegen die Herren den (wenn ich nicht irre) § 183 der Gewerbeordnung an, wonach diejenigen, welche Gehülfen dazu verführen ihre Arbeit einzustellen, um höhern Lohn zu erwerben, mit einjähriger Gefängnißstrafe belegt werden sollen. Denunciant ist der Buchdruckereibesitzer Hänel. Nach all diesem gewinnt es den Anschein, als ob die freilich noch spärlich verbreiteten Gerüchte von der Möglichkeit einer hereinbrechenden Reaktion nicht ganz unbegründet wären. 119 Berlin, 10. Aug. In Folge der Schritte des Senats beschloß eine Versammlung der "allgemeinen Studentenschaft" heute Nachmittag, während der Ferien die "allgemeine Studentenschaft" und somit auch den Ausschuß derselben zu suspendiren, und in Folge dessen auch das schwarze Brett wegzunehmen, ehe noch der formelle Befehl hierzu von dem Senat ankäme, diese Schritte auch in den Zeitungen zu rechtfertigen, und die bezüglichen Erklärungen zu unterzeichnen: "die bisher so genannte allgemeine Studentenschaft." Somit ist also auch aus der Studentenschaft faktisch jedes Ueberbleibsel der "glorreichen Märzrevolution" sorgfältig hinweggeräumt. Indessen tadeln wir den Beschluß der Studenten nicht, weil er, wenn auch nicht heorisch, doch klug ist, indem er den Feind zwingt, die Schlacht da zu schlagen, wo er nicht will - im neuen Semester. Zwar macht uns die spießbürgerliche National-Zeitung von Zeit zu Zeit Hoffnung, daß die Universität geschlossen werden würde, doch ist ihre Absicht bei diesen Nachrichten zu leicht erkenntlich, als daß man ihnen glauben sollte. So eben ist an den Straßenecken ein Plakat angeschlagen, gedruckt in der Deckerschen amtlichen geheimen Ober-Hof-Buchdruckerei, in welchem ein in Charlottenburg liegendes Regiment die Soldaten auffordert, sich in diesen Tagen zu versammeln, um eine Petition zu berathen, daß der Prinz von Preußen an die Spitze der Armee (welcher, ob der preußischen oder deutschen?) gestellt werde. 103 Berlin, 10. Aug.
Der hiesigen Kaufmannschaft ist heute ein Promemoria aus dem Finanz- und Handelsministerium mitgetheilt worden, welches ausführliche Mittheilungen macht über die, von der französischen Regierung durch eine Verordnung vom 10. Juli, bewilligte Erhöhung von 50 pCt. der bereits bestandenen Ausfuhrprämien und Rückzölle für französische Fabrikate und über die außerdem festgesetzte neue Ausfuhrprämie von 41/2 pCt. des Fabrikwerthes aller Gewebe von Seide und Floretseide; Gewebe und Garne von Flachs und Hanf. Die Minister schlagen als Retorsionsmaßregel gegen Frankreich eine angemessene Erhöhung der Einfuhrzölle auf französische Fabrikate vor, damit die von Frankreich jetzt mehr gezahlten Ausfuhrprämien in die Zollvereinskassen fließen, die Steuereinnahmen hier vermehrt werden, ohne daß die betreffenden Waaren im Preise steigen. Die Minister ersuchen die Kaufmannschaft um ihr Gutachten. Im Verlage der Deckerschen Geheimen Ober-Hof-Buchdruckerei erschien dieser Tage eine Schrift unter dem Titel: "An das preußische Volk und dessen Vertreter: gegen den Eid des Heeres auf die Verfassung," von einem pseudonymen Verfasser und wie sich aus der Schrift ergibt, einem preußischen Offizier. In derselben heißt es: "Erlasset uns diesen Eid, die Verfassung nach eigenem Ermessen zu beschützen, wobei ein Jeder seine eigene Auslegung mitbringt; erlasset insbesondere dem jungen Soldaten einen Eid, der ihn in Zweifel verwickeln und zum leichten Raube der Verführung machen, mit einem Worte unsere schöne Armee demoralisiren würde. Seht auf England, dessen Heer musterhaft dasteht, ohne auf die Verfassung vereidigt zu sein, dessen Volk sich dennoch nicht vor seiner eigenen Armee fürchtet, weil das Gesetz dort in jedes Bürgers Brust seinen Schutz findet, weil dort ein Constabler nur zu winken braucht, um Tausende zu seinem und der Gesetze Schutz in die Schranken zu rufen. Nun denn, so zwingt uns nicht zu einer Komödie, wo es Ernst gilt! Verschont uns mit dem Eide auf die Verfassung; sie wird durch unsere Schuld wahrlich nie verletzt werden, dafür bürgt Euch die Disziplin (!) und die Volksthümlichkeit (!) Eures Heeres; und wird sie von Andern verletzt, so zieht doch diese Andern durch Eure Vertreter und Eure frei gewordene Presse zur Verantwortung; erlaßt uns diese Komödie, die für uns unschuldigerweise tragisch werden muß! Unser Fahneneid würde die Hälfte seines Werthes verlieren. Wehrt diesen zweiten Eid ab, damit die Komödie nicht noch weiter gespielt und uns am Ende zugemuthet werde, dem Reichsverweser später einmal den dritten und auf die Reichsverfassung den vierten Eid zu schwören, wo dann der heilige Eid vollends zum Spielwerk und die Armee zu einem Taubenhause aller möglichen Klubs herabgewürdigt werden würde. Wir möchten denen, die diesen Eid verlangen und - es näm- [Fortsetzung] und die er hoffentlich nie so schmählich auf den Mont de piété getragen haben wird, wie ich die meinige, Sela!“ Armer Schnapphahnski! nicht mehr erfreut ihn in der Stille der Nacht die süße Musik seiner alten Gefährtin, das trauliche „Tick-Tack“ der Uhr, das einem daran erinnert, wie man doch noch nicht ganz unter die Füsse gekommen gekommen ist, daß man wenigstens noch etwas zu versetzen hat, daß man wenigstens noch ein lebendes Wesen hat das man sein nennen kann. „Wo ist Ihre Uhr?“ “chez ma tante!” O es ist traurig, wenn man also antworten muß. Unwillkührlich greift man noch oft in die Westentasche, in die einsame Wohnung der geschiedenen Gefährtin: aber ach, diese Wohnung ist wüst und leer geworden. Die Stürme des Jahrhunderts sind durch sie hindurchgefahren, und wenn nun der Abend kommt und die Nacht und die Sterne emporziehen und die riesigen Schatten sich breiten über Berge und Thäler wie die Geister der Ossianischen Helden, und man die Unterhose auszieht um nach Bett zu gehen und den Uhrschlüssel ergreift um das althergebrachte Geschäft zu vollziehen, so pünktlich wie der Onkel Toby oder der Vater Tristrams ‒ ach, da schrickt man zurück, dann o, die alte Genossin: „‒ blieb zurück zu Pampeluna In dem Leihhaus. War ein Erbstück, Kostbar und von echtem Silber.“ Heldenunglück rührt die Weiber ‒ die Tochter Atta Troll's möchte weinen, Seufzer entringen sich ihrem zottigen Busen, als sie die Blässe des fahrenden Ritters bemerkt; sie glaubt natürlich nur einen welthistorischen Schmerz zu sehen; die tragischen Züge des Heldenantlitzes scheinen ihr nur das Resultat jenes riesigen Grames zu sein, der einst auf den Zügen Priamus lag, oder in Deinem Antlitz, Du herrlicher Dulder Odusseus ‒ denn O, die treffliche Bärin, die vierfüßige Lilie der Pyrenäen, sie ist zu arglos, zu unerfahren, um daran zu denken, daß ein Herr von Schnapphahnski in der trivialen Wehmuth der Finanznoth stecken könnte, im Kummer um seine Uhr, von echtem Silber, zurückgelassen im Leihhause von Pampeluna. (Fortsetzung folgt.) [Deutschland] nungsruf erfolgte, ist eingegangen. Auf den Antrag der Linken nicht. Will augenblickliche Diskussion. Dem Ausschuß den Antrag übergeben heißt ihn unter den Tisch werfen. Soiron: Noch einmal gleich Untersuchung Graf Schwerin will Tagesordnung und Uebertragung an den Ausschuß. (Schluß.) Scheller: Man solle im Namen des Friedens dem Antrage keine weitern Folgen geben. Nachdem noch Welcker, Gagern, Lychnowsky, Schaffrath, Vinke, Cell, Simon von Trier, Wernher (der Deklamator), Schwerin, Nauwerk, Jordan, Soiron sich über die Fragestellung, wie sie betreffs dieser Anklageschrift der Nationalversammlung jetzt vorzulegen sei, gestritten haben, entschließt sich endlich Gagern folgendermaßen zu fragen: „Will die Nationalversammlung daß wegen Dringlichkeit sofort zur Berathung dieser Angelegenheit übergegangen werde?“ Antwort: „Nein!“ Also geht sie erst zur Begutachtung an den Geschäftsordnungsausschuß. Lindenau: Bei Berathung über diese Sache sollten zu dem Geschäftsordnungsausschuß noch andere Mitglieder zugelassen werden. Gagern: Ob die Versammlung dies will? Ja! Vinke will keinen Zankapfel in die Versammlung schleudern; nimmt, (auf einmal sanftmüthig) wie er glaubt im Sinne der 170, seinen Antrag von vorgestern zurück. Löwe aus Magdeburg: Vinke's Friedensanträge kommen zu spät. Vorgestern war Zeit dazu. Durch jenen abscheulichen Auftritt ist tödtlicher Haß in die Parteien geworfen. Spricht vom Terrorismus der Majorität. Protestirt (als Preuße) feierlich dagegen, daß das preußische Volk durch Brentano's Aeußerung beleidigt. Der Prinz von Preußen ist keine exceptionelle Person mehr, er ist ein einfacher Staatsbürger; die Beleidigung desselben, wenn es überhaupt eine Beleidigung gewesen wäre, ist keineswegs eine Ehrenkränkung des preußischen Volks. (Lautes Bravo.) Gagern: Es bleibt dabei, daß über Vinke's jetzige Erklärung zur Tagesordnung übergegangen wird. (Bravo!) Ueber dieselbe wird der Ausschuß mit zu entscheiden haben. Er ersucht den Vicepräsidenten v. Hermann weiter zu präsidiren. Soiron (mit zerschmetterter Stimme) bittet noch Jordan zu einem Antrage das Wort zu geben, den derselbe bei ihm, in der Meinung er sei der heute Präsidirende, eingebracht habe. Jordan aus Berlin beantragt über Hecker's Angelegenheit gleich abzustimmen, weil mit der Diskussion und Abstimmung über die Amnestie bereits mittelbar über die Hecker'sche Angelegenheit mitentschieden sei. Schaffrath: Die Frage über Amnestie und diese Wahlfrage sind ganz verschieden. Präsident v. Hermann: Ob Jordan's Antrag unterstützt? (Wird von rechts unterstützt.) Eisenmann: Es handle sich ja nicht um Hecker allein, sondern auch um eine neue Wahl. Wydenbrugk: Jordan's Antrag sei weiter nichts als ein Amendement zu den Ausschußanträgen in der Hecker'schen Frage und sei später bei diesen mit zu erwähnen. Tagesordnung. Die Ausschußanträge, sowie die verschiedenen Amendements in der Heckerschen Wahlangelegenheit werden nun verlesen. Mohr und Simon aus Trier stellen neue Amendements: Hecker's Wahl formell und materiell zu billigen Jordan aus Berlin taucht mit seinem Antrag noch einmal auf und findet keine Unterstützung. Der Berichterstatter Wiedenmann (der neue und der Staatssekretär) spricht in seiner gewöhnlichen Art und Weise über die Ausschußanträge). v. Itzstein beweist, daß Hecker weiter nichts gesündigt hat als die Nationalversammlung selber. Er meint zum Schluß, man würde dem Volke eine große Beruhigung verschaffen, wenn man Hecker in die Nationalversammlung eintreten ließe. Bei seinem Abtritt (leises Bravo links; die Gallerien eingeschüchtert von vorgestern, enthalten sich der Akklamation; einige Gallerien sind sogar ganz abgerissen). Plathner (der Pistolenschütze). Ob Hecker Hochverräther oder nicht, wird die Geschichte entscheiden; ich halte mich nur daran, daß er, mit der Nationalversammlung im Widerspruch, die Republik will. (Der Oberlandsgerichts-Assessor Plathner accentuirt jedes seiner Worte so nachdrücklich wie ein Schulmeister die Ermahnungen, die er seinem Scholar giebt, indem er ihm dabei auf die Finger klopft). Diese Accentuation erregt große Heiterkeit. Der Wahlkreis von Thingen meint Plathner, sei nicht souverän. Wir sind allerdings hier in Folge der Revolution, Hecker aber ist kein Revolutionär, sondern ein Rebeller. Ihr Entschluß über ihn wird entscheiden, ob der Kampf der Zukunft der deutschen Nation hier in der Paulskirche mit dem Wort (nach Plathner mit dem Prügel) oder draußen mit dem Schwert ausgemacht werden soll. Wiesner aus Oesterreich. Friedrich Hecker ist durch seine Wahl freigesprochen. Dieser Wahl haben Millionen andre Deutsche (auch Nicht-Badener) ihr Echo zugejauchzt. Ich muß den Wählern von Thingen vor den Augen der Vertreter der deutschen Nation meine Achtung zu erkennen geben. (Bravo und Zischen). Die Polizei hat ihn geächtet, das Volk ihn auf den Schild erhoben. Wenn Heckers That Hochverrath, mußten die neusten Barrikaden Wiens auch das Produkt des Hochverraths sein. Diese wurden gebaut auch als die Nationalversammlung schon tagte. Haben Sie den Muth, die Wiener und Oesterreicher Hochverräther zu nennen. (Links Ei bewahre!) Dagegen protestire ich. (Bravo). Hecker hat übrigens erklärt zu keinen gewaltsamen Mitteln mehr greifen zu wollen, deshalb dürfen wir ihn nicht ausschließen, denn sonst entziehen wir ihm die gesetzlichen Mittel zur Verfolgung seiner Ideen und rufen sein Martyrerthum hervor. Die Sympathien für Hecker sind in Baden und anderwärts jetzt gewachsen, auch bei uns in Oesterreich. (Rechts Oho! links bravo). In der Wiener Reichsversammlung sitzen viele sogenannte Hochverräther. v. Rappard und Compes verzichten auf's Wort. Simson (aus Königsberg!) Gegen Heckers Zulassung. Sehr wenig Talent gehöre dazu die Anträge des Ausschusses zu bekräftigen. Die Kompetenz der Versammlung in dieser Sache ist selbst von Hecker unbestritten. Wir sitzen hier nicht als Gerichtshof, wir brauchen nur unsre moralische Ueberzeugung. Heckers Unternehmen war nicht bloß gegen Baden, sondern gegen ganz Deutschland gerichtet. Wenn er sich auch den Eintritt in alle Ruhmeshallen gebahnt hätte, den Eintritt in diese Versammlung hat er sich verwehrt. Wir sind freilich aus der Revolution hervorgegangen, aber unsre Verfahrungsart ist von der Heilmethode Heckers sehr verschieden. Wenn die Versammlung den Hecker aufnimmt, stellt sie sich auf den Standpunkt des badischen Oberlandes. Hiezu (der Redner spricht mit unendlichem Nachdruck) bedürfen wir des Muthes des Selbstmörders. (Rechts sehr brav). Ich kann es nicht ohne Wehmuth denken, daß Hecker sich selbst ausgeschlossen. Aber er hat den Boden des Vaterlandes mit Blut getränkt. (Murren, der Redner schlägt fortwährend kräftig auf die Tribüne, was den Eindruck seiner Rede schwächt). Vogt hat das sonderbare Geschick gegen drei preußische Redner, Plathner, Simson, Wiedenmann, sprechen zu müssen, man möge dies nicht auch als Beleidigung des deutschen Volkes ansehen. (Freudiges lautes Bravo). Hr. Welker hat gesagt, das Verlangen Fiklers und Struves, im badenschen Volk über Republik oder nicht Republik abstimmen zu lassen, sei ein abgeschmaktes genannt. Diese Abgeschmacktheit allein ist das Mittel ohne Blut über den Willen des Volkes klar zu werden. Beispiel: der Kanton Bern. ‒ Der Ausschuß hat so sehr auf die Notorietät der Verbrechen Heckers hingewiesen. Im Polizeistaat war alles notorisch. Wir sollen den Polizeistaat mit Füßen treten, den Rechtsstaat gründen. Dieser verlangt Urtheil und Beweise. ‒ Daß Hecker Hochverräther ist nirgendwie nachgewiesen; er nirgends verurtheilt. Wenn sie ihn verurtheilen, usurpiren sie das Recht der Jury. Wenn nun Hecker später freigesprochen werden sollte? (Arndt mit kindischer Gestikulation vom Platz: Das ist nicht möglich!) Dieser Weg einen Deputirten wegen materieller Unfähigkeit auszuschließen führt zu unseligen Konsequenzen. Sie werden so mit der Zeit uns alle ausschließen, die der Majorität nicht beipflichten. (Bravo). In keinem Wahlgesetz steht etwas über materielle Ausschließungsgründe. ‒ Das Verlangen der badenschen Regierung, die Wähler Heckers als Hochverräther zu erklären, ist monströs! ‒ Also durch einen Stimmzettel kann man Hochverräther werden. Das ist also die regenerirte badensche Regierung? Vogt frägt den Präsidenten, ob nicht Uhl (der von der Minorität im Thiengenschen Wahlkreis Gewählte) gestern mit einer Legitimation der badenschen Regierung im Sack, hier gewesen, und in die Nationalversammlung habe anstatt Heckers treten wollen? Gagern (sehr erbost) [denn Uhl ist sein Privatfreund]. Hr. Uhl ist nicht hier gewesen und hat nichts im Sacke gehabt. Sachs aus Mannheim schreit von links her: „es ist doch wahr, er hat mir seine Legitimation gezeigt.“ Gagern wird wüthend. Sachs wiederholt seine Behauptung. Vogt fährt fort. Daß Hecker einen neuen Einfall beabsichtigt, ist nicht wahr; er hat überhaupt keinen Einfall gemacht, sondern nur einen Aufstand. (Gelächter). Beantragt: „Ueber die betreffende Erklärung der badenschen Regierung und die verschiedenen Petitionen im entgegengesetzten Sinne zur Tagesordnung überzugehen, und der badenschen Regierung zu überlassen, von der Nationalversammlung Ermächtigung zum Verfolg des Heckerschen Prozesses zu verlangen.“ (Bravo). Präsident Hermann verliest eine eben abgegebene Erklärung des Abg. Sachs aus Mannheim auf Ehrenwort, daß ihm Uhl persönlich eine Legitimationsurkunde der badenschen Regierung zum Eintritt in die Nationalversammlung vorgewiesen habe. v. Gagern (halb weinend) will davon nichts wissen. Uhl hätte ihm gesagt, er würde eine Minoritätswahl nie annehmen. Vogt. Er hätte vorhin dies nicht behauptet, sondern eben, weil er zweifelhaft gewesen, den Präsidenten v. Gagern darum befragt. (Bravo. Schluß. Schluß!) Sachs von Mannheim. Die badensche Regierung hat aber doch diese Legitimation ausgestellt. Gagern. Ob Vogt, Uhl habe persönlich angreifen wollen? Vogt. Dies sei ihm gar nicht eingefallen, er kenne den Uhl gar nicht. Die Debatte wird geschlossen. Nachdem Lichnowsky und Schaffrath namentliche Abstimmung beantragt haben, spricht der Berichterstatter von Wiedenmann und bekämpft sehr schwach die Angriffe Vogt's auf den Ausschußbericht. Hierauf werden die Anträge und Amendements verlesen und nach der üblichen Debatte, wie gewöhnlich zuerst über den Ausschußantrag abgestimmt. Das Resultat dieser Abstimmung habe ich gestern schon mitgetheilt. Frankfurt, 11. August. In der heutigen 59. Sitzung beschloß die verfassunggebende Reichsversammlung, daß ihrem Präsidenten ein Gehalt von 2000 fl. monatlich, vom Tage der stattgefundenen Wahl an, auszuzahlen sey und es dem Präsidenten nicht zustehen soll, auf diesen Gehalt zu verzichten. An der Tagesordnung war die Berathung über den Bericht des völkerrechtlichen Ausschusses, Separatverhandlungen deutscher Staaten mit Dänemark und die Entschädigung für die Wegnahme deutscher Schiffe betreffend. Die Versammlung beschließt zur Tagesordnung überzugehen. Deßgleichen über die andern Anträge wegen Einleitung gemeinschaftlicher Maßregeln gegen Dänemark, wegen der von früherher bestehenden Verträge deutscher Staaten mit Dänemark, wegen des Sundzolls, der Entschädigung für das Embargo unter Verweisung der Anträge etc. an die Centralgewalt. Ferner beschloß die Versammlung die Petition der Dampfschifffahrt zu Ulm um Schutz gegen gewaltsame Eingriffe der Centralgewalt zu überweisen. 15 Berlin, 10. Aug. Während hier kein Tag vergeht, wo nicht zahlreiche Verhaftungen vorfallen, setzt der liberale Senat einen Studenten in die freie Luft ‒ er relegirt. Mit Erstaunen las ich heute an dem schwarzen Brett der Universität folgenden Anschlag, den ich hiermit aus der lateinischen Urschrift in's Deutsche übertrage: „Rektor und Senat Königl. Friedrich Wilhelms-Universität zu Berlin. Sintemal Du, Heinr. Phil. Chr. Langfeldt aus Mecklenburg-Schwerin, stud. phil., als bei Gelegenheit der dem Stifter dieser Anstalt gewidmeten akademischen Feierlichkeiten eine preußische Fahne zwischen den beiden deutschen auf dem Balkon der Universität öffentlich aufgesteckt wurde, durch ausgestoßene Schmähungen die Würde jener Fahne zu verringern, und durch aufrührerische Reden zur Herunterreißung derselben aufzureizen gewagt und zugleich im Haufen Geld ausgetheilt hast, so verbannen wir dich Heinr. Christ. Langfeldt, der Du jenes aufrührerischen (factiosi) Unternehmens und der frechen (superbiter) Verachtung des Ansehens der Obrigkeiten angeklagt und überführt bist, von dieser Universität, und theilen diesen Beschluß den verbündeten Universitäten nach gewöhnter Sitte mit. Berlin, 10. August 1848. Joh. Müller, derzeit Rektor.“ ‒ Lassen Sie mich berichten, was eigentlich der grause Verbrecher begangen hat, oder vielmehr was ihm eigentlich angeschuldigt wird. Es war am 3. August. Einige Mitglieder des Senats standen am Balkon der Universität, vor welche die famose schwarzweiße Fahne eine große Menschenmenge herangelockt hatte. Da kam ein Unterbeamter der Universität eiligst zu den Herren des Senats mit der in obigem Aktenstück bezeichneten Meldung; er habe gehört, wie der Langfeldt die Aeußerung gethan: „Runter mit dem Dreck!“ gesehen und wie er in der Menge Geld ausgetheilt. Gestern früh wird der Angeklagte vor das Universitätsgericht geladen, der Denunciant beschwört seine Aussage, Entlastungszeugen werden nicht zugelassen; der Verklagte wird verurtheilt, der Pedell begleitet ihn nach Haus, läßt ihn dort seine Sachen einpacken und führt ihn dann nach dem Carcer, von wo er, nachdem er die Nacht über daselbst verweilt, abermals vom Pedell geleitet, nach der Eisenbahn hinausgeschafft wird. Ueber ein anderes Dokument unseres hochweisen Rathes muß ich Ihnen ein Längeres berichten, da sich noch einige andere interessante Thatsachen daran knüpfen. Das Aktenstück selbst ist seit gestern an das schwarze Brett angeschlagen und lautet wie folgt: „Es ist zur Kenntniß der Universitätsbehörde gekommen, daß eine Fraktion der Studierenden unter dem allgemeinen Namen der Studentenschaft öffentlich auftritt und Beschlüsse zu fassen unternimmt, wodurch auch die Nichttheilnehmenden gebunden sein sollen. Hierin liegt eine Anmaßung, welche die Freiheit, Ueberzeugungen und Rechte jedes Einzelnen, so wie der gesammten Universität verletzt. Rektor und Senat erklären daher, daß gegen diejenigen, welche sich an der dergleichen Usurpationen betheiligen, disciplinarisch eingeschritten werden wird.“ Daß dies Dokument in der Studentenschaft die tiefste Entrüstung hervorrufen mußte, ist klar. Sofort wurde an Müller eine Deputation gesandt, welche demselben vorerst einige faktische Irrthümer in seiner Bekanntmachung nachwies. Es wurde ihm gezeigt, daß in den rein formellen Statuten der Berliner Studentenschaft allerdings früher ein Paragraph existirt habe, wonach bei Beschlüssen der Majorität kein Protest der Minorität zulässig sei; daß aber, da diese Stelle Anlaß zu der irrigen Meinung geben konnte, als solle dadurch jeder einzelne Student an die Beschlüsse der Allgemeinen Studentenschaft gebunden sein, dieselbe jenen Paragraphen bereits vor anderthalb Wochen gestrichen habe. Wenn also der hochweise Senat irgend ein Gesetz oder Verbot erlassen wolle, so möge er in Zukunft sich zuvor etwas genauer über die Verhältnisse unterrichten. Der Rektor erwiderte, das habe er allerdings nicht gewußt, aber trotzdem könne er das Bestehen einer allgemeinen Studentenschaft nicht dulden, und eben so wenig die vor der Universität aufgestellte schwarze Tafel, welche von den vorübergehenden höhern Beamten sehr mißfällig wahrgenommen sei. Im Uebrigen sei der Paragraph in den Statuten ein ungesetzlicher, wonach auch fremden Studirenden bei der Studentenversammlung der Zutritt gestattet werde. ‒ Morgen wird das Comité der hiesigen Buchdruckergehülfen, welche bis zur Erledigung der Mainzer Beschlüsse feiern, verhaftet werden, an der Spitze Hr. Born, einer der Hauptleiter der ganzen Bewegung. Man wendet nämlich gegen die Herren den (wenn ich nicht irre) § 183 der Gewerbeordnung an, wonach diejenigen, welche Gehülfen dazu verführen ihre Arbeit einzustellen, um höhern Lohn zu erwerben, mit einjähriger Gefängnißstrafe belegt werden sollen. Denunciant ist der Buchdruckereibesitzer Hänel. Nach all diesem gewinnt es den Anschein, als ob die freilich noch spärlich verbreiteten Gerüchte von der Möglichkeit einer hereinbrechenden Reaktion nicht ganz unbegründet wären. 119 Berlin, 10. Aug. In Folge der Schritte des Senats beschloß eine Versammlung der „allgemeinen Studentenschaft“ heute Nachmittag, während der Ferien die „allgemeine Studentenschaft“ und somit auch den Ausschuß derselben zu suspendiren, und in Folge dessen auch das schwarze Brett wegzunehmen, ehe noch der formelle Befehl hierzu von dem Senat ankäme, diese Schritte auch in den Zeitungen zu rechtfertigen, und die bezüglichen Erklärungen zu unterzeichnen: „die bisher so genannte allgemeine Studentenschaft.“ Somit ist also auch aus der Studentenschaft faktisch jedes Ueberbleibsel der „glorreichen Märzrevolution“ sorgfältig hinweggeräumt. Indessen tadeln wir den Beschluß der Studenten nicht, weil er, wenn auch nicht heorisch, doch klug ist, indem er den Feind zwingt, die Schlacht da zu schlagen, wo er nicht will ‒ im neuen Semester. Zwar macht uns die spießbürgerliche National-Zeitung von Zeit zu Zeit Hoffnung, daß die Universität geschlossen werden würde, doch ist ihre Absicht bei diesen Nachrichten zu leicht erkenntlich, als daß man ihnen glauben sollte. So eben ist an den Straßenecken ein Plakat angeschlagen, gedruckt in der Deckerschen amtlichen geheimen Ober-Hof-Buchdruckerei, in welchem ein in Charlottenburg liegendes Regiment die Soldaten auffordert, sich in diesen Tagen zu versammeln, um eine Petition zu berathen, daß der Prinz von Preußen an die Spitze der Armee (welcher, ob der preußischen oder deutschen?) gestellt werde. 103 Berlin, 10. Aug.
Der hiesigen Kaufmannschaft ist heute ein Promemoria aus dem Finanz- und Handelsministerium mitgetheilt worden, welches ausführliche Mittheilungen macht über die, von der französischen Regierung durch eine Verordnung vom 10. Juli, bewilligte Erhöhung von 50 pCt. der bereits bestandenen Ausfuhrprämien und Rückzölle für französische Fabrikate und über die außerdem festgesetzte neue Ausfuhrprämie von 41/2 pCt. des Fabrikwerthes aller Gewebe von Seide und Floretseide; Gewebe und Garne von Flachs und Hanf. Die Minister schlagen als Retorsionsmaßregel gegen Frankreich eine angemessene Erhöhung der Einfuhrzölle auf französische Fabrikate vor, damit die von Frankreich jetzt mehr gezahlten Ausfuhrprämien in die Zollvereinskassen fließen, die Steuereinnahmen hier vermehrt werden, ohne daß die betreffenden Waaren im Preise steigen. Die Minister ersuchen die Kaufmannschaft um ihr Gutachten. Im Verlage der Deckerschen Geheimen Ober-Hof-Buchdruckerei erschien dieser Tage eine Schrift unter dem Titel: „An das preußische Volk und dessen Vertreter: gegen den Eid des Heeres auf die Verfassung,“ von einem pseudonymen Verfasser und wie sich aus der Schrift ergibt, einem preußischen Offizier. In derselben heißt es: „Erlasset uns diesen Eid, die Verfassung nach eigenem Ermessen zu beschützen, wobei ein Jeder seine eigene Auslegung mitbringt; erlasset insbesondere dem jungen Soldaten einen Eid, der ihn in Zweifel verwickeln und zum leichten Raube der Verführung machen, mit einem Worte unsere schöne Armee demoralisiren würde. Seht auf England, dessen Heer musterhaft dasteht, ohne auf die Verfassung vereidigt zu sein, dessen Volk sich dennoch nicht vor seiner eigenen Armee fürchtet, weil das Gesetz dort in jedes Bürgers Brust seinen Schutz findet, weil dort ein Constabler nur zu winken braucht, um Tausende zu seinem und der Gesetze Schutz in die Schranken zu rufen. Nun denn, so zwingt uns nicht zu einer Komödie, wo es Ernst gilt! Verschont uns mit dem Eide auf die Verfassung; sie wird durch unsere Schuld wahrlich nie verletzt werden, dafür bürgt Euch die Disziplin (!) und die Volksthümlichkeit (!) Eures Heeres; und wird sie von Andern verletzt, so zieht doch diese Andern durch Eure Vertreter und Eure frei gewordene Presse zur Verantwortung; erlaßt uns diese Komödie, die für uns unschuldigerweise tragisch werden muß! Unser Fahneneid würde die Hälfte seines Werthes verlieren. Wehrt diesen zweiten Eid ab, damit die Komödie nicht noch weiter gespielt und uns am Ende zugemuthet werde, dem Reichsverweser später einmal den dritten und auf die Reichsverfassung den vierten Eid zu schwören, wo dann der heilige Eid vollends zum Spielwerk und die Armee zu einem Taubenhause aller möglichen Klubs herabgewürdigt werden würde. Wir möchten denen, die diesen Eid verlangen und ‒ es näm- [Fortsetzung] <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0003" n="0377"/> <div type="jFeuilleton" n="1"> <div xml:id="ar074_004" type="jArticle"> <p>und die er hoffentlich nie so schmählich auf den Mont de piété getragen haben wird, wie ich die meinige, Sela!“</p> <p>Armer Schnapphahnski! nicht mehr erfreut ihn in der Stille der Nacht die süße Musik seiner alten Gefährtin, das trauliche „Tick-Tack“ der Uhr, das einem daran erinnert, wie man doch noch nicht ganz unter die Füsse gekommen gekommen ist, daß man wenigstens noch etwas zu versetzen hat, daß man wenigstens noch <hi rendition="#g">ein</hi> lebendes Wesen hat das man <hi rendition="#g">sein</hi> nennen kann.</p> <p>„Wo ist Ihre Uhr?“ “chez ma tante!” O es ist traurig, wenn man also antworten muß. Unwillkührlich greift man noch oft in die Westentasche, in die einsame Wohnung der geschiedenen Gefährtin: aber ach, diese Wohnung ist wüst und leer geworden. Die Stürme des Jahrhunderts sind durch sie hindurchgefahren, und wenn nun der Abend kommt und die Nacht und die Sterne emporziehen und die riesigen Schatten sich breiten über Berge und Thäler wie die Geister der Ossianischen Helden, und man die Unterhose auszieht um nach Bett zu gehen und den Uhrschlüssel ergreift um das althergebrachte Geschäft zu vollziehen, so pünktlich wie der Onkel Toby oder der Vater Tristrams ‒ ach, da schrickt man zurück, dann o, die alte Genossin:</p> <lg type="poem"> <l>„‒ blieb zurück zu Pampeluna</l><lb/> <l>In dem Leihhaus. War ein Erbstück,</l><lb/> <l>Kostbar und von echtem Silber.“</l><lb/> </lg> <p>Heldenunglück rührt die Weiber ‒ die Tochter Atta Troll's möchte weinen, Seufzer entringen sich ihrem zottigen Busen, als sie die Blässe des fahrenden Ritters bemerkt; sie glaubt natürlich nur einen welthistorischen Schmerz zu sehen; die tragischen Züge des Heldenantlitzes scheinen ihr nur das Resultat jenes riesigen Grames zu sein, der einst auf den Zügen Priamus lag, oder in Deinem Antlitz, Du herrlicher Dulder Odusseus ‒ denn O, die treffliche Bärin, die vierfüßige Lilie der Pyrenäen, sie ist zu arglos, zu unerfahren, um daran zu denken, daß ein Herr von Schnapphahnski in der trivialen Wehmuth der Finanznoth stecken könnte, im Kummer um seine Uhr, von echtem Silber, zurückgelassen im Leihhause von Pampeluna.</p> <p> <ref type="link">(Fortsetzung folgt.)</ref> </p> </div> </div> <div n="1"> <head>[Deutschland]</head> <div xml:id="ar074_010" type="jArticle"> <p>nungsruf erfolgte, ist eingegangen. Auf den Antrag der Linken nicht. Will augenblickliche Diskussion. Dem Ausschuß den Antrag übergeben heißt ihn unter den Tisch werfen.</p> <p><hi rendition="#g">Soiron:</hi> Noch einmal gleich Untersuchung</p> <p>Graf <hi rendition="#g">Schwerin</hi> will Tagesordnung und Uebertragung an den Ausschuß. (Schluß.)</p> <p><hi rendition="#g">Scheller:</hi> Man solle im Namen des Friedens dem Antrage keine weitern Folgen geben.</p> <p>Nachdem noch Welcker, Gagern, Lychnowsky, Schaffrath, Vinke, Cell, Simon von Trier, Wernher (der Deklamator), Schwerin, Nauwerk, Jordan, Soiron sich über die Fragestellung, wie sie betreffs dieser Anklageschrift der Nationalversammlung jetzt vorzulegen sei, gestritten haben, entschließt sich endlich Gagern folgendermaßen zu fragen: „Will die Nationalversammlung daß wegen Dringlichkeit sofort zur Berathung dieser Angelegenheit übergegangen werde?“ Antwort: „Nein!“ Also geht sie erst zur Begutachtung an den Geschäftsordnungsausschuß.</p> <p><hi rendition="#g">Lindenau:</hi> Bei Berathung über diese Sache sollten zu dem Geschäftsordnungsausschuß noch andere Mitglieder zugelassen werden.</p> <p><hi rendition="#g">Gagern:</hi> Ob die Versammlung dies will? Ja!</p> <p><hi rendition="#g">Vinke</hi> will keinen Zankapfel in die Versammlung schleudern; nimmt, (auf einmal sanftmüthig) wie er glaubt im Sinne der 170, seinen Antrag von vorgestern zurück.</p> <p><hi rendition="#g">Löwe</hi> aus Magdeburg: Vinke's Friedensanträge kommen zu spät. Vorgestern war Zeit dazu. Durch jenen abscheulichen Auftritt ist tödtlicher Haß in die Parteien geworfen. Spricht vom Terrorismus der Majorität. Protestirt (als Preuße) feierlich dagegen, daß das preußische Volk durch Brentano's Aeußerung beleidigt. Der Prinz von Preußen ist keine exceptionelle Person mehr, er ist ein einfacher Staatsbürger; die Beleidigung desselben, wenn es überhaupt eine Beleidigung gewesen wäre, ist keineswegs eine Ehrenkränkung des preußischen Volks. (Lautes Bravo.)</p> <p><hi rendition="#g">Gagern:</hi> Es bleibt dabei, daß über Vinke's jetzige Erklärung zur Tagesordnung übergegangen wird. (Bravo!) Ueber dieselbe wird der Ausschuß mit zu entscheiden haben. Er ersucht den Vicepräsidenten v. Hermann weiter zu präsidiren.</p> <p><hi rendition="#g">Soiron</hi> (mit zerschmetterter Stimme) bittet noch Jordan zu einem Antrage das Wort zu geben, den derselbe bei ihm, in der Meinung er sei der heute Präsidirende, eingebracht habe.</p> <p><hi rendition="#g">Jordan</hi> aus Berlin beantragt über Hecker's Angelegenheit gleich abzustimmen, weil mit der Diskussion und Abstimmung über die Amnestie bereits mittelbar über die Hecker'sche Angelegenheit mitentschieden sei.</p> <p><hi rendition="#g">Schaffrath:</hi> Die Frage über Amnestie und diese Wahlfrage sind ganz verschieden.</p> <p>Präsident <hi rendition="#g">v. Hermann:</hi> Ob Jordan's Antrag unterstützt? (Wird von rechts unterstützt.)</p> <p><hi rendition="#g">Eisenmann:</hi> Es handle sich ja nicht um Hecker allein, sondern auch um eine neue Wahl.</p> <p><hi rendition="#g">Wydenbrugk:</hi> Jordan's Antrag sei weiter nichts als ein Amendement zu den Ausschußanträgen in der Hecker'schen Frage und sei später bei diesen mit zu erwähnen.</p> <p> <hi rendition="#g">Tagesordnung.</hi> </p> <p>Die Ausschußanträge, sowie die verschiedenen Amendements in der Heckerschen Wahlangelegenheit werden nun verlesen. Mohr und Simon aus Trier stellen neue Amendements: Hecker's Wahl formell und materiell zu billigen Jordan aus Berlin taucht mit seinem Antrag noch einmal auf und findet keine Unterstützung.</p> <p>Der Berichterstatter <hi rendition="#g">Wiedenmann</hi> (der neue und der Staatssekretär) spricht in seiner gewöhnlichen Art und Weise über die Ausschußanträge).</p> <p><hi rendition="#g">v. Itzstein</hi> beweist, daß Hecker weiter nichts gesündigt hat als die Nationalversammlung selber. Er meint zum Schluß, man würde dem Volke eine große Beruhigung verschaffen, wenn man Hecker in die Nationalversammlung eintreten ließe. Bei seinem Abtritt (leises Bravo links; die Gallerien eingeschüchtert von vorgestern, enthalten sich der Akklamation; einige Gallerien sind sogar ganz abgerissen).</p> <p><hi rendition="#g">Plathner</hi> (der Pistolenschütze). Ob Hecker Hochverräther oder nicht, wird die Geschichte entscheiden; ich halte mich nur daran, daß er, mit der Nationalversammlung im Widerspruch, die Republik will. (Der Oberlandsgerichts-Assessor Plathner accentuirt jedes seiner Worte so nachdrücklich wie ein Schulmeister die Ermahnungen, die er seinem Scholar giebt, indem er ihm dabei auf die Finger klopft). Diese Accentuation erregt große Heiterkeit. Der Wahlkreis von Thingen meint Plathner, sei nicht souverän. Wir sind allerdings hier in Folge der Revolution, Hecker aber ist kein Revolutionär, sondern ein Rebeller. Ihr Entschluß über ihn wird entscheiden, ob der Kampf der Zukunft der deutschen Nation hier in der Paulskirche mit dem Wort (nach Plathner mit dem Prügel) oder draußen mit dem Schwert ausgemacht werden soll.</p> <p><hi rendition="#g">Wiesner</hi> aus Oesterreich. Friedrich Hecker ist durch seine Wahl freigesprochen. Dieser Wahl haben Millionen andre Deutsche (auch Nicht-Badener) ihr Echo zugejauchzt. Ich muß den Wählern von Thingen vor den Augen der Vertreter der deutschen Nation meine Achtung zu erkennen geben. (Bravo und Zischen). Die Polizei hat ihn geächtet, das Volk ihn auf den Schild erhoben. Wenn Heckers That Hochverrath, mußten die neusten Barrikaden Wiens auch das Produkt des Hochverraths sein. Diese wurden gebaut auch als die Nationalversammlung schon tagte. Haben Sie den Muth, die Wiener und Oesterreicher Hochverräther zu nennen. (Links Ei bewahre!) Dagegen protestire ich. (Bravo). Hecker hat übrigens erklärt zu keinen gewaltsamen Mitteln mehr greifen zu wollen, deshalb dürfen wir ihn nicht ausschließen, denn sonst entziehen wir ihm die gesetzlichen Mittel zur Verfolgung seiner Ideen und rufen sein Martyrerthum hervor. Die Sympathien für Hecker sind in Baden und anderwärts jetzt gewachsen, auch bei uns in Oesterreich. (Rechts Oho! links bravo). In der Wiener Reichsversammlung sitzen viele sogenannte Hochverräther.</p> <p>v. Rappard und Compes verzichten auf's Wort.</p> <p><hi rendition="#g">Simson</hi> (aus Königsberg!) Gegen Heckers Zulassung. Sehr wenig Talent gehöre dazu die Anträge des Ausschusses zu bekräftigen. Die Kompetenz der Versammlung in dieser Sache ist selbst von Hecker unbestritten. Wir sitzen hier nicht als Gerichtshof, wir brauchen nur unsre moralische Ueberzeugung. Heckers Unternehmen war nicht bloß gegen Baden, sondern gegen ganz Deutschland gerichtet. Wenn er sich auch den Eintritt in alle Ruhmeshallen gebahnt hätte, den Eintritt in diese Versammlung hat er sich verwehrt. Wir sind freilich aus der Revolution hervorgegangen, aber unsre Verfahrungsart ist von der Heilmethode Heckers sehr verschieden. Wenn die Versammlung den Hecker aufnimmt, stellt sie sich auf den Standpunkt des badischen Oberlandes. Hiezu (der Redner spricht mit unendlichem Nachdruck) bedürfen wir des Muthes des Selbstmörders. (Rechts sehr brav). Ich kann es nicht ohne Wehmuth denken, daß Hecker sich selbst ausgeschlossen.</p> <p>Aber er hat den Boden des Vaterlandes mit Blut getränkt. (Murren, der Redner schlägt fortwährend kräftig auf die Tribüne, was den Eindruck seiner Rede schwächt).</p> <p><hi rendition="#g">Vogt</hi> hat das sonderbare Geschick gegen drei preußische Redner, Plathner, Simson, Wiedenmann, sprechen zu müssen, man möge dies nicht auch als Beleidigung des deutschen Volkes ansehen. (Freudiges lautes Bravo). Hr. Welker hat gesagt, das Verlangen Fiklers und Struves, im badenschen Volk über Republik oder nicht Republik abstimmen zu lassen, sei ein abgeschmaktes genannt. Diese Abgeschmacktheit allein ist das Mittel ohne Blut über den Willen des Volkes klar zu werden. Beispiel: der Kanton Bern. ‒ Der Ausschuß hat so sehr auf die Notorietät der Verbrechen Heckers hingewiesen. Im Polizeistaat war alles notorisch. Wir sollen den Polizeistaat mit Füßen treten, den Rechtsstaat gründen. Dieser verlangt Urtheil und Beweise. ‒ Daß Hecker Hochverräther ist nirgendwie nachgewiesen; er nirgends verurtheilt. Wenn sie ihn verurtheilen, usurpiren sie das Recht der Jury. Wenn nun Hecker später freigesprochen werden sollte? (Arndt mit kindischer Gestikulation vom Platz: Das ist nicht möglich!) Dieser Weg einen Deputirten wegen materieller Unfähigkeit auszuschließen führt zu unseligen Konsequenzen. Sie werden so mit der Zeit uns alle ausschließen, die der Majorität nicht beipflichten. (Bravo).</p> <p>In keinem Wahlgesetz steht etwas über materielle Ausschließungsgründe. ‒ Das Verlangen der badenschen Regierung, die Wähler Heckers als Hochverräther zu erklären, ist monströs! ‒ Also durch einen Stimmzettel kann man Hochverräther werden. Das ist also die regenerirte badensche Regierung? Vogt frägt den Präsidenten, ob nicht Uhl (der von der Minorität im Thiengenschen Wahlkreis Gewählte) gestern mit einer Legitimation der badenschen Regierung im Sack, hier gewesen, und in die Nationalversammlung habe anstatt Heckers treten wollen?</p> <p><hi rendition="#g">Gagern</hi> (sehr erbost) [denn Uhl ist sein Privatfreund]. Hr. Uhl ist nicht hier gewesen und hat nichts im Sacke gehabt.</p> <p><hi rendition="#g">Sachs</hi> aus Mannheim schreit von links her: „es ist doch wahr, er hat mir seine Legitimation gezeigt.“</p> <p><hi rendition="#g">Gagern</hi> wird wüthend. <hi rendition="#g">Sachs</hi> wiederholt seine Behauptung. <hi rendition="#g">Vogt</hi> fährt fort. Daß Hecker einen neuen Einfall beabsichtigt, ist nicht wahr; er hat überhaupt keinen Einfall gemacht, sondern nur einen Aufstand. (Gelächter). Beantragt: „Ueber die betreffende Erklärung der badenschen Regierung und die verschiedenen Petitionen im entgegengesetzten Sinne zur Tagesordnung überzugehen, und der badenschen Regierung zu überlassen, von der Nationalversammlung Ermächtigung zum Verfolg des Heckerschen Prozesses zu verlangen.“ (Bravo).</p> <p>Präsident <hi rendition="#g">Hermann</hi> verliest eine eben abgegebene Erklärung des Abg. Sachs aus Mannheim auf Ehrenwort, daß ihm Uhl persönlich eine Legitimationsurkunde der badenschen Regierung zum Eintritt in die Nationalversammlung vorgewiesen habe.</p> <p><hi rendition="#g">v. Gagern</hi> (halb weinend) will davon nichts wissen. Uhl hätte ihm gesagt, er würde eine Minoritätswahl nie annehmen.</p> <p>Vogt. Er hätte vorhin dies nicht behauptet, sondern eben, weil er zweifelhaft gewesen, den Präsidenten v. Gagern darum befragt. (Bravo. Schluß. Schluß!)</p> <p><hi rendition="#g">Sachs</hi> von Mannheim. Die badensche Regierung hat aber doch diese Legitimation ausgestellt.</p> <p><hi rendition="#g">Gagern.</hi> Ob Vogt, Uhl habe persönlich angreifen wollen?</p> <p><hi rendition="#g">Vogt.</hi> Dies sei ihm gar nicht eingefallen, er kenne den Uhl gar nicht.</p> <p>Die Debatte wird geschlossen. Nachdem Lichnowsky und Schaffrath namentliche Abstimmung beantragt haben, spricht der Berichterstatter von <hi rendition="#g">Wiedenmann</hi> und bekämpft sehr schwach die Angriffe Vogt's auf den Ausschußbericht. Hierauf werden die Anträge und Amendements verlesen und nach der üblichen Debatte, wie gewöhnlich zuerst über den Ausschußantrag abgestimmt.</p> <p>Das Resultat dieser Abstimmung habe ich gestern schon mitgetheilt.</p> </div> <div xml:id="ar074_011" type="jArticle"> <head>Frankfurt, 11. August.</head> <p>In der heutigen 59. Sitzung beschloß die verfassunggebende Reichsversammlung, daß ihrem Präsidenten ein Gehalt von 2000 fl. monatlich, vom Tage der stattgefundenen Wahl an, auszuzahlen sey und es dem Präsidenten nicht zustehen soll, auf diesen Gehalt zu verzichten. An der Tagesordnung war die Berathung über den Bericht des völkerrechtlichen Ausschusses, Separatverhandlungen deutscher Staaten mit Dänemark und die Entschädigung für die Wegnahme deutscher Schiffe betreffend. Die Versammlung beschließt zur Tagesordnung überzugehen. Deßgleichen über die andern Anträge wegen Einleitung gemeinschaftlicher Maßregeln gegen Dänemark, wegen der von früherher bestehenden Verträge deutscher Staaten mit Dänemark, wegen des Sundzolls, der Entschädigung für das Embargo unter Verweisung der Anträge etc. an die Centralgewalt. Ferner beschloß die Versammlung die Petition der Dampfschifffahrt zu Ulm um Schutz gegen gewaltsame Eingriffe der Centralgewalt zu überweisen.</p> </div> <div xml:id="ar074_012" type="jArticle"> <head><bibl><author>15</author></bibl> Berlin, 10. Aug.</head> <p>Während hier kein Tag vergeht, wo nicht <hi rendition="#g">zahlreiche Verhaftungen</hi> vorfallen, setzt der liberale Senat einen Studenten in die freie Luft ‒ er relegirt. Mit Erstaunen las ich heute an dem schwarzen Brett der Universität folgenden Anschlag, den ich hiermit aus der lateinischen Urschrift in's Deutsche übertrage: „Rektor und Senat Königl. Friedrich Wilhelms-Universität zu Berlin. Sintemal Du, Heinr. Phil. Chr. Langfeldt aus Mecklenburg-Schwerin, stud. phil., als bei Gelegenheit der dem Stifter dieser Anstalt gewidmeten akademischen Feierlichkeiten eine preußische Fahne zwischen den beiden deutschen auf dem Balkon der Universität öffentlich aufgesteckt wurde, durch ausgestoßene Schmähungen die Würde jener Fahne zu verringern, und durch aufrührerische Reden zur Herunterreißung derselben aufzureizen gewagt und zugleich im Haufen Geld ausgetheilt hast, so verbannen wir dich Heinr. Christ. Langfeldt, der Du jenes aufrührerischen (factiosi) Unternehmens und der frechen (superbiter) Verachtung des Ansehens der Obrigkeiten angeklagt und überführt bist, von dieser Universität, und theilen diesen Beschluß den verbündeten Universitäten nach gewöhnter Sitte mit. Berlin, 10. August 1848. Joh. Müller, derzeit Rektor.“ ‒ Lassen Sie mich berichten, was eigentlich der grause Verbrecher begangen hat, oder vielmehr was ihm eigentlich angeschuldigt wird. Es war am 3. August. Einige Mitglieder des Senats standen am Balkon der Universität, vor welche die famose schwarzweiße Fahne eine große Menschenmenge herangelockt hatte. Da kam ein Unterbeamter der Universität eiligst zu den Herren des Senats mit der in obigem Aktenstück bezeichneten Meldung; er habe gehört, wie der Langfeldt die Aeußerung gethan: „Runter mit dem Dreck!“ gesehen und wie er in der Menge Geld ausgetheilt. Gestern früh wird der Angeklagte vor das Universitätsgericht geladen, der Denunciant beschwört seine Aussage, Entlastungszeugen werden nicht zugelassen; der Verklagte wird verurtheilt, der Pedell begleitet ihn nach Haus, läßt ihn dort seine Sachen einpacken und führt ihn dann nach dem Carcer, von wo er, nachdem er die Nacht über daselbst verweilt, abermals vom Pedell geleitet, nach der Eisenbahn hinausgeschafft wird.</p> <p>Ueber ein anderes Dokument unseres hochweisen Rathes muß ich Ihnen ein Längeres berichten, da sich noch einige andere interessante Thatsachen daran knüpfen. Das Aktenstück selbst ist seit gestern an das schwarze Brett angeschlagen und lautet wie folgt: „Es ist zur Kenntniß der Universitätsbehörde gekommen, daß eine Fraktion der Studierenden unter dem allgemeinen Namen der Studentenschaft öffentlich auftritt und Beschlüsse zu fassen unternimmt, wodurch auch die Nichttheilnehmenden gebunden sein sollen. Hierin liegt eine Anmaßung, welche die Freiheit, Ueberzeugungen und Rechte jedes Einzelnen, so wie der gesammten Universität verletzt. Rektor und Senat erklären daher, daß gegen diejenigen, welche sich an der dergleichen Usurpationen betheiligen, disciplinarisch eingeschritten werden wird.“</p> <p>Daß dies Dokument in der Studentenschaft die tiefste Entrüstung hervorrufen mußte, ist klar. Sofort wurde an Müller eine Deputation gesandt, welche demselben vorerst einige faktische Irrthümer in seiner Bekanntmachung nachwies. Es wurde ihm gezeigt, daß in den rein formellen Statuten der Berliner Studentenschaft allerdings früher ein Paragraph existirt habe, wonach bei Beschlüssen der Majorität kein Protest der Minorität zulässig sei; daß aber, da diese Stelle Anlaß zu der irrigen Meinung geben konnte, als solle dadurch jeder einzelne Student an die Beschlüsse der Allgemeinen Studentenschaft gebunden sein, dieselbe jenen Paragraphen bereits vor anderthalb Wochen gestrichen habe. Wenn also der hochweise Senat irgend ein Gesetz oder Verbot erlassen wolle, so möge er in Zukunft sich zuvor etwas genauer über die Verhältnisse unterrichten. Der Rektor erwiderte, das habe er allerdings nicht gewußt, aber trotzdem könne er das Bestehen einer allgemeinen Studentenschaft nicht dulden, und eben so wenig die vor der Universität aufgestellte schwarze Tafel, welche von den vorübergehenden höhern Beamten sehr mißfällig wahrgenommen sei. Im Uebrigen sei der Paragraph in den Statuten ein ungesetzlicher, wonach auch fremden Studirenden bei der Studentenversammlung der Zutritt gestattet werde. ‒ Morgen wird das Comité der hiesigen Buchdruckergehülfen, welche bis zur Erledigung der Mainzer Beschlüsse feiern, verhaftet werden, an der Spitze Hr. <hi rendition="#g">Born,</hi> einer der Hauptleiter der ganzen Bewegung. Man wendet nämlich gegen die Herren den (wenn ich nicht irre) § 183 der Gewerbeordnung an, wonach diejenigen, welche Gehülfen dazu verführen ihre Arbeit einzustellen, um höhern Lohn zu erwerben, mit einjähriger Gefängnißstrafe belegt werden sollen. Denunciant ist der Buchdruckereibesitzer Hänel. Nach all diesem gewinnt es den Anschein, als ob die freilich noch spärlich verbreiteten Gerüchte von der Möglichkeit einer hereinbrechenden Reaktion nicht ganz unbegründet wären.</p> </div> <div xml:id="ar074_013" type="jArticle"> <head><bibl><author>119</author></bibl> Berlin, 10. Aug.</head> <p>In Folge der Schritte des Senats beschloß eine Versammlung der „allgemeinen Studentenschaft“ heute Nachmittag, während der Ferien die „allgemeine Studentenschaft“ und somit auch den Ausschuß derselben zu suspendiren, und in Folge dessen auch das schwarze Brett wegzunehmen, ehe noch der formelle Befehl hierzu von dem Senat ankäme, diese Schritte auch in den Zeitungen zu rechtfertigen, und die bezüglichen Erklärungen zu unterzeichnen: „die bisher so genannte allgemeine Studentenschaft.“</p> <p>Somit ist also auch aus der Studentenschaft faktisch jedes Ueberbleibsel der „glorreichen Märzrevolution“ sorgfältig hinweggeräumt. Indessen tadeln wir den Beschluß der Studenten nicht, weil er, wenn auch nicht heorisch, doch klug ist, indem er den Feind zwingt, die Schlacht da zu schlagen, wo er nicht will ‒ im neuen Semester. Zwar macht uns die spießbürgerliche National-Zeitung von Zeit zu Zeit Hoffnung, daß die Universität geschlossen werden würde, doch ist ihre Absicht bei diesen Nachrichten zu leicht erkenntlich, als daß man ihnen glauben sollte.</p> <p>So eben ist an den Straßenecken ein Plakat angeschlagen, gedruckt in der Deckerschen amtlichen geheimen Ober-Hof-Buchdruckerei, in welchem ein in Charlottenburg liegendes Regiment die Soldaten auffordert, sich in diesen Tagen zu versammeln, um eine Petition zu berathen, daß der Prinz von Preußen an die Spitze der Armee (welcher, ob der preußischen oder deutschen?) gestellt werde.</p> </div> <div xml:id="ar074_014" type="jArticle"> <head><bibl><author>103</author></bibl> Berlin, 10. Aug.</head> <p>Der hiesigen Kaufmannschaft ist heute ein Promemoria aus dem Finanz- und Handelsministerium mitgetheilt worden, welches ausführliche Mittheilungen macht über die, von der französischen Regierung durch eine Verordnung vom 10. Juli, bewilligte Erhöhung von 50 pCt. der bereits bestandenen Ausfuhrprämien und Rückzölle für französische Fabrikate und über die außerdem festgesetzte neue Ausfuhrprämie von 41/2 pCt. des Fabrikwerthes aller Gewebe von Seide und Floretseide; Gewebe und Garne von Flachs und Hanf. Die Minister schlagen als Retorsionsmaßregel gegen Frankreich eine angemessene Erhöhung der Einfuhrzölle auf französische Fabrikate vor, damit die von Frankreich jetzt mehr gezahlten Ausfuhrprämien in die Zollvereinskassen fließen, die Steuereinnahmen hier vermehrt werden, ohne daß die betreffenden Waaren im Preise steigen. Die Minister ersuchen die Kaufmannschaft um ihr Gutachten.</p> <p>Im Verlage der <hi rendition="#g">Deckerschen Geheimen Ober-Hof-Buchdruckerei</hi> erschien dieser Tage eine Schrift unter dem Titel: „An das preußische Volk und dessen Vertreter: <hi rendition="#g">gegen den Eid des Heeres auf die Verfassung,</hi>“ von einem pseudonymen Verfasser und wie sich aus der Schrift ergibt, einem preußischen Offizier. In derselben heißt es:</p> <p>„Erlasset uns diesen Eid, die Verfassung nach eigenem Ermessen zu beschützen, wobei ein Jeder seine eigene Auslegung mitbringt; erlasset insbesondere dem jungen Soldaten einen Eid, der ihn in Zweifel verwickeln und zum leichten Raube der Verführung machen, mit einem Worte unsere schöne Armee demoralisiren würde.</p> <p>Seht auf England, dessen Heer musterhaft dasteht, ohne auf die Verfassung vereidigt zu sein, dessen Volk sich dennoch nicht vor seiner eigenen Armee fürchtet, weil das Gesetz dort in jedes Bürgers Brust seinen Schutz findet, weil dort ein Constabler nur zu winken braucht, um Tausende zu seinem und der Gesetze Schutz in die Schranken zu rufen.</p> <p>Nun denn, so zwingt uns nicht zu einer Komödie, wo es Ernst gilt! Verschont uns mit dem Eide auf die Verfassung; sie wird durch unsere Schuld wahrlich nie verletzt werden, dafür bürgt Euch die Disziplin (!) und die Volksthümlichkeit (!) Eures Heeres; und wird sie von Andern verletzt, so zieht doch diese Andern durch Eure Vertreter und Eure frei gewordene Presse zur Verantwortung; erlaßt uns diese Komödie, die für uns unschuldigerweise tragisch werden muß! Unser Fahneneid würde die Hälfte seines Werthes verlieren. Wehrt diesen zweiten Eid ab, damit die Komödie nicht noch weiter gespielt und uns am Ende zugemuthet werde, dem Reichsverweser später einmal den dritten und auf die Reichsverfassung den vierten Eid zu schwören, wo dann der heilige Eid vollends zum Spielwerk und die Armee zu einem Taubenhause aller möglichen Klubs herabgewürdigt werden würde.</p> <p>Wir möchten denen, die diesen Eid verlangen und ‒ es näm- <ref type="link_fsg">[Fortsetzung]</ref> </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0377/0003]
und die er hoffentlich nie so schmählich auf den Mont de piété getragen haben wird, wie ich die meinige, Sela!“
Armer Schnapphahnski! nicht mehr erfreut ihn in der Stille der Nacht die süße Musik seiner alten Gefährtin, das trauliche „Tick-Tack“ der Uhr, das einem daran erinnert, wie man doch noch nicht ganz unter die Füsse gekommen gekommen ist, daß man wenigstens noch etwas zu versetzen hat, daß man wenigstens noch ein lebendes Wesen hat das man sein nennen kann.
„Wo ist Ihre Uhr?“ “chez ma tante!” O es ist traurig, wenn man also antworten muß. Unwillkührlich greift man noch oft in die Westentasche, in die einsame Wohnung der geschiedenen Gefährtin: aber ach, diese Wohnung ist wüst und leer geworden. Die Stürme des Jahrhunderts sind durch sie hindurchgefahren, und wenn nun der Abend kommt und die Nacht und die Sterne emporziehen und die riesigen Schatten sich breiten über Berge und Thäler wie die Geister der Ossianischen Helden, und man die Unterhose auszieht um nach Bett zu gehen und den Uhrschlüssel ergreift um das althergebrachte Geschäft zu vollziehen, so pünktlich wie der Onkel Toby oder der Vater Tristrams ‒ ach, da schrickt man zurück, dann o, die alte Genossin:
„‒ blieb zurück zu Pampeluna
In dem Leihhaus. War ein Erbstück,
Kostbar und von echtem Silber.“
Heldenunglück rührt die Weiber ‒ die Tochter Atta Troll's möchte weinen, Seufzer entringen sich ihrem zottigen Busen, als sie die Blässe des fahrenden Ritters bemerkt; sie glaubt natürlich nur einen welthistorischen Schmerz zu sehen; die tragischen Züge des Heldenantlitzes scheinen ihr nur das Resultat jenes riesigen Grames zu sein, der einst auf den Zügen Priamus lag, oder in Deinem Antlitz, Du herrlicher Dulder Odusseus ‒ denn O, die treffliche Bärin, die vierfüßige Lilie der Pyrenäen, sie ist zu arglos, zu unerfahren, um daran zu denken, daß ein Herr von Schnapphahnski in der trivialen Wehmuth der Finanznoth stecken könnte, im Kummer um seine Uhr, von echtem Silber, zurückgelassen im Leihhause von Pampeluna.
(Fortsetzung folgt.)
[Deutschland] nungsruf erfolgte, ist eingegangen. Auf den Antrag der Linken nicht. Will augenblickliche Diskussion. Dem Ausschuß den Antrag übergeben heißt ihn unter den Tisch werfen.
Soiron: Noch einmal gleich Untersuchung
Graf Schwerin will Tagesordnung und Uebertragung an den Ausschuß. (Schluß.)
Scheller: Man solle im Namen des Friedens dem Antrage keine weitern Folgen geben.
Nachdem noch Welcker, Gagern, Lychnowsky, Schaffrath, Vinke, Cell, Simon von Trier, Wernher (der Deklamator), Schwerin, Nauwerk, Jordan, Soiron sich über die Fragestellung, wie sie betreffs dieser Anklageschrift der Nationalversammlung jetzt vorzulegen sei, gestritten haben, entschließt sich endlich Gagern folgendermaßen zu fragen: „Will die Nationalversammlung daß wegen Dringlichkeit sofort zur Berathung dieser Angelegenheit übergegangen werde?“ Antwort: „Nein!“ Also geht sie erst zur Begutachtung an den Geschäftsordnungsausschuß.
Lindenau: Bei Berathung über diese Sache sollten zu dem Geschäftsordnungsausschuß noch andere Mitglieder zugelassen werden.
Gagern: Ob die Versammlung dies will? Ja!
Vinke will keinen Zankapfel in die Versammlung schleudern; nimmt, (auf einmal sanftmüthig) wie er glaubt im Sinne der 170, seinen Antrag von vorgestern zurück.
Löwe aus Magdeburg: Vinke's Friedensanträge kommen zu spät. Vorgestern war Zeit dazu. Durch jenen abscheulichen Auftritt ist tödtlicher Haß in die Parteien geworfen. Spricht vom Terrorismus der Majorität. Protestirt (als Preuße) feierlich dagegen, daß das preußische Volk durch Brentano's Aeußerung beleidigt. Der Prinz von Preußen ist keine exceptionelle Person mehr, er ist ein einfacher Staatsbürger; die Beleidigung desselben, wenn es überhaupt eine Beleidigung gewesen wäre, ist keineswegs eine Ehrenkränkung des preußischen Volks. (Lautes Bravo.)
Gagern: Es bleibt dabei, daß über Vinke's jetzige Erklärung zur Tagesordnung übergegangen wird. (Bravo!) Ueber dieselbe wird der Ausschuß mit zu entscheiden haben. Er ersucht den Vicepräsidenten v. Hermann weiter zu präsidiren.
Soiron (mit zerschmetterter Stimme) bittet noch Jordan zu einem Antrage das Wort zu geben, den derselbe bei ihm, in der Meinung er sei der heute Präsidirende, eingebracht habe.
Jordan aus Berlin beantragt über Hecker's Angelegenheit gleich abzustimmen, weil mit der Diskussion und Abstimmung über die Amnestie bereits mittelbar über die Hecker'sche Angelegenheit mitentschieden sei.
Schaffrath: Die Frage über Amnestie und diese Wahlfrage sind ganz verschieden.
Präsident v. Hermann: Ob Jordan's Antrag unterstützt? (Wird von rechts unterstützt.)
Eisenmann: Es handle sich ja nicht um Hecker allein, sondern auch um eine neue Wahl.
Wydenbrugk: Jordan's Antrag sei weiter nichts als ein Amendement zu den Ausschußanträgen in der Hecker'schen Frage und sei später bei diesen mit zu erwähnen.
Tagesordnung.
Die Ausschußanträge, sowie die verschiedenen Amendements in der Heckerschen Wahlangelegenheit werden nun verlesen. Mohr und Simon aus Trier stellen neue Amendements: Hecker's Wahl formell und materiell zu billigen Jordan aus Berlin taucht mit seinem Antrag noch einmal auf und findet keine Unterstützung.
Der Berichterstatter Wiedenmann (der neue und der Staatssekretär) spricht in seiner gewöhnlichen Art und Weise über die Ausschußanträge).
v. Itzstein beweist, daß Hecker weiter nichts gesündigt hat als die Nationalversammlung selber. Er meint zum Schluß, man würde dem Volke eine große Beruhigung verschaffen, wenn man Hecker in die Nationalversammlung eintreten ließe. Bei seinem Abtritt (leises Bravo links; die Gallerien eingeschüchtert von vorgestern, enthalten sich der Akklamation; einige Gallerien sind sogar ganz abgerissen).
Plathner (der Pistolenschütze). Ob Hecker Hochverräther oder nicht, wird die Geschichte entscheiden; ich halte mich nur daran, daß er, mit der Nationalversammlung im Widerspruch, die Republik will. (Der Oberlandsgerichts-Assessor Plathner accentuirt jedes seiner Worte so nachdrücklich wie ein Schulmeister die Ermahnungen, die er seinem Scholar giebt, indem er ihm dabei auf die Finger klopft). Diese Accentuation erregt große Heiterkeit. Der Wahlkreis von Thingen meint Plathner, sei nicht souverän. Wir sind allerdings hier in Folge der Revolution, Hecker aber ist kein Revolutionär, sondern ein Rebeller. Ihr Entschluß über ihn wird entscheiden, ob der Kampf der Zukunft der deutschen Nation hier in der Paulskirche mit dem Wort (nach Plathner mit dem Prügel) oder draußen mit dem Schwert ausgemacht werden soll.
Wiesner aus Oesterreich. Friedrich Hecker ist durch seine Wahl freigesprochen. Dieser Wahl haben Millionen andre Deutsche (auch Nicht-Badener) ihr Echo zugejauchzt. Ich muß den Wählern von Thingen vor den Augen der Vertreter der deutschen Nation meine Achtung zu erkennen geben. (Bravo und Zischen). Die Polizei hat ihn geächtet, das Volk ihn auf den Schild erhoben. Wenn Heckers That Hochverrath, mußten die neusten Barrikaden Wiens auch das Produkt des Hochverraths sein. Diese wurden gebaut auch als die Nationalversammlung schon tagte. Haben Sie den Muth, die Wiener und Oesterreicher Hochverräther zu nennen. (Links Ei bewahre!) Dagegen protestire ich. (Bravo). Hecker hat übrigens erklärt zu keinen gewaltsamen Mitteln mehr greifen zu wollen, deshalb dürfen wir ihn nicht ausschließen, denn sonst entziehen wir ihm die gesetzlichen Mittel zur Verfolgung seiner Ideen und rufen sein Martyrerthum hervor. Die Sympathien für Hecker sind in Baden und anderwärts jetzt gewachsen, auch bei uns in Oesterreich. (Rechts Oho! links bravo). In der Wiener Reichsversammlung sitzen viele sogenannte Hochverräther.
v. Rappard und Compes verzichten auf's Wort.
Simson (aus Königsberg!) Gegen Heckers Zulassung. Sehr wenig Talent gehöre dazu die Anträge des Ausschusses zu bekräftigen. Die Kompetenz der Versammlung in dieser Sache ist selbst von Hecker unbestritten. Wir sitzen hier nicht als Gerichtshof, wir brauchen nur unsre moralische Ueberzeugung. Heckers Unternehmen war nicht bloß gegen Baden, sondern gegen ganz Deutschland gerichtet. Wenn er sich auch den Eintritt in alle Ruhmeshallen gebahnt hätte, den Eintritt in diese Versammlung hat er sich verwehrt. Wir sind freilich aus der Revolution hervorgegangen, aber unsre Verfahrungsart ist von der Heilmethode Heckers sehr verschieden. Wenn die Versammlung den Hecker aufnimmt, stellt sie sich auf den Standpunkt des badischen Oberlandes. Hiezu (der Redner spricht mit unendlichem Nachdruck) bedürfen wir des Muthes des Selbstmörders. (Rechts sehr brav). Ich kann es nicht ohne Wehmuth denken, daß Hecker sich selbst ausgeschlossen.
Aber er hat den Boden des Vaterlandes mit Blut getränkt. (Murren, der Redner schlägt fortwährend kräftig auf die Tribüne, was den Eindruck seiner Rede schwächt).
Vogt hat das sonderbare Geschick gegen drei preußische Redner, Plathner, Simson, Wiedenmann, sprechen zu müssen, man möge dies nicht auch als Beleidigung des deutschen Volkes ansehen. (Freudiges lautes Bravo). Hr. Welker hat gesagt, das Verlangen Fiklers und Struves, im badenschen Volk über Republik oder nicht Republik abstimmen zu lassen, sei ein abgeschmaktes genannt. Diese Abgeschmacktheit allein ist das Mittel ohne Blut über den Willen des Volkes klar zu werden. Beispiel: der Kanton Bern. ‒ Der Ausschuß hat so sehr auf die Notorietät der Verbrechen Heckers hingewiesen. Im Polizeistaat war alles notorisch. Wir sollen den Polizeistaat mit Füßen treten, den Rechtsstaat gründen. Dieser verlangt Urtheil und Beweise. ‒ Daß Hecker Hochverräther ist nirgendwie nachgewiesen; er nirgends verurtheilt. Wenn sie ihn verurtheilen, usurpiren sie das Recht der Jury. Wenn nun Hecker später freigesprochen werden sollte? (Arndt mit kindischer Gestikulation vom Platz: Das ist nicht möglich!) Dieser Weg einen Deputirten wegen materieller Unfähigkeit auszuschließen führt zu unseligen Konsequenzen. Sie werden so mit der Zeit uns alle ausschließen, die der Majorität nicht beipflichten. (Bravo).
In keinem Wahlgesetz steht etwas über materielle Ausschließungsgründe. ‒ Das Verlangen der badenschen Regierung, die Wähler Heckers als Hochverräther zu erklären, ist monströs! ‒ Also durch einen Stimmzettel kann man Hochverräther werden. Das ist also die regenerirte badensche Regierung? Vogt frägt den Präsidenten, ob nicht Uhl (der von der Minorität im Thiengenschen Wahlkreis Gewählte) gestern mit einer Legitimation der badenschen Regierung im Sack, hier gewesen, und in die Nationalversammlung habe anstatt Heckers treten wollen?
Gagern (sehr erbost) [denn Uhl ist sein Privatfreund]. Hr. Uhl ist nicht hier gewesen und hat nichts im Sacke gehabt.
Sachs aus Mannheim schreit von links her: „es ist doch wahr, er hat mir seine Legitimation gezeigt.“
Gagern wird wüthend. Sachs wiederholt seine Behauptung. Vogt fährt fort. Daß Hecker einen neuen Einfall beabsichtigt, ist nicht wahr; er hat überhaupt keinen Einfall gemacht, sondern nur einen Aufstand. (Gelächter). Beantragt: „Ueber die betreffende Erklärung der badenschen Regierung und die verschiedenen Petitionen im entgegengesetzten Sinne zur Tagesordnung überzugehen, und der badenschen Regierung zu überlassen, von der Nationalversammlung Ermächtigung zum Verfolg des Heckerschen Prozesses zu verlangen.“ (Bravo).
Präsident Hermann verliest eine eben abgegebene Erklärung des Abg. Sachs aus Mannheim auf Ehrenwort, daß ihm Uhl persönlich eine Legitimationsurkunde der badenschen Regierung zum Eintritt in die Nationalversammlung vorgewiesen habe.
v. Gagern (halb weinend) will davon nichts wissen. Uhl hätte ihm gesagt, er würde eine Minoritätswahl nie annehmen.
Vogt. Er hätte vorhin dies nicht behauptet, sondern eben, weil er zweifelhaft gewesen, den Präsidenten v. Gagern darum befragt. (Bravo. Schluß. Schluß!)
Sachs von Mannheim. Die badensche Regierung hat aber doch diese Legitimation ausgestellt.
Gagern. Ob Vogt, Uhl habe persönlich angreifen wollen?
Vogt. Dies sei ihm gar nicht eingefallen, er kenne den Uhl gar nicht.
Die Debatte wird geschlossen. Nachdem Lichnowsky und Schaffrath namentliche Abstimmung beantragt haben, spricht der Berichterstatter von Wiedenmann und bekämpft sehr schwach die Angriffe Vogt's auf den Ausschußbericht. Hierauf werden die Anträge und Amendements verlesen und nach der üblichen Debatte, wie gewöhnlich zuerst über den Ausschußantrag abgestimmt.
Das Resultat dieser Abstimmung habe ich gestern schon mitgetheilt.
Frankfurt, 11. August. In der heutigen 59. Sitzung beschloß die verfassunggebende Reichsversammlung, daß ihrem Präsidenten ein Gehalt von 2000 fl. monatlich, vom Tage der stattgefundenen Wahl an, auszuzahlen sey und es dem Präsidenten nicht zustehen soll, auf diesen Gehalt zu verzichten. An der Tagesordnung war die Berathung über den Bericht des völkerrechtlichen Ausschusses, Separatverhandlungen deutscher Staaten mit Dänemark und die Entschädigung für die Wegnahme deutscher Schiffe betreffend. Die Versammlung beschließt zur Tagesordnung überzugehen. Deßgleichen über die andern Anträge wegen Einleitung gemeinschaftlicher Maßregeln gegen Dänemark, wegen der von früherher bestehenden Verträge deutscher Staaten mit Dänemark, wegen des Sundzolls, der Entschädigung für das Embargo unter Verweisung der Anträge etc. an die Centralgewalt. Ferner beschloß die Versammlung die Petition der Dampfschifffahrt zu Ulm um Schutz gegen gewaltsame Eingriffe der Centralgewalt zu überweisen.
15 Berlin, 10. Aug. Während hier kein Tag vergeht, wo nicht zahlreiche Verhaftungen vorfallen, setzt der liberale Senat einen Studenten in die freie Luft ‒ er relegirt. Mit Erstaunen las ich heute an dem schwarzen Brett der Universität folgenden Anschlag, den ich hiermit aus der lateinischen Urschrift in's Deutsche übertrage: „Rektor und Senat Königl. Friedrich Wilhelms-Universität zu Berlin. Sintemal Du, Heinr. Phil. Chr. Langfeldt aus Mecklenburg-Schwerin, stud. phil., als bei Gelegenheit der dem Stifter dieser Anstalt gewidmeten akademischen Feierlichkeiten eine preußische Fahne zwischen den beiden deutschen auf dem Balkon der Universität öffentlich aufgesteckt wurde, durch ausgestoßene Schmähungen die Würde jener Fahne zu verringern, und durch aufrührerische Reden zur Herunterreißung derselben aufzureizen gewagt und zugleich im Haufen Geld ausgetheilt hast, so verbannen wir dich Heinr. Christ. Langfeldt, der Du jenes aufrührerischen (factiosi) Unternehmens und der frechen (superbiter) Verachtung des Ansehens der Obrigkeiten angeklagt und überführt bist, von dieser Universität, und theilen diesen Beschluß den verbündeten Universitäten nach gewöhnter Sitte mit. Berlin, 10. August 1848. Joh. Müller, derzeit Rektor.“ ‒ Lassen Sie mich berichten, was eigentlich der grause Verbrecher begangen hat, oder vielmehr was ihm eigentlich angeschuldigt wird. Es war am 3. August. Einige Mitglieder des Senats standen am Balkon der Universität, vor welche die famose schwarzweiße Fahne eine große Menschenmenge herangelockt hatte. Da kam ein Unterbeamter der Universität eiligst zu den Herren des Senats mit der in obigem Aktenstück bezeichneten Meldung; er habe gehört, wie der Langfeldt die Aeußerung gethan: „Runter mit dem Dreck!“ gesehen und wie er in der Menge Geld ausgetheilt. Gestern früh wird der Angeklagte vor das Universitätsgericht geladen, der Denunciant beschwört seine Aussage, Entlastungszeugen werden nicht zugelassen; der Verklagte wird verurtheilt, der Pedell begleitet ihn nach Haus, läßt ihn dort seine Sachen einpacken und führt ihn dann nach dem Carcer, von wo er, nachdem er die Nacht über daselbst verweilt, abermals vom Pedell geleitet, nach der Eisenbahn hinausgeschafft wird.
Ueber ein anderes Dokument unseres hochweisen Rathes muß ich Ihnen ein Längeres berichten, da sich noch einige andere interessante Thatsachen daran knüpfen. Das Aktenstück selbst ist seit gestern an das schwarze Brett angeschlagen und lautet wie folgt: „Es ist zur Kenntniß der Universitätsbehörde gekommen, daß eine Fraktion der Studierenden unter dem allgemeinen Namen der Studentenschaft öffentlich auftritt und Beschlüsse zu fassen unternimmt, wodurch auch die Nichttheilnehmenden gebunden sein sollen. Hierin liegt eine Anmaßung, welche die Freiheit, Ueberzeugungen und Rechte jedes Einzelnen, so wie der gesammten Universität verletzt. Rektor und Senat erklären daher, daß gegen diejenigen, welche sich an der dergleichen Usurpationen betheiligen, disciplinarisch eingeschritten werden wird.“
Daß dies Dokument in der Studentenschaft die tiefste Entrüstung hervorrufen mußte, ist klar. Sofort wurde an Müller eine Deputation gesandt, welche demselben vorerst einige faktische Irrthümer in seiner Bekanntmachung nachwies. Es wurde ihm gezeigt, daß in den rein formellen Statuten der Berliner Studentenschaft allerdings früher ein Paragraph existirt habe, wonach bei Beschlüssen der Majorität kein Protest der Minorität zulässig sei; daß aber, da diese Stelle Anlaß zu der irrigen Meinung geben konnte, als solle dadurch jeder einzelne Student an die Beschlüsse der Allgemeinen Studentenschaft gebunden sein, dieselbe jenen Paragraphen bereits vor anderthalb Wochen gestrichen habe. Wenn also der hochweise Senat irgend ein Gesetz oder Verbot erlassen wolle, so möge er in Zukunft sich zuvor etwas genauer über die Verhältnisse unterrichten. Der Rektor erwiderte, das habe er allerdings nicht gewußt, aber trotzdem könne er das Bestehen einer allgemeinen Studentenschaft nicht dulden, und eben so wenig die vor der Universität aufgestellte schwarze Tafel, welche von den vorübergehenden höhern Beamten sehr mißfällig wahrgenommen sei. Im Uebrigen sei der Paragraph in den Statuten ein ungesetzlicher, wonach auch fremden Studirenden bei der Studentenversammlung der Zutritt gestattet werde. ‒ Morgen wird das Comité der hiesigen Buchdruckergehülfen, welche bis zur Erledigung der Mainzer Beschlüsse feiern, verhaftet werden, an der Spitze Hr. Born, einer der Hauptleiter der ganzen Bewegung. Man wendet nämlich gegen die Herren den (wenn ich nicht irre) § 183 der Gewerbeordnung an, wonach diejenigen, welche Gehülfen dazu verführen ihre Arbeit einzustellen, um höhern Lohn zu erwerben, mit einjähriger Gefängnißstrafe belegt werden sollen. Denunciant ist der Buchdruckereibesitzer Hänel. Nach all diesem gewinnt es den Anschein, als ob die freilich noch spärlich verbreiteten Gerüchte von der Möglichkeit einer hereinbrechenden Reaktion nicht ganz unbegründet wären.
119 Berlin, 10. Aug. In Folge der Schritte des Senats beschloß eine Versammlung der „allgemeinen Studentenschaft“ heute Nachmittag, während der Ferien die „allgemeine Studentenschaft“ und somit auch den Ausschuß derselben zu suspendiren, und in Folge dessen auch das schwarze Brett wegzunehmen, ehe noch der formelle Befehl hierzu von dem Senat ankäme, diese Schritte auch in den Zeitungen zu rechtfertigen, und die bezüglichen Erklärungen zu unterzeichnen: „die bisher so genannte allgemeine Studentenschaft.“
Somit ist also auch aus der Studentenschaft faktisch jedes Ueberbleibsel der „glorreichen Märzrevolution“ sorgfältig hinweggeräumt. Indessen tadeln wir den Beschluß der Studenten nicht, weil er, wenn auch nicht heorisch, doch klug ist, indem er den Feind zwingt, die Schlacht da zu schlagen, wo er nicht will ‒ im neuen Semester. Zwar macht uns die spießbürgerliche National-Zeitung von Zeit zu Zeit Hoffnung, daß die Universität geschlossen werden würde, doch ist ihre Absicht bei diesen Nachrichten zu leicht erkenntlich, als daß man ihnen glauben sollte.
So eben ist an den Straßenecken ein Plakat angeschlagen, gedruckt in der Deckerschen amtlichen geheimen Ober-Hof-Buchdruckerei, in welchem ein in Charlottenburg liegendes Regiment die Soldaten auffordert, sich in diesen Tagen zu versammeln, um eine Petition zu berathen, daß der Prinz von Preußen an die Spitze der Armee (welcher, ob der preußischen oder deutschen?) gestellt werde.
103 Berlin, 10. Aug. Der hiesigen Kaufmannschaft ist heute ein Promemoria aus dem Finanz- und Handelsministerium mitgetheilt worden, welches ausführliche Mittheilungen macht über die, von der französischen Regierung durch eine Verordnung vom 10. Juli, bewilligte Erhöhung von 50 pCt. der bereits bestandenen Ausfuhrprämien und Rückzölle für französische Fabrikate und über die außerdem festgesetzte neue Ausfuhrprämie von 41/2 pCt. des Fabrikwerthes aller Gewebe von Seide und Floretseide; Gewebe und Garne von Flachs und Hanf. Die Minister schlagen als Retorsionsmaßregel gegen Frankreich eine angemessene Erhöhung der Einfuhrzölle auf französische Fabrikate vor, damit die von Frankreich jetzt mehr gezahlten Ausfuhrprämien in die Zollvereinskassen fließen, die Steuereinnahmen hier vermehrt werden, ohne daß die betreffenden Waaren im Preise steigen. Die Minister ersuchen die Kaufmannschaft um ihr Gutachten.
Im Verlage der Deckerschen Geheimen Ober-Hof-Buchdruckerei erschien dieser Tage eine Schrift unter dem Titel: „An das preußische Volk und dessen Vertreter: gegen den Eid des Heeres auf die Verfassung,“ von einem pseudonymen Verfasser und wie sich aus der Schrift ergibt, einem preußischen Offizier. In derselben heißt es:
„Erlasset uns diesen Eid, die Verfassung nach eigenem Ermessen zu beschützen, wobei ein Jeder seine eigene Auslegung mitbringt; erlasset insbesondere dem jungen Soldaten einen Eid, der ihn in Zweifel verwickeln und zum leichten Raube der Verführung machen, mit einem Worte unsere schöne Armee demoralisiren würde.
Seht auf England, dessen Heer musterhaft dasteht, ohne auf die Verfassung vereidigt zu sein, dessen Volk sich dennoch nicht vor seiner eigenen Armee fürchtet, weil das Gesetz dort in jedes Bürgers Brust seinen Schutz findet, weil dort ein Constabler nur zu winken braucht, um Tausende zu seinem und der Gesetze Schutz in die Schranken zu rufen.
Nun denn, so zwingt uns nicht zu einer Komödie, wo es Ernst gilt! Verschont uns mit dem Eide auf die Verfassung; sie wird durch unsere Schuld wahrlich nie verletzt werden, dafür bürgt Euch die Disziplin (!) und die Volksthümlichkeit (!) Eures Heeres; und wird sie von Andern verletzt, so zieht doch diese Andern durch Eure Vertreter und Eure frei gewordene Presse zur Verantwortung; erlaßt uns diese Komödie, die für uns unschuldigerweise tragisch werden muß! Unser Fahneneid würde die Hälfte seines Werthes verlieren. Wehrt diesen zweiten Eid ab, damit die Komödie nicht noch weiter gespielt und uns am Ende zugemuthet werde, dem Reichsverweser später einmal den dritten und auf die Reichsverfassung den vierten Eid zu schwören, wo dann der heilige Eid vollends zum Spielwerk und die Armee zu einem Taubenhause aller möglichen Klubs herabgewürdigt werden würde.
Wir möchten denen, die diesen Eid verlangen und ‒ es näm- [Fortsetzung]
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(2017-03-20T13:08:10Z)
Maria Ermakova, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Frank Wiegand: Konvertierung XML nach DTA-Basisformat
(2017-03-20T13:08:10Z)
Weitere Informationen:Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.
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